chancen und grenzen der relativen solmisation in...
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Universität Potsdam
Humanwissenschaftliche Fakultät
Department Lehrerbildung
Bereich Musik und Musikpädagogik
1. Gutachter: Prof. Werner Beidinger
2. Gutachter: Prof. Kristian Commichau
Abgabedatum: 04.09.2015
Masterarbeit
Chancen und Grenzen der relativen Solmisation in
Chorklassen
- Onlinebefragung zu den Rahmenbedingungen, Methoden und Erfahrungen
von Chorklassenlehrerinnen und Chorklassenlehrern
Zur Erlangung des Akademischen Grades
Master of Education (M. Ed.)
vorgelegt von:
Olga Maier
Geboren am 07.03.1988 in Karaganda (Kasachstan)
Matrikelnummer: 749895
MA LG Musik / Russisch
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Prof. Werner Beidinger und Prof. Kristian Commichau für die
Betreuung dieser Masterarbeit und die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung des
Themas.
Frau Katja Bobsin, Herrn Hannes Piening und allen anderen Personen bin ich für die Weiter-
leitung der Umfrage an die Chorklassenleiterinnen und Chorklassenleiter sehr dankbar.
Ich danke den vielen Musiklehrerinnen und Musiklehrern, die sich Zeit für die Teilnahme an
der Onlinebefragung genommen und ihre Erfahrungen geteilt haben.
Den zahlreichen Menschen, die in persönlichen Gesprächen inhaltliche Anregungen gegeben
haben, sei ein großer Dank ausgesprochen.
Meiner Familie und meinem Freund danke ich in höchstem Maße für die Liebe und Unter-
stützung während der vergangenen Studienjahre.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .......................................................................................................................... 1
2 Rund um das Lernen ........................................................................................................ 3
2.1 Neurobiologische Grundlagen musikalischen Lernens ............................................... 3
2.2 Das musikalische Potential .......................................................................................... 4
2.3 Musikalische Wissensformen ...................................................................................... 5
2.4 Lerntheoretische Einbettung der relativen Solmisation ............................................... 6
2.5 Lerntheorie nach Edwin E. Gordon ............................................................................. 9
2.5.1 Audiation .............................................................................................................. 9
2.6 Musik wie eine Sprache lernen .................................................................................. 11
3 Entwicklung der Solmisation ........................................................................................ 13
4 Relative Solmisation ....................................................................................................... 15
4.1 Absolute Solmisation ................................................................................................. 17
4.2 Handzeichen .............................................................................................................. 17
4.3 Notationen und Lesen ................................................................................................ 18
4.4 Rhythmussprache ....................................................................................................... 19
4.5 Kritische Betrachtung der relativen Solmisation ....................................................... 20
5 Solmisationsgestützte Methoden ................................................................................... 23
5.1 Die Tonika-Do-Methode ........................................................................................... 23
5.2 Die Kodály-Methode ................................................................................................. 26
5.3 Music Learning Theory nach Edwin E. Gordon ........................................................ 28
5.4 Die Ward-Methode .................................................................................................... 30
6 Chorklassen ..................................................................................................................... 31
6.1 Chor:Klasse! .............................................................................................................. 32
6.2 Singen ist klasse ......................................................................................................... 33
6.3 Die Schullz-Methode .................................................................................................. 34
7 Bildung von Thesen ........................................................................................................ 36
8 Eine Fallstudie zum Einsatz relativer Solmisation in Chorklassen ........................... 38
8.1 Untersuchungsgegenstand und -ziele ........................................................................ 38
8.2 Instrument der Datenerhebung .................................................................................. 39
8.2.1 Aufbau des verwendeten Fragebogens ............................................................... 40
8.2.2 Rekrutierung der Teilnehmer ............................................................................. 40
8.2.3 Durchführung der Datenerhebung ...................................................................... 41
9 Auswertung ..................................................................................................................... 42
9.1 Rahmenbedingungen von Chorklassen ..................................................................... 42
9.2 Methodeneinsatz ........................................................................................................ 47
9.3 Arbeit mit relativer Solmisation ................................................................................ 50
9.4 Wissen über relative Solmisation .............................................................................. 53
9.5 Vergleichbarkeit der beiden Probandengruppen ....................................................... 56
9.6 These 1 und 2: Ausbildungsschwerpunkte ................................................................ 58
9.7 These 3: Stimmliche Fähigkeiten der Chorklassenschüler ........................................ 60
9.8 These 4: Notation ....................................................................................................... 63
9.9 These 5: Vom Blatt singen ........................................................................................ 65
9.10 These 6: Häufig gesungene Modi .......................................................................... 67
9.11 These 7: Motivation ............................................................................................... 69
9.12 These 8: Mehrstimmigkeit ..................................................................................... 70
10 Zusammenfassung .......................................................................................................... 72
11 Diskussion und Ausblick ................................................................................................ 74
12 Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 76
13 Anhang ............................................................................................................................ 84
Eigenständigkeitserklärung ................................................................................................. 111
Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
Abkürzungen
ca. circa
d. h. das heißt
etc. et cetera
Min. Minuten
u. a. unter anderem
usw. und so weiter
z. B. zum Beispiel
Symbole
Ø arithmetisches Mittel
± Standardabweichung
∑ Summe
≤ kleiner gleich
≥ größer gleich
> größer
< kleiner
% Prozent
€ Euro
≈ Rundung
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1 Einleitung
„Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen. Wer die Composition ergreift, muß in
seinen Sätzen singen. Wer auf Instrumenten spielt, muß des Singens kundig seyn. Also präge
man das Singen jungen Leuten fleißig ein."1
Georg Philipp Telemanns Zitat verdeutlicht die Notwendigkeit einer Ausbildung der Singfä-
higkeit unter Musikern sowie allen jungen Menschen. Seiner Ansicht nach ermöglicht das
Singen einen Zugang zur musikalischen Vielfalt.
Diese Äußerung Telemanns kann ich nur unterstützten, daher wollte ich das Praxissemester
unbedingt an einer Schule mit Chorklassen absolvieren. Zum einen ist das Singen im Chor
meine Leidenschaft und zum anderen bin ich der Überzeugung, dass Instrumental- sowie
Chorklassen eine großartige Form des handlungsorientierten Musikunterrichts darstellen.
Meine Praxisschule offeriert spezielle Musikklassen und die ersten Erfahrungen im Schulall-
tag boten ein interessantes Bild. Das Konzept sieht es vor, von Klasse sieben bis neun Musik
in Bläser- bzw. Chorklassen anzubieten und in der zehnten Jahrgangsstufe die Schüler in re-
gulären Musikkursen zusammenzusetzen. Dabei werden die Schüler nicht nach der Zugehö-
rigkeit zu Musikklassen geordnet, sondern der Wunsch Musik in der Oberstufe zu belegen
bzw. abzuwählen, ist entscheidend.
Die Schüler der zehnten Klassen, die ich überwiegend unterrichtete, offenbarten je nach
durchlaufener Musikklasse vollkommen unterschiedliche Kenntnisse im Umgang mit dem
Notentext. Es ergab sich der Eindruck, Chorklassenschüler hätten kaum mit Noten gearbeitet,
da die selbständige musikpraktische Erarbeitung von Liedern nur in Zusammenarbeit mit
Schülern ehemaliger Bläserklassen oder denjenigen, die in ihrer Freizeit ein Instrument spie-
len, möglich war.
Chorklassenunterricht auf das Lernen von Chorstücken mittels Vor- und Nachsingen zu redu-
zieren, würde zwar die Stimme schulen, genügt jedoch nicht im Mindesten den Anforderun-
gen des Rahmenlehrplans allgemeinbildender Schulen2. Bereits die Musikpädagogin Hun-
doegger verfolgte bei der Konzeption der Tonika-Do-Methode das Ziel, selbstständig Musik
lesende Schüler zu bilden.3
1 Telemann 1981, 1981, S. 17, zitiert von Adamek 1999, S. 154; Vgl. Antwerpen 2014, S. 222. 2 http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/rahmenlehrplaene/sekundarstufe_I/2008/Musik-RLP_Sek.I_2008_Brandenburg.pdf, letzter Zugriff am 28.08.2015 3 Vgl. Losert 2011, S. 226.
2
Diese Erfahrung löste die Frage nach sinnvollen Lernmethoden für den erweiterten Musikun-
terricht im Rahmen von Chorklassen aus. Während den Bläserklassen eine Reihe an Konzep-
ten und Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, ist das Angebot in der Chorklas-
senlandschaft noch recht beschränkt.
Die Recherche ergab, dass die meisten Konzepte, die für das musikalische Lernen in Chor-
klassen entwickelt wurden, auf der relativen Solmisation basieren. Eine erste Längsschnittstu-
die zur Entwicklung von Chorklassenkindern im Vergleich zu Kindern im Regelunterricht
belegt eine signifikante Verbesserung der Stimmparameter nach einem Jahr.4 Wissenschaftli-
che Untersuchungen zur Wirkungsweise solmisationsbasierter Methoden sucht man vergeb-
lich. In ihrer Dissertationsschrift betont Gütay die Notwenigkeit einer wissenschaftlichen Be-
trachtung der Methoden, die in Chorklassen zum Einsatz kommen.5 Dazu soll die vorliegende
Arbeit durch die Einordnung relativer Solmisation in einen lerntheoretischen Kontext und die
durchgeführte Onlinebefragung beitragen.
Die Auseinandersetzung mit relativer Solmisation führt unweigerlich über Heygster und Gru-
nenbergs Werk zu diesem Thema. Darin wird relative Solmisation abgekoppelt von einer spe-
ziellen Methode betrachtet, wie sie am verbreitetsten ist. Es werden traditionelle sowie neuere
solmisationsbasierte Methoden vorgestellt.
Im zweiten Teil der Arbeit wird die Fallstudie, die mithilfe eines Online-Fragebogens durch-
geführt wurde, vorgestellt. Acht Thesen werden formuliert, die in der weiteren Durchführung
anhand der Umfrageergebnisse untersucht werden.
Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten männlichen Formen sind als neutrale Formulie-
rung gemeint und dienen einer besseren Lesbarkeit.
4 Vgl. Gütay 2012, S. 196f. 5 Vgl. Gütay 2012, S. 197.
3
2 Rund um das Lernen
Der folgende Abschnitt beleuchtet den Begriff des Lernens und betrachtet diesen aus der neu-
rologischen und lerntheoretischen Perspektive. Es wird geklärt, welche Wissensformen es gibt
und das musikalische Lernen wird näher betrachtet.
Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, wie relative Solmisation dazu beitragen kann,
wirkliches bzw. nachhaltiges Lernen bei Schülern zu bewirken.
2.1 Neurobiologische Grundlagen musikalischen Lernens
Lernen kann als ein Prozess der Veränderungen neuronaler Verbindungen bezeichnet werden.
Abhängig von der Nutzung und Beanspruchung entstehen neue Verbindungen zwischen den
einzelnen Nervenzellen des Gehirns. Vielfacher Gebrauch stärkt die Verbindung, seltene Nut-
zung bedingt die Rückbildung. Diese Vernetzung ist eine notwendige Voraussetzung für das
Lernen und wird von der hohen Plastizität des Gehirns gewährleistet. Sowohl diese Formbar-
keit als auch das Lernpotential sind im Kindesalter am größten, auch wenn die Plastizität zeit-
lebens wirksam ist.6 Demnach hinterlässt jede menschliche Tätigkeit Spuren im Gehirn und
ist "ein Spiegel der individuellen Biographie".7
Es gibt zwei unterschiedliche Verarbeitungsweisen von Musik: die genuin musikalische und
die symbolisch-sprachliche. In Abhängigkeit davon werden unterschiedliche Nervenzellver-
bände sogenannte neuronale Netzwerke der Großhirnrinde beteiligt. Diese können sich teil-
weise überlappen, sind aber nicht identisch. Beim inneren, stummen Benennen der Notenna-
men durch einen absolut hörenden Menschen werden beispielsweise die sprachrelevanten
Nervenzellverbände, die sich im Bereich der linken Stirnhirnregion befinden, aktiviert. Das
genuin musikalische Hören hingegen aktiviert die Nervenzellverbände im Bereich der Schlä-
fenregion beider Hirnhemisphären.8
Die Nervenzelltätigkeit ist jedoch nicht starr, sondern unterliegt ständiger Veränderung. Die
Entwicklung neuer Synapsen (Schaltstellen) bedingt neue Verbindungen. Die Festigkeit be-
reits bestehender Verbindungen wird je nach Bedarf gestärkt bzw. geschwächt. Lernen im
Allgemeinen beruht auf derartigen Veränderungen der Nervenzellnetzen.9 Gleichzeitig ein-
treffende Reize - z. B. im Musikunterricht die Handzeichen zu einem relativen do und so, also
einem Quintintervall, und der entsprechende Intervallklang - bedingen simultane Aktivität
6 Vgl. Gruhn 2003, S. 100. 7 Vgl. Hüther 2001, S. 50, zitiert von Gruhn 2003, S. 102. 8 Vgl. Altenmüller et al. 1999, S, 120. 9 Vgl. D.O. Hebb: The organization of behaviour, New York 1949, zitiert von Altenmüller et al. 1999, S. 121.
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von synaptischen Nervenzellverbindungen verschiedener im Vorfeld nur wenig oder gar nicht
Informationen austauschender Nervenzellen. In diesem Fall sind Nervenzellen aus der Seh-
rinde und aus der Hörrinde gleichzeitig aktiv. Wird das Reizpaar Handzeichen und Klang
häufiger gekoppelt, entstehen zusätzliche Synapsen zwischen Neuronen der visuellen und
auditorischen Großhirnzentren. Die enorme Formbarkeit des Nervenzellnetzwerkes ist die
materielle Entsprechung jeglicher Form von Lernen.10
Entgegen der weitverbreiteten Meinung, bei der Verarbeitung musikalischer Reize sei nur die
rechte Gehirnhemisphäre beteiligt, konnte nachgewiesen werden, dass das gesamte Gehirn
aktiv ist. Dabei sind beide Gehirnhemisphären auf unterschiedliche Verarbeitungsformen spe-
zialisiert. Dies führt wiederum zu einer engen Vernetzung der beiden Hirnhälften.11
2.2 Das musikalische Potential
Musikalisches Lernen findet bereits in frühester Kindheit statt.12 Es wird sogar vermutet, dass
vorgeburtliche Erfahrungen bleibende Spuren in den auditorischen Nervennetzwerken hinter-
lassen.13 Das auditorische Nervensystem weist eine hohe neuronale Plastizität aus und bedingt
stets neue Nervenzellverbindungen.
Nach Gordon ist jedem Menschen ein bestimmtes Potential musikalischer Lernfähigkeit (mu-
sic aptidude) angeboren. Gemäß der Gaußschen Normalverteilung weisen annähernd 68% der
Kinder ein durchschnittliches und je ca. 16% ein über- bzw. unterdurchschnittliches musikali-
sches Potential auf.14 Dessen volle Entfaltung bedarf vor allem in der Ausreifungsphase der
frühen Kindheit einer anregenden Umwelt, die stimulierende Reize bietet. Maßgebliche Be-
deutung hat nach dem Musikpsychologen und Musikpädagogen Gordon die musikalische
Förderung vom Säuglingsalter bis zum neunten Lebensjahr.15 Kinder lernen begierig, das
kindliche Gehirn reagiert gemäß seinem Entwicklungsstand auf Reize der Umgebung, wenn
diese reichhaltig und abwechslungsreich sind.16
Folglich kann eine reizarme Umgebung selbst das höchste musikalische Potential verküm-
mern lassen, während sich ein relativ geringes Lernpotential durch eine anregende Umgebung
bestmöglich entwickeln kann. Aus lerntheoretischer Sicht kommt damit der anregenden Um-
10 Vgl. Altenmüller et al. 1999, S. 121. 11 Vgl. Gruhn 2003, S. 103. 12 Vgl. E.E. Gordon: A music learning theory for newborn and young children, Chicago 1990, zitiert von Al-tenmüller et al. 1999, S. 121. 13 Vgl. R.M. Abrams/K.K. Gerhardt: Some aspects of foetal sound environment, in: I. Deliège/J. Sloboda (eds.): Perception and cognition of music, in: Psychology Press 1997, S. 83-101, zitiert von Altenmüller et al. 1999, S. 121. 14 Vgl. Seeliger 2003, S. 100. 15 Vgl. Gruhn 2005, S. 204f. 16 Vgl. Gruhn 2010, S. 7.
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weltsituation eine zentrale Bedeutung zu.17 Nach Piagets Entwicklungspsychologie wird das
Gehirn und damit ebenso das Denken unter Einfluss der Umwelt zu dem, was es ist, durch die
Art, wie es gebraucht wird.18 In Anlehnung an Paul Watzlawicks kommunikationstheoretische
Maxime formuliert Gruhn: "Man kann nicht Nicht-Lernen."19
Aktuell existiert eine große Nachfrage nach musikalischen Früherziehungsangeboten. Jedoch
ist diese unter Berücksichtigung der sozialen Herkunft unterschiedlich stark ausgeprägt. Es
liegt folglich in der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Verantwortung, alle Kinder
musikalisch weiterzuentwickeln20.
2.3 Musikalische Wissensformen
Der Musikpädagoge Gruhn stellt in seinem Buch Der Musikverstand zwei Wissensformen
musikalischen Lernens heraus. Das implizite oder genuin musikalische Wissen, welches im
Vollzug musikpraktischer Tätigkeiten entsteht, erzeugt musikalische Handlungskompetenz in
Form von Können. Eine gehörte Dur-Melodie kann folglich in Moll gesungen werden. Expli-
zites Wissen dagegen beschreibt die Kenntnis über Sachverhalte, also begriffliches Wissen.21
Das Wissen über Sachverhalte wird als bewusster Inhalt zumeist sprachlich kodiert gespei-
chert. Das verbale Wissen über Musik muss nicht notwendigerweise mit musikalischen Vor-
stellungen verknüpft sein und ebenso wenig musikalisches Können hervorrufen. Implizites
Wissen, bei dem die Handlung an sich das Wissen repräsentiert (z. B. improvisiertes Beglei-
ten einer Melodie ohne Kenntnis der Funktionstheorie) bezeichnet Gruhn als "Wissen ersten
Grades".22 Dieses Handlungswissen beruht auf motorischen Fähigkeiten und auf Wahrneh-
mungsleistungen. Die Kenntnis darüber, dass der Modus Mixolydisch die Halbtonschritte zwi-
schen der dritten und vierten und der sechsten und siebten Stufe aufweist, wäre dem Wissen
ü b e r Musik ("Wissen zweiten Grades"23) zuzuordnen. Wissen und Können v o n Musik
würde in diesem Fall die Fähigkeit beschreiben, den Klang der mixolydischen Tonleiter zu
erkennen und dazu zu improvisieren.24
Diese beiden Wissensformen bilden unterschiedliche Zugänge zur Musik. Oft wird mit dem
Theorielernen begonnen, ohne dass die Schüler jemals praktische Erfahrung gemacht haben.
Lernpsychologen meinen jedoch, man könne nichts wirklich begreifen, was man nicht vorher
körperlich erfahren hat. Musik könne deshalb nur handlungsorientiert gelernt und verstanden
17 Vgl. Gruhn 2003, S. 98f. 18 Vgl. Piaget 1984, zitiert von Gruhn 2003, S. 99. 19 Gruhn 2010 20 Vgl. Gruhn 2010, S.15. 21 Vgl. Gruhn 2005, S. 201f. 22 Vgl. Gruhn 2003, S. 95. 23 Gruhn 2003, S. 95. 24 Vgl. Altenmüller et al. 1999, S. 121f.
6
werden. Formale und abstrakte Vorstellungen über Musik können jedoch erst auf erworbenen
musikalischen Erfahrungen aufbauen. In diesem Sinne beschränkt sich musikalisches Lernen
nicht auf begriffliches Wissen, sondern sollte dem Aufbau von musikalischer Handlungskom-
petenz dienen. Es gilt somit Musik auf unterschiedlichsten musikalischen Handlungsebenen
wie z. B. das Hören, Singen, Bewegen, Spielen, Improvisieren, Komponieren, Dirigieren,
Lesen und Schreiben zu vermitteln.25
2.4 Lerntheoretische Einbettung der relativen Solmisation
Lerntheorien liefern lernpsychologische Ansätze zum besseren Verständnis musikalischer
Lernvorgänge. Die Modelle beruhen teilweise auf empirischen Untersuchungen und teilweise
auf Erfahrungen, die wiederum Beobachtungen als Grundlage haben.26
Die ältesten Lerntheorien entstammen der klassischen Antike und bedienen sich assoziativer
Mnemotechnik, welche neues Wissen an bereits Bekanntes angliedert. Bekannt sind u. a. die
assoziative Verbindung von Texten mit bildlichem Inhalt und die Verwendung bildlicher Vor-
stellungen in einer Geschichte. Auch die Solmisation kann zu solch einer klassischen Lern-
technik gezählt werden (siehe Abschnitt 3).27 Nach Aristoteles gibt es drei Assoziationsge-
setzte, die Anknüpfungspunkte für neues Wissen darstellen. Neuer Inhalt wird demnach ge-
speichert, wenn er ähnlich gegenüber dem bereits Gelernten oder offenkundig unähnlich ist.
Das Aufweisen zeitlicher oder räumlicher Berührungspunkte dient ebenfalls der Speicherung
neuer Inhalte.28 Das Lernen einer Tonfolge, welche Ähnlichkeit zu einer bereits bekannten
Melodie aufweist und an einem Punkt von dieser abweicht, entspricht den ersten beiden As-
soziationsgesetzten. Sich eine Melodie aufgrund einer speziellen Situation zu merken z. B.
beim ersten gemeinsamen Tanz mit einer geliebten Person, entspräche dem Assoziationsge-
setz des zeitlichen Berührungspunktes.29
Beim Solmisieren werden die Silben mit den Tonhöhen bzw. die wahrgenommene Liedmelo-
die mit den dazugehörigen Tonsilben assoziiert. Vorausgesetzt die Person ist des Solmisierens
mächtig, verläuft dieser Assoziationsvorgang unbewusst und löst sogleich eine Tonvorstel-
lung aus. Der Vorgang des Solmisierens kann dabei bewusst gesteuert werden. Soweit die
Person über implizites Wissen zu den diatonischen Tonbeziehungen verfügt, können die Sol-
misationssilben sowie die Handzeichen damit verknüpft werden.30
25 Vgl Gruhn 2005, S. 201f. 26 Vgl. Gruhn 2010, S. 77. 27 Vgl. Losert 2011, S. 43f. 28 Vgl. Edelmann 1978/2000, S. 30. 29 Vgl. Losert 2011, S. 44. 30 Vgl. Losert 2011, S. 44.
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Die verschiedenen Erscheinungsformen (Solmisationssilbe, Geste, Schriftzeichen, Bild) des
Klanges beim Solmisieren sprechen vielfältige Kanäle an und erreichen jeden Schüler indivi-
duell.31
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen sich der Behaviorismus und die kognitive Psycholo-
gie gegenüber. In der behavioristischen Vorstellung wurden menschliche Denkvorgänge aus
der Reaktion auf bestimmte Reize heraus erklärt, wobei der Mensch eine Art Black Box dar-
stellte. Lernen war demnach eine Folge von Reizen und Reaktionen, wobei es galt richtige
Reize für gewünschtes Verhalten zu finden. Der Pawlowsche Hund32 gilt als ein Musterbei-
spiel für behavioristische Konditionierung.33 Ausgegangen wird dabei von einem angebore-
nen Reflex, einem unbedingten Reiz, welcher seinerseits eine unbedingte Reaktion auslöst.
Dieser wird unter zeitlicher und räumlicher Nähe mit einem neutralen Reiz gekoppelt und
häufig wiederholt. Der Signalmechanismus des unbedingten Reizes geht auf den neutralen
Reiz über und bedingt dieselbe Reaktion wie der angeborene Reiz.34 Im Unterschied zum As-
soziationslernen, wo jegliche Art mentaler Verkettung berücksichtigt wird, geht die klassische
Konditionierung nur von angeborenen Reflexen aus.35
Der Psychologe Skinner (1904-1990) erweiterte diese Theorie um die mentalen Vorstellungen
und Emotionen des Lernenden, das sogenannte Reiz-Reaktions-Lernen.36 Es wird dabei zwi-
schen erlernten und angeborenen Reaktionen unterschieden. Ersteres wird dementsprechend
von bedingten Reizen ausgelöst. Solmisation kann im Sinne des Reiz-Reaktions-Lernens ge-
deutet werden. Der erklingende Ton als neutraler Reiz löst eine auditive Wahrnehmung aus.
Durch den zeitlichen und räumlichen Zusammenhang der mehrfach präsentierten Tonhöhen
und Tonsilben lösen die Silben eine mentale Vorstellung aus, die der auditiven Wahrnehmung
ähnlich ist. Dabei ist nicht die fixe Tonhöhe, sondern die funktionale Charakteristik entschei-
dend. Wie oft solche Kopplungen zum Erlernen der Solmisation notwendig sind, ist derzeit
noch unerforscht.37
Im Unterschied zum Behaviorismus entwickeln Kognitivisten Modelle für die inneren Vor-
gänge beim Denken, Wahrnehmen und Empfinden. Der sowjetische Psychologe Lev Vy-
gotskij (1896-1934) stellte der verbal geäußerten Rede das Denken als ein inneres, lautloses
31 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 16. 32 Der russische Mediziner Iwan Pawlow (1849-1936) zeigte einem Hund ein Stück Fleisch und beobachtete, dass der optische Reiz den Speichelfluss des Hundes anregte. Im Weiteren verknüpfte er das Vorzeigen des Flei-sches mit einem Glockenton, bis allein der Glockenton genügte, um den Speichelfluss anzuregen. Dies war durch die assoziative Verbindung beider Reize möglich. 33 Vgl. Gruhn 2010, S. 78. 34 Vgl. Edelmann 1978/2000, S. 32ff. 35 Vgl. Losert 2011, S. 45. 36 Vgl. Edelmann 1978/2000, S. 33.. 37 Vgl. Losert 2011, S. 46.
8
Sprechen gegenüber.38 Diese "an Objekten orientierte Denk-Aktivität"39 ist die Grundlage für
Gordons Konzept der Audiation (siehe Abschnitt 2.5.1).
Jean Piaget (1896-1980), ein Genfer Kinderpsychologe, ging von einer biologisch festgeleg-
ten Stufenfolge der Entwicklung des Denkens aus. Nach der senso-motorischen Intelligenz
des Säuglings definiert er folgende vier Stufen des Aufbaus der Intelligenz: vorbegriffliches
Denken, anschauliches Denken, konkrete und abstrakte Denkprozesse bzw. Operation.40 Da-
bei macht Piaget keinen Unterschied zwischen Denken und Handeln, vielmehr geht Denken
aus dem Handeln hervor. Sein Schüler Hans Aebli (1923-1990) sah im Austausch mit der
Umwelt einen entscheidenden entwicklungspsychologischen Faktor.41 In diesem Sinne ist
differenziertes Feedback enorm wichtig und ermöglicht dem Lernenden ein wachsende
Wahrnehmungs- und Handlungskompetenz.42
Losert führt das Lernen in Verbindung mit nachfolgenden Konsequenzen an. Hierbei fördert
die Belohnung als positiver Verstärker sowie das Verschwinden eines unangenehmen Reizes
die Wahrscheinlichkeit des gewünschten Verhaltens. Im Gegenzug sorgt Bestrafung als nega-
tiver Verstärker sowie das Ausbleiben einer angenehmen Konsequenz für die Vermeidung
eines unerwünschten Verhaltens. Positive Verstärker gelten gemeinhin als bestes Mittel, ein
bestimmtes Verhalten zu bewirken.43
Im musikpädagogischen Zusammenhang wie auch bei der Solmisation ist Lernen mithilfe der
Imitation weit verbreitet und durchläuft vier Prozessstufen: Aufmerksamkeits-, Gedächtnis-,
motorische Reproduktions- sowie Anreiz- und Motivationsprozesse.44 Guido von Arezzo kri-
tisiert das anhaltende Lernen über die Imitation, aufgrund der ständigen Notwendigkeit eines
Vorsängers zur Aneignung einer neuen Melodie. Damit wären Chorsänger wie "Blinde, die
nicht ohne Führer gehen können".45
Die Effektivität der relativen Solmisation wird in der wissenschaftlichen Fachliteratur, die
sich vordergründig auf langjährige Erfahrungswerte stützt, angenommen. Bisher fehlt jedoch
ein theoretisches Modell, welches die Funktionsweise der relativen Solmisation hinreichend
erklärt.46
38 Vgl. Vygotskij 2002, zitiert von Gruhn 2010, S. 78. 39 Gruhn 2010, S. 78. 40 Vgl. Piaget 1996, zitiert von Gruhn 2010, S. 78f. 41 Vgl. Aebli 1980, zitiert von Gruhn 2010, S. 80. 42 Vgl. Losert 2011, S. 49f. 43 Vgl. Losert 2011, S. 49. 44 Vgl. Bandura 1976; Mazur 2004, S. 411-442. 45 Guido von Arezzo 1884, zitiert von Losert 2011, S. 53. 46 Vgl. Losert 2011, S. 36.
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2.5 Lerntheorie nach Edwin E. Gordon
Der amerikanische Musikpsychologe und Musikpädagoge Gordon (*1927) formulierte die
erste eigenständige Lerntheorie für das musikalische Lernen, deren Grundlage seine umfang-
reiche musikpädagogische Forschung bildet. Gordons Lerntheorie beschreibt den musikali-
schen Lernprozess vom Säugling bis zum professionellen Musiker.47 Er unterteilt diesen in
zwei Bereiche, das perzeptive also praktisch handelnde Lernen nach dem Gehör und das kon-
zeptuelle, die intellektuellen Fähigkeiten betreffende Lernen.48
Der behavioristische Ansatz, der der Music Learning Theory nach Gordon zugrunde liegt,
wird durch das Phänomen der Audiation, einer Form des inneren musikalischen Denkens, zur
kognitiven Theorie erweitert. Damit unterscheidet Gordon zwischen akustisch wahrnehmba-
rem und innerlich ablaufendem musikalischen "Sprechprozess", so wie es Vygotskij beim
Sprechen annahm. Gordon unterscheidet die grundlegenden Lernarten des Unterscheidungs-
(discrimination learning) und des Eigenlernens (inference learning).49
Die sequenzielle Reihenfolge der einzelnen Lernschritte muss befolgt werden, damit sich In-
halte und Vorstellungen im Bewusstsein verankert können. Gordon hat folgende Lernebenen
definiert: aural/oral, verbal association und symbolic association. Demzufolge wird ein mu-
sikalischer Sachverhalt zuerst durch Hören und "vokale Erzeugung" (aural/oral) definiert.
Erst danach kann er benannt werden (verbal association) und erst im Anschluss darauf kann
er in die Symbolschrift z. B. eine Notationsform (symbolic association) übertragen werden.
Das Erreichen einer Lernebene bedingt das Beherrschen der nächst höheren Ebene.50
2.5.1 Audiation
Im Zentrum Gordons Lerntheorie steht die Audiation, welche jedoch nicht mit auditiver
Wahrnehmung51 gleichgesetzt werden darf.
"Audiation takes place when one hears and comprehends music silently when the sound of the
music is no longer or never has been physically present. In contrast, aural perception takes
place when one hears music when the sound is physically present."52
Damit ist ein inneres Hören, welches ein Verstehen der musikalischen Zusammenhänge um-
fasst, gemeint. Gordon beschreibt damit die Fähigkeit, musikalische Strukturen zu denken,
47 Vgl. Seeliger 2003, S. 96ff. 48 Gordon bezieht sich bei seiner Theoriebildung auf den amerikanischen Psychologen und Pädagogen Robert Gagné (1916-2002), der von der behavioristischen Tradition des Reiz-Reaktions-Lernens ausgeht und die "grundlegenden Lernformen" von "intellektuellen Fertigkeiten" unterscheidet. Vgl. Gruhn 2010, S. 80. 49 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 29; Gruhn 2010, S. 81. 50 Vgl. Gruhn 2003, S. 99f; Süberkrüb 2005, S. 44. 51 Die Musik, die gehört wird, erklingt im selben Moment auch physikalisch. Damit ist vordergründig der phy-siologische und weniger der mentale Vorgang des Wahrnehmens gemeint. Vgl. Seeliger 2003, S. 101. 52 Gordon 1997, zitiert von Losert 2011, S. 265.
