claudia frieser der kirchendieb ein abenteuer aus dem ... · das gesame lieferbare programm von dtv...

20
Claudia Frieser Der Kirchendieb Ein Abenteuer aus dem Mittelalter

Upload: others

Post on 22-Oct-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

  • Claudia FrieserDer Kirchendieb

    Ein Abenteuer aus dem Mittelalter

  • Claudia Frieser, geboren 1967, studierte Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit,nahm an Ausgrabungen teil und arbeitete amGermanischen Nationalmuseum in Nürnberg.Mittlerweile lebt sie als erfolgreiche Kinderbuchautorin mit ihrer Familie in Bamberg.

    Peter Knorr wurde 1956 in München geborenund lebt heute als freischaffender Illustrator mitseiner Familie in Nierstein am Rhein.Er hat vieleBilderbücher gezeichnet,noch mehr Bücher ausgestattet und zusammen mit seiner Frau DoroGöbel auch eigene Buchprojekte verwirklicht.

    ©pr

    ivat

    ©pr

    ivat

    Doro Göbel, geboren 1958, studierte Kunsterziehung in Mainz und arbeitet seit 1986 alsfreischaffende Künstlerin und Illustratorin. Sieist mit Peter Knorr verheiratet. Das Paar hatschon mehrere Bände der Reihe Tigerauge ausgestattet.©

    priv

    at

  • Claudia Frieser

    Der KirchendiebEin Abenteuer aus dem Mittelalter

    Mit Illustrationenvon Peter Knorr und Doro Göbel

    Deutscher Taschenbuch Verlag

  • Von Claudia Frieser sind außerdem bei dtv junior lieferbar:Oskar und das Geheimnis der verschwundenen Kinder

    Oskar und das Geheimnis der KinderbandeOskar und das Geheimnis des Klosters

    Oskar und das geheimnisvolle Volk

    Das gesame lieferbare Programm von dtv juniorund viele andere Informationen finden sich unter

    www.dtvjunior.de

    Neuausgabe2. Auflage 2015

    2015 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,München

    © 2011 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,München

    Umschlagkonzept: Balk & BrumshagenUmschlagbild: Peter Knorr

    Gesetzt aus der Caslon 12,5/16˙Gesamtherstellung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen

    Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany · ISBN 978-3-423-71619-2

  • Inhalt

    Rache ist süß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Ein Traum geht in Erfüllung . . . . . . . 34Johanna lernt lesen . . . . . . . . . . . . . . . 41Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Der Schulmeister . . . . . . . . . . . . . . . . 64Der Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Das Treffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86Verhängnisvoller Besuch . . . . . . . . . . . 98In der Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105In letzter Sekunde . . . . . . . . . . . . . . . . 115

  • 7

    Rache ist süß

    »Das hast du nun davon, du eingebildeter Pfeffer-sack! Dein Benehmen stinkt zum Himmel . Und dassoll nun die ganze Welt wissen .« Johanna grinste zu-frieden und gab einem kleinen Jungen ein Zeichen .Seine Kleidung war wie die der anderen Kinder vielzu groß und mehrmals geflickt .

    »Du bist dran, Lenz!«Der Junge lächelte schadenfroh, griff nach einem

    vollen Holzeimer und leerte den stinkenden Inhaltüber sein Opfer aus .

    Andreas hatte keine Chance, sich zu wehren .Sämtliche Flüche, die er ausstieß, halfen ihm nichts .Claeß und Krischer hatten ihn fest im Griff .

    Die anderen Kinder, Jungen und Mädchen im Al-ter von sieben bis zehn Jahren, die ihm den Flucht-weg aus der schmalen Gasse versperrten, hielten sichangewidert die Nasen zu, als der Schweinemist anAndreas hinunterlief . Dann jubelten sie lautstark .

