beschreibung nicht-konservativer nicht-linearer systeme (2. teil)

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Charles P. Enz Beschreibung nicht-konservativer Fluktuierende dissipative klassische Dynamik Da Fluktuationen definitionsgema8 dem Zu- fall unterliegen, mu8 die deterministische Beschreibung des letzten Abschnitts zu Gunsten einer probabilistischen aufgegeben werden (Informationskasten 3). Die zeit- liche Evolution ist dann durch eine Wahr- scheinlichkeitsverteilung P beschrieben. Bei diskreten Variablen N, (p = 1,2, ... n) ist diese Evolution durch eine ,,Master-Glei- chung" [ 15,221 P(N,t) = ${ W(N,N')P(N',t) -W(N',N)P(N,t)) (24) bestimmt, wo W(N,N') die Wahrscheinlich- keit fur den Ubergang N,+N; (p=1, ... n) ist. Diese Obergangswahrscheinlichkeit ist in der Regel nur fur Geburts- und Sterbepro- zesse, Nt =N,, vfy, N(, =N,+l, von null verschieden. Im Grenzfall von kontinuierlichen Variablen v, (p=1,2, ... n) gehen die Differenzen der Geburts- und Sterbeprozesse in Ableitungen nach den Variablen, aw =a/av,, uber und die zeitliche Evolution ist durch die Fokker- Planck Gleichung [15, 221 (siehe auch In- formationskasten 3) bestimmt. Hier ist F der Fokker-Planck- Operator, der auf die Wahrscheinlichkeits- vertielung P wie folgt wirkt Gleichung (25) 1a8t sich auch als Konti- nuitatsgleichung P +?a, J, = 0 schreiben, wo die Wahrscheinlichkeitsstrom-Verteilung ist. Die Bedeutung der Groi3en f , und Cpv wird klar am Beispiel, wo Z=(v1,W2,v3) der Koordinatenvektor eines Teilchens, V = (al,a2,a3), 3=(fl,f2,f,) seine Geschwindig- keit, D6,, =C,, eine Diffusionsmatrix und e = P die Wahrscheinlichkeitsdichte ist. Dann sind die beiden Terme in Gleichung (27) ein Konvektionsstrom oder Drift ?@ und ein Diffusionsstrom -DVe. Aus dem Verhalten der Fokker-Planck Gleichung unter Zeitum- kehr ist ersichtlich, dai3 der Driftanreil nicht- Physik in unserer Zeit / 10. Jahrg. 1979 / Nr. 5 0 Verlag Chemie, GmbH, 0-6940 Weinheim, 1979 nicht-hearer Systeme (2. Teil) dissipativ, der Diffusionsstrom dissipativ ist. Die Bewegung des Teilchens enthalt wegen der Diffusion einen stochastischen (statistisch schwankenden) Geschwindigkeitsanteil $, soda8 + eine stochastische Differentialgleichung ist. Die allgemeine Form von Gleichung (28) sind die Langevin-Gleichungen [15, 16, 221 (und Informationskasten 3) welche der Fokker-Planck Gleichung (25), (26) aquivalent sind in dem Sinne, da8 (25) der Schrodinger-Darstellung, Gleichung (2), entspricht und (29) der zugehorigen Hei- senberg-Darstellung (siehe auch Informa- tionskasten l). In Gleichung (29) ist f,, die in Gleichung (26) eingefiihrte deterministi- sche ,,Kraft" und E,die stochastische ,,Kraft", deren Korrelationen durch die C,,von Glei- chung (26) bestimmt sind gemai3'> (Informa- tionskasten 3): <E,(t)E"(t')> = 2C$(t-t'). Die hier gebrauchte Terminologie ist nicht diejenige des vorherigen Beispiels, sondern entspricht Langevins Theorie der Brown- schen Bewegung, wo m?= (vl,v2,v3) und -VVl(z)-y?