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ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 Zahnmedizinische Gesundheitssysteme Kita mit Biss Mundgesundheits- förderung in Pflege- und Behinderteneinrichtungen Bivariate Zusammenhangsmaße Offizielles Organ des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. 47. Jahrgang / Dezember 2017 www.bzoeg.de Bundesverband der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. D 2661 ISSN 0340-5478

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ZAHNÄRZTLICHERGESUNDHEITSDIENST

2.17

Zahnmedizinische

Gesundheitssysteme

Kita mit Biss

Mundgesundheits-

förderung in Pflege- und

Behinderteneinrichtungen

Bivariate

Zusammenhangsmaße

Offizielles Organ des Bundesverbandes

der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

47. Jahrgang / Dezember 2017 www.bzoeg.de

Bundesverband der Zahnärzte desÖffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

D 26

61 IS

SN 0

340-

5478

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Fluoridin N5: Starker Kariesschutz für die Zähne

Fluoride sind eine unverzichtbare Säule der prä-ventiv orientierten Zahnheilkunde. Zu den wich-tigsten Methoden bei der Kariesprophylaxe zählt

Ihre kariesinhibierende Wirkung ist bereits seit langem durch diverse Studien eindeutig belegt. Das trifft insbesondere auf das Fluoridpräparat Fluoridin N5 zu, dessen nachhaltige Wirksamkeit gleich von mehreren Studien untermauert wurde.

So wurde beispielsweise im Rahmen einer Zwei-Jahres-Studie bei 288 Kindern im Alter von zwei bis vier Jahren mit nachweislich erhöhtem Karies-risiko u.a. Fluoridin N5 eingesetzt [1,2]. Halbjährlich wurde bei 84 Kindern der Gruppe A Fluoridin N5 appliziert (4 Anwendungen), bei 113 Kindern der Gruppe B Duraphat (Colgate) in ebenfalls 4 Anwendungen und bei 91 Kindern der Kontroll-gruppe C wurde auf die Applikation eines Fluorid-

putzten sich die Kinder aller Gruppen täglich

(500 ppm Fluorid) die Zähne und erhielten vier-teljährlich Instruktionen zur richtigen Mundhygi-ene sowie eine Ernährungsberatung.

Nach zwei Jahren standen bei der Untersuchung

64 Kinder). Die Zahl der kariesfreien Flächen war in der Fluoridin N5-Gruppe nahezu unverändert.

Innerhalb der Duraphat-Gruppe stieg die Anzahl

Die Anwendung des Materials ist ebenso einfach wie sicher. Fluoridin N5 lässt sich ganz leicht mit ei-

gefährdeten Stellen auftragen oder mit Hilfe praktischer Zylinderampullen direkt applizieren. Diese ermöglichen eine exakte Dosierung und punktgenaue Applikation und erlauben so ein sauberes und wirtschaftliches Arbeiten.

Indikationen

• Kariesprophylaxe bei Kindern, Jugend- lichen und Erwachsenen

• Initialkaries

• Vorteile

• Sehr gute Benetzung schwer zugänglicher Bereiche (Fissuren, Interdentalräume, entlang der Ränder von Brackets, Zahn- hälse, Kronenränder etc.)

• aufgetragen werden

• Angenehm fruchtiger Geschmack

Ansprechpartner:

der initialkariösen Flächen um mehr als 20 % und in der Kontrollgruppe ohne prophylaktischen Lack sogar um mehr als 500 %. Im Hinblick auf den Karieszuwachs zeigten beide Fluorid-produkte eine deutlich hemmende Wirkung, die

Kontrollgruppe bezogen auf dmft und dmfs liegt. -

Schulkindern.

Fluoridin N5 ist eine Fluorid-Suspension, die

und dadurch auch sehr gut schwer zugängliche Regionen erreicht (Fissuren, Interdentalräume, entlang der Ränder von Brackets, Zahnhälse, Kronenränder etc.). Die Fluoride tragen aktiv zum Schutz vor Karies bei, hemmen die Zerstörung des gesunden Zahnes und geben dem Zahn die

die Fluoride in den Schmelz ein und entfalten dort ihre langanhaltende Wirkung. Seine Feuch-tigkeits-Toleranz macht Fluoridin N5 gerade in der Kinderzahnheilkunde mit Blick auf die Com-

der Wahl. Er lässt sich auch dann problemlos ap-plizieren, wenn eine Trocknung der zu behandeln-den Bereiche nicht oder nur schlecht möglich ist. Bei Kindern punktet Fluoridin N5 nicht zuletzt dank seines angenehmen Himbeergeschmacks.

Arzneimittelhinweis:-

-

Literatur:

Anwendung in der Kinderzahnheilkunde entwickelt.

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Aber! Wie ist hier die Prognose? Die inunserer Verantwortung liegende Gruppen-prophylaxe braucht hochqualifiziertesPersonal und eine auskömmliche Perso-nalressource. Die Kenntnis in und aus denEinrichtungen ist ein unschätzbares Gutund unser Verband steht für gruppenbezo-gene zahnmedizinische Prävention.

Wenn wir diese weiter entwickeln undauch zukünftig unsere Expertise einbrin-gen wollen, dann ist die Beteiligung allerVerbandsmitglieder in allen Strukturengefragt, dann brauchen wir Sie!

Nur so haben wir eine gute Prognose,ohne Nachwuchs für Vorstands- und Gre-mienarbeit hat unser Verband keine Per-spektive.

Ihre Claudia Sauerland und Michael SchäferBundesvorsitzende

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Dies fängt bei den scheinbar einfachenHilfsmitteln zur Mundhygiene wie denZahnbürsten an, bei denen längst eineAbkehr von den bisherigen Erkenntnissenexistiert. Damit in Verbindung steht dieFrage der Putztechnik und der Putzdauerund schließlich die Frage, ob und inwie-weit die derzeitige Konzentration von Flu-orid in Kinderzahnpasten in Deutschlandnoch zeitgemäß ist.

Welche Prognose können wir hinsicht-lich der Bedeutung des Zuckers in allenLebensmitteln abgeben, wenn wir wissen,dass 92 % aller Eltern den Zuckergehalt ineinem Fruchtjoghurt unterschätzen?

Wie steht es um die Frage der kultur-sensiblen Herangehensweise auch imRahmen der Gruppenprophylaxe, wennwir an die migrationsspezifischen, kultur-spezifischen, krankheitsspezifischen undsozialen Faktoren denken?

Zu all diesen Punkten wollen wir anMaßnahmen und Antworten mitarbeiten.

Dass wir dies tun und dass wir uns alsZahnärztinnen und Zahnärzte des Öffent-lichen Gesundheitsdienstes auf mehrerenGebieten auszeichnen, belegt dieses Heftmit Berichten und Kongressbeiträgen sehreindrücklich.

EDITORIAL

Bundesverband der Zahnärzte desÖffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit der Vorlage dieser zweiten Ausgabeunserer Zeitschrift geht ein Jahr zahlrei-cher Wahlen, denen noch mehr Prognosenvorauseilten, zu Ende. Manch eine Über-raschung trat ein und vielfach bedeutetedies für die Beteiligten erhebliche Kraft-anstrengungen für Maßnahmenkatalogeund Strategien.

Was, so fragen Sie sich, hat das abermit unserem Verband und unserer Tätig-keit zu tun?

Wir wissen, dass sich die Zahngesund-heit in Bezug auf die Karies bei denJugendlichen in den letzten 25 Jahrenbeträchtlich verbessert hat.

Die auf Kontinuität und Verlässlichkeitangelegte Gruppen- und Individualpro-phylaxe hat im Verbund mit einem allge-meinen Trend zur Gesunderhaltung Früch-te getragen.

Wenn wir aber im Hinblick auf dieseFrüchte eine Prognose für die kommen-den Jahre wagen wollen, gilt es, zahlrei-che Stellschrauben zu berücksichtigen.

Dr. Michael Schäfer MPHDr. Claudia Sauerland

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03 EditorialClaudia Sauerland, Michael Schäfer

Berichte

05 Seit 2004 „Kita mit Biss“ in Frankfurt (Oder) –Das Präventionsprogramm hat sich etabliertPetra Haak

06 Kongressbericht 2017 – Gesundheit für alleGrit Hantzsche

Kongressbeitrag

08 Mundgesundheitsförderung für Menschen mit Behinderung –Ergebnisse des Berliner ModellprojektsInes Olmos, Imke Kaschke

11 Bivariate Zusammenhangsmaße für zahnärztlicheUntersuchungsdatenMichael Herzog, Pantelis Petrakakis, Rafael Weißbach

13 Evaluation zahnmedizinischer Gesundheitssysteme:Resultate für Deutschland und ausgewählte hochentwickelte LänderRüdiger Saekel

18 Verbesserung der Mundgesundheit pflegebedürftiger Menschen im HochsauerlandkreisMaria Bomkamp

21 Erfahrungen mit den Kooperationsverträgen zwischen Zahnärzten und PflegeheimenHarald Strippel

Aktuelles Thema

24 Bezirk verleiht Zertifikat „Kita mit Biss“ an Spandauer KitasLukas Müller

25 Auszeichnungen für interdisziplinäre Gruppenprophylaxe

26 Vorschau 68. Kongress des BVÖGD und des BZÖG 2018

Verband

27 Nachruf für Elke SensPetra Haak, Sabine Röthig

Impressum

ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 Offizielles Organ des „Bundesverbandes der Zahnärztedes Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.“ –Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung desÖffentlichen Gesundheitswesens

Herausgeber:Bundesverband der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

1. Vorsitzender:Dr. Michael Schäfer, MPHKölner Str. 180, 40227 DüsseldorfTel. 0211/8 99 26 41, E-Mail: [email protected]

2. Vorsitzende:Dr. Claudia SauerlandUelzener Dorfstraße 9, 59425 UnnaTel. 02303/27 26 53, E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:Dr. Cornelia WempeErikastraße 73, 20251 HamburgTel. 040/42 80 13 375, Fax 040/42 79 03 375E-Mail: [email protected]

Redaktion Zeitung:Dr. Silke RiemerMöllhausenufer 33, 12557 BerlinTel.: 0176/58 67 90 58E-Mail: [email protected]

Redaktion Internet:Dr. Grit HantzscheHohe Straße 61, 01796 PirnaTel. 03501/5 15 23 36, Fax 03501/5 15 23 09E-Mail: [email protected]

Anzeigenverwaltung:Schatzmeisterin: Dr. Sabine BreitenbachHans-Sachs-Ring 95a, 68199 MannheimTel. 0621/2 93 22 50, E-Mail: [email protected]: Foerde SparkasseIBAN: DE55210501700019205558BIC: NOLADE21KIE

Wissenschaftlicher Referent:Dr. Uwe NiekuschMolzaustr. 4, 76676 Graben-NeudorfTel. 06221/522 18 48, Fax 06221/522 18 50E-Mail: [email protected]

Zeitungsbeirat:Dr. Angela Bergmann, KrefeldDr. Christoph Hollinger, HagenDr. Gereon Schäfer, Saarbrücken

Satz und Druck:Poly-Druck Dresden GmbH, Reisstr. 42, 01257 Dresden

Bezug:Die Zeitschrift „Zahnärztlicher Gesundheitsdienst“erscheint zweimal im Jahr. Verbandsmitglieder erhaltendie Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.Einzelheft: 7,00 EUR, Jahres-Abonnement 12,00 EUR,inkl. Mehrwertsteuer, zuzüglich Versandkosten.Bestellungen werden von der Geschäftsführung entgegengenommen. Kündigung des Abonnementssechs Wochen vor Jahresschluss.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigungdes Herausgebers. Mit Ausnahme der gesetzlichzugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohneEinwilligung des Herausgebers nicht gestattet.Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persön-liche Auffassung der Verfasser wieder, die der Meinungdes Bundesverbandes nicht zu entsprechen braucht.

Auflage: 650 Exemplare

ISSN 0340-5478

Die Zeitschrift ist der Informationsgemeinschaft zurFeststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.angeschlossen.

www.bzoeg.de

Inhalt

4 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Titelbild: Bildarchiv Dr. Michael Schäfer

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Ausgehend von den Erfahrungen undErgebnissen in Frankfurt (Oder) ist das pra-xiserprobte und 2015 mit einem Präven-tionspreis der Initiative für eine MUND-GESUNDE ZUKUNFT in DEUTSCH-LAND ausgezeichnete Präventionspro-gramm „Kita mit Biss“ inzwischen in vie-len Regionen des Landes Brandenburg unddarüber hinaus auch in anderen Bundeslän-dern ein Bestandteil der gruppenprophyl-aktischen Betreuung gem. § 21 SGB V.

In Frankfurt (Oder) beteiligen sich 29 der30 Frankfurter Kitas an diesem intersekto-ralen Aufklärungs- und Ernährungspro-gramm. Zur Verstärkung der Außenwirkungerhielt jede „Kita mit Biss“ ein Zertifikat.

Zusätzlich zu den jährlichen Auswer-tungsgesprächen in den „Kitas mit Biss“wurde das Präventionsprogramm in denSchuljahren 2006/2007 und 2010/2011evaluiert. Aufgrund der positiven Erfah-rungen mit den interviewbasierten Befra-gungen der Kita-Leiterinnen im Rahmender zweiten Evaluation wurden diese auch5 Jahre später (im Schuljahr 2015/2016)

und Erzieher unterstützt und begleitet.Teilweise putzt das pädagogische Per-sonal mit.

� In allen Kitas wird das Verabreichender Nuckelflasche bei Kindern, die ausder Tasse trinken können, konsequentabgelehnt.

� 26 Kindereinrichtungen bieten in derKita ein zahngesundes Frühstück an. In3 Kitas wird das Frühstück von zuHause mitgebracht. Hier wird im Rah-men des Erstgespräches vor Aufnahmedes Kindes in die Kita durch die Kita-Leitung auf das Mitbringen eines zahn-gesunden Frühstücks hingewirkt.

� Alle Kitas bieten eine kauintensiveObst- und Gemüsezwischenmahlzeitan.

� Alle Kitas reichen am Vormittag kon-sequent zuckerfreie Getränke (Wasserbzw. ungesüßten Tee).

� Fruchtsäfte werden grundsätzlich nurverdünnt angeboten, häufig nur nochzu besonderen Anlässen. Erfreulich istdie Tatsache, dass ein Viertel der

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Berichte

Seit 2004 „Kita mit Biss“ in Frankfurt (Oder) –das Präventionsprogramm hat sich etabliert

Petra Haak

durchgeführt. Dabei stand für den Zahn-ärztlichen Dienst die Frage im Vorder-grund, ob es gelungen ist, über einen Zei-traum von 11 Jahren die Qualität des Prä-ventionsprogramms zu sichern.

Ergebnisse der dritten Evaluation

Alle 29 Kitaleitungen nahmen an denInterviews teil. Das Gesprächsangebotwurde sehr positiv aufgenommen und dieGesprächsatmosphäre war vertrauensvoll.Das 2014 neu gestaltete Zertifikat (Abb. 2)zusammen mit laminierten Handlungsleit-linien (Abb. 1) zur Verstärkung der Außen-wirkung von „Kita mit Biss“ sowie dieverschieden sprachigen Elternflyer wurdenbegrüßt.

Nach Auswertung der Evaluationsinter-views ist festzustellen:

� Das Zähneputzen der Kinder mit fluo-ridhaltiger Kinderzahnpasta wird inallen Kitas durch die Erzieherinnen

Dritte Evaluation des Präventionsprogramms „Kita mit Biss“ im Schuljahr 2015/2016

Vor 13 Jahren stellte das Team des Zahnärztlichen Dienstes des Gesundheitsamtes Frankfurt (Oder) einen hohen Anteil von kleinenKindern mit Frühkindlicher Karies fest und entwickelte mit ErzieherInnen präventive Strategien zur Förderung der Mundgesundheitund Vermeidung der Frühkindlichen Karies. Das Ergebnis war die Einführung eines Aufklärungs- und Ernährungsprogramms zurSchaffung eines mundgesundheitsförderlichen Kita-Alltags, das unter dem Namen „Kita mit Biss“ umgesetzt und durch dieGesundheitsberichterstattung gesteuert wird.

Abb. 1: Handlungsleitlinien für KindertagesstättenAbb. 2: Das 2014 aktualisierte Zertifikat-Poster

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„Kitas mit Biss“ inzwischen ganz aufdas Angebot verdünnter Fruchtsäfteverzichtet.

� In 17 Kindereinrichtungen wurden inden vergangenen 2 Jahren Elterninfor-mationsveranstaltungen zur Kariesvor-sorge durchgeführt und 24 Kitas habendiese in Planung. Damit gehört diePrävention der frühkindlichen Karieszu den Schwerpunkten der Elternar-beit der „Kitas mit Biss“.

