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Die Beziehungen zwischen Zytologie und Oenetik in der Oenotherenforschung Von .L Schwemmle Durch die grundlegenden Untersuchungen R enners, seiner Schiller und Mitarbeiter und die anderer Autoren hat die genetische Sonder- stellung der Oenotheren eine weitgehende Klt~rung gefunden. Die in der Natur vorkommenden Arten sind zumeist Komplexheterozygoten, ,,d. h. sie bilden dauernd zwei weit verschiedene Typen yon KeimzelleiJ, die sich wahrscheinlich in zah]reichen, aber lest verketteten, nicht unabh~ngig men- delnden Faktoren unterscheiden" (Renner 1917, Garnet. Konstitution). In gleicher Weise verhalten sich die Eu-Oenotheren. Von diesen wurden verschiedene Formen in den letzten Jahren untersucht. Um noch einmal kurz den besonderen Erbgang der Oenotheren im weiteren Sinne darzulegen, seien Kreuzungen in dieser Gruppe als Beispiel gewt~hlt. Kreuzen wir Oe. Bert~riana (mit ausgesprochener Rosette, gro~en ge- zt~hnten Blt~ttern, abgestutzter Infloreszenz und getupften Petalen) mit Oe. odorata (ohne Rosette, mit schwach geztihnten Bltittern, flattriger Inf[oreszenz und ungetupften Petalen), so erhalten wir in tier F 1 drei scharf voneinander unterscheidbare Formen. Einmal einen Typ II mit stark geztLhnten Bltittern und ungetupften Petalen. Die beiden anderen Typen Iund III mit getupften Petalen stimmen in der Art der Verzwei- gung weitgehend tiberein, unterscheiden sich aber in der Form der BItitter und in der Ft~rbung so stark voneinander, dab eine Verwechslung voll- kommen ausgeschlossen ist. In der Kreuzung Oe. (odorata X BerSeriana) fehlt aus noch nicht ganz bekannten Grfinden ~ler Typ III in allen Fallen. Da die Typen ] und IImit gelblichem Laub viel schwt~chlicher sind, mul3 daran gedacht werden, daI~ der Typ III nicht entwicklungsffi.hig ist und bereits in embryonalen Stadien stecken bleibt, Aber jetzt tritt ein neuer Typ IV auf, hellgr0n ndt stark gezt~hnten Blttttern und charakteristischerVer- zweigung. Seine Petalen sind ungetupft. In der Kreuzung Oe. (Bert, × od.) wurde dieser Typ IV noch hie erhalten, wohl aber in anderen Kreuzungen, etwa in der Kreuzung (II x I). Jetzt mit Berteriana'Plasma versehen,

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Page 1: Die Beziehungen zwischen Zytologie und Genetik in der Oenotherenforschung

Die Bez iehungen zwischen Zytologie und Oenetik in der Oenotherenforschung

Von .L Schwemmle

Durch die grundlegenden Untersuchungen R enne r s , seiner Schiller und Mitarbeiter und die anderer Autoren hat die genetische Sonder- stellung der Oenotheren eine weitgehende Klt~rung gefunden. Die in der Natur vorkommenden Arten sind zumeist Komplexheterozygoten, ,,d. h. sie bilden dauernd zwei weit verschiedene Typen yon KeimzelleiJ, die sich wahrscheinlich in zah]reichen, aber lest verketteten, nicht unabh~ngig men- delnden Faktoren unterscheiden" ( R e n n e r 1917, Garnet. Konstitution).

In gleicher Weise verhalten sich die Eu-Oenotheren. Von diesen wurden verschiedene Formen in den letzten Jahren untersucht. Um noch einmal kurz den besonderen Erbgang der Oenotheren im weiteren Sinne darzulegen, seien Kreuzungen in dieser Gruppe als Beispiel gewt~hlt. Kreuzen wir Oe. Bert~riana (mit ausgesprochener Rosette, gro~en g e- zt~hnten Blt~ttern, abgestutzter Infloreszenz und getupften Petalen) mit Oe. odorata (ohne Rosette, mit schwach geztihnten Bltittern, flattriger Inf[oreszenz und ungetupften Petalen), so erhalten wir in tier F 1 drei scharf voneinander unterscheidbare Formen. Einmal einen Typ II mit stark geztLhnten Bltittern und ungetupften Petalen. Die beiden anderen Typen I u n d III mit getupften Petalen stimmen in der Art der Verzwei- gung weitgehend tiberein, unterscheiden sich aber in der Form der BItitter und in der Ft~rbung so stark voneinander, dab eine Verwechslung voll- kommen ausgeschlossen ist. In der Kreuzung Oe. (odorata X BerSeriana) fehlt aus noch nicht ganz bekannten Grfinden ~ler Typ III in allen Fallen. Da die Typen ] und I I m i t gelblichem Laub viel schwt~chlicher sind, mul3 daran gedacht werden, daI~ der Typ I I I nicht entwicklungsffi.hig ist und bereits in embryonalen Stadien stecken bleibt, Aber jetzt tritt ein neuer Typ IV auf, hellgr0n ndt stark gezt~hnten Blttttern und charakteristischerVer- zweigung. Seine Petalen sind ungetupft. In der Kreuzung Oe. (Bert, × od.) wurde dieser Typ IV noch hie erhalten, wohl aber in anderen Kreuzungen, etwa in der Kreuzung (II x I). Jetzt mit Berteriana'Plasma versehen,

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unterscheidet er sich nicht sehr wesentlieh yon dem aus der Kreuzung Oe. (od. × Bert.) erhaltenen Typ IV. Aus diesen Befuuden geht klar hervor, dab die for die Kreuzungen verwendeten Arten Komplexhetero- zygoten sind. Jede bildet zwei Sorten yon Keimzellen: Oe. Berteriana die Komplexe a und fl (dabei enth~tlt fl den Tupfungsfaktor), Oe. odorata die Komplexe 7 und 6. Da die bisher untersuehten Arten der Eu-Oeno- theren (Oe. Berteriana, odorata, mollissima, striata) als isogam sich erwiesen haben, ist eine vierfSrmige Naehkommensehaft zu erwarten. Der Ausfall s~tmtlicher zur Prilfung angestellten Kreuzungen best~ttigt diese Annahme. Vierf6rmig ist auch die Nachkommensehaft der Kreuzungen zwisehen Oe. Berteriana und Oe. mollissima mit den Komplexen ~ und ~/. Fiir Oe. mo~lis- sima konnte O e l k r u g neuerdings den wohl durch Letalfaktoren bedingten Ausfall der Homozygoten ~ • ~ und ~l " ~] auf friihen embryonalen Stadien entspreehend den Untersuchungen yon R e n n e r und H i o r t h naehweisen.

Auf diese Weise werden also neue Komplexverbindungen hergestellt undes erhebt sich die Frage, wie sich diese in den Folgegenerationen ver- halten. Sind die konstant, wie die Ausgangsformen oder treten Spaltungen auf ? Bleiben wir bei unserem gew~thlten Beispiel, so sehen wir, dab nach Selbstbest~tubung yon Typ II im Berteriana-Plasma auBer Typ II dauernd ein neuer Typ A abgespalten wird, der nichts anderes darstellt, als die homozygotisehe Realisierung des yon Oe. odarata stammenden Komplexes 6. Dabei sei ausdr~icklieh darauf hingewiesen, daL~ eine Spaltung naeh irgend einem anderen Merkmal nieht beobachtet wurde. Der Komplex a konnte in keinem Fall als Homozygote erhalten werden. Die Frage, ob der Komplex 6 dutch Abspaltung eines Letalfaktors homozygotiseh lebens- f~thig wurde, ist noch nieht entschieden. R e n n e t gelang es ja, durch Ab- spalten des letal wirkenden Faktors Sp f~lr spitze Blatter von flavens in den flavens . rubens -~ rubiflava aus Oe. (suaveolens × biennis) eine in S p . s p heterozygotisehe flavens • flavens herzustellen, die dann dauernd die homo- zygotisehe s p ' f l a v e n s ' s p " flavens abspaltete. Wenn aueh die diesbez~ig- lichen Untersuchungen an den Eu-Oenotheren noeh nieht abgesehlossen sind, so spreehen sie doch for die Annahme, dab zwar die Komplexe a und fl dureh das Vorhandensein yon Letalfaktoren homozygotisch nieht realisiert werden kSnnen, dab aber hinsiehtlich des Komplexes d das jeweils vorhandene Plasma fiber die Lebensfithigkeit yon ¢1. ~ entseheidet. Die Komplexverbindung a • 6 wiirde sich also nicht anders verhalten wie die Oe. grandiflora (truncans" acuens), die dauernd die homozygotische Oe. oehracea (acuens .avuens) abspaltet ( G e r h a r d 1929). Bei Selbst- best~tubung yon Typ IV (a" 7) und Typ 1 (fl- r) treten auBer diesen noeh

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die Homozygoten r -~, auf und immer nur dann, wenn das Plasma yon Oe. Berteriana die Grundlage bildet. Auch in den meisten Kreuzungen, in denen r - ~ erwartet werden mfiBte, konnte sie nachgewiesen werden. ~ " 7 ist eine hellgrtine, unbehaarte, kiimmerliche Pflanze, die vielfach miBbildete Bliiten entwickelt. Aber der Pollen ist tadellos. Da die beiden Komplexe ~, und d yon Oe. odorata als Homozygoten im Bo'teriana-Plasma erhalten werden konnten, wird es mSglich, durch die Kreuzung 6" d × ~, ' r die Oe. odorata ~" d synthetisch herzustellen. Das gelingt denn auch leicht. Die so erhaltene Oe. odorata hat das Plasma yon Oe. Ber~eriana und wir miissen sie deshalb mit einer Oe. odorata vergleichen, die etwa dutch die Kreuzung a" d (aus Bert. × odorata) x odorata (~" 6) erhalten wird. In diesem Falle sind nennenswerte Unterschiede nicht festzustellen. Beide abet unterscheiden sich durch kleinere Bliiten und kfirzere Bliiten- r0hren deutlich yon der ursprtinglichen Oe. odorata. DaB sie dabei genetisch gleich konstituiert sind, konnte fiir die Oe. odorata aus (a • d X ~ • d) nach- gewiesen werden. Die genannten Unterschiede sind also plasmatisch bedingt.

