bernisches verwaltungs- und ......2020/05/05 · mai 2020 [email protected] 14...
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BERNISCHES VERWALTUNGS- UND VERFAHRENSRECHT
ÖFFENTLICHES BESCHAFFUNGSRECHT
Dr. iur. Christoph Jäger, Rechtsanwalt
5. Mai 2020 – [Podcast]
Inhalt
Einführung Grundlagen
Rechtsgrundlagen Geltungsbereich Ziele und Grundsätze
Vergabeverfahren Arten und Verfahrenswahl Verfahrensgang (Überblick): Von Ausschreibung bis Zuschlag Ausschreibung und Ausschreibungsunterlagen Kriterien: Technische Spezifikationen, Eignungskriterien,
Zuschlagskriterien Zuschlag Ausschluss, Abbruch und Widerruf
25. Mai 2020 [email protected]
Inhalt
Rechtsschutz Anfechtungsobjekte Rechtsmittelweg Besonderheiten
Übungsfälle
35. Mai 2020 [email protected]
Einführung
45. Mai 2020 [email protected]
Vertrags-/Obligationenrecht (i.d.R. Privatrecht)
Beschaffungsrecht (öffentliches Recht)
Intern/Verwaltungsorganisation/etc. (öffentliches Recht)
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
55. Mai 2020 [email protected]
Internat.
Bund
Interkant.
Kanton
GPA Bilat. Abk.
Interkant. Vereinbarung IVöB
ÖBG
BöB
VöB 3. Kap.
ÖBV / OÖBV
AusserhalbAusnahmen
BGBM
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
GATT/WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungs wesen Government Procurement Agreement, GPA, von 1994, i.K. seit 1996 Ziel: Öffnung der Märkte für staatliche Beschaffungen für Anbieter aus anderen
Unterzeichnerstaaten Prinzipien: Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung, Transparenz, Wettbewerb/
Wirtschaftlichkeit Eingeschränkter Geltungsbereich (z.B. hohe Schwellenwerte, nur ausgewählte DL) „Variable Geometrie“: Gegenrechtsvorbehalt
Bilaterales Abkommen CH-EU Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über
bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (von 1999, i.K. 2002 als Teil der „Bilateralen“)
Weitergehende Marktöffnung: Erweiterung des Geltungsbereichs des GPA im Verhältnis zu den EU-Staaten (z.B. Beschaffungen der Gemeinden/Bezirke sowie weiterer Sektoren)
65. Mai 2020 [email protected]
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
ÖBG-Revision 2014: Aufhebung der «bernischen» Schwellenwerte und Verweis auf IVöB-
Schwellenwerte gemäss Anhang 2
Keine Differenzierung nach kommunalen und kantonalen Beschaffungen mehr, Gemeinden können tiefere Schwellenwerte vorsehen
Hinweis: Revision schaffte Abweichungen zum Buchbeitrag in Müller/Feller, Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2013!
Ausblick: GPA 2012: für CH i.K. am 1.1.2021
BöB 2019/VöB 2020: beschlossen, i.K. am 1.1.2021
IVöB 2019: beschlossen, i.K. bei Ratifizierung durch mind. 2 Kantone
Beitrittsgesetz Kanton Bern: für Mitte 2021 geplant
75. Mai 2020 [email protected]
Grundlagen: Geltungsbereich
Öffentliche Auftraggeber (Art. 2 Abs. 1 ÖBG) Kanton Gemeinden gemäss GG Öffentliche und private Sektorenunternehmen (v.a. Energie, Verkehr, Telekom.) Weitere Träger öffentlicher Aufgaben (Art. 8 Abs. 2 IVöB)
Öffentliche Beschaffung (BGE 135 II 49) Begriffsmerkmale:
«Staat» als Nachfrager Privates Unternehmen als Anbieter Einkauf von Leistungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem freien Markt gegen
Entgelt (synallagmatischer Leistungsaustausch in einem weiten Sinn)
Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge (Art. 1 ÖBV), unabhängig vom Auftragswert
(Schwierige) Abgrenzungen: Interne Vergaben und Bele ihung (u.ä.): In-house- und Quasi-in-house-Beschaffungen Konzessionen (mit/ohne Betriebspflicht) Subventionsgewährung
Generelle und einzelfallbezogene Ausnahmen (Art. 10 Abs. 1 und 2 IVöB)
85. Mai 2020 [email protected]
Grundlagen: Ziele und Grundsätze