10
vergleichbar zum notwendigen vorangehenden Denken einer Person, bevor sie etwas sagen
kann. "Audition is to music what thought is to speech"53 ist seine Schlussfolgerung (siehe
Abschnitt 2.5.1). Mithilfe der Audiation wird den gehörten Klängen eine musikimmanente
Bedeutung gegeben, wenn z. B. das Kinderlied „Alle meine Entchen“ mit einer gewissen Ge-
nauigkeit innerlich gehört wird und musikalische Charakteristika – die Tonalität (Dur, Moll,
Kirchentonart), der Grundton, das Metrum (Zweier- oder Dreiermetrum) und die harmonische
Funktionen (Tonika, Dominante etc.) – hörend erkannt und verstanden werden, findet ein Au-
ditieren54 statt. Es müssen jedoch nicht alle Aspekte gleichzeitig wahrgenommen und mit
Begriffen versehen werden.55 Audiation geht dabei über die Imitation hinaus und stellt das
Ziel musikalischen Lernens dar.56
Die Imitation bildet die Grundlage für jegliches Lernen. Mithilfe des korrekten Nachsingens
einer vorgesungenen Melodie zeigt ein Kind, dass es zwischen "gleich" und "verschieden" zu
unterscheiden vermag, dabei wird das Erkannte immer in Beziehung zu etwas anderem ge-
stellt. Wird das korrekte Nachsingen einer bestimmten Tonhöhe angestrebt, so wird der pro-
duzierte Ton solange mit dem gehörten verglichen und solange die Stimmlippenspannung
verändert, bis der gehörte Ton erklingt.57 Gordon nennt es Unterscheidungslernen (discrimi-
nation learning). Durch reine Imitation ahmt das Kind seine Hörerfahrung nach und mit zu-
nehmender Beherrschung des Stimmapparates beginnt eine Art Improvisation. Die bereits
erworbenen musikalischen Muster bilden die Grundlage für die allgemeine Fähigkeit, Melo-
dien und Rhythmen zu denken und neu zu erfinden, z. B. eine abgebrochene Melodie zu Ende
zu singen oder eine passende Begleitung zu singen.58 Dabei erkennt das Kind die musikali-
schen Beziehungen und ist in der Lage, diese praktisch umzusetzen. Anders als bei der reinen
Imitation ist es auf die musikalische Deutung durch das eigene Gehör angewiesen.59 Dieser
Vorgang markiert den Übergang von der reinen Imitation zur Audiation.
Im Unterschied zur Imitation erfordert Audiation die Fähigkeit zur Erfassung der funktionalen
Beziehungen zwischen den Einzeltönen. Improvisation als eigene Handlungskompetenz setzt
Audiation voraus. Auf diese Weise wird es möglich, eine Melodie zu transponieren, zu variie-
ren oder in ein anderes Tongeschlecht umzuwandeln. Der improvisatorische Umgang mit dem
53 Gordon 1993, zitiert von Gruhn 2010, S. 59. 54 Der Begriff wurde aus dem Englischen übernommen. Wilfried Gruhn verwendet in seiner Veröffentlichung „Der Musikverstand“ von 1998 „Audiation“ und „auditieren“. 55 Vgl. Seeliger 2003, S. 101. 56 Vgl. Gruhn 2010, S. 60. 57 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 30; Gruhn 2010, S.60. 58 Vgl. Gruhn 2010, S. 59. 59 Vgl. Gruhn 2005, S. 201f.
11
gelernten Material veranschaulicht den gelungenen Lernprozess.60 Es ist eine allmähliche und
aufbauende Entwicklung.61
Der Lernprozess der Audiation vollzieht sich nach Gordon in drei Stufen: der Akkulturation,
der Imitation und der Assimilation, wobei diese in weitere Stufen unterteilt werden, welche in
diesem Zusammenhang vernachlässigt werden. Mit Akkulturation ist das Vertraut werden mit
den kulturellen Gegebenheiten gemeint, welches sich im Wahrnehmen der Musik des betref-
fenden Kulturkreises vollzieht. Imitation meint eine genaue Wiedergabe des Gehörten.62 Bei
der Assimilation versteht die Person den musikalischen Zusammenhang, die Tonalität und das
Metrum des Gehörten. Das innere Hören vor dem Singen oder rhythmischen Sprechen ist
dafür kennzeichnend.63
2.6 Musik wie eine Sprache lernen
Trotz offensichtlicher Unterschiede zwischen Musik und Sprache werden beide von gemein-
samen Eigenschaften verbunden. Zu nennen wären hierbei die zeitliche Organisation unter-
schiedlicher Laute, die Verwendung melodischer Konturen unter dem Einfluss grundlegender
musikalischer Parameter wie Tonhöhe, Dauer und Lautstärke.64 Der musikalische Lernprozess
verläuft analog zum sprachlichem Lernen: spielerisch, im sozialen Kontext, durch Hören und
Ausprobieren, artikulatorische Übung und praktischen Umgang des miteinander Sprechens.
Beides hat seinen Anfang im Erwerb eines Hörrepertoires, wobei die "Wahrnehmungs- und
Verarbeitungsfähigkeit und die Sprech- und Ausdrucksfähigkeit"65 ineinander greifen.
Das kindliche Gehirn leitet aus dem Gehörten allgemeine Regeln zur Verwendung von Spra-
che ab, indem es die Häufigkeit auftretender Laute auswertet. So erkennt es bspw. dass Wör-
ter seltener auf Explosivlaute (p, t, k) enden, sondern eher auf Klinger- oder Reibelaute (-n, -
ng, -ch).66 Saffran hat in mehreren Studien nachweisen können, dass Kinder sehr gute statisti-
sche Lerner sind.67 In ähnlicher Weise gewinnt das kindliche Gehirn allgemeine Regeln zu
Melodien und Rhythmen aus musikalischen Mustern. Dabei wird z. B. der zu erwartende
Grundton herausgefunden ebenso wie zur Melodie passende und nicht passende Töne.68 Be-
stimmte Prinzipien der Musik aus der Kultur, in dem das Kind heranwächst, werden auf diese
Weise erworben. Dabei ist es erst einmal unerheblich Regeln zu kennen (z. B. Auflösung ei-
60 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 31; Gruhn 2005, S. 203f. 61 Vgl. Seeliger 2003, S. 102. 62 Vgl. Seeliger 2003, S. 117f. 63 Vgl. Seeliger 2003, S. 120. 64 Vgl. Gruhn 2010, S. 13. 65 Gruhn 2010, S. 58. 66 Vgl. Gruhn 2010, S. 58. 67 Vgl. Saffran 2003, zitiert von Gruhn 2010, S. 58. 68 Vgl. Gruhn 2010, S. 58.
12
nes Septakkordes) und Namen zu wissen (welches ist die Subdominante von G-Dur). Wesent-
lich bedeutender ist die Fähigkeit musikalisch zu agieren. Eine begonnene Melodie in der
gewählten Tonart fortzusetzen, sie mit Akkorden begleiten oder diese von Dur nach Moll
übertragen zu können, setzt eine interne musikalische Vorstellung, also implizites Wissen vor-
aus. Dieses kann zunächst einmal unabhängig vom expliziten Wissen über musikalische Fach-
termini sein.69
"Das Singen lernt man so wie das Sprechen, nämlich nach dem Gehör, ohne Schrift und vor
dem Wissen über grammatische Regeln."70
Die Analogie des musikalischen und sprachlichen Lernens legt die Folgerung nahe, Musik
wie eine Sprache zu unterrichten. Das Lesen vor dem Sprechen zu lernen, erscheint unlogisch,
jedoch ist es im Musikunterricht nicht selten der Fall, dass das Noten lesen vor dem Spielen
bzw. Singen gelernt wird. Es gilt eine "allgemeine musikalische Sprechfähigkeit"71 zu erwer-
ben. Beim lernenden Umgang mit Musik und beim Aufbau des musikalischen Denkens gilt es
nicht an den kunstvoll komponierten Werken, sondern an ihren grundlegenden phänomenalen
Tatsachen, d. h. an den Tonhöhen, Dauern und am metrischen Pulsieren anzusetzen. Dies sind
Voraussetzungen für jede musikalische Äußerung im Rahmen einer spontanen Aktion oder
Improvisation.72
Lediglich körperliche Erfahrungen führen zu mentalen Repräsentationen. Erst das Gehen er-
zeugt Repräsentationen für rhythmische und metrische Erscheinungen (z. B. ein regelmäßiges
Metrum) und das kann bereits ein Kleinkind bewerkstelligen. Eine begriffliche Bestimmung
kann die musikalische Erscheinung nicht nahebringen, erst recht keinem zwei Jahre alten
Kind.73 Das Ziel musikalischen Lernens ist es über die Erzeugung konkret musikalischer Rep-
räsentationen zu mentalen Repräsentationen, die im Begriff bzw. Zeichen abstrakt kodiert
werden können, zu gelangen.
So legt die Bezeichnung "Solmisationssilbe" den Vergleich mit sprachlichen Phänomenen
nah. Ebenso wie Sprache kommt der Musik als Zeichensystem in der Semiotik eine wichtige
Bedeutung zu.74 Die Zeichentheorie besagt, dass ein "Ding für ein anderes Ding steht". Ein
Zeichen hat dementsprechend eine Bedeutung. Bei der Solmisation steht eine Solmisationssil-
be, ein Handzeichen, eine Ziffer etc. für einen Ton. Diese Zeichen sind willkürlich festgelegt
69 Vgl. Gruhn 2003, S. 98. 70 Gruhn 2010, S. 53. 71 Gruhn 2010, S. 53. 72 Vgl. Gruhn 2010, S. 13. 73 Vgl. Gruhn 2010, S. 69. 74 Vgl. Trabant 1996, S. 13.
13
und müssen einzeln neu gelernt werden.75 Mit ihnen werden Tonhöhenvorstellung und die
auditiv wahrnehmbaren Tonhöhen assoziiert.76
3 Entwicklung der Solmisation
Guido von Arezzo (etwa 992 -1050) lieferte die
Grundlage für die relative Solmisation wie sie heute
gängig ist. Es ist jedoch ein Fehlschluss anzunehmen,
die Solmisation sei eine Neuschöpfung des 11. Jahr-
hunderts. Bereits die antiken Kulturen Griechenlands,
Ägyptens, Chinas und Indiens waren mit solmisation-
sähnlichen Ansätzen vertraut.77
Die Entwicklung der Notenschrift ist Guido von Arez-
zos wichtigste Errungenschaft. Auf seiner Liniennota-
tion basiert sein musikalisches Lehrverfahren, die
Grundlage der Solmisation, und unsere moderne No-
tenschrift.78 Dabei geht er von einer von einem
Durgrundton aufsteigenden Sechstonfolge, dem soge-
nannten Hexachord, aus und gibt den Tönen unter-
schiedliche Tonsilben.
Zu jedem Ton gehört eine mit dem Text des Johan-
nes-Hymnus79 unterlegte Melodie, wobei die erste
Textsilbe die jeweilige Tonsilbe bildet.80 Guido strebt
ein die Tonverhältnisse und spezifische Intervallcharakteristik bewusst wahrnehmendes Sin-
gen an, welches durch den memorierten und damit abrufbaren tonalen Zusammenhang des
gesungenen Johannes-Hymnus ermöglicht wird. Die Verknüpfung der Silben mit den Tönen
war für Guido von Arezzo nicht wichtig.81 Im 19. Jahrhundert wurde Guidos Nomenklatur
verändert (ut zu do; sol zu so). Alle Solmisationssilben enden auf einem Vokal und sind somit
besser singbar. Korrekterweise müsste der Begriff „Solmisation“, der der Rufterz sol-mi ent-
75 Vgl. Trabant 1996, S. 22. 76 Vgl. Trabant 1996, S. 41. 77 Vgl. Ring 1938, S. 13. 78 Vgl. Losert 2011, S. 51. 79 Übersetzung: "Löse die Schuld von den sündigen Lippen, damit die Schüler die Wunder deiner Taten unbe-schwert, mit gelockerten Kehlen erklingen lassen können, heiliger Johannes!", zitiert von Heygster 2012, S. 189 80 Vgl. Heygster 2012, S. 188. 81 Vgl. Losert 2011S, 53f.
Abb. 1: Johannes-Hymnus mit Melodie von Guido von Arezzo,
aus: Heygster 2012, S. 189
14
springt, „Somisation“ lauten.82 Bis dahin wurde über die sechste Stufe hinausgegangen, indem
ein Umstieg in einen neuen Hexachord erfolgte. Dieser setzte bei fa oder sol an und ist als
Mutation zu bezeichnen.83
do re mi fa sol la do re mi fa sol la
Abb. 2: Mutation in einem Hexachord
Die Solmisation basierte bis zum 17. Jahrhundert auf der Hexachordlehre Guidos. Für den
Melodieverlauf der charakteristisch gregorianischen Linienführung ist die Hexachordlehre
sehr hilfreich. Größere Intervallsprünge und chromatische Halbtöne sind hingegen problema-
tisch und benötigen demzufolge viele Mutationen.84 Die Guidonische Hand85 war damals
gängiges Hilfsmittel bei der Vermittlung neuer Melodien.
Für die Darstellung chromatischer Nebentöne und wechselnder Tonarten, die mit dem musi-
kalischen Stilwandel einhergingen, musste sich jedoch die Solmisationspraxis wandeln. Der
Hexachord sollte zur Oktave erweitert werden. Si, später ti, wurde als der siebente Ton der
Durtonleiter hinzugefügt.86 Mit der Zeit wurden die Parallelreihen zugunsten der einfachen
Form aufgegeben, wobei die sieben gut singbaren Silben den Tönen der C-Durtonleiter zuge-
ordnet wurden. Dies führte in Frankreich und Italien letztlich zur absoluten Solmisation (siehe
Abschnitt 4.1).87
Bei seiner Suche nach der eingängigsten Lehrmethode für den Gesangunterricht in Schulen
prägte John Curwen (1816–1880), ein Hilfsprediger in Birmingham, die neuzeitliche relative
Solmisation. Dabei griff er auf Sarah Ann Glovers (1785-1867) Konzeption, der das alte Sol-
misationsprinzip zu Grunde liegt, zurück und entwickelte es zur Tonic-Sol-Fa-Methode wei-
ter.88 John Curwen erweiterte die Konzeption um die Handzeichen, die als Einheit mit den
Tonsilben und der relativen Notationsweise zur leichteren Lesbarkeit führen sollten als abso-
lut notierte Noten.89 Im 18., 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Lehrwerken für
den schulischen Gesangsunterricht oft die Solmisation als Lehrverfahren verwendet.90
82 Vgl. Heygster 2012, S. 8. 83 Vgl. Zimmermann 1987, S. 95-119; Heygster und Grunenberg 2009, S. 147. 84 Mutation ist ein Terminus der mittelalterlichen Solmisationslehre und bezeichnet Modulationen unbegleiteter Melodien. Vgl. Lange 1900, S. 569f.; Losert 2011, S. 127. 85 Bei der Guidonischen Hand werden den Fingern der linken Hand Töne zugeordnet und mit dem rechten Zei-gefinger gezeigt. Dieses Hilfsmittel dient der gestischen Darstellung der Töne. Vgl. Heygster 2012, S. 57. 86 Vgl. Heygster 2012, S. 189. 87 Vgl. Ruhnke 1998, S. 1562ff. . 88 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 149. 89 Vgl. Curwen 1843, zitiert von Heygster und Grunenberg 2009, S. 149. 90 Vgl. Losert 2011, S. 20.
15
4 Relative Solmisation
Heygster und Grunenberg betrachten die relative Solmisation abgekoppelt von einer speziel-
len Lehrsystematik, so wie sie am häufigsten verwendet wird. Dementsprechend stellt ihre
Zusammenfassung ein Potpourri verschiedener solmisationsgestützter Lehrsysteme dar und
weist je nach Methode Abweichungen auf (siehe Abschnitt 5).
Bei der relativen Solmisation werden diatonische Tonfolgen mit Silben verschlüsselt. Das
musikalisch-künstlerische Tonsystem des westlichen Kulturkreises gründet auf der Diatonik,
deren Grundlage das physikalische Phänomen der Obertöne bildet.91 Die Solmisation basiert
auf sieben Stammtönen (do-re-mi-fa-so-la-ti) und weiteren Alterationen der Stammtöne. Da-
bei trägt die Erhöhung eines Stammtones um einen Halbton den Vokal –i und die Alteration
nach unten den Vokal –u.
Abb. 3: Nomenklatur der relativen Solmisation, aus: Losert 2015
Die Silben benennen keine konkreten Gegenstände, Emotionen oder Tätigkeiten, sondern
charakteristische Klänge und ermöglichen dadurch ein Wirken der Musik selbst. Das tonale
Material erhält durch das häufige Solmisieren eine konkrete musikimmanente Bedeutung92, da
die tonalen Spannungsverhältnisse im festen Gefüge der Diatonik markiert werden.93
Das Ziel besteht darin, das innere Hören der Tonbeziehungen zu entwickeln.94
Die kleine Terz ist im diatonischen Stammmaterial vierfach enthalten (z. B. in C-Dur). Jede
der kleinen Terzen löst dennoch eine andere Empfindung aus; Heygster bezeichnet es als dia-
tonischen Affekt. Dabei sind keine theoretischen Kenntnisse erforderlich, aufgrund der Tatsa-
che, dass das klingende Phänomen bzw. eine hörbare Tonsymbolik im Zentrum steht. Die
Tonbeziehung so-mi hat einen anderen Effekt als fa-re, obwohl das gleiche Intervall erklingt.
91 Vgl. Heygster 2012, S. 242f. 92 Vgl. Losert 2011, S. 30; Heygster 2012, S. 170f. 93 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 10. 94 Vgl. Werner 2002, S. 284.
16
Die unterschiedliche musikalische Wirkung ergibt sich durch das musikalische Verhältnis
eines Tones zum relativen Grundton do und den anderen Tonleitertönen.95
Abb. 4: Kleine Terzen in F-Dur
Unabhängig von der Tonart tragen gleiche Tonbeziehungen die gleiche Bezeichnung.
Abb. 5: Beginn von Hänschen klein in D-Dur und F-Dur
Die Merkmale der Melodie (z. B. Terzsprünge, Tonschritte) haben sowohl in D–Dur als auch
in F–Dur den gleichen Effekt. Lediglich die Tonhöhe und Klangfarbe ändert sich bei einem
Tonartwechsel.96 Insgesamt sind 42 Tonbeziehungen der Stammtöne untereinander möglich.
Sofern die Alterationstöne hinzugezogen werden, sind sogar 272 Verbindungen denkbar.97
Die Wirkung des Solmisierens entsteht durch das Singen. Dabei werden erst einmal die Silben
im Gedächtnis gespeichert und der gewünschte diatonische Affekt stellt sich beim Wiederhol-
ten Umgang mit der Solmisation ein. In diesem Sinne kann die vokale Musik als absolute
Musik erlebt werden. Das Erlebnis gilt in erster Linie den Tönen und wird nicht durch das
konkrete außermusikalische Geschehen abgelenkt.98 Um abrufbar zu sein, muss jeder Ton
durch den Muskelsinn kodiert sein, der im Körpergefühl verankert und darüber aufspürbar ist.
Durch die oftmalige Wiederholung der Töne entsteht eine Art Gewöhnung, welche eine dau-
erhafte Speicherung der Impulse gewährleistet.99
95 Vgl. Lange 1900, S. 535; Heygster 2012, S. 221. 96 Vgl. Heygster 2012, S. 222. 97 Vgl. Heygster 2012, S. 188. 98 Vgl. Heygster 2012, S. 222. 99 Vgl. Lehmann 1999, S. 101.
17
4.1 Absolute Solmisation
An dieser Stelle sei die absolute Solmisation erwähnt. Diese ist in vielen romanischen Län-
dern wie z. B. Frankreich, Italien, Spanien und Portugal verbreitet. Dabei dienen die Guidoni-
schen Silben (do-re-mi-fa-sol-la-si) zur Bezeichnung der absoluten Tonhöhe. Als Alteration
dienen die Bezeichnungen dièse (♯), bémol ( ) und bécarre ( ). Beim Singen werden die Vor-
zeichen allerdings nicht berücksichtigt, da komplizierte Silbenkombination entstehen würden,
die den Gesang unnötig erschweren. Durch die sprachliche Vernachlässigung der Vorzeichen
werden verschiedene Modi auf gleichen Solmisationssilben (z. B. D-Dorisch und Des-Dur)
gesungen, was eine Verzerrung der harmonischen Zusammenhänge bewirkt.100
In der Bezeichnung ist die relative Solmisation eindeutiger und ermöglicht einen Zugang so-
wohl über klingende Erfahrung als auch das theoretische Erkennen gleichermaßen.101
4.2 Handzeichen
Bei der relativen Solmisation werden die Ton-
höhen zusätzlich zu den Solmisationssilben mit
Handzeichen gekoppelt. Die Ausführung er-
folgt vor dem Körper, wobei die Tonabstände
durch passenden Abstand der Töne angedeutet
werden. Die Tonsilben in Verbindung mit den
Handzeichen sollen die Hörempfindung der
Tonbeziehungen intensivieren und das Erin-
nern erleichtern.102 Durch die visuelle Kompo-
nente wird die Verinnerlichung der Tonbezie-
hungen gestärkt. Die Bewegung, in der das
Handzeichen ausgeführt wird, nennt Heygster
Handgeste. Durch den entsprechenden
Schwung beeinflusst diese die Klangvorstellung
des nächsten Tons.103 Beim Einbeziehen der
Handzeichen in den Singprozess werden Klang und Geste miteinander verknüpft und rufen
sich im Lernprozess gegenseitig hervor. Das häufige Erleben der Töne in Verbindung mit
100 Vgl. Losert 2011, S. 32. 101 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 8. 102 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 8. 103 Vgl. Heygster 2012, S. 192f.
Abb. 6: Handzeichen mit Alterationen, nach: Heygster 2012, S. 194ff
selbst ausgeführten Handzeich
Schritt in Bezug auf das Noten
Das Lesen von Noten ist das
Umsetzung in einen Klang b
Hand und später von abstrakte
tion (siehe Abschnitt 4.3). De
dann als ein und dasselbe wah
chen als Übergang vom Klang
von abstrakten Schriftzeichen
4.3 Notationen und L
Die tradierte Notation kombi
Darstellung von Tonhöhe, To
Notation nutzt hingegen Buchs
stellung der Guidonischen Silb
Die Notation stellt die nächste
und Grunenberg gibt es drei
und Kopfnotation. Bei der Ha
Handzeichen abgebildet. Mith
Melodie bei der Buchstabenno
höhenversetzte Darstellung od
Notationsformen die Tonhöhe
Abb. 7: Handzeichen- und Buc
104 Vgl. Heygster 2012, S. 195. 105 Vgl. Heygster 2012, S. 196. 106 Die Ziffernnotation war für Galistellung von Musik im Unterricht. V107 Vgl. Losert 2011, S. 26. 108 Vgl. Losert 2011, S. 257. 109 Die Töne unterhalb des d (do) wd' mit einem Apostroph bzw. einer h110 Vgl. Heygster und Grunenberg 20
ichen als körperliches Pendant der Töne, dien
enlesen.104
as Erkennen eines Klangphänomens mit den
bzw. eine innere Vorstellung. So können Tö
kten Tondarstellungen gelesen werden, z. B. d
er Klang der Silbe, das Handzeichen und der
ahrgenommen. Dabei dient das körperlich au
ang zur Notation und bewirkt, dass konkrete K
n hervorgerufen werden.105
Lesen
biniert verschiedene Symbole (Linien, Punkt
Tonlänge, Dynamik und Artikulation. Eine so
chstaben und Ziffern106, wobei die Zahlen eins
ilben dienen.107
ste Abstraktionskette nach den Handzeichen d
ei unterschiedliche Notationsweisen: Handzeic
Handzeichennotation wird die Melodie durch d
ithilfe der Anfangskonsonanten der Solmisat
notation, auch Silbenschrift108 genannt, darges
oder den Einsatz von Notenlinien (Liniensys
he graphisch abbilden.110
uchstabennotation mit graphischen Höhendarsteso-mi-so-so-mi, aus: Heygster und Grun
alin-Paris-Chevé, deren Begründer, eine unter vielen M Vgl. Losert 2011, S. 62f.
werden mit einem Komma gekennzeichnet, während di hochgestellten Ziffer versehen werden. 2009, S. 16.
18
ient als ein wichtiger
n Augen und dessen
Töne zuerst von der
die Buchstabennota-
er Buchstabe werden
ausgeführte Handzei-
e Klangvorstellungen
kte und Striche) zur
olmisationsgestützte
s bis sieben zur Dar-
dar. Nach Heygster
eichen-, Buchstaben-
h die entsprechenden
sationssilbe wird die
estellt.109 Durch eine
ystem) können beide
stellung der Tonfolge unenberg 2009, S. 17
Möglichkeiten, der Dar-
die Töne ab dem oberen
Die Kopfnotation bedient sich
systems, wobei die Tonhöhe n
und F-Schlüssel) wird ein Solm
der Solmisationssilbe beliebig
sodass sich daraus die diatoni
der Tonstufen in der Diatonik
Kreuzen (♯) und Bes ( ) sind
Notentext erhält dazu an bestim
Abb. 8: „Ein Männl
4.4 Rhythmussprache
Rhythmische Fähigkeiten wer
Tanz ermöglichen körperliche
sen von Puls, Taktart und Rh
Klatschen, Klopfen, Schnipsen
lichung mathematischer Propo
Rhythmen. Zur Darstellung w
Hälse mit Balken für ein Achte
Die Rhythmusschulung unter
rangehensweise der Vermittlun
Die Rhythmussprache ermögl
nes strukturierten Lehrsystems
musizierbare Silben zur Kodie
111 Vgl. Losert 2011, S. 147f; Heygst112 Vgl. Losert 2011, S. 159f. 113 Vgl. Werner 2002, S. 285.
Abb. 9: Modulation i
ch der relativen Liniennotation, d. h. des traditi
nicht absolut fixiert ist. Statt der üblichen Not
olmisationsschlüssel verwendet, der durch den
ig auf einer Linie oder einem Zwischenraum no
nischen Tonbeziehungen ergeben. Das Wissen
ik ist dabei Voraussetzung. Alterationen durch
nd möglich, meist werden jedoch Modulation
timmter Stelle einen weiteren Grundtonschlüss
nlein steht im Walde“ in relativer Liniennotatio
he
erden mithilfe verschiedener Ansätze vermitte
he Erfahrungen zu rhythmischen Basisfähigkei
Rhythmus. Dabei werden u. a. gern Tätigkeit
en etc. eingesetzt. Eine andere Herangehenswe
portionen verschiedener Notenwerte, z. B. über
werden die bekannten Rhythmuszeichen (Häls
htelpaar etc.) eingesetzt.
er Verwendung einer Rhythmussprache stellt
lung rhythmischer Fähigkeiten dar.112
glicht ein Bewusstmachen rhythmischer Phän
ms, welches vergleichbar mit der Solmisation is
dierung rhythmischer Gegebenheiten benutzt.
gster und Grunenberg 2009, S. 18.
in relativer Liniennotation, aus: Hundoegger u
19
itionellen Fünflinien-
otenschlüssel (G-, C-
en Anfangskonsonant
notiert werden kann,
sen um die Abstände
rch Verwendung von
ionen eingesetzt. Der
ssel.111
tion mit Do-Schlüssel
ittelt. Bewegung und
iten wie dem Erfas-
eiten wie das Gehen,
weise ist die Verdeut-
er das Auszählen der
älse für Viertel, zwei
llt eine spezielle He-
änomene mithilfe ei-
ist.113 Dabei werden
Losert schlägt eine
und Leo 1943, S. 18
20
Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Rhythmussprache vor. Die absolute Rhyth-
mussprache ordnet jedem Notenwert jeweils eine eigene Silbe zu (siehe Kodály-Methode).
Die Silben der relativen Rhythmussprache hingegen beziehen sich auf den Grundschlag (siehe
Gordon). Die kleineren Notenwerte resultieren aus Unterteilungen. Die Mehrzahl der Rhyth-
muskonzepte nutzt relative Rhythmussilben.114 In Abb. 10 wird dies anhand eines Beispiels
veranschaulicht.
Abb. 10: Beispiel zum Vergleich der Rhythmussprache nach Gordon (oben) und Kodály (un-ten), nach: Losert 2011, S. 270
Die Nomenklaturen unterscheiden sich je nach Solmisationsmethode (siehe Abschnitt 5.1-
5.4).115 Im Gegensatz zu der üblichen Bezeichnung der Notenwerte (Viertel, Achtel etc.) setzt
die relative Rhythmussprache kein theoretisches Vorwissen voraus. Das Rhythmusvokabular
vermittelt rhythmisches Empfinden und lässt sich durch Nachahmen gut verinnerlichen.116
Heygster empfiehlt weiterhin die Verwendung von Klanggesten (Klatschen in die Hände bzw.
auf die Oberschenkel etc.) für die Darstellung des Metrums. Klanggesten, die einen Takt mar-
kieren, bezeichnet er als Taktgesten.117
4.5 Kritische Betrachtung der relativen Solmisation
Durch das Singen der Tonbeziehungen werden die diatonischen Zusammenhänge theorielos
erfahren und eine Vertrautheit mit den tonalen Phänomenen hergestellt. Dies ist der Grund-
stein für die Harmonielehre und Musiktheorie.118 Das Erfassen von Tonverbindungen intensi-
viert die emotionale und kognitive Wahrnehmung der Hörenden und Ausführenden. Vor al-
lem in Verbindung mit guter Präsentationstechnik der Lehrkraft und der Einbindung musikali-
scher Parameter wie Rhythmus, Dynamik, Agogik, Expressivität und persönliche Ausstrah-
lung werden dieselben trainiert. Dabei ist es unerheblich, in welchem Bereich der Musikpäda-
gogik (z. B. elementares Musizieren, Instrumentalspiel oder Musiktheorie) oder in welchem
114 Vgl. Losert 2011, S. 160ff. 115 Vgl. Losert 2011, S. 162f; Heygster und Grunenberg 2009, S. 30. 116 Vgl. Heygster 2012, S. 223f. 117 Vgl. Heygster 2012, S. 228f. 118 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 8; 29.
21
Alter relative Solmisation zum Einsatz kommt.119 Des Weiteren nützt sie der Stimmbildung
und dient der Verbesserung der Aussprache.120
Nichtsdestotrotz ist Solmisation nicht unumstritten. Im Weiteren soll eine Auseinanderset-
zung mit den häufigsten musikpädagogischen Kritikpunkten zum Einsatz relativer Solmisati-
on erfolgen.
