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Behandlungsfehler in der Sekundärprophylaxe Gerhard F. Hamann Dr. Horst Schmidt Klinik, Wiesbaden Klinik für Neurologie

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Behandlungsfehler in derSekundärprophylaxe

Gerhard F. Hamann

Dr. Horst Schmidt Klinik, Wiesbaden

Klinik für Neurologie

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 2

SchlaganfallversorgungsketteRisikofaktoren

Laien, Ärzte, Med. Berufe,Rettungspersonal

RisikofaktorenLaien, Ärzte, Med. Berufe,

Rettungspersonal

Hochdruck, Herzkrankheit, DiabetesFettstoffwechsel, Ernährung

Hochdruck, Herzkrankheit, DiabetesFettstoffwechsel, Ernährung

RettungsketteRettungskette

SchlaganfallexpertiseQualitätssicherung

SchlaganfallexpertiseQualitätssicherung

Def.: BehandlungszielArbeitsfähigkeit

Def.: BehandlungszielArbeitsfähigkeit

Risiko/NutzenNebenwirkungen, Dauer, Compliance

Risiko/NutzenNebenwirkungen, Dauer, Compliance

SHG, Sportgruppe, Therapiegruppe, Beratung

z. B. Schlaganfallbüro

SHG, Sportgruppe, Therapiegruppe, Beratung

z. B. Schlaganfallbüro

Aufklärung

Primärprävention

Akuter Schlaganfall, TIA

Schlaganfallzentrum

Allg. StationAllg. Station Stroke UnitStroke Unit Int. StationInt. Station

RehaReha nach Hausenach Hause ausw. Krhs.ausw. Krhs. PflegeheimPflegeheim

Sekundärprävention

NachsorgeNachsorge

Dia von Otto BusseDia von Otto Busse

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 3

Wer kann in der Versorgungskettebetroffen sein?

Entlassende Akutklinik:- Fehlende Einleitung einer Sekundärprophylaxe- Fehlende Therapieempfehlungen

Rehaklinik:- Ab- oder Umsetzen der Therapie- Fehlende Therapieempfehlungen

Hausarzt:- Ab- oder Umsetzen der Sekundärprophylaxe- Budget-getriggerte Entscheidung

Neurologe:- Ab- oder Umsetzen der Sekundärprophylaxe- Budget-getriggerte Entscheidung

Diagnosefehler: Verkennnung ohne Therapieeinleitungin allen Ebenen

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 4

Hauptprobleme:Kommunikation und Zuständigkeit

Kommunikation Akut-Reha:- Verlagerung von entscheidungsrelevantenUntersuchungen in die Reha

(Die Durchführung der Echokardiographie war nicht möglich- Zeit!- wir bitten,die Sekundärprophylaxe bei relevanten Befunden anzupassen)

- Rehamediziner müssen beweisen, dass sie esauch (besser!) können

(Im Gegensatz zur erstbehandelnden Klinik, sehen wir die Karotisstenose aufder als asymptomatisch angesehenen rechten Seite doch als ursächlich an…)

Kommunikation Klinik-Hausarzt-Neurologe- Notwendigkeit der Sekundärprophylaxe wirdnicht klar

(Eine duale Plättchenhemmung wird empfohlen.)

- Routine des einen kennt der andere nicht(Statintherapie in üblicher Weise)

- Wer rezeptiert und kontrolliert, trägt die Verantwortung

(Die Marcumarisierung wurde von uns nur fortgeführt, ursächlich für dieintrazerebrale Blutung dürfte die von der Uniklinik M. begonne Therapie sein)

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 5

Neueste Leitlinienvariante 2007

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 6

Vorwort zu den Leitlinien derDGN

Die Kommission ist sich bewusst, dass Leitlinien diagnostische undtherapeutische Frage nur prototypisch vorgeben können. Für vieleSituationen liegt keine ausreichende Evidenz vor. Die Autoren derLeitlinien haben das Evidenzniveau der Kernaussagen jeweilsbewertet. Die Kommission betont, dass Leitlinien nicht mitverbindlichen Richtlinien, deren Einhaltung dann auch justiziabel ist,verwechselt werden dürfen.