Wirtschaftlichkeit Haushälterischer Einsatz der Steuergelder Wirtschaftlich günstigstes Angebot (bestes Preis-Leistungsverhältnis)
Wirksamer Wettbewerb, i.d.R. durch Submission Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung
Grundsatz der Inländerbehandlung und der Gleichbehandlung inländischer Anbieter untereinander, unabhängig von deren Herkunft/Sitz
Beim Marktzugang und im Verfahren (Verfahrensfairness)
Transparenz Bekanntgabe der «Spielregeln», inkl. aller Änderungsmöglichkeiten Dokumentation und Nachvollziehbarkeit
Vertraulichkeit Wahrung von Geschäftsgeheimnissen Ausschluss bzw. Einschränkung der Akteneinsicht im Verfahren
Wirksamer Rechtsschutz95. Mai 2020 [email protected]
Vergabeverfahren: Arten und Wahl
Offenes Verfahren Öffentliche Ausschreibung des Auftrags Recht zur Offerte für alle interessierten Anbieter Einstufige Selektion
Selektives Verfahren Öffentliche Ausschreibung des Auftrags Recht zur Offerte nur für präqualifizierte Anbieter Zweistufige Selektion
Einladungsverfahren Keine Ausschreibung des Auftrags Recht zur Offerte nur für eingeladene Anbieter Einstufige Selektion
Freihändiges Verfahren Keine Ausschreibung des Auftrags Direkte Auftragsvergabe an eine frei gewählte Anbieterin Bagatellaufträge oder als Ausnahme bei überschwelligen Beschaffungen
105. Mai 2020 [email protected]
Vergabeverfahren: Schwellenwerte
115. Mai 2020 [email protected]
Vergabeverfahren: VerfahrensgangVereinfachte Darstellung
125. Mai 2020 [email protected]
VergabeverfahrenVorbereitung
Erarbeitung Offerte
• Ausschreibungs-unterlagen
• Leistungsverzeichnis• Vertragsentwurf
Ausschreibung
Eingabefrist
Eingabe Offerte
Offertöffnung
FA-Runde
Bezug Unterlagen
Evaluation
Angebotsbewertungnach ZK
Zuschlagwirtschaftlich
günstigstes Angebot
Eignungsprüfungnach EK
Mitwirkung bei Rückfragen
«Vertragsver-handlungen»
Vertragsschluss
Vertrag
Formelle Prüfung, Bereinigung, Berichtigung
«Vertragsver-handlungen»
• Bedarfs-abklärungen/Kredit
• Erarbeitung Ausschreibungs-unterlagen
• Leistungsver-zeichnis/Pflichten-heft
• Vertragsentwurf• Etc.
Farb-Legende:BehördeAnbieter
Vergabeverfahren: Ausschreibung
Bestandteile: Ausschreibung und Ausschreibungsunterlagen Funktion :
Publikation: Aufforderung zur Angebotsabgabe Anfechtbare Verfügung, wenn Schwellenwert des Einladungsverfahrens
erreicht (Art. 11 Abs. 2 Bst. a ÖBG) Anfechtbarkeit der Ausschreibungsunterlagen?
Publikationsorgan: www.simap.ch Inhalt:
Leistungsumschreibung: Leistungsverzeichnis/Pflichtenheft Zwingende Anforderungen und Kriterien (TS, EK, ZK),
Gewichtung, Unterkriterien Submissionsbedingungen (Fristen, Sprache, etc.) Verhandlungsgrundlage: Vertragsentwurf
135. Mai 2020 [email protected]
Vergabeverfahren: Kriterien
Technische Spezifikationen (TS) Produkte-/Leistungsanforderungen, technische Erfordernisse und Vorgaben Produkte-/Markenneutrale Umschreibung anhand von Normen bzw. «oder
gleichwertig» (vgl. Art. 12 ÖBV)
Eignungskriterien (EK) : Anbieterbezogene Beurteilung: Ist der Anbieter fähig und geeignet? Mögliche Kriterien: Rechtsform und Grösse der Unternehmung, Organisation,
Anzahl qualifizierte Mitarbeitende, Erfahrung und Referenzen, Arbeitsschutz, etc. (vgl. Art. 16 ÖBV)
Regel: «Erfüllt» oder «Nicht erfüllt» (absolut). Ausnahme: selektives Verfahren
Zuschlagskriterien (ZK) : Leistungsbezogene Beurteilung: Welches Angebot ist das «Beste»? Mögliche Kriterien: Preis, Qualität, Unterhalts- bzw. Folgekosten, Termine,
Umweltschutz, etc. (vgl. Art. 30 Abs. 3 ÖBV) «schlechter oder besser erfüllt» (graduell)
«Vergabefremde» Kriterien : Im Allgemeininteresse, losgelöst vom konkreten Auftrag (heikel!) Lehrlingsausbildung, Ökologie, Förderung der Gleichstellung, etc.
