das deutsche schulsystem und die ungleichen chancen...
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Das deutsche Schulsystem und
die ungleichen Chancen
Af Tine Carlsson
BA-projekt – 6. semester
Vejleder: Tove Gadegård
Institut for Sprog og Erhvervskommunikation (ISEK)
Handelshøjskolen
Århus Universitet
2009
2
Holm Fleischer, Das Buch über Deutschland, p. 113
Anschläge: 55.148
3
0. Summary in English……………………………………………………………………………… 5
1. Einleitung………………………………………………………………………………………….7
2 Das deutsche Schulsystem………………………………………………………………………….8
2.1 Gründung…………………………………………………………………………………………8
2.2 Aufbau……………………………………………………………………………………………8
2.2.1 Der Primarbereich……………………………………………………………………………...9
2.2.2 Der Sekundarbereich I………………………………………………………………………….9
2.2.3 Der Sekundarbereich II………………………………………………………………………..11
2.2.4 Der Tertiärbereich…………………………………………………………………………….12
3. Die Haltung der Parteien CDU und SPD zum Schulsystem……………………………………..12
4. Das dänische Schulsystem………………………………………………………………………..13
5. Zusammenfassung der Schulsysteme in Deutschland und Dänemark…………………………...14
6. Analyse der Ungleichheit im deutschen Schulsystem……………………………………………14
6.1Vererbung und Milieu…………………………………………………………………………...15
6.2 Bedeutung von Armut…………………………………………………………………………..15
6.3 Die Rolle der Eltern…………………………………………………………………………….16
6.4 Primärer und sekundärer sozialer Effekt………………………………………………………..18
6.5 Migranten……………………………………………………………………………………….22
6.6 Grundschulempfehlung…………………………………………………………………………23
6.7 Noten……………………………………………………………………………………………25
6.8 Zusammenfassung der Unterschiede……………………………………………………………27
7 Bildungsniveau in Deutschland und Dänemark…………………………………………………..27
8 Schlussfolgerung………………………………………………………………………………….29
4
9 Bibliografie………………………………………………………………………………………..32
10 Anlagen…………………………………………………………………………………………..36
5
0 Summary
In Germany there is compulsory school attendance and everybody has to go to school. Never the
less everybody attends school; the result of the time spent in school varies a lot. Could the reason
why be unequal chances?
Which factors play a part in the German pupils’ unequal opportunities of getting an education?
In Germany there has to be made a choice quite early when it comes to education. In most schools
in Germany the children are separated when they are about 10 years old. The main emphasis is on
this first transition from basic school to the next level, when the children are separated into three
different types of schools that have three different levels of education. I look into which factors play
a part for the children’s way in the educational system. Before I analyse different factors, a
description of the German school system will be made. I also give at short description of the Danish
school system in order to compare the level of education in the two countries. In Denmark the
children are not separated as early as in Germany. I do not look at the quality of the education, only
the level. Germany is a federation and decisions concerning the schools are made by the Länder.
This may cause differences between the Länder. I do not deal with these differences in detail.
Basic school and the next level are free of charge and therefore money should not play a part for
what choice that is made after basic school. Never the less it is not only the admittance to school
that determines, where the children continue after basic school. A lot of factors play a part.
The parents play an important role in the decision. The children are young and very
depending on their parents. The level of performance that the children show is determined by the
parents and the environment and children from the lower classes generally show a less good
performance than the children from the upper classes. But even when children from both social
classes show the same level of performance the choice of school type after basic school may differ.
Children from the lower classes are more likely to visit schools with the lowest level after basic
school. This shows that not only skills are decisive when it comes to education. Parents, role
models, environment and the early separation have an influence as well.
At the end of basic school the children get a recommendation for where to go after
basic school. This one is based on the children’s marks. Some children first reach their full level of
performance after the division and would perhaps therefore get another recommendation if the
6
division did not take place until later. At the time the division takes place the children have only
attended school four years and the school have therefore not had an influence on the children for
very long. A group with special difficulties are the immigrant children.
In Denmark the children are not separated until after 10 years. It is therefore not
necessary to make a decision about the education at an early age. This could be one of the reasons
why the level of education is higher in Denmark.
Changes of the German school system might improve the children’s possibilities of an
education at a higher level.
Characters: 2671
7
1 Einleitung
In Deutschland gibt es Schulpflicht und alle müssen eine Schule besuchen. Obwohl alle aber eine
Schule besuchen, ist das Resultat der Schulzeit unterschiedlich. Ist möglicherweise
Chancenungleichheit ein Grund dafür?
Welche Faktoren spielen eine Rolle für die ungleichen Chancen der deutschen Schüler eine
Ausbildung zu bekommen?
In Deutschland muss, im Gegensatz zu z.B. Dänemark, früh eine Wahl in Verbindung mit dem
Bildungsweg des Kindes getroffen werden. Ich möchte herausfinden, welche Faktoren eine Rolle
dafür spielen, wo der deutsche Schüler im Bildungssystem landet.
Ich werde das Gewicht auf den Übergang vom Primarbereich zum Sekundarbereich I legen, da
dieser die erste Teilung der Kinder ist. Bevor ich verschiedene Faktoren analysiere, werde ich einen
Überblick über des deutschen Schulsystems geben. Ich werde auch ganz kurz das dänische
Schulsystem beschreiben, da ich am Schluss das Bildungsniveau in den zwei Ländern vergleichen
möchte. Dies wird durch statistisches Material gemacht. Ich werde nicht daran gehen, wie die
Qualität der Ausbildungen in Deutschland und Dänemark ist und ob die Kinder das gleiche
Wissensniveau bekommen. In Deutschland und Dänemark gibt es außer dem öffentlichen
Schulsystem auch Privatschulen. Darauf werde ich nicht eingehen.
Da Deutschland eine Föderation ist und das Bildungswesen Sache der Bundesländer
gehört, gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern.1 Ich will deshalb die übergeordnete
Struktur des Bildungssystems beschreiben und nicht alle Besonderheiten der einzelnen
Bundesländer.
Ich werde das Gewicht auf das bestehende Schulsystem legen und nicht auf nicht auf
z.B. den Kindergarten. Die Kinder haben schon 6 Jahre gelebt, wenn sie in der Schule beginnen und
sind in dieser Zeit unterschiedlich aufgewachsen. Einige von ihnen haben gute Bedingungen gehabt
und wurde gut gefördert, einige nicht. Nicht alle Kinder in Deutschland besuchen einen
Kindergarten. Die Eltern haben im heutigen Deutschland Anspruch auf einen Kindergartenplatz für
das Kind ab 3 Jahren und im Jahre 2003 gingen 59% der 3-jährigen Kinder im einen Kindergarten.2
Da der Kindergarten aber nicht verpflichtend ist, werde er nicht weiter betrachtet.
1 Holm, F., Das Buch über Deutschland, p. 112
2 Statistisches Bundesamt Deutschland, Fast 60% der Dreijährigen werden im Kindergarten betreut
8
2 Das deutsche Schulsystem
In Deutschland gibt es abhängig von den Bundesländern 9 oder 10 Jahre Schulpflicht. Dies
bedeutet, dass das Kind an einer Schule unterrichtet werden muss. Die Schulpflicht beginnt in dem
Jahr, in welchem das Kind 6 Jahre alt wird.3
2.1 Gründung
Deutschland hatte früher sehr verschiedene Schulsysteme in den verschiedenen Landesteilen. Das
dreigliedrige Schulsystem wurde um 1810 in Preußen eingeführt. Der Architekt hinter diesem
System war Wilhelm von Humboldt. Die Schule sollte die Gesellschaft widerspiegeln. Deshalb gab
es eine Volkschule, die für die breite Bevölkerung z.B. Bauern und Handwerker war. Hier lernten
die Schüler Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Schüler, die die Mittel- oder
Realschule besuchten, lernten etwas über den Handel oder die Verwaltung. Die Oberschicht hatte
die Möglichkeit, ihre Kinder auf das Gymnasium zu schicken. Das Gymnasium war nämlich nur für
die Elite und die Schüler wurden „klassisch“ gebildet.4
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Deutschland geteilt, und das führte zu verschiedenen Schulsystemen
in der BRD5 und der DDR.
6 In der BRD wurde das dreigliedrige Schulsystem weitgehend
weitergeführt und in der DDR ein anderes System eingeführt, nämlich die „Allgemeinbildende
Polytechnische Oberschule“ (POS)7. Die POS wurde von allen Kindern besucht und ging von der 1.
bis zur 10. Klasse. Um Abitur zu machen, konnten die Schüler nach der POS die „Erweiterte
Oberschule“ (EOS)8 besuchen. Die EOS dauerte zwei Jahre.
9 Nach der Wiedervereinigung
Deutschlands wurden die POS und EOS abgeschafft und das dreigliedrige Schulsystem in den
neuen Bundesländern eingeführt.10
2.2 Aufbau
Das Schulsystem wird normalerweise in drei Bereiche geteilt, den Primarbereich, den
Sekundarbereich und den Tertiärbereich.
3 Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 114
4 Rosenbohm, H. O., Deutschland, pp. 162-163
5 Bundesrepublik Deutschland
6 Deutsche Demokratische Republik
7 Rosenbohm, H. O., Deutschland, p. 164
8 Rosenbohm, H. O., Deutschland, p. 164
9 Rosenbohm, H. O., Deutschland, pp. 163-164
10 Kultusministerkonferenz, Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2007, p. 30
9
Zum Primarbereich gehört die Grundschule, die von der 1. bis zur 4. Klasse geht, in
Berlin und Brandenburg jedoch bis zur 6. Klasse.
