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Der Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen —Versuch einer gesamtwirtschaftlichen Analyse Author(s): Ralph Brennecke Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 34, H. 2 (1976), pp. 339-357 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911206 . Accessed: 13/06/2014 03:27 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.108.60 on Fri, 13 Jun 2014 03:27:46 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Der Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen —Versucheiner gesamtwirtschaftlichen AnalyseAuthor(s): Ralph BrenneckeSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 34, H. 2 (1976), pp. 339-357Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911206 .

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Der Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen

- Versuch einer gesamtwirtschaftlichen Analyse -

von

Ralph Brennecke*

I. Einleitung

Sowohl der Kentenanpassungsbericht 1975 * als auch die Interpretation des Berichtes durch Löwe2 gingen davon aus, daß die Leistungsmöglichkeiten der Kentenversicherungen für den Vorausberechnungszeitraum von 1974 bis 1988 gesichert seien, d.h. daß bei der Arbeiter- und Angestelltenversicherung (ArV und AnV) die gesetzlich geforderte Mindestrücklage von drei Monats- ausgaben zu Lasten des Vorjahres nicht unterschritten wird und der Bundes- zuschuß für die Knappschafts Versicherung (KnV) sich in erträglichen Gren- zen hält.

Angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage sind in der Zwischen- zeit jedoch Zweifel an dieser Vorausberechnung aufgetreten. Das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte mit seinen Variationsberechnungen3 bei 2% Arbeitslosigkeit bereits für 1979 eine Unterschreitung der Mindest- rücklage, ohne allerdings genau anzugeben, welche Struktur das verwandte Rechnungssystem besitzt und welche Daten benutzt wurden. Ebenso geht die Bundesbank davon aus4, daß der Rückgang des Beitragsauf kommens

* Diese Studie entstand im Rahmen des SPES-Projektes der Universitäten Frankfurt und Mannheim. Für Diskussionsbeiträge bin ich Herrn Dr. Klanberg und Herrn Dr. Schmähl zu Dank verpflichtet. Die Berechnungen wurden mit Unter- stützung des Hochschulrechenzentrums der Universität Frankfurt durchgeführt. 1 Bundestagsdrucksache 7/2721 vom 31.10.1974.

2 Horst Löwe: Leistungen gesichert, in: Bundesarbeitsblatt, Heft 3/1975, S. 167 ff.

3 Achim Steffen: Bilanz mit Alternativen. Das Institut der deutschen Wirt- schaft variiert Zukunftsprognosen, in: Arbeit und Sozialpolitik, Jg. 29, Heft 3/75, S. 93-99.

4 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Jg. 27, Nr. 6, Juni 1975, S.23.

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durch, die hohe Zahl der Arbeitslosen zu Schwierigkeiten bei den Sozialver- sicherungen führen wird. Von anderer Seite wird schließlich behauptet, daß die Entwicklung der Löhne „zu einem Handicap für die Sozialversicherung"1 wird.

Gerade die Annahmen über die Lohnentwicklung und die Arbeits- losigkeit sind entscheidende Faktoren für das Ergebnis der Vorausberech- nung der finanziellen Lage der Rentenversicherungen. Bekanntlich verwen- det das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) hier Daten, die der mittelfristigen Zielprojektion der Bundesregierung entnommen sind. Abgesehen von der Frage, ob die Annahme einer fallenden bzw. ab 1979 gleichbleibenden Lohnentwicklung mit einer angenommenen Steigerung der Anzahl der Angestellten konsistent ist2, sind beide Variablen von der wirt- schaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik abhängig. Diese den An- nahmen zugrundeliegende Vorstellung über die wirtschaftliche Entwicklung ist in den Rentenanpassungsberichten jedoch gar nicht oder nur ungenügend verdeutlicht.

Diese Studie versucht, die Zusammenhänge zwischen der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung und der finanziellen Lage der Rentenversicherungen zu verdeutlichen und zu berücksichtigen. Hierzu wird von der Konsum- neigung der Bevölkerung der Bundesrepublik ausgegangen. Erste Ergebnisse der VGR 1974 zeigen, daß die Konsumneigung erheblich zugunsten der Sparleistung abgenommen hat3. Es werden die Auswirkungen eines konsum- freudigen Verhaltens sowie die einer zurückhaltenden und einer als ,, normal" bezeichneten Konsumneigung auf die wirtschaftliche Entwicklung und die finanzielle Lage der Rentenversicherungen untersucht. Unter dieser Ziel- setzung wurde eine Nachbildung des BMA-Vorausberechnungssystems mit dem XreWe-Modell V verbunden. Damit konnten approximativ gleichzeitig die institutionellen Gegebenheiten der Rentenversicherungen sowie Hypo- thesen über die ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik berücksich- tigt werden.

II. Methode der gesamtwirtschaftlichen Simulation

1. Ermittlungen der Einnahmen und Ausgaben der Arbeiter-, Angestellten- und Knaff Schaftsrentenversicherung

Grundsätzlich sind empirisch- quantitative Alternativberechnungen für die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung auf mikro- und auf makroökonomischer Basis denkbar. Die meisten vorhandenen, mikroökono-

1 O.V.: Die Löhne halten nicht Schritt, Indikatoren der Belastung, in: Arbeit und Sozialpolitik, Jg. 29, Heft 4/75, S. 149-150. 2 Vgl. dazu Winfried Schmähl: Vorausberechnungen in der gesetzlichen Ren- tenversicherung, Probleme und Konsequenzen in ökonomischer Sicht, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 130. Band, 1. Heft, Tübingen 1974, S. 28-50. 3 Vgl. uünter tiamer: Volkswirtscnaîtiicne uesamtrecnnungen iu/*, ji.rst« vorläufige Ergebnisse, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 2/1975, S. 75 ff.

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misch orientierten Systeme sind jedoch entweder für diese Berechnungen nicht geeignet, weil sie andere Zielsetzungen verfolgen, oder aber noch nicht fertiggestellt1. Makroökonomische Systeme berücksichtigen teilweise die Sozialversicherungen nicht explizit2 oder noch unzureichend3. Zusätzlich sind institutionelle, insbesondere gesetzlich festgelegte Kegelungen in öko- nometrischen Modellen nur mit Schwierigkeiten abbildbar. Schließlich sollten hier die Ergebnisse einer Alternativberechnung mit den Ergebnissen des BMA vergleichbar sein, weil letztere eine wichtige politische Entscheidungs- grundlage4 darstellen.

Daher wurde kein vorhandenes Modell der Kentenversicherung5 über- nommen, sondern ein Modellrechnungssystem auf der Basis von Fortschrei- bungen der Ausgangsdaten analog zu den Angaben des BMA und den Voraus- berechnungstabellen6 erstellt, welches den Nachvollzug der offiziellen Voraus- berechnung und der Varianten des Sozialbeirates gestattet und darüber hin- aus für eigene Alternativberechnungen verwendet werden kann. Auf die einzelnen Gleichungen des Systems soll in diesem Rahmen nicht eingegangen werden7. Lediglich einige Hypothesen, die Auswirkungen auf die Ergebnisse dieser Studie haben können, sind zu erläutern.

Einige Variablen, die vom BMA berechnet wurden, mußten hier als exogen angenommen werden, da sich aus den Angaben der Rentenanpas- sungsberichte kein schlüssiges Ermittlungsverfahren ergab. Dies betrifft beispielsweise die Erstattungen für Handwerker-Renten von der ArV an die AnV. Schwererwiegend ist jedoch der Hinweis im Rentenanpassungsbericht, daß auf eine detaillierte Erläuterung ,,der komplizierten Rechenschritte für die Rentenausgaben der ArV und der AnV"8 verzichtet werden mußte. Da eine rein exogene Festlegung der selbstangewiesenen Renten9 zu erheblichen

1 An einem mikroökonomischen System wird z. Zt. gearbeitet; vgl. Peter Olaab : Überlegungen zu einem Rentenmodell im Rahmen des SPES-Projektes, SPES- Arbeitspapier Nr. 5.