Zum Abschluss der Evaluationsinter-views wurde die Kita-Leitung um Hin-weise für die weitere gesundheitsförder-liche Arbeit der „Kitas mit Biss“ gebeten.Die Besuche von Kita-Gruppen imGesundheitsamt wurden positiv bewertetund für das folgende Schuljahr vorge-plant, ebenso die Elternberatungen zurKariesprävention im Rahmen der Baby-Treffs. Die jährlich durch den Zahnärzt-lichen Dienst organisierten Fortbildungenfür interessiertes pädagogisches Personal

bzw. Neueinstellungen fortzuführen, wur-den begrüßt.

Neben der dritten Evaluation des Präven-tionsprogramms „Kita mit Biss“ erfolgtenauch im Schuljahr 2015/2016 die jähr-lichen Auswertungsgespräche. Hier wur-den der Kita- Leitung die aktuellen Unter-suchungsergebnisse im Vergleich zu denvorangegangenen Untersuchungen vorge-stellt. Zielgerichtete Maßnahmen zur Prä-vention der frühkindlichen Karies wieElterninformationsveranstaltungen für aus-gewählte Altersgruppen wurden geplant.

Fazit

In den Frankfurter „Kitas mit Biss“ wer-den die Qualitätsstandards des Präven-tionsprogramms seit 2004 wirkungsvollumgesetzt.

Die jährlichen Auswertungsgesprächedes Zahnärztlichen Dienstes mit den Kitassind die Basis für die Entwicklung einervertrauensvollen Zusammenarbeit und

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Berichte

stellen eine qualitätssichernde Maßnahmedar. Die Methode der interviewbasiertenEvaluation hat sich als geeignet erwie-sen, um mit Kita-Leitungen in größerenAbständen Gelingensfaktoren und Schwie-rigkeiten bei der Umsetzung des Präven-tionsprogrammes zu besprechen. Es emp-fiehlt sich ein zeitlicher Abstand zwi-schen den Evaluationen von etwa 5 Jahren. Die Kita-Leitungen berichtenvon ihren Erfahrungen und Herausforde-rungen. Mit ihren Anregungen geben siedamit dem Präventionsprogramm „Kitamit Biss“ und auch der Gruppenprophy-laxe Impulse.

Dr. Petra HaakZahnärztlicher Dienst desGesundheitsamtes Frankfurt (Oder)Logenstr. 615230 Frankfurt (Oder)Tel.: 0335-5525314E-Mail: [email protected]

Kongressbericht 2017 – Gesundheit für alle

Der 67. Wissenschaftliche ÖGD-Kon-gress, der vom 3. bis 5. Mai in Münchenstattfand, war in vieler Hinsicht etwasBesonderes. Gemeinsam organisiert vomBayerischen Landesamt für Gesundheitund Lebensmittelsicherheit (LGL), demBundesverband der Ärztinnen und Ärztedes Öffentlichen Gesundheitsdienstes(BVÖGD), dem Bundesverband derZahnärzte des Öffentlichen Gesundheits-dienstes (BZÖG), der Gesellschaft fürHygiene, Umweltmedizin und Prävention(GHUP) sowie dem Referat für Gesund-heit und Umwelt der LandeshauptstadtBayern (RGU) tagte er in verschiedenenöffentlichen und Verwaltungsgebäuden.Die ersten Veranstaltungen begannenbereits am Dienstag mit PreConferenz-Workshops zu Themen wie Krankenhaus-hygiene, Umweltmedizin und der Vorstel-lung des Projektes „Öffentlicher Gesund-heitsdienst 1933 – 1945“. Obwohl dieVortragsräume in der Münchner Altstadtnah beieinander lagen, begegneten sichdie Besucher der verschiedenen Fachbe-reiche meist nur im zentralen Anlauf-

punkt, dem LGL. Hier in der Pfarrstraße1 – 3 konnte man auch die Industrie-Aus-stellung und die fachliche Posterausstel-lung besuchen. Tagungsort für uns Zahn-ärzte war das spanische Kultur- undSprachinstitut Institutio Cervantes. EineÜbersicht zu den Referenten und Vorträ-gen finden Sie unter

http://www.bzoeg.de/kongress-leser/items/2017-kongress-muenchen.html

Dass der Kongress in München vonmehreren Partnern gestaltet wurde, zeigtesich schon zur Eröffnungsveranstaltungim Herkulessaal der Residenz. Im Rah-men einer von Fernsehjournalist DietmarGaiser moderierten Runde stellten sichdie Vorsitzenden der Verbände der Frage„Gesundheit für alle – welchen Beitragleistet wer?“ Schäfer hob in seinemAbschlussstatement hervor, welche gro-ßen Vorzüge in der zahnmedizinischenGruppenprophylaxe darin bestehen, dassalle Akteure gemeinsam und einheitlichsowie wettbewerbs- und werbeneutral

vorgehen und ihren Fokus ausschließlichauf die Mundgesundheit der Kinder undJugendlichen richten. Der Beweis, dassdies andere Modelle genauso gut oderbesser können, steht nämlich noch aus!

Das Motto des Kongresses „Gesund-heit für alle“ war Anlass, im zahnärzt-lichen Teil die Förderung der Mundge-sundheit bei Menschen, die nur einge-schränkt selbst dafür sorgen können,besonders in den Fokus zu stellen.Schmidt stellte die Auswertung der zahn-ärztlichen Untersuchungsergebnisse bei6- bis 17-jährigen Förderschülern desRhein-Erft-Kreises vor. Diese profitiertenin einem 5-Jahresvergleich nicht vom all-gemeinen Trend des Kariesrückgangs.Der Referent formulierte Empfehlungenfür entsprechende Prophylaxe-Program-me. Olmos berichtete über die Erfolge desBerliner Projektes „Mundgesundheitsför-derung für erwachsene Bewohner vonBehinderteneinrichtungen“. Praktischeund theoretische Schulungen der Bewoh-ner unter Einbeziehung der Betreuer undAngehörigen führten dazu, dass fünf

Grit Hantzsche

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Berichte

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Jahre nach der ersten Evaluation häufigerFluoride angewendet und länger dieZähne geputzt werden. Special Olympics,die Sportwettkämpfe von Menschen mitgeistiger Behinderung, begleitet die Ath-leten bei ihren Wettkämpfen stets miteinem Gesundheitsprogramm. NebenThemen wie gesunde Lebensweise, Sehenund Hören ist das Programm „SpecialSmiles – gesund im Mund“ ein festerBestandteil. Die dabei erhobenen Zahnbe-funde wurden über mehrere Jahre ausge-wertet. Bissar zeigte, dass es auch in die-ser Bevölkerungsgruppe zu leichten Ver-besserungen der Mundgesundheit gekom-men ist, auch wenn sie immer noch vonder Normalbevölkerung abweicht. Nichtnur Menschen mit Behinderung, auchMenschen, die der deutschen Schriftspra-che weniger mächtig sind, sind die Adres-saten des bildsprachlichen Flyers, der inHamburg zum Einsatz kommt. Wempestellte die Evaluation des Faltblattes zurPoster-Präsentation vor. Bei der Prämie-rung der besten Poster auf dem Kongresserreichte sie den zweiten Platz.

Dass pflegebedürftige, betagte undhochbetagte Menschen ohne Unterstüt-zung bei der Zahn- und Mundpflege zu100 % eine Parodontitis mit Gefahr fürweitere allgemeine Erkrankungen ent-wickeln können, war unter anderem einGrund, Mundgesundheitsförderung fürdiese Bevölkerungsgruppe in den Fokuszu nehmen. Haffner beantwortete dieTitelfrage seines Vortrags, ob zahnärztli-che Prävention in der Pflege Sinn macht,mit einem eindeutigen Ja. Bomkampschult seit 2012 Pflegekräfte im Hochsau-erlandkreis und bezieht auch Pflegeschü-ler mit ein. Ihr Engagement wurdebelohnt, denn die anfängliche Skepsis derGeschulten erwies sich als unbegründet.Für die Mundpflege bei den Bewohnernder stationären Pflege fühlten sie sich nunviel besser vorbereitet. Seit April 2014können Vertragszahnärzte über Koopera-tionsverträge mit Pflegeheimen derenBewohner systematisch betreuen. Dies istjedoch erst zögerlich angelaufen, wieStrippel berichtete. Ob die von ihmgeforderte gesamtdeutsche Institution füreine Mundgesundheitsförderung erfolg-versprechender wäre, wurde anschließendim Gremium diskutiert. Schließlich sollteder ÖGD als kommunaler und koordinie-render Partner in die Betrachtung einbe-zogen werden (Konzept des BZÖG).

Nicht immer stand die „Gesundheit füralle“ im Vordergrund der Arbeit der

staatlichen Gesundheitsämtern; die vonihnen erhobenen Befunde zu Kieferdefor-mitäten und Zahnfehlstellungen fandenals erblich determinierte EigenschaftenEingang in die reichseinheitliche „Erb-kartei“. Auch wenn der Vortragende nochkeine Aussage dazu treffen konnte, inwie-weit Schulzahnärzte an der Benennungvon Euthanasieopfern in den Förderschu-len beteiligt waren, fand das Auditoriumdiese Thematik so wissenswert, dass eineFortsetzung des Vortrags auf einem dernächsten Kongresse gewünscht wurde.

Gern gesehen werden Vorträge aus derdirekten Kollegenschaft. Becker stelltedie Ergebnisse einer schulzahnärztlichenUntersuchung Bremer Erstklässler vor. Erkonnte auch für Bremen den Zusammen-hang zwischen Sozialstatus und Karieser-fahrung aufstellen und forderte eine ent-sprechende Fokussierung der Gruppen-prophylaxe sowie eine Stabilisierung derUntersuchungsraten in seinem Bundes-land. U. a. anhand der Bremer Untersu-chungsdaten konnte Herzog die Möglich-keiten der Auswertung bivariater Zusam-menhangsmaße darstellen.

Saekel untersuchte die Mundgesund-heit unter den Bedingungen unterschied-licher Gesundheitssysteme. Unabhängigvon Finanzierungsstruktur und Selbstbe-teiligungsrate konnten gute Ergebnisse inden meisten der betrachteten hochent-wickelten Länder beobachtet werden.

Nach den wissenschaftlichen Vorträgenfand am Donnerstag, dem 4. Mai 2017,die Delegiertenversammlung statt.

Dr. Grit [email protected]

Gesundheitsämter in Deutschland. ImRahmen eines Forschungsprojektes be-fasst sich der BVÖGD seit einigen Jahrenmit der Rolle der Ärzte der Gesundheits-ämter in der Zeit des Nationalsozialismus.Die Ergebnisse wurden in einem Forumpräsentiert. Das „Gesetz über die Verein-heitlichung des Gesundheitswesens“ von1934 verband die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entstandene staatliche

Medizinal- und Gesundheitsaufsicht mitder kommunalen Gesundheitsfürsorge.Die Entwicklungen der Gesundheitsfür-sorge der Weimarer Zeit wurden aufge-nommen, aber zugleich auch in denDienst der nationalsozialistischen Ideolo-gie vom „gesunden Volkskörper“ gestellt.Den Gesundheitsämtern kam eine zentra-le Rolle bei der „Erb- und Rassenpflege“zu, die schon 1933 im „Gesetz über dieVerhütung erbkranken Nachwuchses“verankert wurde. Im zahnärztlichen Vor-tragsteil trug Kirchhoff eindrucksvollseine Erkenntnisse über die Struktur derSchulzahnpflege zu dieser Zeit vor. Diemehr als 500 Schulzahnärzte in denSchulzahnkliniken unterstanden den

Das Motto des Kongresses

„Gesundheit für alle“ war

Anlass, im zahnärztlichen Teil

die Förderung der

Mundgesundheit bei Menschen,

die nur eingeschränkt selbst

dafür sorgen können, besonders

in den Fokus zu stellen.

Abb.: Der 67. ÖGD-Kongress fand im schönen München statt.

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8 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Einleitung

Menschen mit Behinderung haben imVergleich zur Allgemeinbevölkerungnicht nur ein höheres Risiko für zusätzli-che gesundheitliche Einschränkungenund häufig eine schlechtere Zahn- undMundgesundheit, sondern auch nichtabgedeckte Gesundheitsbedarfe undeinen schlechteren Zugang zur Gesund-heitsversorgung [1]. Trotz positiverWeiterentwicklungen der zahnmedizini-schen Gesundheitsversorgung bestehenweiterhin Probleme in einer nicht ausglei-chenden sowie bedarfsgerechten Versor-gung. Präventive und prophylaktischeMaßnahmen zur Zahn- und Mundgesund-heit für die Zielgruppe werden kaumangeboten und außerdem bei erwachse-nen Menschen mit Behinderung durch diegesetzlichen Krankenkassen nicht finan-ziert. Das Gesundheitssystem wird denbesonderen Anforderungen hier nichtgerecht. Zur Verbesserung der Zahn- undMundgesundheit für Menschen mitBehinderung sind zahnmedizinische Pro-phylaxemaßnahmen lebenslang erforder-lich. Das Projekt Mundgesundheitsförde-

rung für Menschen mit Behinderung istein Präventionskonzept, das diese Versor-gungslücke schließt. Die Wirksamkeitund die Nachhaltigkeit des Projekts wur-den im Rahmen von zwei Evaluationen inden Zeiträumen 2007 bis 2008 und 2013bis 2014 bewertet.

Behinderung

Für den Begriff Behinderung gibt es ver-schiedene Definitionsansätze. Die gesetz-liche Definition im Sozialgesetzbuch(SGB) IX § 2 lautet: „Menschen sindbehindert, wenn ihre körperliche Funk-tion, geistige Fähigkeit oder seelischeGesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeitlänger als sechs Monate von dem für dasLebensalter typischen Zustand abweichenund daher ihre Teilhabe am Leben in derGesellschaft beeinträchtigt ist.“ Das SGBIX definiert Behinderung über die Beein-trächtigung der Teilhabe. Diese Beein-trächtigung entsteht durch Benachteili-gung, durch Teilhabeeinschränkungen,welche die Menschen in ihren Lebensla-gen durch die Umwelt erfahren [2].

Der Umfang der Einschränkung durch

Kongressbeitrag

Behinderung wird in Schweregrade unter-teilt. Die Einteilung findet nicht primär inder ursächlichen Krankheitsdiagnose statt,sondern an der Erscheinungsform und dendadurch entstehenden Einschränkungender Funktionen. Je höher der Schweregrad,desto umfangreicher sind die Teilhabehin-derungen und damit auch die gesundheit-lichen Beeinträchtigungen [3].

Von einer zahnmedizinisch relevantenBehinderung wird gesprochen, wennaufgrund angeborener oder erworbenerkörperlicher oder geistiger Behinderungdie Mundhygienefähigkeit oder die Be-handlungskooperativität eingeschränktist [4].

Die Bedeutung der Zahn- undMundgesundheit

Karies und Erkrankungen des Zahnhalte-apparates zählen weltweit zu den häufig-sten Infektionskrankheiten [5]. Der allge-meine Gesundheitszustand kann durchorale Erkrankungen stark beeinflusst wer-den (Abb. 1). Einschränkungen in derMundgesundheit können sich auf die all-gemeine Gesundheit sowie auf das Wohl-

Mundgesundheitsförderung für Menschen mitBehinderung – Ergebnisse des Berliner Modellprojekts

Ines Olmos, Imke Kaschke

Abb. 1:Auswirkungen derMundgesundheit auf dieAllgemeingesundheit

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ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 9

Kongressbeitrag

befinden auswirken und somit dieLebensqualität negativ beeinflussen.Karies und Erkrankungen des Zahnhalte-apparates beginnen in der Regel mit Pro-blemen bei der Mundhygiene. Das regel-mäßige Zähneputzen und eine guteMundhygiene sind einfache und wirksa-me Maßnahmen, mit denen viele Erkran-kungen und Störungen im Mundbereichvorgebeugt werden können.

Datenlage

In Deutschland weist ein Anteil von 13 %der Bevölkerung Behinderungen auf.Davon haben circa 9 % der Gesamtbevöl-kerung eine Schwerbehinderung [6]. Lautdem Statistischen Bundesamt tretenBehinderungen bei Menschen im fortge-schrittenen Alter häufiger auf als bei jün-geren Menschen. 62 % der Menschen mitSchwerbehinderung haben körperlicheBeeinträchtigungen. Rund 20 % derBetroffenen haben geistige, seelische undzerebrale Störungen.

Allein in Berlin leben mehr als 580.000Menschen mit Behinderung. Der Anteilvon Menschen mit Behinderung an derBerliner Bevölkerung beträgt fast 17 %[7].

Daten zur gesundheitlichen Lage vonMenschen mit Behinderung im Vergleichzur Allgemeinbevölkerung zeigen, dassUngleichheiten im Gesundheitszustandbestehen. Die Daten deuten darauf hin,dass diese gesundheitlichen Ungleichhei-ten Risiken für vermeidbare Krankheitenhervorbringen [8, 9]. Menschen mitBehinderung gehören zur Hochrisiko-gruppe für Karies und Erkrankungen des

sowohl die Handlungskompetenzen nach-haltig verbessert, als auch Selbstbestim-mung und Teilhabe an der eigenen Mund-gesundheitsvorsorge gefördert werden.