Der Sekundarbereich besteht aus Sekundarbereich I und II. Im Sekundarbereich I gibt
es in den meisten Ländern die Hauptschule, die Realschule, das Gymnasium und die Gesamtschule
und es muss entschieden werden, welche von diesen die Schüler besuchen sollen. Der
Sekundarbereich I geht von der 5. bis zur 10. Klasse (außer in Berlin und Brandenburg). Der
Sekundarbereich II umfasst die Bildungsjahre 11 bis 13.
Der Tertiärbereich umfasst die Hochschulen.11
2.2.1 Der Primarbereich
Die Volksschule gibt es heute nicht mehr. In den 1960er Jahren wurde sie in zwei geteilt, die
Grundschule und die Hauptschule.12
Die Grundschule dauert vier Jahre und diese Zeit ist die einzige, in welcher alle
Schüler die gleiche Ausbildung bekommen. Sie soll den Schülern den gleichen Start geben und
dadurch verhindern, dass die Schüler, die von verschiedenen Bevölkerungsschichten kommen, eine
ungleiche Ausbildung bekommen. Außerdem soll die Grundschule dafür sorgen, dass die Schüler
ein gemeinsames Bildungsniveau haben, um über den weiteren Bildungsweg entscheiden zu
können.13
2.2.2 Der Sekundarbereich I
Nach der Grundschule gibt es dann mehrere Möglichkeiten und eine Wahl muss getroffen werden.
Diese Wahl wird von den Eltern und/oder der Schule getroffen. Das Leistungsniveau der Schüler
wird einbezogen und bildet die Grundlage der Grundschulempfehlung, die die Schule ausfertigt. Im
Mittelpunkt steht hier die Einschätzung und die Empfehlung der Schule über den weiteren
Schulbesuch der Schüler. Die verschiedenen Schultypen fordern verschiedene Leistungskriterien
und auch die Kapazität der Schulen kann eine Rolle spielen.14
Die Hauptschule, die wie erwähnt in den 1960er Jahren entstanden ist, ist da um den
Schülern, die sie besuchen, eine grundlegende allgemeine Bildung zu vermitteln. Im Schuljahr
2004/2005 gingen 23% der Schüler der 7. Klassestufe auf einer Hauptschule.15
Die Nachfrage nach
11
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 112-113 12
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 115 13
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 114 14
Kultusministerkonferenz, Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2007, p. 34 15
Statistisches Bundesamt Deutschland, Datenreport 2006, p. 54
10
diesem Schultyp ist nicht so groß wie früher, im Jahre 1970 besuchten knapp 50% der Schüler eine
Hauptschule. An den Hauptschulen gibt es heute eine Konzentration von leistungsschwächeren und
sozial benachteiligten Schülern, also der Schüler, die nicht zu den anderen Schulformen passen oder
geeignet sind. Wenn die Schüler den Hauptschulabschluss geschafft haben, werden sich die meisten
im dualen Ausbildungssystem, (2.2.3), fertig ausbilden.16
Die Realschule ist da, um den Schülern eine erweiterte allgemeine Bildung zu
vermitteln. Die Realschule hat auch ihre heutige Form in den 60er Jahren gefunden. Ursprünglich
konzentrierte die Realschule sich auf Fächer wie Mathematik und Naturwissenschaften und davon
kommt der Name, da diese als „reale“ Fächer gesehen wurden. Hier konnte man z.B. nicht Latein
lernen, wie auf dem Gymnasium. Im Schuljahr 2004/2005 gingen 26,8% der Schüler der 7.
Klassenstufe auf eine Realschule.17
Die Realschule hat wegen der rückläufigen Nachfrage nach der
Hauptschule gewonnen. Mit dem Realschulabschluss haben die Schüler viele Möglichkeiten sich
weiter auszubilden und stehen besser als die Schüler der Hauptschule.18
(2.2.3).
Das Gymnasium ist da, um den Schülern eine vertiefte allgemeine Bildung zu
vermitteln. Wo die Hauptschule und die Realschule nach Sekundarbereich I enden, umfasst das
Gymnasium auch Sekundarbereich II, die so genannte gymnasiale Oberstufe. Um die Oberstufe zu
besuchen, müssen die Schüler erfolgreich Sekundarbereich I geschafft haben. Im Gegensatz zu der
Hauptschule hat das Gymnasium durch die Jahre an Anteil gewonnen. Im Jahre 1960 gingen 15%
eines Schülerjahrgangs auf das Gymnasium19
und im Schuljahr 2004/2005 gingen 33,8% der
Schüler der 7. Klassenstufe auf ein Gymnasium, somit ist das Gymnasium der meistbesuchte
Schultyp Deutschlands.20
Die Gesamtschule ist als Reaktion auf das dreigliedrige Schulsystem in den 1960er
Jahren entstanden. Ein Grund dafür war besonders die frühe Wahl des Schultyps und die
dazugehörende soziale Selektion der Schüler. Die Gesamtschule umfasst mehrere Bildungsgänge
und es sind hier möglich der Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss und das Abitur. Es gibt
zwei verschiedene Typen von Gesamtschulen, die kooperative und die integrierte. Die kooperative
Gesamtschule fungiert wie eine organisatorische Einheit. Das bedeutet, dass die Hauptschule, die
Realschule und das Gymnasium noch existieren, hier aber unter dem gleichen Dach. Dies macht es
leichter für die Schüler zwischen den verschiedenen Schultypen zu wechseln, als wenn sie auch die
16
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 115-116 17
Statistisches Bundesamt Deutschland, Datenreport 2006, p. 54 18
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 116 19
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 116-117 20
Statistisches Bundesamt Deutschland, Datenreport 2006, p. 54
11
Schule wechseln müssen. In der integrierten Gesamtschule kann weitgehend von einer Auflösung
des dreigliedrigen Schulsystems gesprochen werden. Hier werden die Schüler so geteilt, so dass sie
in verschiedenen Fächern nach Leistungsvermögen unterrichtet werden. Es ist sehr unterschiedlich,
wie viele Gesamtschulen die verschiedenen Bundesländer haben. In Bayern und Baden-
Württemberg z.B. gibt es kaum diese Schulen, während 15% bis 25% der Schüler diese Schulform
in Berlin, Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen besuchen.21
Im Schuljahr 2004/2005 gingen
8,9% der Schüler der 7. Klassenstufe in eine integrierte Gesamtschule.22
2.2.3 Sekundarbereich II
Sekundarbereich II enthält außer der gymnasialen Oberstufe das duale Ausbildungssystem und
Berufliche Vollzeitschulen.
Wie früher erwähnt gehen die meisten Schüler der Hauptschule nach dem
Hauptschulabschluss in dem dualen Ausbildungssystem weiter. Zwei Drittel aller Schüler, die eine
Berufsausbildung machen, tun dies im dualen Ausbildungssystem. Es heißt duales System, weil ein
Teil der Ausbildung an einer Berufsschule stattfindet, der andere in einem Betrieb. Es ist also eine
Mischung von Theorie und praktischer Lehre. Die Ausbildung im dualen System dauert
normalerweise drei Jahre und für die Zeit im Unternehmen wird eine Ausbildungsvergütung von
dem Unternehmen ausbezahlt. Meistens müssen die Schüler selber eine Lehrstelle in einem
Unternehmen finden, was schwierig sein kann, wenn es ungünstige Konjunktur gibt.23
Von den
beruflichen Schulen sind die Berufsschulen die am meisten benutzen.24
Es gibt aber auch andere Möglichkeiten eine Berufsausbildung zu bekommen als das
duale System, darunter die beruflichen Vollzeitschulen. Hier dreht es sich um Berufsausbildungen
ohne Lehre und diese Schulen haben in den letzten Jahren Erfolg erlebt. Die wichtigsten sind:
Berufsfachschulen. Fordern Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss. Die
Ausbildungen dauern von 1 bis 3 Jahren und hier werden z.B. Kinderpfleger und kaufmännische
Assistenten ausgebildet.
Fachoberschulen. Fordern Realschulabschluss. Dauern 1 bis 2 Jahre. Nach Abschluss
hat man die Möglichkeit an einer Fachhochschule weiterzustudieren. Fachrichtungen sind z.B.
Wirtschaft und Sozialpädagogik.
21
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 117 22
Statistisches Bundesamt Deutschland, Datenreport 2006, p. 54 23
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 119-120 24
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 123
12
Fachgymnasien. Fordern Realschulabschluss. Dauern 3 Jahre und entsprechen der
gymnasialen Oberstufe, sind aber mehr am Wirtschaftsleben orientiert als das Gymnasium. Nach
Abschluss gibt es die Möglichkeit, an Universitäten und Hochschulen zu studieren. Es gibt
Fachrichtungen wie Wirtschaft und Gesundheit.
Berufsoberschulen. Fordern Realschulabschluss und eine abgeschlossene
Berufsausbildung. Dauern 2 Jahre. Grundidee ist, dass man mit einer Berufsausbildung noch die
Möglichkeit hat, nach Abschluss der Berufsoberschule an Hochschulen zu studieren. Es gibt
Fachrichtungen wie Technik und Sozialwesen.
Fachschulen. Fordern abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung.
Teilzeitform und Vollzeitform möglich und die Längen der Ausbildungen sind unterschiedlich. Es
gibt Fachbereiche wie Wirtschaft und Technik.25
2.2.4 Der Tertiärbereich
Der Tertiärbereich umfasst die Universitäten, Fachhochschulen und Kunst- und Musikhochschulen.
