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Bonding ist Gewaltprävention Workshop am 18.09.09 in Hildesheim anlässlich der Stillfachtagung „ … besonders Stillen“ des Deutschen Hebammenverbandes Elisabeth Kirsch, Hebamme und Karola Grüsgen, Hebamme

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Bonding ist Gewaltprävention

Workshop am 18.09.09 in Hildesheim anlässlich der Stillfachtagung „ … besonders Stillen“des Deutschen Hebammenverbandes

Elisabeth Kirsch, Hebamme undKarola Grüsgen, Hebamme

Was ist Bonding

Bonding = Bindung – Mutter-Kind-Bindung Bei Säugetieren ist Bonding existentiell (Odent,

Piondron, Le Neindre) Beim Menschen differzieren wir zwischen vorgeburtlichen Bonding und Bonding direkt nach der Geburt und auch später

Vorgeburtliches – intrauterines Bonding

Findet vor allem im den letzten 8 Schwangerschaftswochen statt, mit zunehmender kindlicher Reife

Verbindung auf physischer und psychischer Ebene

Angleichung des mütterlichen und kindlichen Rhythmus und der Reaktionen

z.B. des Schlafrhythmus →so ist Bonding kein auf einen kurzen Zeitraum

begrenztes Geschehen, sondern erstreckt sich über eine längere Zeit

Extrauterines Bonding

Aktive Kontaktaufnahme von Mutter und Kind

„Programmierung“ Bestes Zeitfenster 1 – 2

Stunden pp und die ersten Tage nach der Geburt → keine Trennung von Mutter und Kind

Bonding kann nachgeholt werden!

Physiologischer hormoneller Ablauf Oxytocin wird intermittierend ausgeschüttet Während der Wehe werden auch die

Stresshormone Katecholamine und Adrenalin freigesetzt → erhöht die Oxytocinausschüttung und die Bildung von Endorphinen → Durch Wehenschmerz steigt der Oxytocin-Spiegel → so wird Wehentätigkeit intensiviert und die Schmerztoleranz erhöht

zunehmende WT → Endorphinausschüttung ↑ → Trance, spontane Hypnose

Bei Weheninduktion sind Oxytocin oder PG konstant vorhanden → Endorphine↓

Hormonelle Kaskade Oxytocin wird auch als Liebeshormon bezeichnet Oxytocinspiegel steigt bei Geburt kontinuierlich

und erreicht Spitzenwert direkt nach Geburt Endorphinwerte steigen ebenfalls In der AP sorgen zunehmende Katecholamine für

eine „hellwache“ erste Begegnung Beim Kind fördern die Katecholamine die

Anpassung an O²-Mangel → all diese Hormone unterstützen Bonding, sorgen

für „Liebe auf den ersten Blick“

Vegetatives Nervensystem Vagotonus: Entspannung, Erweiterung,

Hyperämie, Wärme, feuchte Schleimhäutesollte unterstützt werden durch: Sicherheit und Gelassenheit ausstrahlen Ruhe, gedämpftes Licht Privacy, Türen geschlossen halten Würde der Frau achten Wehenpausen nutzen, Entspannung fördern→ unterstützt physiologischen Geburtsverlauf

und Bonding

Kindliche Fähigkeiten Geruchssinn → erkennen des mütterlichen

Geruchs, Finden der Brustwarze Tastsinn → fühlen der mütterlichen Haut, die

Haut ist größtes und sensibelstes Sinnesorgan Gehör → erkennen der Stimme, Klangfarbe Sehen → Sichtradius ca. 30 cm, Neugeb. kann

Mutter beim Stillen erkennen, Augenkontakt spielt große Rolle beim Bonding

Geschmackssinn → Brustwarzen und Kolostrum werden geschmeckt

Mütterliche Fähigkeiten

• Sehen: Blickkontakt, Kindchenschema• Hören: der erste Schrei • Sprechen: Babytalk, hohe Stimmlage,

beruhigende Sprechweise• Fühlen: und streicheln der weichen Babyhaut,

seiner Körperwärme und der suchenden Bewegungen

• Schmecken: Küssen• Riechen

Natürlicher Ablauf Frau gebärt aktiv Nach Partus betrachtet sie das Neugeborene

erst , dem ersten Schrei kommt eine wichtige Bedeutung zu

Frau nimmt aktiv das Kind zu sich, ein bewußtes Annehmen (Zeit lassen)

Nach 10 – 15 Minuten öffnet das Neugeborene seine Augen, erster Blickkontakt

Nach ~ 30 Min. fängt das Kind an zu suchen und bewegt sich aktiv Richtung Brust

Nach 40 – 55 Min. erfasst es selbstständig die Brust und saugt effektiv

Einsatz von Wehenmitteln• Verwendung von synthetischen

Oxytocin/Prostaglandinen auf gleichbleibenden Niveau → hemmt Endorphinausschüttung → Steigerung der Katecholaminausschüttung → Stresshormone ↑ , dadurch intensivere Schmerzempfindung