    Johanna sah, wie gut es ihnen tat . Sie alle hattenes nicht einfach . Ihre ausgemergelten Körper und

  • 8

    blassen Gesichter waren von Hunger gezeichnet,die Kleidung war schon von vielen anderen vor ih-nen getragen worden . Da waren die Anna und ihrejüngere Schwester, das Märtlein, der kleine Lenz,die stumme Agnes und der hinkende Gerch . Claeß,Krischer und Zecke waren die ältesten der Jungen .Sie alle lebten von der Hand in den Mund . Das,was sie und ihre Eltern durch Tagelöhnerarbeitenverdienten, reichte oft nicht aus . Manchmal bliebnur das Betteln vor den Kirchen, um nicht zu ver-hungern . Sie hatten sich zu einer Bande zusammen-geschlossen, um sich gegenseitig vor niederträchti-gen Erwachsenen zu beschützen, aber auch vor jenenGleichaltrigen, wie diesem Andreas und seiner Ban-de eingebildeter Kaufmannssöhne, die sich selbstDie Gilde nannten . Keine Gelegenheit ließen dieseaus, um sie zu beleidigen, zu treten und zu bespu-cken . Sie selbst nannten sich Weiße Rose . Weiß, weilsie immer redlich bleiben wollten, und Rose, weil sieebenso wehrhaft waren .

    Heute Morgen hatten Johanna und ihre Freundesich in das Gebiet der »Pfeffersäcke« gewagt . ImSchatten eines schmalen Durchgangs, der von derprachtvollen Straße abzweigte, hatten sie sich aufdie Lauer gelegt und gewartet . Gleich um die Ecke

  • 9

    wohnte Andreas, deren Anführer . Johanna wusste,dass er früher oder später hier entlangkommen wür-de, wie jeden Tag außer sonntags . Sein Vater konntees sich leisten, seinen Sohn auf die feine Lateinschu-le in diesem Teil der Stadt zu schicken . Der Überfallvon Johanna und ihren Freunden kam für Andreas soüberraschend, dass er nicht den Hauch einer Chancehatte zu entkommen . Lautlos und unbemerkt hattensie sich den Jungen gegriffen und in die menschen-leere Gasse geschleift .

    »Ihr stinkendes Lumpengesindel! Das werdet ihrmir noch büßen!«, brüllte Andreas .

    »Das geschieht dir ganz recht, du verzogenesMuttersöhnchen! Wie nennt deine feine Bande unsimmer?« Johanna machte eine kurze Pause und tatso, als würde sie angestrengt nachdenken . »Ach ja!Stinkende Straßenköter. Nun, ich kenne nur einen,der hier pestilenzartig stinkt, und das bist du!« DasMädchen lachte und gab den anderen ein Zeichen,den vor Ekel würgenden Andreas loszulassen .

    »Kommt! Hier stinkt es mir zu sehr . Lasst unsgehen!« Lauthals lachend rannten sie davon . Nurkurz drehte sich Johanna um und sah Andreas hin-terher, der wild nach den Fliegen schlug, die er imNu magisch anzog .

  • 10

    Das geschieht ihm recht, dachte Johanna . Bei je-der sich bietenden Gelegenheit waren Andreas undseine Freunde herablassend und gemein zu ihnen .Erst gestern hatten sie den kleinen Lenz gezwun-gen, Regenwürmer zu essen . Er hatte vor St . Ursulagesessen und für sich und seine Familie gebettelt .Unter dem Vorwand, ihm etwas zu essen geben zuwollen, lockten Andreas und seine feine Bande denKleinen in eine Gasse .

    »Jetzt musst du nicht mehr hungern«, hatten siescheinheilig gesagt und ihm daraufhin kichernd dieRegenwürmer in den Mund gestopft .

    Allein der Gedanke daran machte Johanna wü-tend . Nur weil sie im Griechenmarktviertel wohn-ten, hieß dies noch lange nicht, dass man auf ihnenherumtrampeln durfte . Sicher, das Viertel mit seinenumliegenden schmalen und dusteren Gassen wareines der verrufensten Quartiere der Stadt . Nichtnur redliche Arme lebten hier, sondern auch fremdeBettler, die gegen Bezahlung Unterschlupf fanden,ebenso wie Gaukler, Musikanten und Dirnen . DieGassen zogen vor allem das Diebesgesindel an wiedas Licht die Motten . Johanna hätte viel darum ge-geben, woanders zu wohnen, aber auf die ehrlichenLeute in ihrem Quartier ließ sie deswegen noch lan-

