die beziehung zwischen siedlungsgeschichte und verbreitung von imperatoria ostruthium im gebirge...

8
KAREL KOPECK~ Botanisches Institut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, 252 43 Prhhonice bei Praha Die Beziehung zwischen Siedlungsgeschichte und Verbreitung von Imperatoria ostruthium im Gebirge Orlick4 hory (Adlergebirge, NordostbShmen) Abstract Imperatoria ostruthium geh6rt im Gebirge Orlick6 hory (Adlergebirge) zu den allochthonen Arten. Es ist sohr wahrscheinlich, dass sic hier von deutsch sprechenden Ansiedlern anfangs des I7. Jahrhunderts eingefiihrt wurde, besonders im Zusammenhang mit der sog. Alpenholzhauer- Kolonisation. Als gezogene und verwildernde Heilpflanze vcrbreitetc sic sich im Bereich der damaligen Holzhauersiedhmgen, kleiner Bergwirtschaften sowie in den Siedlungen der weiteren Umgobung yon Glas- und Hammerhiittcn, die im 17. und 18. Jahrhundert, in oinigcn F/~llen noch im 19. Jahrhtmdert, in Betrieb waren. EINLEITUNG Imperatoria ostruthium gehSrt zu den wenigen Gebirgspflanzen europs Her- kunft, deren Ausbreitung sehon in alter Vergangenheit dutch die zielbewusste Ts keit des Menschen ziemlich beeinflusst wurde. Ihre urspriingliche Heimat liegt wahr- seheinlich in alpinen Regionen zwischen den Pyrens und NiederSsterreich (T~EL- LUnG in HEGI et al. 1926: 1398--1399). Von hier wurde sic dank ihrer vielseitigen Heilkraft als gepflegte und hoeh geseh/~tzte Heilpflanze in verschiedenen Ls Europas eingefiihrt. Allgemein wird angenommen, dass ihre Beliebtheit erst Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit zunahm und bis in das 19. Jahrhundert fiberdauerte. Den alten griechischcn und r6mischen Autoren war sie offenbar unbekannt. Ihre Heilkraft wird jedoch in der deutschen Literatur des spateren Mittelalters hoch eingesch/~tzt. Nach einigen deutschen Autoren wird sic f/ir eine ,,echt germanische Heilpflanze" gehalten (MARZELL 1938: 165--167). Obwohl Imperatoria ostruthium tats~chlich vor allem durch V61ker germanischer Abstammung verbreitet wurde (was zum Tell auch ihre gleichzeitige europ/iische Verbreitung bezeugt), erscheint diese Behaupttmg etwas einseitig. Ohne Zweifel war die Art auch in der bShmischen Heilktmdc im Mittelalter gut bekatmt und zwar untcr dem alttschechischen Namen ,,v~edobr" ((~ER~Cg"1517, H~JEK'S ][Yber- setztmg des MATr~oLI-Herbariums aus dem J. 1562 -- zit. nach MACHEK 1954: 164), der von PBESL (1819) als offizielle tschechische Benermung der Art iibernommen wurde. Es ist jedoch Folia Geobot. Phytotax., Praha, 8: 241--248, 1973

Upload: karel-kopecky

Post on 19-Aug-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

KAREL KOPECK~

Botanisches Inst i tut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, 252 43 Prhhonice bei Praha

Die Beziehung zwischen Siedlungsgeschichte und Verbreitung von Imperatoria ostruthium im Gebirge Orlick4 hory (Adlergebirge, NordostbShmen)

A b s t r a c t

Imperatoria ostruthium geh6rt im Gebirge Orlick6 hory (Adlergebirge) zu den allochthonen Arten. Es ist sohr wahrscheinlich, dass sic hier von deutsch sprechenden Ansiedlern anfangs des I7. Jahrhunderts eingefiihrt wurde, besonders im Zusammenhang mit der sog. Alpenholzhauer- Kolonisation. Als gezogene und verwildernde Heilpflanze vcrbreitetc sic sich im Bereich der damaligen Holzhauersiedhmgen, kleiner Bergwirtschaften sowie in den Siedlungen der weiteren Umgobung yon Glas- und Hammerhiit tcn, die im 17. und 18. Jahrhundert , in oinigcn F/~llen noch im 19. Jahrhtmdert , in Betrieb waren.

