der einfluß einer druckbelastung auf den zerfall des zementits

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146 Zeitschrift fiir anorgankche und allgemeine Chemie. Band 218. 1934 Der EinfluD einer Druckbelastung auf den Zerfall des Zementits Von A. BR~CEANOW Mit 4 Figuren im Text Die Bedingungen der Bildung und des Zerfalls von Zementit wurden von vielen Forschern untersucht, und es liegt in der Natur der Sache, da5 der grol3te Teil des experimentellen Materials bei der Erforschung des Wachstumsprozesses des Roheisens erhalten wurde. Die Grundeigenschaften des Eisencarbids wurden von TAMMANN und EWIG~) besohrieben. f i r e Untersuchungen haben gezeigt, da5 das isolierte Eisencarbid, mittels Extraktion aus dem perlitischen Stahl gewonnen, bereits bei 500° zerfallt. SCHWARTZ~) hat gezeigt, da5 im Roheisen mit 2,25% C und 2,6O/, C der Zerfall des Zementits an- fangs ziemlich langsam vor sich geht, dann die Zerfallsgeschwindig- keit groI3er wird und, nachdem im Roheisen noch 10-15°/,, Kohlen- stoff in der Form von Fe,C zuriickbleibt, sein Zerfall wieder all- mahlich langsamer wird. PIWOWARSKY und BORNHOFFEN~), die das Wachstum des Roheisens unter einer ausdehnenden Belastung bei verschiedenen Temperaturen untersuchten, haben festgestellt, daB die dabei sich ergebende Verlangerung mit der Bildung von Graphit im Roheisen, d. h. mit dem Zerfallsprozesse von Fe,C verbunden ist. Auf Grund dieses konnten sie den SchluB ziehen, da5 man durch Dehnung bei einer Temperatur von 600O und hoher eine zahlenmaBige Kennzeichnung der Neigung des Roheisens zum Wachsen erhaIten kann. PIWOWARSKY und BORNHOFFEN arbeiteten mit Roheisen ver- schiedener Zusammensetzung, Oeshalb bleibt die Frage ungeklart, ob die Belastung selbst auf den ZerfallsprozeB von Fe,C von Ein- fluB ist. EVANS und HA YES^) haben gefunden, daB im Roheisen mit 0,025°/0 S, 0,022°/0 Si, 0,00450/0 P, 0,45°/0 Mn und 2,34O/, C die l) G. TAXWANN u. K. Ema, Z. anorg. u. allg. Chem. 167 (1927), 385. 2, SCHWARTZE, Trans. h e r . SOC. Steel Treat. 9 (1926), 883. 3, PIWOWARSKY u. BORNHOBFEN, Arch. f. Eisenhiittenwesen 3 (1931), 163. &) EVANS u. HAYES, Trans. Amer. SOC. Steel Treat. 11 (1927), 691.

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Page 1: Der Einfluß einer Druckbelastung auf den Zerfall des Zementits

146 Zeitschrift fiir anorgankche und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

Der EinfluD einer Druckbelastung auf den Zerfall d e s Zementits

Von A. BR~CEANOW Mit 4 Figuren im Text

Die Bedingungen der Bildung und des Zerfalls von Zementit wurden von vielen Forschern untersucht, und es liegt in der Natur der Sache, da5 der grol3te Teil des experimentellen Materials bei der Erforschung des Wachstumsprozesses des Roheisens erhalten wurde. Die Grundeigenschaften des Eisencarbids wurden von TAMMANN und EWIG~) besohrieben. f i r e Untersuchungen haben gezeigt, da5 das isolierte Eisencarbid, mittels Extraktion aus dem perlitischen Stahl gewonnen, bereits bei 500° zerfallt. SCHWARTZ~) hat gezeigt, da5 im Roheisen mit 2,25% C und 2,6O/, C der Zerfall des Zementits an- fangs ziemlich langsam vor sich geht, dann die Zerfallsgeschwindig- keit groI3er wird und, nachdem im Roheisen noch 10-15°/,, Kohlen- stoff in der Form von Fe,C zuriickbleibt, sein Zerfall wieder all- mahlich langsamer wird. PIWOWARSKY und BORNHOFFEN~), die das Wachstum des Roheisens unter einer ausdehnenden Belastung bei verschiedenen Temperaturen untersuchten, haben festgestellt, daB die dabei sich ergebende Verlangerung mit der Bildung von Graphit im Roheisen, d. h. mit dem Zerfallsprozesse von Fe,C verbunden ist. Auf Grund dieses konnten sie den SchluB ziehen, da5 man durch Dehnung bei einer Temperatur von 600O und hoher eine zahlenmaBige Kennzeichnung der Neigung des Roheisens zum Wachsen erhaIten kann. PIWOWARSKY und BORNHOFFEN arbeiteten mit Roheisen ver- schiedener Zusammensetzung, Oeshalb bleibt die Frage ungeklart, ob die Belastung selbst auf den ZerfallsprozeB von Fe,C von Ein- fluB ist.