Bei den Bastarden a . (~, fl" r , a - r tritt demnach aui3er jener nach Komplexen keine weitere Spaltung auf, wenn wir davon absehen, dab miiglieherweise ein Letalfaktor und nur dieser in allen drei F~tllen abge- spalten wurde. Anders verhalten sich die Bastarde aus den Berteriana × mollissima-Kreuzungen. Bei d e r a . ~, a" y und ft. ~ spaltet die Bliiten- gr(iBe monofaktoriell. Eine starkere Spaltung linden wir dann bei der der fl-~, bei der auBer der Spaltung nach Blfitengr5Be eine solche naeh dem Tupfun~faktor, der Blattbreite und wohl noch nach einem vierten schwer faBbaren Faktor zu beobaehten ist. Dabei sind die Faktoren voneinander unabh/tngig. Aber trotz dieses Austausehes zwischen den Komplexen bleiben diese selber in Kreuzungen leicht erkennbar.

Viel tiefergreifende Austauschvorgi~nge mfissen wir aber ffir ft. d aus Oe. (Bert. × od.). annehmen. Naeh Selbstbest~iubung lassen sich in der F2 drei Hauptgruppen unterseheiden. Die erste C-ruppe umfaBt die ft. d-Pflanzen. Unter diesen finden wir aber getupfte sterile, d. h. Planzen mit heller Bltitenr0hre, intensiven Tupfen am Grunde der Petalen und fast inhaltsleeren geschrumpften Antheren, weiterhin Pflanzen, die der fl • d aus der Fz durchaus gleichen und zuletzt solche, die den Tupfen an den Petalen nicht zeigen. Die zweite Gruppe bilden die auch hier wieder auftretenden Homozygoten 6 .6 , ebenfalls getupft steril, getupft fertil und ungetupft. Daraus geht hervor, dab auBer der Spaltung nach Kom- plexen unabh~tngig davon eine solche nach tier Tupfung vorhanden ist. Mit dem die Tupfung bedingenden Faktor T, der yon fl aus Oe. Berteriana

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stammt, ist eng gekoppelt ein Faktor S ffir Pollensterilit/it und aul3erdem der Faktor ri, das Allel zu dem mutativ entstandenen Faktor Ri aus dem Komplex 6 yon Oe. odo,rata, der unter anderem zusammengefaltete und verbogene B1/~tter bedingt. Die pollensterilen /3. d und 6. d sind also homozvgotiseh in den genannten Faktoren. Wir haben also einen fal3- baren Austauseh zwischen den Komplexen /3 und ~' nach drei eng ge- koppelten Faktoren ri, T, S. Daneben treten bei Selbstbest/iubung noch die Pflanzen der dritten Gruppe auf, die getupft steril, getupft fertil und ungetupft in ihrer Gesamtheit einen neuen Typ B repr/isentieren, der durch kleineren Wuchs, Art der Verzweigung, stark gewellte B1/itter, kopfige Infloreszenzen und eine Reihe anderer unterscheidenden Merk- male ausgezeichnet ist. Bei Selbstbest/iubung dieser neuen Form wird immer wieder Typ A ---- d- d abgespalten; die obengenannte Koppelungs- gruppe verh/ilt sich dabei wieder unabh/ingig. Es mu~ also aueh hier eine Spaltung nach Komplexen erfolgen und der mit 6 verbundene anta- gonistische Komplex sei e genannt. Dieser entsteht immer wieder neu in der fl • 6. Dies ist aber nur dadureh mOglich, dab zwischen den Kom- plexen fl und d ein st/£rkerer, aber durchaus gesetzm/il3iger Austauseh erfolgt. Offenbar herrschen in dem Komplex ~, wie ein Vergleich von s. 6' mit /3-d einerseits und d. d andererseits ergibt, die Bestandteile ~on Komplex 6 vor; yon /3 stammen die Faktoren for die Ausbildung der Infloreszenz, die Verzweigung und Blattgestalt. Das notwendige Korrelat des Austausehes konnte nie nachgewiesen werden Auffallend ist aueh, dab der neugebildete Komplex e im Pollen nie aktiv ist, ganz im Gegensatz zu dem sonstigen Verhalten der Eu-Oenotheren. Durch Kreuzung mit Oe. Berteriana und Oe. odorata erhalte ich die vollst/~ndig konstanten Bastarde a ' s und y ' e . /3"~ ist nur einmal in wenigen Pflanzen aufgetreten.

Nicht anders verhalten sich die vielen untersuchten Bastarde in der biennis-Gruppe. Bei diesen haben wir stets eine Spaltung naeh Bltiten- gr613efaktoren. Wo diese unterbleibt, unterscheiden sich die miteinander verbundenen Komplexe darin nieht. In vielen F/illen sind mit Ausnahme der Spaltung naeh Bl~tengrSl3e die Bastarde konstant, in wieder anderen tritt eine faflbare Spaltung naeh wenigen Faktoren ein und am Ende der Reihe stehen dann die Bastarde, bei denen nach Selbstbest/iubung eine sehr starke und zun~ichst unfibersiehtliehe Spaltung vorhanden ist, wie wit sie sonst bei Artbastarden anzutreffen gewohnt sind.

Haben wir also die Erscheinung, dal] die meisten neu hergestellten Komplexverbindungen im Gegensatz zu den in der Natur vorkommenden

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Arten mehr oder weniger stark spalten, so erhalten die Spaltungen ihr besonderes Gepr~ige durch die Erscheinung des Koppelungswechsels, der yon R e n n e r ganz besonders untersucht wurde. Auch fiir die Eu-Oeno- theren konnte er nachgewiesen werden. Der Komplex fl yon Oe. Berteriana enthitlt eng gekoppelt die Faktoren T, S und ri, weiterhin ]3 (breite B1/itter), h (Bliitengr()i]e), sowie einen vierten noch nicht sicher erfal]ten Faktor x. Unver/indert bleibt der Komplex fl in der Verbindung mit Komplex a in der konstanten Oe. Berteriana. Hier findet keinerlei Austausch statt. Mit Komplex ~ von Oe. mollissima tauscht fl den Faktor H, sonst aber nichts. Die vorher vorhandene Koppelung ~drd gebrochen. Noch st~trker ist der Austausch re_it ~ yon Oe. mollissima. Hier haben wit einen unab- h~ingigen Austausch der Faktoren resp. Faktorengruppen h--H, B--b, x--X, S" T - - s - t . Mit Komplex d wird die durch den Tupfungsfaktor charakterisierte Koppelungsgruppe TSri getauscht und auBerdem erfolgt noch unabh~tngig davon ein Austausch einer groBen Gruppe yon Faktoren, die sich im einzelnen nicht nachweisen lieBen, well der neugebildete Komplex e nicht weiter aufi6sbar ist, Aus der biennis-Gruppe sei ein den Untersuchungen Renne r s entnommenes, besonders klares Beispiel gew/ihlt. Dabei wollen wir uns auf den Vergleich yon zwei Faktoren be- schranken. Der Komplex velans aus Oe. Lamarckiana (velans'gaudens) enth/ilt die Faktoren P ffir rote Tupfen am Stengel und stark rotbraune Kelchstreifen, sowie R fiir Rotf/~rbung der stiirksten Blattnerven. Das gleiche gilt ffir den Komplex rigens aus Oe. muricata (~ rigens " (~ curvans). Diese Faktoren P und R sind miteinander und mit dem Rest des Kom- plexes lest gekoppelt in der velans'curvans aus Oe. (Lain. × tour.) und in der Oe. muricata selbst, In der velans" fiavens aus der Kreuzung Oe. (Lain. × suaveolens) sind die genannten Faktoren streng gekoppelt, unabh/ingig aber yore Rest des Komplexes. In velans.gaudens, also in der Lamarckiana "selbst ist P mit dem Komplex lest gekoppelt, R da- gegen unabh/~ngig, spaltet doch die rotnervige Oe. Lamarckiana dauernd weiBnervige Lamarckiana ab. P und R spalten Voneinander und vom Rest des Komplexes unabh/ingig in der rigens'velans aus der Kreuzung Oe. (tour. × Lain.) oder der velans × hHookeri aus Oe. (Lain. x Hookeri). Die Koppelung tier Faktoren eines bestimmten Komplexes ist also wech- selnd und hangt jeweils nur yon dem mit ibm verbundenen antagoni- stischen Komplex ab.

Bei diesen wenigen Beispielen mfissen wires-bewenden lassen, Die genetische Sonderstellung der Oenotheren ist also durch die Komplex- heterozygotie und den Koppelungswechsel charakterisiert.

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Die Oenotheren zeigen aber nicht nur im genetischen Verhalten eine Sonderstellung; auch der Verlauf tier Reduktionsteilung weicht ~on dem wesentlich ab, was wir sonst beobachten kSnnen. Das hatten schon die alteren Untersuchungen v0n Dav i s , Ga te s und G e e r t s ergeben. R e n n e r war der erste, der in seiner ,,gametischen Konstitution" darauf hinweist, dab hier ein urs~chlicher Zusammenhang bestehen k~nnte. lqach ihm w~tre die Konstanz der Oenotheren dadurch erkl~rt, wenn ,,bei der heterotypischen NIitose die beiden haploiden Ghromosomens~itze so voneinander getrennt werden, wie sie in die Zygote eingegangen sind, ohne Austausch ganzer Chromosomen". Tatsiichlich gelang es dann vSllig unabh~tngig (die Arbeiten R e n n e r s werden zuerst nicht zitiert) 01e land , durch genaues Studium der Diakinese und der Metaphasenstadien den Mechanismus aufzudecken, der eine solche Verteilung ermSglicht. Nach seinen Untersuchungen, die, wenn wir yon einzelnen gegenteiligen An- gaben absehen, yon anderen Autoren bestatigt werden konnten, haben wir kurz dargestellt, folgenden Verlauf der Reduktionsteilung. Iqach der Synezisis folgt eine Entwirrung des Knauels. In dem Kern sind Schleifen und Schlingen zu sehen, die aber weniger Abschnitte eines zusammen- hangenden Pachvnemafadens sind, als vielmehr in ihrer Gesamtheit ein loses Netzwerk bilden. Dann kommt eine erneute Zusammenballung, die meist so stark ist, da~ in der N~he des Nukleolus ein unentwirrbarer Kn~uel ~orhanden ist, yon dem einzelne Schleifen, Teile der sich diffe- renzierenden Chromosomen herausragen. Spater entwirrt sich der Kniiuel und die 14 Chromosomen werden nunmehr sichtbar, deren gegenseitige Lage mit fortschreitender Entwirrung immer deutlicher hervortritt. Dabei fallt auf, dal~ im Fall der Oe. Lamarckiana nur ein einziges Paar vorhanden ist. Die restlichen 12 Ghromosomen liegen durch diinne Faden miteinander verbunden hintereinander und bilden zusammen einen meist geschlossenen Ring. Ahnliche Stadien waren auch fr(iher gesehen worden, aber es war den Beobachtern vor G le l and auffallenderweise entgangen, dab die Anordnung der Chromosomen in der Diakinese konstant ist. Alle bisher untersuchten Oe. La~arckiana-Sippen und ~iele ihrer Mutantea ( H £ k a n s s o n u. a.) besitzen diese Anordnung und zwar nicht nur in den 3 Gonotokonten, sondern auch in den ~ Gonotokonten, wie dies H ~ k a n s s o n nachgewiesen hat. Konstant ist auch die Chromosomenkonfi~lration bei anderen Arten. So finden wir bei Oe. muricata stets einen geschlossenen Ring yon 14 Chromosomen.