EINLEITUNG

Imperatoria ostruthium gehSrt zu den wenigen Gebirgspflanzen europs Her- kunft, deren Ausbreitung sehon in alter Vergangenheit dutch die zielbewusste Ts keit des Menschen ziemlich beeinflusst wurde. Ihre urspriingliche Heimat liegt wahr- seheinlich in alpinen Regionen zwischen den Pyrens und NiederSsterreich (T~EL- LUnG in HEGI et al. 1926: 1398--1399). Von hier wurde sic dank ihrer vielseitigen Heilkraft als gepflegte und hoeh geseh/~tzte Heilpflanze in verschiedenen Ls Europas eingefiihrt.

Allgemein wird angenommen, dass ihre Beliebtheit erst Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit zunahm und bis in das 19. Jahrhunder t fiberdauerte. Den alten griechischcn und r6mischen Autoren war sie offenbar unbekannt. Ihre Heilkraft wird jedoch in der deutschen Literatur des spateren Mittelalters hoch eingesch/~tzt. Nach einigen deutschen Autoren wird sic f/ir eine ,,echt germanische Heilpflanze" gehalten (MARZELL 1938: 165--167). Obwohl Imperatoria ostruthium tats~chlich vor allem durch V61ker germanischer Abstammung verbreitet wurde (was zum Tell auch ihre gleichzeitige europ/iische Verbreitung bezeugt), erscheint diese Behaupttmg etwas einseitig. Ohne Zweifel war die Art auch in der bShmischen Heilktmdc im Mittelalter gut bekatmt und zwar untcr dem alttschechischen Namen ,,v~edobr" ((~ER~Cg" 1517, H~JEK'S ][Yber- setztmg des MATr~oLI-Herbariums aus dem J. 1562 -- zit. nach MACHEK 1954: 164), der von PBESL (1819) als offizielle tschechische Benermung der Art iibernommen wurde. Es ist jedoch

Folia Geobot. Phytotax., Praha, 8: 241--248, 1973

242 F O L I A G E O B O T A N I C A E T P t I Y T O T A X O N O M I C A , 8, 1973

nicht ausgeschlossen, dass das Erkennen und die Beliebtheit der heilbringenden Meisterwurz in bShmischen Lt~ndern besonders deutsch sprechende Ansiedler verbreitet haben, die haupt- stichlich in die Grenzgebiete B6hmens, vet allem in der Zeit zwischen der ersterL Htiffte des 13. und Ende des 17. Jahrhunderts kamen.

Einer der ersten Verfasser, die sich ausftihrlicher mit der Frage der Herkunft yon Imperatoria ostruthium in b6hmischen Grenzgebirge befasst haben, war LAws (1911). Auf Grand eigener Erfahrungen und Ar~gaben alterer floristischer Literatur kam er zu der Ansicht, dass die Gesamt- verbreitung der Art ei~en engen Zusammenhang mit tier Besiedlung aufweist. Er setzt mit Recht voraus, dass es sich um eine eingeschleppte Pflanze handelt, die erst sekundtir zum J= dauernden Vegetationsbestandteil der bShmischen und nordm/~hrischen Grenzgebirge wurde.

Zu den i~ltesten Angaben fiber die Verbreitung yon Imperatoria ostruthium im Gegirge Orlick~ hory (Adlergebirge) geh6ren die Angaben yon ~ELAKOVSK~ (1883: 881) aus dem Bereich der Gemeinde Polom bei Olei~nice, der Berggruppe Vrchmezi und aus der Umgebung der Gemeinden TrSkov, Neratov and Bed~ichovka. Interessant sind die yon (~LXKOVSKq angeftihrten tilteren Befunde FI~EY~'S and HANSaIRG'S in den niedrigeren Lagen des Adlervorgebirges bei den Gemeinden Dlouh~ bei Nov~ Hrs and Khthterec had Orlici. -- Weitere Fundorte im Raum der Gemeinden Dehtn~, Z~kouti, JedlovgL und Bed~ichovka verSffentlichte ROHLENA (1923, 1928}. HgOBA~ (1931), der die Vegetation der niedrigeren Lagen des Gebirgsvorlandes eingehender studierte, ftihrt diese Art nicht an. In den letzten Jahren verSffen~lichten PROCH~ZKA et al. (1967: 44) eine Reihe yon Meisterwurz-Fundstellen im nordwestlichen und im zentralen Teil des Gebirges.

