biomechanische aspekte zur implantatverankerung und kinematik von...

10
Orthopäde 2008 · 37:634–643 DOI 10.1007/s00132-008-1285-6 Online publiziert: 12. Juni 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 R. Bader 1  · D. Klüß 1  · L. Gerdesmeyer 2  · E. Steinhauser 3 1  Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock 2  Department für Endoprothetik und Wirbelsäulenchirurgie, Mare-Klinikum, Kiel-Kronshagen 3  Hochschule für angewandte Wissenschaften, München Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächen- ersatzhüftendoprothesen Leitthema Der künstliche Hüftgelenkersatz hat sich in den letzten Jahren deutlich auf jüngere und aktivere Patienten er- weitert. Jedoch weist dieses Patien- tenklientel laut schwedischem Endo- prothesenregister [24] höhere Locke- rungsraten sowie ein erhöhtes Revisi- onsrisiko auf [12]. Aus diesem Grund besteht die Forderung nach einem Gelenkersatz, welcher den operativ bedingten Verlust an Knochensubs- tanz minimiert und damit eine spä- tere Wechseloperation erleichtert [29]. Demzufolge ist der Oberflächen- ersatz am Hüftgelenk (hip resurfa- cing), d. h. nur die geschädigten Ge- lenkoberflächen werden endoprothe- tisch ersetzt, eine vielversprechende Alternative zur Standardhüftendo- prothese in der Behandlung von jun- gen, aktiven Patienten. Nach z. T. sehr schlechten klinischen Er- gebnissen in den 1970er und 1980er Jah- ren [28] erlebt der Oberflächenersatz am Hüftgelenk derzeit eine Renaissance in der Orthopädischen Chirurgie mit steigenden Implantationszahlen (Abb. 1). Opera- teure, die den Oberflächenersatz favori- sieren, verweisen dabei auf die niedrigen Abriebraten der Metall-Metall-Gleitpaa- rung [30], die geringe Alteration des fe- moralen Knochenlagers [2] und somit auf die Möglichkeit des uneingeschränkten Wechsels auf einen Standardhüftendopro- thesenstiel im Revisionsfall [1, 30]. Heute bieten nahezu alle großen Im- plantathersteller derartige Systeme an. Diese zeichnen sich durch eine Metall- Metall-Gleitpaarung, welche durch ver- besserte Fertigungstechnologien niedrige Abriebraten ermöglicht [34], eine meist zementierte Verankerung der Femurkap- pe sowie eine zementfreie Fixierung der Pfanne im azetabulären Knochenlager aus [15, 29]. Dennoch wird gegenwärtig die Qualität, der Nutzen und Vorteil von Oberflächenersatzsystemen im Vergleich zu konventionellen Endoprothesensyste- men kontrovers diskutiert. So stehen ei- nige Autoren dem verstärkten klinischen Einsatz des Oberflächenersatzes kritisch gegenüber und verweisen dabei auf die hohe postoperative Rate von Schenkel- halsfrakturen [26, 35], die Freisetzung von Metallionen mit konsekutiv erhöhten Metallkonzentrationen im Blut [38] sowie einen im Vergleich zur Standardendopro- these aufwändigeren Operationszugang mit entsprechend längerer Lernkurve für den Operateur [35]. In der vorliegenden Arbeit sollen bio- mechanische Gesichtspunkte zur Kinema- tik und Implantatverankerung, welche die Standzeit der Kappenendoprothesen be- einflussen können, dargelegt werden. Biomechanik und Implantatverankerung Femurkappenkomponente Die femorale Implantatkomponente beim Oberflächenersatz des Hüftgelenks besteht im Wesentlichen aus einer metallischen, dünnwandigen Kappe, welche den Artiku- lationspartner zur künstlichen Gelenk- pfanne darstellt und je nach Prothesen- design einem ebenfalls metallischen Füh- rungsstiel, welcher in Richtung der Achse des Schenkelhalses ausgerichtet ist. Rechl et al. [28] konnten mittels his- tologischer und kontaktradiographischer Methoden bereits nachweisen, dass der Knochen mit Umbauvorgängen auf die geänderte Belastungssituation auch bei den sehr klein ausgeführten Kappenen- doprothesen reagiert. So kommt es zum einen unter der Kappe oftmals zu einer weiträumigen Entlastung des Knochens durch das sog. „stress shielding“, was zur Verringerung der Knochensubstanz und konsekutiv zur Lockerung des Implan- tats führen kann. Zum anderen richtet sich die trabekuläre Knochenstruktur auf den Verankerungszapfen und/oder zu- sätzliche Knochenzementpfeiler aus [28]. Dies führt wiederum zum „stress shiel- ding“, sodass dem Zusammenspiel der elastischen Eigenschaften von Kappe und Führungsstiel eine biomechanisch ent- scheidende Funktion zukommt. Als Vari- 634 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Upload: r-bader

Post on 10-Jul-2016

216 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

Orthopäde 2008 · 37:634–643DOI 10.1007/s00132-008-1285-6Online publiziert: 12. Juni 2008© Springer Medizin Verlag 2008

R. Bader1 · D. Klüß1 · L. Gerdesmeyer2 · E. Steinhauser3

1 Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock2 Department für Endoprothetik und Wirbelsäulenchirurgie, Mare-Klinikum, Kiel-Kronshagen3 Hochschule für angewandte Wissenschaften, München

Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächen-ersatzhüftendoprothesen

Leitthema

Der künstliche Hüftgelenkersatz hat sich in den letzten Jahren deutlich auf jüngere und aktivere Patienten er-weitert. Jedoch weist dieses Patien-tenklientel laut schwedischem Endo-prothesenregister [24] höhere Locke-rungsraten sowie ein erhöhtes Revisi-onsrisiko auf [12]. Aus diesem Grund besteht die Forderung nach einem Gelenkersatz, welcher den operativ bedingten Verlust an Knochensubs-tanz minimiert und damit eine spä-tere Wechseloperation erleichtert [29]. Demzufolge ist der Oberflächen-ersatz am Hüftgelenk (hip resurfa-cing), d. h. nur die geschädigten Ge-lenkoberflächen werden endoprothe-tisch ersetzt, eine vielversprechende Alternative zur Standardhüftendo-prothese in der Behandlung von jun-gen, aktiven Patienten.

Nach z. T. sehr schlechten klinischen Er-gebnissen in den 1970er und 1980er Jah-ren [28] erlebt der Oberflächenersatz am Hüftgelenk derzeit eine Renaissance in der Orthopädischen Chirurgie mit steigenden Implantationszahlen (. Abb. 1). Opera-teure, die den Oberflächenersatz favori-sieren, verweisen dabei auf die niedrigen Abriebraten der Metall-Metall-Gleitpaa-rung [30], die geringe Alteration des fe-moralen Knochenlagers [2] und somit auf die Möglichkeit des uneingeschränkten

Wechsels auf einen Standardhüftendopro-thesenstiel im Revisionsfall [1, 30].