Erstevaluation Zeitraum 2007 bis 2008

Um die Wirksamkeit von zielgruppenspe-zifischen Zahn- und Mundgesundheits-förderansätzen bei Menschen mit Behin-derung nachzuweisen, erfolgte 2007 bis2008 eine Studie zur Erstevaluation desProjekts. Sie wurde mit ursprünglich 193Probanden (49 % Frauen, 51 % Männer)in 31 Berliner Behinderteneinrichtungendurchgeführt. Die Befragten waren imAlter zwischen 19 und 78 Jahren (mittle-res Alter M=39 Jahre; Standardabwei-chung SD=12.50). Zuerst wurden alsAusgangsdaten (T1) zum aktuellenMundhygieneverhalten der ProbandenInformationen zur Mundpflege, zu Putz-dauer und -zeitpunkt sowie vorhandenenZahnpasten und Zahnbürsten erhoben.Die Teilnehmenden wurden danach zufäl-lig in eine Interventionsgruppe (N=95)und in eine Wartekontrollgruppe (N=98)unterteilt. Für die Befragung wurde einstandardisierter Fragebogen genutzt. DerFragebogen wurde aufbauend auf denStand der Forschung sowie der Datenlagezur Zahn- und Mundgesundheit von Men-schen mit Behinderung entwickelt undblieb bei späteren Untersuchungszeit-punkten unverändert. Unmittelbar nachder ersten Befragung erhielt die Interven-tionsgruppe eine Fortbildung bestehendaus einem theoretischen und einem prak-tischen Teil. Die Fortbildung wurde unter

Abb. 2:Darstellung des Studien-designs der Erstevaluationin den Jahren 2007/2008unterteilt in Wartekontroll-und Interventionsgruppe

Zahnhalteapparates. Aufgrund vermin-derter Fähigkeiten zur Durchführungeiner adäquaten Mundhygiene und feh-lender gesetzlich garantierter speziellerzahngesundheitsfördernder Maßnahmenbesonders im Erwachsenenalter ist dieWahrscheinlichkeit für Menschen mitBehinderung größer, an vermeidbarengesundheitlichen Problemen zu leiden.Die Krankheitslast bei Oralerkrankungenist bei benachteiligten Bevölkerungs- undRisikogruppen am stärksten [10].

BerlinerGruppenprophylaxeprojekt

Vor diesem Hintergrund hat der Arbeits-kreis Zahnmedizinische Betreuung fürPatienten mit Behinderungen der Zahn-ärztekammer Berlin mit Unterstützungdes Berliner Hilfswerks Zahnmedizinsowie des Philipp-Pfaff-Instituts das Pro-jekt Mundgesundheitsförderung für er-wachsene Menschen mit Behinderung inBehinderteneinrichtungen im Jahr 2005ins Leben gerufen. Das Angebot umfasstzahnärztliche Aufklärungen und Beratun-gen. Zielsetzung ist die Erhöhung derLebensqualität und die Verbesserung derZahn- und Mundgesundheit. Durch einekonsequente Fortsetzung der Prophylaxebei der Zielgruppe im Erwachsenenalterwird den Ungleichheiten in der Mundge-sundheitsversorgung entgegengewirkt.Die Maßnahmen zielen darauf ab, dieBewohner und deren Betreuer zu unter-stützen. Es werden aufsuchende, zielgrup-penspezifische theoretische und prakti-sche Anleitungen zur Verbesserung derMundhygiene geboten. Dadurch sollen

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10 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Kongressbeitrag

Anleitung von zwei zahnmedizinischenTeams (jeweils ein Zahnarzt und einezahnmedizinische Fachangestellte) so-wohl mit Betreuern als auch mit Bewoh-nern durchgeführt. Die Teams hatten allebereits Berufserfahrung im Umgang undin der Betreuung von Patienten mitBehinderung. Vier Wochen nach derersten Befragung fand eine Folgebefra-gung statt (T2). Die Erhebung entsprachder Datenauswahl von T1. Die Wartekon-trollgruppe erhielt unmittelbar nach derErhebung der Ausgangsdaten keine Fort-bildung. Auch bei der Wartekontrollgrup-pe fand die Folgebefragung nach vierWochen. Erst im Anschluss danacherhielt diese Gruppe die Fortbildungbestehend aus Praxis und Theorie. Nach-folgend wurden zwei Empfehlungen aus-gesprochen: die praktischen Unterwei-sungen für Betreuer und Bewohner halb-jährlich zu wiederholen und durch theore-tische Informationen zu ergänzen. DasStudiendesign der Erstevaluation für T1und T2 ist in Abbildung 2 dargestellt. DieErgebnisse zeigten, dass durch die Inter-vention positive Veränderungen imMundhygieneverhalten der Teilnehmen-den erreicht werden konnten. Abbildung3 stellt signifikante Ergebnisse der Erste-valuation dar.

Nachevaluation Zeitraum 2013 bis 2014

Zur Überprüfung der Nachhaltigkeit derIntervention erfolgte fünf Jahre später2013 bis 2014 eine Nachbefragung (T3).Daran beteiligten sich 89 Probanden (46%) aus 20 Behinderteneinrichtungen derErstevaluation (65 %). Davon waren 51 %

Frauen und 49 % Männer. Die Teilneh-menden hatten ein mittleres Alter von 47Jahren (Altersspanne 28 bis 74 Jahre;SD=11,76).

Zum Zeitpunkt T3 wurden alle Teilneh-menden als eine Grundgesamtheitzusammengefasst. Ausgewertet wurdendie Daten mithilfe des Statistikpro-gramms SPSS. Für die Datenanalyse wur-den die Daten von T1 und T3 untersucht.

Die Daten zeigen, dass das Projekt einepositive Auswirkung auf das Mundhygie-neverhalten erwachsener Bewohner Berli-ner Behinderteneinrichtungen hat. Imzeitlichen Verlauf von 2007 bis 2014 las-sen sich nachhaltige Verhaltensänderun-gen aufzeigen. Signifikante Verbesserun-gen wurden bei der wöchentlichen Fluo-ridanwendung und bei Putzdauer und -zeitpunkt erzielt.

Fazit

Die Zahn- und Mundgesundheit hat einehohe Bedeutung für das Allgemeinbefin-den und die Lebensqualität. Menschenmit Behinderung haben im Vergleich zuMenschen ohne Behinderung einenschlechteren Zahn- und Mundgesund-heitszustand und sind aufgrund von Bar-rieren der zahnmedizinischen Versorgungbenachteiligt.

Die Ergebnisse der Evaluationen zeigendie Relevanz und das Potenzial zahnmedi-zinischer Gruppeprophylaxe für Erwach-sene mit Behinderung. Die Interventionist eine kostengünstige Maßnahme, wel-che die vielfältigen Herausforderungen inder täglichen Mundpflege in der Ziel-gruppe aufgreift. Die Beratung, Anleitungund Bereitstellung umfangreicher Infor-

mationen zum Thema Zahn- und Mund-hygiene für die Zielgruppe bilden einenAspekt der Selbstwirksamkeit und desEmpowerments. Durch die Einbeziehungder Betreuer kann ein Bewusstsein für dieVerantwortung des Erhalts der oralenGesundheit vermittelt werden. Hierbeiwird deutlich, dass mundgesundheitsför-dernde Strategien möglichst am Lebens-verlauf und risikogruppenorientiert aus-gerichtet sein sollen, um mundgesund-heitliche Ungleichheiten zu verringern.Im Sinne des Artikels 25 der UN-Behin-dertenrechtskonvention sollte dieGesundheitsversorgung für Menschen mitBehinderung auch in Deutschland dem-entsprechend gestaltet werden.

KorrespondenzadresseInes Olmos MPHDr. Imke Kaschke MPHSpecial Olympics Deutschland e.V.Tel.: 030/246252-61Fax: 030/246252-19E-Mail: [email protected]

Literatur bei der Autorin

Abb. 3:Gegenüberstellung signifikanter Ergebnisse inProzent der Interventions-gruppe zur ersten (T1) undzweiten (T2) Befragung

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ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 11

Kongressbeitrag

lenniveau der Variablen (nominal, ordi-nal, metrisch) bestimmen. In der vorlie-genden Arbeit werden drei der gebräuch-lichen Korrelationskoeffizienten vorge-stellt: Cramers V für zwei nominale Vari-ablen, der Rangkorrelationskoeffizientnach Spearman für zwei ordinale und derKorrelationskoeffizient nach Pearson fürzwei metrische Variable. Sind die Skalen-niveaus unterschiedlich, so lässt sich dashöhere entsprechend reduzieren.

Nominales Skalenniveau

Für den Zusammenhang zwischen zweinominalen Variablen mit zwei Ausprägun-gen (dichotom) betrachten wir beispiels-

Bivariate Zusammenhangsmaße informie-ren über die Stärke einer paarweisenBeziehung zwischen zwei simultan erho-benen Merkmalen (z. B. zwischen Mathe-matik- und Physiknoten im Abitur, Motor-leistung und Preis von PKW, Körpergrößeund Gewicht). Werden bei zahnärztlichenUntersuchungen verschiedene Gebiss-merkmale (Befunde) der Kinder aufge-zeichnet, so kann man ebenfalls Fragennach Zusammenhängen zwischen zwei dererhobenen Merkmale stellen und danach,wie diese quantifiziert werden können. ImDatensatz für die statistische Auswertungbezeichnet man die Merkmale als Varia-ble. Entscheidend für die Berechnung vonZusammenhangsmaßen, die auch allge-mein als Korrelationskoeffizientenbezeichnet werden, sind Art und Größe derMerkmalsausprägungen, da sie das Ska-

Abb. 1a

Abb. 1b

Bivariate Zusammenhangsmaße für zahnärztliche Untersuchungsdaten

Michael Herzog, Pantelis Petrakakis, Rafael Weißbach

weise die Variablen „Geschlecht“ (M, W)und „Karies“ (dmft=0, dmft>0) in denStichprobendaten einer Untersuchung von1.954 Erstklässlern. Hier wurde der dmftmit 21 Merkmalsausprägungen (0 bis 20)auf die dichotome Variable „Karies“ mitzwei Ausprägungen reduziert. Diegemeinsame Verteilung der beiden Varia-blen lässt sich in einer Vierfeldertafel(Abb. 1a) und grafisch in einem gruppier-ten Säulendiagramm (Abb. 1b) darstellen.Bezüglich der Häufigkeitsverteilung vonKindern ohne und mit Karies erkennt mankeinen großen Unterschied zwischen Jun-gen und Mädchen, so dass lediglich eingeringer Zusammenhang vermutet wird.Der Wert für Cramers V berechnet sich zu:

Hier sind a, b, c, d die entsprechendenWerte der Vierfeldertafel (2 x 2 – Tafel).

Man erhält V = 0,013 mit dem Konfi-denzintervall {- 0,031; 0,057}. Da dieNull im Konfidenzintervall liegt, kannmit dieser Stichprobe kein Zusammen-hang zwischen Geschlecht und Kariesnachgewiesen werden.

Ordinales Skalenniveau

Als Beispiel betrachten wir hier die bei-den ordinalen Variablen „Zahnpflege“(1, 2, 3) und „Karies“ (dmft = 0, 1–3, > 3) in einer Stichprobe von 2.707 Vorschulkindern. Für die KategorienZahnpflege bedeutet 1 – sehr gut (keinePlaque), 2 – akzeptabel (wenig Plaque)und 3 – schlecht (deutlicher Plaque-befall). Die gemeinsame Verteilung derbeiden Variablen lässt sich in einer 3 x 3 – Tafel (Abb. 2a) und grafischebenfalls in einem gruppierten Säulen-diagramm (Abb. 2 b) darstellen. Bezüg-lich der Häufigkeitsverteilung von Kindern in den drei verschiedenen dmft-Kategorien erkennt man einen deut-lichen Unterschied zwischen den Zahn-pflege-Kategorien, so dass ein signifi-

mit

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Kongressbeitrag

kanter Zusammenhang existieren sollte.Der Wert des Rangkorrelationskoeffi-zienten nach Spearman von rs = 0,507mit dem Konfidenzintervall von {0,475;0,540} bestätigt einen Zusammenhangmittlerer Stärke.

Metrisches Skalenniveau

In der kommunalen GBE des Gesund-heitsamtes Bremen über die Zahngesund-heit von Erstklässlern im Schuljahr2013/14 ist der Zusammenhang zwischendem Anteil der Kinder mit naturgesundenZähnen (Variable „natges“) und demSozialindex bei 72 Bremer Grundschulenbeschrieben. Eine grafische Darstellungder dort angegebenen Daten in einem X-Y-Diagramm (Scatterplot) zeigt einegegenläufige Abhängigkeit der zweimetrischen Variablen sowie eine Häufungder Datenpunkte entlang einer Linie, sodass ein monoton fallender, eventuelllinearer Zusammenhang angenommenwerden kann. Der Wert des Korrelations-koeffizienten nach Pearson bestätigt mit r = – 0,82 und einem Konfidenzintervallvon {– 0,88; – 0,73} einen starken gegen-läufigen Zusammenhang (Abb. 3).

Limitationen

Die Korrelationskoeffizienten nach Spe-arman und Pearson sind nur bei linearenoder mindestens monotonen Zusammen-hängen anwendbar. Bei anderen, bei-spielsweise quadratischen Zusammenhän-gen, geben sie keine brauchbaren Infor-mationen. Ihr Wert reagiert zudem emp-findlich auf Ausreißer und kann außer-dem durch Inkompatibilitäten verfälschtwerden. Eine grafische Darstellung (Scat-terplot) kann hier nützliche Hinweisegeben. Besteht zwischen zwei Variableneine Korrelation, so darf das lediglich alsHinweis (Vermutung) für einen mög-lichen kausalen Zusammenhang interpre-tiert werden, beweisend ist es nicht.

Korrespondenzadresse:Dr. Michael HerzogUniversität RostockWirtschafts- und Sozialwissenschaftliche FakultätLehrstuhl Statistik und Ökonometrie(Prof. Dr. R. Weißbach)D-18051 RostockE-Mail: [email protected]

Literatur beim Autor

Abb. 2a (oben)Abb. 2b (Mitte)

Abb. 3

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Kongressbeitrag

Einleitung

Obwohl es zahlreiche länderübergreifen-de Studien zum Zahngesundheitszustandbestimmter Altersgruppen oder zu be-stimmten Charakteristika von zahnmedi-zinischen Systemen gibt [1–5], gelten diedabei erzielten Ergebnisse immer nur fürdie untersuchten Teilgruppen oder diejeweils analysierten Systemcharakteristi-ka. Sie können nicht auf die Gesamtbe-völkerung oder auf das Gesamtsystemhochgerechnet werden. Denn in der Ver-gangenheit wiesen Länder mit niedrigemKariesbefall bei Kindern und Jugend-lichen hohe Raten von fehlenden Zähnenim mittleren Erwachsenenalter undextrem hohe Raten von Zahnlosigkeit inder Altersklasse Jüngere Senioren (65- bis74-Jährige) auf [6–7]. Daraus folgt, dassdie Karieserfahrung im Laufe des Lebensnicht konstant verläuft und deshalb eineinzelner Indikator, der auf eine bestimm-te Altersklasse bezogen wird, den Zahnge-sundheitszustand einer Bevölkerung nichtabbilden kann.

Ein Beispiel, internationale Vergleichezum Mundgesundheitsstatus aus der Per-spektive der Gesamtbevölkerung vorzu-nehmen, stellt die Studie von Crocombeet al. [8] dar, die mit unterschiedlichenEinzelindikatoren für wenige Altersklas-sen arbeitet. Deren Ergebnisse widerspre-chen sich jedoch in Teilbereichen, so dasses schwer ist, zu eindeutigen Schlussfol-gerungen zu kommen.

Die vorliegende Arbeit bedient sichdeshalb eines neu entwickelten Instru-mentariums zur Messung der Mundge-sundheit. Dabei werden einzelne Indika-toren zu einem Gesamtindikator zusam-menfasst. Dieser „Zahngesundheitsindexder Bevölkerung“ (ZGI), der von Bauer et al. [9] entwickelt wurde und sich in erweiterter Version bereits in einer länder-übergreifenden Untersuchung bewährt hat [10], wird hier zu Grunde gelegt.

Neben der Messung der bevölkerungs-bezogenen Mundgesundheit wird einKostenindex zur Erhebung des makro-ökonomischen Ressourcenverbrauchs fürden zahnmedizinischen Sektor gebildet,um eine Nutzen-Kosten-Analyse deszahnmedizinischen Gesamtsystems vor-nehmen zu können. Die Arbeit ist eineAktualisierung einer früheren Studie [11],da zwischenzeitlich nicht nur für Deutsch-land aktuellere epidemiologische Datenverfügbar sind.