Solmisationskritiker befürchten eine Einschränkung der klanglichen Phantasie durch die Fo-
kussierung auf die musikalischen Gesetzmäßigkeiten, die durch die Solmisation vermittelt
werden. In diesem Zusammenhang wird vermutet, die diatonische Skala, insbesondere die
Fixierung auf Dur und Moll, die dabei als eine Art universelle Struktur im Mittelpunkt steht,
verhindert die Annährung an atonale und außereuropäische Musik.121 Je nach Solmisations-
methode wird die Auseinandersetzung mit verschiedenen Modi teilweise stark vernachläs-
sigt.122
Bei der Solmisation herrscht der "Primat des Klanges"123 vor dem intellektuellen Erfassen
theoretischer Zusammenhänge. Die Nomenklatur, die entscheidende Regeln der Melodie- und
Harmonielehre darstellt, wird allerdings beiläufig gelernt, sodass auf deren Grundlage musik-
theoretische Phänomene zu einem späteren Zeitpunkt erklärt werden können. Die neueren
Solmisationsmethoden unterstreichen die Notwendigkeit einer lebendigen Vermittlung, die
alle musikalischen Parameter in Betracht zieht. Je nachdem wie stark sich die Lehrperson am
Tonkreis bzw. Lehrsystem der Solmisationsmethode richtet, kann sich die Erarbeitung neuen
Liedrepertoires stark hinauszögern. In diesem Zusammenhang ist auf eine vielfältige Einbin-
dung der relativen Solmisation in den Unterricht zu achten.124
Einen weiteren Kritikpunkt stellt die Verwendung der Solmisationssilben und Handzeichen
dar. Laut Kritikermeinung sei ein Tonraumbewusstsein, inneres Hören sowie die traditionelle
Notation auch ohne diesen Umweg zu erreichen.125
Zum Vergleich: In den ersten Unterrichtsstunden der Mathematik werden den Kindern erst
über den Umweg über erfahrbare Objekte wie Äpfel die Addition und Subtraktion nahege-
bracht, bevor abstrakte Symbole in Form von Zahlen eingeführt werden. Daraus ergibt sich
die Frage, warum es im Musikunterricht anders durchgeführt werden soll. Solmisations-
gestützte Nomenklatur vermittelt Tonbeziehungen ohne die Kenntnis der Musiktheorie vor-
auszusetzen. Der kognitiven wird damit die sinnliche Erfahrung vorangestellt. Lehrverfahren,
119 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 8f; 29. 120 Vgl. Lange 1900, S. 535; Losert 2011, S. 31. 121 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 161f. 122 Vgl. Losert 2011, S. 284f. 123 Vgl. Heygster 2012, S. 218. 124 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 27. 125 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 161f.
22
die nicht auf der Solmisation basieren, setzen theoretisches Wissen voraus und fokussieren
stattdessen das intellektuelle Begreifen vor dem musikalischen Erlebnis. Dahingehend ermög-
licht die relative Solmisation ein unmittelbares und organisches Musikerleben. Mithilfe der
Nomenklatur und Handzeichen wird die Musik unabhängig von bedeutungstragenden Texten
erlebt.126 Von den Solmisationssilben und Handzeichen über die relative Notation erfolgt eine
Kopplung konkreter Klangvorstellungen mit abstrakten Zeichen. Damit wird der Übergang
zum Notenlesen erleichtert.127 Die Tonfolge kann mit dem Auge wahrgenommen und in
Klang umgeformt werden, andererseits kann eine konkret klingende Tonfolge in abstrakte
Zeichen zurückgeformt werden.128
Eine theoretische Erklärung klanglicher Unterschiede gleicher Intervallen, die jedoch in der
Tonleiter unterschiedlich eingebunden sind, ist kaum zu bewerkstelligen. Relative Solmisati-
on macht diese Unterschiede erfahrbar.129
Die Arbeit mit der relativen Solmisation erfordert Beständigkeit und intensive Auseinander-
setzung sowohl für den Schüler als auch für den Lehrer, weshalb die Unterrichtszeit für ande-
re Bereiche verloren geht. Relative Solmisation fordert häufige Wiederholungen und die An-
knüpfung des neuen Stoffes an bereits Bekanntes. Mithilfe des systematischen Lernens schult
die relative Solmisation das innere Hören und schafft somit eine Fähigkeit, die zum Musizie-
ren unabdingbar ist.130 Inwieweit diese Investition möglich ist, muss jedoch im Hinblick auf
die Unterrichtsziele individuell reflektiert werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Melodie
und Rhythmus in jedem musikalischen Bereich solmisiert werden können.131
Zum Teil lässt die Rhythmusschulung verschiedener Solmisationskonzepte zu wünschen üb-
rig. Während sich die Musik des 20. und 21. Jahrhundert durch eine wachsende Unabhängig-
keit des Rhythmus vom melodisch-harmonischen Aspekt kennzeichnet, wird dieser Verände-
rung nicht in zufriedenstellendem Maße entsprochen.132
Der Erfolg ungarischer Schulen in der musikalischen Erziehung spricht für sich.133 Jedoch
stehen manche der starken Bezogenheit der Lehrsystematik auf ungarische Volksmusik, die in
unserem Kulturkreis nur bedingt funktioniert, mit Skepsis gegenüber. Wie im Abschnitt 5
nachvollziehbar wird, existieren verschiedenste solmisationsgestützte Unterrichtskonzepte,
die in unterschiedlichsten kulturellen Zusammenhängen etabliert wurden und vom National-
126 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 163. 127 Vgl. Heygster 2012, S. 196. 128 Vgl. Heygster 2012, S. 200. 129 Vgl. Heygster 2012, S. 200; 221. 130 Vgl. Losert 2015; Heygster und Grunenberg 2009, S. 164; Heygster 2012, S. 222. 131 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 163. 132 Vgl. Losert 2011, S. 284f. 133 Vgl. Werner 2002, S. 285.
23
stil unabhängige methodisch-didaktische Arbeitsweisen anbieten.134 In den letzten Jahren gab
es in Deutschland einige Veröffentlichungen zur Arbeit mit relativer Solmisation in Chorklas-
sen, die in der Liedauswahl dem Erfahrungshorizont der Lernenden entsprechen und wertvol-
le Hinweise zur Arbeit mit relativer Solmisation liefern (siehe Abschnitt 6).
5 Solmisationsgestützte Methoden
Methode ist ein weitläufig genannter Terminus, dessen Verwendung in der wissenschaftlichen
Fachliteratur nicht durch einen einheitlichen Gebrauch gekennzeichnet ist. Oft wird Methode
im Zusammenhang mit musikpädagogischen Konzepten namhafter Musikpädagogen des ver-
gangenen Jahrhunderts verwendet, z. B. die Kodály-Methode (siehe Abschnitt 5.2). Gemeint
sind damit Prinzipien der musikpädagogischen Überlegungen dieser Persönlichkeiten.135
Mit Methoden ist jedoch vor allem eine „planmäßig durchdachte Vorgehensweise“ oder ein
„Lernsystem“136 gemeint. Allen im Folgenden betrachteten ganzheitlichen Konzepten liegt als
Methode die relative Solmisation zu Grunde. Weder Hundoegger, die Begründerin der Toni-
ka-Do-Methode (siehe Abschnitt 5.1), noch Kodály oder Gordon sind die Erfinder der relati-
ven Solmisation.137 Die Verwendung des Methodenbegriffs ist irreführend, richtet sich in die-
sem Fall jedoch nach der gängigen Bezeichnung des jeweiligen musikpädagogischen Kon-
zepts und kann als Solmisationskonzept mit jeweils unterschiedlicher Lehrsystematik verstan-
den werden.138 Im umfassenden Sinne sind es alle Solmisationsarten, die Tonreihen bestimm-
te Tonsilben zuordnen, unabhängig von der Verwendung Guidonischer Silben.139 Bisherige
Forschungsprojekte konnten die Frage nach der geeignetsten Konzeption für den Aufbau mu-
sikalischer Grundlagen in der Schule nicht beantworten.140
5.1 Die Tonika-Do-Methode
Im Jahre 1897 erschien der Leitfaden der Tonika-Do-Methode. Agnes Hundoegger (1859-
1927) ließ sich bei ihrer Konzeption von Curwens Tonic-Solfa-Methode und der französischen
Ziffernmethode inspirieren.141 Die Tonika-Do-Methode war seit Ende des 19. Jahrhunderts
134 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 164. 135 Vgl. Werner 2002, S. 281. 136 Vgl. Werner 2002, S. 284f.. 137 Vgl. Werner 2002, S. 281. 138 Vgl. Losert 2011, S. 20. 139 Vgl. Ruhnke 1998, S. 843. 140 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 27. 141 Vgl. Hundoegger 1897, S. 3-8; Losert 2011, S. 83.
24
bis in die 1970er Jahre weit verbreitet, nicht zuletzt durch das Wirken des 1909 gegründeten
Tonika-Do-Bundes, einem Verein für musikalische Erziehung.142
Das Leitziel der Tonika-Do-Methode bestand zu Anfang in der Vermittlung von Blattlesefä-
higkeiten.143 Schüler sollten demnach Notentexte eigenständig lesen und singen können. Dazu
bedarf es nach Hundoegger einer systematischen Ausbildung des inneren Gehörs, das ein mu-
sikalisches Denken auf Grund eines inneren, bewussten Hörens ermöglicht.144 Somit rückt
später die Ausbildung des inneren Gehörs in den Fokus der Tonika-Do-Methode.
"Die Tonika Do-Lehre will das musikalische Gehör entwickeln durch lebendige und vielseitige
Hilfsmittel. Sie geht aus von der volkstümlichen Lied- und Spielmusik und lehrt die einfachsten
Beziehungen der Töne untereinander erkennen als Grundlage zur Festigung der inneren Ton-
vorstellung."145
Durch die Vermittlung tonaler und rhythmischer Grundstrukturen ermöglicht sie ein über die
passive Wahrnehmung hinaus reichendes, verstehendes Hören.146
Die Lehrsystematik der Tonika-Do-Methode vermittelt keine exakt zu befolgenden Inhalte.
Stattdessen wird ein Rahmen geschaffen, der die Reihenfolge der Einführung neuer Töne und
Tonlängen beinhaltet, jedoch individuell gestaltet werden kann.147 Es handelt sich dabei um
eine fünfstufige Lehrsystematik.
Tab. 1: Fünfstufige Lehrsystematik der Tonika-Do-Methode148
1. Variante 2. Variante
1. Stufe Tonikadreiklang (d-m-s) Pentatonik (d-r-m-s-l)
2. Stufe Dominantdreiklang (d-r-m-s-t-d) Diatonik (d-r-m-f-s-l-t-d)
3. Stufe Subdominantdreiklang (d-r-m-f-s-l-t-d) Modulation
4. Stufe Modulation (Subdominante Tonika Dominante)
Kirchentonarten
5. Stufe Dorisch, Äolisch und melodisch Moll, Chromatik Chromatik
Sowohl Rhythmen und Notenwerte als auch Artikulation, Dynamik und musiktheoretische
Belange werden im Leitfaden besprochen, jedoch nicht in die Lehrsystematik explizit einbe-
zogen.149
142 Vgl. Losert 2011, S. 84, 108. 143 Vgl. Hundoegger 1897, S. 1. 144 Vgl. Hundoegger 1897, S. 1-7; o.A. 1928, S. 1. 145 Hundoegger und Leo 1943, zitiert von Losert 2011, S. 225. 146 Losert, S. 265-270. 147 Vgl. Hundoegger und Leo 1943, S. 25. 148 Vgl. Losert 2011, S. 190. 149 Vgl. Losert 2011, S. 189.
Die vielfältigen Denk- und Üb
gehensweisen, die die musik
Solmisationssilben, die Handz
notation, die Rhythmussprache
denkbar. Ebenfalls besteht die
mit den Handzeichen darstelle
Abb. 11: So
Abb. 12: Hand
Die Tonika-Do-Methode bedie
ta-a-a-a ta-a-a
sa-a-a-a
Abb. 13: Rhyt
Im Sinne der fünfstufigen Leh
den Schülern bekannt sind. D
150 Vgl. Losert 2011, S. 125. 151 Vgl. Losert 2011, S: 267. 152 Vgl. Losert 2011, S. 270.
Übungsmittel charakterisieren verschiedene m
ikalische Vorstellung fördern sollen. Dazu z
dzeichen, die Silbenschrift, die Punktnotation,
he etc..150 Improvisation ist im Sinne eines Fra
ie Möglichkeit, dass die Lehrkraft einfache mu
llen und die Schüler diese Melodie singen lasse
Solmisationssilben nach der Tonika-Do-Method
dzeichen nach der Tonika-Do-Methode, aus: Lo
dient sich relativer Rhythmussprache (siehe Ab
ta-a ta ta-te ta-fa-te-fe
sa-a sa sa/se
ythmussprache der Tonika-Do-Methode, nach:
ehrsystematik lassen sich lediglich Stücke erar
Dies hat zur Folge, dass die Auswahl des Re
25
methodische Heran-
zählen Guidonische
, die relative Linien-
Frage-Antwort-Spiels
usikalische Floskeln
sen kann.151
ode, aus: Losert 2015
Losert 2011, S. 171ff
bschnitt 4.4).152
ta-te-ti
: Losert 2011, S. 163
rarbeiten, deren Töne
Repertoires teilweise
26
beschränkt ist. Empfohlen wird hierbei die imitatorische Aneignung von Stücken mit unbe-
kannten Tönen. Später, wenn die entsprechenden Töne erlernt wurden, kann auf diese Stücke
rückblickend eingegangen und mit den Mitteln der Tonika-Do-Methode bewusst gemacht
werden.153
Trotz brauchbarer Gesamtkonzeption sollte die Tonika-Do-Methode in der Auswahl einer
zeitgemäßen Unterrichtsliteratur (Lieder, Spielstücke in relativer Notation) angepasst werden.
Die Lehrsystematik weist eine thematische Breite auf und berücksichtigt neben der Diatonik
die Kirchentonarten, Alterationen und Modulationen. Dies stellt einen großen Vorteil gegen-
über neueren Solmisationslehren dar. Die Rhythmusarbeit hingegen beschränkt sich auf gän-
gige Taktarten und Rhythmen, die jedoch immer im melodischen Zusammenhang auftauchen.
Die Rolle des Rhythmus ist in der Musik des 20. und 21. Jahrhundert keine untergeordnete (z.
B. rhythmische Sprechgesänge, rhythmische Begleitfiguren etc.) und ist in seiner Struktur
komplexer geworden.154
Die Tonika-Do-Methode hat in der Chorarbeit eine sehr lange Tradition. Sie zielt auf die
Vermittlung unterschiedlicher musikalischer, sozialer, psychologischer und motorischer
Kompetenzen.155
5.2 Die Kodály-Methode
Der ungarische Komponist, Musikwissenschaftler, Musikpä-
dagoge und Kulturpolitiker Zoltán Kodály (1882-1967) prägte
mit seinen Ideen und Ansätzen das musikpädagogische Sys-
tem Ungarns seit den 1930er Jahren.156 Im Zentrum des unga-
rischen Musikunterrichts steht das Singen. Musiklesen sowie –
schreiben werden mittels Blattsingen und Notendiktaten ge-
fördert.157
Die Kodály-Methode bedient sich der relativen Solmisation.
Nach Losert gleicht sie in der methodischen Ausgestaltung
stark der Tonika-Do-Methode. Als Kodály 1925 seine päda-
gogischen Ideen formulierte, wurde die Tonika-Do-Methode
bereits seit Jahren praktiziert. Es ist nicht auszuschließen, dass
er sich an der Tonika-Do-Methode orientierte, da die meisten
153 Vgl. Losert 2011, S. 284. 154 Vgl. Losert 2011, S. 284. 155 Vgl. Losert 2011, S. 283. 156 Vgl. Losert 2011, S. 254. 157 Vgl. Werner 2002, S. 284f.
Abb. 14: Handzeichen nach der Kodály-Methode, aus: Lo-
sert 2015
27
Elemente sich in der Tonika-Do-Methode ähnlich wiederfinden. Béla Bartók (1881-1945) und
Kodály schufen mit ihren ungarischen Volksliedersammlungen eine national-ungarische
Schule, auf der die Kodály-Methode inhaltlich aufbaut. Klassische Literatur wird ebenfalls
hinzugezogen. Mit seinem Schaffen strebte Kodály eine musikalische Aktivierung der Jugend
an.158
Kodály bedient sich der Silben do re mi fa so la ti do, wobei für die Hochalterierung der Vo-
kal i und für Tiefalterierung der Vokal a verwendet wird. Dabei bildet la eine Ausnahme und
wird zu lo. Seltene Alterationen wie ra und li werden in der Praxis vernachlässigt. Für seine
Methode variiert er Curwens Handzeichen geringfügig. Der nach unten zeigende Zeigefinger
bei fa wird zum nach unten zeigenden Daumen. Fi ist dementsprechend durch einen aufwärts
gerichteten Daumen und ein nach unten deutenden Zeigefinder symbolisiert ta. Die Handzei-
chen werden vor dem Bauch ausgeführt.159
Die Kodály-Methode bedient sich überwiegend der traditionellen Notation. Relative Linien-
notation und Silbenschrift kommen kaum zur Anwendung.160
Die Rhythmussprache ist nach Losert Unterscheidung absolut. Dementsprechend geben die
Silben und Lautkombinationen feste Notenwerte wieder und stehen damit nicht für den
Grundschlag, Teilschläge und Überbindungen.161 Die Viertelnote bekommt die Bezeichnung
ta und die Achtelnote erhält die Silbe ti.
ta-o-a-o ta-o-a ta-o ta ti-ti ti-ri-ti-ri tri-o-la
große Pause Pause sch s
Abb. 15: Rhythmussprache der Kodály-Methode, nach: Losert 2011, S. 163
Die Abfolge der zu lernenden Töne ist ähnlich der Tonika-Do-Methode und beginnt mit der
Pentatonik, bevor die Diatonik, Modulation, Chromatik und die Kirchentonarten eingeführt
werden.162
Die vorzeigbaren Ergebnisse der nach der Kodály-Methode unterrichteter ungarischer Schul-
klassen im Intonieren und Blattsingen sprechen für sich.163
158 Vgl. Losert 2011, S. 255. 159 Vgl. Losert 2011, S. 257f. 160 Vgl. Szőnyi 1973, S. 23. 161 Vgl. Losert 2011, S. 258f. 162 Vgl. Szőnyi 1973, S. 36. 163 Vgl. Werner 2002, S. 285; Süberkrüb 2005, S.24.
28
5.3 Music Learning Theory nach Edwin E. Gordon
Vergleichbar mit den beschriebenen Solmisationsmethoden widmet sich die Music Learning
Theory nicht dem Erwerb expliziten bzw. begrifflichen Wissens, sondern der grundlegenden
praktischen Auseinandersetzung mit Musik, die in der Audiation (siehe Abschnitt 2.5.1) mün-
det, so wie es natürlicherweise mit der Sprachvermittlung funktioniert.164 In diesem Zusam-
menhang betont Gordon die Notwendigkeit einer frühen musikalischen Förderung für die
Ausschöpfung des individuellen Potentials musikalischer Begabung.165
Gordon strebt die Vermittlung tonaler Zusammenhänge, einfacher binärer und ternärer
Rhythmen sowie traditioneller, periodischer Formen an. Dazu nutzt er eine einfache Form
relativer Solmisation, die lediglich bei der Vermittlung der Diatonik eingesetzt und erst im
zweiten Schritt nach dem klanglichen Lernen hinzugezogen wird. Alterationen und Modulati-
onen werden nicht mit relativer Solmisation gelehrt. Die grundlegenden rhythmischen Phä-
nomene werden mithilfe Gordons relativer Rhythmussprache vermittelt. Diese beruht auf den
Gewichtsimpulsen (beat functions) statt auf Tondauerbezeichnungen. Der Grundschlag bzw.
der Hauptimpuls bekommt die Silbe du, die Halbschlagnoten du-de, die Viertelschlagnoten
du-ta-de-ta und Triolen du-da-di.166
du - - - du - - du - du du-de du-ta-de-ta du-de-di
(Pausen werden nicht gesprochen)
Abb. 16: Rhythmussprache nach Gordon, nach: Losert 2011, S. 163
Zur Verschriftlichung wird die tradierte Notenschrift verwendet, wobei die Solmisationskür-
zel darunter notiert werden.167 Es werden ausschließlich amerikanische Volkslieder verwendet
und die klassische und romantische Literatur nahezu vollkommen vernachlässigt.168
Gordons Lerntheorie baut auf tonalen und rhythmischen Pattern auf. Es sind kurze musikali-
sche Motive, die entweder auf Tonhöhen oder auf Tondauern bezogen sind.169 Sie stellen eine
Art musikalischen Wortschatz dar und liefern das musikalische Material für spätere Improvi-
164 Vgl. Seeliger 2003, S. 96ff. 165 Vgl. Gordon 1997, S. 1-28; Süberkrüb 2005, S. 29. 166 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 67ff; Losert, S. 269. 167 Vgl. Losert, S. 269. 168 Vgl. Losert, S. 265. 169 Vgl. Seeliger 2003, S. 110.
29
sationen.170 Der Prozess des Sprachenlernens erfolgt im Aufbau von Wortschatz (vocabula-
ries) und verläuft in der Reihenfolge: Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben. Diese Lernwei-
se überträgt Gordon auf das Musiklernen.171
Tonale Patterns bestehen aus zwei bis fünf Tönen einer bestimmten Tonalität und ergeben ein
musikalisches Ganzes (z. B. eine diatonische Tonfolge ab- oder aufwärts; Wechsel von
Grundton und Quinte; charakteristische Töne der Funktionen Tonika, Subdominante oder
Dominante). Die einzelnen Töne weisen keinen Rhythmus auf und werden allesamt gleich
lang gesungen. Rhythmische Patterns bestehen ebenfalls aus zwei oder mehreren Tönen, die
über einen oder zwei Takte verteilt sind. Sie weisen ein Metrum auf und bilden ebenso eine
musikalische Einheit. Die melodischen Patterns werden von den rhythmischen getrennt, weil
damit unterschiedliche Fähigkeiten angesprochen werden und die Aufmerksamkeit vollstän-
dig auf einen der beiden Bereiche gelenkt wird.172
Abb. 17: Ausschnitt: Tonale Pattern nach Gordon, nach: Losert 2011, S. 266
Gordons Lehrsystematik, die learning sequences activities, unterscheidet zwischen skill lear-
ning sequences (Fertigkeitslernen), grundlegende Fähigkeiten im Auditieren; den rhythm con-
tent learning sequences (Rhythmuslernen), der Vermittlung und Übung verschiedener Taktar-
ten und Notenwerte; der tonal content learning sequences, dem methodisch-harmonischen
Lernen und pattern learning sequences, dem Patternlernen. Die Themen und Lehrinhalte sind
aufeinander aufbauend und werden sukzessiv erarbeitet und sind teilweise vergleichbar mit
den fünf Stufen der Tonika-Do-Methode. Gordons Lehrsystematik beschreibt die im Unter-
richt konkret zu erarbeitenden Patterns und Lieder.173
Losert kritisiert die starke Formalisierung der Music Learning Theory, die eine innere Ge-
schlossenheit gegenüber anderen Inhalten des Musikunterrichts darstellt. Weiterhin wirke die
Beschränkung des Repertoires auf amerikanische Volkslieder vergleichsweise eintönig und
wenig differenziert.174
170 Vgl. Losert, S. 266. 171 Vgl. Seeliger 2003, S. 99. 172 Vgl. Seeliger 2003, S. 110; Süberkrüb 2005, S. 62ff. 173 Vgl. Süberkrüb 2005, S. 28,43; Losert, S. 267. 174 Vgl. Losert, S. 270; Süberkrüb 2005, S. 71.
30
5.4 Die Ward-Methode
Justine Bayard Ward (1879-1975) konzipierte die Ward-Methode, um musikalische Grund-
bildung möglichst vielen Kindern zugänglich zu machen. Sie geht davon aus, dass die Grund-
lage jeglichen Musizierens das Singen ist. In den 1920er Jahren führte sie in Kooperation mit
der Catholic University of America ihre Methode für den Musikunterricht an den katholischen
Grundschulen in Amerika ein.175
Die relative Solmisation bildet den Kern der Ward-Methode, die sich in folgende Teilbereiche
gliedert: 1. Stimmbildung, 2. Gehörbildung, 3. Rhythmus, 4. Notation, 5. Improvisation und
6. Melodien und Lieder. Zunächst werden diese Teilbereiche einzeln fokussiert und zu einem
späteren Zeitpunkt zusammengefügt.176
Stimmbildung bildet die Grundlage der Ward-Methode, die die klangliche Qualität der Stim-
me, den Stimmambitus, den Stimmsitz und damit die intonatorische Sicherheit fördert. Die
Gehörbildung dient der Schulung des tonalen Vorstellungsvermögens, das durch die relative
Solmisation erweitert wird. Dabei werden die Solmisationssilben do-re-mi-fa-sol-la-ti-do'
verwendet. Zunächst wird das Pentachord vom Grundton bis zur Quinte (do-re-mi-fa-sol) und
anschließend das Tetrachord vom oktavierten Grundton bis zur Quinte (do'-ti-la-sol) einge-
führt. Statt Handzeichen setzt die Ward-Methode melodische Gesten ein, die den Bereich vom
Bauchnabel aufwärts bis zum ausgestreckten Arm in acht Teile gliedern.177
Abb. 18: Melodische Gesten nach der Ward-Methode, aus: Brandt o.J., S. 2
Die Rhythmusschulung erfolgt in Verbindung mit Klangsilben und Bewegungen. Mithilfe
tänzerischer Bewegungen werden Spannungsverläufe und Notenwerte erfahrbar.178 Eine halbe
Note wird als lang, eine Viertelnote als la und Achtelnoten als li-ra bezeichnet179 und sind
nach Loserts Unterscheidung der absoluten Rhythmussprache zuzuordnen.
Als Notation werden Ziffern zur Veranschaulichung der Solmisationssilben und die Strich-
Punkt-Notation zur Darstellung der Rhythmen verwendet. Musikalische Selbständigkeit bildet
175 Vgl. Brandt 2005, S. 26. 176 Vgl. Brandt 2005, S. 26. 177 Vgl. Brandt o.J., S. 1f. 178 Vgl. Antwerpen 2014, S. 87. 179 Vgl. Brandt o.J., S. 3.
31
ein wichtiges Ziel der Ward-Methode. Die Schüler sollen den freien Umgang mit angeeigne-
tem tonalen und rhythmischen Material lernen.180
Abb. 19: Ziffernnotation nach der Ward-Methode181, aus: Brandt o.J., S. 2
Abb. 20: Punkt-Notation nach der Ward-Methode, aus: Brandt 1984, S. 44
Das Liedmaterial ist dem Leistungsstand der Kinder angepasst und dient der Kopplung ein-
zelner Aspekte der Grundmusikalisierung.182
6 Chorklassen
„Der Begriff Chorklasse soll für einen zukunftsweisenden, lebendigen Musikunterricht stehen,
der die Vermittlung musikalischen Basiswissens und das praktische Musizieren im Klassenver-
band von Anfang an miteinander verbindet."183
Die Chorklasse ist eine Form des erweiterten Musikunterrichts, die dem Begriff des Klassen-
musizierens zuzuordnen ist. Der Begriff Chorklasse ist nicht geschützt und wird u. a. als Ge-
sang- und Singklasse bezeichnet.
Der Musikpädagoge Bähr bezeichnet sie als Musikklassen, in denen alle Schüler ein Instru-
ment (Blas-, Streich-, Perkussionsinstrumente, Gitarren, Keyboards etc.) erlernen oder eine
vokalpädagogische Ausbildung in Form von Chorklassen erhalten. Das Konzept der Musik-
klassen impliziert, dass eine Schule über die reguläre Stundentafel hinaus ein erweitertes Mu-
sikangebot offeriert, welches über eine Arbeitsgemeinschaft hinausgeht. Die Rahmenbedin-
gungen sowie auch entsprechend ergänzende Inhalte sind den einzelnen Schulen überlassen.
Ob Kooperationen mit Musikschulen, Vereinen etc. bestehen, ist von Schule zu Schule unter-
schiedlich. Für gewöhnlich wirken die Schüler in einem Ensemble oder Chor mit und haben
mindestens zwei Wochenstunden Musik, wobei der Anteil von Instrumentalspiel bzw. Gesang
180 Vgl. Brandt 2005, S. 27. 181 Der Punkt unter- bzw. oberhalb der Ziffer markiert Töne der nächsthöheren bzw. nächstunteren Tonleiter. 182 Vgl. Antwerpen 2014, S. 88. 183 http://www.gymnasium-wk.de/chorklasse 03.09.2015
32
und sonstigen musikpädagogischen Bereichen unterschiedlich verteilt ist.184 Die Untersu-
chung der Rahmenbedingungen der Umfrage soll dahingehend genauere Informationen lie-
fern.
Laut Bähr ist eine Musikklasse vergleichsmäßig einfach zu organisieren und für alle Beteilig-
ten (Eltern, Kollegen und Schulbehörden) gut nachvollziehbar. Die Grundschulen eignen sich
besonders gut zur Einführung von Musikklassen, aber auch in der Sekundarstufe lohnt sich
diese.185
Die Stimme ist das ursprünglichste Instrument von allen und erfordert keine Kosten. Das Mu-
sizieren im Chor fördert die Kultur des aufeinander Hörens186. Im Zuge der Beliebtheit von
Musikklassen entstehen immer mehr Chorklassen. Lernpsychologen und Didaktiker sind sich
einig: nachhaltiges Lernen kann nur über einen praxisorientierten Unterricht gewährleistet
werden. Allerdings ist zu bedenken, dass „blinder Aktionismus“ keinen nachhaltigen Lerner-
folg verspricht. Bei der Chorklasse besteht der Vorteil, dass keine Instrumente angeschafft
werden müssen, da die Stimme als das Instrument der Schüler fungiert.
In jüngster Zeit sind neuere Konzeptionen für die Arbeit in Chorklassen erschienen. Im Fol-
genden werden drei verschiedene Konzepte, die bei der Online-Befragung angegeben wurden,
näher beschrieben.
6.1 Chor:Klasse!187
In Kooperation mit der Musikhochschule Hannover entwickelten Petra Jacobsen, Silja Stege-
meier und Silke Zieske ein Medienpaket unter dem Titel Chor:Klasse!. Das Material besteht
aus einer Konzeption, Handreichungen, einem didaktisch-methodischen Lehrerhandbuch,
einer Ampelkartei für die Stimmbildung sowie einem Portfolio für die Schüler und einem
Liederbuch samt CD.188
Dieses Konzept nutzt relative Solmisation, wobei Solmisationssilben nach Tonika-Do und die
Handzeichen nach Kodály verwendet werden. Die Rhythmussilben stützen sich auf Kodály,
sind jedoch teilweise abgewandelt und bezeichnen absolute Notenwerte. Statt wie bei Kodály
ti-ri-ti-ri heißen die Sechzehntel ti-gi-ti-gi. Dies dient einer leichteren Aussprache im Deut-
schen. Auch werden die Pausen abgewandelt. An die tradierte Notation werden die Schüler
schrittweise über Handzeichen-, Buchstaben- und die relative Liniennotation herangeführt.189
184 Vgl. Bähr 2009, S. 159ff. 185 Vgl. Bähr 2009, S. 161f. 186 Vgl. Bolender und Müller 2012, S. 6. 187 Die kursive Schreibweise neuerer Konzeptionen bezieht sich auf die gleichnamigen Publikationen dieser Lehrsystematiken. 188 Vgl. Mohr o.J. 189 Vgl. Jacobson et al. 2007, S. 66-80.
33
Das didaktische Konzept umfasst vier Grundschuljahre und arbeitet das Singen methodisch
auf. Der Inhalt konzentriert sich auf die Bereiche Stimmbildung, Chorsingen und Hörerzie-
hung/Musiktheorie. Dabei wird viel Wert auf die Dokumentation des Lernprozesses durch den
Schüler mithilfe des Portfolios gelegt.190
Eine Vielfalt an didaktischem Material und methodischen Möglichkeiten liefern Anregungen
für das Erarbeiten von Liedern in der Unterrichtspraxis. Dabei ermöglicht die spielerische
Herangehensweise eine vielfältige Wiederholung der zu vermittelnden musikalischen Fähig-
keiten. In seiner Rezension des Medienpakets merkt Mohr an, dass so manche Übungen und
Spiele recht bekannt sind.191
Das stimmbildnerische Material bemüht sich durch die Einbettung in kurze Geschichten um
das Interesse des Schülers und liefert sinnvolle Assoziationen für die Bereiche Haltung, At-
mung und Stimme.192 Mithilfe der Ampelkartei ist eine Anweisung allein durch Zeigen gege-
ben und folglich zeitökonomisch. Mohr hinterfragt die farbliche Zuordnung der Ampelkartei
aufgrund des fehlenden Bezugs der Farben zu den beschriebenen Bereichen.193
Chor:Klasse! strebt mehrstimmiges Singen an und gibt dahingehend wichtige Hinweise. Die
Liederkartei liefert Anregungen für die Anwendung der Solmisation und Festigung der Ton-
raumvorstellung bei der Einführung der im Liederbuch Chor:Klasse! zusammengestellten
Lieder. Übungen zur Dynamik und Bewegungsimprovisation, die wichtig für das rhythmische
Empfinden sind, bereichern das Konzept.