Heute bieten nahezu alle großen Im-plantathersteller derartige Systeme an. Diese zeichnen sich durch eine Metall-Metall-Gleitpaarung, welche durch ver-besserte Fertigungstechnologien niedrige Abriebraten ermöglicht [34], eine meist zementierte Verankerung der Femurkap-pe sowie eine zementfreie Fixierung der Pfanne im azetabulären Knochenlager aus [15, 29]. Dennoch wird gegenwärtig die Qualität, der Nutzen und Vorteil von Oberflächenersatzsystemen im Vergleich zu konventionellen Endoprothesensyste-men kontrovers diskutiert. So stehen ei-nige Autoren dem verstärkten klinischen Einsatz des Oberflächenersatzes kritisch gegenüber und verweisen dabei auf die hohe postoperative Rate von Schenkel-halsfrakturen [26, 35], die Freisetzung von Metallionen mit konsekutiv erhöhten Metallkonzentrationen im Blut [38] sowie einen im Vergleich zur Standardendopro-these aufwändigeren Operationszugang mit entsprechend längerer Lernkurve für den Operateur [35].

In der vorliegenden Arbeit sollen bio-mechanische Gesichtspunkte zur Kinema-tik und Implantatverankerung, welche die Standzeit der Kappenendoprothesen be-einflussen können, dargelegt werden.

Biomechanik und Implantatverankerung

Femurkappenkomponente

Die femorale Implantatkomponente beim Oberflächenersatz des Hüftgelenks besteht im Wesentlichen aus einer metallischen, dünnwandigen Kappe, welche den Artiku-lationspartner zur künstlichen Gelenk-pfanne darstellt und je nach Prothesen-design einem ebenfalls metallischen Füh-rungsstiel, welcher in Richtung der Achse des Schenkelhalses ausgerichtet ist.

Rechl et al. [28] konnten mittels his-tologischer und kontaktradiographischer Methoden bereits nachweisen, dass der Knochen mit Umbauvorgängen auf die geänderte Belastungssituation auch bei den sehr klein ausgeführten Kappenen-doprothesen reagiert. So kommt es zum einen unter der Kappe oftmals zu einer weiträumigen Entlastung des Knochens durch das sog. „stress shielding“, was zur Verringerung der Knochensubstanz und konsekutiv zur Lockerung des Implan-tats führen kann. Zum anderen richtet sich die trabekuläre Knochenstruktur auf den Verankerungszapfen und/oder zu-sätzliche Knochenzementpfeiler aus [28]. Dies führt wiederum zum „stress shiel-ding“, sodass dem Zusammenspiel der elastischen Eigenschaften von Kappe und Führungsstiel eine biomechanisch ent-scheidende Funktion zukommt. Als Vari-

634 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Page 2: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen
Page 3: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

ablen sind hierbei die Wandstärke, Quer-schnittsgeometrie sowie die innere Struk-turierung der Kappe und die Gestaltung des Führungsstiels hinsichtlich dessen Länge, Durchmesser und Rauheit anzu-führen.

Die Führungsstiele aktueller Kap-penendoprothesen weisen große Unter-schiede in ihrem Design auf. In . Abb. 2 ist beispielhaft ein Implantatsystem dar-gestellt, bei welchem über eine modu-lare Verbindungstechnologie der Füh-rungsstiel mit der Kappe verkoppelt wer-

den kann. Bei den meisten Femurkappen liegt der Durchmesser des Führungsstiels in einem Bereich von 3–10 mm und des-sen Länge zwischen 30 und 60 mm. Be-züglich der Oberflächenrauheit gestalten die Implantathersteller die Stiele von rau gestrahlt bis zu poliert.

Um das Risiko des „stress shielding“ zu reduzieren und eine möglichst physio-logische Kraftübertragung von der Kap-pe auf das femorale Knochenlager zu rea-lisieren, wurden in jüngster Zeit stiellose zementierbare Femurkopfkappensyste-me entwickelt, die an Stelle eines zentra-len Führungsstiels nur drei kleine Veran-kerungsdorne und einen Führungsstift aufweisen (. Abb. 3). Im Unterschied zu Standardkappensystemen, wird in dieser sog. Onlaytechnik die subchondrale kor-tikale Struktur weitgehend erhalten, um ein optimales Implantatlager zu bewah-ren [29]. Inwieweit durch ein derartiges Konzept kombiniert mit einer modifi-zierten Operationstechnik (alleinige Ent-knorpelung des Femurkopfes unter Er-haltung des kortikalen Knochens) „stress shielding“ vermieden werden kann, muss sich in den klinischen Anwendungsbeob-achtungen zeigen.

Heutzutage werden nahezu alle Fe-murkappen mittels Knochenzement auf den präparierten Hüftkopf veran-kert. Dabei wird der Zementiertechnik in Hinblick auf eine spätere aseptische Lockerung des Oberflächenersatzes so-wie die Wahrscheinlichkeit einer Schen-kelhalsfraktur eine entscheidende Rol-le zugesprochen. Amstutz et al. [1] haben den Einfluss der Zementiertechnik in ei-

ner retrospektiven Studie an 600 Femur-kappen bzw. 519 Patienten untersucht. In dem Patientenklientel konnten wesent-liche Faktoren für die Reduktion des Auf-tretens von aseptischen Lockerungen bzw. radiologischen Lockerungszeichen nach-gewiesen werden [1]. Zum einen war eine signifikante Verbesserung der Ergebnisse durch das Einbringen von mehreren Fixa-tionsbohrungen im Dombereich sowie im Bereich der Anfräsung des Femurkopfes zu erzielen, wobei die Tiefe der Bohrlö-cher (bei einem Durchmesser von 3 mm) etwa 3–5 mm betrug. Zum anderen re-sultierte dies durch konsequente Ausräu-mung der Knochenzysten sowie durch Trocknung des Knochens (nach der Jetla-vage) vor der Zementierung. Als 3. wich-tiger Optimierungsfaktor wurde die Ze-mentierung des Führungsstiels der Kappe erkannt, die bei Patienten mit einem hö-heren Risiko aufgrund des Vorliegens von Zysten von >1 cm oder bei kleinen Kap-pengrößen (<46 mm) die aseptische Lo-ckerung deutlich reduzieren konnte [1].