2 Beispielsweise das Krelle- und das Lüdeke-System ; vgl. Wilhelm Krelle: Erfahrungen mit einem ökonometrischen Prognosesystem, Meisenheim 1974, sowie Dietrich Lüdeke: Ein ökonometrisches Vierteljahresmodell für die Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969. 3 Paul B.Spahn: „Littauer" Modell for Germany. An Econometric Simulation Model for Alternative Policies, Working Paper, Berlin 1975.

4 Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen von Winfried Schmähl: Vorausberech- nungen..., a.a.O., S. 46 ff. 6 Zum Beispiel das Modell von Otto Boloff: Die gesetzlichen Rentenversiche- rungen in der Bundesrepublik Deutschland, Analyse und Prognose, Heft D-9 der Institute für Sozialwissenschaften und für angewandte Wirtschaftsforschung, Universität Basel, 1970. 6 Drucksache 7/2721, S. 50ff. und S. 86ff.

7 Vgl. jedoch Ralph Brennecke: Ein Modellrechnungssystem der finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung, SPES -Arbeitspapier Ñr. 37.

8 Drucksache 7/2721, S. 57. 9 Mit ,, selbstangewiesenen Renten ist die Summe aller Zahlungen in bezug auf Renten der jeweiligen Versicherung gemeint. Diese Summe enthält auch an- teilige Zahlungen an andere Versicherungszweige, z.B. Wander Versicherungsanteile, die in den Rentenzahlen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung nicht ent- halten sind.

23 Finanzarchiv N. F. 34 Heft 2

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Verzerrungen bei Berechnungen unterschiedlicher Annahmen führen würde, wurde hier folgender Ausweg beschritten: Aus den Angaben des BMA wurde ein Faktor ermittelt, der, multipliziert mit dem Mittel aus der allgemeinen Bemessungsgrundlage des Vorjahres und des laufenden Jahres, genau wieder die Eentenausgaben - getrennt nach Arbeiter- und Angestelltenversicherung - des Rentenanpassungsberichtes 1975 ergibt. Da die allgemeine Bemessungs- grundlage endogen aufgrund der angenommenen Lohnentwicklung be- stimmt werden kann, ist damit zumindest gewährleistet, daß die Anpassung der Bestandsrenten in adäquater Weise vorgenommen wird. Ungelöst bleibt mit diesem Verfahren die Frage, wie sich die Zugänge an Renten innerhalb des Fortschreibungszeitraumes entwickeln werden. An dieser Stelle sind jedoch makroökonomischen Untersuchungen enge Grenzen gesetzt. Hierzu wäre es erforderlich, eine detailliertere Vorausberechnung der Beitragszah- lungen von Haushalten vorzunehmen, um daraus gemäß der Rentenformel1 den Rentenanspruch berechnen zu können.

Die finanzielle Entwicklung der Knappschaftsversicherung wurde mit einfachen Fortschreibungshypothesen teilweise abweichend von den Berech- nungsverfahren des BMA gestaltet. Im Rentenanpassungsbericht heißt es hierzu, daß die Vorausberechnungen auf dem Sollverfahren beruhen. Als Begründung wird angegeben, daß kraft Gesetz den Versicherungsträgern die für das jeweilige Jahr zustehenden Einnahmen und Ausgaben auch für dieses Jahr zu verbuchen sind. Aus diesen Berechnungen wird dann der jährliche Bundeszuschuß an die Knappschaftsrentenversicherung ermittelt.

In Verbindung mit gesamtwirtschaftlichen Berechnungs verfahren ist eine Fortschreibung der Einnahmen und Ausgaben in der Knappschaftsver- sicherung nach dem Sollverfahren jedoch nicht sinnvoll, weil sie die Gefahr einer Unter- bzw. Überschätzung der Einnahmen und Ausgaben in sich birgt. Dies wird aus dem Rentenanpassungsbericht 1975 besonders deutlich. Ein Vergleich der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben mit den Zahlen der Vorausberechnung für 1973 zeigt, daß die Beiträge in der tatsächlichen Höhe eingetragen, die Rentenzahlungen jedoch als Sollgröße verwandt wurden. Außerdem fehlen in den Vorausberechnungen einige Ausgleichszahlungen zwischen Knappschaftsrentenversicherung und ArV bzw. AnV. So werden bei den Ausgaben beispielsweise die Erstattungen in der Wanderversicherung an die Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung nicht einzeln ausgewie- sen, sondern saldiert. Diese Beträge werden hier einzeln aufgeführt und zur Berechnung des Bundeszuschusses verwandt.

Insgesamt konnten mit dem Modellrechnungssystem die Vorausrech- nungen des BMA sehr gut reproduziert werden, so daß ein leistungsfähiges Instrument zur Ermittlung der Finanzlage zur Verfügung steht.

1 Roloff verwendet für sein Modell eine durchschnittliche Versicherungszeit von 40 Jahren, einen durchschnittlichen Individualfaktor von eins und einen R-entenfaktor von 1,5 und kommt damit zu einer Gleichung: Rt = 40 -X- 1,5-X-l-* Anzahl der Rentner im Jahre Z -X- allgemeine Bemessungsgrundlage; vgl. Otto Roloff: Die gesetzlichen..., aaO., S. 7. Hier sind die ersten vier Faktoren in dem oben erwähnten Faktor enthalten, womit gleichzeitig eine Veränderung der Zahl der Rentner nicht in seinen Auswirkungen simuliert werden kann.

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2. Modifikationen des gesamtwirtschaftlichen Kr eile- Modells

Für die Verbindung des Kentenmodells mit gesamtwirtschaftlichen Größen wurde das wohl am weitesten entwickelte System der Bundesrepublik Deutschland, das Krelle-MoàeW V1, verwandt. Es hat allerdings den Nachteil, daß der Staatssektor in diesem System erheblich unterrepräsentiert ist. Da- her waren einige Modifikationen notwendig.

Ausgehend von dem publizierten Modell mußten die Beiträge zu den Sozialversicherungen sowie Rentenzahlungen gesondert ausgewiesen werden. Hierbei wurde von der Annahme ausgegangen, daß sämtliche Beiträge zu den Sozialversicherungen in der Variable „direkte Steuern der Lohnbezie- her* ' enthalten sind. Im Ausgangsdatenmaterial wurde daher für die Jahre von 1955 bis 1971 die Summe sämtlicher Beiträge zu den Sozialversicherun- gen von dieser Variablen abgezogen. Hieraus ergab sich, daß die gesamte Lohnsumme ebenfalls ohne Beiträge zur Sozialversicherung definiert werden mußte. Das Gleiche gilt für die privaten Löhne. Außerdem enthalten die direkten privaten Steuern sowie damit die Gesamtsteuersumme nicht mehr die Beiträge zu den Sozialversicherungen. Die Rentenausgaben konnten ver- hältnismäßig einfach berücksichtigt werden. Von der Variablen ,, Transferzah- lungen des Staates an die Lohnbezieher" wurde im Ausgangsdatenmaterial die Summe der gezahlten Renten abgezogen und die Variable „gesamte Netto- lohnsumme" mit dem Saldo aus den Renten abzüglich der Beiträge korrigiert.

Bekanntlich ist das Krelle-Moàeìì ein interdependentes Prognosesystem. Die erforderlichen Änderungen der Datenbasis und mehrerer Definitions- gleichungen bedingten eine Neuschätzung des Modells, die mit der „Full Infor- mation Maximum Likelihood" -Methode2 vorgenommen wurde. Die Ergeb- nisse sollen hier nicht im einzelnen wiedergegeben werden3; interessant sind jedoch die Koeffizienten der Gleichung für die Transferzahlungen des Staates an die Lohnbezieher, welche jetzt nur noch Pensionen und sonstige Transfers enthalten, sowie der Gleichung für die direkten Steuern der Lohnbezieher.