Es muss offen bleiben, ob Gerichte der Kommission in der Bewertungder Leitlinien stets folgen. Ärztliches Handeln und Unterlassen muss injedem Fall begründet werden können, die gilt auch für das Befolgenoder Nichtbefolgen von Leitlinien wie den hier vorgestellten.

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 7

Wie sieht das der Jurist?

Ulsenheimer (Medizinjurist München):

Behandlungsstandard als Maßstab sorgfaltsgerechterBehandlung

Das zum Behandlungszeitpunkt in der ärztlichen Praxisund Erfahrung bewährte, nach naturwissenschaftlicherKenntnis gesicherte, von einem durchschnittlichbefähigten Facharzt verlangte Fachwissen und Können!

Festlegung durch Ärzte nicht Juristen!Leitlinien beeinflussen oder bestimmen den Standard!

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 8

Typischer BehandlungsfehlerNicht begonne Antikoagulation beim Vorhofflimmern:

- Angst vor Blutung- Patient zu alt- ASS hilft ja auch- war nur intermittierend vorhanden- hatte der Patient schon lange

Echte Gründe?:- Sturzgefährdung- Großer, frischer Schlaganfall- dementer Patient

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 9

Antikoagulation bei VorhofflimmernReduktion des Schlaganfallrisikos (RRR)

Hart RG et al. Ann Intern Med 1999;131:492Hart RG et al. Ann Intern Med 1999;131:492

WarfarinWarfarin besserbesser Placebo Placebo besserbesser

AFASAKAFASAK

SPAFSPAF

BAATAFBAATAF

CAFACAFA

SPINAFSPINAF

EAFTEAFT

100%100% 50%50% 00 -50%-50% -100%-100%

SummeSumme

SchwereSchwere BlutungenBlutungen::1.2%/Jahr1.2%/Jahr

SchlaganfallSchlaganfall::RRR 62%RRR 62%MortalitätMortalität::RRR 26%RRR 26%

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 10

Keine duale Plättchenhemmung bei VHF!

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 11

Fallbeispiel

68 jährige Patientin wird mit akutem Schlaganfall und VHFim drei-Stunden-Fenster erfolgreich lysiert.Trotz klinisch vollständiger Zurückbildung zeigt das MRTeinen 4 mal 4 cm großen temporalen InfarktPatientin wird entlassen mit der Maßgabe in 4- 6 Wochenmit Marcumar zu beginnen, bis dahin erhält sie 300 mgASS täglichNach 5 Monaten kommt die Patientin erneut mit einemfrischen Schlaganfall und wird wieder erfolgreich lysiertEine orale Antikoagulation wurde von der Hausärztin nichteingeleitet, da die Patientin sich ja gut erholt hätte unddas Vorhofflimmern ja auch schon früher bestanden habe.Als Schutzbehauptung wird nach Klageeinreichungmitgeteilt, dass die Klinik ja die Patientin weiterbetreuensollte.

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 12

Oberlandesgericht Köln5 U 172/00Kläger ist die Haftpflichtversicherung eines Allgemeinmediziners,Beklagter ein KieferchirurgSachverhalt: Patientin lange Jahre wegen Vorhofflimmernmarcumarisiert, wegen kieferchirurgischem Eingriff abgesetzt,Remarcumarisierung aufgrund mangelnder Kommunikationzwischen Allgemeinarzt und Kieferchirurg nicht zeitnahbegonnen2 Tage nach dem Eingriff erleidet die Pat. einen linkshirnigenMediainfarkt mit bleibender Aphasie, die ihr ein Arbeiten alsÜbersetzerin nicht mehr gestattetDie Pat. erhielt erstinstanzlich 130 000 € einmaligeKompensationszahlung und Ersatz der Anwaltkosten (~7500 €)Kieferchirurg mußte die Hälfte der Entschädigung übernehmen(fehlende Heparinisierung, keine Kommunikation)Unklar: Eingriff 4.11.1996, Hirninfarkt 6.11, sicher noch keineeffiziente Therapie mit Marcumar möglich am 6.11, Heparin istnicht leitlinienbasiert

