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Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

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Page 1: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Behandlungs- und Zusatzstoffe

zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt

am Beispiel meinungsbildender Präparate

Page 2: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Dauerbrenner:Bentonit

Page 3: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Bedarf an Bentonit zur Eiweißstabilisierung.Angaben in % von der durchschnittlichen Aufwandmenge (%).

Mittelwerte aus zwei Weißweinen.

Bentonite unterscheiden sich im Wirkungsgrad, wobei Na-haltige Mischbentonite nicht zwangsläufig besser wirken als reine Ca-Bentonite.

116,8

104,7

104,7

139,5

127,9

58,1

46,7

81,4

93,0

81,4

107,0

151,2

0 20 40 60 80 100 120 140 160

SIHA Activ-Bentonit

SIHA P uranit

SIHA Most-Bentonit G

SIHA Ca-Bentonit G

NaCalit eisenarm

Blancobent eisenarm

Albumex

Supra-Bent eisenarm

Canaton

Mostonit eisenarm

Volclay KWK

Clarvin

Bedarf [%]

Mittelw ert

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Adsorption von Aroma durch Bentoniteohne Rühren, Oberfläche, Sauerstoffaufnahme etc.

Mittelwerte aus 2 Weißweinen, Bentonit = 200 g/hl.Vergleich gegen Standard = 5,0 Punkte.

Varianten mit gleichen Buchstaben = kein sensorisch signifikanter Unterschied.

4,00

2,65

3,15

3,75

4,05

2,65

4,05

4,20

4,00

4,30

3,75

3,90

5,00

0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00

SIHA Activ-Bentonit

SIHA P uranit

SIHA Most-Bentonit G

SIHA Ca-Bentonit G

NaCalit eisenarm

Blancobent eisenarm

Albumex

Supra-Bent eisenarm

Canaton

Mostonit eisenarm

Volclay KWK

Clarvin

Standard

Intensität Aroma (0-5)

a

b

b

b

ab

ab

ab

ab

ab

ab

ab

ab

ab

Einige Bentonite führen als solche zu einer sensorisch signifikanten Minderung des Aromas.

Page 5: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Abgabe von Eisen durch Bentonite (200 g/hl) während sechs Wochen.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Eis

en, m

g/l

.

pH 3,0, sedimentiert pH 3,0, suspendiert pH 3,8, suspendiert

Eisenabgabe wird zu einem Kriterium nur bei längerer Lagerung auf dem Bentonit, zum Beispiel während der Gärung.

Page 6: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Sedimentations- und Klärverhalten der Bentonite in Most200 g/hl, Mittelwerte aus zwei Mosten nach 12 h Sedimentation

23

14

22

19 19

25 25

19

23

27

19

24

17

0

5

10

15

20

25

30

Klä

rgra

d (N

TU

nac

h 5

h)

Kein Bentonit trägt zur Klärung des Mostes durch Sedimentation bei.

Page 7: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Auflösevermögen von Bentoniten.Auflösung in Sekunden unter genormten Bedingungen in Wasser, 15° C.

.

48 53 32 62 92 6525

130

31 19

810

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

Seku

nden

Die im deutschsprachigen Raum gehandelten Bentonite zeichnen sich alle durch eine ähnlich gute Löslichkeit aus.

Page 8: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammenhang zwischen Wirkungsgrad und Auflösevermögen von Bentoniten.

r = 0,80

0

50

100

150

200

250

300

350

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000

Auflösedauer (sec)

Wirk

ungs

grad

(Bed

arf g

/hl,

20°C

, vor

gequ

olle

n)

Je besser die Löslichkeit, desto geringer der Wirkungsgrad.

Page 9: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Einfluss von Weintemperatur und Vorquellung auf den Wirkungsgrad von Bentoniten.

Vorquellung in Wasser verringert den Bentonitbedarf um ca. 40 %. Bei 5° C sind ca. 35 % mehr Bentonit erforderlich als bei 20° C.

SIHAPuranit

SIHAMost-

BentonitG

NaCaliteisenarm

Canaton

vorgequollen, 20°C

vorgequollen, 5°C

nicht vorgequollen, 20°C

300275

450

350

275275 275 275

225

175 200 200

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450B

edar

f, g/

hl

Page 10: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Einfluss des pH-Wertes auf den Bentonitbedarf

SIHAPuranit

SIHA Most-Bentonit G

NaCaliteisenarm

Canaton

pH 3,45

pH 3,90

275 275

325

300

225

175200

200

0

50

100

150

200

250

300

350B

edar

f, g/

hl

.

Eine Erhöhung des pH-Wertes um 0,45 (von pH 3,45 au pH 3,90) erhöht den Bentonitbedarf um ca. 50 %.

Page 11: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammenfassung: Bentonite

• Na-haltige Mischbentonite wirken tendenziell besser im hohen pH-Bereich; Ca-Bentonite wirken aber nicht zwangsläufig schlechter.

• Unterschiede zwischen Bentoniten werden in der Praxis überbewertet; die Anwendungsbedingungen sind mindestens genau so wichtig wie der Bentonit.

• Hoch wirksame Bentonite werden im deutschsprachigen Raum nicht gehandelt; sie sind extrem schwer löslich (heißes Wasser, über Nacht).