EVANS und HA YES^) haben gefunden, daB im Roheisen mit 0,025°/0 S, 0,022°/0 Si, 0,00450/0 P, 0,45°/0 Mn und 2,34O/, C die

l) G. TAXWANN u. K. Ema, Z. anorg. u. allg. Chem. 167 (1927), 385. 2, SCHWARTZE, Trans. h e r . SOC. Steel Treat. 9 (1926), 883. 3, PIWOWARSKY u. BORNHOBFEN, Arch. f . Eisenhiittenwesen 3 (1931), 163. &) EVANS u. HAYES, Trans. Amer. SOC. Steel Treat. 11 (1927), 691.

Page 2: Der Einfluß einer Druckbelastung auf den Zerfall des Zementits

A. Briichanow. EinfluB einer Druckbelastung a d Zementit 147

Zerfallsgeschwindigkeit bei 8500 im Gasgemisch CO und CO, bei 5 Atmospharen Druck stark anwachst. Sie erklliren die Zunahme der Zerfallsgeschwindigkeit des Zementits durch die Wirkung dieses Gasgemisches. In letzter Zeit hat OKNOW~) auf einen neuen Faktor hingewiesen, der den Zerfall des Zementits begiinstigt. Er bemerkte, daB im grauen Roheisen der Zerfall des Zementits rascher vor sich geht, falls die Probe vorher kalt bearbeitet oder abgeschreckt wurde, Die beschleunigende Wirkung des Abschreckens auf den Zerfall des Zementits wurde von ihm auch am weifien Roheisen gefunden.

Somit bleibt die Frage nach dem EinfluB der Belastung auf den ZerfallsprozeB von Fe,O ungekliirt, und ihre Losung bietet sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht ein Interesse dar.

Beschreibung der Versuche

Durch die Versuche von HONDA und SCHWARTZ~) ist fest- gestellt worden, daB der Zementit in reinen Eisenkohlenstofflegie- rungen sehr stabil ist. SCHWARTZ hat bei 9000 im Laufe von 2000 Stunden keinen Zerfall von Fe,C erhalten. Was dagegen das weil3e Roheisen be- trifft, so zerfallt in ihm der Zementit ziem- lich leicht. Deshalb haben wir fur unsere Versuche ein Roheisen der folgenden Zusam- mensetzunggenommen : C - 3,50/,, Si - Mn - 0,4%, aus wel- chem in einer metal- lischen Form Stgibe von der Lange von 20cm und dem Durchmesser

Fig. 1

von 10mm gegossen wurden. Die Struktur der gegossenen Stabe bestand a m Perlit und Zementit. Die durchgefuhrte chemische Analyse hat gezeigt, daB der Kohlenstoff hier nur in Form von Zementit sich findet.

Aus den Staben wurden Proben von 10 mm Durchmesser und 1Omm Hohe hergestellt, die sodann in einen Ofen gebracht wurden,

l) OENOW, Stahl (U. d. S. S. R.) 1931, Nr. 5-6, S, 74. ') HONDA U. SCEWARTZ, 1. C., s. 708.

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148 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

wie dies in Fig. 1 gezeigt ist. Die Stlibe A und B hatten zusiitzliche Windungen aus Nichromdraht, deren Erwarmung die Warmeabgabe an die Halter der Maschine kompensierte. Zur Messung der Tempe- ratur der Probe dienten zwei Thermoelemente: das eine Thermo- element C zeigte die Temperatur der Seitenflache der Probe an und das zweite D die Temperatur der Basis. Dank dem Umstande, daB die StBbe A und B zusatzlich erwarmt werden konnten, war es moglich, die Temperatur der ganzen Probe zu regulieren. Nach einer bestimmten Zeit wurde die Probe entlastet, schnell auf die Luft ge- bracht und abgekuhlt. Sodann wurde die Dichte und die Menge des gebildeten Graphits bestimmt. In einigen Fallen wurden die Proben metallographisch untersucht.