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 13

Typischer BehandlungsfehlerAbsetzen der antiaggregatorischen Therapie nachzerebrovaskulärem Ereignis:

- Unkenntnis- Therapie zu teuer- Wiederansetzen nach operativem

Eingriff vergessen

Echte Gründe?:- Zahnbehandlung- OP- Hirnblutung und Hirninfarkt in

Vorgeschichte

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 14

EspritLancet 2006, 367: 1665-1673

•Multizentrische, randomisierte offene Studie mit2700 Patienten, die entweder ASS oder Aggrenoxerhielten•Mittleres Follow-up 3,5 Jahre•Primäres Outcomeereignis unter ASS 16%, unterAggrenox 13%•1% absolute Risikoreduktion unter Aggrenoxgegenüber ASSAggrenox Mittel der ersten Wahl beim Nicht-

kardioembolischen Schlaganfall

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 15

Esprit+Metaanalyse

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 16

Fallbeispiel

71jähriger Patient wird mit rezidivierenden TIAsaufgenommen, ursächlich wird eine relativ hochgradigeMediastenose vermutetDer Patient wird mit ASS und einem Statin behandelt undentlassen. Er hat zunächst keine Beschwerden und auchkein neues Ereignis.Nach einiger Zeit berichtet er über Magenbeschwerdenund wird auf Clopidogrel umgestellt, worauf dieseverschwinden.Nach einem weiteren ¾ Jahr wird Clopidogrel abgesetzt,da das Hausarztbudget problematisch ist.Nach weiteren 2 Monaten erleidet der Patient einengroßen Mediainfarkt, er hat einen nachgewiesenenMediaverschluss, mit einem Rankin 4 überlebt er denInfarkt

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 17

Typischer BehandlungsfehlerUMsetzen der antiaggregatorischen Therapie nachzerebrovaskulärem Ereignis:

Ist die Evidenz ausreichend und die Unterschiede derantiaggregatorischen Substanzen ausreichend um einUmsetzen von Aggrenox und Clopidogrel auf dasbilligere ASS als Behandlungsfehler zu klassifizieren?

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 18

TypischerBehandlungsfehler?Absetzen der Statintherapie nach zerebrovaskuläremEreignis:

- Unkenntnis- Therapie zu teuer- Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen

Echte Gründe?:- Unwirksam- Blutungsgefahr

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 19

� Die Mehrzahl der Patienten mit Schlaganfall oder TIA profitiert voneinem Statin

� Die Effekte sind unabh�ngig von der Cholesterinsenkung

� Die Gabe schon w�hrend des Krankenhausaufenthaltes istvermutlich gerechtfertigt

� Die SPARCL Studie wird f�r die Gruppe von Patienten mitStroke/TIA ohne KHK/pAVK/Diabetes weiteren Aufschlu§ geben

EmpfehlungenLeitlinien der DGN 2005

Bei Patienten mit Hirninfarkt / TIA und KHK solltenunabhängig vom Ausgangs-LDL Statine eingesetztwerden (A). LDL-Zielwerte zwischen 70 und 100mg/dl

Bei Patienten mit Hirninfarkt / TIA ohne KHK kannSimvastatin gegeben werden (40 mg) gegebenwerden. Damit wird überwiegend das allgemeinevaskuläre Risiko vermindert (B). Wahrscheinlich sindauch die anderen Statine wirksam (C)

Sekundärprävention

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 20

Typische AufklärungsfehlerBeginn einer Statintherapie nach zerebrovaskuläremEreignis ohne Hinweis auf die Problematik derRhabdomyolyse

Beginn einer oralen Antikoagulation ohne Hinweis aufallgemeine Lebensführung, Sturzvermeidung undHirnblutungs- und allgemeine Blutungsgefahr

- Unkenntnis- Vergessen

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 21

TypischeDokumentationsfehlerVergessene Dokumentation der AufklärungKein Nachweis des intermittierenden Vorhofflimmernsdurch fehlende MonitorausdruckeUltraschallbefunde nicht adequat beschriebenFehlende CK im Labor vor einer StatintherapieFehlende Gerinnungswerte vor Beginn einerantiaggregatorischen oder antithrombotischen Therapie

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 22

Grober Fehler, der dem Arztschlechterdings nicht passieren darf!