Von groI3er Bedeutung war dann die weitere Beobachtung C l e l a n d s , dal3 der Ring w~hrend der Metaphase nicht in Teilstiicke zerf~llt, sondern

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derart in die Aq uatorialplatte eingeordnet wird, dab die in der Kette auf- einanderfolgenden 0hromosomen jeweils dem anderen Pol zugerichtet sind. Es entsteht dadurch eine typisehe Zickzackanordnung, die notwendiger- weise zu einer regelmaBigen 7 : 7-Verteilung ffihren mul3. Die weiteren Stadien, sowie die hom(iotypische Teilung zeigen normalen Verlauf. Die yon Cleland neu entdeckten zytologischen Tatsachen sind also: 1. Kon- stanz der Chromosomenanordnung bei einer bestimmten Art und, um es vorwegzunehmen, auch bei den dutch Kreuzung neu hergestellten Kom- plexverbindungen, 2. regehn~il3ige, alternierende Verteilung der in der Kette verbundenen Chromosomen durch die Zickzackanordnung.

Von diesen Regeln gibt es nun bemerkenswerte Ausnahmen. Die Annahme der Konstanz hat sich als allgemein gfiltige Gesetzmii~igkeit insofern ergeben, als nicht etwa eine andere Chromosomenanordnung bei gleicher genetischer Konstitution nachzuweisen ist. Gegensiitzliche An- gaben haben sich als irrtfimlich herausgestellt. Nur eine Beobachtung Clelands ist gesichert. Bei der flavens, s~ringens aus Oe. (suaveolens × Strigosa) konnten bei 131 einwandlreien Diakinesen ein Ring yon vier Chromosomen und ffinf Paare gefunden werden. Bei einer PMZ. war aber die Anordnung 6 + 4 . 2 und sogar in einer ganzen Knospe konnte nur diese beobachtet werden. Wodurch diese ~nderung der Chromosomen- anordnung erfol~e, ist nicht bekannt. Ungekl~t ist die Angabe yon E m e rs on, der fiir seine Oe./ranciscana sul/urea neuerdings die Anordnung 10 + 2 • 2 findet, w~thrend er erst gleich wie Cleland einen Zw01ferring nnd ein Paar beobachten konnte. Bis auf diese wenigen Ausnahmen ist die Zahl der Chromosomenpaare konstant. Nicht konstant aber ist die Bildung eines geschlossenen Ringes der ungepaarten Chromosomen. Hier- yon k0n~aen mannigfache Abweiehungen vorkommen. So reil3t in manchen Pollenmutterzellen die Verbindung zwischen den Chromosomen an einer Stelle dutch und es entsteht eine offene Kette. 01e la n d ist geneigt, dieses Aufreiflen als einen Sonderfall zu betrachten, well zumeist die Ringe fiber- • wiegen. Aber es mehren sich die Beobachtungen, dab die Ketten h~tufiger sind. So geben Cleland und Oehlkers selbst fox Oe. CockerelIi 40% und for Oe. grandiflora 51% Ketten an. R e n n e r u~d H o e p p e n e r Iinden bei der albicans" aHookeri aus der Kreuzung Oe. (Mennis × Hookeri) und der a~oicans " veIans aus Oe. (biennis × Lain.) nut Ketten und Hakansson konnte for die a~bivelutina diesen Befund best~tigen. Auch bei den unter- suchten Eu-Oenotheren sind Ketten sehr hitufig. FOr die f l .~ aus Oe. (Berteriana × mollissima) finder 0 e l k r u g 141 Ketten auf drei Ringe. Wenn nach den neuen Auffassungen fiber das Zustandekommen der Ringe

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theoretisch ein geschlossener Ring gefordert werden mul3 und abweichende F~tlle deshalb yon Bedeutung werden kSnnen, so sehen wir doch in der Kettenbildung keine grundsatzliehe St6rung. Jedoch kann das Abrei~en der Chromosomen weitergehen und zu l~tngerc, n und kiirzeren Teilstfieken des Ringes fiihren. Einen solehen Kettenzenall beobaehtete G e r h a r d bei einer in der Kreuzung Oe. (Hookeri X grandiflora) aufgetretenen Mutante, fiir die die Chromosomanordnung in der Diakinese tiberhaupt nicht mit Sicherheit beobachtet werden konnte. Er fand Einzelehromosomen, Paare, kurze Ketten von zwei bis drei und bis zu acht Chromosomen. Wodurch der starke Zerfall bier bedingt ist, bleibt often. Ein Zerfall des Ringes in mehrere Teilketten geben auch C l e l a n d und O e h l k e r s an und zwar immer dann, wenn der Komplex flavens aus der Oe. suaveolens vorhanden ist. Am h'~ufigsten, 20%, ist dieser Zerfall bei der flavens, elongans aus Oe. (suaveolens × Cockerelli). Selbst die sonst an beiden Enden zusammen- h~ingenden gepaarten Chromosomen zeigen die Neigung, an einer Stelle voneinander sich zu l(isen. Zersttickelung der Kette kann nach O e l k r u g bei den Eu-Oenotheren z. B. dann beobachtet werden, wenn in a • ~ und fl '~ aus den Kreuzungen Oe. (mollissima X Berteriana), die normaler- weise eine Kette yon 14 Chromosomen haben, eben der Kemplex ~ vor- handen ist. Fiir diesen ist aber nach den genetischen Untersuehungen ein Steriliti~tsfaktor anzunehmen, aueh wenn es noch nicht gelungen ist, diesen ~on ~ abzusprengen. Dieser verursaeht den Kcttenzerfall, wie nachher die staxken Unregelm~tBigkeiten in Meta- und Anaphase und die herabgesetzte Pollenfertilit5t. Ist in diesen Fallen der Kettenzerfall faktoriell bedingt, so ist er auch eine Folge der Plasmawirkung. In der Kombination f l .~ mit Berteriana-Plasma konnte einwandfrei die Anord- nung 12 4 - 1 . 2 beobachtet werden. Diese ist zwar auch bei fl'~l mit mollissima-Plasma naehweisbar, aber in 17,1% zerfallt die Kette in der Diakinese und der Betrag steigt auf 23,2°//o w~hrend der Metaphase an. Sehr unregelm~i~ig sind auch die Anaphasen mit abnormer Chromosomen- verteilung (Oelkrug) . Dabei kann an der genetisch gleichen Konsti- tution der miteinander verglichenen Formen nicht gezweifelt werden. Auch ist im vorliegenden Fall die Einwirkung ~on i~ul3eren Faktoren, wie z .B. starken Temperaturschwankungen, die nach C l e l a n d - O e h l k e r s das gleiche bewirken k6nnen, ausgeschlossen.

Zeigt sehon die Chromosomenanordnung in der Diakinese Unregel- maBigkeiten, so sind diese noeh hi~ufiger in der Metaphase. Nach C l e l a n d , dem wir besonders sorgfaltige statistische Untersuehungen verdanken, ist ein Zusammenhang zwischen der L~tnge einer Kette und dem Prozentsatz

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der UnregelmaBigkeiten vorhanden. Je gr6Ber der Ring, je langer die Kette, um so haufiger sind die St6rungen der sonst so regelm~Bigen Zickzackanordnung. Sie machen bei einer 14er Kette bei den spontanen Arten durchsehnittlich 20% aus, bei Oe. grandiflora bis 25,3% und bei truncans x hHookeri aus Oe. (grandiflora × Hookeri) findet er sogar 53,85%. Die yon allen Autoren immer wieder beobaehteten Unregel- maBigkeiten lassen sieh nach dem genannten Autor in drei Gruppen ein- ordnen. Dabei diirfen nut ausgesprochene Metaphasen berficksichtigt werden, da die nut wenig friiher sichtbaren Unregelm~iBigkeiten zu einem groBen Teil wieder ausgeglichen werden. In der ersten Gruppe sind alle Fall~ untergebracht , in denen zwei in dem Ring nebeneinander liegenden Chromosomen anstatt zu verschiedenen Polen zu dem gleichen Pol wandern, wfiJarend an einer anderen S.telle, durch 2, 4 Ohromosomen in regelmaBiger Anordnung getrennt, wieder zwei zum entgegengesetzten Pol orientiert sind. Die normale 7 : 7-Verteilung wird dadurch nicht geandert. Bei den Fallen der zweiten Gruppe sind die unregelmaBig angeordneten, be- nachbarten Ohromosomen demselben Pol zugerichtet, da sie nur durch 1, 3, 5 Ohromosomen getrennt sind. Daraus folgt notwendigerweise eine zahlenmaBig ungleiche Verteilung 8:6. So k6nnen dann die 15 chro- mosomigen Mutanten entstehen. Die Gonen mit 6 Ohromosomen sterben wohl immer ab; es ist ja noch nicht gelungen, eine Mutante mit 13 Ohro- mosomen zu finden. Bei der dritten CTruppe liegt ein Ghromosom zwischen zwei anderen in tier ~quatorialebene ohne Faserbefestigung. Es ist ihm nicht anzusehen, in welcher Richtung es sich spater bewegt hatte. An einer anderen Stelle des Ringes kann sich classelbe wiederholen, oder es sind zwei nebeneinanderliegende, einem Pol zu gerichtete Ohromosomen vorhanden. Dies kann zu gleicher oder unregelmaBiger Verteflung fiihren. Da diese Unregelm/iBigkeiten etwa gleich h/iufig vorkommen, ist die 8 : 6-Verteilung im allgemeinen halb so groB wie der Prozentsatz an Un- regelmaBigkeiten iiberhaupt.

