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Der Anfang

Vor fast genau drei Jahren konnte an die-ser Stelle von einem ersten Besuch in derrussischen Stadt Chernyachovsk, demfrüheren Insterburg, berichtet werden.Seinerzeit galt der Besuch einer Veran-staltung anlässlich einer wiederentdeck-ten Siedlung von Hans Scharoun. DerBesuch war kurz, die Eindrücke tief unddie geknüpften Bande dauerhaft. Wäh-rend der zwischenzeitlich eher privatenAufenthalte entstand aus den Gesprä-chen mit Freunden, Kollegen und Vertre-tern der Stadtverwaltung, die Idee einesgemeinsamen Erfahrungsaustauscheszur Altbausanierung.

Die Konferenz

Am 10. und 11. Oktober 2013 fandschließlich eine Konferenz unter demThema „Erfahrungen beim Wiederaufbauund Perspektiven für die Wiederbele-bung historischer Bauten“ statt. Die Teil-nehmer kamen aus der RussischenFöderation, der Republik Tatarstan undder Bundesrepublik Deutschland. Diedeutsche Delegation wurde von der Bau-kammer Berlin angeführt.

Beginn des dicht gedrängten Programmswar ein ausgedehnter Rundgang durch diealten Stadtviertel von Chernyachovsk.

Herr Wachonin, Bürgermeister der Stadteröffnete die Tagung. Herr Wolff, als Ver-treter der Baukammer Berlin, konnteGrußwort und Schreiben des Baukam-merpräsidenten übergeben.

Den ersten Vortrag hielt Frau Issa, Dokto-randin an der Technischen UniversitätBerlin. Im Mittelpunkt standen Fragender Stadtgestaltung, der Entwicklungvon Stadträumen und dem Umgang mitbaulichem wie kulturellem Erbe. Am Bei-spiel Berliner Straßen und Plätze (Lenin-platz/Platz der Vereinten Nationen, Kan-delaber in der Frankfurter Allee) sowieFassaden und Stadtmöbeln wurdensowohl positive als auch negative Erfah-rungen aufgezeigt.

Herr Hichlja vom Kulturministerium derRussischen Föderation, mit Sitz in Kali-ningrad, informierte über die russischenGesetze zum Denkmalschutz, ihreAnwendung und mitunter auch Durch-setzung.

Wesentlicher Unterschied zu Deutsch-land ist nicht nur ein landeseinheitlichesGesetz, sondern auch die Einteilung derDenkmäler in örtliche, regionale undföderale Ebenen. Das Schloss Insterburgbeispielsweise zählt zu den föderalenDenkmalen. Herr Wolff ging in seinemVortrag auf die zahlreichen Gemeinsam-keiten in Konstruktion und Gestaltungdes Altbaubestandes von Berlin undInsterburg ein.

Mehrgeschossige Wohnhäuser, Innen-höfe, Balkone und Dachlandschaften inChernyachowsk unterscheiden sich vonden Berliner und Brandenburger Bautenoft nur in geringen Details. Die gemeinsa-me bautechnische Geschichte ist deut-lich nachvollziehbar. Herr Hross, eben-falls Mitglied der Baukammer Berlin, gingin seinem Vortrag insbesondere auf dieenergetischen Fragen der Altbausanie-rung ein. Wieviel sollen und können Alt-bauten, vor allem Fassaden, ertragen.Welche Möglichkeiten bieten sich, durchgeeignete Heizungs- und Lüftungskon-zepte Energie zu sparen und trotzdem

den Stadtcharakter zu erhalten.

Herr Jockeit, Architekt aus Berlin, schil-derte anhand praktischer Beispiele, wieFensterdetails und Holzkonstruktionen,Stucksanierungen und Farbrestaurierun-gen, den Weg vom verfallenen zum wie-derbelebten Denkmal.

Beeindruckend war der Vortrag von FrauHeirullina aus Kasan, der HauptstadtTatarstans. Sie stellte das '500 Tage Pro-jekt' vor, mit dem die fast schon zerfalle-ne und dem Abriss preisgegebene, über1000jährige Altstadt gerettet und in alterPracht wieder aufgebaut wurde. KurzeWege zwischen Investor, Planern undVerwaltung sowie die Erkenntnis und dasBewusstsein des Wertes des baulichenErbes machten Entscheidungs- undRealisierungszeiträume möglich, die teil-weise schon atemberaubend waren.

Schließlich stellte Frau Smirnova ausChernyachovsk Kulturprojekte vor, mitdenen insbesondere Jugendliche gezieltZugang zur Stadt und ihrer Geschichtebekommen sollen.

Baukammer Berlin 4/2013 | 49

Denkmalschutz und -pflege

Von Insterburg nach Chernyachovsk – Ein WiedersehenDipl.-Ing. M.Sc. Wilfried Wolff

Schloss Insterburg vor dem 2. Weltkrieg1

Schloss Insterburg 2013

Gesamtkonzept zur Gestaltung des ehemaligen Schlossteiches und Stadtparkes2

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In seiner teils sehr persön-lich gehaltenen Abschluss-rede würdigte der Cher-nyachovsker Bürgermei-ster die anspruchsvollenVorträge und intensivenDiskussionen. Er gab derÜberzeugung Ausdruck,dass weitere fruchtbareTreffen folgen werden.

Der Stadtrundgang

Obwohl, besonders imVergleich zu Kaliningrad/Königsberg, „relativ“ glimpflich davongekommen, sind auch in Chernyachovskdie Spuren des Krieges noch heuteschmerzhaft zu erkennen.

Von dem einst monumentalen Schloss-bau sind nur noch Reste verblieben.

Der Grundstein für das Schloss wurde1236 durch Dietrich von Altenburg,Hochmeister des Deutschen Ordens,gelegt. Es befindet sich auf einer strate-gisch günstigen Anhöhe, wo die FlüsseAngerapp, Pissa und Inster zusammen-fließen. Letzterer gab dem Schloss undspäter der Stadt ihren Namen. Derursprünglich hölzerne Bau wurde balddurch einen Steinbau ersetzt, diente alsResidenz des Kompturs und wurde spä-ter zu einer mittelalterlichen Verteidi-gungsanlage mit integriertem Klosterumgebaut. Im 18. und 19. Jahrhundertbefanden sich auf dem ausgedehntenAreal das Hof- später Landgericht,Lagerhäuser, ein Napoleonisches Laza-rett und das Heimatmuseum. 1945brannten die Gebäude teilweise ab.

Auf dem Weg vom Schloss zur Stadtkommen wir am östlichen Ufer desSchlossteiches vorbei. Ein neuer gepfla-sterter Weg führt seit dem Sommer zumLeninplatz. Im Auftrag von Stadtverwal-tung und Goethe-Institut ist in den letz-ten Jahren ein Projekt zur Neugestaltungdes gesamten Umfeldes gereift.

Denkmalschutz und -pflege

50 | Baukammer Berlin 4/2013

Wohnhaus in der uliza Sowjetska-ja mit Fassadendetail (rechts).

Der Austausch alter Kastenfen-ster hat auch vor Chernyachovsknicht Halt gemacht. Die Dächersind schon seit langem mit Wellas-bestzementplatten gedeckt. IhrAustausch, Rückbau und dieSanierung gehören zu den lang-fristigen und aufwändigen Vorha-ben.

Nahe dem Schlossteich, wo sich einst eineMühle drehte und heute ein Wohnhaussteht, erinnert ein Putzmedaillon an dieStadtgründung 1336.

ehemaliges Parkcafé und Blick zur Stadt 3

W. I. Lenin(1870-1924)

Barclay de Tolly(1761 - 1818)

Blick über den Leninplatz, 2013

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Herr Prof. Wenzel (Stadt- und Land-schaftsplaner) und Frau Kunitskaja(Architektin) konnten Anfang Septemberdiesen Jahres ihr Konzept zur Neugestal-tung des Schlossteiches und der Lenin-straße in einer Ausstellung vor der Stadt-verwaltung und den Bürgern präsentie-ren.

Der schon erwähnte Leninplatz ist einerder zentralen Punkte der Stadt.Ursprünglich allseitig umbaut, ist diegesamte schlossseitige Bebauung ver-schwunden. Statt ihrer befindet sich hiereine ausgedehnte Grünanlage. Nicht nurder Name des Platzes selbst, sondernauch der Umgang mit Geschichte undPersonen der Geschichte regt zumNachdenken an.

An den Längsseiten des Platzes stehensich zwei überlebensgroße Skulpturengegenüber. Barclay de Tolly und WladimirIljitsch Lenin. Der Eine: General im Dien-ste des Zaren (besonders im Kampfgegen Napoleon) - Revolutionsführergegen den Zaren der Andere. Zeitgleichmit Sicherheit erbitterte Gegner habenheute beide ihren Platz in der Geschich-te. Der Berliner Umgang mit Personender Zeitgeschichte, die mehrfacheUmsetzung des Denkmals Friedrichs desGroßen und die völlige Entfernung desLenindenkmals, wurden sehr interessiertzur Kenntnis genommen. Die künftigeBebauung des Chernyachovsker Lenin-platzes und der angrenzenden Straßenund Plätze wird gegenwärtig diskutiertund ist Teil von Wettbewerben und inter-nationalen Projekten.

Nach einem kurzen Besuch des ehemali-gen Gesellschaftshauses (später Offi-ziers- und Kulturhaus) kommen wir vor-bei an den Märkten. Der „traditionellebäuerliche“ Markt mit frischen Äpfeln,Birnen und Gemüse geht über in den„neuen“ Marktbereich mit Kaffee, Tee,Kosmetik, Kleidung und den berühmtenrussischen „Mischka-Konfekten“. Sogelangen wir unversehens mitten in denAltstadtbereich. Die Wohnhäuser ausdem Zeitraum 1870 bis 1940 zeigen dieFassaden teils Elemente des Jugendstil,teils des Neoklassizismus. Mit Balkonen,Apsiden und Karyatiden gegliedert undgeschmückt lassen sich alte wie neuePracht phantasievoll vor den Augen desBetrachters erahnen.

Vorbei am alt-ehrwürdigen Wasserturm,mit dem ehemaligen kleinen Blumenla-den, gelangen wir zu einer langen, fastungestörten Gebäudefront auf der Nord-seite der ul. Sowjetskaja. Wir betreteneine um einen geschlossenen Innenhof

Baukammer Berlin 4/2013 | 51

Denkmalschutz und -pflege

Straßenfront der uliza Sowjetskaja

Schmuckgiebel an Straßenfront Innenhof „Port Arthur“

Gelände der ehem. Artillerie-Kaserne im Osten der Stadt

Decken- und Dachkonstruktion, gemauert auf Stahlstützen

Fachwerkträger Gusseiserne Druckstreben

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angeordnete Wohnanlage.Der Name„Port Arthur“ klingt ungewöhnlich. Wie-der zu Hause angekommen, enthüllt einBlick in die Bücher ein düsteres Kapitelaus der Zeit des Russisch-JapanischenKrieges. Nach über drei monatiger Bela-gerung fiel die russische Festung. Vonüber 50.000 Mann Besatzung gingennach blutigen Gefechten und der Kapitu-lation am 2. Februar 1905 noch über35.000 Soldaten in japanische Gefan-genschaft.

Einmal mehr zeigt sich hier die Symbolikvon Straßen- und Platznamen bzw. ihrerUmbenennung.

Der Innenhof von „Port Arthur“ zeigt eineliebevoll gepflegte Grünanlage, aberauch den dringenden Bedarf, klareRegeln für Fassaden- und Dachgestal-tungen zu erlassen und durchzusetzen.

Insterburg wie Chernyachovsk warenstets Standorte des Militärs. Von der mit-telalterlichen Burganlage über die preu-ßischen Kasernen bis hin zu den Rake-tenstandorten zu sowjetischer Zeitwaren hier stets Soldaten und Kriegsge-rät stationiert. Ein (Militär)Flughafen am

Rande der Stadt ist noch immer inBetrieb.

Die Nutzung der Kasernen für die Infan-terie bzw. Artillerie gab dann auch vielenStraßen in preußischer Zeit, ihre Namen,wie Infanteriestraße (heute ul. Gagarina)oder Artilleriestraße (heute ul. Tuchat-schewskovo). In den letzten Jahrennahm die Militärpräsenz permanent ab.Kasernen stehen zusehends leer. Kon-zepte für ihre Umnutzung müssen viel-fach erst noch entwickelt werden.

Wie die Wohngebäude der Altstadt stel-len auch die zwischen 1887 und 1900

errichteten Kasernen wertvolle Zeugnis-se der Baukunst und Baukonstruktiondar.

Zum Abschluss führt „Burgfee“ Vladadurch das Museum im Schloß. Hier istder Ort, wo sich Geschichte und Neuzeitwohl am intensivsten begegnen und ver-binden.

Die Konferenzteilnehmer erlebten inChernyachowsk eine Stimmung des Auf-bruchs und des Suchens. Stadtverwal-tung und Bürger versuchen Vergangeneszu bewahren, Geschichte aufzuarbeitenund auf dem Weg in die Zukunft ihrerStadt zu integrieren.

Ein Besuch der Stadt lohnt sich, – auchaußerhalb von Konferenzen und Tagun-gen um Land und Leute, gemeinsameund – getrennte Geschichte zu erleben.

Quellen

1 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kultur-besitz

2 Auszug aus Projektdokumentation Prof. J.Wenzel, N. Kunitskaja

3 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kultur-besitz

4 Fond Domzamok

Denkmalschutz und -pflege

52 | Baukammer Berlin 4/2013

Führung durch das Schlossmuseum 4

Preis der Baukammer Berlin 2013für besonders gute Abschlussarbeiten auf dem Gebiet des Bauingenieur- und Vermessungswesens

an den Berliner Hochschulen und der Technischen Universität Berlin.

Mit dem Preis der Baukammer soll die Vielseitigkeit des Bauingenieurwesens anhand von herausragenden undsich durch besondere Kreativität auszeichnenden Abschlussarbeiten gezeigt werden.

Die Abschlussarbeiten aus dem Jahr 2013 müssen bis zum 31.01.2014 eingereicht werden.

Nähere Informationen:Baukammer Berlin · Gutsmuthsstr. 24 · 12163 Berlin · Tel.: (030) 79 74 43-0 · www.baukammerberlin.de