Antithrombotische Therapie bei einer primärenHirnblutung ohne ischämische Begleiterkrankungen(Ich denke, dass jeder Schlaganfall ASS erhalten sollte, hatte Herr Prof. X gesagt)

Fehlen jeglicher Sekundärprävention(Bei diesem Patienten, der weiter raucht, werde ich nicht unnötig mein Budget belasten undaußerdem nimmt er das Zeug ja ehe nicht)

Fehlende Ursachenforschung nach zerebrovaskuläremEreignis(Ihr gebt doch sowieso immer das gleiche Zeug, dann braucht man auch kein großes Bohei zumachen, um zu klären woher es kommt, wenn man dann doch 100 mg ASS gibt)

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 23

Berichte über BehandlungsfehlerDie israelische Zeitung "Haaretz" berichteteunterdessen über angebliche Behandlungsfehler beiScharon. Während der Intensivbehandlung sei einezerebrale Amyloidangiopathie, eine Erkrankung derHirnblutgefäße, diagnostiziert worden, die vermutlichden schweren Schlaganfall ausgelöst hat.Auf die Gabe von Blutverdünnungsmitteln, die ihmnach einem ersten, leichteren Schlaganfall am 18.Dezember verabreicht worden waren, wäre in diesemFall besser verzichtet worden, schrieb die Zeitungunter Berufung auf Mediziner. Bei Scharons ersterBehandlung im Hadassah-Krankenhaus nach seinemleichten Schlaganfall im vergangenen Monat sei dieKrankheit nicht festgestellt worden."Schlimmer Patzer"Erst bei den jüngsten Computertomographien seienÄrzte darauf aufmerksam geworden, zitierte das Blatteinen namentlich nicht genannten, an der BehandlungScharons beteiligten Arzt, der dies als "schlimmenPatzer" bezeichnete. Ein Krankenhaussprecher wolltesich dazu nicht äußern. "Wir sind damit beschäftigt,den Ministerpräsidenten zu behandeln und um seinLeben zu kämpfen", sagte der Sprecher. "Wirkümmern uns um nichts Anderes."ftd.de, 10.01.2006© 2006 Financial Times Deutschland, © Illustration:

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 24

CAA CADASIL HypertonieMikroblutungen sind primär unspezifisch!

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 25

Amyloidangiopathie-Therapie

• CAA• keine•Mikroblutungen

• keine•Achtung

• ASS?• Antikoagulation?• Lyse?ASS und Lyse sei möglich, no evidence!

Antikoagulation eher nicht!

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 26

FallbeispielVerpasste Diagnose43jähriger Patient wird mit Übelkeit, Erbrechen und Schwindel,sowie Anioskorie in einer internistischen Klinik aufgenommen, daer am Tag zuvor selbst gesuchte Pilze gegessen hat, wird er alsPilzvergiftung beobachtet und nach drei Tagen beschwerdefreientlassen.2 Monate später wird er in der selben Klinik aufgenommen undbietet Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, eine Fazialispareserechts und Schluckstörungen. Nach internistsicher Diagnostik(Gastro, Colo, Breischluck etc.) wird er zum neurologischenKonzil an einen niedergelassenen Kollegen verwiesen undentlassen.Zu einer Vorstellung beim Neurologen kommt es nicht mehr, dader Patient mit einer Basilaristhrombose in die nächsteNeurologie verbracht wird, lysiert wird und in einem locked-in-Snoch drei Monate überlebt.Frage: Hätte die rechtzeitige ASS Gabe bei V.a.Hirnstammdurchblutungsstörung diesen Verlauf verhindernkönnen? (Kläger-Anwalt)

Kassel 2.5.2008G. Hamann Seite 27

Über was wir uferlos redenkönnten:

-PFO Verschluss bei kleinem PFO undkonkurrierenden Ursachen-Stentversorgung der Karotisstenose-Operation des über 80jährigen Patientenmit Karotisstenose-PLAATO-Verschluss des Vorhofohrs beiVHF