Diese können nach erfolgreichem Abschluss des Gymnasiums, und wie früher erwähnt, einiger
Berufsausbildungen besucht werden. Bei den Universitäten ist das größte Angebot von
Ausbildungen zu finden.26
Die Regelstudienzeit für die akademischen Grade Diplom, Magister und
Staatsexamen beträgt zwischen 8 und 10 Semestern. Die Gesamtregelstudienzeit der akademischen
Grade Bachelor und Master ist normalerweise 5 Jahre.27
Nach 2010 wird es nur das Bachelor- und
Mastersystem in Deutschland geben.28
Sowohl Deutschland als auch Dänemark haben nämlich
zusammen mit 27 anderen europäischen Ländern beschlossen, eine Harmonisierung des
Hochschulsystems zu machen.29
3 Die Haltung der Parteien CDU und SPD zum Schulsystem
Es gibt bei den Parteien in Deutschland keine Einigkeit in Bezug auf das Schulsystem. Um diese
Uneinigkeit zu zeigen, möchte ich die Meinung der zwei größten Parteien Deutschlands beleuchten,
der CDU (Christlich Demokratische Union Deutschlands) und der SPD (Sozialdemokratische Partei
Deutschlands).
25
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 121-123 26
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, pp. 123 27
Kultusministerkonferenz, Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2007, pp. 164-165 28
Kultusministerkonferenz, BA-MA-Bericht 2003, p. 1 29
Das Portal der Europäischen Union, Bologna-Prozess: Harmonisierung der Hochschulsysteme
13
Die CDU schreibt in ihrem Grundsatzprogramm von 2007, dass Chancengleichheit
durch Ausbildung und Bildung geboten ist. Bildungsarmut ist zu oft der Weg zur Armut. Die CDU
möchte also, dass alle Kinder eine Ausbildung bekommen und dies findet ihrer Meinung nach am
besten statt mit dem gegliederten Schulsystem. Laut CDU hat dieses System bewiesen, dass es
seine Berechtigung hat. Das gegliederte System hat gezeigt, dass es funktioniert und hat sich
erfolgreich weiterentwickelt. Kinder brauchen verschiedene Rahmen um richtig gestützt zu werden.
Mit diesem Schulsystem können die Kinder laut CDU am besten gefördert werden. Gesamtschulen
lehnt sie aber ab. Um ihre Missbilligung für die Gesamtschule deutlicher zu machen, hat die Partei
im Grundsatzprogramm nicht das neutrale Wort „Gesamtschule“ benutzt, sondern das Wort
„Einheitsschule“, welches nicht neutral ist und eine Distanz zeigt.30
Die SPD will auch, laut ihrem Grundsatzprogramm von 2007, dass alle die gleichen
Chancen im Leben haben und deshalb den gleichen Zugang zu Bildung haben. Sie findet jedoch,
dass es eine bessere Alternative zu dem gegliederten System gibt. Sie möchte, dass die Schüler so
lange wie möglich gemeinsam lernen. Gemeinsame Schulen bis zu 10. Klasse. Die Entscheidungen
über den Bildungsweg der Schüler sind im gegliederten System viel zu früh und das kann die
Chancen der Kinder laut SPD vermindern. Die Gesamtschulen sollen doch mit besserer
individueller Förderung verbunden werden. Nur mit gemeinsamem Lernen können die soziale
Herkunft und die Bildungschancen getrennt werden.31
4 Das dänische Schulsystem
In Dänemark gibt es nicht wie in Deutschland Schulpflicht. Hier gibt es Unterrichtspflicht. Die
Kinder in Dänemark haben alle das Recht in der dänischen Volksschule unterrichtet zu werden, es
ist aber nicht eine Forderung, dass sie hier hin gehen. Wenn die Kinder Eltern haben, die dem
Standard der Volksschule entsprechend Unterricht geben können, sind sie nicht verpflichtet, ihre
Kinder in der Volksschule zu schicken. Nur selten wird diese Möglichkeit aber genutzt. Die
überwiegende Mehrheit der Kinder geht in der Volksschule.
Die Volksschule in Dänemark geht von der Vorschulklasse bis zur 10. Klasse. Die
Kinder werden die ganze Zeit gemeinsam unterrichtet und erst nach der Volksschule müssen die
Schüler eine Wahl treffen, was den weiteren Ausbildungsverlauf betrifft. In Dänemark gibt es auch
gymnasiale Ausbildungen und berufliche Ausbildungen, die dem Sekundarbereich II entsprechen,
alle diese können nach Abschluss der Volksschule erreicht werden.
30
CDU, Freiheit und Sicherheit. Grundsätze für Deutschland. Das Grundsatzprogramm 2007, pp. 31-36 31
SPD, Hamburger Programm. Das Grundsatzprogramm der SPD 2007, pp. 62-63
14
Die 10. Klasse gehört nicht zur Unterrichtspflicht und ist deshalb wahlfrei. Früher war
es möglich die Vorschulklasse abzuwählen. Diese Möglichkeit gibt es nicht mehr. Vom Schuljahr
2009/2010 ist die Unterrichtspflicht um ein Jahr erweitert. Dies bedeutet, dass es jetzt 10 Jahre
Unterrichtspflicht in Dänemark gibt statt früher 9 Jahre. Die Unterrichtspflicht begann früher in
dem Jahr, wenn das Kind 7 Jahre alt wurde. Mit der erweiterten Unterrichtspflicht beginnt sie in
dem Jahr, wenn das Kind 6 Jahre wird32
33
34
In Dänemark gibt es wie in Deutschland Universitäten und Hochschulen im
Tertiärbereich. Das Bachelor- und Mastersystem ist in Dänemark schon eingeführt.35
5 Zusammenfassung der Schulsysteme in Deutschland und Dänemark
Die Schulsysteme in Deutschland und Dänemark sehen nicht gleich aus. Besonders die Volksschule
in Dänemark und das Primarbereich und Sekundarbereich in Deutschland unterscheiden sich stark.
In Dänemark hat die Volksschule Rückhalt, die Mehrheit der Schüler geht hier hin. In Deutschland
gibt es keine Einigkeit über dem Schulsystem. Die Parteien haben verschiedene Meinungen, was in
den verschiedenen Bundesländern gut zu sehen ist. In Baden-Württemberg z.B. gibt es wie früher
erwähnt fast keine Gesamtschulen und hier hat die CDU ganz lange regiert.36
Dreht sich der Blick
zu einem anderen Bundesland, z.B. Nordrhein-Westfalen, gibt es hier mehr Gesamtschulen als in
Baden-Württemberg, hier hat die SPD viele Jahre regiert.37
Geschichte und Politik haben dazu
geführt, dass es verschiedene Möglichkeiten in den Bundesländern gibt.
6 Analyse der Ungleichheit im deutschen Schulsystem
Ich habe jetzt die Schulsysteme in Deutschland und Dänemark beschrieben. Das dänische System,
das sehr einheitlich im ganzen Land ist und das deutsche System, das eine große Vielfalt hat. Ich
werde wie in der Einleitung erwähnt das Hauptgewicht der Analyse auf den Übergang vom
Primarbereich zum Sekundarbereich I legen. Dieser Übergang ist sehr interessant, da die
Entscheidung hier, die erste Selektion der Kinder mitbringt. Die Kinder sind noch klein, und die
32
Undervisningsministeriet, Om folkeskolen 33
Undervisningsministeriet, Om skolestart 34
Undervisningsministeriet, Om erhvervsuddannelserne 35
Universitets- og Bygningsstyrelsen, Internationalisering af universitetsuddannelserne, p. 6 36
Baden-Württemberg. Das Landesportal, Ministerpräsidenten seit 1952 37
Landtag NRW, Die Galerie der Präsidenten
15
Entscheidung, welche Schulform nach der Grundschule besucht werden soll, hängt stärker von den
Eltern ab als spätere Entscheidungen über Bildungsweg.38
6.1 Vererbung und Milieu
Vererbung und Milieu determinieren beide wie eine Person ist.
Vererbung ist die Übertragung von Eigenschaften von Eltern zu Nachkommen39
und das Milieu
beschreibt die Verhältnisse und Lebensbedingungen.40
Die Kinder werden alle mit verschiedenen
genetischen Eigenschaften geboren und das Milieu kann dann diese in verschiedener Weise
beeinflussen. Das heißt, nicht nur die Eigenschaften (biologisch und sozial) der Eltern
determinieren wie das Kind ist und agiert, auch das Milieu/die Umgebung spielt eine Rolle. Z.B. in
welchem Land das Kind lebt. Die Stadt und die Zusammensetzung der Bevölkerung in dieser. Die
Schule und Freunde. Also die Personen, die Bedingungen und Verhältnisse, die da sind, wo das
Kind lebt und sich bewegt. Das Kind sieht wie die Eltern leben und auch andere in der Umgebung
und gleichzeitig hat es Vorbilder, wie die Eltern, andere Erwachsene und/oder andere Kinder von
denen es lernt und nachahmt.
6.2 Bedeutung von Armut
In Deutschland wie in Dänemark ist der Zugang zur Ausbildung grundsätzlich frei und allgemein.
In Deutschland sind der Primarbereich und der Sekundarbereich I unter öffentlicher Regie kostenlos
und in Dänemark ist die öffentliche Volksschule kostenlos.41
42
Der Staat wünscht, dass die
Bevölkerung eine Ausbildung bekommt. Aber welche Faktoren spielen eine Rolle für den
Bildungsweg der Schüler in Deutschland? Die Kinder, die die Schule besuchen, haben prinzipiell
die gleichen Möglichkeiten, sie kommen aber mit verschiedenen Voraussetzungen. Es gibt reiche
Kinder, arme Kinder und Kinder aus guten sozialen Verhältnissen und aus weniger guten sozialen
Verhältnissen, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder ohne Migrationshintergrund usw. Um
richtig zu lernen, müssen die grundlegenden Voraussetzungen in Ordnung sein, wie Wohnung,
genug Essen und Sicherheit. Nicht alle Kinder haben aber diese Bedingungen. Die Europäische
Union hat die Armutsgefährdungsgrenze der Mitgliedsländer so definiert, dass Menschen, die
38
Becker, R., Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie, p.