Den Einfluss der Zementiertechnik auf die Penetration des Knochenzements und dessen Verteilung untersuchten Bitsch et al. [10] in einer experimentellen Studie. An einem zuvor an humanen Knochen validierten, offenporigen, geschäumten Kunststoff wurden verschiedene Applika-tionsverfahren des Knochenzements (z. B. das Anmodellieren von Hand auf das fe-morale Implantatlager sowie das Auffül-len der Kappe mit Knochenzement) und Knochenzemente mit unterschiedlicher Viskosität hinsichtlich der Zementpenet-ration in das modellierte spongiöse Lager sowie die lokale Verteilung des Zements geprüft. Die Autoren empfehlen die ma-nuelle Applikation und Anmodellierung des Zements, da beim Auffüllen der Kap-pe mit Zement eine sehr tiefe Zementpe-netration (mit dem Risiko der Entstehung von Knochennekrosen), ein suboptima-ler Kappensitz (verbunden mit der Ge-fahr eines Schenkelhalsbruches) auftreten können, sowie sehr hohe Kräfte zum An-bringen der Kappe erforderlich sind [10].

Auch die Frästechnik des Kopfes, die damit verbundene tiefe Zementpenetra-tion und der damit verbundene intraos-säre thermische Schaden sind relevant [8]. So konnten Temperaturen von >60° über einen Zeitraum von fast 2 min gefunden

Abb. 1 8 Beispiel für Oberflächenersatzsysteme an der Hüfte

Abb. 2 8 Femurkappensystem, bei welchem der zentrale Führungsstiel modular in verschie-denen Durchmesservarianten und Längen mit der Kappe kombiniert werden kann

Abb. 3 8 Femurkappensystem mit miniaturi-sierten Führungsstift und drei kleinen Veranke-rungsdornen

636 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Leitthema

Page 4: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

werden, wenn eine 6 mm tiefe Penetra-tion des Zements stattfindet. Um die beim dorsalen Zugang vorhandene zugangsbe-dingte Perfusionsminderung nicht weiter zu verstärken, sollte eine weite Eröffnung der Spongiosa und ein zu dicker Zement-mantel vermieden werden [8, 22].

Schenkelhalsfrakturen und die asep-tische Lockerung der femoralen Kappe sind häufige Frühkomplikationen beim Oberflächenersatz des Hüftgelenks [25, 29]. Speziell die Schenkelhalsfrakturen rückten in das Zentrum des Interesses vie-ler Anwender. Mittlerweile konnten Risi-kofaktoren für diese postoperative Kom-plikation identifiziert werden. So konnte gezeigt werden, dass das Geschlecht der Patienten, das Vorliegen von Knochenzys-ten, aber insbesondere auch das intraope-rative Einkerben des Schenkelhalses mit dem Fräser (das sog. „Notching“) einen Einfluss auf das Eintreten einer Schenkel-halsfraktur haben [25]. So berichten Mar-ker et al. [25] in einer prospektiven Kohor-tenstudie (550 Patienten, 2,5% hiervon er-litten eine Schenkelhalsfraktur) von 5 Pa-tienten aus der Gruppe der Schenkelhals-frakturen, bei denen es intraoperativ zu einem „notching“ gekommen war. Die-se 5 Patienten entsprachen 36% aller Pa-tienten mit Schenkelhalsfraktur, der Ein-fluss des „notching“ war dabei statistisch signifikant. Um das Risiko für ein „not-ching“ des Schenkelhalses möglichst ge-ring zu halten, sind dünnwandige Pfan-nen, die ihrerseits die Verwendung von größeren Köpfen und dadurch eine kno-chensparende Präparation des koxalen Fe-murendes zulassen, zu bevorzugen.

Neben dem implantatassoziierten Pa-rameter der Kopfgröße und der dadurch nötigen Invasivität in der Fräsung des Oberschenkelkopfes kommt der Auswahl geeigneter Patienten und der Erfahrung des Operateurs eine entscheidende Rol-le für die Minimierung von Schenkelhals-frakturen zu. So berichten z. B. Marker et al. [25] bei den ersten 69 der 550 Patienten von 14 Schenkelhalsfrakturen, was einer Komplikationsrate von 17% entspricht. Bei den folgenden 481 Operationen tra-ten lediglich 2 weitere Schenkelhalsfrak-turen, d. h. mit einer Häufigkeit von 0,4%, auf. Diese Verbesserung führen die Auto-ren neben dem Zuwachs an operativer Er-fahrung auch wesentlich auf die Reduzie-

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2008 · 37:634–643   DOI 10.1007/s00132-008-1285-6© Springer Medizin Verlag 2008

R. Bader · D. Klüß · L. Gerdesmeyer · E. Steinhauser

Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

ZusammenfassungDer Oberflächenersatz des Hüftgelenks er-lebt derzeit eine Renaissance in der Orthopä-dischen Chirurgie mit steigenden Implantati-onszahlen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, biomechanische Grundlagen zur Implantat-verankerung und Kinematik von Kappenen-doprothesen darzustellen.

Die Verankerung der Femurkappe auf den präparierten Hüftkopf erfolgt heute meist mittels Knochenzement. Abhängig vom Im-plantatdesign kommt es unter der Kappe zu einer Entlastung des femoralen Knochens durch sog. „stress shielding“, was zu einer Ver-ringerung der Knochensubstanz und konse-kutiv zur Lockerung des Implantats führen kann. Jedoch kann sich die trabekuläre Kno-chenstruktur auch auf den Verankerungszap-fen, zusätzliche Knochenzementpfeiler und auf die elastischen Eigenschaften der Kappe ausrichten.

Die Pfannenkomponente wird meist ze-mentfrei in das Knochenlager eingesetzt. So-fern große Köpfe verwendet werden, ist die Dünnwandigkeit der Pfanne eine Grundvor-

aussetzung für eine knochensparende Präpa-ration des azetabulären Implantatlagers. Na-hezu alle aktuellen Oberflächenersatzsyste-me basieren auf der Metall-Metall-Gleitpaa-rung. Die Pfannen sind meist einstückig als Monoblockbauteil konzipiert, wodurch die spätere Revisionsoperation erschwert ist.

Kinematische Untersuchungen zeigen deutlich geringere Bewegungsumfänge von Kappenendoprothesen verglichen mit mo-dernen Standardhüftendoprothesen, da der relativ dicke Schenkelhals beim Oberflächen-ersatz ein geringeres Verhältnis von Kopf-durchmesser zu Halsdurchmesser bedingt. Das Anschlagen des Schenkelhalses an den Pfannenrand (Impingement) kann zu Sublu-xationen, Deformationen der Gleitflächen, Schenkelhalsfrakturen und Beeinträchti-gungen der Implantatverankerung im Kno-chen führen.

SchlüsselwörterHüftendoprothese · Oberflächenersatz ·  Implantatverankerung · Kinematik

Biomechanical aspects of the implant fixation and kinematics of hip resurfacing systems

AbstractHip resurfacing is undergoing a resurgence in orthopaedic surgery with an increasing num-ber of implantations. The objective of this ar-ticle is to present the biomechanical basics of implant anchorage as well as the kinematics of hip resurfacing implants.

Today, fixation of the femoral component onto the prepared femoral head is mainly done using bone cement. Depending on the implant design, the bone structures beneath the femoral component can be exposed to stress shielding, followed by degradation of the bone density and subsequent initiation of implant loosening. However, the trabecu-lar bone has the ability to adapt itself to the fixation peg, to additional cement pegs, and to the elastic properties of the femoral com-ponent as well.