Die Beschränkung auf Dur und Moll engt die Berührungsmöglichkeiten mit anderen Skalen
stark ein und der größte Kritikpunkt an der sonst gut durchdachten Konzeption.
6.2 Singen ist klasse
Unter dem Namen Singen ist klasse veröffentlichte Ralf Schnitzer bereits zwei Lehrerbände
mit jeweils einem Schülerheft zur Arbeit in Chorgklassen. Das Konzept ist auch als das Ep-
pelheimer Modell bekannt. Die erste Ausgabe gilt der Arbeit in den Stufen fünf bis zehn und
das zweite unter Mitarbeit von Harald Schneider speziell für die Stufen fünf und sechs. Zu-
sätzlich wurden Schülerhefte und zwei Chorbücher mit systematisch aufbauenden einstimmig
bis mehrstimmigen Chorsätzen herausgegeben.194 Schnitzers Konzept orientiert sich an Gor-
don, dessen Kurse er besuchte.195
190 Vgl. Jacobson et al. 2007, S. 15f., 99. 191 Vgl. Mohr o.J. 192 Vgl. Jacobson et al. 2007, S. 29. 193 Vgl. Mohr o.J. 194 http://www.schott-musikpaedagogik.de/de_DE/material/sekundarstufe/singeklasse/index.html 16.08.2015 195 Vgl. Schnitzer 2011, S. 7.
34
Die Grundlage der Konzeption bildet die relative Solmisation. Es werden konkrete Vorschlä-
ge zum methodisch-didaktischen Vorgehen unterbreitet. Die Solmisationssilben sind nach
Tonika-Do gewählt, wobei er die Alterationen nach unten vernachlässigt. Im ersten Werk
sieht Schnitzer von der Arbeit mit Handzeichen ab und führt die Nutzung in Singen ist klasse
5/6 ein. Die Rhythmussprache übernimmt er von Gordon.196
Zur Heranführung an das Notenlesen wird der Schritt über die „visuelle Parallele“197 einer
grafischen Silbennotation sowie die Ziffernnotation empfohlen. Allerdings sollen die Schüler
relativ zügig an die gebräuchliche Notenschrift gewöhnt werden.
Durch den hohen theoretischen Anteil ist der Lehrerband kopflastig gestaltet und dadurch
recht „trocken“. Laut Schnitzer ist darin das Gesamtmaterial aus jahrelanger Unterrichtserfah-
rung in Chorklassen zusammengefasst.198 Dabei werden Stimmbildung, Gehörbildung und
Solmisation verknüpft eingesetzt.
Singen ist klasse führt ausführlich an die Mehrstimmigkeit mithilfe von Übungssequenzen
heran. Eine DVD bietet Ausschnitte aus dem Unterricht unterschiedlicher Schulstufen ab
Klasse fünf an und ermöglicht einen Einblick in die Unterrichtssituation. Weiterhin ist eine
kommentierte Zusammenstellung von Chorwerken verschiedener Stile und Epochen, die im
Laufe der Zeit innerhalb des Eppelheimer-Modells erprobt wurden, gegeben.
Die Auseinandersetzung mit den Modi bleibt sporadisch und die Übungssequenzen konzent-
rieren sich vordergründig auf die Geschlechter Dur und Moll.
Singen ist klasse enthält Hilfestellungen zur Organisation von Chorklassen.
6.3 Die Schullz-Methode
Mit seiner Methode bietet Axel Christian Schullz einen strukturierten Weg zum Singen vom
Blatt sowie einem umfassenden Musikverständnis, wobei er sich in erster Linie an Musikleh-
rer und Chorleiter richtet. In seinem Vorgehen lehnt er sich an den Prozess des Sprachenler-
nens an. Die Methode baut inhaltlich auf den folgenden Bereichen auf: relative Solmisation,
rhythmische Solmisation, Dirigieren, Klavier und allgemeine Musiklehre. Diese werden im
Unterrichtsprozess miteinander verwoben.199 Unter Einbezug des Klaviers beruft er sich auf
eine Studie, derzufolge Klavierkenntnisse das Singen vom Blatt fördern.200 Schullz vertritt
weiterhin die Ansicht, Dirigieren sei enorm hilfreich für das rhythmische Verständnis. Es sei
hierbei angemerkt, dass die Thematik des Dirigierens und Klavierspielens im Rahmen der
196 Vgl. Schnitzer 2011, S. 72; 78. 197 Vgl. Schnitzer 2011, S. 45; 65. 198 Vgl. Schnitzer 2011, S. 8. 199 Schullz 2014, S. 11f. 200 Vgl. Colwell 1963, zitiert von Schullz 2014, S. 10.
35
Chorklassen denkbar weit ausgeholt und damit in der Umsetzung unrealistisch wäre. Die
Solmisationssilben sind der Tonika-Do-Methode entnommen.201
Die Handzeichen basieren auf der Kodály-Methode, gehen allerdings über die häufigsten Al-
terationen hinaus, sodass alle Stammsilben und nahezu alle Alterationen je ein Handzeichen
aufweisen. Jedes Handzeichen bekommt eine konkret definierte Körperposition von der
Bauchmitte bis zur Stirn zugewiesen.202 Als Notation werden die Buchstabennotation und
relative Liniennotation als Übergang zur tradierten Notenschrift verwendet.203
Diese Methode bietet eine spielerische Vermittlung von Fertigkeiten, wobei Schullz eigene
Ideen (z. B. Solmisationstreppe, Notenlaufen, Solmisationsstern)204 und bereits bekannte
Übungen zusammenträgt.
Die Rhythmussprache ist eine abgewandelte Mischung aus der Rhythmussprache nach der
Tonika-Do- und der Kodály-Methode. Dabei legt er besonderen Wert auf Körperlichkeit und
schafft durch die Verknüpfung der Bereiche Symbol, Sprache und Bodypercussion eine gute
Merkfähigkeit für rhythmische Phänomene.205
Eine sinnvolle Hilfestellung bieten die im Internet bereitgestellten Lernvideos auf die mittels
QR-Code zugegriffen werden kann. Dieser wird vom Smartphone gescannt und leitet zum
jeweiligen Lernvideo weiter. Eine Internetadresse ist ebenfalls angegeben.
201 Vgl. Schullz 2014, S. 21. 202 Vgl. Schullz 2014, S. 20-27. 203 Vgl. Schullz 2014, S. 28, 54. 204 Vgl. Schullz 2014, S. 23, 42. 205 Vgl. Schullz 2014, S. 9f.
36
7 Bildung von Thesen
Bei der Thesenbildung kristallisieren sich zwei Bereiche. Zum einen soll der Einfluss der rela-
tiven Solmisation auf das methodische Vorgehen des Chorklassenleiters beleuchtet werden.
Zum anderen werden Vermutungen zu den Auswirkungen des Einsatzes von relativer Solmi-
sation auf die Fähigkeiten der Schüler zum Abschluss der Chorklasse formuliert. Der Autorin
ist bewusst, dass die Befragung der Lehrkräfte zu Schülerfähigkeiten objektiv messbare Test-
verfahren in keiner Weise ersetzen kann. Jedoch liefern die Antworten Tendenzen, die wei-
tergehend überprüft werden sollten.
Relative Solmisation vermittelt die Wertigkeit der einzelnen Töne im Gefüge der Tonleiter.206
Es wird die Audiation im Sinne Gordons trainiert, deshalb wird formuliert:
1. These: Chorklassenleiter, die relative Solmisation einsetzen, sehen in der Ausbil-
dung der Tonraumvorstellung (Audiation) einen besonders wichtigen Aus-
bildungsschwerpunkt.
Bereits Guido von Arezzo förderte mit seiner Hexachordlehre die Selbständigkeit seiner
Chorknaben im Lesen von Notentext. Die Unabhängigkeit von einem Vorsänger war ihm
sehr wichtig.207 Solmisationsgestützte Methoden unterstreichen die Wichtigkeit des Notenle-
sens und führen über Solmisationssilben, Handzeichen und relative Notation zum Lesen des
tradierten Notationssystems. Es wird vermutet:
2. These: Chorklassenleitern, die relative Solmisation einsetzen, ist es wichtig, die
Schüler zum Singen vom Blatt zu befähigen.
Aufgrund der Vermittlung des diatonischen Tonraumgefüges durch relative Solmisation, be-
kommen die Schüler einen klanglichen Eindruck der einzelnen Stufen der Tonleiter und ihrer
musikimmanenten Spannungsverhältnisse untereinander (siehe Abschnitt 4). Aus diesem
Grund wird folgende These aufgestellt:
3. These: Chorklassen, in denen relative Solmisation zum Einsatz kommt, singen im
Vergleich zu Chorklassen, in denen ohne relative Solmisation gearbeitet
wird, intonationssicherer bzw. sauberer.
Zur Entwicklung der Blattlesefähigkeiten bietet sich bei der relativen Solmisation der Umweg
über die relative Notation an. Über die Solmisationssilben, Handzeichen bis hin zu abstrakten
206 Vgl. Gütay 2012, S. 27, zitiert nach Jacobson et al. 2009. 207 Vgl. Losert 2011, S. 52f.
37
Schriftzeichen wird der Abstraktionsgrad allmählich gesteigert. Die relative Notation ist dabei
ein weiterer Zwischenschritt zum absoluten Notensystem. Das komplexe System des Quin-
tenzirkels wird erst einmal nicht berücksichtigt.208 Daher wird geschlussfolgert:
4. These: Chorklassenleiter, die relative Solmisation einsetzen, arbeiten mit relativer
Notation.
Relative Notation ermöglicht eine schrittweise Heranführung an das Lesen von Noten, die den
Grad der Abstraktion von den Handzeichen bis zu den Symbolen steigert. In diesem Zusam-
menhang lässt sich weiterhin vermuten:
5. These: Chorklassen, die mit relativer Solmisation lernen, können besser vom Blatt
singen als Chorklassen, in denen ohne relative Solmisation gearbeitet wird.
Bei der Auseinandersetzung mit solmisationsgestützten Methoden wurde deutlich, dass sich
relative Solmisation in die Struktur der Diatonik einfügt. Die Vielfalt der Modi wird vor allem
in neueren Solmisationsmethoden vernachlässigt, daher wird folgende These aufgestellt:
6. These: In Chorklassen werden vorrangig Lieder in Dur und Moll gesungen. Lieder
in Kirchentonarten werden kaum praktiziert.
In einem Chor ist jeder Sänger Teil des Ganzen und wichtig für den Klang des gesamten Cho-
res. Eine Chorklasse ist im weitesten Sinne nichts anderes, nur dass dieser im Rahmen der
Schulstunden stattfindet und einem weitgefassten Lehrplan folgt. Dieser soziale Aspekt sowie
der praxisorientierte Unterricht lassen folgenden Schluss zu:
7. These: Chorklassenschüler sind motivierter als Schüler des regulären Musikunter-
richts.
In der Fachliteratur heißt es, dass relative Solmisation eine effektive Möglichkeit der Vermitt-
lung von Mehrstimmigkeit bietet. In diesem Zusammengang steht die letzte These:
8. These: Chorklassen, in denen mit relativer Solmisation gearbeitet wird, erzielen
bessere Ergebnisse beim mehrstimmigen Singen.
208 Vgl. Heygster 2012, S. 202.
38
8 Eine Fallstudie zum Einsatz relativer Solmisation in Chorklassen
Musikklassen allgemeinbildender Schulen mausern sich zu einer erfolgsversprechenden, je-
doch nicht unumstrittenen musikpädagogischen Tendenz.209 Die wachsende Autonomie der
Schulen, Profilbildung und Ganztagsschulen bieten vielfältige Möglichkeiten für den erwei-
terten Musikunterricht. Die Dringlichkeit eines praxisorientierten Musiklernens wird seitens
Didaktik, Lerntheorie und Unterrichtsforschung immer deutlicher.210 Wie im Abschnitt 2 be-
reits beschrieben wurde, kann nachhaltiges Musiklernen nur gewährleistet werden, wenn mu-
sikalisches Erleben in den Lernprozess eingebunden wird. Nach Gordon kann das Verständnis
musikalischer Strukturen nur über Audiation und die wiederum nur über das Musizieren er-
reicht werden.
Mit dem wachsenden Angebot an Chorklassen entstehen zusehends mehr Konzeptionen zum
Arbeiten in Chorklassen, die den Weg über die relative Solmisation gehen. Neuere Veröffent-
lichungen preisen die Erfolge musikalischen Lernens mithilfe der relativen Solmisation nahe-
zu an. Der Abschnitt 2.4 liefert Ansätze zur Erklärung der Funktionsweise von relativer Sol-
misation im lerntheoretischen Zusammenhang. Eine genaue Erforschung der Funktionsweise
steht noch aus.211 Empirische Studien zum Erfolg musikalischen Lernens mit relativer Solmi-
sation sucht man allerdings vergebens.
Die vorliegende Fallstudie wagt einen ersten Schritt in Richtung einer wissenschaftlichen Un-
tersuchung des Einsatzes der relativen Solmisation in Chorklassen. Besonders interessant ist
dabei die Frage, ob Chorklassenleiter relative Solmisation im Unterricht nutzen und wie sich
der Einsatz auf die musikalischen Fähigkeiten der Schüler auswirkt. Die Erfragung der Rah-
menbedingungen gibt Aufschluss über die Ressourcen, die den Musiklehrern bei ihrer Arbeit
zur Verfügung stehen und ermöglicht einen Rückschluss auf die Erfahrungswerte.
8.1 Untersuchungsgegenstand und -ziele
Im Rahmen der Fallstudie wurde eine anonyme Befragung zum Einsatz der relativen Solmisa-
tion in Chorklassen (auch bekannt als Sing- und Gesangsklassen) durchgeführt. Befragt wur-
den Primar- wie auch Sekundarstufenlehrkräfte, die mindestens eine Chorklasse unterrichten.
Der Fragebogen erfasst einerseits die Rahmenbedingungen der Chorklassen und erfragt, ob
209 Die Trennung von Musikschule und Schulmusik und damit von Können-Lernen und Wissen-Lernen geht auf Kestenberg zurück. (Vgl. Kestenberg 2009) Ensembleklassen stellen für Kestenberg ein "Pfuschertum" dar, das jedes feinere Empfingen zerstört. Damit kritisiert er den blinden Praktizismus, der betrieben wurde. Heutzutage wäre dies mit didaktisch unreflektierter Übernahme diverser Methoden bzw. Lehrwerke des instrumentalen Klassenunterrichts in die allgemeinbildenden Schulen. Vgl. Ernst 2011, S. 109f. 210 Vgl. Bähr 2009, S. 159f. 211 Vgl. Losert 2011, S. 36
39
relative Solmisation zum Einsatz kommt und wie sich diese Arbeit gestaltet. Andererseits
werden die Erfahrungen der Lehrkräfte bezüglich der von Schülern erworbenen musikali-
schen Fähigkeiten zum Abschluss der Chorklassen erfasst.
Ziel der Befragung ist es, mögliche Auswirkungen auf Stimmbildung, Blattlesefähigkeiten
und musikalische Selbständigkeit der Schüler durch den Einsatz der relativen Solmisation im
Rahmen der Chorklassen zu eruieren.
Im Zusammenhang mit den Erfahrungswerten der Lehrkräfte sei angemerkt, dass die Teil-
nehmer der Umfrage subjektive Eindrücke zu den Fähigkeiten der Schüler wiedergeben, die
von objektiv messbaren Gegebenheiten in der jeweiligen Chorklasse in gewissem Maße ab-
weichen können. Aufgrund der freiwilligen Teilnahme an der Befragung ist es möglich, dass
überwiegend engagierte Lehrkräfte, die sich durch eine besondere Begeisterung für ihr Fach
und ihre jeweils praktizierende Methode auszeichnen, daran teilnahmen. Dies sind mögliche
Störfaktoren.212 Diese können die Objektivität der Erfahrungswerte ebenfalls beeinflussen.
8.2 Instrument der Datenerhebung
Die Entscheidung für eine Datenerhebung mittels eines anonymen Online-Fragebogens (siehe
Anhang 13.1) ermöglicht eine Befragung vieler Lehrer in ganz Deutschland. Im Rahmen der
Masterarbeit wäre eine persönliche Befragung nicht zu bewerkstelligen.
Bei diesem Fragebogen handelt es sich um ein quantitatives Verfahren der Datenerhebung.
Der Fragebogen trägt die Bezeichnung „Eine anonyme Umfrage (ca. 10 Min.) für Musiklehr-
kräfte von Chorklassen (auch Sing- und Gesangsklassen genannt)“. Die Anonymität ist da-
durch gewährleistet, dass die Kopplung der Umfrage an die E-Mail-Adresse des Teilnehmers
unterdrückt wird und dieser Prozess nicht rückgängig gemacht werden kann.
Die Konzeption des Fragebogens war recht anspruchsvoll. Es bedurfte einer akribischen
Auswahl relevanter Inhalte und einer eindeutigen Formulierung der Fragen. Nachdem die
Fragen feststanden, wurde die Webseite umfrageonline.com zur deren Generierung genutzt.
Diese ist für Studierende gebührenfrei nutzbar und bietet vorgefertigte Layouts. Mithilfe die-
ser Webseite wird ein Umfragelink generiert, der sich elektronisch versenden lässt. Ein großer
Vorteil dabei ist, dass der Link problemlos weitergeleitet werden kann. Dies ist vor allem
dann unabdingbar, wenn die E-Mail-Adressen nicht herausgegeben werden dürfen. Einen
weiteren Vorteil bietet die elektronische Speicherung der Daten, bei der die manuelle Eingabe
umgangen wird.
212 Merkmale von Testpersonen, die die Umfrageergebnisse beeinflussen können, werden in der empirischen Forschung als Störfaktoren bzw. Störvariablen bezeichnet. Vgl. Bortz und Döring 2006, S. 13.
40
Den Zielkreis bildeten alle Chorklassenlehrer in Primar- und Sekundarstufen, die an einer
deutschen Schule tätig sind.
8.2.1 Aufbau des verwendeten Fragebogens
Ein kurzer Eingangstext stellt die Verfasserin vor und erläutert die Inhalte und Ziele der Um-
frage; Kontaktdaten werden zwecks Nachfragen bzw. Interessenbekundung für die Ergebnisse
der Umfrage angegeben.
Chorklassenleiter, die relative Solmisation in ihrem Unterricht einsetzen, werden in den fol-
genden Ausführungen als RS-Chorklassenleiter bezeichnet. Diejenigen, die ohne relative
Solmisation arbeiten, erhalten die Bezeichnung ORS-Chorklassenleiter.
Der Online-Fragebogen weist die folgende Gliederung auf:
a) Rahmenbedingungen aller Teilnehmer werden erfragt (15 Fragen)
Bei Frage 15 erfolgt eine unterschiedliche Weiterleitung von RS- und ORS-
Musiklehrkräften
b) Befragung der RS-Probanden zu der Arbeit mit relativer Solmisation (10 Fragen)
Danach erfolgt eine Weiterleitung zum Erfahrungsteil.
c) ORS-Teilnehmer geben an, inwieweit sie mit relativer Solmisation in Berührung ge-
kommen sind (8 Fragen)
d) Alle Teilnehmer geben Einschätzen zu den musikalischen Fähigkeiten der Schüler
zum Abschluss der Chorklassen (8 Fragen)
Der Fragebogen ist übersichtlich konzipiert und besteht aus insgesamt 41 Fragen. Die Teil-
nehmer werden je nachdem, ob sie relative Solmisation einsetzen oder nicht automatisch un-
terschiedlich weitergeleitet (Frage 15). Es ergibt sich folgende Aufteilung: Teilnehmer, die
die relative Solmisation anwenden, haben 33 Fragen zu beantworten, während Teilnehmer,
die die relative Solmisation nicht anwenden 31 Fragen durcharbeiten. Nicht alle Fragen sind
Pflichtfragen. Zehn der Fragen müssen nicht beantwortet werden.
Der Fragebogen besteht vorrangig aus geschlossenen Fragen. Bei einigen Fragen ist ein opti-
onales Feld eingefügt für Sonstiges. Das optionale Feld kann, muss aber in keiner der Fragen
ausgefüllt werden. Des Weiteren gibt es am Schluss jeder Seite je ein offenes Textfeld für
Anmerkungen, welcher jedoch in allen vier Fällen freiwillig ist.
Der zeitliche Rahmen der Umfrage belief sich vom 17.06. - 31.07.2015.
8.2.2 Rekrutierung der Teilnehmer
Umfragen liefern generell geringe Rücklaufquoten. Da sich die Online-Umfrage ausschließ-
lich an Chorklassenleiter richtete, mussten diese von der Autorin möglichst in großer Zahl
41
kontaktiert werden, von daher wurde die aufwendige Suche nach Einzelpersonen z. B. im
Internet erst einmal ausgeschlossen.
Die erste Recherche zu Chorklassen ergab, dass diese in Niedersachsen seit ungefähr zehn
Jahren verstärkt gefördert werden. So wandte sich die Autorin an den Landesmusikrat Nieder-
sachsen, wo die Umfrage freundlicherweise weitergeleitet wurde. Auch in Bayern wird das
Klassenmusizieren seit einigen Jahren unterstützt. Die Anfrage beim Landesmusikrat Bayern
sowie dem bayerischen Chorverband erwies sich jedoch als erfolglos, da die Weiterleitung der
Umfrage nur mit Genehmigung des Kultusministeriums möglich ist. Diese wiederum wird bei
Bachelor-, Master-, Diplomarbeiten sowie Dissertationen nur in besonderen Fällen erteilt. Um
wenigstens einige bayerische Chorklassenlehrer zu erreichen, wurden einzelne bayerische
Schulen, die durch Internetrecherche ausfindig gemacht werden konnten, angeschrieben.
Des Weiteren wurde der Kontakt zum Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg
e.V. aufgenommen, da hier Chorklassen unter dem Projekt Singen macht Schule! entstanden
sind. Auch hier konnte die Umfrage freundlicherweise weitergeleitet werden.
Als Nächstes wurden Landesmusikräte und Chorverbände aller 16 Bundesländer kontaktiert.
Anhand der Antworten zeigte sich deutlich, dass das Klassenmusizieren in Form von Chor-
klassen nicht überall gefördert wird und die Kommunikation zwischen den einzelnen Instan-
zen unterschiedlich stark ausgeprägt ist.
Die Suche nach Teilnehmern über die Schulämter gestaltete sich recht kompliziert, aufgrund
der Umfragegenehmigungen, welche mit viel Mühe beim Antragstellen und noch mehr Zeit
beim Warten auf die Antwort verbunden waren.
Letztlich nahmen 60 Personen an der Online-Befragung teil, wobei fünf Probanden den Fra-
gebogen nicht beendeten und von der Auswertung ausgeschlossen werden mussten. Insgesamt
gab es 55 verwertbare Fragebögen.
8.2.3 Durchführung der Datenerhebung
Der Online-Fragebogen konnte von den Teilnehmern an jedem internetfähigen Gerät ausge-
füllt werden. Mittels des Umfragelinks hatten die Probanden zu jeder Tageszeit die Möglich-
keit den Fragebogen zu bearbeiten. Dieser ließ sich in zehn Minuten bearbeiten, jedoch war
die Bearbeitungszeit von Teilnehmer zu Teilnehmer unterschiedlich und reichte laut des
Auswertungsprotokolls in einigen Fällen von vier bis 37 Minuten. Eine Erklärung dafür könn-
te der unterschiedliche Kenntnisstand auf dem Gebiet der relativen Solmisation darstellen.
42
9 Auswertung
Trotz der intensiven bundesweiten Bewerbung der Umfrage, war ein Rücklauf der Ergebnisse
nur in sechs von 16 Bundesländern zu verzeichnen. Aus diesem Grund beschränkt sich die
Auswertung auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-
Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Von den 60 Probanden haben 55 die
Befragung komplett abgeschlossen und sind somit verwertbar.
Der einfacheren Lesbarkeit halber werden die Chorklassenleiter, die relative Solmisation im
Unterricht einsetzen, mit dem Kürzel RS gekennzeichnet. Diejenigen, welche ohne relative
Solmisation arbeiten, erhalten die Abkürzung ORS.
Die Analyse der Daten erfolgte mit der Webseite umfrageonline.com und dem Programm Ex-
cel 2007.
9.1 Rahmenbedingungen von Chorklassen
Abb. 21: Chorklassenlehrer aus verschiedenen Bundesländern
Wie aus dem Kreisdiagramm in Abb. 21 ersichtlich wird, stammen 31 Probanden - über die
Hälfte - aus Niedersachen. Ein Fünftel der Teilnehmer (11 Personen), die an der Umfrage
teilgenommen haben, kommen aus Bayern. Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da beide
Bundesländer bezüglich der Chorklassen Vorreiter sind. Laut der Zeitschrift Chorzeit gab es
bereits ein Jahr zuvor ungefähr 100 Chorklassen und ein anderthalbjähriges Qualifizierungs-
system für deren Leitung. Nach dem Vorbild Niedersachsens begann Bayern 2008 mit der
9%
20%
11%
2%
56%
2%Baden-Württemberg
Bayern
Brandenburg
Mecklenburg-
Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
43
Einführung von Chorklassen in Grundschulen.213 Wäre die Umfrage in Bayern genehmigt
worden, hätten sicherlich mehr Chorklassenlehrer teilgenommen.
Sechs der Probanden beteiligten sich aus Brandenburg. Die meisten der brandenburgischen
Teilnehmer sind im Zuge des Projektes Singen macht Schule!214 zur Leitung von Chorklassen
weitergebildet worden. Das ist bekannt, aufgrund der Weiterleitung des Fragebogens durch
den Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg.
Aus Baden-Württemberg beteiligten sich fünf Probanden. Je eine Musiklehrkraft kam es aus
Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.
Im Zuge der Recherche sind diejenigen Projekte aufgefallen, die das Singen vor allem in
Grundschulen fördern. Projekte, die speziell Musikklassen in Form von Chorklassen etc. un-
terstützen, sind nicht weit verbreitet. Wie eingangs erwähnt, ist es den Schulen überlassen
sich für ein Musikprofil zu entscheiden und dieses einzuführen. Neuere Veröffentlichungen
zu Chorklassen gehen auf das Thema der Organisation von Chorklassen ein und liefern damit
erste Hilfestellungen.
Abb. 22: Erstmaliges Angebot von Chorklassen
Abb. 22 verdeutlicht ein wachsendes Interesse an Chorklassen. Von den 52 Probanden, die
die Frage nach der Einführung von Chorklassen an ihrer Schule beantworteten, wurden 42
(ca. 79%) in den letzten fünf Jahren gegründet. Zwischen 2000-2009 sind erstmals zehn
Chorklassen (ca. 19%) entstanden. Ein Proband gab sogar an, dass sich 1980 erstmals Chor-
klassen an seiner Schule formierten. Außerhalb dieser Ausnahme gab es unter den Teilneh-
mern keine Angaben zu ersten Chorklassengründungen bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts.
Da Musikklassen tendenziell eine recht junge Erscheinung sind, liegt die Vermutung nahe, es
seien vorwiegend junge Lehrer, die Chorklassen leiten. Diese Annahme widerlegt die Umfra-
ge eindeutig. Die Aufnahme der Arbeit als Musiklehrer ist zwischen den 55 Probanden
213 Vgl. Friedel 2014, S. 27. 214 http://www.grundschule-caputh.de/2012-11-klmu.html 20.08.2015 http://klasse-musik-brandenburg.de/site/lehrerzimmer/Klasse:Musik 20.08.2015
1980
2%
2000-2009
19%
2010-2015
79%
44
gleichmäßig zwischen 1976 und 2015 verteilt. Es interessieren sich also Berufsanfänger sowie
gestandene Musiklehrer für den erweiterten Musikunterricht (siehe Anhang 13.4.1).
Über die Hälfte der Chorklassen werden in der Grundschule angeboten. Die von der Teilneh-
merzahl abweichenden 59 Eintragungen resultieren daraus, dass einige der Probanden in zwei
Schulstufen gleichzeitig Chorklassen führen. Dieses Ergebnis spiegelt wieder, dass sich die
Einrichtung von Chorklassen vor allem im Grundschulbereich anbietet.215
In der Sekundarstufe I bieten 17 Musiklehrkräfte Chorklassen an. Lediglich sieben der 55
Musiklehrer leiten Chorklassen in der Sekundarstufe II. Diese Tendenz könnte mit der stei-
genden kognitiven Wissensvermittlung in den höheren Schulstufen zusammenhängen.
Abb. 23: Schulstufen, in denen die Chorklassenleiter unterrichten
Annähernd 71% (37 von 52 angegebenen Antworten) der Teilnehmer gaben an, eine Chor-
klasse pro Schulstufe zu führen. In 12 Fällen existieren zwei Chorklassen pro Jahrgang (ca.
23%). Zwei Teilnehmer (ca. 4%) gaben an, drei Chorklassen pro Jahrgangstufe aufzuweisen
und ein Proband erwähnte sogar vier Chorklassen (ca. 2%). Die Frage „Wie viele Chorklassen
gibt es pro Jahrgang an Ihrer Schule?“ ist nicht optimal formuliert und erfasst nicht die abso-
lute Anzahl der Chorklassen an der jeweiligen Schule. Gemeint sind hier die Chorklassen pro
Jahrgangsstufe, z. B. je zwei Chorklassen in den einzelnen Stufen. Dabei wurde nicht berück-
sichtigt, dass die Anzahl pro Klassenstufe je nach Jahrgangsstufe voneinander abweichen
kann. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die Probanden darunter alle Chorklassen der
Schule in einem Schuljahr meinten. Die Antwort eines Teilnehmers macht darauf aufmerk-
sam, indem er folgendes schrieb:„Es gibt nur eine einzige Chorklasse an unserer Schule; nicht
pro Jahrgang.
Nicht sonderlich überraschend, aber umso erfreulicher ist die Tatsache, dass an 47 von 55
Schulen (ca. 85%) keine monatlichen Gebühren für die Schüler anfallen. Chorklassen stellen
keinen großen finanziellen Aufwand dar, da die Notwendigkeit der Anschaffung von Instru-
menten entfällt. Dadurch bleiben sie Kindern verschiedener sozialer Herkunft offen und se-
lektieren nicht danach, wessen Eltern sich die Teilnahme in einer Chorklasse leisten kön-
215 http://www.hauptsache-musik.org/index.php/themen/klassenmusizieren/chorklassen 21.08.2015
35
17
7
Primarstufe
Sekundarstufe I
Sekundarstufe II
45
nen.216 Die restlichen 15% (8 Probanden) erbitten eine monatliche Teilnahmegebühr bis ma-
ximal 20€.
Mit 51 Antworten gaben über 90% der Befragten an, keine Eignungsüberprüfung bei den
Schülern durchzuführen. Einerseits ermöglicht es Schülern ohne musikalische Vorbildung die
Aufnahme in eine Chorklasse, andererseits besteht die Gefahr, dass einige Schüler nur auf den
Wunsch der Eltern angemeldet werden, obwohl sie selbst kein Interesse verspüren. Vier der
Musiklehrer (ca. 7%) gaben an, die Eignung mittels eines Vorsingens, Motivationsgespräches,
Klassengesanges etc. zu überprüfen. Aufgrund eigener Erfahrung mit einigen desinteressier-
ten Schülern einer Chorklasse, die ohne Weiteres aufgenommen wurden, vertritt die Autorin
die Meinung, dass Schüler zumindest in einem kurzen Gespräch ihr Interesse für eine Chor-
klasse darlegen sollten. Dadurch kann sich die Arbeitsatmosphäre um einiges angenehmer
gestalten.