451 39
Gyldendals Store Familie Leksikon, p. 34 40
Gyldendals Store Familie Leksikon, p. 343 41
Kultusministerkonferenz, Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2007, p. 117 42
Undervisningsministeriet, Om folkeskolen
16
weniger als 60% des mittleren Einkommens des Landes haben, als armutsgefährdet gelten. Rund
13% der Bevölkerung Deutschlands lebten im Jahre 2004 unter der Armutsgefährdungsgrenze, das
sind 10,6 Millionen Menschen, und von ihnen waren 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren.43
26%
der Armutsgefährdeten finden es notwendig, an Essen zu sparen und können sich nicht mindestens
jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder hochwertigem Gemüse leisten. 14% sparen
im Winter aus finanziellen Gründen an der Heizung.44
Unter diesen Bedingungen ist es natürlich
schwierig zu lernen. Wenn Kinder frieren oder Hunger haben, können sie sich nicht gut
konzentrieren. Die grundlegenden Bedürfnisse müssen erfüllt werden, sonst ist es schwierig, sich
auf andere Dinge zu konzentrieren und diese auch richtig zu machen. Die soziale Herkunft hat für
die Kinder Bedeutung.
6.3 Die Rolle der Eltern
Nicht nur die grundlegenden Bedürfnisse spielen eine Rolle für die Kinder. Es gibt auch andere
Faktoren. Einer ist die Rolle der Eltern. In Deutschland werden die Kinder nach dem Primarbereich
geteilt. Es gibt wie erwähnt Kinder, die Gesamtschulen besuchen, der größte Teil besucht aber das
dreigliedrige Schulsystem. Eine Frage hier wäre, ob die Eltern nicht immer ihren Kindern die besten
Bedingungen geben möchten und ob dies nicht durch eine Ausbildung geht und am liebsten durch
eine Hochschulbildung, und deshalb nach der Grundschule wünschen, dass ihre Kinder das
Gymnasium besuchen? Es ist aber nicht so einfach. Die Eltern möchten, dass ihre Kinder eine gute
Ausbildung bekommen, es gibt aber viele Faktoren die hier Einflüsse haben.
Rolf Becker benutzt ein Modell45
mit 3 Schritten, um den Übergang vom
Primarbereich zum Sekundarbereich zu beschreiben. Der 1. Schritt wird von der Klassenlage, also
der Sozialschicht der Eltern, bestimmt. Durch verschiedene Kosten-Nutzen-Kalkulationen wird der
2. Schritt erreicht, die Bildungsabsicht. Der 3. Schritt ist dann der tatsächliche Bildungsübergang
und wird vom Bildungsniveau der Eltern und der Bildungsempfehlung (Grundschulempfehlung)
festgelegt. Hier kann es dann eine Diskrepanz zwischen Bildungsabsicht und Bildungsübergang
geben, besonders bei den niedrigeren Sozialschichten. Die Eltern wünschen, dass ihre Kinder die
besten Bedingungen bekommen. Die Diskrepanz zwischen Bildungsabsicht und Bildungsübergang
ist aber in der Regel bei den niedrigeren Sozialschichten größer als bei den höheren
43
Statistisches Bundesamt Deutschland, Armut und Lebensbedingungen, p. 5 44
Statistisches Bundesamt Deutschland, Armut und Lebensbedingungen, p. 30 45
Becker, R., Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie, p.
462, Anlage 1
17
Sozialschichten. Die höheren Sozialschichten kennen die Übergänge des Schulsystems besser und
sie haben Ressourcen, die Möglichkeiten der verschiedenen Bildungsgänge zu sehen. Die Kosten-
Nutzen-Kalkulationen der Eltern sind von den veränderlichen Randbedingungen abhängig und
können sich ändern, wenn die Leistung des Kindes, die elterlichen Ressourcen oder die
gesellschaftlichen Verhältnisse sich ändern.46
Die Gesellschaft hat sich über die Jahre verändert und ein größerer Teil der
Bevölkerung hat heute eine Hochschule besucht als früher. Im Jahre 1975 war die
Beteiligungsquote der Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland (ohne DDR) bei 9,1% der
Bevölkerung im Alter von 19 bis 30 Jahren, fast 30 Jahre später, im Jahre 2004, hatte diese Quote
sich auf 18,6% verdoppelt. Für den Sekundarbereich II war die Beteiligungsquote im Jahre 1975 bei
17,4% der Bevölkerung im Alter von 16 bis unter 19 Jahren. Diese Quote war im Jahre 2004 auch
gestiegen und lag bei 28,4%.47
Das Wissensniveau ist also heute durchschnittlich höher,
Primarbereich und Sekundarbereich I und II sind allgemein und frei, aber trotzdem gibt es
Unterschiede in den Resultaten der Eltern, wenn sie Kosten-Nutzen-Kalkulationen machen.
Bildungsnutzen: Hat der gewählte Bildungsweg auch Nutzen für die zukünftige Ausbildung des
Kindes? Die Eltern können ja nicht den zukünftigen Arbeitsmarkt vorhersagen, aber die Tendenzen
sind zu sehen und deshalb auch der Nutzen z.B. einer Hochschulausbildung, und deshalb das
Gymnasium als ersten Bildungsübergang wählen.
Was auch mitgenommen wird, sind die Statuserhaltung und der Statusverlust. Hier
wird beschrieben, dass für die niedrigen Sozialschichten der Statusverlust geringer ist als für die
höheren Sozialschichten, wenn eine höhere Bildung nicht erreicht wird, und deshalb ist die
Bildungsmotivation bei den höheren Sozialschichten größer. Hier kann man also sagen, dass
Statusverlust und Statuserhaltung Druck auf die Eltern ausüben um ihren Kindern eine höhere
Bildung zu ermöglichen. Das Kind soll mindesten das gleiche Bildungsniveau wie die Eltern
bekommen, um einen Statusverlust zu vermeiden. Die Erfolgserwartung ist aber auch bei den
höheren Sozialschichten größer als bei den niedrigen. Die höheren Sozialschichten verfügen über
mehr Wissen und Ressourcen als die niedrigen und können deshalb besser ihren Kindern helfen.48
Z.B. gibt es in Deutschland rund 4 Millionen funktionale Analphabeten, also Leute, die über
46
Becker, R., Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie, p.
457 47
Konsortium Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland, p. 223 48
Becker, R., Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie, pp.
455-456
18
unzureichende schriftsprachliche Fähigkeiten verfügen.49
Sie können also nicht ihren Kindern
ausreichend bei den Hausaufgaben helfen. Nicht nur Analphabeten haben Probleme, ihren Kindern
zu helfen. Vielleicht haben die Eltern grundlegendes Wissen in Deutsch und Mathematik, aber was
ist nach der Grundschule, können sie dann den Kindern helfen? Das Investitionsrisiko ist bei den
niedrigen Sozialschichten größer, die Erfolgserwartung kleiner. Bei guten Leistungen des Kindes in
der Schule ist die Wahrscheinlichkeit, auf das Gymnasium oder die Realschule zu gehen, natürlich
größer. Ist das Kind aber nicht so tüchtig, haben einkommensstarke Eltern die Möglichkeit, ihren
Kindern Extraunterricht zu geben, z.B. durch einen Privatlehrer, eine Sprachschule oder ähnliches,
und dadurch das Niveau des Kindes zu erhöhen und dadurch die Gymnasium- oder
Realschulchancen zu vergrößern. Diese Möglichkeiten haben die niedrigen Sozialschichten nicht.
Auch die Länge der Schulzeit kann eine Rolle spielen. Es dauert ja mit einer Hochschulausbildung
länger, bevor das Kind fertig ist, und dadurch sein eigens Geld verdienen kann als im dualen
System. Eine Untersuchung der 1980er Jahre zeigt jedoch, dass die Bildungsmotivation der Eltern
für die höchste Schullaufbahn größer ist als das Investitionsrisiko.50
6.4 Primärer und sekundärer sozialer Effekt
Wie schon erwähnt, möchten auch die niedrigen Sozialschichten, dass ihre Kinder eine gute
Ausbildung bekommen. Sie planen für ihre Kinder eine weiterführende Ausbildung, aber von den
Kindern aus niedrigeren Sozialschichten gehen nach dem Übergang in die Sekundarstufe I viel
weniger auf das Gymnasium als von den Kindern aus höheren Sozialschichten. Aber wie viel
Schuld haben die Eltern hier? Kann es wirklich richtig sein, dass obwohl die Eltern der niedrigen
Sozialschichten gern sehen, dass ihre Kinder eine hohe Ausbildung bekommen, sie auch viel Schuld
daran haben, dass die Kinder es nicht schaffen? Volker Müller-Benedict hat untersucht, wie der
primäre und der sekundäre soziale Effekt auf die Möglichkeiten der Kinder in der Schule wirken.