Material und Methoden

Da Karieserkrankungen und ihre Folgen(z. B. Zahnverlust) weltweit rd. 95 % derKosten für orale Erkrankungen verursa-chen [12], stellt der ZGI auf die Messungder Karieslast und ihrer Folgen ab. Ererfasst dabei auch indirekt schwere Paro-dontalerkrankungen, die im höherenAlter ebenfalls zu Zahnverlust führenkönnen. Der ZGI setzt sich aus folgendenEinzelindikatoren für die jeweiligenWHO-Standard-Altersklassen zusammenund bezieht – im Gegensatz zur Studievon 2016 – zusätzlich den Wert „fehlen-de Zähne (MT)“ bei Senioren mit ein.Dieser Einzelindikator misst die Kumu-lierung oraler Schäden im Verlauf desLebens und ermöglicht einen Rück-schluss auf die Wirksamkeit eines zahn-medizinischen Versorgungssystems beider Erreichung des vorrangigen Ziels„Erhaltung der eigenen Zähne bis inshohe Alter“.

ZGI = (Kariesfreiheitsindex 5/6 +DMFT 12 + DMFT 35/44 + MT Index65/74 + Zahnlosigkeitsindex 65/74) : 5.

Je niedriger der ZGI desto besser dieMundgesundheit der Bevölkerung. DieEinzelheiten zur Konstruktion des er-weiterten ZGI finden sich bei Saekel [10].Die Verbindung zwischen dem ZGI unddem Kostenindex der zahnmedizinischenVersorgung, definiert als Anteil der

Gesamtkosten der zahnmedizinischenVersorgung am Bruttoinlandsprodukt(BIP), stellt der Effizienzindex dar. Erwird durch Addition des ZGI und desgesamtwirtschaftlichen Kostenindexesgebildet:

Effizienzindex = Zahngesundheitsin-dex + Gesamtwirtschaftlicher Kostenin-dex.

Durch die Addition beider Indizes wirderreicht, dass sich Verbesserungen in derMundgesundheit und im makroökonomi-schen Ressourcenverbrauch gleichgerich-tet auswirken, d. h. sich jeweils in niedri-geren Indizes niederschlagen. Mit ande-ren Worten: Je niedriger der Effizienz-wert desto besser ist die Nutzen-Kosten-Relation des zahnmedizinischen Sektors.

Die neuen Gesamtindikatoren zur Mes-sung der Nutzen- und Kostenseite eineszahnmedizinischen Systems werden nunauf hochentwickelte Länder mit heraus-gehobener Mundgesundheit bei der jun-gen Generation und auf Länder mit unter-schiedlichen zahnmedizinischen Gesund-heitssystemen angewandt.

Einbezogen werden Modelle mit Sozi-alversicherungssystem (Deutschland,Frankreich, die Niederlande, Japan), mitNationalem Gesundheitsdienst (Vereinig-tes Königreich, Schweden, Dänemark,Finnland), mit Privatversicherungssystem(USA, Schweiz, Kanada) sowie miteinem gemischten System (Australien).Die Länder Schweiz und Kanada, diegrundsätzlich ein Sozialversicherungs-system haben, werden hier dem Privatver-sicherungsmodell zugeordnet, da beideLänder bewusst die zahnmedizinischeVersorgung, bis auf geringfügige Ausnah-men, privatisiert haben [13].

Die Studie ist beschreibend und beob-achtend und benutzt empirisches Materialaus existierenden Datenbänken. Als län-derübergreifende Querschnittsstudie, diedort wo es möglich ist, auch Längs-schnittdaten mit einbezieht, liefert sie

Evaluation zahnmedizinischer Gesundheitssysteme:Resultate für Deutschland und ausgewählte, hochent-wickelte Länder. Aktualisierung einer Studie aus 2016.

Rüdiger Saekel

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14 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST

2.17

Kongressbeitrag

Hinweise auf Zusammenhänge und Ein-flussfaktoren. Da es keine experimentelleStudie ist, sind Aussagen zu Ursache undWirkung begrenzt.

Resultate

Die schwedische Bevölkerung verfügt miteinem ZGI von 3,18 mit Abstand über diebeste Zahngesundheit (Tab. 1). Mit ZGIvon 4,42, 4,58, 4,64 und jeweils 4,66sowie 4,72 folgen Dänemark, Deutsch-land, Kanada, das Vereinigte Königreich,die USA und Japan nahezu gleichauf aufRang zwei bis sieben. In den zuletztgenannten sechs Ländern liegt das Mund-gesundheitsniveau um 40 % bis 50 % nie-driger als in Schweden.

Mit wiederum einigem Abstand bele-gen Frankreich, Australien und dieSchweiz die nächsten Rangplätze. MitZGI von 6,48 und 6,60 nehmen Finnlandund die Niederlande die letzten Plätze imRanking ein, wobei zu berücksichtigenist, dass die Mundgesundheitsdaten fürErwachsene im mittleren Alter in beidenLändern relativ alt sind. Eine aktuelleStudie aus Finnland weist denn auch aus,dass zwischen 2000 und 2011 die Mund-gesundheit mittlerer Erwachsener zuge-nommen hat [23]. Der Abstand des Mund-gesundheitsniveaus zwischen dem Rang-platz eins und dem Platz zwölf ist mitüber 100 % Unterschied erheblich. Beider Betrachtung der Einzelindikatorenfällt auf, dass die gravierenden Unter-schiede sich erst im Erwachsenalter zei-gen (Tab. 1).

Zur Ergänzung der Querschnittsdatenlistet Tabelle 2 verfügbare Longitudinal-daten zur Entwicklung des Gebisszu-

stands von Erwachsenen und Seniorenaus mehreren der untersuchten Länderauf. Besonders ausgeprägt sind die Rück-gänge bei der Zahnlosigkeit unter älterenSchweden, Dänen, Briten, Japanern undSchweizern.

Im Vereinigten Königreich betreffendie Rückgänge der Kariesprävalenz alleErwachsenaltersklassen und belegen da-mit, wie verbreitet ein präventiver, zah-nerhaltender Ansatz auch bei Erwachse-nen ist [24]. In Deutschland fällt auf, dassVerbesserungen im Mundgesundheitszu-stand bei Erwachsenen später als in denanderen Ländern beginnen. Zusammen-gefasst stützen die Ergebnisse der longi-tudinalen Survey Daten tendenziell diemit Hilfe des ZGI ermittelten Resultate.

sofern die gegenwärtig wirkenden Trendsstabil bleiben. So haben lediglich Däne-mark und Schweden mit rd. 80 % karies-freien Milchgebissen ihr Potenzial weitge-hend ausgeschöpft. Für Zwölfjährige sindallerdings nur geringfügige Fortschritte inFrankreich und Japan zu erwarten, da alleanderen Länder bereits in die WHO-Kate-gorie mit „sehr niedrigem Kariesbefall“(DMFT< 1,2) fallen. Die meisten Reservenbestehen in der Erwachsenenpopulation. Inder mittleren Altersgruppe (35 bis 44Jahre) weisen Schweden, Australien, dieUSA, Deutschland, das Vereinigte König-reich, Japan und Kanada eine – nachWHO-Kriterien – „niedrige Karieslast“(DMFT 5,0-13,9) auf. In den restlichenLändern sind die Verbesserungsspielräumedeutlich größer. Wie realistisch dies ist,zeigen die hochentwickelten Länder /Regionen Asiens (Südkorea, Singapur,Hongkong und Taiwan) mit DMFT Wertenvon 5,5 –7,4 in dieser Altersgruppe [10].

Besonders weit auseinander klaffen dieAnzahl der fehlenden Zähne (MT) und dieRaten der totalen Zahnlosigkeit im Senio-renalter (65 bis 74 Jahre). Aus den MT-Werten für Senioren (Tab. 1) lässt sich dieAnzahl der verbliebenen natürlichenZähne in der Altersklasse 65 bis 74 ermit-teln. Dabei weisen Schweden und Kanadamit 24 bzw. 22,4 erhaltenen Zähnen diebesten Werte auf. Auch in Dänemark, derSchweiz, den USA, Frankreich und Japanist der Grad der Zahnerhaltung mit durch-schnittlich 20 bis 18,9 natürlichen Zähnenim Seniorenalter höher als in Deutschland,dem Vereinigten Königreich, Finnland undAustralien. Mit im Mittel 14 natürlichenZähnen ist der Zahnerhaltungsgrad in denNiederlanden am niedrigsten.

Tabelle 1: Zahngesundheitsindex der Bevölkerung (ZGI) in ausgewählten, hochentwickeltten

Ländern im Zeitraum 2006-2014

1) Ohne Schottland; 2) Basis: 28 Zähne); 3) Rhone/Alpes; 4) Kanton Zürich; 5) Jönköping; 6) Den Haag; 7) 65+;

-59; 9) 60-79; 10) ZGI(6)=[(1)+(2)+(3)+(4)+(5)]: 5. 8) 40

Land Survey Jahr Kariesfreiheit

5/6

DMF-T

12

(2)

DMF-T

35/44

(3)

M-T2 65/74 Totale Zahn-

losigkeit 65/74

ZGI10

(6)

Rang

in % Index

(1) abs.

Index

(4)

in % Index

(5)

SE 2011/13 79 2,1 0,8 9,75

4 3 2,7 0,3 3,18 1

DK 2009/14 75 2,5 0,4 13,5 8 5 6,8 0,7 4,42 2

DE 2009/14 60

4,0 0,5 11,2 11,1 6 12,4 1,2 4,58 3

CA 2007/9 53 4,7 1,0 12,38 5,6

9 3 21,7 2,2 4,64 4

UK1 2009/13 < 69 3,1 0.8 11,9 11,1 6 15,0 1,5 4,66 5

US 2004/10 53 4,7 1,19 10,91 8,3 5 15,0 1,5 4,66 6

JP 2011 58 4,2 1,4 12,3 9,1 5 6,9 0,7 4,72 7

FR 1994/06/13 63 3,7 1,23 14,63 9 5 9,1 0,9 5,09 8

AU 2005/09/10 49 5,1 1,05 10,7 12 7 21,17 2,1 5,19 9

CH 2002/11/13 51 4,9 0,9 14,54 8 5 6,7 0,7 5,20 10

FI 2001/09 39 6,1 0,7 16,0 11,7 6 36,0 3,6 6,48 11

NL 1998/09/13 605 4,0 0,8

6 17,4 14 8 27,6 2,8 6,60 12

Quelle: 14-22

Tabelle 2: Veränderungen des Zahngesundheitszustandes bei Erwachsenen in ausgewählten,

hochentwickelten Ländern 1972 bis 2014

Land Alter Zeitraum Indikator Resultate in % in %

SE 65/74 1980-2013 Zahnlosigkeit 44,2 2,7 -94

DE 65/74 1997-2014 Funktionsfähiges Gebiss2 22,0 53,4 142

65/74 Zahnlosigkeit 24,8 12,4 -50

DK 35+ 1975-2005 Zahnlosigkeit 36,4 5,0 -86

65/74 1987-2008/9 Zahnlosigkeit 51,0 6,8 -87

65/74 1987-2000 Funktionsfähiges Gebiss2 16 40 150

JP 65/74 1987-2011 Funktionsfähiges Gebiss2 22 60 173

65/74 Zahnlosigkeit 30 6,9 -77

CH 65/74 1992-2002 Fehlende Zähne (MT) 15,4 10,4 -33

65/74 1992-2013 Zahnlosigkeit 26,8 6,7 -75

UK1

20-65+ 1978-2009 Zahnlosigkeit 28 6,0 -79

65/74 Zahnlosigkeit 78 15,0 -81

20-65+ Kariesprävalenz 46,0 28,0 -39

CA 20-79 1972-2010 Zahnlosigkeit 23,6 6,4 -73

FI 30-75+ 1980-2000 Zahnlosigkeit 29,5 14,5 -51

1) Ohne Schottland; 2) 20 erhaltene Zähne (FDWHO-Modell)

Quelle: 14 -22, 25-27

Eine allgemeine Bewertung der Mund-gesundheitssituation in den einzelnenAltersklassen zeigt, dass weitere Fort-schritte in allen Ländern zu erwarten sind,

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ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 15

Kongressbeitrag

Während Schweden, die Schweiz,Dänemark und Japan sehr niedrige Zahn-losigkeitsraten mit deutlich unter 10 %aufweisen, mit der Prognose für Schwe-den, im Jahr 2015 sogar bei Hochbetagten(75 bis 84 Jahre) nur 10 % Zahnlosigkeitzu erreichen [28], sind die vergleichbarenRaten in Deutschland, den USA und demVereinigten Königreich (12,4 %-15,0 %)als moderat einzuschätzen. Erheblichmehr zahnlose Senioren finden sich inAustralien und Kanada (> 20 %). DieRaten der Zahnlosigkeit kulminieren inFinnland und den Niederlanden mit 36 %bzw. 27,6 % (Tab. 1), so dass in diesenLändern mit verstärkten Anstrengungenzur Reduzierung der extremen Wertegerechnet werden kann. Alles in allem istzukünftig in den untersuchten Länderneine weitere Abnahme der Kariespräva-lenz im Erwachsenenalter und – insbeson-dere in den Niederlanden – ein Rückgangder Zahnverluste sowie – auch in Finnland– der totalen Zahnlosigkeit im Seniorenal-ter zu erwarten. Dieser Prozess dürftesolange anhalten, bis „sehr niedrige“ oder„niedrige“ Niveaus der Kariesprävalenzim mittleren Erwachsenenalter und derZahnlosigkeit bei Senioren erreicht sind2.

In Tabelle 3 werden die Zahngesund-heitsniveaus mit dem makroökonomi-schen Ressourcenverbrauch verknüpft,um quantifizierbare Aussagen zur Effi-zienz der jeweiligen zahnmedizinischenSektoren zu gewinnen, wobei Deutsch-land als Maßstab für die Indexierung(DE=100) fungiert.

Bei gleichzeitiger Betrachtung vonNutzen und Kosten weisen Schweden,Dänemark und das Vereinigte Königreichdie effizientesten zahnmedizinischen Ver-

sorgungssysteme auf. Deutschland er-reicht Rang elf und liegt damit nur knappvor dem am wenigsten effizienten Systemvon Finnland.

Bei alleiniger Betrachtung der Gesamt-kosten für den zahnmedizinischen Sektorfällt auf, dass alle Länder deutlich weni-ger Ressourcen verbrauchen als Deutsch-land. Selbst Schweden, dessen Bewohnerein wesentlich höheres Mundgesundheits-niveau aufweisen als Deutsche, benötigtzur Finanzierung seiner zahnmedizini-schen Versorgung ein Fünftel weniger alsDeutschland. Auch die Schweiz, ein Landmit signifikant höherem Einkommens-und entsprechendem Anspruchsniveau,kommt mit 20 % weniger Ressourcen aus.

In der Effizienzgraphik (Abb. 1) sprin-gen die herausragenden Stellungen

Schwedens hinsichtlich der Mundgesund-heit, die Länder Dänemark und das Ver-einigte Königreich hinsichtlich ihrer gün-stigen Kosten und ihrer Systemeffizienz,Deutschland hinsichtlich seiner extremenAusgabenintensität und Finnland sowiedie Niederlande wegen ihrer niedrigenMundgesundheitsniveaus besonders insAuge. Gut erkennbar ist, dass die großeMehrheit der Länder zwischen 0,5 % und0,7 % des BIP zur Finanzierung ihrerzahnmedizinischen Systeme aufwenden.

Diskussion

Die Validität länderübergreifender Unter-suchungen steht und fällt mit vergleichba-ren Survey Zeitpunkten und der Verläss-lichkeit der empirischen Daten. Für diemeisten Länder liegen aktuelle SurveyDaten vor. Lediglich für Frankreich unddie Niederlande sind die KariesprävalenzDaten für mittlere Erwachsene älterenDatums. Außerdem liegen für Frankreich,die Schweiz und Schweden kaum landes-weit repräsentative Daten für Erwachsenevor. Deshalb wurde in diesen Fällen aufrepräsentative Regionaldaten, die von denAutoren als landesweit repräsentativangesehen werden, zurückgegriffen. Trotzdieser Einschränkungen erlauben die vor-handenen Datensätze realistische Ein-schätzungen über die unterschiedlichenMundgesundheitsniveaus.

Die Ergebnisse dieser Studie weichenvon den Resultaten einer früheren Studiemit den gleichen Ländern [11] teilweisedeutlich ab, da zwischenzeitlich aktuelle-

Tabelle 3: Effizienzindex des zahnmedizinischen Sektors in ausgewählten, hochentwickelten Ländern 2012

Länder

Zahngesundheitsindex

der Bevölkerung (ZGI)

Zahnmedizinischer Kostenindex Effizienzindex2

(3)

Rang

Wert

(abs.)

