cérébrale zirkulationsstörungen bei hirngeschwülsten

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166 G. Bodechtel und G. DSring: erniedrigt. Der Niichternblutzucker betr/~gt 206 rag-%. Die R5ntgen- aufnahme des Sch/~dels 1/~13t groBe Enostosen des Os frontale erkennen. Diese Kombination yon Enostosenbildungen des Stirnbeins mit Fett- sucht und h/~ufig aueh neurologisehen Symptomen ist yon Steward, Morell und Moore beschrieben worden. Es handelt sich wahrscheinlich um eine erbliehe polyglandul/~re Mi6bildung, die allerdings durch die starken Enostosen zu echten Hirndruekerscheinungen fiihren kann und dann einer operativen Behandlung bedarf. Zahlreiche an@re StSrungen, die einen Tumor imitieren kSnnen, sind teils bereits von anderer SeRe genannt worden oder sind so wohl bekannt, dab sich eine eingehendere ErSrterung nicht lohnt. Ieh erinnere an das chronische subdurale H/~matom, an die Pachymeningitis haemorrhagica, die Lues cerebri, die Aqu/~duktstenosen, die traumatische Arachnoiditis, die Hirnabscesse. Soweit es sich dabei um Erkrankungen handelt, die einer operativen Therapie zug/~nglieh sind, gehSren sie natfirlich zum Neurochirurgen. Trotzdem wird wohl jeder Neurologe den Ehrgeiz haben, zwar alle operativ zu behandelnden Erkrankungen zu erfassen und rechtzeitig zum Neurochirurgen zu schicken, andererseits aber auch eine tiberfliissige Tumordiagnose mSgliehst zu vermeiden. Es fragt sich nun, wieweit der Neurologe auch die eingreifenderen diagnostischen Mal~- nahmen handhaben darf, ohne den Kranken zu gef/~hrden. Ich sehlage auf Grund unserer Erfahrungen vor, dal3 man bei allen denjenigen Erkran- kungen, die bereits mit einer eindeutigen Stauungspapille einhergehen, auf weitere Manipulationen verzichtet und die Kli~rung der Diagnose dem Neurochirurgen iiberl/~Bt. Wenn aber langsame Wesensvers und cerebrale Erseheinungen einsetzen, die den Verdaeht auf einen be- ginnenden Hirntumor nahelegen, so empfiehlt es sieh zum mindestens einmal zu eneephalographieren. Eine Arteriographie empfiehlt sich nur dann, wenn auf Grund des Encephalogramms der Verdaeht auf einen raumbeschr/~nkenden Prozei3 besteht, oder wenn die RSntgenbilder ver- d/~ehtig auf eine Gef/~BmiBbildung sind. Besteht aber auf Grund yon Befund und Vorgeschichte Verdaeht auf eine degenerative Gef/tSerkran- kung, so ist es besser auf eine Arteriographie zu verziehten. Cerebrale Zirkulation sst6rungen bei Hirngeschwiilsten. Von ft. Bodechtel und G. Diiring, Hamburg-Eppendorf. Mit 11 Textabbildungen. ZirkulationsstSrungen in Form yon Blutungen in und um den Tumor sind uns beim Hirntumor durchaus gel/~ufig. Im Schrifttum wird wieder- holt der Gedanke ausgesproehen, dal3 das Tumorgehirn nieht nur zur

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Page 1: Cérébrale Zirkulationsstörungen bei Hirngeschwülsten

166 G. Bodechtel und G. DSring:

erniedrigt. Der Niichternblutzucker betr/~gt 206 rag-%. Die R5ntgen- aufnahme des Sch/~dels 1/~13t groBe Enostosen des Os frontale erkennen.

Diese Kombination yon Enostosenbildungen des Stirnbeins mit Fett- sucht und h/~ufig aueh neurologisehen Symptomen ist yon Steward, Morell und Moore beschrieben worden. Es handelt sich wahrscheinlich um eine erbliehe polyglandul/~re Mi6bildung, die allerdings durch die starken Enostosen zu echten Hirndruekerscheinungen fiihren kann und dann einer operativen Behandlung bedarf.