Der primäre soziale Effekt ist das Leistungspotenzial des Kindes. Kinder haben verschiedene
Interessen, intellektuelle Fähigkeiten usw. Dadurch kann das Leistungspotenzial des Kindes größer
oder kleiner sein. Der sekundäre soziale Effekt ist, wenn das Kind nicht richtig unterstützt wird. Das
Leistungspotenzial wird von dem Kind, den Eltern oder der Schule nicht wahrgenommen. Hier
gelten soziale Strukturen und Institutionen im Hintergrund.51
Wie sehen dann diese Unterschiede in
49
Döbert, M., Ihr Kreuz ist die Schrift, p. 29 50
Becker, R., Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie, pp.
463-465 51
Müller -Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
616
19
soziologischen Theorien aus? Bei soziologischen Theorien kann eine Teilung der beiden Effekte
gemacht werden. Hier können die Fähigkeiten, die das Kind in der Schule zeigt, als primärer
sozialer Effekt bezeichnet werden. Diese Fähigkeiten kommen von der möglicherweise vererbten
Begabung der Eltern und der Förderung des Kindes, wie z.B. Lernmotivation, Nachhilfe und
Kulturangebote. Bestrebungen, die nicht das Leistungspotential des Kindes fördern, sind sekundäre
soziale Effekte. Hier möchten die Eltern die Beurteilung des Leistungspotenzials ändern, dass kann
unter anderen durch Gespräche mit Lehrern geschehen oder durch Engagement für die Schule. Hier
können die Eltern ja zeigen, dass sie viele Ressourcen und Zeit haben, sich für die Schulzeit und
die Schule ihres Kindes zu interessieren. Der größte Teil der soziologischen Ursachen sind aber
primäre soziale Effekte.52
Aber was bedeuten diese Effekte und für was können sie benutzt werden?
Ist es sinnvoll zwischen diesen Effekten zu unterscheiden? Volker Müller-Benedict sagt:
„Der sekundäre soziale Effekt, der dazu führt, dass trotz gleichem Leistungspotenzial soziale
Unterschiede im Schulerfolg auftreten, wird auf die Schulstruktur, Schulorganisation,
Unterrichtskommunikation und vor allem die elterlichen Entscheidungen für bestimmte
Bildungslaufbahnen zurückgeführt.“53
Hier dreht es sich also nicht um die Leistungen des Kindes, aber Faktoren, die vielleicht hier und
jetzt schwierig zu neutralisieren sind. Die Schulstruktur hat z.B. lange so funktioniert und die
meisten Eltern wählen das dreigliedrige Schulsystem. Man kann sich dann fragen, ob die Eltern
dieses Schulsystem wählen, weil sie es nicht besser wissen oder weil sie überzeugt sind, dass dieses
Schulsystem für ihr Kind das beste ist. Wie schon erwähnt, kennen die höheren Sozialschichten die
möglichen Bildungsübergänge besser als die niedrigen Sozialschichten. Sie wissen, wo ihr Kind
ihrer Meinung nach die beste Ausbildung bekommt und auch wie. Die niedrigen Sozialschichten
haben oft nicht die Ressourcen herauszufinden, wie die verschiedenen Schulsysteme funktionieren
und ob sie die Gesamtschule oder das dreigliedrige Schulsystem wählen sollen. Außerdem kommt
es auf das Bundesland an.(2.2.2). Wenn eine Familie in einem Bundesland lebt, wo es so gut wie
gar keine Gesamtschulen gibt, ist es natürlich nicht möglich, das selbst zu entscheiden und auch in
Bundesländern mit Gesamtschulen kann es sein, dass das Kind nicht in der Nähe einer
Gesamtschule wohnt und deshalb auf eine Schule des dreigliedrigen Schulsystems geschickt wird.
Hinsichtlich der primären und sekundären sozialen Effekte kann auch gesehen
werden, dass bei dem Versuch, die Schulleistung des Kindes zu fördern, dies ein primärer sozialer
52
Müller -Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
619 53
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
620
20
Effekt ist, der sekundäre bleibt unverändert. Volker Müller-Benedict hat die Stärke der primären
und der sekundären sozialen Effekte analysiert, um herauszufinden, wo am besten Veränderungen
gemacht werden können. Benutzt wurden Pisa-Daten54
In den Tabellen werden die Wörter „Unterschicht“ und „Oberschicht“ benutzt, ich
werde aber weiterhin die Ausdrücke „niedrige Sozialschicht“ und „höhere Sozialschicht“ benutzen.
In Tabelle 155
ist zu sehen, dass 66,3% der höheren Sozialschichten auf das Gymnasium gingen, auf
die Realschule 26,2% und auf die Hauptschule 7,5%. Es ist also hier deutlich zu sehen, dass, wenn
das Kind aus höheren Sozialschichten kommt, die Chance, das Gymnasium zu besuchen, sehr groß
ist. Wenn wir dann auf die Zahlen der niedrigen Sozialschichten sehen, sieht das Bild anders aus.
30,3% gehen auf das Gymnasium, 39,6% auf die Realschule und 30,1% auf die Hauptschule. Wenn
wir die Zahlen des Gymnasiums und der Realschule addieren, ist hier zu sehen, dass eigentlich über
50% auch der niedrigen Sozialschichten eine weiterführende Schule besuchen. Denn nach dem
Gymnasium und der Realschule ist es möglich, das Hochschulniveau zu erreichen. Wenn das das
Niveau der Schüler wäre, würde sie wahrscheinlich die richtige Förderung bekommen. Wir können
aber in Tabelle 256
sehen, dass 44% der höheren Sozialschichten den Stempel „gut“ für ihr gezeigtes
Leistungspotenzial bekommen. 30,5% „mittel“ und 25,5% „schlecht“. Bei den niedrigen
Sozialschichten ist die Verteilung 22,3% „gut“, 28,3% „mittel“ und 49,5% „schlecht“. Der primäre
soziale Effekt zeigt, dass es doppelt so viele Schüler von den niedrigen Sozialschichten gibt, die ein
schlechtes Leistungspotenzial ausweisen. In Tabelle 357
wird der sekundäre soziale Effekt gezeigt.
Hier werden Leistungspotenzial und besuchte Schulform verglichen. Hier ist zu sehen, dass 85,5%
der höheren Sozialschichten das Gymnasium besuchen im Gegensatz zu 62,5% der niedrigen
Sozialschichten mit dem gleichen Leistungspotenzial „gut“. Faktisch kommt ein höherer
Prozentsatz der Schüler mit Leistungspotenzial „Mittel“, 65%, auf das Gymnasium als Kinder der
niedrigen Sozialschichten mit dem Leistungspotenzial „gut“. Selbst wenn die Schüler das gleiche
Leistungsniveau haben, gibt es Unterschiede zwischen den Sozialschichten, das ist der sekundäre
Effekt.
54
OECD, Hintergrundinformation zu Pisa: Die Pisa-Studie ist die internationale Schulleistungsstudie der OECD
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Hier werden 15-jährigen Schüler getestet, unter
hier ihre Leistungen. Schwerpunkt im Jahre 2000 war Lesekompetenz. 55
Müller -Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
623, Anlage 2 56
Müller -Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
625, Anlage 3 57
Müller -Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
626, Anlage 4
21
Das Schulsystem, so wie es sich die CDU vorstellt, ist gegliedert, um den Schüler die
Lernbedingungen zu geben, die zu den verschiedenen Niveaus der Schüler passen. Mit einem
homogenen Niveau ist es einfacher zu unterrichten. Wenn nicht die Schüler an eine Schule gehen,
die tatsächlich zu dem Niveau der Schüler passen, funktioniert dies nicht. Natürlich ist die
Schülerschaft mit dieser Einteilung homogener als in Dänemark, wo die Schüler sehr lange
zusammen unterrichtet werden, aber es ist auch hier zu sehen, dass nicht nur das Leistungsniveau
der Schüler eine Rolle spielt. Dazu soll gesagt werden, dass viele Schüler erst nach der Grundschule
ihr volles Leistungspotential entfalten und zeigen können.58
Einige von den Schülern haben sich
nach der Grundschule dann vielleicht verbessert und weisen deshalb eine bessere Leistung auf, die
nicht dem Niveau der Hauptschule oder Realschule entspricht. Anders herum ist auch denkbar, dass
Schüler, deren Leistungspotenzial von der Schule, den Eltern und sich selbst nicht wahrgenommen
wird, sich nicht richtig bemühen und deshalb nie ihre vollen Leistungspotenziale zeigen. Der
sekundäre soziale Effekt spielt eine bedeutsame Rolle.
Der Schüler schaut manchmal auf seine Eltern. Wenn der Schüler nicht wirklich
schlecht oder gut ist, aber mittlere Noten hat, kann die Entscheidung für oder gegen das
Gymnasium fallen. Ein Schüler der höheren Sozialschichten kann denken, wenn das Gymnasium
nicht erreicht wird, kann der Lebensstandard der Eltern nicht erreicht werden. Einer aus den
niedrigen Sozialschichten kann denken, ohne Gymnasium geht es auch. Das Schulniveau der Eltern
genügt und auch der Lebensstandard. Volker Müller-Benedict hat durch Simulationen, wo erst der
primäre soziale Effekt und danach der sekundäre Effekt neutralisiert wird, herausgefunden, dass
eine Neutralisierung der sekundären sozialen Effekte den größten Effekt hat, um die Ungleichheit
zu vermindern. Das größte Hindernis, eine weiterführende Schule zu besuchen, ist also nicht das
tatsächliche Leistungspotenzial der Schüler, sondern die Wahrnehmung des Leistungspotenzials
und die frühe Teilung nach der Grundschule.59
In einem System mit vielen Übergängen wie dem deutschen müssen mehrere
Übergänge also hintereinander berücksichtigt werden. Auf jeder Stufe verlassen Schüler das
System, freiwillig oder nicht freiwillig. Übergangswahrscheinlichkeiten wird neu definiert für die
Schüler, die noch da sind. Von früheren Untersuchungen weiß man, dass der sekundäre soziale
Effekt bei jedem Übergang wirkt und die soziale Ungleichheit größer wird. Der primäre soziale
58
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
623 59
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, pp.