The acetabular component is mainly in-serted into the bone stock without using ce-ment. Provided that large prosthetic heads will be applied, thin-walled acetabular cups are crucial for bone-saving preparation of the 

acetabular bone stock. Nearly all hip resurfac-ing systems are currently based on metal-on-metal wear-bearing couples. The acetabular components are mainly designed as mono-block implants, which can make subsequent revision difficult.

Kinematic analyses show a significant-ly lower range of motion of hip resurfacing implants compared with modern standard (stemmed) total hip replacement systems. This difference originates from the small ra-tio of the resurfaced femoral head diameter and the relatively thick neck of the femur. Im-pingement of the femur neck onto the rim of the acetabular component can result in sub-luxation, deformation of the bearing surfac-es, femoral neck fracture, and impairment of the bony anchorage of the hip resurfacing implants.

KeywordsTotal hip replacement · Resurfacing · Implant fixation · Kinematics

637Der Orthopäde 7 · 2008  | 

Page 5: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

rung der Wandstärke der monolithischen Pfanne von ursprünglich 10 auf 6 mm zu-rück [25].

Mittels einer experimentell validierten Finite-Elemente-Untersuchung hat eine Arbeitsgruppe aus Oxford und Bologna die Spannungsverteilung im Schenkelhals nach femoralem Oberflächenersatz unter-sucht [21]. Ziel dieser numerischen Studie war es, das Risiko für den Eintritt einer Schenkelhalsfraktur in Abhängigkeit der Qualität des Knochenlagers (normal, äl-terer Patient, osteoporotischer Knochen) und physiologischer Belastung zu ermit-teln. Als Vergleich dienten die ossären Dehnungen, die bei einer endoprothe-tischen Standardversorgung des Hüftge-lenks auftreten.

Little et al. [21] berichten, dass die knö-chernen Dehnungen nach Oberflächen-ersatz näher am intakten, physiologischen Zustand liegen als nach der Implantation eines Standardhüftstiels und dass bei nor-maler, altersentsprechender Qualität des Knochenlagers beim Oberflächenersatz keine Spannungen auftreten, welche das Risiko für Schenkelhalsfrakturen erhöhen. Diese Aussagen sind jedoch nur für eine bestmögliche Positionierung der Kappe ohne Einkerbung (notching) des Schen-kelhalses gültig, da keine Spannungskon-zentrationen im Schenkelhals angenom-men wurden. Bei den heute üblichen Kappensystemen erfolgt die Instrumen-tierung über den Schenkelhals. Da dieser in den verschiedenen Ebenen allerdings unterschiedlich dimensioniert ist, ist eine in allen Ebenen zentrale Platzierung der Zielinstrumente fast nicht möglich, was das hohe Risiko des „notching“ erklärt

[9]. Anders ist die Situation bei der sog. Onlaytchnik (. Abb. 4). Hier erfolgt die Ausrichtung über den Femurkopf, so dass der Schenkelhals unberührt bleibt [14].

Pfannenkomponente

In den 1990er Jahren wurde die Metall-Metall-Gleitpaarung in der Hüftendopro-thetik wiedereingeführt [31], nachdem die Versagensursachen der 1. Generation derartiger Implantate analysiert und die nötigen technischen Veränderungen so-wie Optimierungen vorgenommen wer-den konnten. Diese Hart-Hart-Paarung erlaubte es im Folgenden, nicht nur Stan-dardhüftendoprothesensysteme mit einer abriebarmen Gleitpaarung als Alternati-ve zur ebenfalls abriebarmen Keramik-Keramik-Paarung auszustatten, sondern ermöglichte die Konzipierung von dünn-wandigen künstlichen Hüftpfannen. So-fern große Köpfe verwendet werden sol-len, ist die Dünnwandigkeit der Pfanne ei-ne Grundvoraussetzung für eine knochen-sparende Präparation des azetabulären Implantatlagers.

In den 1990er Jahren manifestierten sich ernüchternde, mittelfristige Ergeb-nisse der sog. Doppelcuparthroplastik, die in den 1970er bis 1980er Jahren unter Verwendung einer metallischen oder ke-ramischen Kappe in Kombination mit ei-ner monolithischen, dünnwandigen Pfan-ne aus Polyethylen durchgeführt wurde [28]. Als eine der Hauptursachen für die hohen Lockerungsraten wurde die dünn-wandige Polyethylenpfanne erkannt, da sich diese zum einen unter Belastung des Hüftgelenks stark verformte und zum an-

deren durch die geometrischen Randbe-dingungen des Oberflächenersatzes ei-ne große Kontaktfläche zwischen Kopf und Pfanne bestand. Dies resultierte in sehr hohen Abriebraten des Polyethylens mit konsekutiver Pfannenlockerung und Ausbildung periprothetischer Knochen-defekte [28].

Die Wiedereinführung der Metall-Metall-Gleitpaarung ermöglichte es, die-se nachteiligen Aspekte der polyethylen-basierten Kappenendoprothetik zu umge-hen, sodass sich in den 1990er Jahren Ar-beitsgruppen in den USA, England und Deutschland mit der Weiterentwicklung der Oberflächenersatzsysteme beschäf-tigten. Nahezu alle Systeme zum sog. „hip resurfacing“ des Hüftgelenks basie-ren heute auf der Metall-Metall-Gleitpaa-rung und sind meist in hybrider Veran-kerungstechnik ausgeführt. Die Pfannen sind meist aus einem Stück als Mono-blockbauteil konzipiert. Dies bedingt im Fall einer späteren Revisionsoperation be-trächtliche Einschränkungen. Durch die Monoblockbauweise ist ein Auswechseln der pfannenseitigen tribologischen Kon-taktfläche ohne einen kompletten Aus-bau der Pfanne nicht möglich. Im Fal-le einer femurseitig bedingten Revisions- operation obliegt es dem Operateur, ob er einen neuen Femurkopf mit einer in situ verbleibenden Pfannenkomponente kombinieren oder einen Komplettwech-sel durchführen soll.