D I E G E G E N W A R T I G E V E R B R E I T U N G D E R A R T

Eino ausf i ihr l iehe Analyse de r gegenw/~rtigen Verbre i tung yon Imperatoria ostruthium in Orl ickd h o r y wurde im Z u s a m m e n h a n g m i t der K a r t i e r u n g an th ropogener Ve- ge t a t ion in den J a h r e n 1971 u n d 1972 vorgenommon. Die fes tges te l l ten au ten t i sohen F u n d o r t e wurden in der Abb. 1 verzeiohnet . Aus de r Ana lyse der gegonw/~rtigen Verb re i tung der A r t ergeben sieh folgende Schlussfolgerungen:

1. Der gr6sste Teil der F u n d o r t e konzen t r i e r t sieh i m Bereieh der gegenw/ir t igen odor ehemal igen Besiedlung im oberon Toil de r s u b m o n t a n e n Stufe, ungef/~hr zwischen 600 bis 750 m Seeh6he. I n die m o n t a n e Stufo greif t eine k le ine Anzah l yon Funds t e l l en im engen Z u s a m m e n h a n g m i t de r spt~rliehen Bes iedlung des Geb i rgskammes fiber. Ebenso wurde in den n iedr igeren Lagen des Vorgebirges n u r eine kleine Anzah l yon F u n d o r t e n festgestel l t . Zu den a m n iedr igs ten gelegenen gehSrt die a m Ufer des Zdobnioe-Unte r laufes u n t e r h a l b de r Gemeinde R y b n s h a d Zdobnie l gefundene Loka l i t / i t (ca 390 m ti. M.). - - I n Kls n a d Orlici und in Dlouhs bei Nov:~ H r ~ d e k wurde die A r t neuerd ings n ioht mehr gefunden, und es i s t n i ch t ausgeschlossen, dass sie versohwand. Beide geh6ren zu den r e l a t i v rddr ig geleganen Funds t e l l en der A r t im Vorgebirge; dies bes t~ t ig t die Auffassung, dass das V o r k o m m e n dor wi ldwaehsenden Meisterwurz in n iedr igerer Seeh6he gr6ss tente i l s yon vorf iberge- henden C h a r a k t e r war.

2. Alle S t a n d o r t e der Meis te rwurz best/~tigen die A n n a h m e einer a l loch thonen H e r k u n f t der Ar t . Die wi ldwaehsenden Pflanzen b i lden gewShnlioh einen Best~nd- tei l der n i t r oph i l en an th ropogenen Gesel lsehaf ten in de r u n m i t t e l b a r e n U m g e b u n g heut iger oder ehemal iger Bes ied lung (Gartenz/~une, Raumfl/~ehen der ehemal igen G/irten, feuchte Triimmerflt~chen, feuchte Strassengr/~ben, rudora l i s ie r te Bachufer) , we Imperatoria ostruthium fr i iher , s tel lenweise nooh zu Anfang des 20. J a h r h u n d e r t s , gezogen wurde . Sie ve rwi lder te u n d g l ieder te sich als ein E rgas io l i pophy t in die an th ropogene Vege ta t ion ein. - - Mehrere an Baehufern in bes iedel ten T/tlern zers t reu-

K O P F ~ C K ~ : V E I ~ B R ~ I T U N G VON I M P E R A T O I ~ ] A O ~ T R U T H I U M 243

te F u n d o r t e bezeugen ih re wei tere spon tane Ausbre i tung . E n t l a n g de r B/~ehe glie- de r t e sie sich in e inige Wiesen- nnd n a t u r n a h e Saumgese l l schaf ten e in und ordne te sieh so in die a r t e n a r m e Neophy t eng ruppe der bShmischen Grenzgeb i rge ein. Bei de r hydroehoren Ausbre i tung der A r t sp ie l t d ie vege ta t ive Vermehrung dureh herab- geschwemmte , abgebrochene Wurze ls tSeke und leicht abbrechbare , wurzelfassende junge Ausls eine bedeu tende Rolle. - - Vom phytozSnologisehen S t a n d p u n k t aus gesehen gehSr t die Meis terwurz zu dem stel lenweise h/~ufigen Bes t and te i l an thro- pogener Saumgese l l schaf ten der Galio-Urticetea PASSARGE 67 em. KOI'ECKq 69 (S. GUTTE 1972). An Bachufe rn greift sie in d ie Wiesengesel lsehaf ten des Triseto- -Polygonion bistortae MARSCHALL 47, se l tener aueh in die na t f i r l ichen S~ume des Petasition officinalis SILLINGER 33 em. KOPECKS: 69 fiber.