Die Frage nach der Stundenanzahl ist enorm wichtig. Laut Bähr erhalten Musikklassen min-
destens zwei Wochenstunden Musik.217 Unter den 55 Probanden sieht es folgendermaßen aus:
Annähernd die Hälfte der Chorklassenleiter (27 Angaben) unterrichtet in ihren Chorklassen
drei Wochenstunden. Sechs Probanden (ca. 10%) stehen sogar vier Wochenstunden zur Ver-
fügung. Zwei Musikwochenstunden sind 16 Probanden laut Stundentafel vorgeschrieben (ca.
29%). Es gibt jedoch auch sechs Chorklassenlehrer, die lediglich eine Stunde zur Verfügung
haben. Inwieweit dieser zeitliche Rahmen ein intensives praxisorientiertes Klassenmusizieren
ermöglicht, ist fraglich.
In 56% der Fälle sind die Schüler der Chorklassen zur Teilnahme in einem Schulchor oder
einer anderen Musik-AG verpflichtet, wohingegen 44% der Probanden keine Teilnahme vor-
aussetzen.
Die Ausbildungsdauer einer Chorklasse variiert von einem Jahr bis hin zu acht Jahren. 20 der
Probanden, alle aus Niedersachsen und in der Primarstufe tätig, gaben an, ihre Schüler vier
Jahre auszubilden. 25 Teilnehmern stehen laut Auskunft zwei Ausbildungsjahre zur Verfü-
gung. Weitere sieben Musiklehrer haben drei Jahre ihre Schützlinge zu schulen. Ein Schul-
jahr, sechs und acht Jahre wurden jeweils von einer Person angegeben. Diese sind in Abb. 24
unter Sonstiges verzeichnet.
216 Vgl. Gütay 2012, S. 42ff. 217 Vgl. Bähr, S. 161.
46
Abb. 24: Ausbildungsdauer einer Chorklasse
Mit 35 Angaben stehen ca. zwei Drittel der Chorklassenleiter allein vor der Klasse. Neun
Probanden haben in den Chorklassen eine weitere Lehrkraft an ihrer Seite (ca. 16%). Elf An-
gaben bezogen sich auf sonstige Varianten (ca. 20%). Die meisten davon geben an, zeitweise
eine weitere Lehrperson z. B. zwecks Stimmbildung im Unterricht zu haben.
An dieser Stelle ist es interessant, ob und inwiefern professionelle Stimmbildner bzw. Ge-
sangspädagogen in Anspruch genommen werden. Selbst wenn die Musiklehrer im Bereich
Chorklassenleitung weitergebildet wurden, sind sie per se keine professionellen Stimmbild-
ner.
Abb. 25: Arbeit der 55 Chorklassenleiter mit Stimmbildnern bzw. Gesangspädagogen
31 der Probanden gaben an, dass sie nie mit einem Stimmbildner bzw. Gesangspädagogen
zusammenarbeiten. In Anbetracht der Tatsache, dass es in einer Chorklasse um einen gesun-
den Umgang mit dem körpereigenen Instrument und das Erlangen einer „vokalen Experti-
se“218 geht, wäre regelmäßige professionelle Unterstützung ratsam. In Bläser-, Streicherklas-
218 Vgl. Bähr 2009, S. 161.
2 Jahre
45%
3
Jahre
13%
4 Jahre
36%
Sonstiges
6%
15%
24%
5%
56%
≥ 2 h pro Woche
1 h pro Woche
1-2 h pro Monat
nie
47
sen etc. ist die Zusammenarbeit mit Instrumentallehrern allein schon aufgrund der kleinen
Instrumentengruppen unumgänglich. Jedoch sind es lediglich 13 Chorklassenleiter (ca. 24%),
die wöchentlich je eine Unterrichtsstunde die Unterstützung durch einen Gesangspädagogen
erhalten.
Bei den acht Probanden, die in zwei und mehr Unterrichtsstunden mit einem Stimmbildner
zusammenarbeiten, liegt die Vermutung nahe, dass diejenigen Musiklehrer selbst eine stimm-
bildnerische Qualifikation besitzen. Die Eintragungen unter Anmerkungen unterstützen die
Vermutung, dass einige der Chorklassenleiter spezielle Weiterbildungen durchlaufen haben,
konnten im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht bestätigt werden (siehe Anhang 13.4.1).
9.2 Methodeneinsatz
Als die Befragung startete, bestand die Hoffnung darin, dass wenigstens eine kleine Anzahl
von Chorklassenleiter die relative Solmisation zur Vermittlung musikalischer Fähigkeiten
einsetzt. Diese Erwartung wurde deutlich übertroffen. Mit 42 von 55 Teilnehmern setzen über
drei Viertel der teilgenommenen Chorklassenleiter relative Solmisation ein, dementsprechend
sind es 13 Teilnehmer (ca. 24%), die auf relative Solmisation verzichten.
Dieses Ergebnis ist mitunter damit zu erklären, dass in der Umfragebeschreibung die relative
Solmisation als Interessenschwerpunkt angegeben wird. Chorklassenleiter, die diese nicht
nutzen oder nur vage etwas damit anfangen können, waren möglicherweise nicht motiviert
daran teilzunehmen. Das Verfassen der Beschreibung stellte eine Herausforderung dar, da die
Transparenz der Schwerpunktsetzung gewährleistet sein und dennoch keinen Chorklassenlei-
ter durch die Formulierung ausschließen sollte. Letztlich sind Schlussfolgerungen nur bei
vielfältiger Teilnahme möglich. Die Überschrift „Eine anonyme Umfrage (ca. 10 Min.) für
Musiklehrkräfte von Chorklassen (auch Sing- und Gesangsklassen genannt)“ diente dem Ziel,
alle Chorklassenleiter anzusprechen. Für die Auswertung wäre eine vergleichbare Teilneh-
merzahl derer, die relative Solmisation einsetzen und derer, die darauf verzichten, wün-
schenswert gewesen. Auf die Vergleichbarkeit beider Gruppen wird im Abschnitt 9.5 einge-
gangen.
Bei der musikalischen Arbeit in den Chorklassen folgen 19 von 55 Befragten (ca. 35%) kei-
nem bestimmten Konzept. Die restlichen 36 Probanden (ca. 65%) stützen sich auf unter-
schiedliche Konzepte. Von denjenigen Musiklehrern, die relative Solmisation im Schulalltag
nutzen, folgen wiederum 34 (ca. 81%) einem bestimmten Konzept, während acht Probanden
(ca. 19%) kein Konzept als Grundlage nehmen. In Tab. 2 wird ersichtlich, dass mit 18 von 42
Angaben das von Petra Jakobsen, Silja Stegemeier und Silke Zieske im Rahmen des nieder-
48
sächsischen Pilotprojektes entstandene Konzept Chor:Klasse! bevorzugt wird. Vier der Pro-
banden (ca. 10%) verwenden die Werke von Ralf Schnitzer (siehe Tab. 2).
Unter den restlichen 12 Eintragungen finden sich einzelne Konzepte und Methoden, Weiter-
bildungsinhalte, die im Rahmen der Chorklasse umgesetzt werden und sonstige Angaben z. B.
Verbindung mehrerer Methoden.
Des Weiteren wurde den Chorklassenleitern, die relative Solmisation verwenden, die Frage
„Nutzen Sie die relative Solmisation im Rahmen einer der folgenden Konzepte?“ mit an-
schließender Auflistung „traditioneller Solmisationsmethoden“ gestellt. Auf den ersten Blick
widersprechen die Angaben in gewissen Teilen der ersten Konzeptfrage.
Tab. 2: Angaben zur Nutzung von Konzepten (Konzeptfrage 1)
Konzept ∑ (≈) %
Chor:Klasse! 18 43%
Eppelheimer Modell nach Ralf Schnitzer 4 10%
Einzelne Konzepte 7 17%
Weiterbildung 2 5%
Sonstiges 3 7%
kein Konzept 8 19%
Gesamt 42 100%
Viele derjenigen, die bei der ersten Konzeptfrage bspw. Chor:Klasse! angaben, taten dies bei
der zweiten Konzeptfrage nicht. Möglicherweise ordneten diese Teilnehmer das aktuelle dem
ihrer Meinung nach ursprünglichen Konzept zu.
Die Angaben zur ersten und zweiten Konzeptfrage werden in Tab. 3 kombiniert dargestellt.
Zur Verdeutlichung: zehn der Probanden gaben bei der zweiten Konzeptfrage an, auf Grund-
lage der Tonika-Do-Methode zu unterrichten. Von denselben zehn Teilnehmern gaben im
Vorfeld drei an, kein Konzept zu verwenden und die restlichen sieben schrieben in das optio-
nale Feld, Chor:Klasse!, Singen ist klasse und weitere Konzepte zu nutzen. Annähernd das
gleiche trifft auf die Kodály-Methode zu. Acht Probanden wählten dieses Konzept, von denen
fünf im Vorfeld Chor:Klasse!, zwei Teilnehmer sonstige Konzepte anwenden und ein Teil-
nehmer schrieb, kein Konzept zu gebrauchen. Die Tatsache, dass einige Teilnehmer bei der
ersten Konzeptfrage nichts und bei der zweiten die Tonika-Do-Methode bzw. die Kodály-
Methode ankreuzten, ist kurios. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass denjenigen die Be-
zeichnung entfallen war und sie bei der zweiten Konzeptfrage daran erinnert wurden. Weiter-
49
hin verwirrend ist der Bereich Sonstiges. Die Schullz-Methode wurde erst bei der zweiten
Frage angeführt.
Im Vorfeld (Konzeptfrage 1) gaben acht Personen an, kein Konzept zu verwenden. Bei der
zweiten „Konzeptfrage“ waren es bereits 16, jedoch nicht unbedingt dieselben Teilnehmer.
Möglicherweise waren die Probanden durch die Fragestellung verunsichert, da in der Frage
von „einem der folgenden Konzepte“ die Rede war. 13 der 16 Teilnehmer, die die zweite
Konzeptfrage verneinten, hatten bei der ersten Frage Chor:Klasse! etc. angegeben. Es ist wei-
terhin denkbar, dass einige der Teilnehmer die aufgelisteten Solmisationsmethoden nicht
kannten. Die beiden Fragen hätten der besseren Auswertung halber zusammengefasst werden
sollen, womit eindeutigere Ergebnisse erzielt worden wären.
Tab. 3: Angabe zur Nutzung von Konzepten: Kombination aus 1. und 2. Frage
Konzept (2. Frage) Antworten Prozentualer
Anteil (≈)
Tonika-Do-Methode 10 24% 1.Frage 7 3
2x Chor:Klasse! 2x Singen ist klasse 2x eigene Konzepte
1x Sonstiges
kein Konzept
Kodály-Methode 8 19%
1.Frage 7 1
5x Chor:Klasse!
2x Sonstiges kein Konzept
Music Learning Theory nach Edwin E. Gordon 1 2%
1.Frage 1x Singen ist klasse Ward-Methode 1 2%
1.Frage 1x Ward-Methode Sonstiges 6 14%
2x Schullz-Methode 1x Chor:Klasse!
3x Kombination ver-schiedener Methoden
1.Frage 5 1
3x Chor:Klasse! 2x Sonstiges
kein Konzept
kein Konzept 16 38% 1.Frage 13 3
8x Chor:Klasse! 1x Singen ist klasse 3x eigene Methode
1x Sonstiges
kein Konzept
34 8
Gesamt 42 100%
50
Wie deutlich wurde, stützen sich viele der Chorklassenlehrer, die relative Solmisation nutzen,
auf neuere Chorklassenkonzepte. Diese basieren jedoch größtenteils auf Methoden wie Toni-
ka-Do oder Kodály. Diejenigen Teilnehmer, die um diesen Zusammenhang wissen, haben
dies bei der zweiten Konzeptfrage deutlich gemacht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich
eine Reihe von Lehrkräften bei der Arbeit mit relativer Solmisation nicht nur auf ein Konzept
beschränkt. Anhand der Antworten ist ersichtlich geworden, dass nicht wenige Teilnehmer
eine Kombination verschiedener Konzepte und Methoden in ihrer täglichen Chorklassenarbeit
verwenden.
Der Proband, der als Konzept die Music Learning Theory nach Gordon nutzt, stützt sich in
seinem Unterricht auf die Konzeption von Ralf Schnitzer, der sich bekanntlich von Gordon
inspirieren ließ. Ein Chorklassenleiter setzt die Ward-Methode ein.
9.3 Arbeit mit relativer Solmisation
Die folgende Datenanalyse bezieht sich auf diejenigen Chorklassenlehrer, welche die relative
Solmisation zur musikalischen Vermittlung nutzen.
Wie zuvor deutlich wurde, ist das Angebot von Chorklassen in den letzten fünf Jahren stark
gewachsen. Mit der Einführung von Chorklassen wurden neuere solmisationsgestützte Kon-
zepte veröffentlicht. Bei seiner Auseinandersetzung mit der Tonika-Do-Methode kritisiert
Losert das Fehlen zeitgemäßer Liedersammlungen für Jung und Alt.219 Einige neuere solmisa-
tionsgestützte Chorklassenkonzepte begegnen diesem Vorwurf mit einer ansprechenden Ver-
mittlungsmethodik und zusätzlichen Chorbüchern.220 Diese Entwicklung spiegelt sich eben-
falls in den Angaben zum erstmaligen Einsatz relativer Solmisation in den Chorklassen wider.
Wie in Abb. 26 erkennbar ist, wagte sich die Hälfte der 42 Teilnehmer erstmals vor zwei bis
fünf Jahren an eine solmisationsgestützte Vermittlung des musikalischen Inhalts, ein Drittel
der Probanden (14 Angaben) begann vor einem Jahr bzw. wenigen Monaten damit. Lediglich
fünf der 42 Chorklassenleiter (ca. 12%) arbeiteten bereits in den letzten sechs bis zehn Jahren
mit relativer Solmisation. Nur zwei Probanden gaben an, diese länger als zehn Jahre einzuset-
zen. Die Ergebnisse weisen darauf, dass relative Solmisation zumindest unter den Teilneh-
mern ein Revival erlebt.
Mit 93% setzt die große Mehrheit der Chorklassenlehrer (39 Angaben) Handzeichen beim
Lernen mit relativer Solmisation ein. Lediglich drei der 42 Teilnehmer (ca. 7%) verzichten
auf Handzeichen.
219 Vgl. Losert 2011, S. 284. 220 z. B. Singen ist klasse Chorbuch oder Chor:Klasse Liederbuch
51
Abb. 26: Zeitraum der Nutzung von relativer Solmisation im Chorklassenunterricht
Die Verwendung einer Rhythmussprache bestätigten rund 57% der Befragten (24 der 42 Teil-
nehmern), während hingegen 43% (18221 von 42) keinen Gebrauch von einer Rhythmusspra-
che machen. Die Rhythmussprache nach Kodály erfreut sich unter den Probanden besonders
großer Beliebtheit. So wird diese Methode von 38% der Teilnehmer (16 Abgaben) angewen-
det.
Abb. 27: Verwendete Rhythmussprache in Chorklassen
Drei Antworten (ca. 7%) entfallen auf Gordons und eine auf Wards Rhythmussprache (ca.
2%). Die Schullz-Methode, die eine Mischung der Tonika-Do- und Kodály-Rhythmussprache
darstellt, nutzen zwei Chorklassenleiter (ca. 5%) in ihrem Unterricht. Zwei Teilnehmer ver-
mitteln ihren Schülern den Rhythmus mithilfe einer eigens geschaffenen Rhythmussprache.
221 Bei dieser Frage verneinte ein Proband die Frage nach dem Einsatz der Rhythmussprache, füllte jedoch gleichzeitig das optionale Feld mit der Antwort „Ich mache es gerne nach der Rhythmussprache von Gordon“ aus. Aus diesem Grund wird die „Nein“-Antwort dieses Teilnehmers nicht gewertet, sodass es 18 statt 19 ver-neinte Angaben sind. Die Antwort des Probanden wurde zugunsten einer besseren Verständlichkeit umformuliert. Der Sinn blieb dabei unverändert.
≤ 1 Jahr
33%
2-5 Jahre
50%
6-10 Jahre
12%
> 10 Jahre
5%
43%
38%
7%
2%5%
5%
Rhythmussprache
keine
nach Kodály
nach Gordon
nach Ward
nach Schullz
Sonstiges
52
Je Unterrichtsstunde nehmen sich mit ca. 38% die meisten Chorklassenleiter zehn Minuten
Zeit zur Arbeit mit relativer Solmisation. Etwas über ein Drittel (ca. 36%) belässt es bei fünf
Minuten Übungszeit. Sieben Musiklehrer (ca. 17%) legen einen größeren Fokus darauf und
verwenden 15 Minuten. Drei der Probanden (ca. 7%) verwenden 20 Minuten und ein Teil-
nehmer (ca. 2%) ganze 25 Minuten für die Arbeit mit relativer Solmisation.
Es bleibt zu hinterfragen, in welcher Art und Weise diese Übungseinheiten stattfinden. In die-
sem Kontext konnte nicht geklärt werden, ob sich die Lehrkräfte entlang der Lehrsystematik
einer solmisationsgestützten Methode hangeln oder aber die Einstudierung von Liedern mit-
hilfe der relativen Solmisation stattfindet.
Abb. 28: Übungszeit mit relativer Solmisation pro Unterrichtsstunde
Laut Heygster und Grunenberg sollen bereits solmisierte Einheiten von fünf Minuten hilfreich
sein. Die tägliche Musikstunde wie sie in Ungarn etabliert ist, ermöglicht eine Singfähigkeit
mit hoher Qualität und Empfindsamkeit für musikalische Parameter und führt nebenbei zu
Entspannung zwischen den wissenschaftlichen Fächern sowie besseren Leistungen.222
Einen Aufschluss darüber geben die Antworten auf die Frage „Richten Sie sich bei der Aus-
wahl neuer Lieder nach den systematischen Gesichtspunkten (Tonkreisen) der relativen Sol-
misation?" (Abb. 29). Die Anzahl derjenigen, die ohne Orientierung an sogenannten Tonkrei-
sen223 arbeiten, ist mit rund 29% relativ groß. Berücksichtigt man diejenigen 19 Probanden
(ca. 45%), die kaum nach einer Lehrsystematik unterrichten, so agieren ungefähr Dreiviertel
der Musiklehrer lehrsystemunabhängig.
222 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 144f. 223 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 35.
5 Min.
36%
10 Min.
38%
15 Min.
17%
20 Min.
7%
25 Min.
2%
53
Abb. 29: Orientierung an systematischen Gesichtspunkten der Methode (Tonkreisen)
Lediglich 11 Personen (ca. 26%) würden von sich behaupten, dass sie der systematischen
Entwicklung eines Konzeptes eher folgen und vier der Probanden (ca. 9%) antworteten mit
einem klaren „ja“. An dieser Stelle leuchten die nicht eindeutigen Ergebnisse der Angaben zu
den verwendeten Methoden ein. Wenn sich die meisten Chorklassenleiter sporadisch von be-
stimmten Konzepten Impulse einholen, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie nach diesem
einen Konzept arbeiten. Dahingehend war die Pauschalisierung der Konzeptfragen sicherlich
nicht so einfach zu beantworten.
Einzelne Lehrer beklagten unter den Anmerkungen das schleppende Vorwärtskommen bei der
Arbeit mit Tonkreisen, wodurch sich die Schüler langweilen (siehe Anhang 13.4.2). Es bleibt
zu überprüfen, inwieweit spielerische Herangehensweisen neuerer Konzepte dem Problem der
Eintönigkeit der Tonkreise begegnen.
9.4 Wissen über relative Solmisation
Wie im Vorfeld erklärt wurde, arbeiten 13 Chorklassenleiter solmisationsunabhängig. Elf
dieser Probanden (ca. 85%) orientieren sich an keinem bestimmten Konzept. Ein Proband
nutzt das Konzept Chor:Klasse! (siehe Abschnitt 6.1) und ein weiterer Teilnehmer gab an,
sich ausschließlich auf die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten seiner Hochschulausbil-
dung zu verlassen. Das zeigt die Tendenz dieser Chorklassenleiter konzeptunabhängig zu ar-
beiten. Die Arbeit mit relativer Solmisation erfordert ein am Tonkreis bzw. einer Lehrsyste-
matik orientiertes Vorgehen, womit die häufigere Anwendung von Konzepten zu erklären
wäre.
Bei der Befragung sollten die Musiklehrer angeben, ob in ihrer musikalischen Ausbildung
Lehrveranstaltungen zu relativer Solmisation angeboten wurden und inwiefern sich die Teil-
nehmer bereits selbständig mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben.
ja
9%
eher ja
17%
eher nein
45%
nein
29%
54
Des Weiteren wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, künftig relative
Solmisation in ihrem Chorklassenunterricht einzusetzen und wodurch solch ein Prozess ange-
regt werden könnte.
Abb. 30: Meinung der ORS-Chorklassenlehrer zu einem künftigen Einsatz relativer Solmisation
Im Diagramm Abb. 30 wird deutlich, dass ca. 61% der ORS-Musiklehrer (acht Angaben) der
Arbeit mit relativer Solmisation kritisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Diejenigen, die der relativen Solmisation gegenüber aufgeschlossen sind, bilden mit fünf An-
gaben etwas über ein Drittel.
Was die Auseinandersetzung mit relativer Solmisation zu Ausbildungszeiten betrifft, so geben
lediglich zwei der 13 Teilnehmer (ca. 15%) an, sich an Lehrveranstaltungsangebote während
des Studiums zu erinnern. Rund 69% der Probanden (9 Antworten) behaupten, kein solches
Lehrangebot erlebt zu haben und ca. 15% (zwei Teilnehmer) können sich nicht mehr erinnern.
Hinsichtlich des Lehrveranstaltungsangebotes kann die Autorin bestätigen, im Verlauf ihrer
Studienzeit vereinzelt derartige Seminare wahrgenommen zu haben, obwohl die Studienord-
nung für Lehramt Musik an der Universität Potsdam keine Beschäftigung mit solmisations-
gestützten Methoden vorschreibt.
Über die Hälfte der ORS-Probanden (7 Antworten) gibt an, sich schon einmal eigenständig
mit relativer Solmisation beschäftigt zu haben. Vier dieser sieben Teilnehmer (ca. 57%) kön-
nen sich nicht vorstellen mit relativer Solmisation zu arbeiten. Weitere vier Probanden schlie-
ßen relative Solmisation ohne nähere Betrachtung aus.
Von den fünf Teilnehmern (ca. 39%), die sich die Anwendung relativer Solmisation im Chor-
klassenunterricht vorstellen können, haben sich drei Personen (60%) damit näher beschäftigt.
Zwei der Probanden (40%) sind interessiert, ohne sich eigenständig damit auseinandergesetzt
zu haben.
ja
8%
eher ja
31%
eher nein
46%
nein
15%
55
Abb. 31 veranschaulicht die Faktoren, die nach Meinung der ORS-Chorklassenleiter dazu
beitragen könnten, dass eine Entscheidung für den Einsatz von relativer Solmisation im Un-
terricht getroffen wird.
Abb. 31: Faktoren, die unter ORS-Chorklassenlehrern einen künftigen Einsatz von relativer Solmisation bewirken könnten
Die Hälfte der ORS-Chorklassenleiter (sechs Teilnehmer) meint, dass der Besuch einer Fort-
bildung sich positiv auf die Entscheidung auswirken könnte. Für fast ein Viertel der Musik-
lehrer (3 Angaben) wäre der Austausch mit Musiklehrkräften, die relative Solmisation in ih-
rem Unterricht anwenden, fruchtbar.
Ein Teilnehmer (ca. 8%) meint, es müsste noch das Interesse für relative Solmisation entste-
hen. Die Motivation sich mit solmisationsgestützten Methoden vertraut zu machen, würde
freilich bei wissenschaftlich nachgewiesenem Erfolg steigen.
Unter den 23%, die sich unter sonstigen Angaben finden, sind u. a. zwei ORS-Teilnehmer, die
sich gegen die relative Solmisation entschieden haben bzw. davon nicht überzeugt sind. Ein
Probanden führte an, dass ihm das Umlernen schwer fällt.
Das Neulernen ist sicherlich ein Thema, das viele Musiklehrer beschäftigt, die sich z. B. im
Rahmen einer Weiterbildung zum ersten Mal mit relativer Solmisation beschäftigen. Beim
durchschnittlichen Arbeitspensum eines Lehrers gestaltet sich das Neulernen einer Methodik
nicht ohne Mühe und viel Fleiß, die neben der täglichen Tätigkeit in die Vorbereitung inves-
tiert werden wollen. Ohne Zweifel wäre die Aneignung wesentlich unkomplizierter, wenn sie
im Rahmen des grundständigen Studiums Platz fände. Dazu muss jedoch der Nutzen solmisa-
tionsgestützter Methoden nachgewiesen werden, wozu die vorliegende Arbeit einen kleinen
Beitrag leisten soll.
46%
8%
23%
23%
Besuch einer
Fortbildung
Entwicklung von
Interesse
Austausch mit RS-
Musiklehrern
Sonstiges
56
9.5 Vergleichbarkeit der beiden Probandengruppen
Die anschließende Analyse der Umfragedaten basiert teilweise auf dem Vergleich zwischen
den RS- und ORS-Chorklassenleitern. In diesem Abschnitt werden beide Gruppen einander
gegenübergestellt, um zu untersuchen, welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten sie auf-
weisen. Daraus könnten Rückschlüsse auf die Vergleichbarkeit gezogen werden.
Die Vergleichbarkeit bezieht sich auf den organisatorischen Arbeitsrahmen beider Gruppen.
So wird der Beginn der Arbeit als Musiklehrer, die wöchentliche Anzahl der Musikstunden in
einer Chorklassenstunde, die Ausbildungsdauer in einer Chorklasse sowie die Einbeziehung
einer professionellen Unterstützung herangezogen, um zu beleuchten, ob die Rahmenbedin-
gungen vergleichbar sind.
Wie bereits festgestellt wurde, sind die Gruppengrößen deutlich ungleich. 42 RS-
Musiklehrern werden 13 ORS-Musiklehrkräfte gegenübergestellt. Bezüglich des erstmaligen
Arbeitsantritts als Musiklehrkraft lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen.
Sowohl bei den RS- als auch den ORS-Lehrkräften verteilen sich die Jahreszahlen gleichmä-
ßig zwischen 1976 und 2015 bzw. 1980 und 2010.
Die Verteilung auf die Schulstufe weist ebenfalls keine großen Unterschiede auf. Wie in Abb.
32 deutlich wird, ist die prozentuale Verteilung der RS- und ORS-Lehrer auf die einzelnen
Schulstufen relativ gleichmäßig, wobei die RS-Teilnehmer häufiger in der Sekundarstufe II
und dementsprechend weniger in der Primarstufe unterrichten.
Eine größere Abweichung beider Gruppen ist bezüglich der Ausbildungsdauer der Chorklas-
sen zu verzeichnen. RS-Chorklassenleiter teilen sich nahezu gleichmäßig zwischen zwei (ca.
43%) und vier Ausbildungsjahre (ca. 41%) auf. Über die Hälfte der ORS-Musiklehrer unter-
richtet ihre Chorklassen zwei Schuljahre, hingegen nur ein Viertel der ORS-Probanden die
Chorklassen vier Jahre begleitet.
Abb. 32: Verteilung der RS- und ORS-Chorklassenleiter auf die Schulstufen
69%
31%
8%
62%
31%
14%
Primarstufe
Sekundarstufe I
Sekundarstufe II
RS-Chorklassenlehrer (42) ORS-Chorklassenlehrer (13)
57
Während kein RS-Musiklehrer Chorklassen für ein Jahr übernimmt, gibt es unter den ORS-
Lehrkräften einen Probanden, der seine Chorklasse über einen Zeitraum von einem Schuljahr
ausbildet (siehe Tab. 4). Musiklehrer, die diesbezüglich drei Jahre zur Verfügung haben, sind
mit 12% bzw. 15% unter beiden Gruppen annähernd gleich verteilt.
Tab. 4: Ausbildungsdauer der Chorklassen
Ausbildungsdauer RS-Chorklassenleiter ORS-Chorklassenleiter
∑ (≈) % ∑ (≈) %
1. - - 1 8
2. 18 43 7 54
3. 5 12 2 15
4. 17 41 3 23
5. - - - -
6. 1 2 - -
7. - - - -
8. 1 2 - -
Gesamt 42 100 13 100
Eine deutliche Abweichung ergibt sich bei der Betrachtung der wöchentlich zur Verfügung
stehenden Musikstunden. Während 62% der RS-Musiklehrer wöchentlich drei Unterrichts-
stunden zur Verfügung haben, sind es bei den ORS-Lehrkräften lediglich ca. 8%. Über die
Hälfte der ORS-Chorklassenleiter (ca. 54%) muss sich mit zwei Musikwochenstunden begnü-
gen und nahezu ein Viertel bekommt sogar nur eine Musikwochenstunde zugeteilt. Allerdings
nutzen ca. 15% der ORS-Probanden vier Musikstunden wöchentlich, wohingegen es bei den
RS-Teilnehmern nur ca. 10% sind.
Tab. 5: Unterrichtswochenstunden der Chorklassen
Unterrichtsstunde/n pro Woche
RS-Chorklassenleiter ORS-Chorklassenleiter
∑ (≈) % ∑ (≈) %
1. 3 7 3 23
2. 9 21 7 54
3. 26 62 1 8
4. 4 10 2 15
Gesamt 42 100 13 100
Die Situation bei der professionellen Betreuung im Bereich Stimmbildung ist zwischen beiden
Gruppen gut vergleichbar (Tab. 6). Über die Hälfte aller Teilnehmer gibt an nicht in Koopera-
58
tion mit ausgebildeten Stimmbildnern bzw. Gesangspädagogen zu stehen. Ein geringer Teil
erfreut sich ein- bis zweimal im Monat einer stimmbildnerischen Hilfe.
Hingegen annähernd ein Drittel (ca. 29% - 31%) aller Probanden erhält ein- bis zweimal pro
Woche professionelle Unterstützung. In den Genuss von mehr als zwei Unterrichtsstunden
Stimmbildung kommt lediglich ein kleiner Teil der Chorklassenleiter (ca. 8% - 10%).
Tab. 6: Unterstützung durch einen ausgebildeten Stimmbildner bzw. Gesangspädagogen
Professionelle Stimmbildung
RS-Chorklassenleiter ORS-Chorklassenleiter
∑ (≈) % ∑ (≈) %
nie 24 57 7 54
1-2 h pro Monat 2 5 1 8
1-2 h pro Wochen 12 29 4 31
> 2 h pro Woche 4 10 1 8
Gesamt 42 100 13 100
Das Verhältnis bei der verpflichtenden Chor- bzw. Musik-AG-Teilnahme hingegen ist ein
vollkommen gegensätzliches. Ungefähr 64% der RS-Chorklassenleiter geben an, dass die
Mitwirkung in einem Chor bzw. einer anderen Musik-AG verpflichtend ist. Dementsprechend
kreuzten rund 36% an, der Chorbesuch sei nicht verpflichtend. Bei den ORS-Lehrkräften er-
gibt sich ein entgegengesetztes Bild. Ungefähr 31% der ORS-Teilnehmer gaben an, eine Teil-
nahme im Chor zu erwarten, während 69% von ihnen davon Abstand nahmen.
Die RS- und ORS-Teilnehmer ähneln sich in vielen Bereichen wie dem erstmaligen Antritt
des Musiklehrerberufs, der unterrichtenden Schulstufe und Einbeziehung von Stimmbildnern
in die Chorklassenarbeit.
Bei den zeitlichen Ressourcen weisen die ORS-Chorklassenleiter tendenziell schlechtere
Rahmenbedingungen auf, seien es die Unterrichtswochenstunden oder die Ausbildungsdauer
in Chorklassen. Diese Feststellung erschwert den Vergleich beider Gruppen, bietet jedoch
einen objektiveren Blick bei der Gegenüberstellung.