Sofern die Pfanne in situ verbleibt, kommt es in der Tribokontaktzone des Gelenks zur Paarung einer bereits einge-laufenen Pfanneninnenfläche mit einem neuen Kopf und somit unsicherer Ausge-

Abb. 4 9 Onlayober-flächenersatzsystem mit modular aufge-bauter Pfanne (Pfan-neneinsatz und Pfan-nengehäuse aus Me-tall)

Abb. 5 8 Designparameter für die konstrukti-ve Auslegung der analysierten Kappenendopro-thesendesigns (implantiert in Femur)

638 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Leitthema

Page 6: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

staltung des Spieles im Gelenkspalt. Aus Hüftabriebsimulatoruntersuchungen ist bekannt, dass gerade bei der Metall-Me-tall-Gleitpaarung diesem Spiel (Clearance) große Bedeutung für das Abriebvolumen und die Menge der anfallenden Abrieb- partikel zukommt [11, 23]. Bei einem Kom-plettwechsel hingegen kann es beim Aus-bau einer ossär gut integrierten Pfanne zu Schädigungen des azetabulären Knochen-lagers mit entsprechenden negativen Aus-wirkungen auf die Stabilität des Folgeim-plantats kommen. Einige Implantather-steller bieten in Analogie zur Standard-hüftendoprothetik als Lösungsoption ei-ne modular aufgebaute Pfannenkompo-nente (. Abb. 4) an, wodurch im Revisi-onsfall die Artikulationsflächen komplett erneuert werden können. Hierbei bedeu-tet Modularität einen erheblichen Vorteil für den Revisionsfall.

Die Pfannenkomponenten werden beim Oberflächenersatz der Hüfte zu-meist zementfrei in das Knochenlager ein-gesetzt. Die auf dem Markt befindlichen Pfannenimplantate unterscheiden sich in der Rückfläche, d. h. der Grenzfläche zum Knochen, durch unterschiedliche Makro- und Mikrostrukturierungen, welche in Kombination mit der Formgebung der Pfanne (Press-fit) eine hohe Primärstabi-lität als Voraussetzung für die Sekundär- bzw. Langzeitstabilität der Pfannen ge-währleisten sollen. Manche Pfannen sind auf ihrer knochenseitigen Rückfläche zu-sätzlich mit einer keramischen Beschich-tung (zumeist mit Calciumphosphat) ver-sehen, womit auf eine schnellere ossäre In-tegration abgezielt wird. Die Monoblock-bauweise erlaubt es nicht, die Primärsta-bilität der Pfanne durch zusätzliche Kno-chenschrauben zu erhöhen, da die not-

wendigen Durchgangsbohrungen für die Schrauben zwangsläufig zur Schädigung der Artikulationsfläche führen würden. Modulare Pfannensysteme bieten hier je-doch die Möglichkeit, eine zusätzliche Fi-xation des Pfannengehäuses mittels Kno-chenschrauben vorzunehmen.

Analyse von „range of motion“ und Impingement

Beim Oberflächenersatz stellt sich in An-betracht eines jüngeren Patientenklien-tels mit höheren Ansprüchen an den ge-währten Bewegungsumfang (range of motion, ROM) im Hüftgelenk die Frage, inwieweit diese Ansprüche im Vergleich zu einer Standardhüftendoprothese erfüllt werden. Hinsichtlich der ROM von Stan-dardsystemen wurden bereits eine Reihe von experimentellen Studien [4, 5], CAD-Analysen [6] und Finite-Elemente-Un-tersuchungen [17, 18, 27, 32, 36] durchge-führt. Eine der grundlegendsten Schluss-folgerungen dieser kinematischen Stu-dien war, dass ein geringeres Verhältnis von Prothesenkopf- zu Halsdurchmes-ser mit einer geringen ROM und früh-em Impingement einhergeht. In Finite-Elemente-Untersuchungen [17, 18] wur-de gezeigt, dass durch Impingement hohe Druckspannungen am Pfannenrand auf-treten, welche zu Implantatschädigungen in Form von keramischen Randabplat-zern oder plastischer Polyethylendefor-mation an Pfanneneinsätzen führen kön-nen. Bisher war wenig bekannt, inwieweit der im Vergleich zur Standardhüftendo-prothese sehr dicke, belassene Oberschen-kelhals die ROM nach Oberflächenersatz beeinträchtigt. Femoroazetabuläres Im-pingement und Schenkelhalsfrakturen

sind beim Oberflächenersatz hauptsäch-lich für implantatassoziierte Frühkompli-kationen verantwortlich [29].

Zur Untersuchung der ROM von Kap-penendoprothesen wurde eine dreidimen-sionale (3D-)CAD-Analyse an verschie-denen Implantatdesigns mit variierender Kopfgröße, Pfannengeometrie und Im-plantatposition durchgeführt [19]. Die ROM wurde bei 3 verschiedenen Bewe-gungsmustern gemessen:F  Flexion,F  Innenrotation bei 90° Flexion undF  Außenrotation bei 15° Adduktion und

10° Extension.

Die unterschiedlichen Designparame-ter für die konstruktive Auslegung der 8 untersuchten Kappenendoprothesende-signs sind in . Abb. 5 angegeben. Der Kopfdurchmesser DKopf, der Halsdurch-messer DHals in Abhängigkeit der Höhe des Halsübergangs a, der Pfannenaußen-durchmesser DPfanne und die Kopfüber-deckung φ [19] wurden entsprechend der in . Tab. 1 dargestellten Werte variiert. Die Implantatposition wurde in verschie-denen Inklinations- (45° und 60°) und Anteversionswinkeln (−15°,0°,15° und 30°) eingestellt. Aus Beckencomputertomogra-phie- (Becken-CT-)Daten von 3 Patienten mit passenden Femurkopfdurchmessern wurden mit der Software AMIRA (Mer-cury Computer Systems Inc., MA, USA) jeweils Becken und Femur dreidimensio-nal am Rechner rekonstruiert. Die daraus erhaltenen 3D-Facettenmodelle wurden mit der Software GEOMAGIC (Raindrop Geomagic Inc., NC, USA) in analytisch definierte Oberflächenmodelle umge-wandelt, um die Simulation im CAD-Pro-gramm (Pro/Engineer, Parametric Tech-

Tab. 1  Variation der konstruktiven Parameter der 8 untersuchten Kappenprothesendesigns sowie prä- und postoperatives Kopf-Hals-Verhältnis

Kappenprothesen-design

Kopf Pfanne Kopf-Hals-Verhältnis postoperativ

Kopf-Hals-Verhältnis präoperativDKopf [mm] a [mm] DHals [mm] DPfanne [mm] φ

1 42 8 34,5 48 180 42,0/34,5=1,217 43,4/34,5=1,258

2 42 8 34,5 48 165

3 48 10 39,2 54 180 48,0/39,2=1,224 50,6/39,2=1,291

4 48 10 39,2 54 165

5 50 10 41,4 56 180 50,0/41,4=1,207

6 50 10 41,4 56 165

7 54 12 43,8 60 180 54,0/43,8=1,233 56,0/43,8=1,279

8 54 12 43,8 60 165

639Der Orthopäde 7 · 2008  | 

Page 7: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

nology Corporation, MA, USA) zu ver-einfachen. Dabei wurde die Pfanne mit ihrem eigenen Rotationszentrum in das anatomische Rotationszentrum des Hüft-gelenks gelegt und in der entsprechenden Inklination und Anteversion positioniert. Der Durchmesser des Femurkopfes wur-de anhand einer überlagerten Kugel be-stimmt. Der Halsdurchmesser wurde an-hand eines Kreisquerschnitts bestimmt und die Größe der Kappenendoprothese so gewählt, dass die Kortikalisschicht bei der virtuellen Implantation nicht durch-brochen wurde. Anschließend wurde das Femur entsprechend der gewählten Kap-penendoprothese reseziert und die Pro-these in einem CCD-Winkel von 135° auf-gesetzt. Die prä- und postoperativen Ver-hältnisse von Kopf- und Halsdurchmes-ser sind in . Tab. 1 gegeben. Der femo-rale Offset wurde in normaler Richtung (senkrechter Abstand zwischen diaphy-särer Achse und Drehzentrum) sowie in vertikaler Richtung (vertikaler Abstand zwischen der Spitze des Trochanter major und dem Drehzentrum) bestimmt [19].