Zahlreiche an@re StSrungen, die einen Tumor imitieren kSnnen, sind teils bereits von anderer SeRe genannt worden oder sind so wohl bekannt, dab sich eine eingehendere ErSrterung nicht lohnt. Ieh erinnere an das chronische subdurale H/~matom, an die Pachymeningitis haemorrhagica, die Lues cerebri, die Aqu/~duktstenosen, die traumatische Arachnoiditis, die Hirnabscesse. Soweit es sich dabei um Erkrankungen handelt, die einer operativen Therapie zug/~nglieh sind, gehSren sie natfirlich zum Neurochirurgen. Trotzdem wird wohl jeder Neurologe den Ehrgeiz haben, zwar alle operativ zu behandelnden Erkrankungen zu erfassen und rechtzeitig zum Neurochirurgen zu schicken, andererseits aber auch eine tiberfliissige Tumordiagnose mSgliehst zu vermeiden. Es fragt sich nun, wieweit der Neurologe auch die eingreifenderen diagnostischen Mal~- nahmen handhaben darf, ohne den Kranken zu gef/~hrden. Ich sehlage auf Grund unserer Erfahrungen vor, dal3 man bei allen denjenigen Erkran- kungen, die bereits mit einer eindeutigen Stauungspapille einhergehen, auf weitere Manipulationen verzichtet und die Kli~rung der Diagnose dem Neurochirurgen iiberl/~Bt. Wenn aber langsame Wesensvers und cerebrale Erseheinungen einsetzen, die den Verdaeht auf einen be- ginnenden Hirntumor nahelegen, so empfiehlt es sieh zum mindestens einmal zu eneephalographieren. Eine Arteriographie empfiehlt sich nur dann, wenn auf Grund des Encephalogramms der Verdaeht auf einen raumbeschr/~nkenden Prozei3 besteht, oder wenn die RSntgenbilder ver- d/~ehtig auf eine Gef/~BmiBbildung sind. Besteht aber auf Grund yon Befund und Vorgeschichte Verdaeht auf eine degenerative Gef/tSerkran- kung, so ist es besser auf eine Arteriographie zu verziehten.

Cerebrale Zirkulation sst6rungen bei Hirngeschwiilsten.

Von ft. Bodechtel und G. Diiring, Hamburg-Eppendorf.

Mit 11 Textabbildungen.

ZirkulationsstSrungen in Form yon Blutungen in und um den Tumor sind uns beim Hirntumor durchaus gel/~ufig. Im Schrifttum wird wieder- holt der Gedanke ausgesproehen, dal3 das Tumorgehirn nieht nur zur

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ttirnschwellung neige, sondern in seinem gesamten Vasomotorium abartig reagiere, jedenfalls anders als das gesunde. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die Ansichten Heymanns und anderer Autoren, welche auf sehwere tSdliche Komplikationen aufmerksam machen, die im Anschlug an relativ harmlose diagnostische Eingriffe von sonst guter Vertr/~gliehkeit auftreten. Vor kurzem hat Kau/mann 1 auf Anregung des einen von uns (Bodechtel) an einer grSgeren Anzahl operierter Hirn- tumoren, die ad exitum kamen, einwandfreie ZirkulationsstSrungen mit entsprechend typischen, histologisch fagbaren Ver~nderungen

Abb . 1. B r i i c k e n h a u b e n b l u t u n g bei e inem p a r a s a g i t t a l e n D u r a e n d o t h e l i o m (46j~hr iger Mann) .

beschreiben k6nnen, welehe weitab vom 0perationsfeld lagen und nieht etwa dutch direkt bei der Operation stattgefundene meehanisehe Kom- pression der Gef/~ge des Operationsbereiehs entstanden waren. Vielmehr handelt es sich um isehs Nekrosen mit 1Jbergang zur Erweiehung, zum Teil mit, zum Tell ohne Blutungen. Kau[mann bezog diese Ver- /mderungen in Anlehnung an die Ansehauungen Rickets und an diej enigen Spielmeyers und seiner Schiller auf Irritationen des eerebralen Vaso- motoriums, welehe in Form von Angiospasmen oder Stasen das Gewebe seh/~digen. In Verfolgung derartiger Gesiehtspunkte hat nun der eine von uns (DSring) aueh bei niehtoperiert zu Tode gekommenen Hirn- tmnoren mehr oder weniger systematiseh naeh Kreislaufst6rungen gesucht. Uber dieses Ergebnis wollen wit in folgendem beriehten.