155. Mai 2020 [email protected]
Ausschluss des Angebots oder des Anbieters Rechtsfolge bei mangelhaften Angeboten, fehlender Eignung,
Verletzung zwingender Teilnahmebedingungen, Formvorschriften oder Leistungsanforderungen, etc.
Ausschlussgründe: vgl. Art. 24 Abs. 1 ÖBV Verhältnismässigkeit, Verbot des überspitzen Formalismus’
Abbruch des Vergabeverfahrens: Voraussetzung ist ein «wichtiger» Grund (Art. 29 ÖBV) Weiterführung des Verfahrens muss unzumutbar sein Verfahren kann anschliessend wiederholt werden
Widerruf Nach Verfahrensabschluss, aus Gründen analog Ausschluss/Abbruch
(vgl. Art. 8 ÖBG) Widerruf als Sanktion?
Vergabeverfahren:Ausschluss, Abbruch, Widerruf
165. Mai 2020 [email protected]
Rechtsschutz: Anfechtungsobjekte
Anfechtbarkeit abhängig vom Schwellenwert (des Einladungsverfahren): Ausschreibung Zuschlag Abbruch Präqualifikation im selektiven Verfahren Ausschluss Widerruf
In jedem Fall anfechtbare Entscheide: Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren («Auftragssperre»,
Art. 8 Abs. 2 ÖBG) Wahl des freihändigen Verfahrens im Staatsvertragsbereich
175. Mai 2020 [email protected]
Rechtsschutz: Rechtsmittelweg
Verfügung durch «kantonale» Stelleoder «private» Vergabestellen
Verfügung durch «Gemeinde»
Zuständige Direktion
Verwaltungsgericht
RegierungsstatthalterIn
Bundesgericht
Öff.recht. Beschwerde(Ausnahme)
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Subsid. Verf.beschwerde
5. Mai 2020 [email protected]
Rechtsschutz: Besonderheiten
Beschwerdelegitimation: Berücksichtigung der Zuschlagschancen Beschwerdefrist von 10 Tagen Beschwerde hat ex lege keine aufschiebende Wirkung. Gesuch
durch die Beschwerdeführerin: Prima facie-Würdigung Interessenabwägung
Gutheissung der Beschwerde: Nach Vertragsschluss: Feststellung der Rechtswidrigkeit/Schadenersatz Rückweisung und Wiederholung, ausnahmsweise direkt neuer
Zuschlag durch das Gericht
195. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 1: Turnhalle
SachverhaltDie Einwohnergemeinde E. beabsichtigt, die bestehende Turnhalle auszubauen. Die Kosten für den Ausbau sind auf insgesamt CHF 1.8 Mio. veranschlagt.Im Rahmen dieses Bauprojekts sollen unter anderem ein Auftrag für Heizungsinstallationen (Baukostenplan BKP 24) und ein Auftrag für Sanitärinstallationen (Baukostenplan BKP 25) im Einladungsverfahren vergeben werden. Die Gemeinde schreibt für beide Aufträge je sechs Unternehmungen an und lädt sie ein, die gewünschten Leistungen zu offerieren.Nebst anderen Anbietern reichen X. sowie die ARGE «Turnhalle», bestehend aus den Heizungs- und Sanitärfirmen Y. AG und Z. AG, je ein Angebot für beide Aufträge ein. Mit separaten Verfügungen erteilte die Gemeinde den Zuschlag für die Heizungsinstallationen zum Preis von CHF 40'000.00 und den Zuschlag für die Sanitärinstallationen zum Preis von CHF 150'000.00 an X.Die ARGE «Turnhalle» erhebt gegen diese Vergabeentscheide Beschwerde. Sie macht unter anderem geltend, die beiden Aufträge stünden in einem engen (finanziellen und logistischen) Zusammenhang und die Auftragswerte müssten deshalb zur Schwellenwertberechnung addiert werden.