  • 11

    ge nichts kommen . Sie rackerten sich Tag und Nachtab, nahmen jede noch so schlecht bezahlte Arbeitan, schufteten als Kloakenreiniger, Holzträger oderKarrenschieber, nur um sich und ihre Familie zuernähren . Sicher, es gab auch andere Kinderbanden,wie die Compagnie . Ihr Anführer, er nannte sich Ka-pitän, schickte seine Jungs zum Stehlen aus . Ihre Na-men wie Der Schwarze, Holzbock (er hatte durch diePocken ein Auge verloren), Plattnas (benannt nachseiner eingeschlagenen Nase), der Welsche Jacob oderder grindige Milchbart (wegen seiner eitrigen Ver-krustungen auf dem Kopf ), all die kannte Johannabestens . Mit denen gab man sich möglichst nicht ab .Doch wer wollte ihnen ihre Gaunereien verübeln?Leben und leben lassen, sagte ihr Vater immer . ImUnterschied zu den Jungen der Compagnie hatte sieEltern, die sich um sie kümmerten .

    Geschickt bahnte sich Johanna einen Weg durchdie vielen Leute, die ihren Besorgungen nachgingen .Hier, in den Gassen Kölns, war sie zu Hause . JedenWinkel dieser reichen Kaufmannsstadt kannte sie .Wenn man öfter nichts zu tun hat, streift man durchdie Gassen und lernt so jeden Stein kennen . Dochwem nutzte das schon? Was hätte Johanna darumgegeben, wie dieser Andreas in eine Schule zu gehen,

  • 12

    lesen und schreiben zu lernen, etwas über die großeweite Welt außerhalb der schützenden Mauern zuerfahren . Doch das Schulgeld konnten ihre Elternnicht aufbringen . Der Verdienst des Vaters reichtegerade mal, um von der Hand in den Mund zu leben .Und so war es großes Glück, dass ihre Mutter einenkleinen Nähauftrag bekommen hatte . Das bisschenGeld erlaubte vielleicht, für Notzeiten etwas für diesechsköpfige Familie zur Seite zu legen . Johanna warmit ihren zehn Jahren die Älteste, dann kamen dersiebenjährige Gero, der vierjährige Simon und derzwei Jahre alte Anton . Seit gestern nähte ihre Mutterwie eine Besessene . Sie wollte ihre Arbeit gründlichund schnell erledigen, in der Hoffnung, die Kundinfür weitere Aufträge zu gewinnen . Blass und aus-gezehrt hatte Johannas Mutter heute Morgen unterdem kleinen Kellerfenster gesessen und mit müdenAugen gleichmäßige Stiche gemacht .

    »Johanna-Kind, ich brauche dich heute noch fürHeftarbeiten . Sei also bitte in einer Stunde wiederzurück«, bat sie ihre Tochter .

    Die Stunde war jetzt bald um und Mutter war-tete vermutlich schon . Dass Johanna helfen muss-te, störte sie nicht . Immer noch besser, als vor denKirchen zu sitzen und zu betteln . Sogar ihr drei Jahre

  • 13

    jüngerer Bruder, der siebenjährige Gero, ging jedenMorgen mit seinem Vater zur großen Dombaustelle .Manchmal fiel Arbeit für ihn ab und so trug auch erzum Unterhalt der Familie bei . Johanna hatte schonschlechtere Zeiten gesehen, vor allem im Winter .Doch seit der Vater als Tagelöhner für die Kirchearbeitete, konnte die Familie sich sogar die Miete füreine Kellerwohnung einen Monat im Voraus leisten .

    Gut gelaunt rannte Johanna durch die engen undschmutzigen Gassen ihres Viertels . Vor allem ausden schmalen Durchgängen zwischen den Häusernstank es schrecklich . Der Inhalt von Nachttöpfenund andere Abfälle türmten sich hier zu kleinenstattlichen Bergen auf . Niemand kam und beseitigtesie . Doch Johanna störte sich nicht daran . Sie kann-te es nicht anders . Den Gestank nahm sie gar nichtmehr wahr . Vielmehr fürchtete und verabscheuteJohanna die Taugenichtse, die in den Hauseingän-gen lungerten und auf den Abend warteten, um imDunkel der Nacht ihren Geschäften nachzugehen .Doch auch die konnten ihr ihre gute Laune nichtverderben . Vor dem Haus, in dem Johanna und ihreFamilie wohnten, blieb sie kurz stehen . Es war he-runtergekommen, wie all die anderen Häuser in der