Index

(1)

Zahnmedizinische

Kosten in % des BIP1

Index

(2)

SE 3,18 69 0,66 80 149 1

DK 4,42 97 0,48 58 155 2

UK 4,66 102 0,45 54 156 3

JP 4,72 103 0,56 67 170 4

FR 5,09 111 0,52 63 174 5

AU 5,19 113 0,56 67 180 6

CA 4,64 101 0,68 82 183 7

US 4,66 102 0,68 82 184 8

CH 5,20 114 0,66 80 194 9

NL 6,60 144 0,44 53 197 10

DE 4,58 100 0,83 100 200 11

FI 6,48 141 0,54 65 206 12

1) Daten von 2012 2) (3) = (1) +(2)

Quelle: 29, 30, eigene Berechnungen

2014

SE US

DK

JP AU

CA

FR

DE

CH

UK

NL

FI

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

3,000 3,500 4,000 4,500 5,000 5,500 6,000 6,500 7,000

Za

hn

me

d.

Ko

ste

n i

n %

de

s B

IP

Zahngesundheitsindex

Abb. 1: Effizienz - Matrix des zahnmedizinischen Sektors in ausgewählten, hochentwickelten Ländern 2006-

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16 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Kongressbeitrag

re Survey Daten eingearbeitet wurden[18, 20] und ein erweiterter ZGI zur Mes-sung der Mundgesundheit zu Grundegelegt wurde. Dadurch ergaben sich wich-tige Abweichungen für verschiedene Län-der. Dies führte z. B. dazu, dass Deutsch-land nunmehr beim Zahngesundheitssta-tus den dritten und das Vereinigte König-reich den fünften Rangplatz einnehmen,während es in der früheren Studie nur derachte bzw. zehnte Platz war. Folgerichtigverbesserte sich in beiden Ländern auchdie Effizienz des zahnmedizinischen Sek-tors vom letzten auf den vorletzten bzw.vom sechsten auf den dritten Rang.

Mögliche Gründe für unter-schiedliche System-Performance

Unabhängig vom Gesundheitssystem, sei-nen Angebotsstrukturen (öffentlich, privatoder gemischt) und seinen Finanzierungs-bedingungen, kann gute Mundgesundheitin jedem System erzielt werden, wie ausTabelle 1 hervorgeht. UnterschiedlicheGesundheitssysteme können deshalbVariationen der Effektivität des zahnme-dizinischen Sektors nicht erklären. Diesist insofern kaum überraschend, als trotzerheblicher Divergenzen der allgemeinenGesundheitssysteme sich in allen Syste-men zeigt, dass der zahnmedizinischeSektor anders reguliert und finanziertwird als der medizinische Sektor. Gründehierfür sind die höhere Nachfrageelasti-zität und das niedrigere intrinsische Risi-ko bei zahnmedizinischen Erkrankungen.

Während im medizinischen Bereich nurgeringe private Finanzierungsanteileerforderlich sind, erfordert der zahnmedi-zinische Bereich deutlich höhere privateZuzahlungen, um Moral Hazard (verwerf-liches Verhalten zu Lasten der Gemein-schaft) weitgehend zu vermeiden (sieheAbb. 2).

In den meisten Ländern haben erwach-sene Patienten hohe Selbstbeteiligungenpro Behandlung zu zahlen [30]. Mit Aus-nahme von Deutschland und Frankreich,wo zahnerhaltende Maßnahmen zuzah-lungsfrei oder mit geringer Zuzahlungversehen sind, sind insbesondere protheti-sche Versorgungen weitgehend aus demuniversellen Leistungskatalog herausgenommen worden. In Ländern, in denendies nicht geschah, sind häufig aus Sach-leistungen standardisierte Festzuschüssegeworden, z. B. in Deutschland, dem Ver-einigten Königreich und Schweden.Zusammenfassend gilt, dass selbst wennalle zahnmedizinischen Leistungen fürErwachsene privat finanziert werdenmüssen (wie in der Schweiz und Kanada),es möglich ist, ein gutes Niveau derZahngesundheit in der Gesamtbevölke-rung zu erreichen.

Allerdings spielt die Gestaltung deszahnmedizinischen Versorgungssystemseine große Rolle, wenn es um die Patien-tenzufriedenheit, den Zugang zu zahn-ärztlichen Leistungen, um eine gute Absi-cherung sozialschwacher Personen unddie Sicherstellung einer qualitativen Ver-sorgung geht. In dieser Hinsicht äußern

insbesondere amerikanische, australischeund kanadische Patienten wesentlichhöhere Unzufriedenheit mit ihremSystem als Patienten aus europäischenSozialversicherungssystemen [5, 33, 34].

Starken Einfluss auf das Mundge-sundheitsniveau hat das orale Gesund-heitsverhalten der Patienten. Als Schlüs-selgröße hierfür wird die regelmäßigeInanspruchnahme zahnmedizinischerDienste gewählt. Dabei zeigt sich, dassim Land mit der besten Zahngesundheit,Schweden, seit langem 85 % der er-wachsenen Bevölkerung regelmäßig denZahnarzt zu Kontrollzwecken aufsu-chen, wobei 70 % – 80 % in ein Recall-System eingebunden sind, dessen Initia-tor der Zahnarzt ist [35]. Die von 74 %(2005) auf 81% (2014) gestiegene regel-mäßige zahnärztliche Inanspruchnahmeder 35- bis 74-jährigen Deutschen unddie gleichzeitige Verbesserung derMundhygiene bei Senioren [20] dürftenwesentlich zur Steigerung des Mund-gesundheitsniveaus Erwachsener inDeutschland in den letzten zehn Jahrenbeigetragen haben. Außerdem haben diedeutschen Zahnärzte im gleichen Zei-traum ihre präventiven und zahnerhal-tenden Bemühungen verstärkt [36]. Nie-driger sind die Raten regelmäßiger Kon-trollbesuche in Kanada, den USA, demVereinigten Königreich, Australien undJapan (68 %, 65 %, 61 %, 45 % und 40 %). Wenn dennoch diese Länder einegute Mundgesundheit aufweisen, dürftedies in den USA, Australien und Kanadaauch an der weiten Verbreitung derTrinkwasser Fluoridierung liegen (75 %,67 % bzw. 43 %) [37–39]. Welches Ver-besserungspotenzial Deutschland imVergleich zum führenden Land, Schwe-den, bezüglich verhaltensbezogenerRisikofaktoren noch hat, verdeutlichtTabelle 4. Insbesondere bei den Snack-und Rauchgewohnheiten, wobei letzterefür den wesentlich schlechteren Paro-dontalzustand der deutschen Bevölke-rung – wiederum im Vergleich zu Schwe-den – mitverantwortlich sein dürften [15,20, 40], besteht Verbesserungsbedarf.

Ein weiterer Faktor zur Erklärung derunterschiedlichen Mundgesundheitsnive-aus kann in der Verbreitung eines prä-ventiven, zahnerhaltenden Ansatzes inder Gesamtbevölkerung, der Existenzeiner aktiven, zielorientierten Gesund-heitspolitik und einer begleitenden Ver-sorgungsforschung gesehen werden. Alldiese Voraussetzungen sind in Schweden,

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10%

20%

30%

40%

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100%

AU CA DK FI FR DE JP NL SE CH UK US

Medizinische Versorgung Zahnmedizinische Versorgung

Quelle: 29, 30 -32

Abb. 2: Gesamte Privatzahlungen (Privatversicherung, Selbstbeteiligung) für die medizinische und

die zahnmedizinische Versorgung (%) in ausgewählten, hochentwickelten Ländern 2010

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ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 17

Kongressbeitrag

Dänemark, dem Vereinigten Königreich,den USA, Japan und Australien gegeben.Insbesondere in Japan dürfte dieser Faktor erklären, warum trotz niedrigerRecall-Intervalle das Mundgesundheits-niveau mit einem ZGI von 4,72 relativhoch ist [16, 43, 44]. Für Deutschlandfehlen diese Faktoren weitgehend.

Welche Unterschiede in der präventivenBetreuung zwischen Schweden undDeutschland bestehen, zeigt sich – bei je-weils stark rückläufiger Kariesprävalenz –z. B. an der Versorgung mit Kronen undendodontischen Leistungen. Während siein Schweden seit längerem dramatisch sin-ken, steigt die Versorgung mit Kronen inDeutschland noch an und endodontischeLeistungen/Versicherten verharren aufkonstantem Niveau [15, 20, 45]. Andersals in Dänemark, das 1988 präventive Lei-stungen für Erwachsene in den sozialenLeistungskatalog aufgenommen hat [46],fehlt dieser Schritt in Deutschland, weilsich die Selbstverwaltung von Zahnärztenund Krankenkassen bisher nicht auf ent-sprechende Maßnahmen einigen konnte.

Das Ausgabenniveau für die zahnme-dizinische Versorgung hängt, inter alia,von der Art und Höhe privater Zuzahlun-gen sowie vom Pro-Kopf-Einkommender Bevölkerung ab [47, 48]. Der stärk-ste Effekt geht von der Selbstbeteiligungaus, die am stärksten in der Schweiz undam niedrigsten in den Niederlanden,Japan, Deutschland und Frankreich aus-geprägt ist (Abb 3).

Allerdings schließen Bürger in Län-dern, in denen weite Teile der zahnmedi-zinischen Versorgung ausgegliedert wor-den sind, häufig Privatversicherungen ab,um sich gegen nicht abgedeckte Risikenzu schützen. Dies geschieht vorwiegendin den Niederlanden, den USA, Frank-reich und Kanada. Insofern müssenSelbstbeteiligungen und Beiträge zu Pri-vatversicherungen zusammen betrachtetwerden, um die Effekte privater Zahlun-gen auf das Ausgabenniveau der zahnme-dizinischen Sektoren zu erfassen. Diesesind am höchsten in Kanada, derSchweiz, den USA, den Niederlandenund Dänemark und am geringsten in

Japan und Deutschland (Abb. 3). Gemäßder gesundheitsökonomischen Theoriewäre zu erwarten, dass die gesamtwirt-schaftlichen Kosten in Kanada, derSchweiz, den USA, den Niederlandenund Dänemark relativ niedrig sind. Inden Niederlanden und Dänemark sowie– in geringerem Maße (aufgrund deshöheren Pro-Kopf-Einkommens) in derSchweiz und den USA – trifft dies auchzu. Anderseits müsste in den beiden Län-dern mit den geringsten privaten Zahlun-gen, Japan und Deutschland, der makroö-konomische Ressourcenverbrauch amhöchsten sein. Für Deutschland wird diesbestätigt, jedoch nicht für Japan (sieheTab. 3). Möglicherweise halten in Japanandere Faktoren die Ausgabenintensitätin Grenzen. Dafür spricht das un-terdurchschnittliche Pro-Kopf-Einkom-mensniveau und der streng zahnerhaltendorientierte Ansatz, den die Gesundheits-politik propagiert und die Zahnärzte-schaft praktiziert. Ähnliche Gründe dürf-ten erklären, warum das VereinigteKönigreich seine zahnmedizinische Ver-sorgung so effektiv, kostengünstig undeffizient gestalten kann. Diese Bewer-tung hat auch Bestand, wenn unterstelltwird, dass der britische National HealthService (NHS) unterfinanziert ist, wiekürzlich eine Parlamentskommissionfeststellte [50].

Die Hypothese, dass fühlbare privateZuzahlungen der Erwachsenen das Aus-gabenniveau dämpfen, wird mit dieserStudie bestätigt. Für Deutschland wardieser Zusammenhang bereits in derDekade 1980 –1990 nachweisbar alsdurch die Einführung einer zwanzigpro-zentigen Selbstbeteiligung für protheti-sche Leistungen, die später auf 40 % ver-doppelt wurde, die gesamtwirtschaft-lichen Kosten des zahnmedizinischenSektors von 1,16 % (1980) auf 0,84 %des BIP (1990) zurückgingen [9] undseither auf diesem Niveau verharren.Das vergleichsweise niedrige Zuzah-lungsniveau in Deutschland dürfte des-

für die zahnmedizinische Versorgung (%) in ausgewählten, hochentwickelten Ländern 2010

0%

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AU CA DK FI FR DE JP NL SE CH UK US

Privatversicherung Selbstbeteiligung

Quellen: 19, 29, 31, 32, 49

Abb. 3: Aufteilung der Privatzahlungen in Zahlungen an Privatversicherungen und Selbstbeteiligungen

Tabelle 4: Orale Verhaltensvariablen bei Erwachsenen in Schweden und Deutschland 2013/14

Land

Orales Gesundheitsverhalten (in %)

Tägl. Zähneputzen

zweimal

Regelmäßiger

Zahnarztbesuch

Zuckerkonsum/Kopf

p.a. (in kg)

Snacks zwischen den

Mahlzeiten (1-2)

Raucher1

SE 85 85 36,5 23 23

DE 80,5 81 36,9 54,6 32

1) Durchschnitt von Frauen und Männern

Quelle: 20, 35, 41, 42

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halb – neben den bekannten Ineffizien-zen im System [9, 51, 52] – ein Grund fürdas immer noch außergewöhnlich hohezahnmedizinische Ausgabenniveau sein.Denn die Tatsache, dass in Deutschlanddas soziale Sicherungsnetz (Zuzahlungs-freiheit für Bedürftige, einkommensbe-zogene Höchstgrenzen für Zuzahlungenbei Patienten und Familien) besondersdicht ist und deshalb keine Zugangsbar-rieren zum Versorgungssystem bestehen,kann das deutlich überproportionaleAusgabenniveau allein nicht erklären.Insofern besteht eine starke Evidenzdafür, dass Deutschland Potenzial hat,um die Effizienz seines zahnmedizini-schen Sektors zu erhöhen.

Schlussfolgerung

Der internationale Vergleich mit Hilfe desneuen Instrumentariums offenbart zusätz-liche Einsichten in die Zusammenhängezahnmedizinischer Systeme. Er zeigt,dass Systeme, die auch für Erwachseneeine präventive, zahnerhaltende Strategieforcieren, schnellere Fortschritte machenund eine bessere Performance hinsicht-lich Effektivität und Effizienz erreichen.Abhängig vom Einkommensniveau einesLandes scheint ein gesamtwirtschaftli-ches Kostenniveau zwischen 0,5 % und0,7 % des BIP die Norm für ein effektiveszahnmedizinisches Gesundheitssystem zusein. Während Deutschland bei der Mund-

gesundheit (Systemeffektivität) mittler-weile den dritten Rangplatz innerhalb deruntersuchten Länder einnimmt, schneidetes hinsichtlich der Systemeffizienz wei-terhin nur sehr unterdurchschnittlich ab.

Korrespondenzadresse:Rüdiger SaekelMinRat a.D.,Marienburger Str. 2853340 MeckenheimE-Mail: [email protected]

Literatur bei der Redaktion

Kongressbeitrag

18 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Verbesserung der Mundgesundheit pflegebedürftigerMenschen im Hochsauerlandkreis

Immer mehr Menschen werden auf Grunddes demografischen Wandels in Deutsch-land in Zukunft einer Pflege bedürfen.Diese Patienten haben vermehrt nocheigene Zähne oder sind mit unterschied-lichen Arten von Zahnersatz versorgt.Bundesweit sind ca. 2,2 Mio. Menschenpflegebedürftig.

Die Zahl der durch Pflegekräfte inambulanter und vollstationärer Pflegebetreuten Menschen beläuft sich aufknapp 1,4 Millionen [1].

Der Mund- und Zahnpflege wird Erhe-bungen zufolge in Pflegeeinrichtungenhäufig ein zu geringer Zeitanteil gewid-met. In zahlreichen Studien konnte eindeutlicher Zusammenhang zwischen aus-reichender Mundhygiene und dem Ernäh-rungszustand der zu pflegenden Patien-ten nachgewiesen werden. Wurde eineintensive Mundhygiene durchgeführt, soging die Notwendigkeit, pürierte Nah-rung anbieten zu müssen – eindeutigzurück [2].

Somit stellt sich für das Pflegepersonalauch im Bereich der Mundhygiene dieHerausforderung, mit wenig Zeiteinsatzein optimales Ergebnis zu erzielen. Ineiner wissenschaftlichen Arbeit der Uni-versität Witten-Herdecke konnte gezeigt

werden, dass sich die Mundgesundheitder pflegebedürftigen Menschen deutlichverbesserte, nachdem das Fachpersonalzusätzlich zahnmedizinisch geschultwurde [3].

Der Hochsauerlandkreis (HSK) ist einländlich geprägter Flächenkreis in Nord-rhein-Westfalen mit östlicher Landes-grenze zu Hessen. Die Fläche des HSKbeträgt knapp 2000 km2. Die Einwohner-zahl liegt bei 264.000 Einwohnern bzw.einer Bevölkerungsdichte von 133,66Einwohnern pro km2. Damit ist der Hoch-sauerlandkreis nur mittelmäßig bevölkert.Die Struktur des Hochsauerlandkreises istgeprägt von kleineren Städten und einerdörflichen Idylle. Der HSK weist mittel-ständische Industrieunternehmen sowielandwirtschaftlich genutzte Flächen auf.Wie in vielen ländlich geprägten Kreisenwird eine Überalterung in den einzelnenGemeinden prognostiziert. Für das Jahr2030 steigt die Anzahl der Personen, die65 Jahre und älter sind, in einigenGemeinden auf 1/3 der Gesamtbevölke-rung an [4; 7].