= (fl,fZ,f3), so dai3 Gleichung (29) ubergeht in die urspriingliche Form der Langevin-Gleichung [23] + m3=- vv 1;. (31) Hier ist der erste Term auf der rechten Seite die konservative aui3ere Kraft, der zweite die dissipative Reibungskraft und der dritte die thermische Fluktuationskraft. Allgemein l a k sich f, aufspalten in einen konservativen Term fo, und einen dissipativen Term f; derart, dai3 fop unter Zeitumkehr das Vor- zeichen wechselt, wahrend f; invariant ist. Nahe dem Gleichgewicht, d.h. nahe dem stromlosen Zustand, verschwindet der durch Gleichung (27) definierte stationare dissi- pative Strom J;'= (fi-Za,C,,)P", wobei Ps die stationare Wahrscheinlichkeits-vertei- "6(t-t') ist die Diracsche Delta-Funktion. Sie ist eine unendlich schmale Kurve bei t = ti die aber die Flache eins berandet. lung ist. Wir konnen daher einen Zustand ,,weit entfernt vom Gleichgewicht" dadurch charakterisieren, dai3 JF # 0 ist. Dies bedeu- tet physikalisch, dafl dem System ein Strom von au8en aufgezwungen wird. Bei einem ,,soft-mode" Verhalten kann diese Situation zu ,,dissipativen Strukturen" [ 141 Anla8 geben, d.h. zu der im vorigen Abschnitt erwahnten Muster-Bildung (pattern forma- tion) in einem offenen (stromdurchflosse- nen) System. Prigogine hat diese Instabi- litat als Minimumprinzip fur die Uberschui3- Entropieproduktion des Systems formuliert [14]. Nach Escher [lo] konnte man eine dissipative Struktur etwa wie in Abbildung 8 sehen. Bisher waren die C pv als konstant voraus- gesetzt. Hangen andererseits die C,, von den Variablen v, ab, so ergibt sich ein neues Phanomen, namlich die Ausbildung einer nicht-fluktuierenden (deterministischen) Komponente der Zufallskraft t,, den soge- nannten uneigentlichen (spurious) Drift [24]. Diese Komponente modifiziert den Fokker- Planck Operator (26) und kann daher das Stabilitatsverhalten des Systems vollstandig andern. Zum Beispiel kann ein harmonischer Oszillator durch geeignete Zufallskrafte vom Ruhestand auf einen Grenzzyklus mit end- licher Periode gezwungen werden [25]. Hier stellt sich die Frage nach der physi- kalischen Ursache der Fluktuationen. Die Antwort wird klar am Beispiel des Brown- schen Teilchens: Die Zufallskraft riihrt her von den Sto8en mit den Molekulen der Tragersubstanz, d.h. von der Wechselwir- kung mit den vernachlassigten mikroskopi- schen Freiheitsgraden, welche vie1 schneller variieren als die betrachteten makroskopi- schen Freiheitsgrade des Brownschen Teil- chens. Dies bedeutet aber allgemein, dag ein durch Langevin-Gleichungen beschrie- benes System stets offen ist im Sinne eines Kontaktes mit seiner Umgebung. Dies zeigt nun auch den Weg, Dissipation in die Wel- lenmechanik einzufiihren, ohne auf die anfangs erwahnten Inkonsistenzen zu stoi3en. Fluktuierende, dissipative Wellenmechanik Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir versuchen konnen, den Kreis zu schlie- Gen, indem wir den Schritt zu einer dissi- pativen Wellenmechanik vollziehen. Was im letzten Abschnitt fehlte, ist die Moglichkeit, Interferenzen, d.h. den Wellenaspekt der Materie, zu beschreiben. Die Wahrschein- 141 0031 -92~2/79/0~09-0141$02.50/0