  • 14

    Nachbarschaft . An manchen Hauswänden schautedas blanke Stroh-Lehm-Gemisch heraus . Die Kuh-häute in den Fenstern waren auch an vielen Stellenlöchrig . Manchmal beneidete sie die Familien, diesich eine Kammer in den oberen Stockwerken leis-ten konnten, doch dann dachte sie an diejenigen, diesich auf den Friedhöfen einen Unterschlupf errichtethatten . Johanna betrat das Haus, allerdings nichtdurch die große Tür, sondern durch die kleinere da-neben . Die Tür war so niedrig, dass sich Erwachsenebücken mussten,um sich nicht den Kopf anzustoßen .Zum Glück war Johanna noch ein Kind . Leichtfüßigsprang sie die Treppen in den feuchten, dusterenKeller hinab . Wie sie die Spinnweben hasste, derenFäden sich immer wieder im Gesicht verfingen . Vorder zweiten Tür blieb sie stehen . Schluchzer warenaus der Wohnung zu hören . Sofort schnürte sichJohannas Brust zusammen . Was war passiert? Mitzitternder Hand öffnete sie die Tür .

    Die Wohnung bestand aus nur einem Raum . DreiBetten, eine Truhe mit der wenigen Habe und einTisch mit wackeligen Hockern waren das einzigeMobiliar . Auf dem Lehmboden war Heu ausgelegt,um den Geruch zu verbessern . Aber es roch trotzdemfeucht und modrig . Sah man genau hin, entdeckte

  • 15

    man sogar die Hinterlassenschaften von Mäusenund anderen unwillkommenen Mitbewohnern . Ta-geslicht drang kaum durch das schmale Fernsterunter der niedrigen Decke .

    Johannas Blick fiel auf ihre Mutter . Auf ihremGesicht lagen die zierlichen Hände, Schluchzerbeutelten ihren schmächtigen Körper . Simon undAnton drückten sich ängstlich an sie und weintenebenfalls . Nur Gero kauerte wie versteinert in derEcke des Raumes und schwieg . Sein Gesicht wargerötet und vom vielen Weinen verquollen .

    »Was ist passiert?«, fragte Johanna entsetzt .»Oh Johanna-Kind!«, schluchzte ihre Mutter und

    schaute zu ihr auf . Johanna erschrak bei dem An-blick . »Vater ist verunglückt . Vom Gerüst gefallen .«

    Wie gelähmt stand Johanna da . Konnte kaumglauben, was sie hörte . Ihr Blick fiel wieder auf Gero .

    »Bist du dabei gewesen? Hast du den Unfall ge-sehen? Wo ist Vater jetzt?«

    Doch ihr Bruder blieb weiter stumm . Nur einzartes Nicken ließ Johanna wissen, dass Gero allesmit angesehen hatte .

    Sie lief zu ihm und nahm ihn in den Arm . Wieeine Mutter ihr kleines Kind wiegte Johanna ihnberuhigend hin und her .

  • 16

    Zwei Wochen waren seit dem Tod des Vaters ver-gangen . Die Trauer um ihn war der Sorge gewichen,die Familie satt zu bekommen . Gero half weiterhinauf der Dombaustelle aus und Johannas Mutter näh-te Tag und Nacht . Doch das Geld reichte einfachnicht aus . Für die drei jüngeren Kinder bekam dieMutter ein Almosen von der Kirche . Doch Johannawar mit ihren zehn Jahren schon alt genug, um fürsich selbst zu sorgen .

    Soeben hatte Johanna einen wunderschönen, vonihrer Mutter selbst genähten Umhang einer wohl-habenden Kundin gebracht und dafür etwas Geldbekommen . Zufrieden rannte sie nach Hause . Diereiche Bürgersfrau hatte nämlich noch etwas dazu-gegeben, weil ihr die Arbeit so gut gefallen und sieMitleid mit der Familie hatte . Und so befand sichin Johannas Beutel mehr Geld als erwartet und einriesiger Laib Brot . Aufgeregt hüpfte sie die Keller-treppe hinunter und öffnete die Tür .