Fragen Innert welcher Frist muss bei welcher Instanz Beschwerde eingereicht werden? Wird die Rechtsmittelinstanz auf die Beschwerden eintreten?
205. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 1: Turnhalle
Lösungshinweise: Anfechtungsobjekt: Hier zwei separate Zuschlagsverfügungen Beschwerdelegitimation : ARGE (einf. Gesellschaft), Rangierung des Angebots? > Reelle Chancen
auf den Zuschlag? Beschwerdefrist: 10 Tage ab Eröffnung der (Zuschlags-)Verfügung
(Art. 14 Abs. 1 ÖBG; Art. 15 Abs. 2 IVöB) Rechtsmittelinstanz: Regierungsstatthalteramt (Art. 13 Abs. 1 ÖBG) Rechtsschutz gegen Zuschlag nur, wenn Schwellenwert des Einladungsverfahrens erreicht ist
(Art. 11 Abs. 2 Bst. b ÖBG) Schwellenwert i.c.: Sanitär/Heizung zählen zum Baunebengewerbe. Für diese Arbeiten gilt gemäss
Anhang 2 zur IVöB aktuell für das Einladungsverfahren ein Schwellenwert vonCHF 150‘000.- (ohne MWST).
Sog. Bauwerksregel im Geltungsbereich der Staatsverträge (vgl. Art. 7 Abs. 2 IVöB). Die vorliegenden Aufträge liegen vom Auftragswert her ausserhalb der Staatsverträge. D.h.
grundsätzlich keine Zusammenrechnung der beiden Aufträge. Massgebend ist somit der Wert je der Einzelaufträge.
Zerstückelungsverbo t von Art. 2 ÖBV zu beachten/prüfen: Hier aber keine Umgehung bzw. keine künstliche Aufteilung eines einheitlichen, sachlich nicht vernünftigerweise auftrennbaren Auftrags. Verschiedenartige Aufträge, finanzielle und logistische Abhängigkeiten gibt es bei einem Bauwerk immer, führen vergaberechtlich aber nicht zwingend zur Zusammenrechnung
Ergebnis: Zuschlag des Auftrags für die Heizungsinstallationen ist nicht anfechtbar, Sanitärauftrag dagegen schon (vgl. Art. 11 Abs. 2 Bst. b i.V.m. Art. 13 Abs. 3 ÖBG).
215. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 2: Fenster
SachverhaltDie bernische Gemeinde G. beabsichtigt, das Verwaltungsgebäude «Zeughausplatz» einer Gesamtsanierung zu unterziehen. Sie schrieb den Bauauftrag, aufgeteilt in Lose nach den verschiedenen Arbeitsgattungen, im offenen Verfahren auf der Beschaffungsplattform simap.ch aus.Auf das Los «Fenster aus Holz» gingen 11 Offerten ein. Die Firma X. mit Sitz in Polen offerierte mit Abstand den günstigsten Preis für den Fensterersatz.Im Selbstdeklarationsformular beantwortete X. die Frage «Halten Sie im Rahmen der Produktion die schweizerische und bernische Umweltgesetzgebung ein?» mit «Nein», wobei sie handschriftlich anfügte, sie halte die Umweltschutzgesetzgebung der Europäischen Union (EU) ein. Die Gemeinde G. schloss mit der Zuschlagsverfügung die Firma X. wegen fehlender Eignung vom Vergabeverfahren aus und erteilte den Zuschlag für die Lieferung und Montage der Fenster der zweitplatzierten Schweizer Firma Y.Firma X. möchte sich dagegen wehren und wendet sich an Sie als Anwalt/Anwältin.
Fragen Welche prozessualen Schritte schlagen Sie vor? Wie beurteilen Sie die Rechtslage?
225. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 2: Fenster
Lösungshinweise: Selbstdeklarationsformular: Dient zum Nachweis der Eignung (vgl. Art. 11 Abs. 1 Bst. l ÖBV, Art. 16
Abs. 3 ÖBV und Art. 20 Abs. 1 ÖBV) Teilnahmebedingungen bzw. Eignungsanforderungen/-kr iterien sind absolut: Entweder erfüllt oder
nicht erfüllt. Bei Nichterfüllen erfolgt der Ausschluss des betreffenden Anbieters vom Verfahren (u.a. Gleichbehandlungsüberlegung)
Ausschlussgründe : Art. 24 ÖBV Art. 24 Abs. 1 Bst. h ÖBV: Einhaltung der schweizerischen und bernisches Umweltschutzgesetzgebung
im Rahmen der Produktion: Ausschluss hat somit eine klare Rechtsgrundlage Materielle Überlegungen zur Zulässigkeit des Ausschlusses:
Was ist die bernische Umweltschutzgesetzgebung genau? Zusätzliche Anforderungen an die Fensterproduktion im Ausland?