Zun/tehst beseh/tftigen wit uns mit solehen Ver/~nderungen, die uns schon bei der makroskopischen Hirnsektion auffallen, n/~mlieh mit den Blutungen. Es ist das Verdienst von Fischer und Rosenhagen auf die

1 Erscheint in dieser Zeitschrift 1938.

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Lokalisation von grS•eren Blutungen im Hirnstamm ~ufmerksam gemacht zu haben, die unabhi~ngig vom Tumorsitz auftreten. Auch wir

Abb . 2. I s ch~mische Ze l lg ruppe der Vierh t tge l reg ion bei e inem Gl iob l a s tom des H e m i s p h ~ r e n m a r k s u n 4 der S t a m m g a n g l i e n ( F r a u y o n 60 J a h r e n ) . Nissl .

Abb. 3. Ischfiznisch e r k r a n k t e Zelle i m O c u l o m o t o r i u s k e r n (pa r a sag i t t a l e s D u r a e n d o t h e l i o m bei 46 j~hr igem Mann) . Niss l .

verfiigen fiber eine Reihe von Fitllen, von denen wir nur einige Beispiele demonstrieren wollen.

Man kann solche Blutungen, wie sie im ersten Bild gezeigt werden (Abb. 1), nicht ohne weiteres mit dem Begriff agonaler Erscheinungen abtun. Erstens sind sie ffir die gew6hnli0hen agonalen Blutaustrit te

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viel zu ausgedehnt und zweitens konnten wir in ihrer Umgebung einwand- freie Zellerkrankungen (Abb. 2 und 3) beobaehten, die zu ihrer Ent- stehung eine gewisse Zeit brauchen, also vital entstanden sein miissen. Man kann sie auch nicht ohne weiteres mit den sog. Duretschen Blutungen, wie sie bei Sch/~deltraumen h/~ufig vorkommen, vergleichen, denn diese sitzen bekanntlich nieht nur am (~bergang vonder Brficke zum Mittel- hirn, wie die Blutungen beim Tumor, sondern h/~ufig auch im Bodengrau

Abb . 4. R i n g b l u t u n g e n im z e n t r a l e n t t S h l e n g r a u ( p a r a s a g i t t a l e s D u r a e n 4 o t h e l i o m bei 46 jhhr igem Mann) . Niss l .

der Medulla oblongata. AuSerdem ist uns aber weiterhin aufgefallen, dal~ in der Umgebung dieser Blutungen nekrotische Partien vorkommen. Nicht nur die umgebenden Nervenzellen, sondern auch die Gliaelemente weisen dabei weitgehende regressive Veriinderungen auf, wie wir sie vonder Markglia z. B. bei Carotisunterbindungen (G. Mi~ller) her kennen. Man finder alle Oberg/s von der kleinen typischen Ringblutung (Abb. 4) bis zur grol~en Massenblutung; in der weiteren Umgebung auBerdem perivascul/s (~dembildungen (Abb. 5). Wir konnten an unserem Hamburger Tumormaterial ungef/~hr l0 F/ille solcher Mittel- hirn-Briickenhaubenblutung beobachten, und zwar sowohl bei nieht- operierten F/illen, wie auch bei operativ angegangenen bzw. bei solchen, bei welchen ein neurochirurgischer Eingriff (Ventrikelpunktion, Enee- phalographie, Zisternen- und Lumbalpunktio~ vorgenommen worden war. Auffallenderweise sahen wir sie auch gepaart mit einer enormen

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Hirnschwellung vorkommen. Wir erblicken darin insofern nichts Beson- deres, als unserer Meinung nach bei der Hirnschwellung auch der vasale }~aktor eine Rolle spielen mu~. Andererseits aber erscheint uns das Vor- kommen derartig ausgedehnter Haubenblutungen flit die Todesursache keineswegs gleichgfiltig, denn solche ZirkulationsstSrungen in einem fiir die vegetativen Regulationen fiberaus wichtigen Gebiet dfirften letale Bedeutung haben.