Mit dem implantierten Oberflächener-satz wurden bei 5 verschiedenen Implan-tatpositionen jeweils die 3 maximalen Be-wegungsumfänge gemessen. Die Bewe-gungen wurden simuliert bis ein Anschla-gen des Femurhalses an die Pfanne bzw. ein Anschlagen des Femurs an den Be-ckenknochen eintrat. Die erhaltenen Be-wegungsumfänge wurden mit denen ei-ner Standardendoprothese (32 mm Kopf-durchmesser, 14 mm Hals, 180° Kopf-überdeckung) verglichen. Der Oberflä-chenersatz mit 48 mm und mit 50 mm Durchmesser wurde zudem im gleichen Patienten simuliert, um den Einfluss der

nächst größeren Prothesengröße zu er-mitteln.

Nach der virtuellen Implantation der Kappenendoprothese sank das Kopf-Hals-Verhältnis durchschnittlich um ca. 5%. Mit steigender Kopfgröße wuchs das femora-le Offset. In . Abb. 6 ist eine implantierte Kappenendoprothese in Ausgangsstellung und bei Impingement bei Flexion darge-stellt. Die zusammengefasste Darstellung aller 3 Bewegungsmuster zeigt deutlich re-duzierte Bewegungsumfänge bei Kappen-prothesen im Vergleich zur Standardhüft-endoprothese (. Abb. 7). Mit keinem der analysierten Kappenprothesendesigns war eine reine Flexionsbewegung bis 90° mög-lich. Aus diesem Grund musste für die Si-mulation der Bewegungsform (Innenro-tation bei 90° Flexion) die Startposition in eine außenrotierte Lage versetzt werden, wodurch im Diagramm folglich negative Innenrotationswinkel aufgetragen sind.

In der reinen Flexion lagen die Bewe-gungsumfänge der Kappenendoprothe-sen mit 180° Kopfüberdeckung im Mittel um 48° unter der ROM der Standarden-doprothese. Mit einer niedrigeren Kopf-überdeckung von 165° waren die Bewe-gungsumfänge noch um 37° kleiner. Bei Innenrotation in 90° Flexion lagen die Bewegungsumfänge der Kappenprothe-sen im Durchschnitt um 40° (180° Kopf-überdeckung) bzw. um 31° (165° Kopf-überdeckung) unter der Standardendo-prothese. In allen Fällen konnte mit einer Verringerung der Kopfüberdeckung eine signifikante Steigerung der ROM erzielt werden. Bei der Bewegungsform (Außen-rotation in 15° Adduktion und 10° Exten-sion) trat zwischen dem Trochanter ma-jor und dem Os-ischii-Knochenimpinge-ment auf. Wie in . Abb. 7 zu entnehmen

ist, trat jedoch z. B. bei der 48-mm-Kap-penendoprothese mit 180° Kopfüberde-ckung sowie bei beiden 54-mm-Kappen-endoprothesen in Kombination mit 45° Inklination und 15° Anteversion das Pro-thesen- bereits vor dem Knochenimpinge-ment ein. Die Untersuchung, inwieweit ei-ne größere Prothesengröße die ROM be-einflusst, ergab mit der 50-mm-Kappe im Vergleich zur der 48-mm-Kappe einen ge-ringen ROM-Zuwachs von durchschnitt-lich 1,2°.

Die durchgeführten CAD-Untersu-chungen zeigten signifikant geringere Be-wegungsumfänge von Kappenendopro-thesen verglichen mit Standardhüften-doprothesen. Der relativ dicke Hals verur-sacht beim Oberflächenersatz ein geringes Verhältnis von Kopfdurchmesser zu Hals-durchmesser; in den oben genannten Un-tersuchungen lag der Wert zwischen 1,21 und 1,23 (. Tab. 1). Eine 32-mm-Stan-dardendoprothese mit 14 mm Halsdurch-messer weist dagegen ein Kopf-Hals-Ver-hältnis von 2,29 auf. Die geringe ROM ist jedoch nicht nur durch das ungünsti-ge Verhältnis von Kopfdurchmesser und Halsdurchmesser zu begründen. Im na-türlichen Hüftgelenk, wo ebenfalls ein niedriges Verhältnis zwischen Kopf- und Halsdurchmesser herrscht, wird frühzei-tigem Impingement durch Ausschnitte im Rand des Acetabulums vorgebeugt. Durch eine hemisphärische Form der Pfan-ne mit geschlossenem Rand und hoher Kopfüberdeckung ist dagegen die ROM nach Oberflächenersatz zusätzlich einge-schränkt. Das Anschlagen des Schenkel-halses an den Rand der künstlichen Hüft-pfanne (Impingement) kann für das Aus-lösen von Subluxationen und kompletten Luxationen verantwortlich sein.

Im Langzeitverlauf kommt es im Fe-mur aufgrund spannungsoptimierter Kno-chenumbauvorgänge zu einer Verringe-rung des Halsdurchmessers [20]. Mit Ver-ringerung des Halsdurchmessers geht im Langzeitverlauf eine höhere ROM einher. Gerade in der direkten postoperativen Phase ist das Impingement- und Sublu-xationsrisiko durch den geschwächten Kapsel- und Muskelapparat erhöht, so-dass ein ungünstiges Verhältnis von Kopf- und Halsdurchmesser vermieden werden sollte. Trotz der geringen Luxationsra-te nach Oberflächenersatz [3, 12, 33], be-

0˚ Flexion 77˚ Flexion

Impingement

Abb. 6 9 Anterolate-rale Ansicht des gene-rierten CAD-Modells der implantierten 48-mm-Kappenendopro-these mit 165° Kopf-überdeckung, Pfan-neninklination 45°, Pfannenanteversion 15°. Links Ausgangs-position für Flexions-bewegung. Rechts Endposition infol-ge Impingement des Schenkelhalses am an-terioren Pfannenrand

640 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Leitthema

Page 8: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen
Page 9: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

dingt durch die verlängerte Dislokations-strecke bei großen Köpfen [5, 7], sind die Gefahren infolge von Impingement nicht unerheblich [29].