9.6 These 1 und 2: Ausbildungsschwerpunkte
Chorklassenleiter, die relative Solmisation einsetzen, sehen in der Ausbildung der
Tonraumvorstellung (Audiation) einen besonders wichtigen Ausbildungsschwerpunkt.
Um die Ausbildungsschwerpunkte der Chorklassenleiter zu untersuchen, sollten die Proban-
den die sieben vorgegebenen musikalischen Bereiche in eine Rangfolge von eins (am wich-
tigsten) bis sieben (am wenigsten wichtig) bringen (Tab. 7). Dementsprechend gibt der kleins-
59
te Mittelwert bzw. das arithmetische Mittel (Ø) den Ausbildungsschwerpunkt an, der im
Durchschnitt am wichtigsten ist.224 Die Ausbildungsschwerpunkte sind nach der durchschnitt-
lichen Rangfolge in Tab. 7 aufgelistet.
Tab. 7: Ausbildungsschwerpunkte der RS-Chorklassenleiter
Ø ±
1. Erarbeitung und Pflege von Liedern 2,48 1,81
2. Stimmbildung 2,57 1,73
3. Audiation (musikalische Tonraumvorstellung nach Gordon) 3,64 1,68
4. Rhythmusarbeit 3,88 1,5
5. Musiktheorie 4,55 1,35
6. Vom Blatt singen 5,29 1,67
7. Musikgeschichte 5,6 1,87
Die Standardabweichung (±) „ist ein Maß für die Streuung der Messwerte“225 und verdeut-
licht inwieweit die Antworten vom Mittelwert abweichen.
Das arithmetische Mittel des Items „Erarbeitung und Pflege von Liedern“ beträgt 2,48 ± 1,81.
Immerhin die Hälfte der 42 Chorklassenleiter nannte dieses Item als das wichtigste Ausbil-
dungsziel. 29 Probanden sahen in der Stimmbildung eines der wichtigsten Ausbildungs-
schwerpunkte, weshalb es den zweitwichtigsten Schwerpunkt darstellt. Die Audiation nach
Gordon ist 22 Chorklassenleitern wichtig und landet auf Platz drei und damit kurz vor der
Rhythmusarbeit.
Mit dieser Bewertung ist die Audiation zwar nicht der wichtigste Ausbildungsschwerpunkt,
aber doch recht bedeutend unter den Chorklassenleitern, welche die relative Solmisation an-
wenden. Es wird nicht ersichtlich, ob der Begriff Audiation allen Probanden bekannt ist. Le-
diglich ein Teilnehmer vermerkte unter den Anmerkungen, dass er mit diesem Begriff nichts
anfangen könne.
Ein Drittel der Teilnehmer (14 Angaben) sieht Musiktheorie auf Platz fünf. Über die Hälfte
der Probanden fand, der Ausbildungsschwerpunkt Singen vom Blatt sei wenig wichtig bzw.
am wenigsten wichtig. Damit ist die folgende These wiederlegt:
Chorklassenleitern, die relative Solmisation einsetzen, ist es wichtig, die Schüler zum
Singen vom Blatt zu befähigen.
224 Ein Mittelwert von 1,0 bei „Erarbeitung und Pflege von Liedern“ würde bedeuten, dass alle Teilnehmer die-sem Item die Rangnummer 1 (am wichtigsten) gegeben hätten und es keine Abweichungen davon gäbe. 225 Vgl. Raab-Steiner 2011, S. 101.
60
Auch wenn das Singen vom Blatt bei den ursprünglichen Solmisationsmethoden ein bedeu-
tendes, wenn nicht sogar das wichtigste Ausbildungsziel darstellt, so muss anhand diese Um-
frageergebnisse festgestellt werden, dass zumindest die Chorklassenlehrer dieser Befragung
anderer Ansicht sind.
In folgender Tabelle (Tab. 8) sind die Umfrageergebnisse der Chorklassenlehrer, die keine
relative Solmisation einsetzen, zusammengefasst.
Tab. 8: Ausbildungsschwerpunkte der ORS-Chorklassenleiter
Ø ±
1. Erarbeitung und Pflege von Liedern 2 1,15
2. Stimmbildung 2,23 1,17
3. Rhythmusarbeit 3,08 1,38
4. Audiation (musikalische Tonraumvorstellung nach Gordon) 4,08 1,66
5. Vom Blatt singen 5,31 2,06
6. Musiktheorie 5,38 1,12
7. Musikgeschichte 5,92 0,95
Unter den 13 Teilnehmern, die ohne relative Solmisation arbeiten, ist das Ergebnis bezüglich
der Erarbeitung von und Pflege von Liedern noch eindeutiger und stellt im Durchschnitt den
wichtigsten Ausbildungsschwerpunkt dar, dicht gefolgt von der Stimmbildung.
Die Probanden befinden Rhythmusarbeit als drittwichtigsten Ausbildungsschwerpunkt. Ent-
gegen der Vermutung der Autorin scheint die Audiation auch für Chorklassenleiter, die nicht
mit relativer Solmisation arbeiten, eines der wichtigeren (noch vor Blattsingen, Musiktheorie
und Musikgeschichte) Ziele der Chorklassenausbildung zu sein.
Ebenfalls unerwartet ist der Fakt, dass das Singen vom Blatt noch vor dem Schwerpunkt Mu-
siktheorie und Musikgeschichte eingeordnet wird und damit wichtiger zu sein scheint als für
diejenigen, die mit relativer Solmisation arbeiten.
9.7 These 3: Stimmliche Fähigkeiten der Chorklassenschüler
Es heißt, dass relative Solmisation die intonatorische Treffsicherheit und das diatonische
Empfinden schult. Auch übernehmen Einsingmelodien stimmbildnerische Aufgaben, etwa
durch Wiederholungen, die jeweils einen halben Ton höher beginnen.226
226 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 144f.
61
Chorklassen, in denen relative Solmisation zum Einsatz kommt, singen im Vergleich zu
Chorklassen, in denen ohne relative Solmisation gearbeitet wird, intonationssicherer
bzw. sauberer.
Tab. 9 und Tab. 10 verdeutlichen, wie Chorklassenlehrer die stimmlichen Fähigkeiten ihrer
Schüler erfahrungsmäßig zum Abschluss der Chorklasse einschätzen.
Tab. 9: 42 RS-Chorklassenleiter schätzen die stimmlichen Fähigkeiten der Schüler
Ja (1)
Eher ja (2)
Eher nein (3)
Nein (4)
∑ % ∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
Töne sauber abnehmen 25x ≈60 16x ≈38 1x ≈2 - - 1,43 0,55
im Fünftonraum sauber singen 25x ≈60 15x ≈36 2x ≈5 - - 1,45 0,59
im Oktavraum sauber singen 20x ≈48 17x ≈41 5x ≈12 - - 1,64 0,69
Dreiklänge sauber singen 22x ≈52 17x ≈41 3x ≈7 - - 1,55 0,63
mit der Kopfstimme singen 21x ≈50 17x ≈41 4x ≈10 - - 1,60 0,66
Rhythmisch sicher singen 18x ≈43 21x ≈50 3x ≈7 - - 1,64 0,62
Tab. 10: 13 ORS-Chorklassenleiter schätzen die stimmlichen Fähigkeiten der Schüler
Ja
(1)
Eher ja
(2)
Eher nein
(3)
Nein
(4)
∑ % ∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
Töne sauber abnehmen 5x ≈38 7x ≈54 1x ≈8 - - 1,69 0,63
im Fünftonraum sauber singen 7x ≈54 5x ≈38 1x ≈8 - - 1,54 0,66
im Oktavraum sauber singen 6x ≈46 6x ≈46 1x ≈8 - - 1,62 0,65
Dreiklänge sauber singen 4x ≈31 7x ≈54 2x ≈15 - - 1,85 0,69
mit der Kopfstimme singen 4x ≈31 8x ≈62 1x ≈8 - - 1,77 0,60
Rhythmisch sicher singen 8x ≈62 4x ≈31 1x ≈8 - - 1,46 0,66
Über die Hälfte der 42 RS-Chorklassenleiter (25 Angaben) ist der Meinung, die Schüler seien
in der Lage Töne sauber abzunehmen und im Fünftonraum sauber zu singen. Weitere 16 Pro-
banden (ca. 38%) sind der Ansicht, dass die Schüler Töne einigermaßen sauber abnehmen
können. Auch der Mittelwert zeigt mit Ø=1,43 ± 0,55 die Tendenz der Chorklassenleiter zum
Item 1 „Ja“. Lediglich eine Musiklehrkraft ist der Meinung, dass ihre Schüler zum Abschluss
der Chorklassenausbildung diesbezüglich eher noch nicht soweit sind.
Bei den ORS-Teilnehmern veranschaulicht bereits der Mittelwert Ø=1,69 ± 0,63 der Frage
nach der Tonabnahme, dass die Mehrheit (ca. 54%) zu Antwort 2 „Eher ja“ tendiert. Annä-
hernd 38% sind jedoch der Meinung, die Schüler könnten Töne sauber nachsingen.
62
Was das sichere Singen im Oktavraum betrifft, geben die Probanden beider Gruppen verhält-
nismäßig gleiche Antworten beim Vergleich des Mittelwertes (RS Ø=1,64 ± 0,69; ORS
Ø=1,62 ± 0,65). Beim genaueren Blick fällt jedoch auf, dass unter den ORS-
Chorklassenlehrern nur eine Antwort (ca. 8%) auf „Eher nicht“ entfällt, während 12% der RS-
Teilnehmer der Meinung sind, ihre Schüler wären nicht im Stande, im Oktavraum sauber zu
singen.
Über die Hälfte der Musiklehrer ist sich sicher, dass ihre Chorklassenschüler Dreiklänge sau-
ber singen können. Weitere 41% sagen, sie stimmten für „Eher ja“. Lediglich drei der RS-
Probanden (ca. 7%) finden, die Schüler wären nicht in der Lage, saubere Dreiklänge zu pro-
duzieren. Nahezu identisch verhält es sich beim Benutzen der Kopfstimme, mit der Ausnah-
me, dass vier RS-Chorklassenlehrer (ca. 10%) bezweifeln, dass ihre Schüler mit der Kopf-
stimme singen können. Die Tendenz ist in beiden Fällen eher bei Antwort 1 „Ja“ zu verzeich-
nen, weist jedoch durch die wenigen „Eher nein“-Antworten einen Mittelwert von Ø=1,55 ±
0,63.
Das saubere Dreiklangsingens betreffend, präferieren rund 54% der ORS-Musiklehrer Item 2
„Eher ja“. Rund 31% nehmen an, dass sauberes Dreiklangsingen sehr wohl möglich ist. Auf
die „Eher nein“-Angaben entfallen ca. 15% der Angaben. Der Mittelwert Ø=1,85 ± 0,69 ver-
deutlicht die Tendenz zur Antwort „Eher ja“. Bei den Einschätzung der ORS-Teilnehmer zum
Singen mit der Kopfstimme ist ein ähnliches Bild zu verzeichnen. Der Unterschied hierbei ist,
dass annähernd 62% für „Eher ja“ stimmen und nur ein Teilnehmer bezweifelt, dass seine
Schüler die Kopfstimme bedienen können.
Zusammenfassend zeigt sich bei der Beurteilung von stimmlichen Fähigkeiten der Schüler bei
ca. 48% - 60% der RS-Chorklassenleiter die Tendenz zum sauberen intonieren. Auch die
arithmetischen Werte verdeutlichen dieses Ergebnis. Lediglich beim Singen im Oktavraum
stufen die ORS-Teilnehmer ihre Schüler im Durchschnitt minimal besser.
Die eingangs formulierte These konnte mithilfe der Umfragewerte im Großen und Ganzen
bestätigt werden.
Spannend sind die Ergebnisse in der Kategorie des rhythmischen Singens. Mit 62% der ORS-
Lehrer ist der überwiegende Teil der Überzeugung, ihre Schüler können rhythmisch sicher
singen, während unter den RS-Lehrern nur 43% diese Ansicht teilen. Die Hälfte der RS-
Probanden hingegen empfindet, dass ihre Schüler eher rhythmisch sicher singen können. Eine
Gegenüberstellung der beiden Mittelwerte Ø=1,64 (RS) und Ø=1,46 (ORS) unterstreicht die
bessere Einschätzung der ORS-Lehrer im Bereich des Rhythmus.
63
Mit diesem Ergebnis stellt sich jedoch die Frage, ob bei der Arbeit mit relativer Solmisation
rhythmisches Lernen zugunsten von tonalem Lernen vernachlässigt wird.
Interessant sind die Einschätzungen der Chorklassenlehrer bezüglich des durchschnittlichen
Ambitus der Schülerstimmen zum Chorklassenabschluss, die in Abb. 33 verzeichnet sind.
Über die Hälfte der RS-Teilnehmer beurteilt den Stimmambitus der Chorklassenschüler mit
kleiner gleich anderthalb Oktaven. Auch bei den ORS-Probanden ist dieses Item mit rund
43% am meisten gewählt worden. Fast ein Drittel der ORS-Lehrer nimmt an, dass die Schüler
im Umfang bis zu einer Oktave singen können. Annähernd jeder Lehrer nimmt an, seine
Schüler seien am Ende der Chorklassenausbildung in der Lage über eine Quinte hinaus zu
singen.
Abb. 33: Einschätzungen der Chorklassenleiter des Tonumfanges der Schüler
Nahezu ein Viertel der RS-Chorklassenleiter schreibt seinen Schülern zu, einen durchschnitt-
lichen Tonumfang von bis zu zwei Oktaven zu haben, die ORS-Teilnehmern hingegen teilen
diese Ansicht nicht (0%).
Um die 15% aller Teilnehmer können über den Stimmambitus ihrer Schüler keine Auskunft
geben. Vermutlich sind es diejenigen, die erst seit relativ kurzer Zeit Chorklassen leiten und
daher noch in ihrem ersten Durchlauf sind.
Mit diesen Beurteilungen äußert sich das positivere Bild, das RS-Musikleiter von ihren Schü-
lern haben.
9.8 These 4: Notation
Trotz der Tatsache, dass die Vermittlung von Blattlesefähigkeiten für Chorklassenleiter, die
mit relativer Solmisation arbeiten, nicht so wichtig ist wie angenommen, soll dennoch der
Einsatz alternativer Notationsformen untersucht werden. In diesem Sinne gilt es die folgende
These zu überprüfen:
0%
31%
54%
0%
15%
2%
17%
43%
24%
14%
≤ eine Quinte
≤ eine Oktave
≤ 1,5 Oktaven
≤ 2 Oktaven
kann ich nicht einschätzen
RS-Chorklassenleiter ORS-Chorklassenleiter
64
Chorklassenleiter, die relative Solmisation einsetzen, arbeiten mit relativer Notation.
Die 42 Chorklassenleiter wurden gebeten Notationsformen anzukreuzen, die sie im Rahmen
des Chorklassenunterrichtes verwenden. Dazu wurden folgende acht Items angeboten: Hand-
zeichennotation (mit und ohne graphische Tonhöhendarstellung), Buchstabennotation (mit
und ohne graphische Tonhöhendarstellung), Kopfnotation (tradiertes Fünfliniensystem mit
relativem Schlüssel), moderne Notenschrift (absolut notiert), keine Notation und ein optiona-
les Feld für Sonstiges, in welchem die Probanden die Möglichkeit erhielten weitere Notations-
formen mitzuteilen. Es sind 66 Angaben gemacht worden. Dies weist darauf hin, dass einige
Teilnehmer mehrere Items wählten.
Mit jeweils 17 Angaben nutzen ca. 40% der RS-Chorklassenlehrer die Handzeichennotation
mit graphischer Darstellung sowie die absolut notierte moderne Notenschrift. Bei ungefähr
einem Viertel der Probanden (11 Angaben) ist des Weiteren die Notation mittels Handzeichen
ohne graphische Darstellung beliebt. An die 25% arbeiten auch mit der relativ notierten
Kopfnotation. Die Buchstabennotation (mit und ohne graphische Darstellung) wird mit vier
Angaben (ca. 10%) seltener in den Unterricht eingebunden.
Lediglich zwei der 42 Probanden (ca. 5%) nutzen gar keine Notation bei der musikalischen
Arbeit mit den Klassen.
Anhand der Antwortübersicht227 haben 28 von 42 RS-Chorklassenlehrern mindestens eine
Form relativer Notation angegeben. Damit arbeiten zwei Drittel der RS-Probanden u. a. mit
relativer Notation. Die zuvor formulierte These bestätigt sich somit nicht für alle, aber für den
größeren Teil der Chorklassenleiter.
227 Umfrageonline.com stellt die Antworten jeder Frage im Dateiformat CVS zur Verfügung. Anhand dieser Auflistung konnten die Chorklassenleiter ermittelt werden, die mindestens eine der aufgelisteten relativen Nota-tionsformen gewählt haben.
Zum Vergleich werden die An
nutzen acht der 13 Lehrkräfte
phische Notation zu verwende
delt. Vier Probanden (ca. 31%
Drittel notationsunabhängig ar
die prozentuale Angabe nicht
der ORS-Chorklassenleiter ist
9.9 These 5: Vom Bla
Fähigkeiten des Blattsingens
festgestellt nicht an vorderster
zwei Drittel der RS-Chorklas
Fachliteratur zu relativer Solm
Abstraktion behutsam“228, sod
abstrakten Schriftzeichen hera
mithilfe der Umfragewerte übe
Chorklassen, die mit relati
Chorklassen, in denen ohne
228 Heygster 2012, S. 202.
Handzeichennotation (mi
Handzeichennotation (ohne
Buchstabennotation (mit
Buchstabennotation (ohne
Kopfnotation (tradiertes Fünflinie
moderne Notenschrift (abs
ke
Abb. 34: Nutzung von Notationen durch R
Angaben der ORS-Musiklehrer angeführt. Nach
te (ca. 62%) die moderne Notenschrift. Eine Le
den ohne jedoch zu spezifizieren, worum es s
1%) arbeiten nicht mit Notation. Dies bedeute
arbeitet. Aufgrund der geringen Anzahl der O
ht überbewertet werden. Ein Rückschluss auf d
st nur bedingt möglich.
latt singen
zu vermittelt, steht bei den RS-Chorklassen
ter Stelle. Die Überprüfung der vorhergehenden
assenlehrer relative Notationen im Unterricht
lmisation häufig zu lesen ist, steigert die Metho
odass die Lerner über die körperliche Erfahrun
rangeführt werden. Auf dieser Grundlage soll
berprüft werden:
ativer Solmisation lernen, können besser vom B
ne relative Solmisation gearbeitet wird.
11
4
4
9
2
2
(mit graphische …
ohne graphische …
(mit graphischer …
hne graphischer …
liniensystem mit …
(absolut notiert)
keine Notation
Sonstiges
65
RS-Chorklassenleiter
ach eigenen Angaben
Lehrkraft gab an gra-
s sich im Detail han-
utet, dass nahezu ein
ORS-Probanden darf
f die große Mehrheit
enleitern wie bereits
en These ergab, dass
ht einsetzen. Wie in
thodik „den Grad der
ung allmählich an die
ll die folgende These
Blatt singen als
17
17
66
Tab. 11 und Tab. 12 stellen die Beurteilungen der beiden Probandengruppen separat dar. Die
Teilnehmer sollten einordnen, inwieweit Schüler selbständig einfache Melodien und Rhyth-
men erarbeiten können.
Beim Umgang mit einfachen Melodien wird deutlich, dass die Mehrheit beider Gruppen an-
nimmt, dass ihre Schüler zum Abschluss der Chorklassen einfache Melodien „nur“ mithilfe
des Musiklehrers erarbeiten können (ca. 60% der RS-Chorklassenleiter und 85% der ORS-
Teilnehmer). Eine einfache Melodie selbständig zu erschließen, trauen ca. 15% der ORS-
Probanden und ca. 21% der RS-Lehrer ihren Schülern zu.
Tab. 11: Fähigkeiten der Schüler im Notenlesen (RS-Musiklehrer)
Vom Blatt sin-
gen (1)
Selbständig
erarbeiten (2)
Mithilfe des Leh-
rers erarbeiten (3)
∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
einfache Melodien 8x ≈19 9x ≈21 25x ≈60 2,40 0,80
Einfache Rhythmen 11x ≈26 16x ≈38 15x ≈36 2,10 0,79
Tab. 12: Fähigkeiten der Schüler im Notenlesen (ORS-Musiklehrer)
Vom Blatt sin-
gen (1)
Selbständig erarbeiten
(2)
Mithilfe des Leh-rers erarbeiten
(3)
∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
einfache Melodien - - 2x ≈15 11x ≈85 2,85 0,38
Einfache Rhythmen 1x ≈8 3x ≈23 9x ≈69 2,62 0,65
Nicht ein einziger ORS-Chorklassenleiter traut seinen Schüler zu, einfache Melodien vom
Blatt zu singen. Von den RS-Probanden nehmen 19% (8 Angaben) an, die Schüler wären fä-
hig, einfache Melodien von Noten zu singen.
Beim Lesen einfacher Rhythmen bekommen die Schüler durchschnittlich bessere Fähigkeiten
zugeschrieben. Ein Grund dafür ist, dass anders als beim tonalen Lesen von Noten, wobei
Rhythmus und Melodie kombiniert sind, Rhythmuslesen hingegen nur eine Komponente er-
fordert und zwar die Konzentration auf die Notenwerte.
Ein Viertel der RS-Musiklehrer meint, die Schüler seien fähig einfache Rhythmen vom Blatt
zu singen bzw. zu klatschen. Nur 8% der ORS-Teilnehmer glauben, dass die Schüler dies
vollbringen können. Ungefähr 38% der RS-Teilnehmer schreiben ihren Schülern zu, Rhyth-
men selbständig erarbeiten zu können. Unter den ORS-Teilnehmern ist es fast ein Viertel.
67
Etwas über ein Drittel der RS-Lehrkräfte gehen davon aus, dass die Schüler bei der Erarbei-
tung einfacher Rhythmen die Hilfe der Lehrkraft benötigen. Bei den ORS-Lehrern sind es ca.
69%.
Der Vergleich der Lehrerbeurteilungen macht deutlich: Chorklassen, in denen relative Solmi-
sation eingesetzt wird, erzielen bessere Ergebnisse beim Blattsingen.
Die Schwachstelle dieser Frage besteht in der konkreten Einordnung der Bezeichnung einfa-
che Melodie bzw. einfacher Rhythmus, die hier nicht gegeben ist. Jeder Musiklehrer hat seine
eigenen Vorstellungen, was bei weitergehenden Betrachtungen eine Messbarkeit dieser Ter-
mini erfordert.
9.10 These 6: Häufig gesungene Modi
In Chorklassen werden vorrangig Lieder in Dur und Moll gesungen. Lieder in Kir-
chentonarten werden kaum praktiziert.
Im Folgenden soll die vorangestellte These anhand der Umfrageergebnisse überprüft werden.
Tab. 13: Lieder, die RS-Chorklassenleiter mit den Schülern häufig singen
Trifft voll zu
(1)
Trifft teilwei-
se zu (2)
Trifft kaum
zu (3)
Trifft gar
nicht zu (4)
∑ % ∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
in Dur 29x ≈69 12x ≈29 1x ≈2 - - 1,33 0,53
in Moll 14x ≈33 24x ≈57 4x ≈10 - - 1,76 0,62
in Kirchentonarten 5x ≈12 9x ≈21 19x ≈45 9x ≈21 2,76 0,93
Tab. 13 verdeutlicht, welche Modi die RS-Chorklassenleiter mit ihren Schülern vorrangig
singen. Die Teilnehmer sollten unter den ordinalskalierten229 Items ankreuzen, inwieweit es
zutrifft, dass ihre Schüler hauptsächlich Lieder in Dur, Moll und den Kirchentonarten singen.
Der Mittelwert 1,33 bei Dur verdeutlicht, dass die Antwort 1 (trifft voll zu) favorisiert wurde.
Wie der Tab. 13 jedoch zu entnehmen ist, gab es 12 Probanden (ca. 29%), die Antwort 2
(trifft teilweise zu) und eine Person die Option 3 (trifft kaum zu) ankreuzten. Diese Antworten
werden bei der Standardabweichung einberechnet und verdeutlichen, dass die restlichen An-
gaben um den Wert ± 0,53 vom Mittelwert 1,33 abweichen.
Mit einem Mittelwert von 1,76 tendieren die Antworten unter Moll eher zu zwei (trifft teil-
weise zu). Die Standartabweichung beträgt in diesem Fall ± 0,62 und verweist darauf, dass ein
Drittel der RS-Chorklassenleiter (14 von 42 Teilnehmer) mit ihren Klassen oft Lieder in Moll
229 Bei einer Ordinal-Skala stehen die vorgegebenen Ausprägungen in einem relationalen Verhältnis zueinander, in diesem Fall ist es eine ranggeordnete Beziehung. Vgl. Porst, Rolf 2014, S. 73f.
68
singt. Lediglich vier Probanden behaupten mit ihren Schülern kaum Lieder in Moll zu behan-
deln.
Bezüglich der Kirchentonarten sieht das Ergebnis vollkommen anders aus. Von den 42 Chor-
klassenleitern stellten 19 heraus (ca. 45%), kaum kirchentonale Lieder mit den Schülern zu
lernen und mit neun Angaben führt ein Fünftel der Musiklehrer keine kirchentonalen Lieder
ein. Der Mittelwert von 2,76 ± 0,93 verdeutlicht diese Tendenz. Immerhin gaben neun Lehrer
an, teilweise kirchenmodale Stücke zu wählen. In die alltägliche Musizierpraxis integrieren
fünf der 42 Teilnehmer (ca. 12%) die Kirchentonarten.
Im optionalen Feld gab es zwei weitere Eintragung zum häufigen Musizieren rhythmusbeton-
ter Sprechstücke und pentatonischer Lieder.
Die 13 ORS-Chorklassenleiter waren einstimmig der Meinung oft mit ihren Schülern Lieder
in Dur zu singen. Weiterhin gaben sieben Teilnehmer (ca. 54%) an, oft Lieder in Moll zu
wählen. So veranschaulicht auch der Mittelwert mit 1,56 unter einer Standardabweichung von
± 0,66 die Tendenz zum häufigen Erlernen von „Moll-Liedern“.
Trotz der Tatsache, dass der Mittelwert für Kirchentonarten mit 2,62 etwas niedriger ist als
bei Chorleitern mit Solmisationsnutzung, besagt die Standardabweichung von 1,12, dass die
Antworten stark variieren. So kreuzten je drei Probanden (ca. 23%) an, dass sie oft bzw. gar
keine kirchentonalen Lieder mit den Schülern singen. Generell musizieren die Chorklassenlei-
ter eher wenig mit kirchentonalen Skalen.
Tab. 14: Lieder, die ORS-Chorklassenleiter mit den Schülern häufig singen
Trifft voll zu
(1)
Trifft teilwei-
se zu (2)
Trifft kaum
zu (3)
Trifft gar
nicht zu (4)
∑ % ∑ % ∑ % ∑ % Ø ±
in Dur 13x 100 - - - - - - 1,00 0,00
in Moll 7x ≈54 5x ≈38 1x ≈8 - - 1,54 0,66
in Kirchentonarten 3x ≈23 2x ≈15 5x ≈39 3x ≈23 2,62 1,12
Beim Vergleich der Daten bestätigt sich die eingangs gestellte Vermutung. Das bevorzugte
Tongeschlecht ist Dur. Etwas seltener aber dennoch relativ oft werden Lieder in Moll erarbei-
tet. Die Angaben zu den Kirchentonarten lassen bei beiden Chorklassenleitergruppen die
Schlussfolgerung zu, dass kaum Lieder in unterschiedlichen Modi an die Schüler herangetra-
gen werden, womit die These bestätigt wäre.
69
Ein möglicher Grund, wie schon von Losert festgestellt, könnte das geringfügige Angebot
kirchentonalen Liedgutes in neueren Liedersammlungen sein.230
9.11 These 7: Motivation
Chorklassenschüler sind motivierter als Schüler des regulären Musikunterrichts.
Abb. 35 bietet eine deutliche Veranschaulichung des Meinungsbildes der Chorklassenleiter
zur Motivation von Chorklassenschüler im Vergleich zu Schülern regulärer Musikklassen. So
haben 25 Musiklehrer (ca. 45%) den Eindruck, dass Chorklassenschüler zweifellos mehr Mo-
tivation an den Tag legen. 20 Teilnehmer (ca. 40%) teilen diese Überzeugung nicht, würden
jedoch sagen, dass Chorklassenschüler eher motivierter sind.
Abb. 35: Einschätzung der Chorklassenleiter, ob Schüler der Chorklassen im Musikunterricht motivierter sind als Schüler regulärer Musikklassen
Lediglich ein Proband vertritt eine gegensätzliche Meinung und sagt, die Motivation beider
Schülergruppen sei vollkommen gleich. Fünf Musiklehrkräfte (ca. 6%) vertreten die Ansicht,
Chorklassenschüler seien nicht unbedingt interessierter. Sieben Lehrkräfte (ca. 7%) enthalten
sich dieser vier Kategorien, da sie meinen, es nicht einschätzen zu können.
Mit 85% stützt die überwiegende Mehrheit die These, dass Chorklassenschüler motivierter
sind als Schüler regulären Musikunterrichts.
230 Vgl. Losert 2011, S. 284f.
ja
45%
eher ja
40%
eher nein
6%
nein
2%
kann ich nicht
einschätzen
7%
70
9.12 These 8: Mehrstimmigkeit
Eine interessante Frage im Zusammenhang mit solmisationsgestütztem Lernen betrifft die
Vermittlung von Mehrstimmigkeit. Konzepte, die auf der relativen Solmisation beruhen, be-
tonen die vergleichsweise einfachere Heranführung der Schüler an das mehrstimmige Singen.
Von der Hand abgelesene zweistimmige Lieder lassen die Mehrstimmigkeit unmittelbar und
eindringlich erfahren. Ungarische Chöre bspw. solmisieren die Literatur zuerst ein- und zwei-
stimmig, bevor der Text hinzugezogen wird. Dabei entwickelt sich das melodische und har-
monische Empfinden eines Chores. Ebenso hilft das Solmisieren einzelner Passagen bei der
Liederarbeitung.231
Inwiefern solmisationsgestütztes Arbeiten tatsächlich bessere Ergebnisse liefert, sollte anhand
der Umfrage überprüft werden. Für die Aussage „Die Schüler sind in der Lage mehrstimmig
zu singen.“ sollten sich alle Teilnehmer zwischen den Items „nein“, „zweistimmig“, „drei-
stimmig“ und „vierstimmig“ entscheiden.
Chorklassen, in denen mit relativer Solmisation gearbeitet wird, erzielen bessere Er-
gebnisse beim mehrstimmigen Singen.
Die Befragungsergebnisse zum mehrstimmigen Singen beider Gruppen sind verblüffend ähn-
lich (siehe Abb. 36).
Abb. 36: Mehrstimmiges Singen in Chorklassen
Über 50% beider Gruppen geben an, die Schüler seien in der Lage zweistimmig zu singen.
Dreistimmiges Singen ist laut ungefähr einem Viertel aller Chorklassenleiter möglich und 7%
- 8% sind der Ansicht, dass auch Vierstimmigkeit mit den Schülern zu bewältigen ist. Zwi-
schen 14% - 15% der Probanden meinen, die Schüler könnten nur einstimmig singen. Würde
231 Vgl. Heygster und Grunenberg 2009, S. 144f.
15%
54%
23%
8%
14%
52%
26%
7%
nein
zweistimmig
dreistimmig
vierstimmig
RS-Chorklassenleiter ORS-Chorklassenleiter
71
die Datenanalyse zum mehrstimmigen Singen an dieser Stelle enden, entstünde der Eindruck,
es bestehe kein Unterschied zwischen solmisationsgestütztem und solmisationsunabhängigem
Agieren im Chorklassenunterricht.