Abb . 5. P e r l v a s a l e 0 d e m b i l d u n g e n in de r Br i i ckenhaube . (G l iob l a s toma m u l t i f o r m e i rn Sch l~fen]appen bei e inem 40j~hr igen Mann . ) Niss l .

Als weitere wichtige Tatsache erscheint uns das Vorkommen von typischen Nekrosen im Tumorgehirn, was uns fast ausschlieBlich beim Glioblastoma multiforme begegnete. Wir meinen damit nicht jene Nekrosen im Tumor selbst oder in dessen unmittelbarer Umgebung, die man sich durch Thrombenbildungen im Tumor oder durch Kom- pression der Gef~e um den Tumor entstanden denken kann, vielmehr haben ~ r dabei einwandfreie Erbleichungen bzw. Erweichungen in solchen Gegenden im Auge, die vom Blastom welter entfernt lagen und deren Entstehung man nicht auf den direkten EinfluI~ der komprimie- renden Tumormassen beziehen kann. Die Abb. 6 soll Ihnen derartige Verh~ltnisse zeigen, tiler finden wir bei einem im Mark der Insel und im angrenzenden Zentrum semiovale entwickelten Gliablastom, entfernt vom eigentlichen Tumor, ich~mische Iqekrosen (Erbleichungen), u.a.

auch im Ncl. caudatus, Putamen und in der BalkenfuBstrahlung. Auch

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im Gyrus einguli, der durch Hirnschwellung in die Cisterna inter- hemisphaerica eingeprel~t war, sieht man einen f6rmlich herausgestanzten Nekroseherd. In der Inselrinde zeigen sich gleichfalls schwere StSrungen

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der Rindenarchitektonik und schon Kltere Gliawucherungen, die den SchluB zulassen, dab schon friiher vasale Schs in der Umgebung des Tumors stattgefunden haben miissen. Auch bei diesem Glioblastom

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lag eine starke Hirnschwellung vor, die sich wie auch die zirkulatorischen Ver~nderungen vorwiegend auf die Tumorseite beschr~nkte. In dem gleichen Fall, der eine 50 Jahre alte Frau betraf, war auch das Ammons- horn und die Olive geschs woriiber sps noch zu sprechen sein wird. Der vorliegende Fall war weder chirurgisch-diagnostiseh, noch -operativ angegangen worden, und bot eine kurze Anamnese von 4 Wochen. Die Kranke war in somnolentem Zustande in die Klinik eingeliefert worden.

Abb. 7. Erb le ichungsherd m i t kleinen Blu tungen am Boden des I I I . u m i t Zer- s tSrung tier Tube rke rne und des Ncl. supraopt icus (Glioblastom des vo rde ren Balkentei les

bei e inem 36j~hrigen Mann). N i s s l .

Angesichts derartiger Ver~nderungen bei nicht operierten Fs wird man solche ZirkulationsstSrungen in besonders ausgedehntem Ma~e beim Glioblastoma multiforme auch bei jenen F~llen erwarten kSnnen, die operativ angegangen waren. Schlie61ich werden ja durch den operativen Eingriff nicht nur lokale Hirnsch~digungen gesetzt, sondern infolge der Entlastung und durch die mechanischen Irritationen des Gef~apparates , z. B. durch Anlegen yon Clips usw., wird sich der Operationsshock auch auf das Gesamtvasomotorium des Cerebrums auswirken, zumal die An- nahme berechtigt ist, dab der Gef~linervenapparat des Tumorgehirns besonders empfindlieh ist, was wir einleitend hervorgehoben haben. So zeigt uns die Abb. 7, die von einem 36js Mann stammt, eine schwere postoperativ aufgetretene Nekrose am Boden des III . Ventrikels, welche einen Teil der Tuberkerne und den gleichseitigen Ncl. supra- opticus zerstSrt hat. Bei dem Patienten wurde lediglich eine Probe-