Wiederholtes Impingement kann zu Beeinträchtigungen der Pfannenveranke-rung im Knochenlager bis hin zur Implan-tatlockerung führen. Neben der impinge-mentbedingten Schädigung kann es infol-ge von Subluxation zu einer Deformation der Gleitfläche der Kappenendoprothese und folglich zu erhöhtem metallischem Abrieb kommen [16]. Zusammenfas-send belegen die numerischen Untersu-chungen die Bedeutung von Implantatde-sign und -positionierung für den postope-rativen Bewegungsumfang und die mög-lichen impingementassoziierten Versa-gensursachen von Kappenendoprothesen. Somit sollten, bevor neue Oberflächener-satzsysteme zur Versorgung arthrosege-schädigter Hüftgelenke junger Patienten eingesetzt werden, die genannten biome-chanischen Einflussfaktoren hinsichtlich Gelenkkinematik und Implantatveranke-rung evaluiert werden.

Fazit für die Praxis

Nahezu alle großen Implantatherstel-ler verfügen über Oberflächenersatzsys-teme für die Hüfte. Die Verankerung der Femurkappe auf den präparierten Hüft-

kopf erfolgt dabei meist mittels Kno-chenzement. Unter der Kappe kann es zu einer Entlastung des femoralen Kno-chens durch sog. „stress shielding“ kom-men, was zu Verringerung der Knochen-substanz und konsekutiv zur Lockerung des Implantats führt. Jedoch kann sich die trabekuläre Knochenstruktur auf den Verankerungszapfen, auf zusätzliche Knochenzementpfeiler und die elas-tischen Eigenschaften der Kappe aus-richten. Hierbei haben die Wandstärke, Querschnittsgeometrie sowie die innere Strukturierung der Kappe und die Gestal-tung des Führungsstiels entscheidenden Einfluss auf die Biomechanik des Kno-chens und die Implantatverankerung.Die Pfannenkomponente wird meist ze-mentfrei in das Knochenlager eingesetzt. Sofern große Köpfe verwendet werden, ist die Dünnwandigkeit der Pfanne ei-ne Grundvoraussetzung für eine kno-chensparende Präparation des azetabu-lären Implantatlagers. Nahezu alle ak-tuellen Oberflächenersatzsysteme ba-sieren auf der Metall-Metall-Gleitpaa-rung. Die Pfannen sind meist in einem Stück als Monoblockbauteil konzipiert, wodurch sich für den Fall einer späteren Revisionsoperation beträchtliche Ein-schränkungen ergeben. Manche Herstel-ler bieten als Lösungsoption eine mo-dular aufgebaute Pfannenkomponen-

te an, wodurch im Revisionsfall die Arti-kulationsflächen komplett erneuert wer-den können.Kinematische Untersuchungen zeigen deutlich geringere Bewegungsumfänge von Kappenendoprothesen verglichen mit modernen Standardhüftendoprothe-sen. Der relativ dicke Schenkelhals be-dingt beim Oberflächenersatz ein deut-lich geringeres Verhältnis von Kopfdurch-messer zu Halsdurchmesser. Im natür-lichen Hüftgelenk, wo ebenfalls ein nied-riges Verhältnis zwischen Kopf- und Hals-durchmesser herrscht, wird frühzeitigem Impingement durch Ausschnitte im Rand des Acetabulums vorgebeugt. Durch ei-ne hemisphärische Form der Pfanne mit geschlossenem Rand und hoher Kopf-überdeckung ist dagegen die ROM nach Oberflächenersatz zusätzlich einge-schränkt. Das Anschlagen des Schenkel-halses an den Pfannenrand (Impinge-ment) kann für das Auslösen von Sublu-xationen und vollständigen Luxationen verantwortlich sein.Im Langzeitverlauf kann es infolge von Impingement zu einer Verringerung des Halsdurchmessers aufgrund spannungs-optimierter Knochenumbauvorgänge im Schenkelhals mit dem Resultat einer Schenkelhalsfraktur kommen. Wieder-holtes Impingement und Subluxationen können darüber hinaus zu Deformati-

Kopfgröße [mm]Kopfüberdeckung

42 48 54165˚ 180˚

32 m

m S

td.-40˚

-30˚

-20˚

-10˚

10˚

20˚

30˚

42 48 54RO

M fü

r Inn

enro

tatio

n be

i 90˚

Fle

xion

Kopfgröße [mm]Kopfüberdeckung 165˚ 180˚

32 m

m S

td.

80˚

60˚

40˚

20˚

0˚42 48 54 42 48 54

KI = Knochenimpingement

ROM

für A

ußen

rota

tion

bei 1

0˚ E

xten

sion

und

15˚

Add

uktio

n

KIKI

Kopfgröße [mm]Kopfüberdeckung

42 48 54 42 48 54165˚ 180˚

32 m

m S

td.

120˚

100˚

80˚

60˚

40˚

20˚

Physiologische ROM

ROM

für F

lexi

on

Abb. 7 8 Übersicht der ROM bis zum Prothesenimpingement (und Knochenimpingement KI) bei 42 mm, 48 mm und 54 mm Kappendurchmesser im Vergleich zur 32-mm-Standardhüftendoprothese. Eingestellte Pfannenposition ist 45° Inklination und 15° Anteversion. Die gestrichelte rote Linie markiert die physiologische ROM [13, 37]

642 |  Der Orthopäde 7 · 2008

Leitthema

Page 10: Biomechanische Aspekte zur Implantatverankerung und Kinematik von Oberflächenersatzhüftendoprothesen

onen der Gleitflächen mit konsekutiv er-höhtem metallischem Abrieb und zu Be-einträchtigungen der Implantatveran-kerung im Knochenlager bis hin zur Im-plantatlockerung führen. Implantatde-sign und -positionierung haben demzu-folge entscheidende Bedeutung für die stabile Implantatverankerung, den post-operativen Bewegungsumfang und die möglichen impingementassoziierten Versagensursachen von Kappenendo-prothesen.