Tabelle 1 enthält einen Vergleich der Regressionsergebnisse des nach- geschätzten Krelle-Modelh mit den Ergebnissen für das modifizierte Modell. Wie zu ersehen ist, beträgt der Anteil der Transferzahlungen des Staates an die Lohnbezieher ohne Renten gesamtwirtschaftlich nur noch ca. 17% des vor jährlichen Steueraufkommens. Ebenso ist, wie zu erwarten war, eine deutliche Änderung der Koeffizienten für die direkten Steuern ersichtlich. Die Vernachlässigung der Sozialversicherungsabgaben bewirkt nahezu eine Halbierung des Wertes für das absolute Glied und eine Erhöhung des Expo- nenten, den man auch als Lohnsteuer-Elastizität auffassen kann. Dieses Er- gebnis ist auch plausibel, da die Sozialabgaben von der Beitragsbemessungs- grenze ab konstant bleiben. Dadurch sinkt der multiplikative Faktor der Gleichung, und die Elastizität steigt.

1 In der Version, die in Wilhelm Krelle : Erfahrungen . . . , aaO., publiziert wurde, wobei allerdings einige Datenkorrekturen berücksichtigt wurden. 2 Herrn Prof. Dr. Krelle danke ich für die Bereitstellung der Regressionspro- gramme. 3 Interessenten können vom Verfasser gerne die genauen Ergebnisse erhalten.

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Tabelle 1

Regressionsergebnisse der FIML-Scbätzungfür Gleichung 24 und 40 des Kr eile- Modells und des modifizierten Modells. Schätzzeitraum: 1957 bis 1971

Regressand Regressor

ZSTL = a0 + ax ■* TS_X NORMAL 4,661 0,3683 MODIFIKATION 7,819 0,1765

TDIRQ = a0 ■* L *-* at NORMAL 0,07067 1,250 MODIFIKATION 0,03297 1,325

Symbolerklärung ZSTL = Transferzahlungen des Staates an die Lohnbezieher TS = Gesamte Steuersumme TDIRQ = Direkte Steuern der Lohnbezieher L = Gesamte Lohnsumme

In der ,,Normal"-Regression enthalten diese Variablen die Beiträge an die Sozialversicherungen bzw. Rentenzahlungen, in der modifizierten Regression nicht.

Die Überprüfung des neugeschätzten Modells wurde anhand einer ex post-Simulation von 1961 bis 1971 vorgenommen. Für alle endogenen Variablen wurde der normierte Theihche Ungleichheitskoeffizient auf Wachstumsratenbasis berechnet1, der die Abweichungen der prognostizier- ten Veränderungsraten einer Variablen von den tatsächlichen Veränderungs- raten zu messen versucht. Zur Beurteilung des modifizierten Modells insge- samt wurde der Mittelwert aller Ungleichheitskoeffizienten gebildet, der mit 0,3573 verdeutlicht, daß das Modell in der Referenzperiode hinreichend genau simuliert.

Mit diesen beiden Modellen wurden die im nächsten Abschnitt darge- stellten Ergebnisse erzielt. Für die interdependenten Simulationen beider Modelle mit dem MOVE-System2 des SPES-Projekts kam zusätzlich eine Verknüpfungsstruktur3 hinzu, die folgendermaßen aufgebaut war: Die im Krelle-Modell endogen ermittelten Wachstumsraten des Lohnsatzes, der Angestellten sowie der Arbeiter im privaten Bereich dienten als Eingabe für die Ermittlung der finanziellen Lage des jeweiligen Jahres in der Renten- versicherung. Die in diesem Modell simulierten Beitrags- und Rentenzahlun-

1 Vgl. dazu Joachim Merz: Kriterien zur Beurteilung ökonometrischer Modelle, SPES-Arbeitspapier Nr. 36.

2 Beschrieben in: Ralph Brennecke: Das MOVE-System, ein Prozessor für ökonomische Anwendungen, in: Datascope, Fachzeitschrift der Informationsver- arbeitung, Jg. 5, Heft 13, Frankfurt 1974, S. 13ff. 3 Vgl. zur Methodik der Verknüpfung: Ralph Brennecke: Die Konstruktion von sozioökonomischen Großsystemen, Frankfurt 1975.

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gen wurden anschließend an das Äre^e-Modell zurückgegeben, welches nun- mehr aufgrund dieser neuen Zahlen eine erneute Prognose vollzog. Dieser Kreislauf erfolgte solange, bis eine Lösung des Gesamtsystems für die jewei- lige Periode erreicht war.

3. Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik bis 1974 und Voraussetzungen der Analyse

Die Konstruktion der verbundenen Analyse, bei der für die Rentenver- sicherung auf der Basis der Zahlen für 1973 die erste Berechnung für 1974 erfolgen kann, während das modifizierte Krelle-Modell mit dem hier zu- grundegelegten Datensatz schon die Entwicklung von 1972 an prognosti- zieren muß, erfordert eine kurze Gegenüberstellung der prognostizierten Werte mit ersten Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Aus diesen Entwicklungen kann dann die grundsätzliche Strategie für 1974 und 1975 abgeleitet werden, und weiterhin ergeben sich mögliche Variationen der wirtschaftlichen Entwicklung, deren Auswirkungen unter Einschluß der Rentenversicherung analysiert werden sollen.

Grundsätzlich ist das Krelle-Modell in seiner ursprünglichen Version und damit auch in der modifizierten Fassung ein Trendmodell der mittel- bis lang- fristigen Entwicklung. Mit dem für diese Studie neu geschätzten Parameter- satz prognostiziert das Modell eine gleichmäßige Weiterentwicklung der Volkswirtschaft. In Jahren des Booms liegen die Ergebnisse unter den tat- sächlichen, in Rezessionsjahren darüber. Für die hier vorliegenden Zwecke sollte jedoch möglichst von der tatsächlichen konjunkturellen Lage ausge- gangen werden. Daher war eine Anpassung des Modells über die ohnehin vorgesehenen Instrumentvariablen an die tatsächliche Entwicklung nötig. Dazu wurden die Instrumente ,, Preisindex' ' für 1972 um 0,06, 1973 um 0,09 und 1974 um 0,05 erhöht, die Arbeitslosenzahl für 1974 auf 1,3 Millionen gesetzt und der geschätzte private Konsumanteil des Nettoeinkommens von 0,5529 um 1,8% auf 0,5429 gesenkt. Diese Zahl wurde unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisindizes aus den vorläufigen Ergebnissen der VGR1 berechnet.

Die mit diesen Instrumenten erzielten Simulationsergebnisse sind für einige Variablen in Tabelle 2 wiedergegeben. Insgesamt liegen die nominalen Werte der tabellierten Variablen unter den tatsächlichen Werten, erlauben jedoch in den jeweiligen Größenordnungen zueinander eine umfassendere Analyse, als dies mit isolierten Annahmen über die Entwicklung einzelner volkswirtschaftlicher Größen möglich erscheint.

Aus den Gegebenheiten des Modells resultieren die hier notwendigen Annahmen über die weitere Entwicklung der Wirtschaft in der Bundes- republik. Grundsätzlich wurde für die Prognosen bis 1988 unterstellt, daß die Wohn-Bevölkerung abnehmen wird2. Weiterhin erfolgte in allen Varian-

1 Vgl. dazu Günter Hamer: Volkswirtschaftliche..., aaO., S. 75 ff. » 1975: 61,321 Mio; 1985: 60,433 Mio. Quelle: Statistisches Jahrbuch 1974, Wiesbaden 1974, S. 48, Variante 1.