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excision aus dem Stirnhirn gemaeht, er starb 4 Stunden nach diesem Eingriff, nachdem er schon vorher stark somnolent gewesen war. Es ist ffir uns auf Grund der Kenntnisse fiber die zeitlichen Abl/~ufe derartiger Gewebsver/~nderungen wahrscheinlich, da~ die gezeigte Nekrose schon vor der Operation in der Entstebung begriffen war, denn innerhalb yon 4 Stunden k6nnen wir die Ausbildung einer derartigen Erbleichung mit l~bergang zur Erweichung nicht erwarten.

Abb. 8. Ammonshor~l mit Sektorerbleichung (Glioblastom bei einer 50jSkrigen Frau). Niss l .

Als weiterer Beweis, wie sehr das Tumorgehirn zur Zirkulations- stSrung neigt, fiihren wir die Vergnderungen an dem fiir vasale Schgden besonders vulnerablen Ammonshorn an. Wir konnten bei systematischen Untersuchungen dieser Formation, insbesondere auch wieder bei Fgllen yon Glioblastoma multiforme, die von Spielmeyer und seinen Schtilern hin- l~nglich geschilderten Ver~nderungen der Sektorerbleichung feststellen, aueh in solchen F~llen, bei welchen kein operativer Eingriff stattgefunden hatte. So zeigt Ihnen die Abb. 8 eine typische Erbleiehung des Som- mersehen Sektors. An den noch erha|tenen Nervenzellen finden sich isch~mische und homogenisierende Zellerkrankungen. Au6erdem fanden wir aueh ~ltere Sektorsch~digungen mit entsprechenden Gliareaktionen, d .h . mit l~bergang zur Erweichung, Neuronophagie, St/ibchenzell- wueherung, Substitution von Ganglienzellen und protoplasmatischer Glia (Abb. 9). Ein solcher Fall war uns besonders lehrreieh, weil er nach der operativen Intervention, die ein Glioblastoma multiforme

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ergab, auch schwere postoperative ZirkulationsstSrungen mit h~mor- rhagischer Infarzierung ganzer Windungstitler, entfernt vom Operations- gebiet zeigte. DaI~ in dem letztgenannten Fall ausnahmsweise der sog. resistente Bandteil betroffen war - - im fibrigen war auch der schmale Teil des Sektors gesch~digt - - , spricht nicht gegen die Deutung des Brides als vascul~re Sch~digung. Zwar ist dieser Zellabschnitt nach Spiel- meyer wegen seiner besseren Vascularisation gegeniiber den anderen

Abb . 9. S t ~ b c h e n z e l l w u c h e r u n g , p r o t o p l a s r a a t i s c h e A s t r o c y t e n w u c h e r u n g u n d Gef~l~- p ro l i f e r a t i on im re s i s t en t en B a n d t e i l u n d s c h m a l e n Sommerschen S e k t o r des A m m o n s h o r n s

( T e m p o r a l l a p p e n t u m o r , G l iob l a s tom.be i e iner 59 jhhr igen F rau ) . Niss l .

Formationen, wie dem Sommerschen Sektor, dem Endblat t und der Fascia dentata, f6rmlich unempfindlich gegen vascul~re Einflfisse, aber sehliel~lich gibt es auch Ausnahmen yon dieser Regel.

Gegen diese Befunde vascul~rer Ammonshornsch~digungen im Tumorgehirn wird man vielleicht den Einwand erheben, ob diese Ver- s nicht irgendwie auf eine andere Noxe - - etwa auf die der Arteriosklerose bzw. auf diejenige des Alters - - zuriickzuffihren sind. Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dab wir in F~llen mit vorgeriicktem Alter auf arteriosklerotische Ver~nderungen ganz besonders geachtet haben und sie bei den meisten F~llen mit Sieherheit ausschlie6en konnten. Andererseits haben wir die gleichen Ammonshornvers auch in kindlichen Tumorgehirnen gesehen. In selten eindrucksvoller Weise konnten wir einen solchen Befund selbst bei einem Kind yon 1 Jahr erheben. Hier war ein vom Kleinhirn ausgehendes Medulloblastom zum Liquorpassagehindernis geworden und hatte einen erheblichen Hydro-

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cephalus internus verursacht. Die mikroskopische Untersuchung des Gehirnes fSrderte insofern Besonderes, als im Sommerschen Sektor und im lateralen Endblatt der Ammonsformation zahlreiche gruppenfSrmig verteilte isch~mische Zellerkrankungen gefunden wurden (vgl. Abb. 10).