Berücksichtigt man jedoch die weitergehenden Angaben, die konkretisieren, ob sich die Ant-
wort zum mehrstimmigen Singen auf Kanons oder Satzgesang bezieht, erscheinen die Ergeb-
nisse in einem neuen Licht.
Bei der Frage nach mehrstimmigem Singen beziehen sich 11 von 13 ORS-Chorklassenleitern
(ca. 85%) auf das Singen von Kanons. Zwei ORS-Teilnehmer beantworten die vorhergehende
Frage im Hinblick auf den Satzgesang. Bei den RS-Chorklassenlehrern sind es mit 21 von 38
Antworten232 55%, die sich auf das Kanonsingen beziehen und 45% (17 Antworten), die dabei
den Satzgesang im Blick haben.
Abb. 37: Mehrstimmiges Singen von Kanon und Satzgesang
Kanons sind genauso wie Quodlibets durch „einfache polyphone Strukturen“ gekennzeichnet
und dienen häufig zur Heranführung an die Mehrstimmigkeit wie sie in der abendländischen
Musiktradition ist. Im Laufe der Zeit wird das Interpretieren mehrstimmiger Satztechnik ge-
lernt. Ungeachtet dessen, dass das Singen einfacher Unterstimmen möglicherweise einen ein-
facheren Einstieg ins mehrstimmige Singen darstellt und Kanonsingen sehr wohl kein leichtes
Unterfangen ist, bietet mehrstimmiger Satzgesang eine größere Herausforderung bezüglich
der „Unabhängigkeit, Gleichwertigkeit und Eigenständigkeit der einzelnen Stimmen“.233 In
diesem Sinne erzielt solmisationsgestützte Vermittlung der Mehrstimmigkeit laut Umfrageer-
gebnissen effektivere Resultate im mehrstimmigen Satzgesang.
232 Von den 42 RS-Chorklassenleitern beantworten 38 die Frage, worauf sich die vorausgehende Angabe zum mehrstimmigen Singen bezieht. Da es keine Pflichtfrage darstellt, lassen sie vier RS-Teilnehmer unbeantwortet. 233 Vgl. Stubenvoll 2013, S. 6.
85%
15%
55%
45%
Kanon
Satzgesang
RS-Chorklassenleiter (38) ORS-Chorklassenleiter (13)
72
10 Zusammenfassung
An der Umfrage nahmen weit mehr Chorklassenlehrer teil, die mit relativer Solmisation ver-
traut sind und diese einsetzen als jene, die ohne relative Solmisation arbeiten. Diese Tatsache
erschwert die Verlässlichkeit des vollzogenen Vergleiches. Weiterhin relativieren die tenden-
ziell schlechteren zeitlichen Ressourcen der ORS-Musiklehrer die Vergleichsergebnisse. In
diesem Sinne bieten die Umfrageresultate lediglich Richtwerte an.
Die Mehrzahl aller Chorklassenlehrer (ca. 65%) gab an, ein Konzept zu verwenden, wobei
nahezu ausschließlich neuere solmisationsgestützte Veröffentlichungen angeführt wurden
(siehe Abschnitt 6.1-6.3). Bei der gesonderten Konzeptfrage unter den RS-Teilnehmern wur-
den auch ältere Solmisationsmethoden angegeben, wobei die Methode nach Tonika-Do und
Kodály am meisten genannt wurden. ORS-Teilnehmer arbeiten überwiegend methodenunab-
hängig.
Die Arbeit mit relativer Solmisation erfordert eine Orientierung an einer bestimmten Lehrsys-
tematik, die in unterschiedlichen solmisationsgestützten Konzepten vermittelt wird. Viele der
Lehrer nehmen Impulse aus bestimmten Konzepten auf, arbeiten jedoch nicht streng nach
deren Systematik. Eine Reflexion und Selbsteinschätzung der eigenen Situation ist in diesem
Fall wichtig, statt blinder Übernahme eines vorgesetzten Konzeptes. Dementsprechend unter-
scheiden sich die Angaben zum konkreten Umgang mit relativer Solmisation im Unterricht
(siehe Abschnitt 9.3). Tendenziell setzen fast alle RS-Musiklehrer Handzeichen ein und die
Mehrzahl arbeitet zwischen fünf bis zehn Minuten pro Unterrichtsstunde mit relativer Solmi-
sation. Auf den Einsatz einer Rhythmussprache legen rund 57% der RS-Probanden wert.
Die im Vorfeld der Untersuchung formulierten Thesen konnten zum großen Teil bestätigt
bzw. bekräftigt werden.
Die RS-Chorklassenleiter sehen in der Audiation einen wichtigen Ausbildungsschwerpunkt,
allerdings wird der Vermittlung von Blattlesefähigkeiten nicht die Bedeutung verliehen, wie
dies bei den älteren solmisationsgestützten Methoden der Fall ist. Nichtsdestotrotz arbeiten
fast alle RS-Musiklehrer mit unterschiedlichen Notationen, darunter zwei Drittel, die relative
Notationsformen im Unterricht nutzen. Ca. 62% der ORS-Lehrer arbeiten mit der tradierten
Notenschrift und annähernd ein Drittel nutzt keine Notationen im Unterricht. Dementspre-
chend besser sehen die Ergebnisse im Blattsingen der Chorklassen aus, in denen relative Sol-
misation eingesetzt wird.
In der Kategorie „intonationssicheres Singen“ bewertet die RS-Musiklehrer ihre Schüler wei-
testgehend sicherer. Im Gegenzug dazu geben ORS-Lehrer bessere Beurteilungen beim
73
rhythmischen Singen ab. Auch im Hinblick auf das Singen mehrstimmiger Sätze schneiden
die RS-Chorklassen nach Einschätzung der Chorklassenleiter besser ab. In ORS-Chorklassen
ist mehrstimmiges Singen vor allem in Form von Kanons möglich. Die bevorzugten Modi
sind, wie eingangs vermutet, Dur und Moll. Kirchentonalen Liedern wird vergleichsweise
wenig Aufmerksamkeit zuteil.
Mit 85% ist die deutliche Mehrheit aller Chorklassenlehrer der Meinung, dass Chorklassen-
schüler im Vergleich zu Schülern regulärer Musikklassen motivierter sind. Die „gemein-
schaftsbildende Kraft des Musizierens“234 könnte eine Erklärung dafür sein.
Die Auswertung der Teilnehmereinschätzungen unterstreicht das Potential solmisations-
gestützten Unterrichtens in Chorklassen als eine vielversprechende Vermittlungsform.
234 Vgl. Pfeffer 2001, S. 20.
74
11 Diskussion und Ausblick
Die Auswertung der Umfrageergebnisse liefert erste Zusammenhänge, die in weitergehenden
wissenschaftlichen Untersuchungen überprüft werden müssen. Die Wirkung der relativen
Solmisation auf die musikalischen Fähigkeiten der Chorklassenschüler müsste durch objektiv
messbare Untersuchungen belegt werden. Die Bedingungen der Kontroll- und der Untersu-
chungsgruppe sind gleich zu gestalten, damit die Datenauswertung verlässliche Rückschlüsse
erlaubt. Können innerhalb einer wissenschaftlichen Untersuchung die positiven Wirkungen
solmisationsgestützter Methoden verlässlich nachgewiesen werden, würde das eine Ausstrah-
lungskraft auf diejenigen Chorklassenleiter haben, die nach einer wirkungsvollen Methode
suchen bzw. diejenigen, die von relativer Solmisation bislang noch nicht überzeugt waren.
In diesem Zusammenhang lohnt es sich das Angebot der Musikausbildung um Lehrveranstal-
tungen zum Thema „Relative Solmisation“ zu erweitern, um einerseits den angehenden Mu-
siklehrern eine Vielfalt an Vermittlungsmöglichkeiten musikalischer Fähigkeiten anzubieten
und andererseits im weiteren Bildungsweg anschließende Auseinandersetzung mit solmisati-
onsgestützten Konzepten zu erleichtern. Der Anschluss an bekannte Inhalte fällt leichter als
das Wagnis in unbekanntes Terrain.
Es sei dahingestellt, inwiefern die Begeisterung der Chorklassenlehrer für die individuell ein-
gesetzte Methode die Umfrageergebnisse verzerrt. Es ist eine „Störvariable, die eine Einfluss-
größe darstellt und in der Befragung nicht erfasst werden kann".235 Auch wird anhand der
Resultate deutlich, dass es eine Reihe an Teilnehmern gibt, die erst seit kurzer Zeit eine Chor-
klasse leiten und sich noch in der Erprobungsphase befinden, weshalb Auskünfte zu durch-
schnittlichen musikalischen Fähigkeiten der Schüler zum Abschluss der Chorklasse nicht ge-
geben werden konnten. Die genannten Faktoren schränken die Wertigkeit der Umfrageergeb-
nisse ein. Aus diesem Grund sind die in der Auswertung gezogenen Rückschlüsse unter Vor-
behalt zu sehen.
Solmisationsgestützte Methoden stellen einen traditionsreichen Vermittlungsprozess dar, der
im Begriff ist, sich neu zu entwickeln. Neuere solmisationsgestützte Konzepte bieten den
Chorklassenlehrern vielfältige Möglichkeiten einer lebendigen und schülergerechten Vermitt-
lung musikalischer Fähigkeiten. Die allein für sich „trockenen“ Tonkreise werden zu sinnvol-
len Schritten im systematischen Erlernen des tonalen Gefüges aufgearbeitet. Die Förderung
von Chorklassen wie sie in Niedersachsen umgesetzt wird, ist bislang nicht weit verbreitet
und wird sicherlich in den kommenden Jahren größeren Anklang finden. Das Angebot der 235 Vgl. Bortz und Döring 2006, S 13.
75
Weiterbildungsmaßnahmen und die aufgebaute Kommunikation zwischen den Chorklassen-
leitern ermöglicht einen anregenden Erfahrungsaustausch. In diesem Sinne ist der deutsch-
landweite Aufbau derartiger Projekte mehr als wünschenswert.
Zu Beginn der Auseinandersetzung mit relativer Solmisation empfand die Verfasserin den
Ansatz der relativen Notation abwegig. Mit eingehender Beschäftigung jedoch erschien es
immer weniger als ein Umweg, sondern als ein zielgerichtetes Hinarbeiten zur herkömmli-
chen Notenschrift. In diesem Sinne bedarf auch die Nutzung relativer Notationsformen einer
eingehenden wissenschaftlichen Betrachtung.
Der Einsatz relativer Solmisation in Chorklassen mit einer Laufzeit unter zwei Jahren ist frag-
lich. Es scheint, je weniger Ausbildungszeit zur Verfügung steht, desto eher erfolgt eine Ent-
scheidung gegen den Einsatz relativer Solmisation in Chorklassen.
Weiterer Untersuchungen bedarf die Frage, inwiefern beim Lernen mit relativer Solmisation
rhythmisches Lernen zugunsten von melodischem Lernen vernachlässigt wird. Für die Erar-
beitung von Werken des 20. und. 21. Jahrhunderts, welche häufig sehr rhythmusbetont sind,
wird eine gute Rhythmusschulung benötigt. Dem darf solmisationsgestützte Arbeit nicht im
Wege stehen.
Einen weiteren großen Schwachpunkt scheint die Vermittlung verschiedener Modi darzustel-
len. Die Reduzierung der Skalen auf Dur und Moll kann der musikalischen Vielfalt nicht ge-
recht werden. Die Erweiterung neuerer Konzepte um diesen Bereich ist notwendig.
Im Großen und Ganzen zeichnet sich in den Untersuchungsergebnissen die positive Wirkung
solmisationsgestützter Arbeit in Chorklassen deutlich ab. Auch wenn es einen Unterschied
zwischen Fünf-Minuten-Einheiten und täglichen Musikstunden wie sie in Ungarn praktiziert
werden, gibt, lohnt sich die Auseinandersetzung. Relative Solmisation bietet viele Chancen
zum handlungsorientierten Musiklernen.
76
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82
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Johannes-Hymnus mit Melodie von Guido von Arezzo, aus: Heygster 2012, S. 189 13
Abb. 2: Mutation in einem Hexachord ..................................................................................... 14
Abb. 3: Nomenklatur der relativen Solmisation, aus: Losert 2015 .......................................... 15
Abb. 4: Kleine Terzen in F-Dur ............................................................................................... 16
Abb. 5: Beginn von Hänschen klein in D-Dur und F-Dur ....................................................... 16
Abb. 6: Handzeichen mit Alterationen, nach: Heygster 2012, S. 194ff ................................... 17
Abb. 7: Handzeichen- und Buchstabennotation mit graphischen Höhendarstellung der
Tonfolge so-mi-so-so-mi, aus: Heygster und Grunenberg 2009, S. 17 .................................... 18
Abb. 8: „Ein Männlein steht im Walde“ in relativer Liniennotation mit Do-Schlüssel ........... 19
Abb. 9: Modulation in relativer Liniennotation, aus: Hundoegger und Leo 1943, S. 18 ......... 19
Abb. 10: Beispiel zum Vergleich der Rhythmussprache nach Gordon (oben) und Kodály
(unten), nach: Losert 2011, S. 270 ........................................................................................... 20
Abb. 11: Solmisationssilben nach der Tonika-Do-Methode, aus: Losert 2015 ....................... 25
Abb. 12: Handzeichen nach der Tonika-Do-Methode, aus: Losert 2011, S. 171ff .................. 25
Abb. 13: Rhythmussprache der Tonika-Do-Methode, nach: Losert 2011, S. 163 ................... 25
Abb. 14: Handzeichen nach der Kodály-Methode, aus: Losert 2015 ...................................... 26
Abb. 15: Rhythmussprache der Kodály-Methode, nach: Losert 2011, S. 163 ......................... 27
Abb. 16: Rhythmussprache nach Gordon, nach: Losert 2011, S. 163 ..................................... 28
Abb. 17: Ausschnitt: Tonale Pattern nach Gordon, nach: Losert 2011, S. 266 ....................... 29
Abb. 18: Melodische Gesten nach der Ward-Methode, aus: Brandt o.J., S. 2 ......................... 30
Abb. 19: Ziffernnotation nach der Ward-Methode, aus: Brandt o.J., S. 2 ............................... 31
Abb. 20: Punkt-Notation nach der Ward-Methode, aus: Brandt 1984, S. 44 ........................... 31
Abb. 21: Chorklassenlehrer aus verschiedenen Bundesländern ............................................... 42
Abb. 22: Erstmaliges Angebot von Chorklassen ..................................................................... 43
Abb. 23: Schulstufen, in denen die Chorklassenleiter unterrichten ......................................... 44
Abb. 24: Ausbildungsdauer einer Chorklasse .......................................................................... 46
Abb. 25: Arbeit der 55 Chorklassenleiter mit Stimmbildnern bzw. Gesangspädagogen ......... 46
Abb. 26: Zeitraum der Nutzung von relativer Solmisation im Chorklassenunterricht ............ 51
Abb. 27: Verwendete Rhythmussprache in Chorklassen ......................................................... 51
Abb. 28: Übungszeit mit relativer Solmisation pro Unterrichtsstunde .................................... 52
Abb. 29: Orientierung an systematischen Gesichtspunkten der Methode (Tonkreisen) .......... 53
Abb. 30: Meinung der ORS-Chorklassenlehrer zu einem künftigen Einsatz relativer
Solmisation ............................................................................................................................... 54
83
Abb. 31: Faktoren, die unter ORS-Chorklassenlehrern einen künftigen Einsatz von relativer
Solmisation bewirken könnten ................................................................................................. 55
Abb. 32: Verteilung der RS- und ORS-Chorklassenleiter auf die Schulstufen ....................... 56
Abb. 33: Einschätzungen der Chorklassenleiter des Tonumfanges der Schüler ...................... 63
Abb. 34: Nutzung von Notationen durch RS-Chorklassenleiter .............................................. 65
Abb. 35: Einschätzung der Chorklassenleiter, ob Schüler der Chorklassen im Musikunterricht
motivierter sind als Schüler regulärer Musikklassen ............................................................... 69
Abb. 36: Mehrstimmiges Singen in Chorklassen ..................................................................... 70
Abb. 37: Mehrstimmiges Singen von Kanon und Satzgesang ................................................. 71
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Fünfstufige Lehrsystematik der Tonika-Do-Methode ................................................. 24
Tab. 2: Angaben zur Nutzung von Konzepten (Konzeptfrage 1) ............................................. 48
Tab. 3: Angabe zur Nutzung von Konzepten: Kombination aus 1. und 2. Frage .................... 49
Tab. 4: Ausbildungsdauer der Chorklassen .............................................................................. 57
Tab. 5: Unterrichtswochenstunden der Chorklassen ................................................................ 57
Tab. 6: Unterstützung durch einen ausgebildeten Stimmbildner bzw. Gesangspädagogen ..... 58
Tab. 7: Ausbildungsschwerpunkte der RS-Chorklassenleiter .................................................. 59
Tab. 8: Ausbildungsschwerpunkte der ORS-Chorklassenleiter ............................................... 60
Tab. 9: 42 RS-Chorklassenleiter schätzen die stimmlichen Fähigkeiten der Schüler .............. 61
Tab. 10: 13 ORS-Chorklassenleiter schätzen die stimmlichen Fähigkeiten der Schüler ......... 61
Tab. 11: Fähigkeiten der Schüler im Notenlesen (RS-Musiklehrer) ........................................ 66
Tab. 12: Fähigkeiten der Schüler im Notenlesen (ORS-Musiklehrer) ..................................... 66
Tab. 13: Lieder, die RS-Chorklassenleiter mit den Schülern häufig singen ............................ 67
Tab. 14: Lieder, die ORS-Chorklassenleiter mit den Schülern häufig singen ......................... 68
84
13 Anhang
13.1 Fragebogen ............................................................................................................. 85
13.2 Anschreiben für Schulleiter ................................................................................... 91
13.3 Anschreiben für Chorklassenleiter ......................................................................... 92
13.4 Tabellarische Auswertung des Fragebogens .......................................................... 93
13.4.1 Teil A: Rahmenbedingungen ............................................................................. 93
13.4.2 Teil B: Arbeit mit relativer Solmisation ............................................................. 99
13.4.3 Teil C: Wissen über relative Solmisation ......................................................... 103
13.4.4 Teil D: Erfahrungen der Chorklassenleiter ...................................................... 105
93
13.4 Tabellarische Auswertung des Fragebogens
13.4.1 Teil A: Rahmenbedingungen
Legende
Frage TN Teilnehmernummer
1. BL Bundesland
BW Baden-Württemberg M Mecklenburg-Vorpommern
BA Bayern N Niedersachsen
BB Brandenburg NW Nordrhein-Westfalen
2. JM Seit wann arbeiten Sie als Musiklehrer?
3. St In welcher/n Schulstufe/n befinden sich Ihre Chorklassen?
P Primarstufe SI Sekundarstufe II SII Sekundarstufe II
4. CK/ Jahrgang Chorklassen pro Jahrgang
5. Monatlicher Beitrag
6. Eignung Überprüfung der Eignung
- Gar nicht MG Motivationsgespräch
V Vorsingen S&I Singen, Instrumentalspiel
KG Klassengesang (optionale Angabe
7. h/ W Musikstunden pro Woche in Chorklasse
8. A CK Ausbildungsdauer je Chorklasse
9. Anzahl Lehrer Anzahl der Lehrer im Chorklassenunterricht
S2 Stimmbildung zu zweit T2 teilweise zu zweit
D2 der Disziplin wegen zu weit SG Stimmbildung geplant
10. SB Zusammenarbeit mit Stimmbildnern oder Gesangspädago-gen
1 h/W 1 Stunde pro Woche 1 h/M 1 Stunde pro Monat
2 h/W 2 Stunden pro Woche 2 h/M 2 Stunden pro Monat
> 2h/W mehr als 2 Stunden pro Woche
11. AG Sind die Schüler Ihrer Chorklasse verpflichtet in einem Schulchor (oder in einer anderen Musik-AG) mitzuwirken?
12. CK seit Seit wann existieren an Ihrer Schule Chorklassen?
13. Konzept 1 Folgen Sie in Ihrer musikalischen Arbeit in den Chor-klassen einem bestimmten Konzept bzw. einer be-stimmten Methode? (Konzeptfrage 1)
ChK Chor:Klasse! Schn Ralf Schnitzer
K Gu Konzept Chorklassen an der Gunzelin-Realschule
sonst. Sonstiges
14. Rel. Sol. Arbeit mit relativer Solmisation
94
Frage 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14
TN BL JM Primar Sek. I Sek. II CK/
Jahr-gang
Monatl.
Beitrag Eig-
nung h/ W A CK
An-zahl
Leh-rer
Stimm-
bildung Chor/ AG
CK seit
Kon-
zept 1
Rel.
Sol.
1 BB 2004 1
0 € - 1 2 Jahre 1 nie ja 2015 W ja
2 N 2003
1
1 0 € - 3 6 Jahre T2 nie nein 2005 K Gu ja
3 N 2009
1 1 0 € - 2 3 Jahre 2 2 h/W ja 2012 - nein
4 N 1997 1
2 0 € - 2 4 Jahre 1 1 h/M nein 2013 - nein
5 N 1985 1
0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2015 ChK ja
6 N 2006 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2013 ChK ja
7 N 2002
1
2 10 - 20 € - 2 2 Jahre 1 2 h/W ja 2000 - nein
8 N 2010
1
1 0 € MG 2 2 Jahre 1 nie ja 2015 - nein
9 N 2006
1 1 3 0 € - 2 2 Jahre 1 nie nein 2012 Schn ja
10 N 1999
1
1 10 - 20 € - 4 2 Jahre SP 2 h/W nein 2004 sonst. ja
11 N 2000 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2014 ChK ja
12 N 2011 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2014 ChK ja
13 N 2003 1
1 0 € - 3 4 Jahre 2 2 h/W nein 2014 ChK ja
14 N 2015 1
2 0 € - 1 4 Jahre 2 > 2 h/W nein 2015 - ja
15 N 1994 1
0 € - 2 4 Jahre 1 nie ja 2014 sonst. ja
16 N 1980 1
1 0 - 10 € - 3 3 Jahre 1 1 h/W ja 2010 ChK ja
17 N 2000 1
1 0 € - 3 4 Jahre S2 1 h/M ja 2012 ChK ja
18 N 1986 1
1 0 € - 1 4 Jahre D2 nie nein 2011 ChK nein
19 N 2013
1
1 0 - 10 € - 2 2 Jahre 1 1 h/W ja
- ja
95
20 N 2002 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2009 ChK ja
21 N 2007 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2014 ChK ja
22 N 2007 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie nein 2013 ChK ja
23 N 2009
1
1 0 € - 4 2 Jahre T2 nie nein 2013 - nein
24 N 1995 1
1 0 € - 1 2 Jahre 1 nie nein 2014 ChK ja
25 N 2014 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 > 2 h/W ja 2014 ChK ja
26 BB 1976 1
1 0 € - 3 2 Jahre 2 nie nein 2012 - nein
27 BW 2005
1 2 10 - 20 € V 3 2 Jahre 2 1 h/W nein 2004 - ja
28 M 1981
1 1 3 0 € S&I 3 8 Jahre 1 2 h/W ja 1980 sonst. ja
29 BW 1989 1 1
1 0 € - 1 1 Jahr 1 3 h/W nein 2014 - nein
30 BA 2003
1 1 1 0 € - 2 2 Jahre 1 4 h/W ja 2009 sonst. ja
31 N 1984 1
4 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2003 ChK ja
32 N 1997 1
1 0 € - 3 4 Jahre 3 1 h/W ja 2013 ChK ja
33 N 1997 1
1 0 € - 4 4 Jahre 1 2 h/W nein 2012 ChK ja
34 N 2002 1
1 0 € - 3 4 Jahre 1 nie ja 2013 ChK ja
35 N 1989 1
1 0 € - 2 4 Jahre 1 nie nein 2013 - nein
36 BW 1985 1
2 10 - 20 € - 2 2 Jahre 1 1 h/W nein 2014 sonst. nein
37 BA 2001
1
2 0 € - 4 2 Jahre 1 nie ja 2008 - ja
38 N 1997 1
1 0 € - 2 2 Jahre 1 nie nein 2015 ChK ja
39 BA 2006
1
1 0 € - 3 3 Jahre 1 nie ja 2010 - ja
40 BA 2009 1
1 0 € - 4 3 Jahre 1 nie nein 2010 - nein
41 BW 2005 1
1 0 € - 1 2 Jahre 1 nie ja 2001 - nein
42 BB 1981 1
1 0 € - 2 3 Jahre 2 1 h/W ja 2014 - ja
96
43 BA 1999
1
2 0 € - 2 2 Jahre 1 nie ja 2011 Schn ja
44 BA 1998
1
1 0 € - 3 2 Jahre SG nie ja 2008 sonst. ja
45 BA
1
1 0 € - 2 2 Jahre 1 nie nein
- nein
46 N 2004 1
1 0 € - 3 4 Jahre S2 nie ja 2013 ChK ja
47 BW 1999
1
1 10 - 20 € - 3 3 Jahre
> 2 h/W ja 2013 sonst. ja
48 BA 2005
1 1 0 € - 3 2 Jahre 1 > 2 h/W ja 2010 sonst. ja
49 BA 2013
1 2 0 € - 3 2 Jahre 1 > 2 h/W nein 2012 - ja
50 BW 1988
1
1 0 - 10 € - 4 2 Jahre ? 1 h/W nein 2011 sonst. ja
51 BA 1989 1
2 0 € - 3 2 Jahre 1 2 h/M ja 2011 Schn ja
52 BB 1994 1
1 0 € - 3 2 Jahre 2 > 2 h/W nein 2012 - ja
53 BB 1994 1
2 0 € - 3 2 Jahre 2 2 h/W nein 2012 sonst. ja
54 BB 1993 1
2 0 € KG 2 3 Jahre 2 1 h/W nein 2012 sonst. ja
55 BA 1980
1
2 0 € - 2 2 Jahre 1 nie ja 2012 Schn ja
TN Anmerkungen aller Chorklassenleiterden zu den Rahmenbedingungen der Chorklassen an Ihrer Schule
2 In Klasse 7 und 8 tritt der vokale Aspekt zugunsten eines instrumentalen (Percussion-Instrumente) ein wenig in den Hintergrund. 3 Unsere Chorklassenschüler der Klassen 5-7 haben pro Woche je Klassenstufe 2 Stunden Musikunterricht, in dieser Zeit werden sie zudem von einem
Stimmbildner betreut. 2 Stunden in der Woche treffen sich alle drei Jahrgänge gemeinsam im Chor. 5 Die erste Chorklasse wird zu Beginn des kommenden Schuljahres eingeführt, beginnt mit Klasse 3. Nach dem ersten Durchlauf von einem Schuljahr
können weitere Chorklassen eingerichtet werden ab Klasse 1, 2 oder 3 oder ab Klasse 5. Eine ausgebildete Gesangspädagogin zur Stimmbildung ist
bisher nicht vorgesehen, aber denkbar. Ich, Lehrkraft, bin Amateur-Sängerin und habe selbst regelmäßige Stimmbildung, was ich pädagogisch umsetze. 10 Kurswahlsystem mit weiteren musikpraktischen Alternativen (Bläser, Keyboard, Percussion); integrativ (Kooperative Gesamtschule), also alle Schul-
zweige 11 Schüler kommen ohne Vorkenntnisse in die Klasse. Keine Vorerfahrungen mit ihrer Stimme (Kopfstimmlage, Toneinstellung,...), wenige Sprachkennt-
nisse, Probleme mit der Aussprache und dem Verständnis von Texten 13 Nein, aber zu Frage 4: Es gibt nur eine einzige Chorklasse an unserer Schule; nicht "pro Jahrgang". 15 Es handelt sich um eine Grundschule mit 2 Klassen pro Jahrgang (ca.130 Schüler). Die Chorklasse wurde im letzten Jahr zum ersten Mal zu Beginn
97
einer ersten Klasse eingeführt. Die Eltern konnten sich entscheiden , ob sie ihr Kind in eine Chorklasse anmelden. Da viel von den intelligenzfördernden
Faktoren in den Eingangsveranstaltungen die Rede war, rekrutiert die Klasse aus vielen Fördereinrichtungen ( Schulkindergarten, Sprachheilklasse )
usw. Es handelt sich bei der Zusammensetzung also eher um eine Inklusionsklasse mit Singen als therapeutischer Möglichkeit Sprache zu fördern und
sozial integrativ zu wirken sowie durch Präsentation in der Öffentlichkeit auch Selbstbewusstsein zu stärken. Die Anzahl der Musikstunden beträgt in
den Klassen 1 und 2 Stunden , in den Klassen 3 und 4 3 Stunden plus Schulchor. Die Solmisation wird sukzessive zunächst rhythmisch , dann über über
die kleine Terz und den Grundton eingeführt. Ziel ist es , dass Kinder im 4.Schuljahr leichte Melodien vom Blatt singen können.
Ich befinde mich also noch ganz am Anfang. 17 - Keine professionelle Stimmbildung, sondern eine Kollegin, die auch die Chorklassen-Weiterbildung absolviert hat.
Chorstunde freitags 5. Stunde im 1. Jahrgang - wenig produktiv 21 Ich habe mich selber im Rahmen meines Studiums, meines Zusatzsausbildung "Chorklassenleitung" und C-Schein in Chorleitung mit Stimmbildung
intensiv beschäftigt, so dass ich die Stimmbildung selber durchführe.
Die Kinder haben zwei Stunden Musikunterricht und eine Stunde Schulchor verpflichtend. 24 Ich befinde mich in der Erprobungsphase, d.h. ich unterrichte im normalen Musikunterricht nach dem Chorklassenkonzept.
Wir arbeiten mit einer Offenen Eingangsstufe / Jahrgangsübergreifendes Lernen (JüL). Das bedeutet, in meiner "Chorklasse" sind Erst- und Zweitkläss-
ler gemischt, zum neuen Schuljahr werden viele Zweitklässler in die 3 wechseln, einige werden ihr 3. Schulbesuchsjahr aber im JüL machen, außerdem
kommen neue Erstklässler hinzu. Ich weiß noch nicht, wie ich damit weiterarbeiten werde, weil natürlich so keine kontinuierlich aufbauende Arbeit
möglich ist. Ich hoffe, im übernächsten Schuljahr (durch eine komplette Neustrukturierung der gesamten Schule in große Lernlandschaften), den Musik-
unterricht wieder jahrgangsgetrennt unterrichten zu können, so dass Aufbau möglich wird. Dann könnten wir auch endlich offiziell "Chorklassen" ein-
richten. 25 Wir haben zwei Standort und sind einzügig. Da ist die Verpflichtung in einen Schulchor schwierig. 29 Die Chorklassen sind zu groß. Stimmbildnerische Maßnahmen können nur selten angewendet werden, da die Schülerinnen und Schüler unterschiedlich
motiviert sind. Die Bezahlung der Lehrkraft für Chorleitung ist geringer als die von beamteten Lehrkräften. Es wird nur der tatsächliche Unterricht ver-
gütet. 30 www.choristklasse.de 33 Die Stimmbildung mache ich an unserer Schule selbst, da ich ausgebildet bin. 34 Eine Kollegin, die sich wie ich für die Chorklassenleitung qualifiziert hat, ist zur Zeit in der Elternzeit. Eine andere Musikfachfrau ist gerade schwanger
und geht im Sommer in Elternzeit. Ich bin dann vorerst die einzige, die qualifizierten Musikunterricht anbieten kann. Dennoch werden wir im neuen
Schuljahr immerhin 2 Chorklassen (3. und 1. Klasse) haben. 37 - Stimmbildung in Gruppen von einer halben Klasse à 25 Minuten wöchentlich, wird vom Musiklehrer erteilt, die Schüler lieben die halbe Stunde sehr,
die in der 7. Stunde (Mittagspause) stattfindet woran sich die Chorstunde anschließt, zwei "Chöre": Junger Chor 5 und Junger Chor 6 mit jeweils derzeit
98
62 Kindern, jeder Chor erarbeitet eigenes Repertoire aber auch gemeinsame Stücke; Junger Chor 5: in der Regel 1-2stimmig, Junger Chor 6: bis zu 4-
stimmig 38 Ich habe gerade erst begonnen. Durch die Integrierte Eingangsstufe ist keine kontinuierliche Chorklasse von 1 bis 4 möglich. 43 - 5. Jahrgangsstufe: 2 Chorklassenstunden von insgesamt 2 Musikstunden
6. Jahrgangsstufe: 2 Chorklassenstunden von insgesamt 2 Musikstunden, dazu 1 Stunde Unterstufenchor verpflichtend
(in Zukunft werde ich eine weitere Stunde für die 5. Klassen "Stimmbildung" einrichten, da der U-Chor auf ca. 100 SchülerInnen angewachsen ist und
ich nicht mehr allen "hilfsbedürftigen" Schülern im Klassen- oder Chorunterricht gerecht werden kann). 44 Im ersten Jahr haben die Schüler drei Stunden, im zweiten Jahr 2 Stunden und Unterstufenchor. 45 Die Schüler haben 2 Wochenstunden mehr Unterricht, der für Musik genutzt wird, über die Schulwoche verteilt.