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ten keine Exportänderung, und der Zinssatz, der für die Zunahme des An- lagevermögens der Kentenversicherung verwendet wird, liegt konstant bei 6%. Für 1975 wurde anhand vorläufiger Zahlen über die Entwicklung des privaten Verbrauchs in der Bundesrepublik1 eine weitere Senkung der Kon- sumquote auf 0,5354 angenommen. Die Zahl der Arbeitslosen wurde 1975 mit 1,4 Millionen, 1976 mit 0,9 und ab 1977 mit durchschnittlich 0,5 Millionen

Tabelle 2 Tatsächliche und prognostizierte wirtschaftliche Entwicklung mittels des modifizierten

Kr eile- Modells (MK) am Beispiel einiger Variablen

Variable 1972 1973 1974 1975

YB VGRa 834,63 930,64 997,90 -

MRD DM MK 824,7 892,01 980,13 1062,9 YREAL VGRa 564,0 593,8 596,3 -

MRD DM MK 558,35 563,86 581,67 594,68 CPR VGRa 450,92 496,75 534,18 -

MRD DM MK 440,93 475,91 515,37 548,84 L VGRa 439,15 498,65 547,33 -

MRD DM MKb 429,28 445,608 480,00 513,23 TS VGRa 322,8 382,05 413,92 -

MRD DM MR» 288,93 314,99 344,12 372,32 P VGR 1,4798 1,5667 1,6695 -

1962 = 100 MK 1,4254 1,5282 1,6273 1,7242 TDIRL VGR 153,10 187,46 211,71 -

MRD DM MKb 140,70 152,77 164,69 177,49 BEIT RAPc 56,297 66,538 68,569 72,052*

a Quelle: Günter Hamer: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 1974, Erste vorläufige Ergebnisse, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 2/1975, S. 75-90. b Summe aus der jeweiligen Variablen und den Beiträgen zur Sozialversiche- rung. c Quelle: Bundestagsdrucksache 7/2721, S. 42ff. und S. 79.

d Summe aus Beiträgen zur ArV, AnV und Knappschaftsversicherung, die im Rentenmodell ermittelt wurden.

Symbole: YB = nominales Bruttoinlandsprodukt, YREAL = reales Brutto- inlandsprodukt, CPR = privater Konsum, L = gesamte Lohn- und Gehaltssumme, TS = gesamte Steuersumme, P = generelles Preisniveau des privaten Bereiches, TDIRL = direkte Steuern der Lohnbezieher, BEIT = Beiträge zu den Renten- versicherungen.

1 Quelle: DIW: Vierteljährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Bun- desrepublik Deutschland einschl. Saarland und Berlin, Saisonbereinigte Daten, Berlin, Mai 1975.

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bzw. 2% der Erwerbstätigen angenommen. Der Beitragssatz der Knapp- schaftsversicherung bleibt in allen Simulationen bei 23,5%; außerdem wird die Veränderungsrate der Beschäftigten im Bergbau, die vom BMA geschätzt wurde, beibehalten, da aus dem Krelle-Moàeìì keine hierfür geeigneten Zah- len zu erhalten sind. Die Auswirkungen der Steuerreform konnten nicht be- rücksichtigt werden.

Unter diesen Annahmen und der Voraussetzung, daß das modifizierte Krelle-Moàeìì einigermaßen zutreffend den Trend der Entwicklung wieder- zugeben vermag, werden die folgenden Variationen berechnet: In der hier als Normalversion bezeichneten Simulation wird unterstellt, daß 1976 die Ver- braucher wieder stärker konsumieren werden und daher die Konsumneigung wieder auf den Wert von 1974, der 0,5429 betrug, ansteigt. Diese Konsum- neigung gilt dann bis zum Ende des Vorausberechnungszeitraumes. Die pessimistischere Annahme geht davon aus, daß die Konsumneigung den Stand von 1975 langfristig beibehält. Das Verbraucherverhalten hat in diesen Variationen also eine dauerhafte Veränderung angenommen. Demgegenüber wird die optimistische Annahme von der Vorstellung geleitet, daß die Ver- braucher ab 1976 wieder das gleiche Konsumverhalten zeigen, wie es für die Jahre 1958 bis 1971 geschätzt wurde.

Alle drei Versionen wurden zusätzlich mit der Annahme simuliert, daß es ab 1977 gelingt, die Inflation einzudämmen. Leider enthält das Kr eile- Modell keinen monetären Teil. Infolgedessen wird angenommen, daß von 1977 bis 1988 ein exogener, jedes Jahr prozentual etwas abnehmender Preis- dämpfungseinfluß auf das generelle Preisniveau des privaten Bereiches, P, einwirkt. Dazu wird der Indexwert 0,05 ab 1977 abgezogen. Dies entspricht im Jahre 1977 einer Prozentzahl von 2,8%, für 1988 sind es nur noch 1,1%.

III. Ergebnisse und Diskussion

1. „Normale" Konsumneigung

Aus der Fülle der gesamtwirtschaftlichen Variablen und der Einnahmen bzw. Ausgaben der Rentenversicherungen werden für die folgende Ergebnis- analyse nur einige wenige verwendet, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Neben dem generellen Preisniveau des privaten Bereiches (P), dem realen Bruttoinlandsprodukt (YREAL) und dem realen privaten Konsum (CPRR) sind in Tabelle 3 die prozentuale Veränderung des Lohnsatzes (LO), die prozentuale Veränderung der Arbeiter (Arb) und der Angestellten (Ang) sowie die Rücklagen in Monatsausgaben zu Lasten des Vorjahres (RU) und der Bundeszuschuß zur Knappschaf ts Versicherung (BKN) für die ,, Normal- entwicklung" wiedergegeben. Ab 1977 zeigt sich eine leichte Tendenz der Inflationseindämmung, die lediglich in den Jahren 1984 und 1985 unter- brochen wird. Die Entwicklung des realen Bruttoinlandsproduktes erfolgt relativ gleichmäßig mit einem durchschnittlichen Wachstum von 3,41%, wobei durch die Annahmen 1975 das geringste Wachstum (2,2%) und 1987 das höchste Wachstum (4,1%) simuliert werden. Der private Konsum liegt

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348 Ralph Brennecke

Tabelle 3

Simulation einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unter Einbeziehung der Renten- versicherung auf der Basis einer Konsumneigung von 0,5429 ab 1976 a

(„normale" Konsumneigung)

P YREAL CPR LO Arb Ang RU* BKN % MRD Real % % % MRD

MRD

1975 6,5 595 318 8,1 -3,7 -2,0 6,1 5,8 1976 6,1 614 323 8,7 0,4 2,7 5,2 6,6 1977 5,7 636 330 8,5 -0,3 1,8 4,0 7,4 1978 595 657 336 8,7 -1,4 1,0 2,9 8,2

(5,3) (656) (335) (8,4) (-1,5) (0,8) (3,5) (8,2) 1979 5,3 679 342 8,8 -1,5 0,9 1,9 9,0

(5,1) (678) (341) (8,6) (-1,5) (0,8) (3,1) (9,0) 1980 5,2 702 348 8,6 -1,4 0,9 1,0 9,8

(4,8) (700) (346) (8,2) (-1,5) (0,6) (3,4) (9,8) 1981 5,0 725 354 8,7 -1,4 0,8 0,5 10,8

(4.7) (723) (352) (8,2) (-1,5) (0,6) (3,9) (10,8) 1982 4,9 751 360 8,8 -1,4 0,9 -0,3 11,8

(4,6) (748) (358) (8,3) (-1,4) (0,7) (4,2) (11,8) 1983 4,9 777 367 8,9 -1,5 0,9 -1,0 13,0

(4,6) (774) (364) (8,5) (-1,5) (0,8) (4,4) (12,9) 1984 5,3 802 373 9,8 -2,2 0,2 -1,7 14,2

(4.8) (800) (370) (9,1) (-1,8) (0,6) (4,6) (14,1) 1985 5,0 830 379 9,85 -1,4 0,9 -2,3 15,5

(4,6) (829) (377) (9,0) (-1,5) (0,9) (5,0) (15,4) 1986 4,8 861 387 9,4 -1,3 1,1 -2,7 17,1

(4,5) (860) (385) (9,0) (-1,5) (1,0) (5,5) (16,8) 1987 4,8 896 395 9,6 -1,3 1,1 -3,1 19,2

(4,5) (894) (393) (9,2) (-1,4) (1,1) (6,1) (18,8) 1988 4,8 931 404 9,8 -1,5 1,2 -3,5 21,2

(4,5) (929) (402) (9,5) (-1,5) (1,2) (6,6) (20,7)

a Die Zahlen in Klammern beinhalten die Ergebnisse nach einer Beitrags- erhöhung für die Arbeiter- und Angestellten- Rentenversicherung im Jahre 1978 auf 19% und im Jahre 1980 auf 20%. b Rücklagen in Monatsausgaben zu Lasten des Vorjahres.