    »Mutter! Sieh mal, was ich mitbringe! HeuteAbend werden wir uns richtig satt essen .«

    Ihre Mutter lächelte nur schwach . »Johanna-Kind,setz dich zu mir . Ich muss mit dir reden .«

    Die Ernsthaftigkeit, mit der ihre Mutter dies sag-te, machte Johanna Angst . Schweigend legte sie das

  • 17

    Brot und das Geld auf den Tisch und nahm aufeinem Hocker Platz . Während ihre Mutter sprach,sagte Johanna kein Wort . Auch danach nicht . Sievergoss nicht eine einzige Träne . Vielleicht, weil siees schon erwartet hatte .

    »Wann?«, fragte Johanna nur .»Gleich morgen früh bringe ich dich hin .«In der Nacht machte Johanna kein Auge zu . Nicht

    einmal das gleichmäßige Atmen ihres Bruders, mitdem sie das Bett teilte, beruhigte sie . Die Kirche hat-te für Johanna Arbeit und eine Bleibe gesucht unddiese gefunden . Die reiche Kaufmannsfamilie Stol-zenberg würde sie als Magd aufnehmen . Ab morgenwürde sie dort arbeiten und auch wohnen . So musstesich ihre Mutter nur noch um drei Kinder sorgen .

    »Dir wird es dort gut gehen, Johanna-Kind . Ineinem solchen Haus gibt es reichlich zu essen, undwenn du krank wirst, wird dein Herr sicher einenArzt kommen lassen .«

    Du hast leicht reden, dachte Johanna . Ihre Mutterhatte ja keine Ahnung von dem Krieg zwischen ihrerBande und der Gilde . Und ausgerechnet Andreas,deren Anführer, war der Sohn ihres neuen Herren .Die Sache von vor zwei Wochen wird er ihr gewissheimzahlen . Da war sich Johanna sicher .

  • Kindheit im Mittelalter

    Der Alltag der Kinder war vom sozialen Stand abhängig. Mitsieben Jahren – nur jedes zweite Kind wurde so alt – gingendie Kinder je nach Standeszugehörigkeit als Kindermönche inein Kloster, als Knappe auf eine fremde Burg, arbeiteten aufdem Bauernhof mit, besuchten eine Schule oder gingen gar betteln. Ihre Spiele jedoch waren die gleichen. Ganz oben standenbei Jungen Ritterspiele, bei Mädchen Puppen. Sie spielten mitFreunden auf der Straße Fangen, Verstecken, mit Murmeln,hüpften Seil, schlugen Kreisel oder trieben Reifen. Mit zwölfJahren galten Kinder als erwachsen. Konnten es sich die Elternleisten, wurden sie gegen Geld in die Lehre gegeben – auchMädchen. Die Kinder lebten dann für mindestens fünf Jahre beiihrem Meister. Söhne von Kaufleuten wurden nicht selten insAusland zu befreundeten Händlern geschickt. Ärmere Kinderarbeiteten als Dienstmädchen, Knechte,Wäscherinnen oder Tagelöhner. Mädchen wurden meist mit 15 Jahren verheiratet undwaren mit 16 schon Mütter.

  • 20

    Veränderungen

    Mit dem ersten Sonnenstrahl wurde Johanna ge-weckt .

    »Wasch dich gründlich und zieh bitte dein Sonn-tagskleid an . Die Herrschaften sollen nicht denken,dass sie sich ein stinkendes Gossenkind ins Hausgeholt haben . Wir sind vielleicht arm, aber nichtschmutzig!«, scherzte ihre Mutter und schickte Jo-hanna zum öffentlichen Brunnen, um Wasser zuholen .

    Das Brunnenwasser war eiskalt und weckte aufeinen Schlag Johannas Lebensgeister . Schlotterndschlüpfte sie in das gute Kleid, das ihre Mutter selbstgenäht hatte .

    »Mit den frisch gewaschenen und gekämmtenHaaren siehst du wie ein Engel aus!«, rief ihre Mut-ter überrascht . Dann ging sie auf ihre Tochter zuund drückte sie fest an sich . »Für dich beginnt heuteein neues Leben! Du wirst sehen, es wird dir dortgut gehen! Und jetzt lächle mal!«, forderte sie ihreTochter auf .