3. Aus der k a r t o g r a p h i s c h e n Dars te l lung de r gegenw/~rtigen Verb re i tung yon Imperatoria ostruthium geht hervor , dass sich die grSsste Anzah l de r Funds te l l en n u t in b e s t i m m t e n Geb ie ten konzen t r i e r t (Abb. 1). I m Ta l des oberen Zdobnice- Laufes gehSrt zu i hnen der Bereich der heu t igen oder ehemal igen ze rs t reu ten Be- s iedlung der Or t schaf ten Zdobnice, K a m e n e c und AnenskA Huf . Die grSsste Anzah l de r F u n d o r t e g r u p p i e r t sich in Gemeinden l~i6ky, I-[orni Roky tn ice , ferner im Tal des Wi lden Adler -Ober laufes (Er l i tz ta l ) in Gemeinden Bartow Vrchni Orlice, Ne ra tov , ~ern~ Voda, Tr~kov u n d J a d r n s (hier besonders die ehemat ige Besiedlung n6rd l ich yon Kunw163 I m B~ls (obere Alba) is t d ie grSsste Anh/~ufung der F u n d o r t e in der wei te ren Umgebung der Gemeinde Dew auffa l lend, besonders in Zs und in de r heu te schon zum Tell verschwundenen Ans ied lung zwisehen Svat:~ Matouw und l-Iut~. - - Dagegen wurden in dem nordwes t l ichen Zipfel des Gebirges in der U m g e b u n g yon Ole~nice n u t vere inzel te F u n d o r t e bei e in igen Bauern- h i i t t en in Polom und Sedlofiov festgestel l t .

D I E S I E D L U I ~ G S G E S C H I C H T E IM B E Z U G ZUR A U S B R E I T U N G D E R AI~T

Bei dem Versueh, d ie Geschichte der E inf f ih rung und Ausbre i tung yon ImperaZoria ostruthium im Gebirge Orlick~ hory zu deuten , k a n n m a n in vieler H ins i ch t d i r ek t yon der Ana lyse der gegenw~rt igen K o n z e n t r a t i o n der F u n d o r t e ausgehen (vgl. Abb. 1).

Zu den ~ltostea, urspriinglich tschechischen Siedlungen, die in den h6heren Lagon des Vorgebirges schon im 14. Jahrhundert existierten, kann man die Gemeinden Dew Velk~ Uh~inov und Rokytnice v Orlick~ch horAch rechnen. Die h6heren Gebirgslagen waren mit Urwald bedeckt. Noch im 15. und in der ersten H~lfte des 16. Jahrhunderts wurde das Gebirge Orlick6 hory vom Biirgertum der Stadt Rychnov had Kn~.nou als ein ungastliches Waldgebiet betrachtet (s. ~fzLA 1970). Ein griindlicher Umschwung erfolgte erst in der zweiten H/~lfte des 16., besonders dann im 17. Jahrhundert, in welchem sich Holzgewirmung und Handwerk auch in den hSheren Gebirgslagen gewaltig entwickelte. Es werden mehrere Glashiitten angelegt, Eisenerz wird gewonnen und verarbeitet. Die Mteren, im n6rdwestiichen Tell des Vorgebirges im 16. Jahrhundert urkundlich beigelegten Hammerhiitten (Ole~nice, Frymburk) erloschen wahrscheinlich bald wieder (vgl. L~sKA 1959: 297). W~hrend des 17. und 18. Jahrhunderts wurden sie durch Hiitten in der Gemeinden Solnice, Hamernice bei Nebesks Rybn~ und in Zdobaice ersetzt (vgl. Abb. 2).