626-629
22
Effekt nimmt aber an jedem Übergang ab.60
Durch Simulationen, bei denen der primäre soziale
Effekt und danach der sekundäre soziale Effekt neutralisiert werden, wird gezeigt, dass mehrere
Übergänge die soziale Ungleichheit verschärfen. Der sekundäre soziale Effekt spielt die größte
Rolle der sozialen Ungleichheit.61
6.5 Migranten
Die Teilung hat auch Bedeutung für die Migranten. Kinder aus Migrantenfamilien schneiden
schlechter ab im Bildungssystem als Kinder aus deutschen Familien, und eine Überrepräsentation
von Migranten findet an den Hauptschulen statt. Hat ein hoher Anteil von Migranten in der
Grundschule Einfluss auf den Bildungsübergang? Hierzu kann ja gesagt werden. Die Schüler
verbringen viele Stunden miteinander und orientieren sich aneinander. In der Schulklasse kann es
verschiedene Kodexe geben. Wie sollen die Kinder sich benehmen? Was ist akzeptabel und was
nicht, wie bekommt das Kind Respekt und Status von den anderen Kindern und was soll vermieden
werden?
Das Milieu der Schulklasse hat Einfluss auf die Schüler. Wenn das Aspirationsniveau
in einer Schulklasse sehr niedrig ist und es nicht gut angesehen ist, immer die Hausaufgaben zu
machen und immer sein Bestes zu zeigen, dann lernen die Schüler auch nicht so viel. Mit vielen
Migranten und/oder leistungsschwachen Schülern in der Schulklasse können die Lernopportunitäten
auch vermindert werden. Gibt es z.B. in einer Schulklasse viele Migranten, kann es notwendig sein,
hier viel Zeit zu verwenden um die Sprache zu fördern, da Migranten durchschnittlich schwächere
Leistungen in Deutsch zeigen. Es nützt ja nichts, den Unterricht auf einem Niveau zu haben, auf
dem die Schüler nichts verstehen und deshalb wird das Niveau gesenkt. Mit viel Fokus auf der
Sprache wird die Zeit für anderes Lernen dann natürlich kürzer. Das ist dann vielleicht auch zu
sehen bei dem Übergang zum Sekundarbereich I. Vielleicht ist die Leistung des Schülers sehr
niedrig und dies macht es unmöglich, das Gymnasium oder die Realschule zu besuchen oder der
Schüler hat keine Intention, eine von diesen zu besuchen, obwohl er eigentlich gut genug wäre.62
Gehen viele Migranten in die Schulklasse sind die Übergangschancen zur Realschule oder zum
60
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
629 61
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
630 62
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, pp.
537-538
23
Gymnasium kleiner. Cornelia Kristen hat aber in ihrer Arbeit herausgefunden, dass das
durchschnittliche Leistungsniveau keinen bedeutsamen Effekt hat.63
Die Vorbilder der Migrantenkinder sind durchschnittlich nicht so gut. Die Eltern von
Migrantenkindern sind häufiger arbeitslos als die Eltern deutscher Kinder. Wohnt das Kind dann
auch in einer Umgebung mit vielen Migranten, ist die Chance, dass auch andere Vorbilder des
Kindes nicht in der deutschen Gesellschaft funktionieren größer. Im Jahre 2006 hatten 13% der
Migranten keinen allgemeinen Schulabschluss und noch mehr, nämlich 46,9%, hatten keinen
beruflichen Abschluss. Bei den Deutschen lagen diese Zahlen bei 1,7% für keinen allgemeinen
Schulabschluss und bei 22,7% für keinen beruflichen Abschluss. Bei der Erwerbstätigkeit gibt es
auch Unterschiede. Im Alter von 25 bis 65 waren 62,7% der Migranten erwerbstätig, im Vergleich
zu 74,1% der Deutschen. Bei der Arbeitslosigkeit war der Unterschied auch zu sehen. 12,5% der
Migranten waren ohne Arbeit, bei den Deutschen war die Zahl 6,9%. Die Migranten, die eine
Arbeit haben, arbeiten häufiger als die Deutschen als Arbeiter, hier geht es um 46,6% der Migranten
und 24,9% der Deutschen. Die Migranten arbeiten vor allem im Gastgewerbe, im Handel und im
produzierenden Gewerbe.64
Das Kind einer Migrantenfamilie sieht dann häufiger, dass die Eltern keine
Ausbildung haben und das Vertrauen an sich selbst ist vielleicht nicht so groß. Da es bei den
Migranten auch mehr Arbeitslose gibt, kann es auch sein, dass das Kind erlebt, dass die Eltern trotz
Ausbildung keine Arbeit finden. Warum dann eine Ausbildung machen, wenn die Chancen schon
kleiner sind? Gleichzeitig sind mehr Migranten als Deutsche als Arbeiter tätig oder arbeiten im
Handel, und das Kind ist deshalb vielleicht nicht in Kontakt mit Personen, die eine
Hochschulausbildung haben. Die Ausbildungsmotivation kann so gesenkt werden.
6.6 Grundschulempfehlung
Nicht nur die Eltern (und das Kind) können aber bestimmen, welche Schulform nach der
Grundschule besucht werden soll. Es kann sein, dass die Eltern möchten, dass das Kind das
Gymnasium besucht, ist die Leistung des Kindes aber nicht gut genug für das Gymnasium, kann es
schwierig sein den Wunsch zu erfüllen. In allen Bundesländern bekommt das Kind eine
Empfehlung für Sekundarbereich I. Es ist aber verschieden, wie viel sie in den Bundesländern
bedeutet. In Baden-Württemberg z.B. spielt die Empfehlung eine große Rolle. Sie ist verbindlich
63
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, p. 550 64
Statistisches Bundesamt Deutschland, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, p. 8
24
und nur schwer revidierbar.65
Sind die Eltern mit der Empfehlung nicht zufrieden, können die Eltern
das Kind an einem Beratungsverfahren teilnehmen lassen und/oder bei einer Aufnahmeprüfung.
Das Kind muss dann hier ein bestimmtes Niveau schaffen. Das Kind ist aber vielleicht unter Druck.
Die Eltern haben viel gemacht und wünschen, dass das Kind eine gute Leistung zeigt.
Ein anderes Beispiel ist Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz können die Eltern frei
entscheiden, welchen Bildungsgang das Kind besuchen soll. Ganz frei ist es aber auch hier nicht.
Die Kapazität der Schulen spielt auch eine Rolle. (2.2.2). Der Übergang wird auch von der
aufnehmenden Schule vorbereitet. Diese Schule hat also auch etwas zu sagen und sie ist ja daran
interessiert, so gute Schüler wie möglich zu bekommen. Der Notendurchschnitt und die
Empfehlung bedeuten also auch hier etwas.66
Die Grundschulempfehlung ist da um zu helfen, dass das Kind nach der Grundschule
in die richtige Schulform wechselt. Das Kind, das für einen höheren Bildungsweg ungeeignet ist,
aber aus einer Familie mit überhöhter Bildungsabsicht kommt, soll nicht auf eine höhere Schule
geschickt werden. Ist das Kind andersherum für eine höhere Schule geeignet, kommt aber aus einer
Familie mit wenig Bildungsabsicht, soll die Grundschulempfehlung dazu führen, dass das Kind eine
höhere Schule versucht.67
Mit Pisa-Daten des Jahres 200068
hat Volker Benedict-Müller die Bedeutung der
Grundschulempfehlung analysiert. Die Daten erfassen Schüler, die Mitte der 1990er Jahre in den
Sekundarbereich I übergingen und in dieser Zeit gab es nur in einigen Bundesländern die
Grundschulempfehlung. Einer der Befunde ist, dass die Grundschulempfehlungen dazu führen,
dass mehr Kinder das Gymnasium besuchen, was in der Tabelle 769
zu sehen ist. Besonders bei
Schülern der niedrigen Sozialschichten, die das Leistungspotenzial „mittel“ hatten, gingen mit einer
Grundschulempfehlung deutlich mehr in das Gymnasium über, nämlich 40,4% im Vergleich mit
Tabelle 370
, wo die Übergangsquote 35,3% war. Ohne Grundschulempfehlung, wie Tabelle 871
zeigt, war die Übergangsquote 22,8% bei den Schülern der niedrigen Sozialschicht mit
Leistungspotenzial „mittel“. Bei den Schülern der niedrigen Sozialschichten mit Leistungspotenzial
65
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, p. 539 66
Kultusministerkonferenz, Übergang von der Grundschulein Schulen des Sekundarbereichs I, pp. 9+25 67
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
633 68
Fußnote 54 69
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
634, Anlage 5 70
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
626, Anlage 4 71
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
635, Anlage 6
25
„gut“ trauten sich nur 44,6% zum Gymnasium zu wechseln im Vergleich zu 65% mit
Grundschulempfehlung. Bei den höheren Sozialschichten gab es mit einer Grundschulempfehlung
auch mehr die das Gymnasium wählten. Die Analyse zeigt, dass die Schule dabei Einfluss auf den
Übergang hat und es wird betont, dass es sich um ein Entscheidungsproblem handelt und nicht um
ein Begabungsproblem. Die Grundschulempfehlung macht die Differenz zwischen den
Übergangsquoten kleiner. Dies bestätigen ältere Untersuchungen. Wenn die Eltern selbst über den
Bildungsweg des Kindes entscheiden, ohne Einfluss der Schule, dann wird die Ungleichheit größer.