Diese rein zytologischen Beobachtungen hatte bereits Oleland selbst ausgewertet. Wir miissen auch bei einer Kette yon 14 0hromo- semen wie etwa bei Oe. muricata annehmen, dab 7 Paare homologer Chromosomen vorhanden sind. Wie sind diese nun in der Kette an- geordnet? Oleland hat berechnet, dab bei regelloser Anordnung aller 14 Chromosomen innerhalb der Kette nut bei e i n e r P]IIZ. unter 1717 eine reinliche Trennung aller Homologen zu erwarten sein wiirde. Die Folge miiBte eine sehr hohe Pollensterilitat sein, die in diesem AusmaB nicht vorhanden ist. So schlieBt Oleland, dab die Homologen Aa, Bb

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usw. in der Kette paarweise gebunden hintereinander liegen, eine Vor- stellung, die heute ganz allgemein angenommen ist. Aber die Anordnung k6nnte verschieden sein, etwa Aa, Bb, cC.. . ' , im einen Fall, aA, Bb, cC . . . im anderen Fall usw. Stets warden die Homologen zwar getrennt, aber die Partner der Homologenpaare wtirden unabh~tngig, dem Zufall folgend, auf die Pole verteilt. Nun bilden die Komplexheterozygoten nur zwei Soften yon Geschlechtszellen. Wenn wit nicht annehmen wollen, dab alle die Komplexe charakterisierenden Faktoren in einem Paare lo- kalisiert sind - - der Kopplungswechsel ware dann unverst~tndlich - - , so ware mit dieser Verteilung die Konstanz der Arten nicht vereinbar. So sehlieBt denn C l e l a n d , dab die Anordnung der Chromosomen in der Kette regetma~ig Aa, Bb, Cc ist. Sind z. B. die A, B, C usw. die Chro- mosomen des rigens-Komplexes, die a, b, c usw. die des curvans-Komplexes ,con Oe. muricata, so wiirden bei regelmiil3iger Ziekzackanordnung die A B C-Chromosomen zu dem einen, die a b e-Chromosomen zu dem anderen Pol gelangen. Das ist auch der Fall bei der Anordnung Aa, Cc . . .Bb . Einmal wiirden die Chromosomen der Homologenpaare normalerweise getrennt und zum anderen warden Gonen nur mit stringens-, Gonen nur mit curvans-Chromosomen gebildet werden. Damit w~tre das Auftreten yon zwei Sorten von Gameten erkl~rt. Sorgt dieser Mechanismus far eine s~iuberliche Trennung der die Komplexe konstituierenden Faktoren, so das Vorhandensein yon zygotischen Letalfaktoren fttr das Erhalten im Zustand dauernder Heterozygotie.

Die Voraussetzung ffir die Konstanz der spontanen Komplex- heterozygoten ist also die Bildung von langen Ketten. Bis jetzt wurden 22 Arten daraufhin untersueht, die drei Eu-Oenotheren, Oe. odorata, mollissima und Berteriana mit einer Kette von 14 Chromosomen in- begdffen. Von diesen haben 13 einen 14er Ring oder eine Kette van 14 Chromosomen und drei einen Ring yon 12 und ein Paar. AuBer Betracht blieben in dieser Aufz~thlung die :Mutanten yon Oe. Lamarckiana mit 14 Ghromosomen, die yon Oe. pratincola, sowie die sul/urea-Varietaten, da sie alle die gleiche Chromosomenanordnung wie die jeweilige Stature- art besitzen. Dieser Befund ist eine feste Stiitze far die Hypothese Cle lands . Wesentlieh anders verhalten sich zwei heterogame Arten, nfimlich Oe. biennis (albicans 9 • rubens ~) und Oe. rubricaulis (9 tingens • c~ rb-rubens). Sie beide haben zwei Ringe yon 6 und 8 Chromosomen. Wahrend der Reduktionsteilung sind folgende Verteilungen m6glich:

1. ABCD EFG 2. ABGD efg abed efg abcd EFG

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46 S c h w e m m l e

Da 0e. biennis vollkommen konstant ist, so konnte angenommen werden, dab die Austauschgameten absterben. Well aber Oe. biennis auch keinen gr0Beren Gehalt an sterilen Pollenk0rnern zeigt, nimmt Cle land an, dab die Spindel tier Reduktionsteilung polarisiert ist, d. h. alle aIbicans- Ghromosomen wandern zu dem einen, alle rubens-Ghromosomen zu dem andern Pol. R u d l o f f (1931) weist demgegenfiber auf eine Zulalls- orientierung hin. 50 ~/o mindestens der gebildeten Gonen mit albicans und rubens:Anteflen mfissen dann zerfallen, 50 ~/o aller Samenanlagen dann verworfene Tetraden besitzen. Das hat R u d l o f f aueh tats~chlich ge- funden. Eine Polarisierung der Reduktionsteilung muB aber sicher bei manehen heterogamen Oenotheren angenommen werden. Bei R. muricata entwickelt sich nach R e n n e r gleich oft die oberste und unterste Gone in den Samenanlagen zum Embryosack und die Eizellen enthalten stets nur den rigens-Komplex. Hier entscheidet also der Zufall fiber die Ver- teilung der rigens-Ohromosomen. Wo immer sie zu liegen kommen, ent- wiekelt sich die entspreehende Gone zum Embryosack. Anders liegen dagegen, nach den Untersuchungen yon R e n n e r (1929), L a n g e n d o r f (1930), G e r h a r d (1929), R u d l o f f (1929, 1931) die Verhaltnisse dann, wenn zwar in den Eizellen immer nur ein Komplex aktiv ist, der Embryo- sack aber sich zumeist aus tier obersten mikropylaren Gone entwickelt. R e n n e r hatte das ffir die albata ~ albicans" hHookeri aus (Oe. biennis × Hookeri) nachgewiesen und neuerdings untersuchte R ud lo f f daraufhin eine Reihe yon Formen. Er findet, dab bei der r-muricata in 87 % die oberste mikropylare, in nur 13 ~/o die unterste ehalazale Gone sich zum Embryosack entwickelt und auch hier ist nur der rigens-Komplex aktiv. So muB daraus gefolgert werden, dab bei der r-muricata zumeist die rigens-Ghromosomen w~hrend der Red.uktionsteilung in Richtung auf die Mikropyle zu wandern. Woduroh diese Polarisierung der Reduktions- teilung bedingt ist, ist noch v611ig unbekannt.

Sehen wit yon der 0e. biennis und Oe. rubrieaulis mit ihrem m0glichen Sonderverhalten. ab, so zeiehnen sich die spontanen Arten dureh den Besitz y o n langen Ketten au s, genetisch untersucht sind sie Komplex- heterozygoten.

Demgegenfiber stehen nur drei spontane Arden, die in der Diakinese sieben Paare zeigen, n~imlich Oe. grandiflora (D a v is), Oe. Hookeri und Oe. pur- purata. Gerade diese erwiesen sieh im genetischen Experiment als ttomo- zygoten. Die gleichfalls homozytosische Oe./ranciscana weicht yon diesem Verhalten insofern ab, als in der Diakinese ein Viererring sichtbar ist, der aber nach neueren Untersuchtmgen vor der Einordnung in die

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Die Beziehungen zwischen Zytologie und Genetik in der :Oenotherenforschung 47

Aquatorialplatte in zwei Paare zerfallt. Aus dem Vergleieh tier unter- suchten Arten k6nnen wir also entnehmen, da$ die Komplexheterozygoten lange Ketten, die Homozygoten dagegen sieben Paare zeigen. Wir haben damit die M6glichkeit, allein aus dem zytologisehen Befund einen Riick- schlul3 auf die genetische Konstitution zu ziehen: Besitzt eine noeh nicht genetisch untersuchte Art einen 1-4er Ring oder einen Ring yon 12 ~ 1 • 2, so ist sie eine Komplexheterozygote; hat sie sieben Paare, haben wir mit allergrSBter Wahrseheinliehkeit eine Homozygote.

Dieselbe Anordnung yon sieben Paaren in der Diakinese haben nun aueh diejenigen Homozygoten, die bei den genetischen Untersuehungen aufgetreten sind. So spaltet die Oe. grandiflora (truncans" acuens) dauernd die ochracea ab. Diese ist niehts anderes als die infolge Fehlens eines Letalfaktors lebensfahige homozygotische acuens'acuens. Auch die Oe. pratincola mut. recidiva spaltet Homozygoten ab. Von besonderem Interesse sind die Oe. lutescens, die dutch Absprengung des Letalfaktors aus flavens lebensf~ihige sp. flavens" flavens (Renner) und die d. d aus den Kreuzungen (Oe. Bert. × od.). Die ebenfalls homozygotisehe ? - y konnte mangels geeigneter Stadien noeh nicht untersucht werden. Die Oe. blandina ware bier ebenfalls einzufiigen, die nach D eVries m6glicher- weise eine velans" velans darstellt. Die Gruppe der Halbmutanten ist dadurch charakterisiert, da$ die ihr zugezahlten Formen, ats Mutanten entstanden, ebenfalls dauernd Hom0zygoten abspalten: die Oe. rubrinervis gibt die homozygotisehe deserens ab, die nach R e n n e r die Konstitution subvelans" subvelans besitzt und die Halbmutante Oe. rubricauls's die homozygotische lati/rons. Alle die genannten Homozygoten haben in der Diakinese sieben Paare. Dabei braucht es sieh gar nicht um absolute Homozygotie zu handeln, denn eine getupfte d. d aus fl • d selbst spaltet in der Folgegeneration naeh dem Faktor T.

Wie verhalten sich nun die auf dem Wege der Kreuzung neu her- gestellten, zum Teil spaltenden Komplexverbindungen ? Sind bei ihnen aueh die beiden Extreme, lange Ketten und sieben Paare allein vorhanden ? Seit der ersten gerichteten Untersuchung yon Oehlkers ist eine l~eihe von Arbeiten erschienen, so dab wir auf Grund des umfangreichen Materials einen Einbliek in die Anordnung der Chromosomen bei den Bastarden haben.