Eine bedeutsame Entfaltung erfuhr die Glaserzeugung. In der zweiten Halfte des 16. Jahr- hunderts arbeiteten die Glashiitten in Hornf 1%okytnice und De~tn~, in Ka~erov und Kun6ina Ves (die beiden letztgenanntert erloschen jedoch bald wieder). Bedeutende Glashiitten wurden ira 17. Jahrhundert in heutigen Ortschaften Bed~ichovka und vielleicht auch ~ r n ~ Voda an- gelegt (s. ~fTLA 1970, 1971: 39--45, L.~SKA 1959: 299). An ehemalige Glash/itten erinnern auch

244 FOLIA GEOBOTANICA ]~T PHYTOTAXONOMICA, 8, 1973

A b b . 1. Gesamtverbre i tung yon Imperatoria ostruthium L. im Gebirge Orlick~ hory (Adlergebirge) nach der Kar t i e rung in den J a h r e n 1971 und 1972.

A b b . 2. Gebiete, die dutch ehemalige Glas- und Hammerh i i t t en , urld durch sog. A1penholzhaur- Kolonisat lon beeinfiusst warden. -- V o l l e R [ n g e : Umgebung yon Glas- und Hammerhf i t t en , die im 17. a n d 18. (ausnahmswefse noeh [m 19.) J a h r h u n d e r t [r~ Betrieh w~rer~, -- G e s ~ r i c h e l t e

XOPECK~: YEI~BttEIT~NG VON IMPERATORIA OSTICUTHIUM 245

Glashfitten

Hammerhfitten

wahrscheinlicher Einfluss der Alpenholzhauer- Kolo-

~ nisation

0 2 4km

\

l~inge: Gla.s- und Hammerhii t ten, die wahrscheinlich schon zu Anfang des 17. Jahrhtmderts erlosehen waren. Wichtigere Gemeinden: A.: AnenskA Hu$, B.: Barto$oviee, Be.: BedHchovka, ~. V.: ~ernA Voda, D.: Dew Ha.: Hamernice bei NebeskK l~ybn~, Hu.: Hut6, ga.: gadrn~, K.: Kamenec, KS.: Ka6erov, Ks.: Kun6ina Ves, Ku.: Kun~tkt, N.: Neratov, N. 1~.: Nebesk~ l~ybn~, O.: Orliek6 Z~ho~i, OL.: Ole~niee v Orlick:~ch hor~ch, P.: Polom, R.: Rokytnice v Orlick~ch hors R. n. K.: Rychnov had Kn6~.nou, 1%. Z.: Rybn~ nad Zdobnici, 1~.: ~iSky,

TS.: TrSkov, UH.: Velk~2 Uh~inov, V. O.: Vrehni Orlice, Zd.: Zdobnice.

246 FOLIA GEOBOTANICA ET PHYTOTAXONOMICA, 8, 1973

(lie Or tschaf t Hut~ und das Tal des Zdobnice-Oberlaufes, wo die Glaserzeugung vori ibergehend wieder im Or t Anensk~ Hug am Anfang des 19. J a h r h u n d e r t s e rneuer t wurde: - - Es entwickel t sich auch die Verarbe i tung und Gewinnung yon Kalks te in in den 6rt l ichen kleinen Steinbri ichen in der U m g e b u n g der Or tschaf ten Ole~nice, Zdobnice, i~iSky, Kamenec u. a.

Die Entfal tung der Glas- und Eisenhfitten im 17. und 18. Jahrhunder t (s. Abb. 2) war mit dem Zugang deutsch sprechender Einwohner, die vor allem aus KlSdzko (Glatz) stammten, verbunden. Ein Teil yon ihnen setzte sich in der Umgebung yon einigen Glas- und Hammerhfit ten lest, andere arbeiteten in den umliegenden W~l- dern und legten kleine Bergwirtsehaften an, die teilweise his in die erste I-I~,lfte des 20. Jahrhunderts fiberdauerten.

Einen betr~chtlichen Einfluss auf die Festigung der deutschen Ansiedlung hatte die sog. A l p e n h o l z h a u e r - K o l o n i s a t i o n . Infolge des ansteigen4en Holzbedarfs besonders im Zusammenhang mit der Realisation des sog. Reichenauer Flosswegs (das Holz wurde auf dem Bach l~i6ka - - yon bier s tammt der Name Klausenbach - - , ferner auf den Flfissen Zdobnice und Divok~ Orlice zur Elbe geflosst) fibersiedelte anfangs des 17. Jahrhunderts ein Teil der Holzhauer, die ursprfinglich aus Tirol stammten und seit der zweiten H~lfte des 16. Jahrhunderts im Riesengebirge arbei- teten, in das Gebirge Orlick6 hory. Die Kolonisten legten die Ortschaften l~i6ky und Zdobnice an, beeinflussten die Umgebung des Ortes Nebesk~ Rybns der zum ad- ministrativen Mittelpunkt der Holzgewinnung wurde (HER6fK 1959). Sic legten wahr- scheinlich auch die Ortschaften Kunw und Jadrns an; einige yon ihnen siedelten sich in Bartow an, ferner in Vrchnl Orlice und in der Umgebung yon N e r a t o v - - Einzelheiten und titerarische Quellen ffihrt ~fTLA (1970, 1971) an. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass einige yon ihren Nachkommen die Siedlung in (~ern~ Voda angelegt haben (s. Abb. 2).