Zum Sehlusse mSchten wir noch die Sehs eines Systems hervorheben, von welchem wir seit den Untersuchungen von v. Braun-

mi~hl wissen, da6 es ebenso wie das Ammonshorn und die Kleinhirnrinde

Abb. 10. Isch~mische Zellgruppe aus dem schmalen Band des Sommerschen Sektors (Medulloblastom des Kleinhirns bei e inem l j~hr igen Kind) . N i s s l .

besonders empfindlich gegen vasculi~re Sch/iden ist, n/~mlich die Haupt- olive. Bei einer Reihe yon F/~llen verschiedenen Alters fanden wir starke Ganglienzellausf/~lle, besonders im dorsalen Bandabschnitt mit ent- sprechender reaktiver Gliawucherung (vgl. Abb. 11). Die noch erhal- tenen Zellen zeigten das Bild der Pigmentatrophie neben homogeni- sierenden Zellerkrankungen wie sie v. Braunmiihl beschrieben hat.

Die hier dargelegten zirkulatorischen Sch/~den beim Hirntumor haben nicht nur ffir den Anatomen Interesse, sondern ihre Kenntnis ist auch ffir den Kliniker von Bedeutung. Auf der einen Seite erkl/~ren sie das Zustandekommen gewisser postoperativ auftretender Erschei- nungen, wie vorfibergehende L~hmungen, die naeh der Lokalsations- lehre mit dem Sitz des Tumors nicht in Einklang zu bringen sind, andererseits aber sind sie auch wichtig ffir die Genese der voriiber- gehenden postoperativen Psychosen. v. Stockert hat auf der vorj/~hrigen Tagung in Frankfurt auf solche flfichtigen Herderscheinungen und

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1)sychosen aufmerksam gemacht, sie seinerzeit aber im wesentlichen auf die Hirnschwellung bezogen. Wir glauben auf Grund unserer Unter- suchungen annehmen zu mfissen, da]~ solche yore Tumor unabh~ngige Symptome nur auf ZirkulationsstSrungen beruhen, die gegebenenfalls auch reversibel sind. Nicht jeder Hirntumorkranke stirbt an seiner Hirnschwellung, sondern h~tufig linden sich neben einer solchen auch noch ZirkulationsstSrungen, die den Tod verursachen, besonders wenn

Abb. 11. Haup to l i ve m i t Ganglienzellausfall im 4orsalen Schleifenschenkel bei noch besser e rha l tenen la te ra len Bandbez i rken (Glioblastom boi 50j~hriger Frau) . Nissl .

sie sich in lebenswichtigen Zentren abspielen. Inwieweit hier patho- genetische Zusammenh/~nge vorliegen, soll im Rahmen dieser Mitteilung nicht er6rtert werden. Die von uns erhobenen anatomischen Befunde zeigen unseres Erachtens eindeutig, dab die von amerikanischen und deutschen Autoren empfohlene Vorsicht beim operativen Eingriff ihre Berechtigung besitzt, denn je schonender operiert wird, um so weniger wird das allgemeine Vasomotorium gereizt und um so weniger sind postoperative Komplikationen zu befiirchten. Jedenfalls liefern diese Beobachtungen ein pathologisches Fundament fiir die klinisch bekannte leichte Irritation des cerebralen Vasomotoriums beim Hirntumor. Die Bedeutung vasaler Momente fiir die Todesursache des Hirntumorkranken diirfte damit nicht mehr allein empirisch-klinische Tatsache sein, sie be- sitzt dutch unsere Untersuchungen vielmehr eine anatomische Grund]age.