In der Tabelle wurden die bis jetzt zytologisch und genetiseh unter- suchten Bastarde zahlenma$ig zusammengestellt. Darunter befinden sieh zehn Bastarde aus den Kreuzungen Oe. (Bert. × od.) und Oe. (Bert. × ~toll.), die yon Oelkrug und Sehwemmle untersueht wurden. Aus der Tabelle

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48 S c h w e m m l e

Chromosomen- Spontane Bastarde Chromosomen- Spontane Bastarde anordnung Arten anordnung Arten

7 . 2 5 . 2 ~ 4 4.2®e

3 .2 "~8 2 . 2 (~)4Q) 6 2 . 2 ® 1 o

3 1

1 6 1 3 1 3

10

1 . 2 ® 6 ® 6 1-2®4@8 1 .2 ® 112 ®,~®4®6 ® 6 ® 8 ® 4 ® 10 (~ 14 Summe

8

2

18

22

2 16

1 2 3

16

65

sofort ersiehtlich ist die viel griil3ere Mannigfaltigkeit der Chromosomen- anordnung. Die 14 Chromosomen k(innen, sofern die Homologenpaare vereinigt bleiben, in 15 verschiedenen Anordnungen sich gruppieren. Von diesen sind bis jetzt 13 gefunden worden. Nor die Anordnung 3 , 4 + 1 • 2 und 2" 6-}-1" 2 hat noch keinen Vertreter. Zweifellos wird sich bei weiteren Untersuehungen auch noch diese Lticke schliel3en. Nun unter- scheiden sich die neu hergestellten Komplexverbindungen yon den spon- tanen Arten aueh noch durch ihre Spaltbarkeit, wobei wir alle ttbergttnge yon nahezu vtilliger Konstanz bis sehr starker und untibersichtlicher Spaltung beobachten kiinnen. Das legt den Gedanken nahe, dal3 ein Zusammenhang zwisehen Spaltbarkeit bzw. Konstanz und tier Chro- mosomenanordnung besteht. Oeh lke r s hat diesen zum erstenmal naeh- gewigsen und deshalb sollen die yon ibm untersuehten Bastarde auch hier als Beispiel gewfihlt sein. Kreuzt man Oe. suaveolens (alb@ans" flavens) mit Oe. strigosa, so erhltlt man, da Oe. strigosa nur den Komplex stringens in Pollen fibertrtigt, die Zwillingsbastarde albicans" stringens -~ albata und flavens'stringens = fhwa. Die albata ist sehr konstant. In der F~ traten nicht h~iufig pollensterile a~bata auf, so dab zwisehen den Kom- plexen ein seltener Austausch der Faktoren F r - - f r erfolgt sein mull Ganz anders verhttlt sich dagegen die tiara. Sie spaltet in der F~ stark auf. Sicher festgestellt ist das ffir die Faktoren F r - - f r (pollenfertil--steril), P - - p (getupft--ungetupft), Kr---kr (normal empfindlich). Dabei deuten die Zahlenverhtiltnisse auf unabhtiagige Spaltung. Ebenso verh~ilt sieh wohl das Faktorenpaar Sp--sp (spitze-stumpfe Bltttter), so dab mindestens vier unabhtingig mendelnde Faktoren vorhanden sein dtirften. Daneben ist eine beobaehtbare, wenn auch nicht faBbare Spaltung nach Bltiten- gr6Be, Blattbreite, Blattfarbe, Wuchsform vorhanden. Werden nun diese Bastarde zytologisch untersucht, so hat die albata die Chromosomen-

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Die Boziehungcn zwischen Zytologie und Genetik in tier Oenothcrenforsehung 49

anordnung 12 + 1.2, also 4ieselbe Anordnung, wie die konstante Komplex- heterozygote Oe. suaveolens. Die stark spaltende flava dagegen hat nach neueren Untersuchungen yon Cleland und Oehlkers einen 4er Ring und ftinf Paare. Dadureh ist die MSglichkeit einer freien unabh~tngigen Verteilung der gepaarten homologen Chromosomen und damit eine ent- sprechende Spaltung naeh den auf ihnen lokalisierten Faktoren gegeben. Da die obengenannten Faktoren unabh/ingig spalten, mfissenisie auch auf versehiedenen Homologenpaaren liegen. So wurde dadurch ein au]er- ordentlich wichtiger Zusammenhang zwischen der Chromosomenanordnung einerseits und dem genetisehen Verhalten andererseits bei den neu her- gestellten Komplexheterozygoten aufgedeekt. Die bis jetzt vorlieg~nden Untersuchungen haben die grunds~tzliehe Riehtigkeit tier Annahme er- wiesen. Je g r 6 f e r die Zahl der v o n e i n a n d e r unabh~n.g,igen C h r o m o s o m e n g r u p p e n ist , g le ichgi i l t ig ob es sich dabe i~um Paa re oder k le ine Ringe h a n d e l t , eine des to s t a r k e r e Spal- t u n g ist in den F o l g e g e n e r a t i o n e n zu beobaeh t en ,

Jetzt findet auch der fiir die 0enotheren so bezeiehnende Koppelungs- weehsel seine Erkl~trung. Dies sei an dem sehon eben gegebenen Beispiel -con R e n n e r ausgeffihrt, das nun noeh einmal auf der inzwisehen ge- fundeaen ehromosomalen Grundlage diskutiert werden solli In de~r ;Ver- bindung rigens " eurvans ~ Oe. muricata werden d ie Komplexe un- verhndert wieder voneinander getrennt, bleibt muricata doch vollkommen konstant und diese Konstanz ist ja schon yon Cleland mit dem Vor- handensein eines Ringes yon 14 Chromosomen erklitrt worden. Es mufte die Oe. murica~a als Beispiel gewlihlt werden, well die velans • curvans~noch nieht zytologiseh untersucht ist. Rigens verhalt sieh aber auch sonst wie velans. Nehmen wir nun die rotnervige Lamarckiana (velans • gaudens), so treten in der Naehkommenschaft neben rotner~igen auch weifnervige Lamarckiana auf. Es muf also die R-Lamarckiana nach R spalten und diese Spaltung ist dabei vSllig unabh~ngig yon der naeh Komplexem Dem entspricht der zytologische Befund. Oe. Lamarckiana hat einen 12 er Ring und ein . freies Paar. Auf diesem brauchen wir nur die Faktoren R und r zu lokalisieren, um das tatsachliche Verhalten zu verstehen. In der Verbindung velans " [lavens aus Oe. (Lain. × suaveolens) bleiben P und R gekoppelt, sind abet vom Komplex unabhhngig. Die Chromosomen- k0nfiguration ist 4 + 4 + 3 • 2. Liegen nun P und R auf den Chromosomen eines der Ringe, so wird dadurch eine Koppelung zwischen diesen Fak- toren verst~ndlieh, Daft dariiber hinaus noeh eine weitere Spaltung nach anderen Faktoren erf01gt, ist nieht welter verwunderlich. ~uf welehem

Induktive Abstammunge- mad Vererbungslehre. LXI 4

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50 S c h w e m m l e

4er Ring P und R lokalisiert sind, l~tBt sich nach den jetzigen Erfahrungen noch nicht sagen. Der andere wiirde dann die Reste der Komplexe velans und flavens enthalten und als Rest des Komplexes, der in diesem Fall nicht sehr groB write, bezeichnet R e n n e r das ,,Aggregat yon Anlagen", ,,das trotz aller Austauschvorg~inge homozygotisch nicht verwirklicht werden kann". Unabh~tngig voneinander and vom Rest des Komplexes ist die Spaltung in der velans × hHookeri, die nach den neusten Unter- suchungen von Gle land einen 4er Ring und fiinf Paare zeigt. Zwar haben hHookeri und veIans einen ahnlichen P-Faktor, aber dadurch, dal3 mit P yon velans der Faktor n fiir Zwergwuchs yon Oe. Lamarckiana nanella gekoppelt ist, kann der von R unabhitngig erfolgte Austausch doch nachgewiesen werden. Da~ eine Unterscheidung in der F2 zwischen Hookeri und velans × hHookeri kaum mehr miiglich ist, mug schon aus der Ghromosomenanordnung gefolgert werden. Auch sind die Komplexe sehr fihnlich.

Fiir die Eu-Oenotheren liegen die Verh~iltnisse nicht anders. Bei der Oe. Berteriana (a" fl) mit ihrer 14er Kette liegt das den Tupfungs- Iaktor enthaltende Chromosom in der Kette. Der Faktor T ist mit dem Komplex fl gekoppelt. In der ft. d-Verbindung aus der Kreuzung Oe. (Bert. × od.) oder/~' ~/aus der Kreuzung Oe. (Bert. × moll.) linden wir eine un- abh~ingige Spaltung nach der Tupfung. Der Faktor T zusammen mit den stets mit ibm gekoppelten Faktoren S und ri liegen auf dem jetzt mit einem 5- bzw.. ~-Chromosom gepaarten fl-Ghromosom. Besonders instruktiv und die Theorie beweisend, ist abet die ft. 5 aus der Kreuzung Oe. (Bert. × od.). Wie oben erw~ihnt, haben wir in der F2 die ft. d, d- d und einen neuen Typ e • 5. Der im letzteren enthaltene Komplex e kann nut durch einen gesetzm~i3igen, immer wieder auftretenden Austausch zwischen den Komplexen $ und fl entstanden sein. Die zytologische Untersuchung be- statigte nun diese Annahme in vollem Umfange. Die ft. 5 , bei der 7 fl- Chromosomen und 7 d-Chromosomen vereinigt sind, hat in der Diakinese die Anordnung 8 ~ 4 -}- 1 • 2. Auf dem fl-Ghromosom des freien Paares liegt der unabhangig spaltende Faktor T. Bezeichnen wit die Chromosomen des Komplexes fl mit groi3en, die des Komplexes 5 mit kleinen Buchstaben,

A B C D E F G so wfirden wir also folgende Anordnung haben: l J l / I / I l J l I

a b c d e f g

Bei der Reduktionsteilung kann. eine reinliche Trennung der Komplexe erfolgen. Es entstehen also, wenn wit yon der davon unabh~tngigen Ver- teilung der Chromosomen des Paares absehen, Eizellen mit ABCDEF, also

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Die Beziehungen zwischen Zyto]ogie und Genetik in der Oenotherenforschung 51

dem Komplex ~, und solehe mit abedef, dem Komplex d. Kreuzen wir mit 6 • ~ als ~ ein, so bekommen wir fl • (~ und 6 -6 ganz den Erwartungen entsprechend. Aber es ist aueh noch die folgende Verteilung miigl ich: a b c d E F G. I / I J l J l IJ] ] Kreuzen wir wieder mit ~. d, so mtissen wir er-

A B C D e f g abed EF ABCD ef

halten: 1. abed e f und 2. a b c d el" FOr die erste Form miissen wir

in der Diakinese einen 4er Ring und fiinf Paare, Iiir die zweite dagegen einen 8er Ring und drei Paare erwarten. Der in der Kreuzung mit ~- d, abet aueh in tier Selbstbestaubung yon ft. d aufgetretene Typ e" 6 hat nun die Anordnung 4 + 5 - 2, entspricht also dem obigen Fall 1. In den beiden vom Komplex fl stammenden Chromosomen EF mfissen alle Fak- toren liegen, die im Ph~inotypus yon ~. 6 den Untersehied gegenfiber (l'. d bedingen. Warum der andere zu erwartende Komplex mit 4 fl- und 2 d-Chromosomen (das Paar bleibt unberficksichtigt) nie gefunden werden konnte, ist noeh unbekannt. Der so durch Austausch zwisehen fl und d entstandene neue Komplex ~ kann etwa mit Komplex r aus der Oe. o d o r a t a

durch die Kreuzung e • 0 × o d o r a t a (~, " d ) vereinigt werden. So entsteht dann eine neue Komplexverbindung e . r , die vSllig konstant ist. Diese hat eine Kette yon 14 Chromosomen. Von Bedeutung ist, dal3 auch yon e . r nicht selten die Homozygote r . r abgespalten wird, obwohl sonst keinerlei Spaltungen zu beobachten und nach dem chromosomalen Befund auch nicht zu erwarten sind.