Symbole: P = generelles Preisniveau des privaten Bereiches, YREAL = reales Bruttoinlandsprodukt, CPRReal = realer privater Konsum, LO = prozen- tuale Steigerung des Stundenlohnsatzee, Arb = prozentuale Veränderung der An- zahl der Arbeiter, Ang = prozentuale Veränderung der Anzahl der Angestellten, BKN = Bundeszuschuß zur Knappschaftsversicherung.

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Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen 349

in seinen Wachstumsraten erheblich niedriger ; es ergibt sich ein durchschnitt- liches Wachstum von 1,75% mit seinem Minimum im Jahre 1976 (0,3%) und seinem Maximum im Jahre 1988 (2,3%). Ebenso gleichmäßig ist die Entwick- lung des durchschnittlichen Lohnsatzes ; die prozentuale Veränderung steigt erst 1984 über 9%. Während die Zahl der Arbeiter bis auf 1976 generell sinkt, weist die Zahl der Angestellten ab 1976 eine ständig steigende Tendenz auf. Aus den vom modifizierten Krelle-Moàeìl errechneten prozentualen Verände- rungen der Löhne, der erwerbstätigen Arbeiter und der erwerbstätigen Ange- stellten resultiert eine Eücklage der Rentenversicherung, die ab 1978 die gesetzlich geforderte Mindestrücklage von 3 Monatsausgaben unterschreitet und diese negative Tendenz bis zum Ende des Berechnungszeitraumes bei- behält.

Angesichts dieser Entwicklung würde eine Erhöhung des Beitragssatzes im Jahre 1978 auf 19% und im Jahre 1980 auf 20% notwendig werden. Einige gesamtwirtschaftliche Auswirkungen dieser Erhöhungen können aus den in Klammern stehenden Zahlen der Tabelle 3 abgelesen werden. Im Modellzusammenhang reduziert eine Beitragserhöhung das Nettoeinkommen der Lohnempfänger. Diese Reduktion führt zu vermindertem Konsum (1978: 0,37% weniger, 1980: 1,21%), woraus ein verminderter Gewinn (1978: 0,27% weniger, 1980: 0,77%) und insgesamt eine Verminderung des realen Brutto- inlandsproduktes resultiert. Im Modellzusammenhang ergibt sich außerdem ein Absinken des Preisniveaus, welches generell unter dem der Simulation ohne Beitragserhöhung bleibt. Wegen des Absinkens der Gewinne können nur geringere Lohnabschlüsse vereinbart werden, und die Zahl der Angestell- ten steigt nicht so stark bzw. die Anzahl der Arbeiter nimmt stärker ab. Im Jahre 1980 würden hier rund 25000 Erwerbstätige infolge der Beitrags- erhöhung arbeitslos sein.

Langfristig nimmt der Bundeszuschuß zur Knappschaftsversicherung durch die Beitragserhöhung und die daraus resultierende langsamere Lohn- steigerung geringfügig ab, da die allgemeine Bemessungsgrundlage schwächer steigt. Jedoch wirkt sich dieser Effekt erst ab 1983 deutlich aus. Schon 1978 fallen die gesamten Einnahmen des Staates um 0,71% und 1980 um 1,93% geringer aus als ohne Beitragserhöhung. Mit anderen Worten: Während 1978 ohne Beitragserhöhung 6,41% der Einnahmen gleich wieder als Bundeszu- schuß zur Rentenversicherung gezahlt werden müssen (1980: 6,31%), erhöht sich dieser Prozentsatz durch die Beitragserhöhung und deren Folge wirkun- gen 1978 auf 6,46% (1980: 6,44%).

Wenn es unter sonst gleichen Gegebenheiten gelingt, die Inflation etwas einzudämmen, ergibt sich für die Rentenversicherung ein wesentlich günsti- geres Bild. Aus den Vergleichssimulationen, in denen das Preisniveau ab 1977 linear um den Indexwert 0,05 vermindert wurde, ergibt sich natürlich ein erhöhtes reales Bruttoinlandsprodukt und ein erhöhter realer Konsum. Über eine Modell-Erhöhung der Kapazitätsauslastung werden jedoch zusätz- lich Investitionen vorgenommen, und dadurch sind höhere Lohnsteigerungen möglich. Ebenso ist die Anzahl der Beschäftigten höher als in der oben disku- tierten Version. Insgesamt resultiert daraus für die Rentenversicherung das Ergebnis, daß das Minimum der Rücklage in den Jahren 1984 bis 1986 mit

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1,7 Monatsausgaben erreicht wird und die Kücklagen anschließend wieder steigen (1988: 2,0). Unter diesen Voraussetzungen wäre nur eine einmalige Beitragserhöhung im Jahre 1979 auf 19% nötig, um die Rücklage über dem gesetzlichen Wert von 3 Monatsausgaben zu halten. Entsprechend schwächer würden die negativen Wirkungen der Beitragserhöhung auf die Entwicklung der Modell -Volkswirtschaft einwirken.

Tabelle 4

Gesamtwirtschaftliche Simulationsergebnisse bei einer Konsumneigung von 0,5429 ab 1976 und 0,5529 ab 1977^

(optimistische Konsumneigungsversion)

P YREAL CPR LO Arb Ang RU2 BKN % MRD Real % % % MRD

MRD

1975 6,0 595 318 8,1 -3,7 -2,0 6,1 5,8 1976 6,1 614 323 8,7 0,4 2,7 5,2 6,6 1977 6,7 639 333 9,8 0,02 2,6 4,2 7,4 1978 6,7 662 344 10,4 -1,5 1,9 3,5 8,1 1979 6,9 686 354 11,1 -1,9 2,0 3,1 8,9 1980 7,2 711 364 11,5 -1,7 2,1 3,3 9,8 1981 7,3 737 375 11,9 -1,7 2,0 3,9 10,9 1982 8,2 759 383 13,5 -2,5 1,1 4,7 12,2 1983 9,1 779 390 15,0 -2,9 0,6 5,5 13,6

(9,3) (780) (391) (15,2) (-2,9) (0,7) (4,7) (13,6) 1984 9,9 798 395 16,2 -2,9 0,2 6,7 15,2

(10.1) (799) (396) (16,5) (-3,0) (0,3) (5,2) (15,2) 1985 10,7 818 400 17,4 -2,7 -0,1 8,3 17,2

(10,0) (825) (404) (16,1) (-1,4) (1,4) (6,2) (17,3) 1986 11,5 839 404 18,5 -2,6 -0,2 10,2 19,7

(10.2) (858) (416) (16,2) (-0,8) (2,0) (6,6) (19,9) 1987 12,4 862 408 19,8 -2,5 -0,3 12,3 23,2

(10,2) (895) (430) (16,4) (-0,6) (2,5) (7,3) (23,4) 1988 13,5 886 411 21,1 -2,4 -0,4 14,5 27,0

(10,6) (935) (443) (17,0) (-0,8) (2,8) (8,1) (27,1)

1 Die Zahlen in Klammern beinhalten die Ergebnisse einer Beitragssenkung in der Arbeiter- und Angestellten-Rentenversicherung auf 17% im Jahre 1983 und 16% im Jahre 1986.

2 Rücklagen in Monatsausgaben zu Lasten des Vorjahres.

Symbole: P = generelles Preisniveau des privaten Bereiches, YREAL = reales Bruttoinlandsprodukt, CPRReal = realer privater Konsum, LO = prozen- tuale Steigerung des Stundenlohnsatzes, Arb = prozentuale Veränderung der An- zahl der Arbeiter, Ang = prozentuale Veränderung der Anzahl der Angestellten, BKN = Bundeszuschuß zur Knappschaftsversicherung.