Es ist bemerkenswert, dass eben diese oben genannten Bezirke auffallend mit den Gebieten der gr6ssten Anh~ufung der Fundorte von Imperatoria ostruthium fiber- reinstimmen, einer Pflanze, die in der deutschen, besonders in der Alpenvolksheilkun- de im 16. und 17. Jahrhunder t hoch gesch~tzt wurde. Endlich ist auch sehr auffallend, dass diese Bezirke mit dem Gebiet des hi~ufigsten Vorkommens einer weiteren,,Alpen- art", Myrrhis odorata (L) StoP., fibereinstimmen und eine interessante Verbin- dung mit der Verbreitung yon Rumex alpinus L. aufweisen, fiber dessen autochthone Herkunft in Gebirge Orlick6 hory bestimmte Zweifel bestehen kSnnten (KoPECK~ 1973).

Es ist begreiflich, da~s der volkstfimliche Einfluss einzelner GrupI~)n deutsch spre- chender Ansidler im Laufe des 17. bis I9. Jahrhunderts rs niclft eng besohr~nkt blieb. Im Zusammenhang mit dem baldigen Verfall des Reichenauer Flosswegs musste ein Teil der Holzhauer eine andere LebensmSglichkeit suchen. Es ist hSchst wahrscheinlich, dass ihnen solche MSglichkeiten die gleictizeitige Entwicklung der Glas- und Hammerhfit ten boten. Das Gebiet der im 17. bis 18. Jahrhunder t gegrfin- deten Ansiedlungen in der weiteren Umgebung yon Glas- und t tammerhii t ten in Verbindung mit den Bezirken des lokalen Einflusses der sog. Alpenholzhauer- Kolonisation stimmt auffallend mit der grSssten Anh~ufung yon Imperatoria ostrut. hium-Fundorten fiberein. Auserdem ist bemerkenswert, dass in der Umgebung der wahrscheinlich schon zu Ende des 16. Jahrhunderts erloschenen Glashfitten in Ka- 6erov und KunSina Ves (vgl. Abb. 2) Imperatoria ostru~hium nicht gefunden wurde.

Die oben angeffihrten Tatsachen berechtigen die Auffassung, dass Im/peratoria

K O P E C K S ' : V E R B R E I T U N G v e x I M P E R A T O R I A O S T R U T H I U I ~ I 247

ostruthium in die Orlickd hory durch deutsch sprechende Ansiedler im Anfang des 17. Jahrhunderts eingefiihrt wurde. Es ist nioht ausgeschlossen, dass eine entscheiden- de Rolle im Prozess ihrer Naturalisation besonders die sog. Alpenholzhauer-Kolonisa- tion spielte; die Pflanze wurde nachweisbar am h/~ufigsten eben in jenen Gebieten gezogen, die dureh diese Kolonisation direkt oder indirekt beeinflusst wurden. Infolge gegenseitiger Kontakte der Bev61kerung breitete sie sich such in andere Gebirgsteile, namentlich im Zusammenhang mit der Entfaltung der Glas- und Eisenhiitten in] 17. und 18. Jahrhundert aus. In ihrer Gesamtverbreitung blieb sie jedoch nur an das Gebiet mit deutscher oder gemischtsprachiger Besiedlung des Gebirges gebunden.