Die Intention für das vom Zahnärzt-lichen Dienst des GesundheitsamtesHochsauerlandkreis erarbeitete Fortbil-dungs- und Schulungsprogramm für Pfle-

gekräfte entstand auf Grund des beschrie-benen demografischen Wandels und demWissen, dass Pflegekräfte eine unzurei-chende Kenntnis im Umgang mit Zahner-satz und Mundgesundheit aufweisen. Ein-erseits steigt laut DMS IV Studie dieAnzahl der im eigenen Mund verbleiben-den Zähne an. Das Risiko eine Wurzelka-ries auszubilden, erhöht sich und die Paro-dontalerkrankungen liegen bei den Senio-ren bei 48 % bis 51 % [5; 6]. Andererseitsweisen die zu Pflegenden immer häufigereine Versorgung mit hochwertigem Zah-nersatz auf, der eine aufwendige Pflegeder Restzähne und der prothetischen Ver-sorgung verlangt. Zudem ist aufgrund dersteigenden Anzahl an implantatgetrage-nem Zahnersatz, eine umfangreiche Pfle-ge der Implantatpfeiler notwendig. In derAusbildung der Pflegekräfte wurden undwerden die Themen Mundhygiene, oraleStrukturen und Zahnersatzversorgungenleider nur unzureichend gelehrt. Der Ein-fluss von Medikamenten, die Bedeutungdes Speichels sowie krankhafte Verände-rungen der Schleimhäute sind nicht odernur rudimentär bekannt.

Seit 2012 bieten die Mitarbeiter desZahnärztlichen Dienstes (ZÄD) desGesundheitsamtes im HSK regelmäßige

Maria Bomkamp

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Schulungen zu Mund- und Zahnpflege fürdie im HSK beschäftigten Pflegekräfte,sowie Unterrichtseinheiten in den Ausbil-dungszentren für Pflegeberufe an. Direktnach den Veranstaltungen und zusätzlichsechs Monate später werden die Veranstal-tungen mit Hilfe eines vom ZÄD entwi-ckelten Fragebogens evaluiert. So entstehtein differenziertes Bild über die Nachhal-tigkeit der geleisteten Schulungen und dieUmsetzbarkeit der praktischen Übungenim Pflegealltag. Im HSK sind 50 ambulan-te und 44 stationäre Pflegeeinrichtungenansässig. Aufgrund der ausgedehnten Flä-che des HSK ist eine Schulung als aufsu-chendes Angebot schwer umsetzbar. Daherwurden alle Pflegenden der einzelnen Ein-richtungen zu einer zentralen Schulung indas Kreishaus nach Meschede eingeladen.Im Jahr 2013 erfolgte auf Anfrage der Pfle-geschulen die Erarbeitung eines Unter-richtskonzepts für einen doppelstündigenUnterricht in den Anfangsklassen der Pfle-geschüler in Anlehnung an die Lerninhalteder Fortbildungsveranstaltungen.

Ein theoretischer Teil der Fortbildungsowie der Unterrichtseinheit erläutertzuerst den Aufbau des Zahnes, des Paro-dontiums und der Mundhöhle. Im Weite-ren geht es um den Einfluss von syste-mischen Erkrankungen und der notwen-digen Medikationen auf das oraleSystem. Es werden altersbedingte Funk-tionseinschränkungen sowohl der Zähneals auch der körperlichen und geistigenFunktionseinschränkungen aufgezeigt.Grundlagen zur Entstehung von Karies,Parodontopathien und deren Verhinde-rung werden vermittelt. Erkrankungender Mundschleimhaut werden darge-stellt. Die Bedeutsamkeit eines gesundenund gepflegten Kauapparates für dieGesundheit der Pflegebedürftigen wirdherausgearbeitet. Im Anschluss erfolgtein praktischer Teil, in dem die Mundhy-giene am „Patienten“ eingeübt wird.Dies erfolgt durch Vermittlung der KAI-Zahnputztechnik und anschließendenPutzübungen durch das gegenseitigeZähneputzen unter den Fortbildungsteil-nehmern.

Im dritten und letzten Teil werden dieverschiedenen Arten des Zahnersatzeszunächst an Hand von Fotos theoretischvorgestellt und Unterschiede zwischenfestsitzendem und herausnehmbaremZahnersatz vermittelt. Anschließen wer-den die Handhabung sowie die notwen-dige Reinigung der einzelnen Zahner-satzkonstruktionen am Modell veran-

schaulicht und geübt. Am Ende der Ver-anstaltung wird um eine Beurteilung desFortbildungsprogramms mit Hilfe einesFragebogens gebeten.

Anhand von sechs Fragen soll die Ver-anstaltung nach folgendem Schemabewertet werden:

Stimme voll zu 2+; Stimme zu 1+;Weiß nicht 0; Stimme weniger zu 1-;Stimme gar nicht zu 2-. Folgenden Fragen bitten wir zu beantworten:

Frage 1: Entsprach die Fortbildung ihrenErwartungen?

Frage 2: Kann das vermittelte Wissen in Ihrertäglichen Arbeit umgesetzt werden?

Frage 3: Wurde der Vortrag gut gegliedert undverständlich vermittelt?

Frage 4: Waren die praktischen Übungen guterklärt?

Frage 5: Können die praktischen Übungen amPatienten umgesetzt werden?

Frage 6: Hat sich die Fortbildung für Siegelohnt?

Eine weitere Evaluation erfolgt fürdie Pflegekräfte nach sechs Monatenund für die Pflegeschüler nach demersten Praxiseinsatz.

Hier sollen nach o. g. Schema vorallem Aussagen zur Umsetzung desGelernten am Patienten bewertet wer-den:

Aussage 1: Der Inhalt der Fortbildung ist mirpräsent.

Aussage 2:Das vermittelte Wissen kann ich inmeiner täglichen Arbeit einsetzen.

Aussage 3: (Vergleich mit Frage 4)Die vermittelten praktischen Übungen helfen bei der Umsetzung derMundhygiene am Patienten.

Aussage 4: Meine Kenntnisse über Zahnersatzver-sorgungen und deren Pflege wurdenverbessert.

Aussage 5: Vermittelte Mundpflegemaßnahmenwerden toleriert.

Aussage 6: Die Fortbildung brachte mir neueErkenntnisse.

ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 19

Kongressbeitrag

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75%

80%

85%

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105%

1 2

Vergleich Pflegekräfte:

direkte Befragung / sechs Monate später (Eva)

Direkt

Eva

4/3 5 6

Abb. 1: Vergleich der Evaluationsergebnisse der Pflegekräfte nach der Fortbildung (Direkt) und sechsMonate später (Eva)

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Ergebnisse

Es wurden insgesamt sieben Schulungenfür Pflegekräfte mit insgesamt 160 Teil-nehmern veranstaltet. Einen Fragebogendirekt nach der Veranstaltung füllten 145Teilnehmer und somit 91 % der Geschul-ten aus. Nach sechs Monaten wurdenwiederum 160 Evaluationsbögen an dieeinzelnen Teilnehmer versandt. Mit 123Rückläufern wurde eine Quote von 77 %erreicht (Abb. 1, Tab. 1).

Es wurden fünf Unterrichtseinheitenin den Krankenpflegeschulen mit insge-samt 130 Schülern durchgeführt. 121ausgefüllte Fragebögen kamen zurück(93 %).

Für die Evaluation nach dem erstenPraxiseinsatz wurden 130 Fragebögenversandt, wobei – mit 98 Bögen – 75 %der Befragten einen Evaluationsbogenzurücksandten (Abb. 2, Tab. 2).

Durch eine Gegenüberstellung der ein-zelnen Fragen und Aussagen konnte her-auskristallisiert werden, dass die Schu-lungen als sehr gut beurteilt wurden.Durch den Rücklauf der Evaluationsbö-gen wurde die Akzeptanz der Fortbil-dungsveranstaltungen noch einmal unter-strichen.

Interessant war die Gegenüberstel-lung der Frage „Kann das vermittelte

Wissen in Ihrer täglichen Arbeit umge-setzt werden?“ bei der Direktbefragungund der Beurteilung nach sechs Mona-ten „Das vermittelte Wissen kann ich inmeiner täglichen Arbeit einsetzen“.Glaubten bei der Direktbefragungbereits 87 % der Pflegekräfte, sie könn-ten das vermittelte Wissen einsetzen, sowar bei der Evaluation nach sechsMonaten die Umsetzbarkeit des Erlern-ten auf 98 % angestiegen.

Ähnlich erfreulich stellt sich die Aus-wertung für die Krankenpflegeschülerin-nen und -schüler dar. Waren nach demUnterricht bereits 86 % davon überzeugt,das Erlernte anwenden zu können, sowaren es nach dem Praxiseinsatz 100 %.

Zur Gegenüberstellung der Frage 5 nachder Umsetzbarkeit der praktischen Übun-gen an Patienten äußerten sich die Pflege-kräfte zu 28 % skeptisch (Stimme wenigerzu 1-). Nach sechs Monaten wurde dieAussage „Vermittelte Mundpflegemaß-

nahmen werden toleriert“ mit einer Quotevon 92 % bejaht. 85 % der Krankenpflege-schüler waren überzeugt, die praktischenÜbungen umsetzen zu können (Frage 5).Nach ihrem Praxiseinsatz geben 97 % an,dass die erlernten Maßnahmen von denPatienten toleriert werden. Ganz besonderserfreulich ist die Tatsache, dass beideGruppen nun von besseren Kenntnissenüber Zahnersatzversorgungen und derenPflege profitieren.

Für den zahnärztlichen Dienst desHochsauerlandkreises ergibt sich aus denaufgeführten Ergebnissen folgendesResultat. Die Schulungen sind auf Grundder guten Lerneffekte und der Verbesse-rung der Lerninhalte rund um Mund undZähne sicherlich weiterzuführen. EineErweiterung der Unterrichtseinheiten anden Pflegeschulen auf alle drei Ausbil-dungsjahrgänge ist zu fordern, um eineVertiefung des Wissens kontinuierlicherreichen zu können. Immer wieder wurdevon den Lernenden eine Intensivierungder praktischen Übungen nachgefragt,sodass für diesen Teil mehr Zeit einge-plant werden muss.

Ein Angebot für pflegende Angehörigegibt es im HSK bislang nicht. Hier ist dieErreichbarkeit der Klientel zu ermög-lichen. Zudem sollte die Zusammenar-beit mit den niedergelassenen Kollegengesteigert werden um als Koordinations-stelle für eine Betreuung der stationärenPflegeheime kreisweit fungieren zu kön-nen. Denn: Der öffentliche Gesundheits-dienst hat nach § 6 [1] 1 ÖGDG grund-sätzlich die Verpflichtung zur Mitwir-kung an der Gesundheitsförderung, derPrävention und dem Gesundheitsschutzder Bevölkerung. [10; 14]

Es gibt einige Studien, welche dieMundgesundheit in Pflegeeinrichtungen inDeutschland untersucht haben (8; 9; 11).Sie weisen alle auf einen Mangel bei derMundhygiene der zu Pflegenden hin undgeben zudem an, dass eine große Anzahlvon Pflegekräften Defizite im theoreti-schen und praktischen Wissen aufweisen.Zudem konnte gezeigt werden, dass Patien-ten, die beatmet werden müssen, ein weit

Kongressbeitrag

20 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Evaluation Frage 1/ Frage 2/

Zustimmung Aussage 1 Aussage 2 Aussage 3

2+ und 1+

Direkt 89% 87% 96% 72% 93%

Eva 95% 98% 94% 92% 100%

Frage 4/ Frage 5/

Aussage 5

Frage 6/

Aussage 6

Tab. 1: Evalutionsergebnisse der Pflegekräfte – Anteile mit Zustimmung (2+ und 1+)

Evaluation Frage 1/ Frage 2/

Zustimmung Aussage 1 Aussage 2 Aussage 3

2+ und 1+

Direkt 94% 86% 96% 85% 91%

Eva 88% 100% 98% 97% 100%

Frage 4/ Frage 5/

Aussage 5

Frage 6/

Aussage 6

Tab. 2: Evalutionsergebnisse der Krankenpflegerschüler – Anteile mit Zustimmung (2+ und 1+)

75%

80%

85%

90%

95%

100%

105%

1 2

Ach

sen

tite

l

Direkte Befragung / nach Praxiseinsatz (Eva)

Direkt

Eva

Vergleich Krankenpflegeschüler:

4/3 5 6

Abb. 2: Vergleich der Evaluationsergebnisse der Krankenpflegerschüler nach der Fortbildung (Direkt)und nach dem Praxiseinsatz (Eva)

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geringeres Risiko aufweisen, an Lungen-entzündungen zu erkranken, wenn beiIhnen eine umfangreiche Mundhygienedurchgeführt wird [13].

Aufgrund der vorliegenden Studienkönnen meines Erachtens folgende Forde-rungen gestellt werden. Bei Aufnahme ineine ambulante oder stationäre Pflege isteine Befundaufnahme des Mundgesund-heitszustandes dringend erforderlich. Hiersollte der Gebisszustand, der inserierteZahnersatz und eine individuelle Pflege-anleitung für Mund, Zähne und Zahner-satz dokumentiert werden. Die Zeiten,welche dem Pflegepersonal laut Pflege-schlüssel für die Mundhygiene zur Verfü-gung steht, muss dringend dem indivi-duellen Aufwand am einzelnen Patientenangepasst werden. Zudem sind die Tages-zeiten für die Mundpflege zu überdenken.Mundpflege ist nach den Mahlzeiten undnicht gleichzeitig mit der Morgenpflege –in der Regel vor dem Frühstück – durch-zuführen.

Das Pflegepersonal sollte in regel-mäßigen Abständen geschult werden.Der Lehrplan, welcher der Ausbil-dung zum Kranken- und Gesundheits-pfleger zugrunde liegt, ist auf Grundder Bedeutung der Mundhygiene fürdie Gesundheit und nicht zuletzt dieLebensqualität zu erweitern undanzupassen. Es sollten krankhafte Ver-änderungen an den Schleimhäuten,schlecht sitzende prothetische Versor-gungen und Erkrankungen der Zähneund des Parodonts erkannt werdenkönnen, um zahnärztliche Maßnah-men so früh wie möglich einleiten zukönnen [12].

Denn: „Mundgesundheit ist eine präven-tive Maßnahme für den Allgemeinzustandder Pflegebedürftigen“ und „Ein gesunderMund erlaubt ca. 90% der Patienten einEssen und Trinken bis zum Tage IhresTodes“.

KorrespondenzadresseMaria BomkampZahnärztinHochsauerlandkreisSG 37/2 - Gesundheitsamt Kinder- und Jugendgesundheit/KinderfrühförderungZahnärztlicher DienstEichholzstr. 959821 Arnsberg Telefon: 94-4417

Literatur bei der Autorin

ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 21

Kongressbeitrag

Erfahrungen mit den Kooperations-verträgen zwischen Zahnärzten und Pflegeheimen

Im Jahr 2015 gab es 2,9 Mio. Pflegebe-dürftige in Deutschland. 27 % von ihnenwurden in 11.200 Heimen mit vollstatio-närer Dauerpflege versorgt [Destatis2017].

Der Mundgesundheitszustand und dieSelbstvorsorgefähigkeit sind bei pflege-bedürftigen Betagten schlechter als beiden nicht pflegebedürftigen [IDZ 2016].Von den 80-jährigen Pflegebedürftigennahmen im Quartal durchschnittlichetwa ein Fünftel vertragszahnärztlicheLeistungen in Anspruch. Unter den nichtPflegebedürftigen war es dagegen fastein Drittel. Die deutlich geringeren Ver-sorgungsquoten legen eine Unterversor-gung von Pflegebedürftigen mit zahn-ärztlichen Leistungen nahe [Rothgang etal. 2014].