• Mehr Analgesien, PDA und Opioide mit den negativen Effekten aufs Bonding

• Häufigere Geburtskomplikationen, Fetaldistress = erschwertes Bonding

• Venöse Oxytocingabe hat keinen positiven Effekt auf Bonding, wie körpereigene Oxy-Ausschüttung

PDA, EDA, CSE, ...• Verwendung von Lokalanästhetika und Opioiden →

Walking-PDA• Verwendung von Lokalanästhetika → motorische

Blockade → Fehleinstellungen ↑

Effekte der PDA• Mutter: Hypotonie, Inmobilität → Fehleinstellungen,

Fieber, Schüttelfrost, protrahierter Geburtsverlauf, geringerer Pressdrang → vag.op. Entbindung↑, körpereigenes Oxy ↓, Katecholamine ↓ → weniger Beta-Endorphine

• Kind: Bradykardie, Fieber, V. a. fet. Infektion → Trennung pp., Fetaldistress,

→ schlechte Voraussetzungen für gutes Bonding ‼

SectioDer OP – ein Ort zum Verlieben?• Äußere Umstände sind schwierig: Kind ist eingewickelt →

wenig Hautkontakt, Mutter ist in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, viele Menschen sorgen für Unruhe, keine Privacy, grelles Licht → wenig Blickkontakt ....

• Mütterliche hormonelle Ausgangssituation bei elektiver Sectio:

Oxytocin gering, wichtig für's „Verlieben“ Endorphine fehlen, es gibt kein „Hochgefühl“, es kommt langfristig zu einer geringeren

Prolaktinausschüttung, mütterlicher Stress ↑• Kindliche hormonelle Ausgangssituation bei elektiver Sectio: deutlich niedrigere Katecholamine → mehr Atemprobleme,

schlechtere Energieversorgung, weniger wach, keine Weitstellung der Pupillen

• Beeinträchtigung des Kinds durch Betäubungsmittel

Internetrecherche und Studienergebnisse

Effekte des Bondings

Renate Mitterhuber. Bonding und erstes Stillen http://www.rabeneltern.org/stillen/wissenswertes/mitterhuber1.shtml

Dr. Norbert Heinen, Frühgeburt und geistige Behinderunghttp://www.uni-koeln.de/hp-fak/gb/informationen/heinen/node62.html#SECTION00647000000000000000

Feldmann. R., et al, Frühgeburt und mütterliche Fürsorge, 2002 Feldmann, R., et al, Effekte der Kangaroopflege, 2002

Renate Mitterhuber:“Bonding und erstes Stillen” Die Liebe zum Kind ist Voraussetzung für die Sicherheit und

das Gedeihen des Kindes Diese Liebe “stellt sich nicht automatisch ein” Hautkontakt, Blickkontakt, Geruch, Laute usw. wirken

gegenseitig stimulierend Dadurch entsteht Bindung zwischen Mutter und Kind

(Bonding) Ungestörtes Bonding schafft Basis

− für die Beziehung− für dauerhaften Stillerfolg− für das fürsorgliche Verhalten der Mutter

Studienergebnisse(Widstrom AM, et al, 1990)

Anlegen innerhalb ca. 30 Min. p.p.

Kürzere Abgabezeiten im Kinderzimmer

Auffallend häufiger Sprechkontakt

Mehr Zuwendung 16 von 17 saugten gut an der

Brust (ohne Medikation)

später● Lange Abgabezeiten● Wenig Zuwendung

● Nur 7 von 15 saugten gut (ohne Medikation)

● Bei zusätzlicher Medikation saugte keins von 19 Kindern beim ersten Anlegen

Studienergebnis:Mutter – Kind Kontakt fördert fürsorgliches Verhalten

(S. O'Connor, et al, 1980) Frauen aus einem sozial schwachen Umfeld 1 Std. pp. kein Kontakt dann

Zusätzliche 12 Stunden Mutter-Kind Kontakt (134 Frauen)

Üblich zeitlich begrenzter Kontakt (143 Frauen)

Langzeituntersuchung über 17 MonateOhne zusätzliche Bondingzeit:

Signifikant häufigere Misshandlungen Aussetzen von Kleinkindern Vernachlässigung der Kinder im

Verhältnis 5:1

Dr. Norbert Heinen:„Frühgeburt und geistige Behinderung“

Die emotionalen Bindungen entwickeln sich sehr früh Kurz nach der Geburt existiert eine „sensible Phase“ Darin entwickelt sich die Mutter-Kind Bindung Zeit und Ruhe für intensiven Blick und Hautkontakt Dabei wird sich die Mutter ihrer neuen Rolle als Ernährerin, für

das Kind Verantwortliche in vollem Maße bewusst.