ZUSAMMENFASSUNG

Im Gebirge Orliokd hory (Adlergebirge)geh6rt Imperatoria ostruthium zweifellos zu den allochthonen Arten. Der Besiedlungsprozess in h6heron Gebirgslagen begann praktisch erst in der zweiton H/~lfte des 16. und besonders in der ersten H/~lfte des 17. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Waldrodung ent- standen damals mehrere Glas- und Hammerhiitten. Neben deutsch sprechenden Hand- werkern, vor allem aus dem Bergland Glatz, wurden anfangs des 17. Jahrhunderts aus dem 6stlichen Riesengebirge die urspriinglich aus Tirol stammenden Holzhauer in das Gebirge Orlickd hory berufen. Sie griindeten die Gemeinden l~i6ky und Zdob- nice, wahrscheinlich such Kunw163 und Jadrn~. Einige yon ihnen liessen sich in den heutigen Gemeinden Vrchni Orlice, Barto~ovice und Neratov nieder, sparer vielleicht such in ~ern~ Veda. Es ist auffallend, dass diese Gebiete zusammen mit einigen An- siedlungen in der Umgebung yon ehemaligen Glas- und ttammerhiit ten (Abb. 2) his heute mit einer gr6sseren Anhitufung der Meistorwurz-Fundstellen (Abb: 1) iiberrein- stimmen. Man kann deshalb voraussetzen, dass die Art in das Gebirge Orlick~ hory (Adlergebirge) durch deutsoh sprechende Ansiedler als gezogene und damals hoch geschi~tzte Heilpflanze anfangs des 17. Jahrhunderts eingefiihrt wurde. Mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung breitete sie sich w~hrend des 17. his 19. Jahrhun4erts sowohl entlang damaliger Glas- und Eisenhiitten, als auch in der Umgebung kleiner Bergwirtschaften aus. Die verwilderten Pflanzen gliederten sich be- senders in anthropogene nitrophile Gesellschaften der Galio- Urticetea PASSAGE 67 era. KOPECK~ 69, aber such in einige bachbegleitende Gesellschaften der Triseto-Polygonion bistortae-Wiesen, und Petasition o fficinalis-Si~ume in den besiedelten T~lern ein.

SUMMARY

The paper deals with the relation between the settlement history and the distribution of lmperatoria ostruthium L. in the Orlick6 hory mountains (NE. Bohemia).

Imperatoria ostruthium belongs to the allochthonous species in the Orlick6 hory mountains. Its recent distribution is illustrated in Fig. 1. The continuous settlement process at higher altitutes of the Orlick6 holy in the main started as late as during the second half of the 16th and especially in the first half of the 17th century. In connection with the enormous development of logging for the use of the Bohemian inland, both in the mountains and in the foothills numerous glassworks were set up, iron ores were mined and iron was produced (see Fig. 2). The stream of German- speaking craftsmen, lumber workers and herdsmen coming predominantly from the former county of Klodzko (Poland) increased. A significant reinforcement of the German immigration into the

248 F O L I A GEOBOTANICA ET PHYTOTAXONOMICA, 8, 1973

cent ra l p a r t o f t h e m o u n t a i n r ange come w i t h t he colonizat ion b y l u m b e r workers f rom t h e Alps. A t beg inn ing o f t he 17th l umbe r workers f r o m the eas t e rn pa r t of t h e Krkonow (Giant Moun ta in s ) , who or ig inal ly c a m e f rom t he Alps, were b r o u g h t to t he Orlick6 ho ry . The regions inf luenced b y th i s co lon iza t ion (see Fig. 2) as well a s t h e env i rons of glass a n d i ron works wh ich were ac t ive t h r o u g h t h e 17th, 18th a n d in s o m e cases up to t he 19th c e n t u r y , con fo rm consp icuous ly to t h e regions of t h e m o s t in tens ive a c c u m u l a t i o n of locali t ies o f I. ostruthium. Therefore i t m a y be a s s u m e d t h a t t h i s species was i n t r o d u c e d in to t he Orlick~ h o r y m o u n t a i n s b y G e r m a n . s p e a k i n g se t t le rs a t t h e beg inn ing of t he 17th c e n t u r y . As a f avour i t e med i c ina l p l a n t o f a l l - round use i t was c u l t i v a t e d in t h e l u m b e r worke r s ' h aml e t s , in the s e t t l e m e n t s a r o u n d t h e glass a n d i ron works a n d r o u n d li t t le m o u n t a i n f a r m s t e a d s especial ly in t h e 17th, 18th, a n d 19th cen tur ies . I t e scaped f r o m cu l t iva t ion and h a s become a p e r m a n e n t p a r t o f t h e vege t a t i on in t he v i c in i ty of b o t h p r e s e n t a n d former se t t l emen t .