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Page 1: Beschreibung nicht-konservativer nicht-linearer Systeme (2. Teil)

Charles P. Enz Beschreibung nicht-konservativer

Fluktuierende dissipative klassische Dynamik

Da Fluktuationen definitionsgema8 dem Zu- fall unterliegen, mu8 die deterministische Beschreibung des letzten Abschnitts zu Gunsten einer probabilistischen aufgegeben werden (Informationskasten 3). Die zeit- liche Evolution ist dann durch eine Wahr- scheinlichkeitsverteilung P beschrieben. Bei diskreten Variablen N, (p = 1,2, ... n) ist diese Evolution durch eine ,,Master-Glei- chung" [ 15,221

P(N,t) = ${ W(N,N')P(N',t)

-W(N',N)P(N,t)) (24)

bestimmt, wo W(N,N') die Wahrscheinlich- keit fur den Ubergang N,+N; (p=1, ... n) ist. Diese Obergangswahrscheinlichkeit ist in der Regel nur fur Geburts- und Sterbepro- zesse, Nt =N, , v f y , N(, =N,+ l , von null verschieden.

Im Grenzfall von kontinuierlichen Variablen v, (p=1,2, ... n) gehen die Differenzen der Geburts- und Sterbeprozesse in Ableitungen nach den Variablen, aw =a/av,, uber und die zeitliche Evolution ist durch die Fokker- Planck Gleichung [15, 221 (siehe auch In- formationskasten 3)

bestimmt. Hier ist F der Fokker-Planck- Operator, der auf die Wahrscheinlichkeits- vertielung P wie folgt wirkt

Gleichung (25) 1a8t sich auch als Konti- nuitatsgleichung P +?a, J, = 0 schreiben, wo

die Wahrscheinlichkeitsstrom-Verteilung ist.

Die Bedeutung der Groi3en f , und C p v wird klar am Beispiel, wo Z=(v1,W2,v3) der Koordinatenvektor eines Teilchens, V =

(al,a2,a3), 3=(fl,f2,f,) seine Geschwindig- keit, D6,, =C,, eine Diffusionsmatrix und e = P die Wahrscheinlichkeitsdichte ist. Dann sind die beiden Terme in Gleichung (27) ein Konvektionsstrom oder Drift ?@ und ein Diffusionsstrom -DVe. Aus dem Verhalten der Fokker-Planck Gleichung unter Zeitum- kehr ist ersichtlich, dai3 der Driftanreil nicht-

Physik in unserer Zeit / 10. Jahrg. 1979 / Nr. 5 0 Verlag Chemie, GmbH, 0-6940 Weinheim, 1979

nicht-hearer Systeme (2. Teil) dissipativ, der Diffusionsstrom dissipativ ist. Die Bewegung des Teilchens enthalt wegen der Diffusion einen stochastischen (statistisch schwankenden) Geschwindigkeitsanteil $, soda8

+

eine stochastische Differentialgleichung ist.

Die allgemeine Form von Gleichung (28) sind die Langevin-Gleichungen [15, 16, 221 (und Informationskasten 3)

welche der Fokker-Planck Gleichung (25), (26) aquivalent sind in dem Sinne, da8 (25) der Schrodinger-Darstellung, Gleichung (2), entspricht und (29) der zugehorigen Hei- senberg-Darstellung (siehe auch Informa- tionskasten l). In Gleichung (29) ist f,, die in Gleichung (26) eingefiihrte deterministi- sche ,,Kraft" und E,die stochastische ,,Kraft", deren Korrelationen durch die C,,von Glei- chung (26) bestimmt sind gemai3'> (Informa- tionskasten 3):

<E,(t)E"(t')> = 2C$(t-t').

Die hier gebrauchte Terminologie ist nicht diejenige des vorherigen Beispiels, sondern entspricht Langevins Theorie der Brown- schen Bewegung, wo m?= (vl,v2,v3) und -VVl(z)-y?= (fl,fZ,f3), so dai3 Gleichung (29) ubergeht in die urspriingliche Form der Langevin-Gleichung [23]

+ m3=- vv 1;. (31)

Hier ist der erste Term auf der rechten Seite die konservative aui3ere Kraft, der zweite die dissipative Reibungskraft und der dritte die thermische Fluktuationskraft. Allgemein l a k sich f, aufspalten in einen konservativen Term fo, und einen dissipativen Term f; derart, dai3 fop unter Zeitumkehr das Vor- zeichen wechselt, wahrend f; invariant ist.