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Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen 351

2. Auswirkungen einer verstärkten Konsumneigung

Geht man von der Annahme aus, daß 1976 die gleiche Konsumquote wie 1974 und 1977 diejenige des Schätzzeitraumes gilt, d.h. daß die Konsu- menten den „Ölschock" und die Vorbehalte durch die unsichere konjunk- turelle Entwicklung völlig überwunden haben, so ergibt sich im Modellzu- sammenhang die Entwicklung, die in Tabelle 4 wiedergegeben wurde.

Für die Kentenversicherung würde dieses Konsumentenverhalten keine Probleme mit sich bringen. Jedoch auch unter diesen optimistischen Hy- pothesen sinkt die Kücklage auf 3,1 Monatsausgaben im Jahre 1979, steigt allerdings von da an kontinuierlich bis zum Ende des Berechnungszeit- raumes. Erkauft wird diese Entwicklung im Modellzusammenhang vor allem mit einer starken Inflation. Der Preisindex auf der Basis von 1962 steigt von 1,6273 im Jahre 1974 auf 5,2253 im Jahre 1988 oder um 221 %. Daraus resul- tiert auch die Entwicklung der "Wachstumsrate des realen Bruttoinlands- produktes ; sie weist eine fallende Tendenz auf und ist im Durchschnitt mit 3,01% geringer als in der „Normal version". Der private Verbrauch hat mit einem Wachstum von 3,1% im Jahre 1977 auf 0,7% für 1988 ebenfalls eine fallende Tendenz.

Die Entwicklung der Löhne ist sowohl nominal als auch real nach oben gerichtet. Demgegenüber nimmt die Anzahl der Arbeiter stärker ab, die der Angestellten bis 1984 stärker zu als in der „Normal version". Allerdings tritt dann eine umgekehrte Tendenz ein ; die hohen Lohnkosten führen im Modell zu ,, Kationalisierungen", wodurch auch Angestellte ihren Arbeitsplatz verlieren.

In dieser Situation wäre - abgesehen von strukturellen Verbesserungen der Leistungen der Rentenversicherungen - eine Beitragssenkung angemessen. Im Modellzusammenhang wurde ab 1983 ein Beitragssatz von 17% und ab 1986 von 16% unterstellt. Die Ergebnisse in Klammern beinhalten diese Simulation im kombinierten ifreZfe-Renten-Modell. Auffallend ist, daß in dieser Version die Verstärkung der Nettolöhne zu einem Anhalten der Infla- tion führt. Der Wirkungszusammenhang ist vielschichtig und nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Durch die zusätzliche Kaufkraft wird das reale Bruttoinlandsprodukt und damit der Index der industriellen Nettoproduk- tion erhöht. Daraus resultieren einerseits verstärkte Investitionen, anderer- seits ebenfalls eine Erhöhung des realen und nominalen Importes. Die Im- porte wirken auf das private generelle Preisniveau dämpfend ein. Ebenso verläuft der prozentuale Anstieg der Stundenlöhne langsamer. Der Bundes- zuschuß an die Knappschaftsversicherung ist sowohl mit als auch ohne Bei- tragsveränderung nominal höher als in der Normal version. Prozentual sind 1986 ohne Beitragssenkung 1,61% der Einnahmen des Staates als Bundes- zuschuß für die KnV wieder auszugeben, mit Beitragssenkung jedoch 1,60%.

Auch mit diesen optimistischen Annahmen über die Konsumfreudigkeit führt eine Senkung des Preisniveaus ab 1977 zu einer gemäßigteren Entwick- lung. Im Jahre 1988 würden die Löhne nur um 18,3% steigen, die Preis- steigerung liegt bei 12,4% und die Rücklagen bei 16 Monatsausgaben. Diese günstigere Entwicklung der finanziellen Lage der Rentenversicherung resul- tiert aus höheren Lohnzuwachsraten in den Jahren 1977 bis 1985, obwohl im

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Modellzusammenhang die Zahl der Arbeiter stärker abnimmt als ohne Inflationsdämpfung.

Tabelle 5

Gesamtwirtschaftliche Simulation einer zurückhaltenden Konsumneigung (0,5354 ab 1975) a

P YREAL CPR LO Arb Ang RUb BKN % MRD Real % % % MRD

MRD

1975 6,0 595 318 8,1 -3,7 -2,1 6,1 5,8 1976 5,3 612 321 7,8 0,2 2,1 5,1 6,6 1977 4,7 632 324 7,2 -0,3 1,0 3,5 7,4

(4.6) (632) (324) (7,0) (-0,4) (0,9) (4,1) (7,4) 1978 4,4 652 327 7,0 -1,5 -0,2 1,9 8,2

(4,1) (650) (325) (6,6) (-1,5) (-0,4) (3,6) (8,2) 1979 3,9 672 330 6,8 -1,6 -0,3 0,2 8,9

(3.5) (669) (327) (6,1) (-1,7) (-0,8) (3,5) (9,0) 1980 3,6 693 332 6,4 -1,5 -0,3 -1,5 9,7

(3,1) (689) (328) (5,6) (-1,6) (-0,8) (3,8) (9,7) 1981 3,3 715 334 6,2 -1,5 -0,4 -3,1 10,6

(2.8) (710) (329) (5,5) (-1,6) (-0,9) (4,1) (10,5) 1982 3,1 739 337 6,1 -1,5 -0,4 -5,2 11,4

(2.7) (733) (331) (5,5) (-1,6) (-0,8) (4,0) (11,3) 1983 2,9 764 340 6,0 -1,5 -0,4 -7,3 12,3

(2.6) (757) (334) (5,5) (-1,6) (-0,6) (3,6) (12,1) 1984 2,6 791 342 5,8 -1,5 -0,4 -9,5 13,2

(2,3) (784) (336) (5,4) (-1,6) (-0,5) (3,2) (13,0) 1985 2,4 819 345 5,7 -1,6 -0,3 -11,8 14,2

(2,1) (813) (339) (5,3) (-1,6) (-0,3) (2,7) (13,9) 1986 2,2 849 349 5,6 -1,6 -0,3 -14,3 15,3

(1.9) (844) (342) (5,2) (-1,6) (-0,4) (2,7) (14,8) 1987 2,0 882 352 5,5 -1,6 -0,3 -16,9 16,8

(1.7) (876) (345) (5,0) (-1,7) (-0,4) (2,5) (16,3) 1988 1,8 918 356 5,4 -1,7 -0,3 -19,6 18,0

(1,5) (911) (340) (4,9) (-1,7) (-0,4) (2,2) (17,4)

a Die Zahlen in Klammern beinhalten die Ergebnisse nach Beitragserhöhungen auf 19% ab 1977, 20% ab 1978, 21% ab 1979, 22% ab 1980 und auf 23% ab 1986.

b Rücklagen in Monatsausgaben zu Lasten des Vorjahres.

Symbole: P = generelles Preisniveau des privaten Bereiches, YREAL = reales Bruttoinlandsprodukt, CPRReal = realer privater Konsum, LO = prozen- tuale Steigerung des Stundenlohnsatzes, Arb = prozentuale Veränderung der Anzahl der Arbeiter, Ang = prozentuale Veränderung der Anzahl der Angestellten, BKN = Bundeszuschuß zur Knappschaftsversicherung.

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Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen 353

3. Probleme der Rentenversicherung bei niedriger Konsumquote

Völlig anders lauten die Ergebnisse, wenn man unterstellt, daß die stark eingeschränkte Konsumneigung des Jahres 1975 bis zum Ende des Berech- nungszeitraumes erhalten bleibt. Tabelle 5 enthält eine katastrophale Ent- wicklung der Eücklagen der Rentenversicherung. Zwar nimmt das reale Bruttoinlandsprodukt mit einer gleichmäßigen Tendenz durchschnittlich um 3,32% zu, jedoch liegt die Wachstumsrate des privaten Konsums bei 0,83. Diese Entwicklung führt einerseits zu einer starken Verminderung der Preissteigerungen des privaten Bereiches, andererseits aber auch zu immer kleineren Lohnzuwachsraten bei einem verstärkten Rückgang der Arbeiter und einer nahezu gleichbleibenden Abnahme der Angestellten.