L I T E R A T U R

~ELAKOVSK~ r, L. (1883): P r o d r o m u s k v ~ t e n y 5esk6. Tom. 4. -- P r a h a . ~ E I ~ , J . (1517): K n i e h a l ekarska k t e r az slowe herbarz : aneb zel inarz: . . . -- Nor imberk . GUTTE, P. (1972): Rudera lp f l anzengese l l s cha f t en Wes t - u n d Mi t t e l sachsens . - - Feddes Repe r t . ,

Berl in, 83: 11- - 122. HE(~I, G. e t al . (1926): IUust r ic r te F lo ra y o n Mi t te l -Europa . Ed . 1, 5/2. - - Miinehen. HER(~K, K . (1959): T~i~ba d~eva pro k u t n o h o r s k 6 bhfisk6 p o d n i k y v t ru tnovsk :~ch a rychnovsk~rch

lesich ve d ruh~ pol. 16. a poS~tkem 17. stoleti . ( Ho lzgewinnung fiir die K u t t e n b e r g e r Berg- be t r iebe in den W~lde rn von T r a u t e n a u u n d R e i c h e n a u in der 2. H~l f te des 16. u n d a m A n f a n g des 17. J a h r h u n d e r t s . ) - - Ac t a Mus. Reg inaehradecens i s , Ser. B, H r a d e c Krhlov~, 3: 185--203.

HROBA~, F. (1931): K v ~ t e n a Kos t e l ecka a R y c h n o v s k a . - - H r a d e c Krhlov6. KOPECKS, K . (1973): J e w163 a lp insk~ (Rumex alpinus L.) v Or l ick~ch ho rhch pf ivodni? ( Is t

der A l p e n a m p f e r (Rumex alpinus L.) i m Adlergebirge urspr i ing l ich?) - - Presl ia, P r a h a , 45: 132--139.

L]~SKA, J . (1959): Neros tn6 b o h a t s t v i Orlick:~ch hor a jeho t ~ . b a v minu los t i . -- In : Sborn. Hradeck~r Kra j , H radec Kr~lov~, 3: 296--304.

LAus, H . (1911): ~ b e r die V e r b r e i t u n g y o n Myrrhis odorata u n d a n d e r e n sudc t i s chen U m - bell iferen. - - Deu t seh . Bot . Mona t sch r . , Gera, 22: 151--155, 167- -169 et 186--191.

~ACHEK, V. (1954): ~esks a s lovensks j m 6 n a rost l in . -- P r a h a . MARZELL, H. (1938): Geschich te u n d V o l k s k u n d e der d e u t s c h e n Hei lpf lanzen. - - S tu t t ga r t . PRESL, J . S. e t PRESL, C. B. (1819): F l o r a 5cchiea. - - P r aha . PROCH~ZKA, F . e t al. (1967): F lor i s t i ck~ mater igd ke kv~ten~ seve roz~padn t 5gLsti Or] ick~ch h o t

a t~sn~ p~ilehl6ho 5zemi PodorliSi. (Ein f loris t isches Mater ia l zu r F lo ra des no rdwcs t l i chen Teils des Adlergebi rges u n d eng bei ih r l iegendes Gebiet des Vorgebirges.) - - A c t a Mus. Reg inaeh radecens i s , Ser. A, H r a d e e Krhlov~, 8: 27- -56 .

ROttLENA, J . (1923 et 1928): P~isp~vky k f lor is t ick6mu v :~zkumu ~ech . 3 et 8. - - ~as . Nhrod . Mus. , Odd. P~irod., P r aha , 9 7 : 8 8 - - 9 5 et 102: 5 - - 22 , 71- -85 .

~f~LA, J . (1970) : Kolonizace Orlick~reh ho r a je j ich podhO~i n a p~e lomu X V I . ' a X V I I . stoleti . - - L i s t y Orlick. Mus. , ghocefl , 5: 209- -234 .

~ffLA, J . (1971): Venkovsk:~ lid v ~ e h o d n l h o H r a d e c k a v le tech 1590--1680. (Landsvo lk im 5s t l iehen Gebiet yon Hradee Krs in J a h r e n 1590-- 1680.) - - A c t a Mus. Reg inaehradeeens i s , Ser. B, H r a d e e Kr~]ov~, 13: 1- -293.

E i n g e g a n g e n a m 8. M~rz 1973