Nahe dem Gleichgewicht, d.h. nahe dem stromlosen Zustand, verschwindet der durch Gleichung (27) definierte stationare dissi- pative Strom J;'= (fi-Za,C,,)P", wobei Ps die stationare Wahrscheinlichkeits-vertei-

"6(t-t') ist die Diracsche Delta-Funktion. Sie ist eine unendlich schmale Kurve bei t = ti die aber die Flache eins berandet.

lung ist. Wir konnen daher einen Zustand ,,weit entfernt vom Gleichgewicht" dadurch charakterisieren, dai3 JF # 0 ist. Dies bedeu- tet physikalisch, dafl dem System ein Strom von au8en aufgezwungen wird. Bei einem ,,soft-mode" Verhalten kann diese Situation zu ,,dissipativen Strukturen" [ 141 Anla8 geben, d.h. zu der im vorigen Abschnitt erwahnten Muster-Bildung (pattern forma- tion) in einem offenen (stromdurchflosse- nen) System. Prigogine hat diese Instabi- litat als Minimumprinzip fur die Uberschui3- Entropieproduktion des Systems formuliert [14]. Nach Escher [lo] konnte man eine dissipative Struktur etwa wie in Abbildung 8 sehen.

Bisher waren die C pv als konstant voraus- gesetzt. Hangen andererseits die C,, von den Variablen v, ab, so ergibt sich ein neues Phanomen, namlich die Ausbildung einer nicht-fluktuierenden (deterministischen) Komponente der Zufallskraft t,, den soge- nannten uneigentlichen (spurious) Drift [24]. Diese Komponente modifiziert den Fokker- Planck Operator (26) und kann daher das Stabilitatsverhalten des Systems vollstandig andern. Zum Beispiel kann ein harmonischer Oszillator durch geeignete Zufallskrafte vom Ruhestand auf einen Grenzzyklus mit end- licher Periode gezwungen werden [25].

Hier stellt sich die Frage nach der physi- kalischen Ursache der Fluktuationen. Die Antwort wird klar am Beispiel des Brown- schen Teilchens: Die Zufallskraft riihrt her von den Sto8en mit den Molekulen der Tragersubstanz, d.h. von der Wechselwir- kung mit den vernachlassigten mikroskopi- schen Freiheitsgraden, welche vie1 schneller variieren als die betrachteten makroskopi- schen Freiheitsgrade des Brownschen Teil- chens. Dies bedeutet aber allgemein, dag ein durch Langevin-Gleichungen beschrie- benes System stets offen ist im Sinne eines Kontaktes mit seiner Umgebung. Dies zeigt nun auch den Weg, Dissipation in die Wel- lenmechanik einzufiihren, ohne auf die anfangs erwahnten Inkonsistenzen zu stoi3en.

Fluktuierende, dissipative Wellenmechanik

Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir versuchen konnen, den Kreis zu schlie- Gen, indem wir den Schritt zu einer dissi- pativen Wellenmechanik vollziehen. Was im letzten Abschnitt fehlte, ist die Moglichkeit, Interferenzen, d.h. den Wellenaspekt der Materie, zu beschreiben. Die Wahrschein-

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Informationskasten 3 Fokker-Planck und Langevin Gleichungen

Wie in der Quantenmechanik haben klassi- sche, fluktuierende oder stochastische Va- riable vu nur als Mittelwerte quantitative Bedeutung. Diese sind mit der Wahrschein- lichkeits-Verteilung P(v,t) definiert als [ 161:

und analog fur mehrzeitige Verteilungen. Wegen der Markovschen Bedingung, die der ganzen Fokker-Planck Theorie zugrunde liegt, faktorisieren alle mehrzeitigen Wahr- scheinlichkeits-Verteilungen gemai3

wo die bedingte Wahrscheinlichkeit p(v,t; wit') in den ersten Argumenten v , t ebenfalls der Fokker-Planck Gleichung (25), (26) ge- nugt. Die Markovsche Bedingung besagt, dai3 die Dynamik frei von Gedachtnis- Effekten ist. Ein weiterer Ausdruck dieser Markovizitat ist die Diracsche S-Funktion in Gleichung (30), welche bewirkt, dai3 die Zufallskrafte nur instantan korreliert sind.