Das Singen und stimmbildnerische Übungen begleiten den Unterrichtsvormittag. Die Klassenleiterin ist in Stimmbildung und Gesang ausgebildet (pri-
vate Ausbildung) , eigenes Konzept. 47 - Schüler haben 2x pro Woche Stimmbildung (1x 15 Kinder Gruppe, 1x einzelne 2-3 Kinder) 51 Wir haben sehr gute Bedingenungen, je 2 Klassen in der 5. und 6. Klasse, alle nehmen an einer Chorprobe teil, alle erhalten pro Woche 20 Minuten
Stimmbildung in der halben Klasse von den Musiklehrerinnen, die in dieser Hinsicht sehr gut ausgebildet sind. Wir haben Konzert, wo der Chor auftritt:
Weihnachten, Sommer, Chorissimo (eigenes Chorklassenkonzert), Opernprojekt "Zauberflöte" am Jahresende mit der "Jungen Oper" Detmold. 53 Es werden ganz "normale" Schulklassen als Singeklassen geführt, im Idealfall meine eigene Klasse, in der ich als Klassenleiterin tätig bin. Mittlerweile
wünschen sich Eltern und auch Schüler Singeklasse sein zu dürfen. 54 - Musikraum sehr klein, Ausstattung instrumentaler Art ebenfalls, drei Stunden wären wünschenswert, lässt sich aber mit meinen Stunden nicht realisie-
ren 55 Wir arbeiten daran, nicht nur in der 6., sondern auch in der 5. Jahrgangsstufe drei Musikstunden zu bekommen.
99
13.4.2 Teil B: Arbeit mit relativer Solmisation
Legende
Frage
1. Konzept 2 Nutzen Sie die relative Solmisation im Rahmen einer
der folgenden Konzepte? (Konzeptfrage 2)
Tonika-Do Tonika-Do-Methode
Kodály Kodály-Methode
MLT Music Learning Theory nach Edwin E.
Gordon
Schullz Schullz-Methode
2. HZ Nutzen Sie bei der Arbeit mit der relativen Solmisation
die entsprechenden Handzeichen?
3. Solm. Einh. Solmisationseinheiten pro Unterrichtsstunde in Minu-
ten?
4. Arbeiten Sie zusätzlich mit einer Rhythmussprache (z. B. nach Kodály,
Gordon oder Jale)?
Schullz Rhythmussprache nach Schullz-Methode
W Rhythmussprache nach Ward-Methode
5. Tonkreis Richten Sie sich bei der Auswahl neuer Lieder nach den
systematischen Gesichtspunkten (Tonkreisen) der relati-
ven Solmisation?
6. Dur / Moll / KT Mit den Schülern werden oft Lieder Dur, Moll,
Kirchentonarten gesungen.
1 trifft voll zu 3 trifft kaum zu
2 trifft teilweise zu 4 trifft gar nicht zu
7. Rel. Sol.
seit:
Wie lange wenden Sie bereits die relative Solmisation in
Ihren Chorklassen an?
8. Notation Mit welcher der folgenden Notationen arbeiten Sie in
Ihren Chorklassen?
HZN
graf.
Handzeichennotation (mit graphischer Tonhö-
hendarstellung)
HZN Handzeichennotation (ohne graphische Ton-
höhendarstellung)
BN
graf.
Buchstabennotation (mit graphischer Tonhö-
hendarstellung)
BN Buchstabennotation (ohne graphische Tonhö-
hendarstellung)
KopfN Kopfnotation (tradiertes Fünfliniensystem mit
relativem Schlüssel)
MN moderne Notenschrift (absolut notiert)
9. Bitte ordnen Sie die folgenden Ausbildungsschwerpunkte nach der
Wichtigkeit bei der Arbeit in Ihren Chorklassen aus.
(1= am wichtigsten; 7= am wenigsten wichtig)
Aud Audiation (Musikalische Vorstellungskraft bzw. Ton-
raumvorstellung nach E. Gordon)
SB Stimmbildung (Stimmliche und sprachliche Ausbildung)
Lied Erarbeitung und Pflege von Liedern
MuTh Musiktheorie
MuGe Musikgeschichte
Rhy Rhythmusarbeit
Lesen Vom Blatt Singen
100
Frage
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
TN Kon-
zept 2 HZ
Solm.
Einh.
Rhythmusspr
ache Tonkreis Dur Moll KT
Rel. Sol.
seit: Notation Aud Lied
Mu
Ge MuT
h Rhy SB Lesen
1 W ja 20 Min. W eher nein 1 1 3 10 Jahre HZN graf.; MN 1 4 2 3 5 6 7
2 - ja 10 Min. - nein 1 1 3 10 Jahre KopfN; MN 1 3 6 4 5 2 7
5 Schullz ja 15 Min. Schullz eher nein 1 2 3 < 1 Jahr HZN graf.; BN graf.; KopfN
1 4 7 6 3 2 5
6 - ja 15 Min. Kodály eher nein 1 1 2 2 Jahre HZN graf.; HZN; KopfN
3 1 7 5 4 2 6
9 MLT nein 25 Min. Gordon nein 2 2 3 3 Jahre BN; MN 2 4 7 3 5 1 6
10 Kodály ja 15 Min. Kodály eher ja 2 2 3 > 10 Jahre KopfN 3 2 7 6 4 1 5
11 T-Do ja 20 Min. Kodály ja 1 2 4 < 1 Jahr keine 5 2 6 3 4 1 7
12 Kodály ja 05 Min. Kodály nein 1 2 4 4 Jahre HZN graf.; HNZ; BN 3 7 2 4 6 5 1
13 - ja 10 Min. Kodály eher nein 1 1 4 1 Jahr HZN graf.; HNZ; BN 6 4 7 5 2 1 3
14 Tonika-
Do ja 10 Min. Kodály nein 2 2 3 1 Jahr HZN graf. 4 3 7 5 2 1 6
15 - ja 10 Min. Kodály eher nein 2 2 2 < 1 Jahr HZN graf. 3 1 7 4 5 2 6
16 - ja 10 Min. - eher nein 1 1 3 5 Jahre HZN 4 1 7 5 3 2 6
17 T-Do ja 05 Min. Kodály nein 2 2 3 < 1 Jahr HZN; BN 4 1 6 5 2 3 7
19 - ja 20 Min. - eher nein 1 1 4 1 Jahr HZN; MN 2 5 7 4 6 1 3
20 - ja 10 Min. - eher nein 1 3 4 1 Jahr HZN graf.; MN 4 1 6 7 3 2 5
21 Schullz ja 10 Min. Schullz eher nein 2 2 3 1 Jahr HZN graf. 4 1 7 5 3 2 6
22 - ja 05 Min. - eher nein 1 2 3 < 1 Jahr keine 6 1 3 5 4 2 7
24 ChK ja 15 Min. - eher ja 1 2 4 1 Jahr HZN graf. 2 1 6 7 4 3 5
25 - ja 05 Min. Kodály eher nein 1 3 3 < 1 Jahr HNZ 5 3 7 6 1 2 4
27 T-Do ja 15 Min. - eher ja 3 3 1 3 Jahre HZN 7 3 5 1 6 2 4
28 sonst. ja 10 Min. - ja 1 1 1 > 10 Jahre MN 3 5 7 4 2 6 1
30 T-Do ja 15 Min. Kodály eher ja 1 2 3 2 Jahre HZN graf.; MZ 3 5 1 2 4 7 6
101
31 Kodály ja 05 Min. Kodály eher nein 1 1 3 10 Jahre sonst. 3 6 1 2 5 7 4
32 - ja 10 Min. Kodály eher ja 1 3 4 3 Jahre HZN graf.; MZ 6 3 5 4 2 1 7
33 Kodály ja 15 Min. Kodály eher ja 1 1 3 3 Jahre HZN graf.; KopfN 2 1 7 5 6 3 4
34 Kodály ja 05 Min. Kodály eher nein 1 2 3 2 Jahre HZN graf. 4 1 7 5 3 2 6
37 - nein 05 Min. - eher nein 1 1 1 8 Jahre BN graf.; KopfN; MN 3 1 7 6 2 5 4
38 - ja 10 Min. Kodály nein 1 2 3 < 1 Jahr BN graf. 4 1 5 6 2 3 7
39 T-Do ja 05 Min. - nein 1 2 3 3 Jahre KopfN 7 1 5 3 4 2 6
42 - nein 05 Min. - eher nein 1 2 4 < 1 Jahr HZN graf. 4 2 6 3 5 1 7
43 T-Do ja 10 Min. - eher nein 1 1 2 4 Jahre KopfN 3 1 7 4 6 2 5
44 - ja 05 Min. sonst. nein 2 2 2 6 Jahre MN 2 7 1 3 4 6 5
46 Kodály ja 05 Min. Kodály eher ja 1 2 3 2 Jahre HZN graf.; HZN; BN
graf. 3 1 7 5 4 2 6
47 T-Do ja 10 Min. (-) Gor-
don nein 2 2 2 2 Jahre HZN graf.; HZN 2 4 5 6 3 1 7
48 sonst. ja 05 Min. - eher nein 1 1 1 5 Jahre MN 3 1 6 5 4 2 7
49 sonst. ja 05 Min. - nein 1 1 1 3 Jahre MN 4 1 3 5 6 2 7
50 - ja 05 Min. Gordon eher nein 2 2 2 4 Jahre MN 2 4 6 5 3 1 7
51 T-Do ja 05 Min. - ja 1 1 4 4 Jahre MN 5 1 6 4 7 3 2
52 Kodály ja 10 Min. - ja 2 2 3 3 Jahre MN 7 3 5 6 2 1 4
53 Kodály ja 10 Min. sonst. eher nein 2 2 2 2 Jahre HZN; KopfN 2 1 7 6 3 4 5
54 T-Do ja 10 Min. - nein 1 2 2 3 Jahre MN 7 1 5 4 3 2 6
55 - ja 10 Min. - nein 2 2 2 2 Jahre MN 4 1 7 5 6 2 3
TN Anmerkungen der RS-Musiklehrer zur methodischen Arbeit in den Chorklassen
5 Die Mischung macht´s, methodische Vielfalt erreicht die unterschiedlichen Lern-Kanäle und sorgt für Abwechslung.
9 Die moderne Notenschrift wird erst nach ca. 1 bis 1,5 Jahren eingeführt.
10 Es macht Spaß :-)
11 Relative Solmisation sehr motivierend für die Kinder ('Geheimsprache')
13 Die Fragen passen nicht zu 100% zu meiner Arbeit. Zu anderen Fragen: Ich kenne die hier genannten Personen- und Konzeptnamen nicht.
102
Und wenn ich das alles nachgucken müsste, reichten die 10 Minuten nicht aus, sorry. So weiß ich z. B. nicht, was Audiation ist, kann aber
sein, dass ich das mache...???
17 man kommt kaum vom Fleck, nach einigen Monaten immer noch nur so und mi
28 Leider nutzen nicht alle Kollegen das Solmisieren
37 Die Solmisation (viel angewendet nach der Kodály-Methode) hilft den Schülern, sich über Stimm- und Melodieverläufe bewusst zu werden
und eine zusätzliche Stimmsicherheit zu erlangen, Notentext stimmlich umzusetzen, viel vom Blatt singen, auf verschiedenen Tonhöhen,
Solmisation als Orientierung in der jeweiligen Tonalität., In der Mehrstimmigkeit hilft die Solmisation, seine Rolle im harmonischen Zu-
sammenhang zu erkennen (z. B. Leitton-Grundton-Schritt, Quintklänge mit hinzugefügter Terz....), oder Sicherheit in der eigenen Stimmlinie
im Stimmengewirr der Mehrstimmigkeit zu erlangen,
43 Ich richte mich in der 5. Jahrgangsstufe mindestens im ersten Halbjahr bei der Auswahl der Stücke nach der rel. Solmisation (wenige Altera-
tionen/Modulationen). Moll eher ab der 6. Jgst. Die verschiedenen Notationen von Punkt 8 interessieren mich sehr!
46 Solmisation hilft sehr stark auch in äußerst lernschwachen Gruppen
51 Wir wechseln die Methodik sehr oft: Einsingen mit der Kette nach Schnitzer, Vom Blatt singen mit Solmisation, Kadenzen, Mehrstimmiges,
Kanons, Lieder, Musiktheorie, Musikhören
53 Handzeichen der Relativen Solmisation werden erlernt und singend benannt (Do Re Mi....) Ausschnitte aus Liedern oder Begleitstimmen
werden so tonlich erarbeitet, Begleitungen auch mit Handzeichen gesungen. Kaum werden ganze Lieder solmisiert, eher schwierige Melo-
dieverläufe oder Intervallkombinationen.
54 die Gesangpädagogin übernimmt den Part der Solmisation zu Beginn des Unterrichts, die Schüler haben so z.T. das Singen vom Blatt ge-
lernt, beherrschen die Handzeichen, haben Freude daran
55 Ich mache meine ersten Erfahrungen mit dem Chorklassenmodell.
103
13.4.3 Teil C: Wissen über relative Solmisation
Legende Frage 1. Rel. Sol. künftig? Können Sie sich vorstellen relative Solmisation künftig in Ihren Chorklassen einsetzen?
2. LV Wurden in Ihrer Ausbildung zum Musiklehrer Lehrveranstaltungen zur relativen Solmisation angeboten?
k. A. weiß ich nicht mehr
3. Selbst Haben Sie sich mit der relativen Solmisation selbständig auseinandergesetzt?
4. Faktoren Was müsste passieren, damit Sie künftig relative Solmisation in Ihren Chorklassen einsetzen?
Int. Interesse entwickeln
Fb. Besuch einer Fortbildung
Aust. Austausch mit Musiklehrern die relative Solmisation einsetzen
5. Notation Mit welcher der folgenden Notationen arbeiten Sie in Ihren Chorklassen?
KopfN Kopfnotation (tradiertes Fünfliniensystem mit relativem Schlüssel)
MN moderne Notenschrift (absolut notiert)
6. Dur / Moll / Kirchentonarten Mit den Schülern werden oft Lieder Dur, Moll, Kirchentonarten gesungen.
1 trifft voll zu 3 trifft kaum zu
2 trifft teilweise zu 4 trifft gar nicht zu
7. Bitte ordnen Sie die folgenden Ausbildungsschwerpunkte nach der Wichtigkeit bei der Arbeit in Ihren Chorklassen aus. (1= am wichtigsten; 7=am wenigsten)
Aud. Audiation (Musikalische Vorstellungskraft bzw. Tonraumvorstellung nach E. Gordon)
Lied Erarbeitung und Pflege von Liedern MuGe Musikgeschichte
MuTh Musiktheorie
SB Stimmbildung (Stimmliche und sprachliche Ausbildung)
Rhy Rhythmusarbeit
Lesen Vom Blatt Singen
104
Frage 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
TN RS künftig LV Selbst Faktoren Notation Dur Moll KT Aud. Lied MuGe MuTh Rhy SB Lesen
3 nein ja ja k. Int. MN 1 1 2 3 1 6 7 4 2 5
4 eher nein k. A. nein Aust. keine 1 2 3 4 2 5 6 1 3 7
7 eher nein nein nein Int. MN 1 1 3 2 1 7 5 6 3 4 8 eher ja nein ja Fb. MN 1 2 3 2 1 7 5 4 3 6 18 eher nein k. A. nein Fb. keine 1 1 1 2 4 6 5 3 1 7 23 eher nein nein ja sonst. MN 1 2 4 6 3 5 4 2 1 7 26 eher ja ja nein sonst. MN 1 1 3 5 1 6 3 2 4 7 29 ja nein ja Fb. MN 1 1 1 3 4 7 6 5 1 2 35 eher ja nein ja Aust. MN 1 3 4 4 1 7 6 2 3 5 36 eher nein nein ja Fb. MN 1 1 1 5 2 6 7 3 1 4 40 eher nein nein ja Aust. keine 1 2 3 4 2 6 5 3 1 7 41 eher ja nein nein Fb. keine 1 2 2 7 3 5 6 2 4 1 45 nein nein nein Fb. graf. 1 1 4 6 1 4 5 3 2 7 TN Anmerkungen der ORS-Chorklassenleiter zur methodischen Arbeit in den Chorklassen Ihrer Schule
3 Da an unsere Schule Schüler aus unterschiedlichen Grundschulen und mit unterschiedlichen Vorerfahrungen hinsichtlich des Singens
kommen, haben wir uns gegen die Solmisation entschieden. Zudem würde ein Erlernen der Solmisation in dieser Klassenstufe viel Zeit
kosten und es müsste noch mehr differenziert werden. Wir starten gerade den Versuch mit den Schülern das Singen vom Blatt zu üben,
was bisher ganz gut klappt.
29 Begonnen wird mit dem Einsingen und stimmbildnerischen Maßnahmen. Dann wird altes Liedgut wiederholt und Neues erarbeitet.
105
13.4.4 Teil D: Erfahrungen der Chorklassenleiter
Legende
Frage 1. Die Schüler können...
Töne Töne sauber abnehmen Dreiklänge Dreiklänge sauber singen
Quinte im Quintraum sauber singen Kopfstimme mit der Kopfstimme singen
Oktave im Oktavraum sauber singen rhyth. rhythmisch sicher singen
2. Ambitus Die Schüler weisen durchschnittlich folgenden Tonumfang auf:
k. A. keine Angabe
3. Mehrstimmigkeit Die Schüler sind in der Lage mehrstimmig sicher zu singen.
2 zweistimmig 4 vierstimmig
3 dreistimmig
4. Mehrstimmigkeit 2 Die Antwort zum mehrstimmigen Singen (Frage 3) bezieht sich überwiegend auf das mehrstimmige Singen von ...
Satz Satzgesang
5. Die Schüler können...
Melodien einfache Melodien Rhythmen einfache Rhythmen
1 Vom Blatt Singen
2 Selbständig erarbeiten
3 Mithilfe des Lehrers erarbeiten
7. Reflexion Die Schüler sind in der Lage die eigene musikalische Leistung angemessen zu reflektieren bzw. bewerten.
8. Motivation Sind die Schüler der Chorklassen Ihrer Erfahrung nach motivierter im Musikunterricht als Schüler regulärer Musikklassen?
k. A. keine Angabe
106
Frage 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
TN Töne Quinte Oktave Dreiklän-
ge
Kopf-
stimme
rhyth. Ambitus Mehr-
stimmig-
keit
Mehr-
stimmig-
keit 2
Melo-dien
Rhythmen
Refle-xion
Motivati-
on
1 1 1 1 1 2 1 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 1 2 ja ja
2 1 1 1 1 2 2 ≤ 2 Oktaven 3 Satz 2 2 ja ja
3 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 4 Satz 2 1 ja ja
4 1 1 1 2 2 1 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 3 2 eher ja k. A.
5 1 1 1 1 1 1 ≤ 2 Oktaven 2 Kanon 2 2 ja ja
6 2 2 2 2 2 2 ≤ 1 Oktave nein Satz 3 3 eher nein eher ja
7 2 2 2 3 3 1 ≤ 1 Oktave nein Kanon 3 3 eher ja ja 8 2 2 2 2 2 2 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 2 2 eher ja eher nein
9 2 1 1 1 1 2 ≤ 1,5 Oktaven 4 Kanon 1 1 eher ja ja
10 1 1 1 1 1 2 ≤ 2 Oktaven 2 Satz 1 1 eher ja ja
11 1 1 2 2 1 1 ≤ 2 Oktaven nein Kanon 3 2 eher nein
eher ja
12 2 2 2 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 3 3 eher ja ja
13 1 1 1 1 2 1 k. A. 2 Kanon 1 1 eher nein
eher ja
14 2 2 2 3 1 2 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 3 2 eher ja eher ja
15 1 1 1 1 1 1 k. A. 2 Kanon 1 1 eher ja eher ja
16 2 2 2 2 2 2 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 3 2 eher ja eher ja
17 2 2 3 3 3 2 ≤ eine Quinte nein
3 3 eher nein
eher ja
18 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 3 3 eher ja ja
19 1 1 2 2 1 3 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 2 3 eher ja ja
20 2 1 1 2 2 2 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 3 2 eher nein eher ja
21 1 2 3 3 2 2 ≤ 1 Oktave nein
3 3 eher nein eher ja
107
22 2 2 2 2 2 3 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 3 eher ja ja 23 2 2 2 2 2 2 k. A. 3 Kanon 3 2 ja ja
24 2 2 2 2 3 2 k. A. 2
3 3 eher nein eher nein
25 1 2 3 1 2 1 k. A. 3 Kanon 3 1 eher nein eher ja
26 1 1 1 1 2 2 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 3 3 eher nein ja
27 1 1 2 1 2 2 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 1 1 eher ja eher ja
28 1 1 1 1 2 2 ≤ 2 Oktaven 4 Satz 1 1 eher ja ja
29 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 3 3 eher ja k. A.
30 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 3 ja ja
31 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 2 1 ja ja
32 2 2 2 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 2 ja ja
33 1 1 2 1 2 2 ≤ 1 Oktave 2 Satz 2 2 ja eher ja
34 2 2 2 2 2 1 k. A. 2 Kanon 3 2 eher ja k. A.
35 2 2 3 2 2 2 ≤ 1,5 Oktaven 2 Kanon 3 3 eher ja ja
36 2 2 2 3 2 3 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 3 3 eher nein eher ja
37 1 1 1 1 1 1 ≤ 2 Oktaven 4 Satz 1 1 ja eher ja
38 2 2 2 2 2 2 k. A. nein
3 2 eher nein
eher ja
39 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 3 3 eher nein
ja
40 2 1 1 2 1 1 k. A. 3 Kanon 3 3 eher ja ja
41 2 1 2 2 2 1 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 3 eher nein
eher ja
42 3 3 3 2 2 2 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 3 3 eher nein
nein
43 1 2 2 2 1 2 ≤ 2 Oktaven 2 Satz 2 3 eher ja ja
44 1 1 1 1 2 2 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 1 eher ja ja
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45 3 3 2 2 2 1 ≤ 1,5 Oktaven nein Kanon 3 3 eher nein
eher ja
46 2 3 3 2 1 2 ≤ 1,5 Oktaven nein Satz 3 2 eher ja eher ja
47 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 3 Satz 3 2 eher ja eher ja
48 1 1 1 1 1 2 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 3 3 ja ja
49 1 1 1 1 1 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 3 3 ja ja
50 1 1 2 2 1 1 ≤ 2 Oktaven 2 Satz 2 1 eher ja eher ja
51 1 1 1 1 1 1 ≤ 2 Oktaven 3 Satz 3 3 ja ja
52 2 2 2 2 3 1 ≤ 1,5 Oktaven 2 Satz 2 2 eher ja eher nein
53 1 1 1 2 1 2 ≤ 2 Oktaven 3 Kanon 2 2 eher ja k. A.
54 2 2 2 2 2 2 ≤ 1 Oktave 2 Kanon 3 2 eher ja eher ja
55 2 1 1 2 3 3 ≤ 1,5 Oktaven 3 Kanon 3 3 eher nein
eher ja
TN Anmerkungen aller Chorklassenleiter zu Ihren Erfahrungswerten
5 Die Schülerinnen und Schüler profitieren in vielfacher Hinsicht und sind mit Freude und großem Engagement dabei. Sie lieben diese Chorstunden.
10 Die Leistungen schwanken innerhalb jeder Gruppe und von Jahr zu Jahr. Ich habe mich bemüht Durchschnittswerte anzugeben.
11 Die Arbeit in den Chorklassen erfolgt leider nebenher. Der Schulalltag mit all den Problemen (Konflikte der Schüler, Unterrichtsstoff bewältigen, El-
ternarbeit) steht einfach im Mittelpunkt, da bestimmte Ziele erreicht werden müssen und das durch die vermehrten Schwierigkeiten der Kinder immer
schwieriger wird. , Für die Kinder ist es schön, dass sie Gesangs -Aufführungen haben und so Erfolgserlebnisse erfahren können. Sie erleben ihre
Stimme neu und entwickeln sie bewusst (das Erlebnis, die Kopfstimme zu entdecken, ist für alle besonders)., Die Ausbildung zur Chorklassenlehrerin
lohnt ich auf jeden Fall! 13 Ich bin noch im ersten Jahr, die Angaben sind Wunschvorstellungen.
15 Die Fragen der letzten Seite kann ich noch nicht beantworten. Die Prioritätenliste auf der vorletzten Seite funktionierte nicht. Die Rangfolge stimmt
also nicht mit meinen Prioritäten überein. 21 Ich besitze erst seit einem Jahr eine Chorklasse. Dabei handelt es sich um eine 1. Klasse. Mit Hilfe von Zweitklässlern im Chor können sie im Kanon
singen. 22 Meine Chorklasse befindet sich erst im dritten von vier Jahren, daher können die Erfahrungswerte vorerst nur Vermutungen sein.
24 Meine Erfahrung beziehen sich lediglich auf das erste Jahr Chorklassenarbeit, also Rückblick auf ein Jahr! Ich habe (s.o.) noch keine Chorklasse wei-
terführen können bis zum Abschluss.
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29 Es kommt darauf an ob man eine Grundschulklasse unterrichtet, oder eine 5 Klasse in einer weiterführenden Gesamtschule., Bei der Grundschulklasse
(4 Klasse auf dem Dorf) läuft der Unterricht prima. An der Gesamtschule mit 25 Schülern unterschiedlichster Kulturen verläuft der Unterricht mehr in
disziplinarischen Maßnahmen. Das Chorsingen nimmt einen geringeren Teil der Unterrichtsstunde in Anspruch. 30 Sind die Schüler der Chorklassen Ihrer Erfahrung nach motivierter im Musikunterricht als Schüler regulärer Musikklassen? , Unbedingt, wir haben
parallel 1 musische Klasse, 1 Chorklasse, 1 Wirtschaftsklasse. Hier sind himmelweite Unterschiede in Motivation und Können etc. 34 Wie aus den Jahreszahlen ersichtlich, verfüge ich erst über 2 Jahre Chorklassenerfahrung. Darum kann ich vieles noch nicht wirklich einschätzen.
35 Ich würde gern mehr mit der Solmisation arbeiten. Normalerweise wird das Fach Musik bei uns nur einstündig unterrichtet. Meine Klasse hat eine 2.
Stunde. Im letzten Halbjahr haben wir viel für die Aktion Klasse! wir singen geprobt. Die Kinder lieben das rhythmische Arbeiten. Beim Abnehmen
von Tönen haben einige noch Probleme. Wir arbeiten viel mit Dirigierübungen und Kreissingen, d. h. Töne weitergeben. Zurzeit proben wir am Ein-
schulungsstück für die Einschulung und singen dabei auch Lieder zum Teil mit selbsterdachtem Text. Auffällig ist aber die generelle Leistungssteige-
rung meiner Schüler, seitdem wir so viel singen. Meine Klasse bringt in allen Fächern gute Leistungen und ist sehr reflexionsstark. Dabei war es eine
absolute Brennpunktklasse mit hohem Migrationsanteil und Kindern mit festgestelltem Förderbedarf, der natürlich noch weiterhin besteht. Dennoch
eine Klasse, in der die Arbeit große Freude bereitet. Wir haben durch die Chorarbeit schon mehrere Auftritte gehabt, was den Zusammenhalt und den
Selbstwert gesteigert hat 37 Die Schüler verhalten sich sozialer als in anderen Klassen, Konflikte werden schneller bearbeitet, kommen genauso häufig vor wie in Regelklassen.
Nebeneffekt: in der Präsentation z. B. von Referaten sind sie in den Folgejahren sicherer und souveräner! 43 Der beste Musikunterricht, seit ich 2011 zum Chorklassenunterricht gewechselt habe... Beglückend für alle Seiten: Schüler, Lehrer, Eltern, Chefs (Kol-
legen bin ich nicht so sicher,) 45 Die Schüler entdecken ihre Stimme und den Tonumfang erst mit der ersten Klasse, da vom Kindergarten/Elternhaus wenig Vorbildung zu erwarten ist.
In der 1. Klasse wird Basisarbeit geleistet, viele Schüler lassen sich erst nach und nach auf das Singen ein, hören lange Zeit zu und denken, sie würden
singen, obwohl sie der Gemeinschaft nur beiwohnen. Rhythmische Patterns werden mit Körperinstrumenten erarbeitet und täglich geübt, eine koordi-
native Herausforderung für manche Schüler. 47 Nach 2 Jahre Gesangsklasse haben wir 2.Preis gewonnen bei Landeschortage
48 Effekt ist, dass die Kinder im Unterricht nur noch singen möchten und das Interesse für Musiktheorie sinkt.
53 Wie motiviert Schüler tatsächlich im Musikunterricht sind, liegt an der jeweiligen Unterrichtsführung, nicht unbedingt an der Anzahl gegebener Stun-
den. Außerdem spielen die Lernvoraussetzungen, die Elternunterstützung und die Schulgemeinschaft eine wesentliche Rolle am Gelingen der Sin-
geklasse. 2 Schulklassen haben die 2- jährige Ausbildung durchlaufen, mit sehr verschiedenem Endergebnis. 'Meine' Klasse ist dadurch sehr gut vo-
rangekommen, im musikalischen Können, als auch im sozialen Miteinander durch gemeinsames Musizieren. Eine zweite Singeklasse, in der ich nur
Musiklehrerin war, kann nicht so gute Ergebnisse aufweisen, die Jungen dieser Klasse sind froh, nicht mehr Singeklasse sein zu müssen. Mein Einfluss
war hier nicht ausreichend oder tiefgreifend genug, als dass spürbare Veränderungen im Musikverhalten deutlich wären. Eine weitere Klasse wird von
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meiner Kollegin und dem Tandempartner unterrichtet, hier sind hingegen gute Ergebnisse schon nach einem Jahr hörbar. Die neue Singeklasse
2015/16 wird wieder meine Klasse, wir wollen sie bis zum leichten Blattsingen befähigen, Solmisation verstärkt einsetzen, da gute Basics vorhanden
sind, wie sauberes, motiviertes Singen (Jungen und Mädchen), zweistimmiges Satzsingen, 3-4 stimmiges Kanonsingen. 54 Klassen sind extrem unterschiedlich, habe eine 4. Klasse, die sich sehr gut entwickelt und in dem einen Jahr bereits soweit ist, wie die 6.Klasse, die ich
jetzt abgegeben habe. In dieser sind bereits mehrere Jungen im Stimmbruch, was die Arbeit erschwert hat. Auch einige Mädchen haben sich im Sop-
ranbereich nicht mehr wohlgefühlt. Es hängt viel vom allgemeinen Klassenklima und der Leistungsbereitschaft der Klasse ab. Die Arbeit macht viel
Freude und man sieht, wie die Kinder sich entwickeln und welche Fähigkeiten sie erworben haben.
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Eigenständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst, deren Inhalt nicht bereits für
andere Prüfungsarbeiten verwendet und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel be-
nutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken
(dazu zählen auch Internetquellen) entnommen wurden, sind kenntlich gemacht.
Potsdam, 03.09.2015
Olga Maier