Die Zahl der Arbeitslosen steigt von ca. 2% im Jahre 1977, die laut Modellannahmen festgelegt wurden, auf ca. 4% bzw. auf die gleiche Arbeits- losenzahl, wie sie Ende 1974 in der Bundesrepublik beobachtet wurde. Der Budgetsaldo des Staates, welcher als Saldo der Modelleinnahmen abzüglich der Ausgaben für Güter und Dienste, der Transferzahlungen und der staat- lichen Lohnausgaben definiert ist und somit nur die Tendenz des tatsächlichen Saldos widerspiegeln kann, ist ab 1987 ständig negativ, d.h. die Ausgaben des Staates werden nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt.

Im Modellzusammenhang sind nur noch die gleichbleibenden Exporte für eine wachsende Wirtschaft verantwortlich, die ex definitione das private Bruttoinlandsprodukt erhöhen und damit auch die als Restgröße definierten privaten Gewinne, während die Importe eine weniger stark steigende Ten- denz aufweisen als in der Normal version. Diese Entwicklung äußert sich auch in der Lohnquote, die von 0,65 im Jahre 1973 auf 0,57 im Jahre 1988 ab- nimmt. Eine zusätzliche Exporteinbuße, von der jedoch hier in allen Simula- tionen abstrahiert wurde, hätte eine noch schlechtere Entwicklung zur Folge.

Zusätzlich zu den ohnehin geringen Lohnsteigerungsraten sind in einer derartigen Entwicklung kräftige Beitragserhöhungen für die Rentenversiche- rung nötig. Die in Klammern stehenden Ergebnisse beinhalten Beitrags- erhöhungen im Jahre 1977 auf 19%, 1978 auf 20%, 1979 auf 21%, 1980 auf 22% und 1986 auf 23%. Selbst mit diesen Erhöhungen wird die gesetzlich geforderte Mindestrücklage ab 1985 leicht unterschritten. Hinzu kommt eine weitere Verminderung des realen Konsums und eine in dieser Situation vielleicht nicht mehr nötige Senkung der Preissteigerung.

4. Indikatoren zur Messung der unterschiedlichen Entwicklungen

Versucht man, die hier simulierten Variationen der Konsumneigung bei unterschiedlichen Annahmen über die Preisentwicklung in ihren Auswirkun- gen auf die Lohnempfänger, die Rentner und den Staat zu messen, so sind an erster Stelle dafür geeignete Indikatoren heranzuziehen.

Wünschenswert wäre es, auf einen Satz sozialer Indikatoren zurückgrei- fen zu können. Für die Rentner wäre beispielsweise die Veränderung des

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Pensionierungssprunges (individuell und pro Haushalt)1 durch unterschied- liche wirtschaftliche Entwicklungen ein aussagekräftiger Indikator. Leider sind jedoch bei dem hier zur Verfügung stehenden Datenmaterial derartige Berechnungen wegen der zu hohen Aggregationsebene nicht möglich.

In dieser Studie wurde für den Staat, die Rentner und die unselbständig Beschäftigten je ein aus makroökonomischen Daten bestimmbarer Indikator ausgewählt. Als Maßzahl für den Staat ist der prozentuale Anteil aller Bun- deszuschüsse der Rentenversicherungen an den Modelleinnahmen des Staates berechnet worden. Diese Zahl gibt an, welcher Prozentsatz der Einnahmen sofort wieder an die Rentenversicherung als Zuschuß auszugeben wäre. Für die Rentner wurde das Vielfache des durchschnittlichen Rentnereinkommens zum durchschnittlichen Erwerbspersoneneinkommen gewählt. Man hätte hier auch das durchschnittliche Erwerbstätigeneinkommen verwenden kön- nen. Im Modellzusammenhang bewirkt ein Anstieg der Arbeitslosenzahl bei gleicher Lohnsumme jedoch einen Anstieg des durchschnittlichen Erwerbs- tätigeneinkommens und damit eine Verschlechterung des Vielfachen. Für die abhängig Beschäftigten wurde in Anlehnung an Glatzer und Krupp2 eine Lohn-Einkommensquote aus dem Anteil des verfügbaren Einkommens (ohne Pensionen und Renten) am Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen - in laufen- den Preisen - berechnet.

Aus den oben diskutierten Simulationsergebnissen für unterschiedliche Annahmen des Konsumentenverhaltens wurden die skizzierten Indikatoren für das letzte Jahr der Vorausberechnung, 1988, in Tabelle 6 zusammengestellt.

Akzeptiert man, daß der jeweilige Indikator einen möglichst günstigen Wert für die Rentner, die Lohnempfänger und den Staat erreichen sollte, so wäre für den Staat ein konsumfreudiges Verhalten, für die Rentner und Lohnempfänger jedoch eine zurückhaltende Konsumneigung mit Inflations- minderung eine optimale Lösung. Die schlechteste Entwicklung anhand der Indikatoren ist für die drei Gruppen unterschiedlich. Die Rentner werden am stärksten durch eine dauerhafte, stetige Aufwärtsentwicklung benach- teiligt, während für die Lohnempfänger die Beitragserhöhungen der Version 11 aus Tabelle 6 die ungünstigste Entwicklung darstellt. Der Staat schließ- lich hat bei zurückhaltendem Konsumverhalten mit Inflationsminderung und Beitragserhöhungen den höchsten Anteil der Einnahmen für Bundes- zuschüsse vorzusehen.

Ordnet man die Indikatorenwerte der drei Gruppen in ein Präferenz- schema, welches durch die Höhe des jeweiligen Indikators für 1988 deter- miniert wird, so ergibt sich nicht nur, daß die jeweiligen optimalen bzw. ungünstigsten wirtschaftlichen Entwicklungen für die drei Gruppen differie- ren, sondern auch für einen mittleren Bereich der Indikatoren die dazu- gehörigen wirtschaftlichen Entwicklungen unterschiedlich sind. Obwohl ge-

1 Wolfgang Glatzer und Hans-Jürgen Krupp : Soziale Indikatoren des Einkom- mens und seiner Verteilung für die Bundesrepublik Deutschland, in: Wolf gang Zapf (Hrsg.): Soziale Indikatoren, Konzepte und Forschungsansätze III, Frankfurt 1975, S. 224ÍF. 2 Ebenda, 8. 193ff.

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Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen 355

nauere Interpretationen erst durch eine differenziertere Untersuchung von verschiedenen Indikatoren im Zeitverlauf möglich werden, liegt die Vermu- tung nahe, daß ein Ausgleich zwischen Benachteiligung und Vorteilen der hier gebildeten Gruppen erst durch konjunkturelle Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht wird. Eine relativ gleichmäßige Ent- wicklung, wie sie innerhalb einer Simulation des Vorausberechnungszeit- raumes vorlag, ändert die Konstellation der gewählten Indikatoren nicht. Damit soll angedeutet werden, daß eine Konjunkturpolitik ohne Beachtung der Sozialpolitik in einem komplexen Wirtschafts- und Sozialstaat zu schwer- wiegenden Problemen führen kann.