Fur die Zeitableitung von Gleichung (V) kann man rechts die Fokker-Planck-Glei- chung (25) einsetzen. Da F nach Gleichung (26) ein Differentialoperator ist, kann man durch partielle Integration einen zugeord- neten Operator L definieren gemas

Dieser Langevin-Operator

bestimmt die Zeitevolution der Observablen vIL in der Operatorform [ 161:

lichkeitsdichte e(??,t) eines Teilchens mit Koordinaten 2, welche einer Fokker-Planck Gleichung der Form (25) genugt, bestimmt nur den Modul (Betrag) der Wellenfunktion v(Z,t), wahrend allgemein

mit einer reellen Phase S(jt,t) gilt. Aus der wellenmechanischen Stromdichte's pv =

(ii/2mi) (qPvv-q~Vv") folgt dann die Be- ziehung

+

4, = EL,v,I. (IX) wahnt, verlangt eine konsistente Behandlung der Dissipation, dai3 wir das Teilchen in

Rechnet man hier den Kommutator anhand Kontakt mit seiner Umgebung, also als von Gleichung (VIII) aus, so findet man die Brownsches Teilchen, beschreiben. Seine Langevin-Gleichungen (29), wobei aber die Bewegungsgleichung ist dann die Langevin Zufallskraft die Operatorform Gleichung in seiner urspriinglichen Form

(31), wo die Zeitableitung noch so zu defi- Ei"=2:c,vav, (x) nieren ist, dai3 der quantenmechanische

Wellenaspekt in Erscheinung tritt. Dies hat [ 161. Dies ist der direkteste Weg, um 1& sich durch ,,stochastische Quantisierung" den Zusammenhang zwischen Fokker-Planck [26] erreichen, was bedeutet, dai3 die quan- und Langevin Gleichungen zu bekommen. tenmechanische Unscharfe zwischen den Wie in der Quantenmechanik treten in konjugierten Variablen xi und pi = mvi als dieser Form die Fluktuationen a h Folge Fluktuation ti in der Langevin-Gleichung der Nicht-Kommutativitat der Variablen (28) beschrieben wird, derart, dai3 die Korre- auf. In der Tat gilt in Analogie zum Kom- lationen (30) den quantenmechanischen Wert mutator (11):

(34) Cij = (ii/2m) . hi, [t,,QVI = 2C,W (XI)

haben. Die zugeordnete Fokker-Planck Glei- chung (25), (26) ffir die Wahrscheinlich- keitsdiChte = 1 v 12 lautet dann

d.h. die Korrelationsmatrix C von Glei- chung (30) bestimmt die stochastischen Un- scharfen.

Insbesondere ist man fur C=O im determi- nistischen Fall. Setzt man zusatzlich noch v=(p,q) und f, =F(a,,H)D;:, wo H(p,q) eine Hamiltonfunktion ist und Do wie in Gleichung (16) die dynamische Matrix [ 161

6 = -(l/rn)V(pff) + @/ 2m )V2e . (35)

Durch geeignete Definition von 2 und 3 in den Gleichungen (28) und (31) als Zeit- ableitungen im Mittel [27] erhalt man dann mit einigem Rechenaufwand die Wellenglei- chung [27,28]

(XI11 ih+ = ( H + K +~.Z)I$. (36) DO =

bedeutet, dann gehen die Langevin-Glei- chungen (29) in die kanonischen Bewegungs- gleichungen (I) uber, wahrend der Fokker- Planck Operator F in Gleichung (26) zur Poisson-Klammer wird,

IT= { H , P } E ( ~ ~ H ) . (a,P)-(a,H). (aqP). (XIII)

Damit verwandelt sich die Fokker-Planck Gleichung (25) in die Liouville-Gleichung der klassischen statistischen Mechanik [ 161.

und die Bewegungsgleichung fur die Ge- schwindigkeit 3 liefert den fehlenden quan- tenmechanischen Wellenaspekt.

