der mailänder dom

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Finanzierung und Fassade.Il duomo Milano.

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Page 1: Der Mailänder Dom

Der Mailänder Dom: (von Fabian Kunz)

Der Plan, die von Barbarossa weitgehend zerstörte Basilika Santa Maria Maggiore durch einen Kirchenneubau zu ersetzen geht bis ins Jahr 1350 zurück. Seit diesem Zeitpunkt wird berichtet, dass sich die alte Basilika in einem solch desolaten Zustand befindet, dass 1353 sogar der dazugehörige freistehende Glockenturm (Campanile) einstürzte. Aufgrund der schlechten Quellenlage lässt sich nicht belegen, wie die Entscheidungsfindung für den Dombau in den folgenden Jahrzehnten vonstatten ging und wer die maßgeblichen Initiatoren waren. Lediglich die Spendenaufrufe aus dem Jahre 1386, der früheste von Erzbischof Antonio di Saluzzo vom 12. Mai, machen eine grobe Datierung des Baubeginns möglich. Die Spendenakten der Fabrica ecclesiae, die Institution, die (noch immer) für den Dombau sammelt, stellen die beste Quelle für das erste Jahrzehnt nach Baubeginn dar. Die Spendensammlung fand am ehemaligen Altar der Basilika, der eigens dafür Tag und Nacht bewacht wurde, sowie in anderen Kirchen statt. Bei öffentlichen Auktionen wurden die gespendeten Gegenstände zu Geld gemacht. Anfangs lief diese Art der Finanzierung sehr gut und es gibt viele Überlieferungen von besonderen Spenden oder Spendern. Darüber hinaus arbeiteten viele Handwerker und Bürger kostenlos („laborare pro nihilo“), wahrscheinlich, weil sie sich dadurch einen Ablass ihrer Sünden erhofften. Das Jahr 1387 stellt den Höhepunkt der Bauaktivitäten dar, u.a. weil Herzog Gian Galeazzo Visconti nun die Nutzung des Steinbruches des Berges Candoglia in der Nähe des Lago Maggiore gestattete. Der dort gewonnene Marmor und die Ruinen von Santa Tecla stellten das Baumaterial für den neuen Dom dar. Das hohe Gewicht und der ständig steigende Preis von Marmor stellten die Dombauorganisation immer wieder vor Fragen der Statik und der Finanzierung. Der Transport vom Steinbruch zur Baustelle war nur durch das Anlegen eines Kanals möglich. Selbst der Palast des Erzbischofs wurde abgerissen, um Platz für die neue Kirche zu machen. Trotz der anfänglichen Euphorie der Mailänder für das Kirchenprojekt verringerte sich das Spendenaufkommen 1390 und andere Optionen der Finanzierung wurden gesucht. Gian Galeazzo Visconti hatte im gleichen Jahr mit seiner Bitte um ein Jubeljahr für den Kirchenbau bei Papst Bonifacius IX Erfolg. Da aber der Bitte erst im Oktober stattgegeben und der Sündenablass erst am 15. Februar 1391 begann, konnte der Papst dazu gebracht werden die Frist bis zum Ostersonntag 1392 auszuweiten. Dies war ein Novum, da das Jubeljahr außerhalb

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Roms meistens nur zwei Wochen und nie länger als ein Jahr ging. Durch diese Maßnahme wurden wieder Spenden eingenommen, die fast auf dem Niveau von vor 1390 lagen. Allerdings sank das Spendenaufkommen im Anschluss wieder rapide. Da es keine nennenswerten regelmäßigen Einnahmen, z.B. durch Vermietung gab, verlangsamte sich der Baufortschritt enorm. Der Sarkophag von Marco Carelli (1394 gestorben) im Dom macht deutlich, wie sehr der Bau nach 1392 von Großspendern abhängig war.Die ersten Dombaumeister stammten aus dem heutigen Campione d’Italia (bei Como), Frankreich und Deutschland. Obwohl sie diese Stellung teilweise nur wenige Monate oder Jahre innehatten brachte jeder von ihnen seine Erfahrungen aus der Heimat in den Bau mit ein. Gleichermaßen führte die außerordentlich lange Bauzeit durch mehrere Epochen der Architektur zu einer gotischen Kirche mit Einflüssen der Renaissance. Die älteste Bauzeichnung aus dem Jahre 1390 ist kein Bauplan im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Dokumentation des Baufortschritts.

(Abbildung aus Bork, Robert Odell, The Geometry of Creation. Architectural Drawings and the Dynamics of Gothic Design, Farnham 2011, S. 416. Annotationen von Fabian Kunz)

Dennoch kann man in der Skizze erkennen, dass die Kirche ursprünglich mit einer Höhe von 90 braccia (1 „Elle“ entspricht ca. 0,57m) nach der Form eines gleichschenkligen Dreiecks geplant war. Im Jahr darauf berechnete Gabriel Stornaloco eine Annäherung an ein gleichschenkliges Dreieck mit einer modifizierten Höhe von 84 braccia, die den Vorteil hatte, dass man sie in sechs Abschnitte à 14 braccia teilen konnte. Ein Gegenentwurf aus dem Jahre 1392 von Heinrich Parler sah ein 96 braccia hohes Mittelschiff mit vier halb so hohen Seitenschiffen vor. Dieses Konzept wurde bald verworfen, sodass noch im gleichen Jahr das finale Bauschema beschlossen werden konnte. Dabei wurden die unteren

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beiden 14 braccia hohen Abschnitte nach Stornalocos Plan gebaut und als Basis für ein zweites Dreieck, nach dem Satz des Pythagoras mit vier, jeweils 12 braccia hohen Abschnitten benutzt. Die Gesamthöhe des Doms betrug somit 76 braccia (ca. 43m), 14 braccia weniger als zu Beginn geplant.Obgleich der Altar schon 1418 geweiht wurde, waren die Bauarbeiten noch längst nicht abgeschlossen. Während im 15. Jahrhundert die Seitenschiffe vollendet wurden, ging man im 16. Jahrhundert die Errichtung der Kuppel und der Westfassade an. Die obere Hälfte der Fassade wurde Anfang des 19. Jahrhunderts nicht im Stile der Renaissance, sondern nach gotischer Art geschaffen (gut zu erkennen an der Fenstergestaltung). Nachdem sich Napoleon Bonaparte 1805 im Dom zum König von Italien krönen ließ, wurde auf sein Betreiben die Fassade innerhalb von acht Jahren fertiggestellt. Die Bauarbeiten an Statuen und Türmchen erstreckten sich noch weit ins 20. Jahrhundert, als am Epiphanienfest 1965 die letzte Tür eingeweiht wurde. Aufwendige Restaurierungsarbeiten in den Jahren 2003 bis 2009 lassen die Fassade wieder im Weiß-Rosa des Candoglia-Marmors erstrahlen.

Weiterführende Literatur:Beschreibung des Domes von Mailand, Mailand 1937.Bork, Robert Odell, The Geometry of Creation. Architectural Drawings and the Dynamics of Gothic Design, Farnham 2011.Fell, Georg, Der Mailänder Dom und seine Sehenswürdigkeiten, Regensburg 1910.Vroom, Wim, Financing Cathedral Building in the Middle Ages. The Generosity of the Faithful, Amsterdam 2010.