Der sekundäre soziale Effekt hat durch die Eltern einen beträchtlichen Einfluss.72
Die
Grundschulempfehlung ist aber insgesamt nicht gut. Die frühe Teilung der Kinder in die
verschiedenen Schulformen hat Nachteile. Viele Kinder zeigen erst nach der Teilung ihr volles
Leistungspotenzial.73
Mit der Grundschulempfehlung stehen die Lehrer vor einer schweren Entscheidung.
Ein Kind der niedrigen Sozialschichten mit gutem Leistungsniveau wird eher auf dem Gymnasium
scheitern als ein Kind der höheren Sozialschichten, das auch ein gutes Leistungsniveau hat, weil die
Hilfe und der Rückhalt der Familie bei höheren Sozialschichten größer sind. Mit einer
Grundschulempfehlung für das Gymnasium wird der sekundäre soziale Effekt für das Kind der
niedrigen Sozialschichten vermindert. Der primäre soziale Effekt verstärkt sich durch die fehlende
Unterstützung der Familie. Das Schulsystem in Deutschland verhindert, dass eine Entscheidung, die
sich nur an dem Leistungsniveau orientiert, immer das Beste für den Schüler ist.74
6.7 Noten
Cornelia Kristen hat untersucht, wie viel die Noten für die Empfehlungen bei Migrantenkindern
bedeuten. Sie hat hier Daten von 6 Grundschulen aus Baden-Württemberg genutzt. Die Daten
entsprechen nicht ganz der Verteilung der Schüler in Baden-Württemberg im Jahre 2000. Hier
gingen rund 35% eines Grundschuljahrgangs auf die Hauptschule, in der Untersuchung war die
Zahl 45%. Die leistungsschwächeren Kinder sind also im Datensatz überrepräsentiert.75
Das Notensystem in Deutschland geht von 1 bis 6. 1 bedeutet „sehr gut“, 2 bedeutet
„gut“, 3 bedeutet „befriedigend“, 4 bedeutet „ausreichend“, 5 bedeutet „mangelhaft“ und 6
72
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, pp.
633-636 73
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, p.
635 74
Müller-Benedict, V., Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten verringert werden?, pp.
635-635 75
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, p. 539
26
bedeutet „ungenügend“.76
Wenn das Kind einen Notendurchschnitt von mindestens 2,5 in den
Fächern Deutsch und Mathematik hat, wird in Baden-Württemberg das Gymnasium empfohlen, ist
der Durchschnitt mindestens 3,0, wird die Realschule empfohlen. Ist die Ergebnis schlechter als 3,0,
bekommt das Kind eine Empfehlung für die Hauptschule. Kinder, die sehr gute oder sehr schwache
Leistungen zeigen, werden eine Empfehlung nach diesen Regeln bekommen, hier ist keine
Abweichung zu erwarten. Nur wenn das Kind am Rande dieser Notendurchschnitte liegt, werden
z.B. Lern- und Arbeitshaltung einbezogen. Das durchschnittliche Leistungsniveau wird mit den
Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik gefunden.77
In dieser Untersuchung wird das bekannte Muster der Migrantenkinder
widergespiegelt. Sie gehen häufiger an Hauptschulen über als deutsche Kinder. Bei den Schulnoten
kann ein ähnliches Muster gesehen werden. Die Leistungen werden ja in den Fächern Deutsch und
Mathematik gemessen, und hier schneiden die deutschen Kinder durchschnittlich besser ab, sowohl
in Deutsch als auch in Mathematik. Zwischen den 2 Fächern sind keine wesentlichen Unterschiede
zu sehen. Bei den Migrantenkindern ist aber generell zu sehen, dass sie bessere Leistungen in
Mathematik haben als in Deutsch. Nur 14,2% der Migrantenkinder haben eine Note zwischen 1,0
und 2,4 in Deutsch bekommen, für die deutschen Kinder war die Zahl 33,5%. Bei der
Mathematiknote war der Anteil der Migrantenkinder, die eine Note zwischen 1,0 und 2,4 bekamen,
23,7% und bei den deutschen Kindern war der Anteil 36,9%. Über die Hälfte der Migrantenkinder
bekam in Deutsch eine Note zwischen 3,1 und 6,0. Sprachprobleme können hier eine Rolle spielen
und das Ergebnis ist deshalb nicht verwunderlich. Die Notendurchschnitte und die Übergangsraten
entsprechen ungefähr einander.78
Die Noten determinieren, wohin das Kind nach der Grundschule gehen soll. Cornelia
Kristen hat herausgefunden, dass bei dem Schulwechsel die Deutschnote wichtiger als die
Mathematiknote ist. Hat das Kind keinen Erfolg in diesen Fächern, ist ein Hauptschulbesuch zu
erwarten. Die Chance auf das Gymnasium oder die Realschule zu gehen, existiert fast nicht. Die
Noten können aber den Übergang nicht vollständig erklären, es gibt auch noch ethnische
Herkunftseffekte. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass dieser Herkunftseffekt nur eine Rolle
spielt, wenn das Migrantenkind die Hauptschule besuchen soll. Steht die Entscheidung zwischen
Realschule und Gymnasium, spielt die ethnische Herkunft keine Rolle. Für die Migrantenkinder,
76
Fleischer, H., Das Buch über Deutschland, p. 117 77
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, pp.
538-540 78
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, pp.
541-542, Anlage 7
27
die nach der Grundschule die Hauptschule besuchen, kann die Zusammensetzung der Schülerschaft
in den Grundschulen eine Rolle spielen und die ethnische Ungleichheit erklären.79
Denn
„Hohe Migrantenanteile in der Schule oder Schulklasse haben negative Konsequenzen für die schulische
Platzierung der Schülerinnen und Schüler.“80
Verschiedene Gründe hierzu sind im Abschnitt Migranten (6.5) dargestellt.
6.8 Zusammenfassung der Unterschiede
Das Kind wird mit verschiedenen genetischen Eigenschaften geboren. Wie in der Analyse zu sehen
ist, gibt es außerdem verschiedene Faktoren in der Umwelt, die den Bildungsweg des Kindes
beeinflussen. Z.B. das Einkommen der Eltern. Außer den grundlegenden Faktoren Wohnen und
Ernähren, gibt es noch weitere, die eine Rolle spielen bei der Wahl der Ausbildung. Eine Mischung
der vielen Faktoren determiniert den Bildungsweg des Kindes. Die Grundschulempfehlung wird
von Noten beeinflusst. Hier ist das Leistungsniveau des Kindes wichtig, wenn der Übergang in den
Sekundarbereich I bestimmt wird. Das Leistungsniveau wird z.B. von den Eltern und der Schule
beeinflusst. Aber auch wenn das Leistungsniveau von zwei Kindern aus verschiedenen
Sozialschichten gleich ist, gibt es Unterschiede. Die Eltern sehen vielleicht die Schulausbildung
nicht mit gleichen Augen an oder verstehen nicht ausreichend die Übergänge des Schulsystems.
7 Bildungsniveau in Deutschland und Dänemark
Natürlich spielt nicht nur der Aufbau des Schulsystems eine Rolle für die Möglichkeit, eine
Ausbildung zu bekommen. Faktoren wie z.B. die Förderung des Staates und die Entfernung von den
verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten können auch einen Einfluss haben. Der Aufbau des
Schulsystems ist aber dennoch wichtig und deshalb die Frage: Wie viele Menschen bekommen
tatsächlich welche Ausbildung in Deutschland und Dänemark?
Um die frage zu beantworten, benutze ich Daten der OECD.81
Die Schulsysteme in
den OECD-Ländern sind nicht gleich, z.B. variieren die Länge der Ausbildungen, die Alter der
Schüler usw. Deshalb sind Standards festgelegt, um einen Vergleich der Länder möglich zu
machen. Auch die Bildungssysteme in Deutschland und Dänemark sind nicht gleich. Es kann
deshalb schwierig sein, die zwei Länder genau zu vergleichen. Ich werde die OECD-Daten
benutzen, weil Deutschland und Dänemark hier unter den gleichen Standards verglichen worden
79
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, p. 549 80
Kristen, C., Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, p. 549 81
OECD, Hintergrundinformationen zu PISA: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
28
sind. Ich werde nur die Gesamtbevölkerung betrachten und nicht bestimmte Gruppen der
Bevölkerung.