Manehe Komplexe bleiben stets nahezu unver~tndert, gleiehgfiltig, mit welchem Komplex immer sie sonst verbunden werden m0gen. Als besonders stabfi erweist sich nach R e n n e r der Komplex a l b i c a n s . Jetzt wissen wir, dab meistens dann, wenn a l b i c a n s in einer Komplexverbindung steekt, lange Ketten gebildet werden.

a l b i c a n s f l a v e n s . . . . . 12 ~ 1 • 2 a I b i c a n s • h H o o k e r i . . . . 14 a I b i c a n s • p u n c t u l a n s . 10 + 2 • 2 a l b i c a n s • sS r ingens . . . . 12 + 1 • 2 a l b i c a n s • v e l a n s . . . . . 14.

Wie aus der Zusammenstellung ersichtich, ist ein Austauseh zwischen den Komplexen in zwei F~llen unmiiglich. Kommen Paare vor, so ist an sich die M0glichkeit f i i r Faktorenaustausch gegeben. Da aber dieser selten ist, miissen die gepaarten 0hrom0somen genetisch gleieh konstituiert sein. Diese Beispiele. zeigen hinl~tnglich, da~ ein enger Zusammenhang

4.'

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52 S c h w e m m l e

zwischen Chromosomenanordnung und Spaltbarkeit bei den neu her- gestellten Komplexverbindungen vorhanden ist. Faktoren, die in allen Versuchen stets gekoppeIt bleiben, wie etwa die Faktoren ri ST sind einem Chromosom zuzuteflen. Faktoren, die bald gekoppelt sind, bald unabhangig voneinander mendeln, miissen auf versehiedenen Chromosomen liegen, und R e n n e r hatte ja bereits 1925 ffinf solche Gruppen aufgestellt. Durch weitere Untersuchungen wird es mOglich sein, entsprechend den sieben haploiden Chromosomen die Faktoren in sieben Koppelungsgruppen einzuordnen. Vielteicht gelingt es mit ttilfe der neuen YorsteUungen fiber das Zustandekommen der Ketten diese mit bestimmten Chromosomen in Ubereinstimmung zu bringen und die Lage der bezeichneten Chromosomen in den verschiedenen Komplexverbindungen genau anzugeben. In jedem Fall miil3ten dann so viel Koppelungsgruppen vorhanden sein, als un- abhangige Chromosomengruppen zu linden sind. Bei der Anordnung 4 -t- 4 + 3 - 2 waren es fiinf, bei der Anordnung 8 -[- 3 • 2 nur vier Kop- pelungsgruppen. Allerdings kann die Zahl geringer sein, wenn die fiir einen Bastard nachgewiesenen Paare alle oder doch zum Teil aus gcnetisch gleichen Partnern zusammengesetzt sind. Bei der oben erwahnten 8- mit 4 und 5 ' 2 werden wir schon deshalb nur eine Spaltung nach Kom- plexen und der Koppelungsgruppe TS ri finden, da nachgewiesenermal3en vier yon den ffinf Paaren lediglich aus d-Ghromosomen gebildet werden. Eine geringere Spaltung als sie aus der Ghromosomenanordnung zu er- warten ware, mlil3te auch dann vorliegen, wenn ahnlieh wie vielleieht bei Oe. biennis die einem Komplex entsprechenden Chromosomen unabhangig yon der sonstigen Anordnung wahrend der Diakinese doch zum grol3en Teil einem Pol zuwandern wiirden. Bei der Durchsicht der Literatur muB auffallen, da~ auch in den Fallen mit mehreren Chromosomengruppen in der Diakinese und mit entsprechend starker Faktorenspaltung d0ch noch immer eine solche nach Komplexen angegeben wird. Besonders erwahnt sei in diesem Zusammenhang die albica,ns • curvans aus Oe. (biennis × m u -

ricata), die nach C l e l a n d (1928) einen Ring yon sechs, einen Ring yon vier und zwei Paaren besitzt. Trotzdem ist die Spaltung sebx-gering ( R e n n e r , 1925) und nach H o e p p e n e r - R e n n e r (1928, Diagramm) sind die Komplexe nicht eben gleichartig. Bis jetzt ist es noch nicht einwand- frei gelungen, bei den stark spaltenden Bastarden die Zahl der Koppelungs- gruppen mit der Zahl der voneinander unabhangigen Chromosomen- gruppen in Crbereinstimmung zu bringen. So scheiden aUe diese Ffille yon vornherein aus, wenn es gilt, die Richtigkeit der Chromosomentheorie zu priifen. Sie alle k(innen als Beweis ftir die Theorie gewertet werden.

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Die Beziehungen zwischen Zytologie und Genetik in der Oenotherenforschung 53

Den Geltungsbereich der Theorie k6nnen wir dagegen an all den Formen erweisen, die wie die konstanten Arten einen 14er Ring oder einen 12er Ring und ein Paar haben, denn sie mtissen dann ebenfalls konstant sein. Ein Vergleich ist hier deshalb schon m6glieh, weil nicht weniger als 32 yon den 65 genetisch und zytologisch untersuchten Bastarden diese Anordnung zeigen. 10 Bastarde der Eu-Oenotheren-Kreuzungen sind dabei mit inbegriffen. Von diesen 32 haben 16 einen Ring oder eine Kette yon 14 Chromosomen, 16 einen Ring Yon 12 und ein Paar (vgl. Tab. S, 48).

Wenden wir uns der ersten Gruppe zu, so bleiben 8 yon den 16 Bastarden den Erwartungen entspreehend konstant, ftir die restlichen ~,ird Spaltung angegeben. Am hi~ufigsten, ni~mlich bci 5 Bastarden, ist die Spaltung nach der Bltitengr6ge. Diese wurde yon R e n n e r schon immer beobachtet. Da die spontanen Arten auch danaeh nieht spalten, k6nnten sie in diesem Faktor homozygotisch sein und Entsprechendes h~tte dann auch fiir die nicht nach der B]iitengr(iBe spaltenden Bastarde Geltung. Bei den spontanen Komplexheterozygoten findet aber auch dann keine Spaltung statt, wenn sie in den Bliitengr6gefaktoren hetero- zygotisch sind. Die Oe. odorata bleibt v(illig konstant, auch wenn der Komplex ~, Faktoren fiir groBe, Komplex d solche ffir kleine Bliiten enth~tlt. Auffallenderweise ist auch bei den Bastarden aus den Kreuzungen Oe. (Bert. x od.) keine Spaltung nach der Bliitengr(~ge zu beobachtem Anders jedoeh verhalten sich die aus den Kreuzungen Oe. (Bert. X vMl.). Alle 4 m6glichen Bastarde spalten in der F~ unifaktoriell nach Bliiten- gr6ge, auch diejenigen, die eine 14er Kette besitzen, wie a" ~ und fl • ~. Damit ist sieher erwiesen, dag wir nicht selten mindestens eine Spaltung nach der BliitengrSge haben, die mit tier Theorie un~ereinbar ist. Nun k6nnte man ja, wie O e h l k e r s und C le l and das tun, ftir die BliitengrS[3e- Faktoren ein Sonderverhalten annehmen, wenn eben nur allein sie spalten wtirden. Aber auch Spaltungen nach anderen Faktoren (Faktorengruppen) kommen bei den drei restlichen Bastarden vor, wie man das aus den Pro- tokollen entnehmen kann. So ist yon R u d l o f f (1930, S. 509) bei der albisubcurva aus Oe. (biennis × pachycarpa) in der Kreuzung albisubcurva " suaveolens ,,eine deutliche Aufspaltung in Pflanzen mit langzipfeligen (L): und kurzzipleligen (1) Kelchbl~tttern bemerkt worden". Fiir die aIbi- velutina aus der Kreuzung Oe. (suav. × Lain.)gibt O e h l k e r s S. 79 an ( C l e l a n d - O e h l k e r s , 1929): ,,Die 914 blfihenden Pflanzen zeigten auger der Komplexspaltung lediglich eine solche nach der Kriippelhaftigkeit; es Ianden sich 545 hochwtichsige und 369 Krfippel." Ob daneben nicht noch eine SpaItung nach der Blfitengr613e vorhanden ist, wird offengelassen.