Tabelle 6

Indikatoren unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung für 1988

BQS1 ANTRENT2 LEQ3

1. Alle Versionen 1975 6,403 0,3791 0,3685 2. 1988: „Normalversion" 1 5,921 0,3737 0,3125 3. „Normal version" mit Beitragserhöhung 4 6,059 0,3778 0,3063 4. „Normal version" mit Inflations-

minderung 8 6,456 0,4354 0,3673 5. „Nor mal version" mit Inflations-

minderung und Beitragserhöhung 9 6,560 0,4397 0,3651 6. Konsumfreudiges Verhalten 2 4,734 0,3112 0,3254 7. Konsumfreudiges Verhalten mit

Beitragsminderung 10 4,749 0,3378 0,3208 8. Konsumfreudiges Verhalten mit

Inflationsminderung 11 5,141 0,3653 0,3538 9. Konsumfreudiges Verhalten mit

Inflationsminderung und Beitrags- senkung 12 4,938 0,3538 0,3565

10. Zurückhaltendes Konsumverhalten 3 6,641 0,3804 0,2978 11. Zurückhaltendes Konsumverhalten

mit Beitragserhöhung 5 6,896 0,3864 0,2831 12. Zurückhaltendes Konsum verhalten

mit Inflationsminderung 6 7,501 0,4730 0,3692 13. Zurückhaltendes Konsum verhalten

mit Inflationsminderung und Beitragserhöhung 7 7,698 0,4727 0,3600

1 Prozentualer Anteil aller Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung an den Einnahmen des Staates.

2 Pro-Kopf- Anteil des Renteneinkommens am pro-Kopf-Einkommen des Erwerbspersoneneinkommens. 3 Lohn-Einkommensquote: Anteil des verfügbaren Einkommens der Lohn- bezieher am Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen (laufende Preise).

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356 Ralph Brennecke

IV. Zusammenfassung

Einige grundsätzliche Tendenzen der Simulationsergebnisse sollen ab- schließend noch verdeutlicht und erörtert werden. Von Tendenzen wird des- halb gesprochen, weil die Interpretation absoluter Zahlen bei der Fülle der Einschränkungen und Voraussetzungen nicht gerechtfertigt erscheint.

Aus den verschiedenen Simulationen wird erkennbar, daß die Entwick- lung der rechnerischen Rücklagen der Rentenversicherungen weniger von den Basisannahmen abhängt1 - diese sind in allen Simulationen unverändert geblieben - als vielmehr von den Annahmen über die Lohnsteigerungen und die Veränderungen in der Anzahl der Beschäftigten. Die Entwicklung dieser Variablen ist jedoch abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik. Dadurch bleiben Ergebnisse, die das BMA veröffentlicht, so lange fragwürdig, bis die Annahme über die künftige wirtschaftliche Lage mit im Rentenbericht enthalten ist.

Erst unter Beachtung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge kann sinnvoll beurteilt werden, ob eine Beitragserhöhung bzw. -Senkung angemes- sen ist oder nicht. Die Ergebnisse dieser Studie beinhalten unter der Voraus- setzung, daß keine grundsätzliche Änderung der Korsumneigung zu Lasten oder zu Gunsten der Sparleistung aus Beitragsveränderungen resultiert, eine preistreibende (preisdämpfende) Tendenz von Beitragssenkungen (Beitrags- erhöhungen) für Sozialversicherungen. Als Sekundärwirkung ergab sich, daß durch Beitragserhöhungen Bruttolohnsenkungen über die Verminderung des verfügbaren Einkommens impliziert werden et vice versa. Hier zeigt sich, daß Sozialpolitik nicht unabhängig von der Wirtschaftspolitik ist und daß sozialpolitische Maßnahmen wirtschaftspolitische Zielwerte beeinflussen können.

Weiterhin wurde in der Modellstudie durch Beitragserhöhungen in einer ohnehin schlechten wirtschaftlichen Entwicklung das Wachstum der Volks- wirtschaft zusätzlich gedämpft. Daraus resultieren geringere Steuereinnah- men, was bei gleichbleibenden Ausgaben der Rentenversicherungen zu höhe- ren Belastungen des Staatshaushaltes führt. Umgekehrt begünstigt eine Beitragssenkung nicht nur das Nettoeinkommen der Lohn- und Gehalts- empfänger, sondern auch - über höhere Wachstumsraten der Volkswirtschaft und ein höheres Steueraufkommen - den Staat und führt zu einer niedri- geren Belastung durch Bundeszuschüsse an die Sozialversicherung.

Ein der traditionellen volkswirtschaftlichen Lehre zuwiderlaufendes Ergebnis zeigte sich in bezug auf die Wirkungen einer Inflationseindäm- mung. Während - nach Woll2 - das Phillips- Theorem besagt, daß bei einer hohen Inflationsrate die Arbeitslosenquote niedriger ist als bei einer niedrigen Inflationsrate, ergaben die hier durchgeführten Simulationen, daß im Modell- zusammenhang eine Dämpfung der Inflation tendenziell gesamtwirtschaftlich

1 Damit wird die Argumentation von Hans Bruno: Zur Problematik lang- fristiger Vorausberechnungen für die Rentenversicherung, in: Deutsche Renten- versicherung, 2. Heft 2/1974, S. 75-82, teilweise widerlegt. 2 Arthur Woll: Allgemeine Volkswirtschaltslehre, 4. Aullage, muncnen iy/4, S. 382.

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Einfluß der Konsumneigung auf die finanzielle Lage der Rentenversicherungen 357

zu einer geringeren Arbeitslosigkeit und damit zu einer günstigeren Finanzlage der Rentenversicherung fuhrt. Allerdings ist an dieser Stelle eine Differenzie- rung nötig. Die „ursprüngliche" Phillips-Kurve1, die eine Abhängigkeit der Lohnquote von der Arbeitslosenquote beinhaltet, ist in ihrem Verlauf ten- denziell auch in den Simulationen enthalten. Dagegen ist die von Lipsey vor- genommene Erweiterung, daß die Wachstumsrate des Lohnsatzes positiv von der Wachstumsrate des Preisniveaus abhängt, im Modellzusammenhang nicht enthalten. Es bleibt zu prüfen, woraus dieser Wirkungszusammenhang im Modell resultiert und ob er plausibel ist oder nicht.

Im modifizierten Krelle-Moaell kann man mindestens zwei Wirkungen einer Inflationseindämmung unterscheiden. Im Bereich der Arbeitsnachfrage ergibt ein höheres Bruttoinlandsprodukt ex definitione eine höhere Nach- frage nach Arbeitern und damit eine höhere Gesamtbeschäftigung. Das Ar- beitsangebot schrumpft mittels Verhaltensgleichungen, die vom realen Kon- sum pro Kopf abhängen. Der reale Konsum steigt, und damit fällt die ge- wünschte Arbeitszeit der Beschäftigten. Beide - hier vereinfacht dargestell- ten - Wirkungen erscheinen nicht unplausibel und führen dazu, daß die pro- zentuale Abweichung der modell-tatsächlichen von der gewünschten Arbeits- zeit pro Erwerbsperson positiv wird und damit mehr Personen beschäftigt werden als ohne Inflationseindämmung.

Berücksichtigt man zusätzlich, daß die Frage, ob die Phillips-Tiuive eine tatsächlich gültige Kelation ist, nach wie vor unterschiedlich beantwortet wird, so kann nicht von Anfang an von unplausiblen Ergebnissen ausge- gangen werden. Schloenbach weist durch sorgfältige Analysen nach, daß ein enger und stabiler Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate des Geld- lohnsatzes und der Arbeitslosenrate für 1957 und 1968 nicht signifikant ist2 und daß in jeder Konjunkturphase für die Bundesrepublik eine eigene, stabile Phillips-Kuive existiert; gravierende konjunkturelle Umschwünge führen zu Veränderungen im Verhalten der Anbieter und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt, die sich in Verschiebungen und Drehungen der Phillips- Kurve bemerkbar machen3. Damit ist es keinesfalls eindeutig, daß das Phillips-Theoiem für den hier verwandten Vorausberechnungszeitraum Gül- tigkeit haben muß.

Wenn der im Modell simulierte Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit in der Realität zutrifft, dann führt eine Eindämmung der Inflation zu einer besseren Finanzlage der Rentenversicherungen. Für eine genauere Beurteilung dieser Zusammenhänge sind jedoch weitere, erheblich differenziertere Untersuchungen nötig.

1 Vgl. dazu die ausführliche Untersuchung von Knut Schloenbach: ökonome- trische Analyse der Lohn- und Arbeitsmarktentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland 1957-1968, Meisenheim 1972, S. 46ff. 2 Ebenda, S. 105. 3 Ebenda, S. 115 ff.

24 Finanzarchiv N. F. 34 Heft 2

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