In Deutschland hatten im Jahre 2006 83% der Bevölkerung von 25 bis 64 Jahren
mindestens einen Abschluss des Sekundarbereichs II (Abitur oder eine abgeschlossene
Berufsausbildung)82
erreicht. Unter den 25 bis 34-jährigen war die Zahl 84%. In Dänemark war die
Zahl bei der Bevölkerung von 25 bis 64 Jahren 82% und zwischen 25 und 34 Jahren war die Zahl
88%. Es ist zu sehen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung mindestens eine Ausbildung im
Sekundarbereich II besitzt, in beiden Länder sind es über 80%.83
Im Tertiärbereich, Hochschulen und z.B. Berufsakademien, ist der Unterschied
zwischen Deutschland und Dänemark ein bisschen größer. Im Jahre 2006 hatten in Deutschland
24% der Bevölkerung von 25 bis 64 Jahren mindestens eine Ausbildung im Tertiärbereich. In
Dänemark war die Zahl 35%. Bei den 25 bis 34-jährigen war der Unterschied noch größer: 22% der
deutschen Bevölkerung und 41% der dänischen Bevölkerung. Ein größerer Teil der dänischen
Bevölkerung hat folglich hier eine Ausbildung gemacht. Jedoch sind die Zahlen der 25 bis 34-
jährigen mit Vorsicht zu interpretieren. Es kann hier Leute geben, die ihre Ausbildung noch nicht
beendet haben. Das ändert aber nichts an dem allgemeinen Resultat, dass ein größerer Teil der
Bevölkerung Dänemarks eine Ausbildung im Tertiärbereich hat als in Deutschland. Denn auch bei
der Altersgruppe der 35- bis 44-jährigen ist der Prozentsatz in Dänemark höher mit 36% gegenüber
25% in Deutschland. Vermutet wird aber, dass die Einführung des Bachelor- und Mastersystems,
(2.2.4), in Deutschland dazu führt, dass die Leute das Studium schneller absolvieren, dank ihrer
strukturierteren Studienabläufe. Dass es strukturierter ist, kann auch dazu führen, dass mehr Leute
ein Studium beginnen.84
85
Seit 1995 bis 2006 ist der Prozentsatz für die erste Ausbildung im Tertiärbereich Typ
A (Universitätsniveau, einschließlich Fachhochschulen) in beiden Ländern gestiegen. Nachher kann
also geforscht werden oder ein Beruf mit hohem Qualifikationsanspruch ergriffen werden.86
In
Deutschland war die Zahl im Jahre 1995 14% und 11 Jahre später 21%. Über die Jahre ist der
Prozentsatz gestiegen, aber nicht so stark wie in Dänemark. Hier war der Prozentsatz im Jahre 1995
25% und im Jahre 2006 schon 45%. Obwohl beide Länder eine Steigerung erlebt haben, gab es
82
OECD, Bildung auf einen Blick, p. 2 83
OECD, Education at a Glance 2008, p. 43, Anlage 8 84
OECD, Bildung auf einen Blick, p. 4 85
OECD, Education at a Glance 2008, p. 44, Anlage 9 86
OECD, glossary, p. 18
29
2006 zwischen beiden Ländern einen größeren Unterschied als 1995.87
Wie schon erwähnt, wird
aber vermutet, dass das Bachelor- und Mastersystem in Deutschland die Abschlussquote erhöhen
wird.
Folglich ist zu sehen, dass das Bildungsniveau in Dänemark höher ist als in
Deutschland. Ein großer Teil der Bevölkerung hat in beiden Ländern Sekundarbereich II geschafft,
aber der Teil, der den Tertiärbereich geschafft hat, ist in Dänemark höher als in Deutschland. Dank
des Bachelor- und Mastersystems, wird in Deutschland eine Steigerung erwartet. Ich erwarte
trotzdem, dass sich der große Unterschied im Tertiärbereich zwischen Deutschland und Dänemark
in der Zukunft nicht so schnell verkleinern wird.
8 Schlussfolgerung
In Deutschland kostet es grundsätzlich nichts, eine öffentliche Schule des Primarbereichs und des
Sekundarbereichs zu besuchen.88
Der Zugang ist allgemein und frei. Geld sollte deshalb keine Rolle
spielen für die Möglichkeit z.B. nach der Grundschule das Gymnasium zu besuchen. Trotzdem ist
es nicht nur der Zugang zur Bildung, der determiniert, welcher Bildungsweg gewählt wird. Die
Aufteilung der Kinder nach der Grundschule führt dazu, dass sehr früh eine Entscheidung über den
Bildungsweg getroffen werden muss. Bei dieser Entscheidung ist das Kind ungefähr 10 Jahre alt
und es ist deshalb stark von seinen Eltern abhängig. Mit 10 Jahren kann das Kind nicht die vollen
Konsequenzen der Wahl sehen. Die Eltern können Schwierigkeiten haben das Schulsystem und die
Möglichkeiten zu überschauen und das Kind hat ja hier ein noch viel geringes Verständnis. Die
Eltern machen Kosten-Nutzen-Kalkulationen. Sie sehen den Nutzen der Ausbildung, die erwarteten
Kosten, Erfolgserwartung, Statuserhaltung und Statusverlust. Alle diese Faktoren bilden zusammen
die Bildungsabsicht. (6.3).
Der tatsächliche Bildungsübergang wird dann auch von der Grundschulempfehlung
entschieden. Der Einfluss der Eltern ist aber groß, denn die Grundschulempfehlung hängt unter
anderem von der Leistung des Kindes ab. Das Kind ist aber noch nicht viele Jahre in die Schule
gegangen, die Schule hat folglich noch nicht viele Jahre Einfluss auf das Kind gehabt, wenn die
Entscheidung getroffen werden muss. Die Grundschulempfehlung determiniert in hohem Maße,
wohin das Kind nach der Grundschule geht, und die Grundschulempfehlung führt dazu, dass mehr
Kinder zum Gymnasium gehen. Aber die frühe Teilung führt jedoch dazu, dass die Tür zu höherer
Bildung für die übrigen Schüler ziemlich geschlossen wird. Gleichzeitig entwickelt sich das volle
87
OECD, Education at a Glance 2008, p. 87, Anlage 10 88
Kultusministerkonferenz, Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland 2007, p. 117
30
Leistungspotenzial vielleicht erst nach dem Übergang in den Sekundarbereich I. Das Kind wird
dann vom Gymnasium abgeschnitten, obwohl es später gut genug wäre, und das Potenzial des
Kindes wird im Sekundarbereich nicht optimal gefördert.
Migrantenkinder bekommen durchschnittlich schlechtere Noten in der Grundschule
als deutsche Kinder. (6.7). Besonders die Deutschnote ist schlechter und dies kann es schwierig
machen, andere Schulen als die Hauptschule zu besuchen. Bei späterer Teilung würden
Migrantenkinder länger Zeit haben, die deutsche Sprache zu lernen, bevor eine Teilung stattfindet.
Leistungsklima und Vorbilder spielen auch eine Rolle dafür, wo das Kind im
Bildungssystem landet. Z.B. sind Migranten öfter als Arbeiter beschäftigt und auch öfter arbeitslos
als Deutsche. (6.5) Die Migrantenvorbilder sind also durchschnittlich sozial schlechter gestellt und
die Bildungsaspiration kann deshalb niedriger sein. Wenn das Kind keine Vorbilder hat, die eine
weiterführende Ausbildung haben, kann dies das Kind beeinflussen.
Die großen Parteien CDU und SPD unterscheiden sich in ihren Ansichten über das
bestmögliche Schulsystem, und da Deutschland eine Föderation ist und die Bildungspolitik in den
einzeln Bundesländern bestimmt wird, gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die CDU
findet, dass das dreigliedrige Schulsystem gut funktioniert. Die Kinder müssen nach
Leistungsniveau gefördert werden. Die frühe Teilung sorgt aber dafür, dass das nicht immer der Fall
ist. Die SPD unterstützt den Bau von Gesamtschulen. Der Wohnort des Kindes determiniert also
auch, welche Schulform besucht wird. Lebt es in einem Bundesland, das lange von der SPD regiert
ist, ist die Möglichkeit, selber zu entscheiden, welche Schulform besucht werden soll, ein bisschen
größer.
Ich habe in dieser Arbeit zwei wichtige Effekte betrachtet: den sogenannten primären
sozialen Effekt und den sekundären sozialen Effekt. Der primäre soziale Effekt beschreibt das
Leistungspotenzial eines Kindes, der sekundäre soziale Effekt beschreibt die Wahrnehmung dieses
Leistungspotenzials. Bei der Frage, welche Schullaufbahn ein Kind im deutschen Schulsystem
einschlägt, spielt die Neutralisierung (oder Nicht-Neutralisierung) des sekundären sozialen Effekts
die größte Rolle. Bei allen Übergängen im Schulsystem, wirkt der sekundäre soziale Effekt.
Deshalb können Änderungen im Schulsystem den sekundären sozialen Effekt vermindern.
In Dänemark werden die Schüler von 1. bis 9. Klasse gemeinsam unterrichtet. Eine
Teilung findet erst danach statt. In Kapitel 7 ist zu sehen, dass das Bildungsniveau in Dänemark
höher ist als in Deutschland. Ein Grund dafür könnte die spätere Teilung der Kinder sein. Wenn die
Kinder gemeinsam unterrichtet werden, muss erst später eine Bildungsentscheidung getroffen
31
werden, die Möglichkeit, eine höhere Ausbildung zu bekommen, steht längere offen und die Schule
kann in dieser Zeit den Schüler beeinflussen.
Folglich ist zu sehen, dass die frühe Teilung der Kinder in Deutschland negative
Konsequenzen für die Kinder haben kann. Elternwille und Grundschulempfehlung sind
entscheidend für den Übergang Primarbereich in den Sekundarbereich I. Änderungen des
Schulsystems könnten den Kindern größere Chancen geben.
32
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Anlagen
Anlage 1
Becker, R. (2000). Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der
Wert-Erwartungstheorie. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 52.
Anlage 2
Müller-Benedict, V. (2007). Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten
verringert werden? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 59.
Tabelle 1. Soziale Ungleichheit des Schulerfolgs: Schichtzugehörigkeit und besuchte Schulform
37
Anlage 3
Müller-Benedict, V. (2007). Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten
verringert werden? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 59.
Anlage 4
Müller-Benedict, V. (2007). Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten
verringert werden? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 59.
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Anlage 5
Müller-Benedict, V. (2007). Wodurch kann die soziale Ungleichheit des Schulerfolgs am stärksten
verringert werden? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 59.
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Anlage 6
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Anlage 7
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Anlage 8
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Anlage 9
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Anlage 10
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