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54 Schwemmle

Besonders abweichend verh~ilt sich auch die albivelutina, die nach t t o e p p e n e r - R e n n e r (1929) ebenfalls eine Kette yon 14 Chromosomen besitzt. Auger nach den BliitengrSgefaktoren wird noch eine Spaltung nach R - - r angegeben. R e n n e r schreibt 1925, S. 124: ,,Ist dagegen R-velans mit albicans verbunden, so treten, mitunter in nicht geringer Zahl, r-velans-Pollenzellen auf, die also ihr R an albicans abgegeben haben miissen, ohne dai~, wie man erwarten m6chte, R-albicans-Eizellen in ent- sprechender Zahl sich finden, ja nicht einmal r-velans-Eizellen sind ge- funden worden." Auch wenn demnach zugegeben werden muB, dab ffir die albivelutina ein Sonderfall vorliegt, und das abweichende Verhalten bier nicht mit entscheidend gewertet werden daft, so sind in der z w e i t e n Gruppe mit der Anordnung 12 -~ 1 • 2 ebenfalls auffallende Abweichungen vorhanden. 7 der 16 Bastarde bleiben vSllig konstant, ein Zeichen, da~ die das freie Paar bildenden Chromosomen nicht oder unnachweisbar ver- schieden in ihrem Faktorenbestand sind. 3 Bastarde spalten nach einem Faktorenpaar, das auf dem freien Paar lokalisiert werden kann, und bei 4 weiteren kommt dazu noch eine Spaltung nach BliitengrS~efaktoren. Diese zeigen also dasselbe abweichende Verhalten wie die entSprechenden Formen der ersten Gruppe. Die zwei restlichen Bastarde verhalten sich besonders abweichend. Die h-purpurata" velans aus 0e. (pu. × Lain.) spaltet nach R u d l o f f (1929) s t o k e r als nach der Chromosomenanordnung zu erwarten ware. Es heiBt S, 202 ftir Fz: ,,Nur bei den Rosetten gelingt es noch mit einiger Wahrscheinlichkeit, purpurata und velutina voneinander zu trennen"; und S. 203: ,,Ergebnis: Zwischen velans und h • purpurata wurden BliitengrN~efaktoren (oder nur einer?)getauscht . Andere Cha- raktere konnten nicht sicher erfaBt werden; die Blattbreite spaltet wahr- scheinlich polymer." Aber zugegeben, dab infolge der ~hnlichkeit der beiden Komplexe die Spaltung nach mehreren Faktoren nicht sicher er- mittelt werden kafin, so ist eine solche nach mindestens drei Faktoren bei der fl" ~ aus den Berteriana × mollissima-Kreuzungen durchaus ge- sichert. Der Faktor T ist auf dem Chromosomenpaar zu lokalisieren. Seine Spaltung ist verst~indlich, nicht aber die nach Bltitengr6Be und Blatt- breite. Dabei konnte die letztere bei den Eu-Oenotherenkreuzungen sonst nie beobachtet werden. M6glicherweise haben wir dazu noch eine Spaltung nach der Blattffirbung, die, in der F2 deutlich sichtbar, fak- toriell hat noch nicht erfal3t werden k6nnen.

Zusammenfassend k6nnen wir sagen, dab zumeist eine Spaltung nach Bltitengr6Befaktoren, aber auch nach anderen Faktoren erfolgt, die auf Grund der Chromosomenanordnung nicht zu verstehen ist. Dabei

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bleiben noch viele Fiille unberticksichtigt, bei denen nur ein gelegentlicher Austausch beobachtet wurde, wie etwa die Spaltung nach Fr- f r bei albicans • stringens (Oeh lke r s , 1926), das AbreiBen yon P aus velans bei der rubivelulina ( R e n n e r , 1925) oder der neuerdings von E m e r s o n nachgewiesene Austausch von S-s und Spl-spl bei der sul/uvens • [ranciscans aus Oe. (franciscana sulfurea × franciscana) ( E m e r s o n , 1931). Dieser selten beobachtete Austausch ist zweifellos auf normales Crossingover zuriickzuffihren, das auch bei den Oenotheren vorkommt. Auch wenn C l e l a n d , H ~ k a n s s o n u .a . in der Umschlingung der Chromosomen wahrend der second contraction den Mechanismus dafiir erblicken wollen, so muB man R e n n e r durchaus beipfliehten, der annimmt, dab ein solcher Austauseh woht auf viel friiheren Stadien erfolgt. Auch bei den spontanen Arten ist ja ein seltenes t2berspringen eines Faktors yon dem einen Komplex auf den anderen ebenfalls nicht ausgeschlossen. So entsteht die Oe. La- marckiana nanella dadurch, dab der normalerweise an velans gekoppelte rezessive Faktor n ffir Zwergwuchs auf gaudens iibergeht. Fiir Oe. biennis gilt entspreehendes. Nicht anders sind die sul/urea-Varietaten von Oe. sua- veolens und Oe. biennis wohl entstanden.

Es hat nieht an Versuchen gefehlt, diese der Chromosomentheorie widersprechenden Beobachtungen zu erklaren. Einmal k6nnte man daran denken, dab die Chromosomenanordnung zwar in den meisten Fallen Aa, Bb, C c . . . ist, dab aber zuweilen auch die Anordnung Aa, bB, Cc . . . vorkommt. In diesem Fall wtirde bei regelmaBiger Zickzackanordnung in tier Metaphase das Chromosom b des einen Komplexes gegen B des anderen Komplexes getauscht und dadurch ware eine Spaltung erkliirt. Es ist ja leider noch nicht gelungen, durch Kreuzung zwischen Oenotheren mit groBen Chromosomen mit solchen mit kleinen Chromosomen die yon C le l and geforderte Anordnung Aa, Bb direkt zu demonstrieren, so dab die M6glichkeit eines Weehsels in dieser Anordnung often bleiben muB. Allerdings wttrde im Falle der Spaltung naeh der BliitengrOBe eben immer nur ein einziges Paar diese wechselnde Lagerung haben, andernfalls ware nicht einzusehen, warum nicht auch andere Faktoren spalten sollten. Eine wechselnde Lagerung aller Paare yon homologen Chromosomen nimmt vor allem Shu l l an, tier diesen Teil der Cle landschen Theorie ffir v611ig unbewiesen halt. Bei seinen ausgedehnten Versuchen mit Oe. Lamarckiana und ihren in seinen Kulturen aufgetretenen Mutanten konnte er drei Koppelungsgruppen aufstellen, die sich unabhangig von- einander verhalten. Die erste umfal~t eine gr6Bere Anzahl yon Faktoren; die zweite hat als Vertreter bis jetzt nur den Faktor br, der die Kurz-

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griffligkeit der brevistylis-Mutanten bedingt; die dritte enthalt nut drei Faktoren. MSglicherweise hat B r i t t i n g h a m einen Faktor einer vierten Gruppe gefunden. Man k0nnte nun daran denken, die erste Koppelungs- gruppe mit dem 12 er Ring der Lamarckiana, die dritte Koppelungsgruppe mit dem freien Paar zu erklaren. A b e r Shull lehnt diese Auffassung nachdrficklichst ab. Nach ihm entspricht jeder seiner drei Koppelungs- gruppen ein einziges Chromosom und die unabhangige Spaltung soll dadurch bedingt sein, dab eben die Chromosomenpaare zwar in der Kette hintereinanderliegen, aber sonst wechselnde Anordnung zeigen. Das hatte dann dieselbe Wirkung, wie wenn die Homologen in Einzelpaaren an- ge0rdnet waren. Es w'hre interessant, zu erfahren, wie sich seine Mutanten -and vielfach heterozygotischen Bastarde in Kreuzungen mit anderen Arten verhalten, besonders mit solchen, bei deren Bastarde sonst Kop- pelungswechsel zu beobachten ist. SoIange aber die yon Shull unter- suchten Formen nicht zytologisch untersucht sind, k0nnen seine Befunde nut bedingt gegen die Theorie ausgewertet werden. Gegen die Annahme einer Wechselnden Lagerung wehren sich auch Gleland und Oehlkers , denn damit ware die ganze Grundlag e ihrer Theorie erschiittert. Nach den neueren Auffassungen fiber das Zustandekommen der Ringe und Ketten ist ein Wechsel in der Anordnung fiberhaupt nicht m(iglich . . . .

Ein Austausch yon einem oder mehreren Chromosomen zwischen den ABC..-Chromosomen des einen, und abcd..-Ghromosomen des anderen Komplexes ist auch durch die oben beschriebenen Unregelma~igkeiten wahrend der Metaphase mSglich, lqicht selten findet man start der nor- malen Zickzackanordnung

A B C A b - - C D I / I / I diese: I 1 I / I a b c a--B e d

Dadurch wfirde wieder 0hromosom B gegen b getauscht und dadurch die Spaltung ebenfalls erklart. Cleland selbst hat in seinen frfiheren Arbeiten immer wieder auf diese M6gliehkeit hingewiesen und B a r t l e t t u. a. vertreten durchaus den Standpunkt, dal3 auf diese Weise ein Aus- tausch zustande kommen kSnnte. Ist es auch nicht ausgeschlossen, da~ gelegentlich ein solcher Austausch vorkommt, so miiBten in den zur Dis- kussion stehenden Fallen die Unregelma~igkeiten in gesetzmfiBiger Weise immer an derselben Stelle sich finden lassen. Das ist aber nach Cleland und Oehlkers keineswegs der Fall. Weiterhin miissen dann die spon- tanen Arten mit ihren langen Ketten, bei denen erfahrungsgemafl die Zahl der UnregelmaBigkeiten sehr groB ist, doch eine stfirkere Spaltung

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zeigen. Wenn die neueren Auffassungen fiber die Entstehung der Ketten --- eine Frage, die in diesen Zusammenhangen nur immer gestreift werden kann - - , Giiltigkeit haben, diirften solche Austauschgameten auch nicht lebensfahig sein. Dann mfit~te aUerdings der Prozentsatz an sterilen Pollenk(irnern um so gr(iBer sein, je langer die Ketten sind. Gesetzt den Fall aber, da~ trotzdem ein Faktorenaustausch durch Austausch eines ganzen Chromosomes mSglich ware, und der Faktor co fiir kleine Bliiten etwa auf dem Chromosom b, Co fiir groi~e Blfiten auf B liegen wiirde, so ware die Chromosomenformel einer in der F~ vorhandenen kleinbltitigen

AbCD Pflanze: a b c d' die einer gro~blfitigen ABCDaBcd. In der Diakinese k6nnte

man dann ein Paar mehr erwarten als bei den Co-co-Pflanzen der F1. H o e p p e n e r und R e n n e r haben nun solche Homozygoten einor F2 der albivelutina aus der Kreuzung Oe. (biennis × Lain.) untersucht und kein freies Paar gefunden. Alle 14 Chromosomen liegen wie bei den F1-Pflanzen zu einer stets offenen Kette verbunden. Eine offene Kette ist aber auch nach erfolgtem Chromosomenaustausch mSglich. Allerdings ware dann die Chromosomenanordnung bbCcDd. . .Aa. Stets aber mfil3te die Kette offen sein. Es mfifiten also die Homozygoten aus der F2 bei solchen Formen untersucht werden, bei denen in der F1 ausschliel31ich oder fast ausschliel31ich nur Ringe nachgewiesen wurden. Stets offene Ketten bei den Homozvgoten der F2 lie]en dann die MOglichkeit eines Chromosomen- austausches zu. Da~ in der F2 eine andere Chromosomenanordnung als in tier F~ je nach der genetischen Konstitution m(iglich ist, geht aus den interessanten Ausftihrungen R u d l o f f s fiber die Spaltungen tier flavisub- curva aus der Kreuzung Oe. (suaveolens × pachycar.pa) hervor. Die MmBb flavisubcurva hat die Anordnung 8 + 4 + 4. In der F~ traten, unabhangige Spaltung der Faktorenpaare M-m und B-b vorausgesetzt, wieder diese Heterozygoten auf, dann aber Einfachhomozygoten und Doppel- homozygoten. Eine Untersuchung dieser F~-Pflanzen ergab nun, da] die MmBb-Pflanzen dieselbe Chromosomenanordnung wie die urspriingliche flavisubcurva haben. Bei den Einfachheterozygoten dagegen (mmBb oder MMBb usw.) ist die Anordnung 6 + 4 + 2" 2 und bei den Doppel- homozygoten BBMM - - diese wurden untersucht - - 6 ~ 2 • 2 ~ 2 • 2. Hier k6nnen in der F2 auch tatsachlich nur Paare sich linden.