Wie am Schlui3 des vorigen Abschnitts er-

"Dieser Ausdruck folgt direkt aus der Schrodingergleichung (2), (5) und der Kon- tinuitatsgleichung a(qPv)/at + div(ev) = 0. +

Hier ist H die konservative Hamilton-Funk- tion von Gleichung (5) und

der Kostinsche Term [29]. K ist dissipativ, denn bei Zeiturnkehr-Invarianz muate die Darstellungseigenschaft v':-(-t) = cv(t) mit I c I = 1 haben, was in Gleichung (37) eingesetzt die Zeitumkehr-verletzende Rela- tion

K(-t) = - K(t) (38)

ergibt. Gleichung (36) ist zudem nicht-linear und enthalt die thermische Fluktuationskraft x v o n Gleichung (31).

In der Literatur sind viele Zusatzterme zur Hamiltonfunktion von der Form W@,?j, die also nicht wie der Kostinsche Term (37) explizit von der Wellenfunktion 9 abhangen, untersucht worden. Spezialfalle davon sind die eingangs erwahnten komplexen Ein- Teilchen Potentiale. Die meisten Terme dieser Form sind jedoch mit Widerspruchen

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behaftet [30]. Dagegen scheint der konser- vative q-abhangige Term [31]

Abb. 8. ,Ontwikkeling I", Schnitt von M. C . Escher von 1937. (Nach Referenz [lo].) Diese ,Entwicklung" ist wie Abbildung 5 ein Beispiel von Selbstorganisation, jedoch mit einem radialen ordnenden Prinzip. Das Bild gibt den Eindruck einer Organi- sation aus dem Chaos, was Prigogines Idee einer dissipativen Struktur sehr nahe kommt: Dissipation verwischt, ebnet Un- terschiede aus. Doch wenn nicht-lineare Kopplungen ins Spiel treten, dann kann aus Dissipation Struktur werden.

Abb. 9. Schema der dynamischen Theorien der Physik. Es gibt horizontal die Ent-

wicklung von den konservativen, determi- nistischen zu den dissipativen, fluktuieren- den Kraften und vertikal vom klassischen zum quantentheoretischen Magstab. Die Darstellung der Zeitevolution durch die Observablen und durch die statistischen Gewichte ist in den oberen bzw. unteren Zeilen in jedem Kastchen benannt.

auf keine Widerspriiche zu stof3en und hat zudem die interessante Eigenschaft, Wellen- pakete zu stabilisieren. Alle diese Terme, auger dem Kostinschen, scheinen aber einer tieferen Begrundung zu ermangeln.

Die Bedeutung der in diesem Abschnitt dar- gestellten fluktuierenden, dissipativen Wel- lenmechanik liegt offenbar in ihrer Anwen- dung auf Quantensysteme in Kontakt mit ihrer Umgebung, z. B. die Strahlungskavi- tat einer Resonanz-Apparatur oder der klassische Megapparat eines Quanteneffek- tes. Andere Anwendungsmoglichkeiten er- geben sich bei Quantensystemen mit sehr vielen Freiheitsgraden, von denen nur we- nige interessieren, 2.B. Atomkerne [4], Quantenfliissigkeiten oder Neutronensterne.