Dr. Norbert Heinen:„Frühgeburt und geistige Behinderung“

Längere Trennung haben enorme Auswirkungen auf die emotionale und soziale Entwicklung des Kindes

Dies ist zwangsläufig der Fall bei Frühgeburten Frühgeborene Kinder, die in den ersten Lebensstunden und

Lebenstagen von der Mutter getrennt waren, wurden im weiteren Lebensverlauf häufiger geschlagen.

Mutter und Baby finden auch nach Tagen und Wochen zueinander, wenn ihnen die Möglichkeit geboten wird.

Frühgeburt und mütterliche FürsorgeRuth Feldmann, et al, 2002

• Frühgeborene sind schläfriger, auch im Alter von drei Monaten

• Kommunizieren weniger mit ihren Eltern→ Schwierigkeiten in der Mutter-Kind-Interaktion• Trinken an der Brust erst spät oder gar nicht möglich• Schwierigkeiten in der Verhaltensregulation, sind schwerer

zu beruhigen→

• Mütter können kindliche Signale und Feinzeichen schwerer deuten

• Können nicht adäquat reagieren• Mütter berühren ihr frühgeborenes Kind seltener• Weniger Ansprache• Weniger Blickkontakt

Effekte der KangaroopflegeRuth Feldman, et al, 2002

Mit 2 h Kangaroopflege (KC) täglich kommt es zu:

• Mehr Mutter-Kind-Interaktion, mehr Berührung, adäquater Reaktion auf kindliche Signale

• Kinder sind mehr wach, häufiger im Blickkontakt mit Mutter

• Mütter hatten weniger depressive Symptome• Nach sechs Monaten waren Kinder mit KC kognitiv und

motorisch weiter entwichelt• Die mütterliche Sensitivität war deutlich höher, ebenfalls

die Qualität der Mutter-Kind-Interaktion• Nach sechs Monaten hatten KC-Kinder mehr gemeinsame

Aufmerksamkeit mit ihren Müttern und mehr Erkundungsverhalten im Spiel

„Je größer in einer Gesellschaft der Bedarf an Agressivität und an der Bereitschaft zur Zerstörung von Leben ist, desto massivere und bedrängendere Formen haben die Rituale und Überzeugungen angenommen, mit denen die Geburtsphase strukturiert wird. „(Michel Odent, „Die Wurzeln der Liebe“ 1999)

„ Der neugeborene S ugling äist in der Regel keine Sch nheit. Die Mutter hat öbisher nur einen kurzen Blick auf das Kind werfen k nnen, w hrend es beiseite ö ägelegt wurde .... „

( Dr. Johanna Haarer, „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ 1937)

„ ... so raten wir ganz unbedingt dazu, es von der Mutter getrennt unterzubringen und es ihr nur zum Stillen zu reichen.“

( Dr. Johanna Haarer, „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ 1937)

„Versagt auch der Schnuller, dann, liebe Mutter werde hart! ....“

( Dr. Johanna Haarer, „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ 1937)

Handlungsleitfaden zur Bondingförderung im Kreißsaal

Aufgeschlossenes Personal Mütter / Eltern werden über die Bedeutung und den

Ablauf des Bondings vor der Geburt informiert Rücksichtnahme auf religiöse und kulturelle

Bedürfnisse der Mutter Wenig Verwendung von Medikamenten (Sedativa,

PDA, Wehenmittel) unter Geburt → interventionsarme/freie Geburt

Empfohlene Vorgehensweise Der Mutter Zeit geben Ihr Kind anzunehmen und selbst zu sich zu

nehmen. (erster direkter Hautkontakt unterstützen) Das Kind wird abgetrocknet und mit Tüchern warm gehalten. Die Abnabelung erfolgt zu einem geeigneten Zeitpunkt. Das Kind bleibt in der Plazentaphase und der Versorgung

eventueller Geburtsverletzungen in den Armen der Mutter. Bequeme Lagerung von Mutter und Kind. Vermeidung von grellem Licht und Lärm. Dem Kind Zeit geben selbst die Brust zu erreichen und evtl. beim

Anlegen helfen. U1, Messen und Wiegen erfolgen frühestens nach dem ersten

Anlegen. Auskultieren und Apgar-Erhebung erfolgt auf dem Bauch der Mutter

Anziehen erfolgt frühestens vor der Kreißsaalverlegung Mutter und Kind werden gemeinsam verlegt..

Bonding kann gut gelingen, wenn Mutter und Kind nicht getrennt werden!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit