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David Oistrach, Violine Paul Badura Skoda, Klavier “The Last Recital” GEN 85050 Nach dem großartigen, audiovisuell gestalteten Ensemble, das Andante vor einigen Monaten herausgebracht hat (vgl. Nr. 533), hier erneut eine Liveaufnahme mit David Oistrach und Paul Badura-Skoda, die allerdings zwei Jahre später entstand, am 29. Mai 1974: Es sollte das letzte Rezital des Violinisten sein. Der gänzlich unveröffentlichte, wunderbare Mitschnitt zeugt erneut von der Meisterschaft dieses Duos. Oistrach, begeistert vom Können des Pianisten, hatte Wert darauf gelegt, dass ihren ersten Konzerten eine Probenwoche vorausging. Im Alter von fast 65 Jahren wollte der Virtuose auf diese Weise tief in das Mozarteische Universum eintauchen und von seinem Partner alle Feinheiten dieser Sprache erlernen. In dem ausgesprochen schönen Booklet erinnert sich der Pianist bewegt an diese Momente, die zu den bedeutsamsten seiner Karriere zählen. Mit seiner Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit und Vornehmheit beflügelte Oistrach ihn zu Höchstleistungen. Bei Mozart, zu dem es bereits frühere Zeugnisse in dieser Konstellation gibt, fällt ihr Dialog dezent und zärtlich zugleich aus, ehrlich, stilvoll und ohne jede Affektiertheit. Man entdeckt die beiden Künstler in zwei Sonaten von Schubert und Beethoven, die Oistrach bereits mehrfach eingespielt hat (mit Oborin, Bauer und Richter). Auch hier ist der Dialog von beispielhafter Substanz und Klarheit und vollendet ausgewogen. Geige und Klavier sprechen dieselbe Sprache, wobei der Grad ihrer Komplizität sich an jedem noch so kleinen Detail misst, was Tempo, Einsatz, Dynamik und Nuancierung angeht – der langsame Satz von Beethovens c-Moll-Sonate ist diesbezüglich ein Monument. Mehrere Zugaben und ein Proben-Fragment (aus Wien, allerdings dem Jahr 1972 stammend) runden das großartige Rezital ab. Jean-Michel Molkhou

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Page 1: David Oistrach, Violine Paul Badura Skoda, Klavier “The Last … · 2014. 4. 17. · Paul Badura Skoda, Klavier “The Last Recital” GEN 85050 Nach dem großartigen, audiovisuell

David Oistrach, ViolinePaul Badura Skoda, Klavier

“The Last Recital”GEN 85050

Nach dem großartigen, audiovisuell gestalteten Ensemble, das Andante vor einigen Monatenherausgebracht hat (vgl. Nr. 533), hier erneut eine Liveaufnahme mit David Oistrach und PaulBadura-Skoda, die allerdings zwei Jahre später entstand, am 29. Mai 1974: Es sollte das letzteRezital des Violinisten sein. Der gänzlich unveröffentlichte, wunderbare Mitschnitt zeugterneut von der Meisterschaft dieses Duos. Oistrach, begeistert vom Können des Pianisten,hatte Wert darauf gelegt, dass ihren ersten Konzerten eine Probenwoche vorausging. Im Altervon fast 65 Jahren wollte der Virtuose auf diese Weise tief in das Mozarteische Universumeintauchen und von seinem Partner alle Feinheiten dieser Sprache erlernen. In demausgesprochen schönen Booklet erinnert sich der Pianist bewegt an diese Momente, die zuden bedeutsamsten seiner Karriere zählen. Mit seiner Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit undVornehmheit beflügelte Oistrach ihn zu Höchstleistungen. Bei Mozart, zu dem es bereitsfrühere Zeugnisse in dieser Konstellation gibt, fällt ihr Dialog dezent und zärtlich zugleichaus, ehrlich, stilvoll und ohne jede Affektiertheit.Man entdeckt die beiden Künstler in zwei Sonaten von Schubert und Beethoven, die Oistrachbereits mehrfach eingespielt hat (mit Oborin, Bauer und Richter). Auch hier ist der Dialogvon beispielhafter Substanz und Klarheit und vollendet ausgewogen. Geige und Klaviersprechen dieselbe Sprache, wobei der Grad ihrer Komplizität sich an jedem noch so kleinenDetail misst, was Tempo, Einsatz, Dynamik und Nuancierung angeht – der langsame Satz vonBeethovens c-Moll-Sonate ist diesbezüglich ein Monument. Mehrere Zugaben und einProben-Fragment (aus Wien, allerdings dem Jahr 1972 stammend) runden das großartigeRezital ab.

Jean-Michel Molkhou