Zur Abhilfe schlug die Zahnärzteschaftvor, neue vertragszahnärztliche Präven-tionsleistungen sowie eine Zuschlagspo-sition für die Vergütung des Mehrauf-wands bei der Behandlung einzuführen[BZÄK und KZBV 2010]. Der ÖGD botan, als Ansprechpartner für Pflegeein-richtungen und ambulante Pflegedienstezur Verfügung zu stehen, die Vermittlungzahnärztlicher Betreuung zu unterstützensowie Pflegekräfte, regionale Pflege-stützpunkte und pflegende Angehörigefachlich fundiert anzuleiten [BZÖG o.Jahr]. Der zahnärztliche BerufsverbandVDZM forderte einen neuen Absatz„Mundgesundheitsförderung“ in § 20SGB V als notwendige Ergänzung zuIndividual- und Gruppenprophylaxe.Eine „Institution für Mundgesundheits-

förderung“, ausgestattet mit Geldern ver-schiedener Versicherungszweige, solleeine mundgesundheitsfördernde Gestal-tung des Lebensumfelds vorantreiben,auch für Pflegebedürftige. Auf Bundes-ebene soll die Institution Lobbyarbeitund Kampagnen für Mundgesundheits-botschaften durchführen. Regional undlokal würde sie Arbeitsgemeinschaftengründen. Nichtakademische Berufsgrup-pen könnten den Pflegenden Kompe-tenzen vermitteln, und Zahnärztinnen und Zahnärzte mit Zusatzqualifikation würden organisatorische Veränderungenin den Versorgungsbereichen anstoßen[www.vdzm.de].

Umgesetzt wurden bisher nur an Ver-tragszahnärzte gerichtete Elemente. Mitdem Pflege-Neuordnungsgesetz (PNG)

Harald Strippel

Neue Leistungen verbessern die Versorgung von stationär Pflegebedürftigen

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übertrug der Gesetzgeber den Bundesman-telvertragspartnern KZBV und GKV-Spit-zenverband (GKV-SV) die Aufgabe,Anforderungen an eine kooperative undkoordinierte ärztliche und pflegerische Ver-sorgung von pflegebedürftigen Versicher-ten in stationären Pflegeeinrichtungen zuvereinbaren (§ 119b SGB V). Gleichzeitigsollten sie im BEMA-Z eine Zuschlagspo-sition für Vertragszahnärzte, die mit einerPflegeeinrichtung einen Kooperationsver-trag abschließen, verankern (§ 87 Abs. 2jSGB V). Nach der Gesetzesbegründungsollten bei Bewohnern in Pflegeeinrichtun-gen zahnmedizinische Erkrankungen auch„vermieden“ werden. Darauf basierte derAnsatz, die neuen Leistungen nach „2j“nicht nur als Zuschlag, sondern auch alsPräventionsleistungen auszugestalten.

Deutschlandweite Regelungen

KZBV und GKV-SV verhandelten die„Rahmenvereinbarung kooperative undkoordinierte zahnärztliche und pflegeri-sche Versorgung von stationär Pflegebe-dürftigen“ nach „119b“. Sie ist die Basisfür Kooperationsverträge zwischen Zahn-ärzten und Pflegeeinrichtungen. DieKooperationsverträge müssen die Inhalteder §§ 2 bis 4 der Rahmenvereinbarungenthalten. § 2 nennt die Qualitäts- undVersorgungsziele. Dazu gehört die Ver-besserung der Mundgesundheit, desMund- und Prothesenhygienestandardssowie der mundgesundheitsbezogenenLebensqualität. Ziel ist auch eine zeitna-he, den Lebensumständen der Pflegebe-dürftigen Rechnung tragende Behand-lung. Die Zusammenarbeit und der Infor-mationsaustausch zwischen den an derPflege sowie der medizinischen undzahnmedizinischen Versorgung der statio-när untergebrachten Pflegebedürftigenbeteiligten Berufsgruppen, den Bewoh-nern sowie deren Angehörigen/gesetz-lichen Vertretern soll verbessert werden.

§ 3 stellt Kooperationsregeln auf, zuwelchen sich das Pflegeheim verpflichtet.Unter anderem informiert die Pflegeein-richtung den Kooperationszahnarzt inner-halb von vier Wochen über neue Bewoh-ner, die Betreuung wünschen. Das Perso-nal nimmt an der – ggf. praktischen –Anleitung durch den Kooperationszahn-arzt teil und setzt die Vorschläge um.

§ 4 formuliert die Aufgaben des Koope-rationszahnarztes. Die erste Untersuchungeines neuen Bewohners soll innerhalb vonacht Wochen nach Einzug erfolgen. Die

Behandlung soll durchgeführt bzw. aufeine andernorts durchgeführte Behandlunghingewirkt werden. Hinzu kommen dieunten skizzierten Präventionsleistungen.Mit Ärzten und Zahnärzten sollen konsili-arische Erörterungen erfolgen. Dadurchsoll insbesondere dem Krankheitsbild dermedikamenteninduzierten Xerostomieentgegengewirkt werden. Kooperationsge-spräche mit der Einrichtungs-/Pflege-dienstleitung, dem beliefernden Apothekerund anderen an der Versorgung derBewohner beteiligten Berufsgruppenerfolgen, um mundgesundheitsförderlicheStrukturen und Abläufe zu etablieren.

Neue Präventionsleistungen

Nur Vertragszahnärztinnen und -zahnärz-te, die über einen Vertrag verfügen, derdie Anforderungen der o. gen. Rahmen-vereinbarung erfüllt, können die BEMA-Z-Leistungen nach § 87 Abs. 2j SGB Vabrechnen. Die KZV stellt die Berechti-gung dazu fest. Dabei handelt es sich umdie folgenden BEMA-Z-Leistungen:

� Nrn. 154, 155: Besuch eines pflegebe-dürftigen Versicherten in einer Pflege-einrichtung im Rahmen eines Koopera-tionsvertrags nach § 119b SGB V, ein-schließlich Beratung und eingehenderUntersuchung

� Nrn. 172a und b: Zuschlag für das Auf-suchen pflegebedürftiger Versicherterin der Pflegeeinrichtung

� Nr. 172c: Beurteilung von Behand-lungsbedarf, Pflegezustand derZähne/Mundschleimhaut/Prothesen,Vorschläge für Maßnahmen zumErhalt/zur Verbesserung der Mundge-sundheit, Dokumentation anhandFormblatt

� Nrn. 172d: Unterstützung und ggf.praktische Anleitung des Pflegeperso-nals bei der Durchführung der ihmobliegenden Aufgaben durch versi-chertenbezogene Vorschläge für Maß-nahmen zum Erhalt und zur Verbesse-rung der Mundgesundheit sowie Hin-weise zu Besonderheiten der Zahnpfle-ge oder der Pflege und Handhabungdes Zahnersatzes

� 182: Konsiliarische Erörterung mitÄrzten und Zahnärzten

Vorschläge für das Dokumentations-Formblatt (Nr. 172c) entwickelten dieDGAZ (Deutsche Gesellschaft für Alters-zahnmedizin) sowie der MedizinischeDienst des Spitzenverbandes Bund der

Krankenkassen (MDS). Das Formblatt istAnlage zur Rahmenvereinbarung. Esbringt auf einem A4-Blatt den Mundge-sundheitsstatus, den Bedarf und die Koor-dinationserfordernisse auf den Punkt. DieKoordinationszahnärztin oder der -zahn-arzt nutzt es nicht allein zur eigenen Doku-mentation. Vielmehr wird das Formblattden Bewohnern, den Angehörigen/gesetz-lichen Vertretern und dem Pflegepersonalüberreicht. Die Empfehlungen berücksich-tigen deren Anregungen. Damit bietet dasFormblatt für alle Beteiligte dieselbeInformationsplattform.

Einführung derKooperationsverträge

Die KZV stellten Zahnärzten und Pflege-heimen Musterkooperationsverträge zurVerfügung. Zum 1. April 2014 traten dieneuen Regelungen in Kraft. Der DeutscheCaritasverband sah es als Anfangserfolg,dass zum 1. August 2014 bereits knapp700 Kooperationsverträge geschlossenwaren [ZM 2014].

Der Bundesverband privater Anbietersozialer Dienste und die KZV Sachsen-Anhalt fügten Anfang 2015 dem Muster-Kooperationsvertrag weitere Reglungenhinzu. Unter den Krankenkassen infor-miert z. B. die AOK Plus pflegebedürfti-ge Versicherte und deren Angehörige überdie Neuigkeiten bei der zahnärztlichenVersorgung in stationären Pflegeeinrich-tungen [www.aokplus-online.de]. Einzel-ne Pflegeeinrichtungen stellen ihrenKooperationsvertrag als Qualitätsmerk-mal ausführlich dar [www.bkk-pflegefin-der.de]. Die LZÄK Baden-Württembergveröffentlicht auf ihrer Homepage Praxi-stipps sowie den Hinweis auf einen Film-bericht zur zahnärztlichen Betreuung ineiner Pflegeeinrichtung [www.swr.de2017, Zahnpflege im Alter].

Erfahrungsberichte

Ludwig [2016] stellt fest: „In der Praxissind neben den fachlichen vor allem logi-stische Herausforderungen zu bewältigen.Mit dem notwendigen Wissen und guterPlanung können Reihenuntersuchungen,Mundhygienepläne und Pflegeanleitungenvon nahezu jeder allgemeinzahnärztlichenPraxis durchgeführt werden.“

Die KZV Hessen berichtet über dasStatement einer Zahnärztin: „Die Versor-gung pflegebedürftiger Patienten hatetwas Offenes und Ehrliches.“ Teilneh-

Kongressbeitrag

22 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

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Jahr Kooperations- Verände- Kooperations- Verände- Betreute Verände- Betreute Verände-zahnärzte rung verträge rung Pflegeheime rung Versicherte rung

II/2014 – IV/2014 1.082 - 1.708 - 1.608 - 76.471 -

Hochrech-nung 2014 1.353 - 2.135 - 2.010 - 95.589 -

2015 1.611 + 19%* 2.608 + 22%* 2.444 + 22%* 138.331 + 45%*

2016 1.920 + 19% 3.204 + 23% 3.004 +23% 172.264 + 25%

mer des „APW-Curriculums Alterszahn-medizin – Pflege“ äußerten, sie empfän-den dies als Bereicherung ihrer zahnärzt-lichen Tätigkeit.

Statistik

Basisdaten zur Umsetzung der Koopera-tionsverträge sind den Tabellen zu entneh-men (Tab. 1, Tab. 2).

Die KZBV sieht in der gestiegenenZahl der Verträge einen wichtigen Etap-penerfolg. Dieser reiche aber noch nicht.In absehbarer Zeit solle möglichst jedesPflegeheim in Deutschland einen eigenenKooperationszahnarzt haben [Ärzte Zei-tung 2016].

Versicherten ca. 235.000. Für das Jahr2015 kann unter der Annahme von 10 %Privatversicherten von 704.700 gesetzlichversicherten Pflegeheimbewohnern aus-gegangen werden. Unter diesen Annah-men betrug die zahnärztliche Betreuungs-quote der Pflegeheimbewohner 2015bereits 33 %.

Kooperationsverträge – wielautet das Fazit?

Die hier wiedergegebenen Statistiken lassenerkennen, dass Pflegeeinrichtungen, Zahn-ärzte und Versicherte die Kooperationsverträ-ge und die neuen Leistungen direkt nach demStart gut angenommen haben. Die folgenden

Ausblick

Die Kooperationsverträge und Präventivlei-stungen verschaffen dem Thema Mundge-sundheit einen Aufmerksamkeitsschub. Die-ser erreicht aber nur die Pflegebedürftigenin den stationären Einrichtungen, nichtjedoch die viel größere Zahl derjenigen, diesich in der familialen oder ambulanten Pfle-ge befinden.

Den Versorgungsstatistiken lässt sichnicht entnehmen, wie die Qualität dererbrachten Leistungen aussieht und wel-che Wirksamkeit sie im Hinblick auf dieMundgesundheit entfalten. Hier ist For-schung vonnöten. Qualitätsfragen lassensich durch Querschnittsstudien beantwor-

ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 23

Kongressbeitragg

Tab. 1: Zahlen der Kooperationszahnärzte, der Verträge und der betreuten Versicherten nach § 119b SGB V. Quellen: KZBV 2017, eigene Hochrechnung*Bezogen auf Hochrechnung 2014

Jahr 172a+b Verände- 172c Verände- 172d Verände- 182 Verände-(Zuschläge) rung (Status, rung (Anleitg. rung (Ärztl./zä. rung

Empflgn.) Pflegepers.) Konsil)II/2014 – IV/2014 94.039 - 42.332 - 29.901 - 918 -

Hochrech-nung 2014 117.549 - 52.915 - 37.376 - 1.148 -

2015 248.123 + 111%* 108.981 + 106%* 79.901 + 114%* 1.543 + 34%*

2016 317.821 + 28% 137.833 + 26% 104.921 + 31% 1.798 + 17%

Tab. 2: Anzahl der abgerechneten Leistungen nach § 87 Abs. 2i SGB V. Quellen und Fußnoten: s. oben.

Der BARMER-GEK-Pflegereport kon-statiert, die zahnärztliche Behandlungsquo-te sei um fast ein Viertel und damit deutlichstärker gestiegen als die in der Gesamtbe-völkerung [Rothgang et al. 2016].

Die KZBV-Statistik weist aus, dass 2015neben den 204.500 Besuchen in Pflegeein-richtungen mit Kooperationsvertrag wei-tere 143.000 Besuche ohne Kooperations-vertrag erfolgten. Mit Kooperationsvertragwurde jeder Versicherte 2015 knapp 1,5-mal besucht. Wird diese Verhältniszahlauf die ohne Vertrag besuchten Versicher-ten übertragen, beträgt die geschätzteSumme der insgesamt erreichten GKV-

zwei Jahre waren durch einen deutlichen undkontinuierlichen Ausbau von Untersuchung,Prävention, Koordination/Kooperation undBehandlung gekennzeichnet. Die Anzahl derKonsile mit Ärzten oder anderen Zahnärztenerscheint im Vergleich zur Anzahl von Präventionsanleitungen der Pflegepersonennoch steigerungsfähig.

Die veröffentlichten Meinungen undErfahrungsberichte zu den Kooperationsver-trägen sind positiv. Nützlich wären Untersu-chungen über die Barrieren, die Pflegeein-richtungen und Zahnärzte hinsichtlich derKooperation und der Koordination dergemeinsamen Anstrengungen empfinden.

ten. Die Wirksamkeit lässt sich durch(ggf. quasi-)randomisierte kontrollierteStudien (RCT) belegen.

Korrespondenzadresse:Dr. med. dent. Harald StrippelMSc in Dental Public HealthMedizinischer Dienst desSpitzenverbandes Bund derKrankenkassen e. V. (MDS) Theodor-Althoff-Straße 47 45133 Essen E-Mail: [email protected]

Literatur beim Autor

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Am Freitag, den 30. Juni 2017, fand imBürgersaal des Rathaus Spandau eine Ver-leihung von Zertifikaten an besondersengagierte Kitas statt, die in Spandau vielfür die Gesundheit der Zähne der ihnenanvertrauten Sprösslinge tun. Gesund-heitsstadtrat Frank Bewig, die Amtsärztinund Leiterin des Gesundheitsamtes, FrauDipl.-Med. Widders, und der Leiter desZahnärztlichen Dienstes, Herr Dr. Müller,übergaben den ersten 12 Spandauer Kitas,die das Präventionsprogramm „Kita mitBiss“ umsetzen, feierlich ihre Zertifikate.

Das Präventionsprogramm „Kita mitBiss“ ist seit 2003 in Brandenburg eta-bliert. Seinen Ursprung hat es in Frankfurt(Oder) und wurde dort im Schuljahr2003/2004 vom Zahnärztlichen Diensteingeführt. Es handelt sich um ein Aufklä-rungs- und Ernährungsprogramm mitpraktikablen Handlungsleitlinien für Kin-dertagesstätten. Kitas, die teilnehmenmöchten, setzen diese selbständig in ihrerEinrichtung um. Hat sich eine Kita zur

Teilnahme entschlossen, wird dies durcheinen schriftlichen Beitritt erklärt. BeiUmsetzung der Leitlinien erhält die Kitaein Zertifikat, mit dem sie sich als Teil-nehmer ausweisen und gegenüber allenBesuchern der Tagesseinrichtung darstel-len kann.

Die Zahnärztlichen Dienste in Berlinbeobachteten in den zurückliegenden Jah-ren einen Rückgang des täglichen Zähne-putzens in Kitas. Bereits 2013 zitierte derTagesspiegel eine Umfrage der Zahnärzte-kammer und der Landesarbeitsgemein-schaft (LAG) Berlin e.V. und nannte 75nicht putzende Kitas. Eine Befragungaller Berliner Zahnärztlichen Dienstedurch Herrn Dr. Müller, Leitender Zahn-arzt im Gesundheitsamt Spandau, ergab,dass inzwischen in 110 Berliner Kitas dieZähne nicht mehr täglich geputzt werden(Stand 16.04.2017). In Spandau sind das16 von 91 Kitas, in Treptow Köpenick 18von 99 Kitas, in Reinickendorf 18 von 117Kitas und in Mitte 13 von 178 Kitas. Die

Fachleute sehen hier einen dringendenHandlungsbedarf. Dieser zeigt sich anden zunehmenden Fällen frühkindlicherKaries in Berlin und ist ein bisher un-gelöstes Problem.