KorrespondenzadressePD Dr. R. BaderOrthopädische Klinik und Poliklinik,  Universität, Doberaner Straße 142, 18057 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Amstutz HC, Le Duff MJ, Campbell PA, Dorey FJ (2007) The effects of technique changes on asep-tic loosening of the femoral component in hip re-surfacing. Results of 600 conserve plus with a 3 to 9 year follow-up. J Arthroplasty 22: 481–489

  2.  Amstutz HC, Le Duff MJ (2006) Background of me-tal-on-metal resurfacing. Proc Inst Mech Eng H 220: 85–94

  3.  Amstutz HC, Campbell PA, Le Duff MJ (2004) Frac-ture of the neck of the femur after surface arthro-plasty of the hip. J Bone Joint Surg Am 86: 1874–1877

  4.  Bader R, Scholz R, Steinhauser E et al. (2004) Me-thode zur Evaluierung von Einflussfaktoren auf die Luxationsstabilität von künstlichen Hüftgelenken. Biomed Tech 49: 137–144

  5.  Bader R, Scholz R, Steinhauser E et al. (2004) The influence of head and neck geometry on stability of total hip replacement: a mechanical test study. Acta Orthop Scand 75: 415–421

  6.  Bader R, Steinhauser E, Gradinger R et al. (2002) Computergestützte Bewegungssimulation an Hüf-tendoprothesen mit Keramik-Keramik-Gleitpaa-rung. Analyse der Einflussparameter Implantat-de-sign und Position. Z Orthop 140: 310–316

  7.  Beaule PE, Schmalzried TP, Udomkiat P, Amstutz HC (2007) Jumbo femoral head for the treatment of recurrent dislocation following total hip replace-ment. J Bone Joint Surg Am 84: 256–263

  8.  Beaule PE, Campbell P, Lu Z et al. (2006). Vascula-rity of the arthritic femoral head and hip resurfa-cing. J Bone Joint Surg Am 88(4): 85–96

  9.  Beaule PE, Campbell PA, Hoke R, Dorey F (2006) Notching of the femoral neck during resurfacing arthroplasty of the hip: a vascular study. J Bone Joint Surg Br 88: 35–39

10.  Bitsch RG, Heisel C, Silva M, Schmalzried TP (2007) Femoral cementing technique for hip resurfacing arthroplasty. J Orthop Res 25: 423–431

11.  Dowson D (2006) Tribological principles in metal-on-metal hip joint design. Proc Inst Mech Eng H 220: 161–171

12.  Duijsens AW, Keizer S, Vliet-Vlieland T, Nelissen RG (2005) Resurfacing hip prostheses revisited: failure analysis during a 16-year follow-up. International Orthopaedics 29: 224–228

13.  Genoud P, Sadri H, Dora C et al. (2000) The hip joint range of motion: a cadaveric study. 12th ESB Con-ference, Dublin, p 137

14.  Gerdesmeyer L, Gollwitzer H, Diehl P et al. (2008) The minimal invasive antero-lateral approach combined with hip Onlay resurfacing. Operat Or-thop Traumatol (in press)

15.  Grigoris P, Roberts P, Panousis K, Jin Z (2006) Hip resurfacing arthroplasty: the evolution of contem-porary designs. Proc Inst Mech Eng H 220: 95–105

16.  Klapperich C, Graham J, Pruitt L, Ries MD (1999) Failure of a metal-on-metal total hip arthroplas-ty from progressive osteolysis. J Arthroplasty 14: 877–881

17.  Kluess D, Martin H, Mittelmeier W et al. (2007) In-fluence of femoral head size on impingement, dis-location and stress distribution in total hip replace-ment. Med Eng Phys 29: 465–471

18.  Kluess D, Martin H, Mittelmeier W et al. (2007) Fi-nite-Element-analysis into impingement-related implant failure of total hip replacement. Materials Testing 49: 330–336

19.  Kluess D, Zietz C, Lindner T et al. (2008) Limited range of motion of hip resurfacing arthroplas-ty due to unfavorable ratio of prosthetic head size and femoral neck diameter. Acta Orthop (in press)

20.  Lilikakis AK, Vowler SL, Villar RN (2005) Hydroxy-apatite-coated femoral implant in metal-on-me-tal resurfacing hip arthroplasty: minimum of two years follow-up. Orthop Clin North Am 36: 215–222

21.  Little JP, Taddei F, Viceconti M et al. (2007) Changes in femur stress after hip resurfacing arthroplasty: response to physiological loads. Clin Biomech 22: 440–448

22.  Little JP, Gray HA, Murray DW et al. (2008) Thermal effects of cement mantle thickness for hip resurfa-cing. J Arthroplasty 23: 454–458

23.  Liu F, Jin Z, Roberts P, Grigoris P (2007) Effect of be-aring geometry and structure support on transient elastohydrodynamic lubrication of metal-on-metal hip implants. J Biomech 40: 1340–1349

24.  Malchau H, Herberts P, Eisler T et al. (2002) The swedish total hip replacement register. J Bone Joint Surg Am 84(2): 2–20

25.  Marker DR, Seyler TM, Jinnah RH et al. (2007) Fe-moral neck fractures after metal-on-metal total hip resurfacing: a prospective cohort study. J Ar-throplasty 22(3): 66–71

26.  Mont MA, Seyler TM, Marker DR et al. (2006) Use of metal-on-metal total hip resurfacing for the treat-ment of osteonecrosis of the femoral head. J Bone Joint Surg Am 88(3): 90–97

27.  Nadzadi ME, Pedersen DR, Yack HJ et al. (2003) Ki-nematics, kinetics, and finite element analysis of commonplace maneuvers at risk for total hip dislo-cation. J Biomech 36: 577–591

28.  Rechl H, Gradinger R, Hipp E (1990) Doppelcup-Ar-throplastik – eine Problemanalyse. Demeter, Grä-felfing

29.  Rudert M, Gerdesmeyer L, Rechl H et al. (2007) Der Oberflächenersatz am Hüftgelenk. Orthopade 36: 304–310

30.  Schmalzried TP (2007) Why total hip resurfacing.  J Arthroplasty 22(3): 57–60

31.  Schmidt M, Weber H, Schön R (1996) Cobalt chro-mium molybdenum metal combination for modu-lar hip prostheses. Clin Orthop 329: 35–47

32.  Scifert CF, Noble PC, Brown TD et al. (2001) Experi-mental and computational simulation of total hip arthroplasty dislocation. Orthop Clin North Am 32: 553–567

33.  Shimmin AJ, Bare J, Back DL (2005) Complications associated with hip resurfacing arthroplasty.  Orthop Clin North Am 36: 187–193

34.  Silva M, Lee KH, Heisel C et al. (2004) The biome-chanical results of total hip resurfacing arthroplas-ty. J Bone Joint Surg Am 86: 40–46

35.  Slover JD, Rubash HE (2008) Hip resurfacing ar-throplasty: time to consider it again? Instr Course Lect 57: 267–271

36.  Stewart KJ, Pedersen DR, Callaghan JJ, Brown TD (2004) Implementing capsule representation in a total hip dislocation finite element model. Iowa Orthop J 24: 1–8

37.  Tannast M, Kubiak-Langer M, Langlotz F et al. (2007) Noninvasive three-dimensional assessment of femoroacetabular impingement. J Orthop Res 25: 122–1231

38.  Witzleb WC, Ziegler J, Krummenauer F et al. (2006) Exposure to chromium, cobalt and molybdenum from metal-on-metal total hip replacement and hip resurfacing arthroplasty. Acta Orthop 77: 697–705

• Kongressnews• Spannendes aus der Welt der Medizin• InterviewsJeden Monat neu!

Jetzt kostenlos downloaden unterwww.springer.de/podcast

Springer Medizin

PodcastSpringer Medizin

Podcast

643Der Orthopäde 7 · 2008  |