H o e p p e n e r und R e n n e r diskutierten eine dritte M(iglichkeit, um die abweichenden Spaltungen zu erkliiren. Die Hookeri albata aus Oe. (bi- ennis × Hoolceri) spaltet auffallig nach der Bltitengr(iBe, obwohl die Chromosomen alle in einer Kette liegen; hie linden sich Ringe. Die ge-

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nannten Autoren halten es ffir mOglich, dab die Endchromosomen eine gewisse Selbstiindigkeit besitzen und bald in dieser, bald in jener Weise wie die Partner eines Paares auf die Pole verteilt werden. Das setzt voraus, dab an dem einen Ende der Kette das eine, am anderen Ende das andere Chromosom eines Homologenpaares liegen warde, dab also stets die Trennung zwischen den homologen Chromosomen eines und desselben Paares erfolgt. Diesbeztigliche Beobaehtungen yon Oelkrug bei den yon ihm untersuchten Bastarden ergaben keine Anhaltspunkte far diese MOglichkeit, die aber damit trotzdem weiter besteht.

Auf ganz schwachen FtiBen steht die Annahme, dab etwa eine st~trkere Spaltung auch beim Vorhandensein einer langen Kette durch den Zerfall derselben bedingt sein kSnnte. Ge rha rd hat dies far eine Mutante aus der Kreuzung Oe. (Hookeri × grandifl.) angegeben. Bei dieser war, wie schon oben ausgeftihrt, in der Diakinese eine starke Zersl)litterung der wohl urspriinglich gebildeten Ctkromosomenkette beobachtet worden. Er meint, ,,das Resultat des Zerfalls muB die verschiedenartigste Kom- bination tier Chromosomen und damit eine mehr oder weniger starke Zerst(irung tier Koppelung zwischen den Chromosomen der betefligten Komplexe sein." Er fand denn auch in der F~ eine iiberaus starke Spaltung. Far diesen speziellen Fall mag die Erkl~trung richtig sein. Oelkrug konnte aber bei den yon ihm untersuchten Formen ebenfalls einen starken Zerfall tier Ringe bzw. Ketten beobachten, und trotzdem spalten diese auBer nach den Komplexen nur noch monofaktoriell nach der BltitengrSBe. So verhiilt sieh aueh die curtans" flavens aus tier Kreuzung Oe. (Cockerelli × suaveolens). Bei dieser ist trotz des starken Kettenzerfalls ebenfalls keine stltrkere Spaltung zu beobachten, worauf Cleland und Oehlkers ausdrficklich hinweisen.

So mfissen wir denn zugeben, dab die abweichenden Spaltungen, die der Theorie entgegenstehen, noeh keine befriedigende Kl~irung ge- funden haben. Aber es ist zu bedenken, dab wir trotz der vielen vor- liegenden Untersuchungen noch am Anfang stehen. Es mfiBte erst einmal festgestellt werden, welche Faktoren ein abweichendes Verhalten zeigen, und schon aus den Spaltungszahlen sollten wir doch schon einen Hinweis darauf erhalten, ob ein Faktor auf einem freien Paar oder in einer Kette liegt. Aber gerade die Oenotheren bereiten in dieser Hinsicht groBe Schwierigkeiten. Die ZaMenverh~iltnisse kSnnen durch Gonenkonkurrenz in den Samenanlagen, dureh verschieden rasches Pollenschlauchwachstum, durch Polarisierung der Spindel bei alex Reduktionsteilung, sowie durch Zygoteneliminierung stark gestiirt werden. Dazu kommt noch, worauf

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R e n n e r l~ngst hingewiesen hat und was L a n g e n d o r f f neuerdings wieder bestatigen konnte, da~ bestimmte Kombinationen bevorzugt werden. So sind in der Verbindung rigens-rubens die r-rigens und R- rubens h~ufiger als die R-rigens und r-rubens. Dabei ist es gleichgfiltig, ob R-rigens mit r-rubens oder r-rigens mit R-rubens verbuhden wurde. Eine zytologische Grundlage fitr dieses Verhalten hat sich noch nicht finden lassen. Aber auch heute schon ist an der grunds~tzlichen Richtigkeit der Theorie nicht zu zweifeln. Darauf weisen auch die Untersuchungen an Epilobium und Godetia, die ebenfalls zur Familie der Onagraceae ge- hOren. Bei den genetischen Untersuchungen konnten keine besonderen Koppelungsverh~tltnisse beobachtet werden. Die Eltern und Bastarde haben eben, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, normale Paarung der Chromosomen. Dagegen verhalten sich die Eu-Oenotheren genau so wie die untersuchten Arten aus der biennis-Gruppe und sie haben dieselben Chromosomenanordnung. Der Ausgangspunkt fiir die 1923 begonnenen Untersuchungen an Eu-Oenotheren war ja eben die Uberlegung gewesen, da~ Arten mit gleichem Verlauf der Reduktionsteilung einen entsprechenden Erbgang zeigen mfil3ten. Nattirlich wiire es wtinschenswert gewesen, Arten zu w~hlen, die weniger nahe mit der biennis-Gruppe verwandt sind und die trotzdem einen Verlauf der Reduktionsteilung gleich dem der Oenotheren haben. Solche Arten gibt es zwar, aber in keinem Falle konnten bis jetzt Bastarde erhalten werden, und daraus ergab sich yon selbst die Be- schri~nkung auf die Eu-Oenotheren. Aul3erhatb der Familie ist ebenfalls regelmal~ige Ringbildung beobachtet worden. Diese bei Gates (1931) zusammengestellten F~ille sind alle ffir die Frage ftir die Entstehung der Ringe von gro~er Bedeutung; aber da keine genetischen Parallelunter- suchungen dieser Formen noch vorliegen, miissen sie hier iibergangen werden. Genau untersucht ist jedoch ein Fall bei Pisum. H a m m a r l u n d hatte bei seinen Pisum-Kreuzungen eigenttimlichen Koppelungswechsel beobachtet. Kreuzt man die Linie F mit den Faktoren A ffir violette Bltitenfarbe und Gp ftir grfine Htilsen mit einer doppeltrezessiven a gp, so spalten die genannten Faktoren in der F2 unabhi~ngig voneinander. Wird aber statt der Linie F die Linie K verwendet, so bleiben nunmehr die Faktoren A und Gp gekoppelt; aul3erdem ist die F1 semisteril, d. h. 50 % der Samenanlagen und der Pollenk(irner sind nicht befruchtungs- f~ihig. Die zytologische Grundlage hat dann H a k a n s s o n aufgedeckt. In den Kreuzungen, da A und Gp unabh~ngig voneinander spalten, findet er bei den F1-Pflanzen in der Diakinese sieben Paare. Dagegen ist ein Ring von vier Chromosomen neben ffinf Paaren zu sehen, wenn die

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genannten Faktoren gekoppelt sind. Die Ghromosomen der Linie F seien a~(A)a~ -}- b~(Gp)b~ -}- 5 Chr., wobei im ersten Chromosom der Faktor A, im zweiten' Chromosom der Faktor Gp liegen soll. Die Doppeltrezessive hatte dann die Chromosomenformel al(a)a2-}-bl(gp)b~-}-5 Chr. In der Diakinese wird bei den F1-Pflanzen die normale Paarung der Chro- mosomen eintreten und die Spaltung in der F2 ist dadurch erklitrt. In der Linie K soll gemal3 den Ausffihrungen yon Be l l i ng ein Enden- austausch zwischen nicht homologen Chromosomen erfolgt sein. Sie hatte dann folgende Chromosomen: al(A)b~%bl(Gp)a2-}-5 Chr. Bei der Kreuzung Linie K × Doppeltrezessive mul~ es dann zur Bfldung eines 4er l~inges kommen. Die Chr0mosomenanordnung ist dann:

al(a) a2 a2(GP)~I/- -}- fiinf Paare. al(A)b2 b~(gp)bl J

Bei der Anaphase haben wir folgende M0glichkeiten der Ghromosomen- verteilung:

al(a)a2 ~- a2(Gp)bl ~ 5 Chr. } kein Ziekzack. 1. al(A)b2 -}- b~(gp)bl -}- 5 Chr.

al(a)a2 ~ b2(gp)bl -}- 5 Chr. / Ziekzackanordnung. 9. a~(Gp)bl -}- al(A)b~ -[- 5 Chr.

Im ersten Fall, bei dem die im Ring nebeneinanderliegenden Chromosomen der beiden Homologenpaare zu dem gleichen Pol wandern, ist eine nor- male Verteilung der Chromosomenenden nicht gegeben. So fehlt das Ende b2, wahrend as doppelt vertreten ist. Diese Gonen sterben nun ab. Lebensfahig dage.gen bleiben die nach Fall 2. gebildeten Gonen. Die An- ordnung 1. konnte in 301 PMZ., die Anordnung 2. in 306 PMZ. beobachtet werden. Damit ist die Semisterflit~tt der F1 in schiinster Weise erkl~trt. Gleichzeitig ist ersichtlich, dab in den lebensf~thigen Gameten die Faktoren A und B gekoppelt sind. Da die Austauschgameten absterben, kann nut die Koppelung beobaehtet werden. Solche Beobachtungen sind abet eine wichtige Stfitze ffir die Ghromosomentheorie bei den Oenotheren.

So hat auch im Fall der Oenotheren die Zytologie uns den Me- chanismus aufzeigen kSnnen, der auf Grund der vorIiegenden genetischen Befunde erschlossen werden mul3te. War sie jetzt n u r eine wertvolle Helferin, so deutet alles darauf hin, dal3 sie bei den kiinftigen Oenotheren- untersuchungen Wegweiserin sein wird.

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