Deshalb beschlossen die ZahnärztlichenDienste in Berlin im vergangenen Jahr ein-stimmig, das Präventionsprogramm „Kitamit Biss“ auch in Berlin einzuführen.

Aktuelles Thema

24 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Gesund aufwachsen in SpandauBezirk verleiht Zertifikat „Kita mit Biss“ an Spandauer Kitas

Lukas Müller

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Nach der Zustimmung durch die Amtsärz-tinnen und Amtsärzte (Leiterinnen undLeiter der Gesundheitsämter), organisato-rischen Vorarbeiten, Informationsveran-staltungen und Schulungen des Personalsder Zahnärztlichen Dienste und der LAGBerlin e.V. wird seit Oktober 2016 das Pro-gramm in Berlin vorangetrieben.

Frank Bewig, Bezirksstadtrat für Sozi-ales und Gesundheit, erklärt:

„Mit der Verleihung der Zertifikatewerden diejenigen Kitas gewürdigt, die imGesundheitsinteresse unserer Kinderbesonders aktiv sind und schon jetzt dieHandlungsleitlinien des Präventionspro-gramms erfüllen. Gerade im Hinblick aufdie steigenden Zahlen der frühkindlichenKaries und der Zunahme von Kitas, indenen die Zähne nicht mehr geputzt wer-den, ist das Programm ein wichtiger Bau-stein, um chancengleiches und gesundesAufwachsen zu ermöglichen.“

Den Kitas wurden neben dem Zertifikatauch die Handlungsleitlinien und dieElternflyer in deutscher, russischer, polni-scher, türkischer Sprache und in Farsi alsPrint- und Webversion zur Verfügung

Wohneinrichtungen für Erwachsene mitBehinderung“ unter fachlicher Leitungvon Dr. Imke Kaschke belegte den drittenPlatz in der Auswahl der Juroren. DieZahnärztekammer Berlin und das BerlinerHilfswerk Zahnmedizin e.V. fördern damitgemeinsam die zahnmedizinische Grup-penprophylaxe in Wohneinrichtungen fürErwachsene mit Behinderung. Aktuellsind elf zahnmedizinische Teams in 67Wohneinrichtungen im Einsatz, um dieBewohner vor Ort gemeinsam mit ihrenBetreuern durch Zahnputzübungen,Mundhygieneberatung und professionelleFluoridierungsmaßnahmen praktisch zuunterstützen.

PressekontaktErika Hettich Accente BizzComm GmbH Aarstr. 67 65195 Wiesbaden Tel.: 0611 / 40 80 6-13 Fax: 0611 / 40 80 [email protected]

ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17 25

Aktuelles Thema

Auszeichnungen für interdisziplinäre Gruppenprophylaxe Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und CP GABA haben im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages inFrankfurt am Main den Präventionspreis „Gruppenprophylaxe interdisziplinär“ verliehen. Die Auszeichnungist Teil der gemeinsamen „Initiative für eine mundgesunde Zukunft in Deutschland“.

Die Initiatoren ehrten am 10. Novemberinsgesamt drei Projekte, die mit innova-tiven und interdisziplinären Ansätzen dieGruppenprophylaxe fördern, den Prä-ventionsgedanken erweitern und Präven-tionslücken schließen. Der unabhängi-gen Jury gehörten unter anderem Prof.Dr. Ulrich Schiffner (Universitätsklini-kum Hamburg-Eppendorf), Bettina Berg(Geschäftsführerin der DeutschenArbeitsgemeinschaft für Jugendzahn-pflege e.V.) und Dr. Michael Schäfer (1.Vorsitzender des Bundesverbands derZahnärzte des Öffentlichen Gesundheits-dienstes e.V.) an. Die Experten legten beiihrer Auswahl Wert darauf, dass die prä-mierten Konzepte und Projekte praxis-nah, wissenschaftlich fundiert undbundesweit umsetzbar sind. Der Präven-tionspreis ist mit einem Preisgeld voninsgesamt 5.000 Euro dotiert.

Die Preisträger

Die Urkunde für den ersten Preis nahmdie Landesarbeitsgemeinschaft Jugend-zahnpflege (LAGZ) Rheinland-Pfalz e.V.,vertreten durch Sanitätsrat Dr. HelmutStein und Katrin Becker, M.A., in Emp-

fang. In ihrem interdisziplinären Präven-tionsnetzwerk arbeitet die LAGZ gemein-sam mit zahlreichen Partnern wie Hebam-men, Erziehern, Lehrern und Eltern„Hand in Hand für gesunde Kinderzäh-ne“. Zu den Maßnahmen des Präventions-netzwerkes gehören unter anderem Fort-bildungsprogramme und Schulungen fürMultiplikatoren, vielfältige Informations-materialien und die Kooperation mit1.300 Paten- und Schulzahnärzten.

Der zweite Platz ging an die Gruppen-prophylaxe „Gemeinsam für gesundeKinderzähne“ des Landes Brandenburg.Bettina Bels vom Büro der zahnärztlichenGruppenprophylaxe im Land Branden-burg sowie Dr. Gudrun Rojas und BettinaSuchan vom Beirat für Zahngesundheitder Landeszahnärztekammer Branden-burg nahmen die Auszeichnung entgegen.Mit der Schulung von Familienpaten, derAusgabe zahnärztlicher Prophylaxe-Pässean Schwangere und Schulkinder oder demPräventionsprogramm „Kita mit Biss“,sorgt das Netzwerk für flächendeckendeund kontinuierliche Angebote der Grup-penprophylaxe.

Das Berliner Projekt „Gesunder Mund -Zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in

gestellt. So haben die Einrichtungen dieMöglichkeit, sich in ihren Räumlichkeitenund auf der Homepage als Teilnehmer desProgramms darzustellen. In 8 von 12 Ber-liner Bezirken sind bereits die Vorausset-zungen für eine erfolgreiche Einführungdes Programms geschaffen worden. DiePlanungen für weitere Zertifikatverlei-hungen in diesen Bezirken laufen derzeit.

KorrespondenzadresseDr. Lukas MüllerFachzahnarzt für ÖffentlichesGesundheitswesenLeiter des Zahnärztlichen DienstesGesundheitsamt SpandauMelanchthonstraße 7– 913595 BerlinTel. (030) 90279 – 2453

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Aktuelles Thema

26 ZAHNÄRZTLICHER GESUNDHEITSDIENST 2.17

Der ÖffentlicheGesundheitsdienst –Jetzt erst recht!

68. Wissenschaftlicher Kongress des BVÖGD und des BZÖG

Der Öffentliche Gesundheitsdienst –Jetzt erst recht!26. bis 28. April 2018in Osnabrück

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebeMitglieder des BVÖGD & BZÖG, liebeGäste,

sehr herzlich laden wir Sie im Namender Bundesverbände der Ärztinnen undÄrzte sowie der Zahnärzte des ÖffentlichenGesundheitsdienstes zum 68. Wissen-schaftlichen Kongress nach Osnabrück ein.

Das Leitthema „Der Öffentliche Ge-sundheitsdienst – jetzt erst recht!“setzt sich mit für uns allen zentralen undentscheidenden Fragen auseinander.

Osnabrück: Eine Stadt die Weltoffen-heit mit bodenständigem Flair vereint.Erleben Sie mit uns den Mix aus kulturel-ler Vielfalt, niveauvollem Genuss und läs-sigem Altstadtcharme, einem echtenGeheimtipp in Niedersachsen.

Die hochmoderne OsnabrückHalle bie-tet unserem Kongress mit Service, flexi-blen Lösungen und innovativer Technik

einen optimalen Rahmen. Sie liegt zentralin nur wenigen Gehminuten von Haupt-bahnhof, Hotels und der atmosphärischenAltstadt entfernt.

Wir freuen uns sehr, Sie in Osnabrückim April 2018 begrüßen zu dürfen und mitIhnen die wichtigen Themen des öffent-lichen Gesundheitsdienstes zu diskutie-ren!

Dr. med. Ute Teichert, MPHVorsitzende Bundesverband derÄrztinnen und Ärzte des öffentlichenGesundheitsdienstes e. V.Leiterin der Akademie für ÖffentlichesGesundheitswesen

Dr. Michael Schäfer, MPH1. Vorsitzender, Bundesverband derZahnärzte des ÖffentlichenGesundheitsdienstes e.V.

Das zahnärztliche Programm startet amDonnerstag, den 26. April 2018 um09:00 Uhr.

Es erwartet Sie ein dreitägiges Fachpro-gramm unter anderem mit Vorträgen zuden Themengebieten Kariesprophylaxe,Mundhygiene, Schulzahnpflege im Natio-nalsozialismus, Leitlinien und Statistik.Der Einführungsvortrag widmet sich derJugendzahnpflege in Niedersachsen.

Die Delegiertenversammlung desBZÖG ist am Freitag, den 27. April 2018,im Anschluss an das zahnmedizinischeProgramm, um 16:30 Uhr geplant.

Tagungsort:OsnabrückHalleSchlosswall 1–9 · 49074 OsnabrückTel. 0541 34 90-0 · Fax 05 [email protected]

Neu in 2018: Kinderbetreuungfür Kinder ab 3 Jahren (mitVoranmeldung)Bei Fragen wenden Sie sichbitte an:Sabrina Stederm:con – annheim:congress GmbHTel.: +49(0)621 / 41 06–199Fax: +49(0)621 / 41 06–80 [email protected] Teilnehmerregistrierunghat begonnen. Aktuelle Infor-

mationen zum Kongress veröf-fentlicht im Internet unter http://bvoegd.de/kongress/Für Zahnärzte siehe auch http://www.bzoeg.de/kok-gress-leser/items/2018-Kon-gress-Osnabrueck.html

Zahnärztliches ProgrammAnsprechpartnerDr. Uwe NiekuschTel: [email protected]

Teilnahmegebühren für Mitglieder für Nicht-MitgliederBVÖGD und BZÖG

Kongresskarte 215,00 EUR 300,00 EUR26.–28. April 2018TageskartenDonnerstag, 26.04.2018 90,00 EUR 110,00 EURFreitag, 27.04.2018 90,00 EUR 110,00 EURSamstag, 28.04.2018 60,00 EUR 80,00 EUR

Arbeitslose Ärztinnen und Ärzte erhalten keine Ermäßigung, da hierdie Möglichkeit einer Finanzierung durch die Agentur für Arbeitbesteht. Studierende der Medizin sowie der Zahnmedizin erhaltenfreien Eintritt. Alle Preise verstehen sich inkl. der gesetzlichen MwSt.

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Verband

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Tief betroffen haben wir die Nachrichtvom Tod unseres Landesstellenmitglie-des, unserer Kollegin und FreundinDipl.-Stomatologin Elke Sens aufge-nommen.

Am 31. Mai 2017 hat Elke Sens ihrenKampf gegen eine schwere Krankheitverloren. Eine von uns allen geschätzteund beliebte Kollegin vermissen wir sehr.

Elke Sens hat nach ihrem Studium inPlovdiv (Bulgarien) eine Fachzahnarzt-weiterbildung für Kinderstomatologieabsolviert und war anschließend als Kin-derzahnärztin tätig. Seit 1991 arbeitetesie im Öffentlichen Gesundheitsdienst.Sie hatte großen Anteil am Aufbau desZahnärztlichen Dienstes in Ostprignitz-Ruppin und führte ihn seit vielen Jahrenmit hoher fachlicher Kompetenz. Ihre

Die Landesstelle Brandenburg des BZÖG e.V.trauert um Elke Sens

Arbeit war geprägt von einem respekt-und verständnisvollen Umgang mit denKindern, dem pädagogischen Personalsowie Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern. In diesen Zeitraum fiel ihre Weiter-bildung zur Fachzahnärztin für Öffentli-ches Gesundheitswesen, die sie 2003erfolgreich abschloss.

Auf der Landesebene hatte sich ElkeSens in mehreren Gremien ehrenamtlichengagiert. Als Mitglied des Fachaus-schusses Zahnärztlicher Dienst, desWeiterbildungs- sowie Prüfungsaus-schusses der LandeszahnärztekammerBrandenburg und als Mitglied der Kam-merversammlung trug sie zur Entwick-lung und Qualitätssicherung der Aufga-benerfüllung der Zahnärztlichen Dienstebei.

Elke Sens war seit 2001 stellvertreten-de Leiterin unserer Landesstelle undsetzte sich stets mit ihrer ruhigen Ent-schlossenheit für die Interessen der Zah-närztinnen und Zahnärzte des Öffent-lichen Gesundheitsdienstes auf Landes-und Bundesebene ein. Wir sind sehrdankbar für 14 Jahre vertrauensvolleVorstandsarbeit.

Wir werden ihr Andenken in Ehrenhalten. Unser Mitgefühl gilt in dieserschweren Zeit ihrer Familie.

Dr. Petra Haak und Sabine Röthigim Namen des Vorstandes und derMitglieder der LandesstelleBrandenburg des BZÖG e.V.

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Page 29: der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V ......24 Bezirk verleiht Zertifikat „Kita mit Biss“ an Spandauer Kitas Lukas Müller 25 Auszeichnungen für interdisziplinäre

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Zahnmedizinisches Programm 2018

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Donnerstag, 26.04. 2018 · Sitzungen Block I von 09:00 Uhr bis 10:30 Uhr; Moderation: Frau Dr. Sauerland / Herr Dr. Michael Schäfer

Uhrzeit Vortrag Referent/in09:00 Begrüßung Frau Dr. Sauerland09:15 Zahnärztlicher Dienst des Landkreises Osnabrück 1987 – heute. Frau Dr. Brunner-Strepp

(M)ein starkes Team für gesunde Zähne!09:45 Diskussion10:00 Von der Sozialen Zahnheilkunde zur „erbbiologischen“ Durchmusterung (Teil I) Herr Dr. Kirchhoff

Donnerstag, 26.04. 2018 · Sitzungen Block II von 11:00 Uhr bis 12:30 Uhr

Uhrzeit Vortrag Referent/in11:00 Von der Sozialen Zahnheilkunde zur „erbbiologischen“ Durchmusterung (Teil II) Herr Dr. Kirchhoff12:15 Diskussion

Freitag, 27.04. 2018 · Sitzungen Block III von 08:30 Uhr bis 10:00 Uhr; Moderation: Frau Dr. Breitenbach / Frau Dr. Wempe

Uhrzeit Vortrag Referent/in08:30 Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) bei Kindern und Jugendlichen Frau Dr. Katsikogianni09:00 Genauer hinschauen: Der Mehrwert aus ICDAS in der epidemiologischen Herr Dr. Pfaff

Begleituntersuchung in Baden-Württemberg09:30 Diskussion

Freitag, 27.04. 2018 · Sitzungen Block IV von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr

Uhrzeit Vortrag Referent/in11:00 Süßungsmittel in der Ernährung: Nutzen und Risiken Frau Dr. Ute Alexy11:30 Diskussion

Freitag, 27.04. 2018 · Sitzungen Block V von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr; Moderation: Frau Dr. Hantzsche / Frau Dr. Riemer

Uhrzeit Vortrag Referent/in13:00 Schlussfolgerungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. Frau Berg

aus den Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 201613:30 Interdisziplinäre Vorgehensweise im Rahmen der Frühen Hilfen Frau Bartsch / Frau Schütz14:00 KAI oder Chaos? Mundhygienefertigkeiten am Ende Frau Prof. Deinzer

der Gruppen- und der Individualprophylaxe14:30 Untersuchung zur zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Down-Syndrom Herr Prof. Schulte15:00 Diskussion15:30 Postervorstellungen

Zahngesundheit bei Flüchtlingskindern in Hamburg Herr Dr. HushahnZahnärztliche Reihenuntersuchungen bei Sechs- bis Siebenjährigen Herr Dr. Reuterund Zwölfjährigen in der Stadt Herne im Schuljahr 2016/17Verleihung Silbernes Ehrenzeichen Herr Dr. Schäfer

Samstag, 28.04. 2018 · Sitzungen Block VI von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr; Moderation: Dr. Petrakakis / Dr. Niekusch

Uhrzeit Vortrag Referent/in09:00 Leitlinien und deren Bedeutung Herr Dr. Petrakakis 09:30 Quantifizierung des Kariesrisikos – der Gini-Koeffizient Herr Dr. Herzog10:00 Diskussion / Pause10:45 Zahnärztliche Betreuung in der stationären Pflege in Niedersachsen Herr Dr. Bomfleur11:15 Verbesserung der Mundhygiene pflegebedürftiger Menschen durch Schulungen Frau Dr. Krömer

des Pflegepersonals im Kreis Ostholstein – Ergebnisse einer Interventionsstudie11:45 Diskussion

Ansprechpartner: Dr. Uwe Niekusch · Telefon: 0 62 21-5 22 18 46 · E-Mail: [email protected]

68. Wissenschaftlicher Kongress„Der Öffentliche Gesundheitsdienst – jetzt erst recht“26. bis 28. April 2018 in Osnabrück · Vortragsprogramm

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