Versuchsergebnisse Um die moglichen Zufallserscheinungen auszuschliefien, wurden

von uns fur jeden Fall je 3--4Proben genommen. Infolge der Un- gleichma13igkeit der Proben waren in manchen FalIen die einzelnen Werte betrachtlich verschieden voneinander ; jedoch waren diese Unterschiede immer vie1 kleiner als der beobachtete Effekt. Des- halb haben wir, um ein durchschnittliches Bild der Erscheinung zu erhalten, aIs Ma13 des Zerfalls des Zementits das arithmetische Mittel aus allen einzelnen im gegebenen Falle gewonnenen Werten genommen.

Die ersten Versuche wurden bei der Temperatur von 500° durch- gefuhrt. Trotz der langen Dauer des Prozesses (24 Stunden) und der starken Belastung wurde kein Zerfall des Zementits bemerkt. Die folgenden Versuche wurden durchgefuhrt bei 600°, 700°, 7500 und 8000 mit verschiedener Haltdauer bei diesen Temperaturen und bei verschiedenen Drucken. Die Versuchsresultate sind in der Tabelle und in den Figg. 2, 3 und 4 zusammengestellt. Hier ist auf der Ordinatenachse die Menge des Graphits in Prozenten des Gesamt- gehaltes an Kohlenstoff aufgetragen und auf der Abszissenachse in einem Falle die Belastung und in dem anderen die Zeit der Graphi- tierung.

Die erhaltenen Resultate zeigen, daB der Zerfall des Zementits unter der Belastung betrachlich rascher vor sich geht als ohne diese, und dabei um so rascher, je hoher die Belastung ist. Mit der Er- hohung der Temperatur sinkt die Stabilitat des Zementits, und in- folgedessen beginnt der EinfluB der Belastung sich immer weniger bemerkbar zu machen. Bei 750° ist er nur ganz am Anfang des Zer- falls noch beobachtbar und bei 8000 ist er fast nicht bemerkbar.

Page 4: Der Einfluß einer Druckbelastung auf den Zerfall des Zementits

A. Briichanow EinfluB einer Druckbelastung auf Zementit 149

Belastung in Temperatur Zeit in OC kg/mm2

Tsbelle Menge des zerfauenen

Zementits in Ofo

-

6.4 I 1 Stde. 1

37 i 19.1 58 600 1 24 Stdn.

21

750

800

Fig. 2. EinfluB der Belastung auf den Zerfall des Zementits bei 600°

Fig. 4. EinfluB der Zeit auf den Zerfall des Zemen- tits ohne und mit Belastung

bei 800°

Fig. 3. EinfluB der Zeit auf den Zerfall des Zemen- tits ohne und mit Belastung

bei 750°

Page 5: Der Einfluß einer Druckbelastung auf den Zerfall des Zementits

150 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

Abgesehen von den Resultaten, die wir beim Zerfall des Zemen- tits erhalten haben, verdient noch eine Erscheinung erwahnt zu werden. Im Laufe der Versuche uber das Zusammenpressen der Proben unter einer starken BeIastung (20 kg/mm2) wurde bereits bei 600° eine plastische Deformation derselben beobachtet.

Anfangs blieb die Belastung eine ziemlich lange Zeit hindurch gleich, sodann begann sie aber ein wenig zu fallen. Um also die Be- lastung konstant zu halten, war es notwendig, die Maschine fort- wahrend zu belasten. Die nachher aus dem Ofen herausgenommene Probe, die vorher zylindrisch war, nahm eine tonnenartige Form an. Bei hoheren Temperaturen waren die AusmaBe naturlich groBer. Ob dies mit dem Zerfall des Zementits zusammenhangt, ist schwer zu sagen, da auch Proben aus Roheisen mit einem betrachtlich kleineren an Silicium dieselbe Fahigkeit zur plastischen Deformation zeigen. So war in einigen Fallen in Proben, die ihre Hohe auf 30 bis 40°/0 verkleinert haben, der Gehalt an Graphit bloB 0,08-0,1°/0. Daraus kann man den SchluB ziehen, daB die plastische Deformation des weiBen Roheisens leicht ohne praktisch merkliche Graphitierung stattfinden kann.

Zusammenfassung

Durch die vorliegenden Versuche am Roheisen ist folgendes festgestellt worden :

1. Bei Temperaturen von der GroBenordnung 5000 findet im Laufe von 24 Stunden kein Zerfall von Fe3C statt.

2. Bei 600° erhoht die Belastung die Zerfallsgeschwindigkeit dea Zementits, und zwar um so mehr, je groBer die Belastung ist.

3. Bei Temperaturen um 700° und hoher geht der Zerfall von Fe3C vie1 rascher vor sich. Der EinfluD der Belastung wird kleiner, und bei 800° und hoher wird dieser unmerklich.

Leningrad, Ph ysikalisch- Technisches Institut des Urals.

Bei der Redaktion eingegangen am 3. April 1934.