Wie aus dem Schema der Abbildung 9 her- vorgeht, ist diese neue Quantenmechanik eine Synthese aller friiheren, dynamischen Theorien. Und dies sowohl in der Richtung von den konservativ-deterministischen Kraf- ten auf die dissipativ-fluktuierenden Krafte, wie in der Richtung vom klassischen Punkt- bild auf das wellenmechanische Interferenz- bild. In allen vier Xlassen der Abbildung 9 laBt sich die Dynamik zudem entweder fur die Observablen formulieren, (was man als ,,Hamilton-Heisenberg-Langevin Darstel- lung" bezeichnen konnte) oder fur die statistischen Gewichte (wofur die Bezeich- nung ,,Liouville-Schrodinger-Fokker-Planck Darstellung" angebracht ware).

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Jochen Fricke

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Charles P. Enz, geboren 1925, Schweizer, 1952 Physiker-Dipiom, ETH, Zurich (Prof. W. Pauli), 1953-1956 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Festkorperphysik bei Prof. G. Busch, ETH, 1956 Dr. sc. nat., ETH (Prof. W. Pauli), 1956-1958 Assistent und Vorle- sungsvertretungen von Prof. W. Pauli, ETH, 1959-1961 Institute for Advanced Study, Princeton, USA, 1961-1964 Ordinarius fur theoretische Physik, Universitat Neuchiitel, Schweiz, 1963-1964 Visiting professor, Cornell University, Ithaca, USA, seit 1965 Ordinarius fur theoretische Physik, Universi- tat Genf, Schweiz, 1970-1971 Forschungsla- boratorium IBM, Riischlikon, Schweiz, seit 1977 Vorsteher der Physik-Sektion der Uni- versitat Genf, Schweiz.

Prof. Dr. C. P. Enz, Ecole de Physique CH-1211 Genkve 4.

Das Kommunikationssystem von morgen wird wohl weitgehend von der Fiberoptik'> beherrscht werden. Nicht nur von der Uber- tragungskapazitat von 40 Millionen bit je Se- kunde und Glasfaserstrang her errechnet man sich fur die'optische Datenvermittlung Vor- teile. Das geringe Gewicht, der kleine Quer- schnitt (10 Fasern ergeben einKabel mit 8mm Durchmesser), die elektromagnetische Isola- tion (kein Ubersprechen und Abhoren), das Fehlen von leitenden Verbindungen mit Er- dungsschleifen und ,,Brumm"storungen sind weitere Pluspunkte fur den Lichtleiter.

Uber diese Punkte hinaus ist die Frage von grol3er Bedeutung, wie zuverlassig optische Glasfasern sind, wenn sie intensiver elektro- magnetischer und Teilchenstrahlung ausge- setzt werden. Bricht etwa nach der Explosion einer Neutronenbombe die Kommunikation im besrrahlten Gebiet zusammen?

Hierzu mug man wissen, dafl durch Bestrah- lung zum einen Lumineszenz, also ein Eigen- ieuchten des Lichtleitermaterials erzeugt wird, zum anderen erhoht sich die Absorp- tion des Lichtleitermaterials, was zu einer Abschwachung der zu iibermittelnden Si- gnale fiihrt.

Beide Effekte entstehen durch strahlen- induzierte Storstellen. So konnen sich bei- spielsweise Elektronen und Locher, die dnrch elektromagnetische oder Teilchenstrahlung paarweise erzeugt werden, an schon vorher vorhandene Defekte oder Verunreinigungen anlagern. Weiter ist sogar ein Herausbrechen von Bausteinen aus den Gleichgewichts- platzen moglich. Dabei entstehen oft Ab- sorpcionsbanden, die im Ubertragungsbe- reich um 800 nm liegen.

Bei der Rekombination von Elektronen und Lochern entsteht ebenso Licht wie beim schnellen Durchgang von Parrikelstrahlung durch die Glasfaser (kerenkov-Strahlung). Wahrend die Leuchterscheinungen im Licht- leiter abklingen und durch Filter gemildert werden konnen, ist die Erhohung der Ab- sorption von langerer Dauer oder gar per- manent.

Neuere Messungen zeigen nun, dal3 auch schon bei kleinen Energiedosen erhebliche

'-D. Rosenberger: ,,Optische Informations- iibertragung mit Glasfasern", in Physik in unserer Zezt 8,3 (1977).

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