Ist diese Anforderung / Rechtsgrundlage konform mit dem Staatsvertragsrecht? Grundsatz der Inländerbehandlung, Verbot Protektionismus, Leistungsortsprinzip, etc.
Formelle Überlegungen zur Zulässigkeit des Ausschlusses: Ist der Ausschluss überspitzt formalistisch? Hat die Beschwerdeführerin die Rüge der Unzulässigkeit dieser Anforderung im Rahmen der Zuschlagsanfechtung
verwirkt? Mehrstufigkeit des Rechtsschutzes: Hätte die Rüge durch Anfechtung der Ausschreibung vorgebracht werden müssen?
Ergebnis: Beschwerde gegen den Ausschluss und den Zu schlag (auch wg. Legitimation). Der Ausgang dieses Beschwerdeverfahrens ist offen. Die formellen Überlegungen sprechen gegen einen Beschwerdeerfolg. Die materiellen Einwände gegen diesen Ausschluss sind aber nicht zum vornherein von der Hand zu weisen (Verletzung übergeordneten Rechts)
235. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 3: Bedag
SachverhaltDie Bedag Informatik AG ist eine privatrechtliche Aktiengesellschaft im Alleineigentum des Kantons Bern. Sie erbringt für den Kanton Bern, bernische Gemeinden, andere Kantone und öffentliche Institutionen, aber auch für private Auftraggeber Informatikleistungen, wie z.B. Rechenzentrum, Softwareentwicklung, Wartung/Support-Leistungen etc.
Fragen Darf der Kanton Bern von der Bedag Leistungen «freihändig»/direkt beziehen oder muss er diese
Aufträge öffentlich ausschreiben und den Leistungserbringer nach den Vorschriften des öffentlichen Beschaffungsrechts auswählen?
Ist die Bedag für ihre Einkäufe dem öffentlichen Beschaffungsrecht unterstellt?
245. Mai 2020 [email protected]
Übungsfall Nr. 3: Bedag
Lösungshinweise: Grundsätzliche Rahmenbedingungen:
Wettbewerbsneutralität und Gleichbehandlung: Make- or Buy-Entscheid ist im vergaberechtlichen Ermessen
Ist die Bedag kantonsinterne Leistungserbringerin o der private Anbieterin? Eigene juristische Person in Privatrechtsform Im Wettbewerb mit privaten Anbietern auf dem IT-Markt
Quasi-Inhouse-Beschaffung : Im schweizerischen Beschaffungsrecht zurzeit nicht kodifiziert, aber in Analogie zum EU-Recht anerkannt. Neu
regelt Art. 10 Abs. 2 Bst. d IVöB 2019 die sog. Quasi-Inhouse-Beschaffung Zulässigkeit eines direkten Leistungsbezugs ausserhalb des öffentlichen Beschaffungsrechts: Kontrolle, Tätigkeit
im Wesentlichen für den Kanton Bern und keine Privatbeteiligung Ergebnis: Die genügende Kontrolle und die fehlende Privatbeteiligung sind bei 100% Aktienbesitz des Kantons
Bern erfüllt. Erfüllt die Bedag auch das sog. Tätigkeitskriterium, so ist ein vergaberechtsfreier Leistungsbezug bei der Bedag zulässig
Unterstellung der Bedag: Subjektiver Geltungsbereich: Art. 2 Abs. 1 ÖBG Jur. Person des Privatrechts, nicht Kanton (Art. 2 Abs. 1 Bst. a ÖBG) und keine Subventionierung (Art. 2 Abs. 1
Bst. d ÖBG) Kein Sektorunternehmen (Art. 2 Abs. 1 Bst. c ÖBG) Einrichtung des öffentlichen Rechts (Art. 8 Abs. 1 Bst. a IVöB 2001) oder Trägerin einer kantonalen Aufgabe
(Art. 8 Abs. 2 Bst. a IVöB 2001)? Ergebnis: Rechtslage nicht ohne weiteres klar (vgl. z.B. BGE 145 II 49 betr. Spital Wetzikon)
255. Mai 2020 [email protected]