• Aromaeinbußen durch Nebeneffekte (Oxidation und Verdunstung bei Rühren, Pumpen usw.) sind relevanter als Adsorption von Aroma durch Bentonit.

• Unterschiede in Eisenabgabe nur relevant bei langer Kontaktzeit (> 1 Monat, Gärung).

• Bentonite tragen kaum zur Klärung bei.

• Der Wirkungsgrad der Bentonite wird stark beeinflusst durch pH-Wert, Vorquellung (~ 40 %) und Temperatur.

• Unterscheidung zwischen Wein- und Mostbentoniten ist sachlich nicht gerechtfertigt.

• Die Unterschiede zwischen den Bentoniten sind geringer als in der Werbung dargestellt.

Page 12: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Bentonitschönung – ja oder nein ?

• Problem 1: Unterschiedliche Testschärfe der Eiweißstabilitätstests. Gängig sind Bentotest und Wärmetests in verschiedenen Ausführungen.

• Problem 2: Einzelne als instabil ausgewiesene Weine können eiweißstabil bleiben → Frage der Aussagekraft der Stabilitätstests.

• Ursache: “Alterung von Eiweiß”, unterschiedliche Lagerbedingungen (Temperatur) und Matrixeinflüsse (Gerbstoff aus Kork, Schwermetalle, Mannoproteine….)

• Konsequenz 1: Verzicht auf Schönung instabiler Weine. Die ultimative önologische Innovation ?

• Konsequenz 2: eiweißtrübe Füllungen, Aufziehen. Die önologische Blamage !

Die Bentonitbehandlung ist NICHT das zentrale Thema der Önologie ! Sie kann auch weinschonend durchgeführt werden.

Bentonitbehandlung (200-300 g/hl) der Moste ergibt meist, aber nicht immer, stabile Weine.

Page 13: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Behandlungs- und Schönungsmittel zur Mostvorklärung durch Sedimentation

Page 14: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Klärgrad (NTU) des sedimentierten Mostes nach der Behandlung mit diversen Gelatinen und pektolytischem Enzym.

Mittelwerte aus zwei Mosten.

333

224

319

269

241

52

35

0 50 100 150 200 250 300 350

Standard

Gelatine Pulver heißlöslich, 20g/hl

Mostgelatine I, 100 ml/hl

Mostgelatine II, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl +Kieselsol 30%, 50 ml/hl

pektolytisches Enzym, 1,0 g/hl

Klärgrad (NTU)

Gelatine, besonders flüssige Mostgelatine, trägt nur wenig zur Selbstklärung des Mostes bei, so lange kein Reaktionspartner wie Kieselsol vorliegt. Enzymierung ist entscheidend.

Page 15: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Bentonit-Bedarf (g/hl) des sedimentieren Mostes nach der Behandlung mit diversen Gelatinen und Pektinase.

80

140

220

150

180

80

80

0 50 100 150 200 250

Standard

Gelatine Pulver heißlöslich, 20g/hl

Mostgelatine I, 100 ml/hl

Mostgelatine II, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl +Kieselsol 30%, 50 ml/hl

pektolytisches Enzym, 1,0 g/hl

Bedarf an Bentonit, g/hl

Da Mostgelatine mangels Fällungspartner in weißen Mosten kaum ausflockt, wird der Bentonitbedarf entsprechend erhöht.

Page 16: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Sedimentationstrub (%) nach der Mostbehandlung mit diversen Gelatinen und Pektinase.

9

11,5

10,5

13,5

11,5

14

14

0 2 4 6 8 10 12 14 16

Standard

Gelatine Pulver heißlöslich, 20g/hl

Mostgelatine I, 100 ml/hl

Mostgelatine II, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl +Kieselsol 30 %, 50 ml/hl

pektolytisches Enzym, 1,0 g/hl

Sedimentationstrub (%)

Durch Mostgelatine entsteht etwas weniger Trubvolumen. Grund:

Page 17: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Abhängigkeit des Trubvolumens (%) vom Klärgrad (NTU) des Mostes.

Das Trubvolumen hängt ab von der zur Sedimentation gekommenen Trubmenge bzw. dem erzielten Klärgrad.

R2 = 0,5866

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

Klärgrad (NTU)

Sed

imen

tatio

nstru

b (%

)

Page 18: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Gerbstoffe (mg/l Catechin) nach der Mostbehandlung mit diversen Gelatinen und Pektinase.

Mittelwerte aus zwei Mosten, ungeschwefelt und oxidiert

2,95

1,7

2,57

1,84

2,02

2,21

1,87

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5

Standard

Gelatine Pulver heißlöslich, 20g/hl

Mostgelatine I, 100 ml/hl

Mostgelatine II, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl

Klärgelatine flüssig, 100 ml/hl +Kieselsol 30 %, 50 ml/hl

pektolytisches Enzym, 1,0 g/hl

Gerbstoffe, mg/l

Mostgelatine bewirkt eine Minderung von Gerbstoffen um ca. 30 % im oxidierten Most. Flavonoide Phenole im geschwefelten Most reagieren kaum, da ohne Oxidation keine

Polymerisation zu fällbaren Gerbstoffen.

Page 19: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Wechselwirkung von Bentonit und Gelatine auf die Mostvorklärung durch Sedimentation

(Mittelwerte aus 2 Mosten, 2012)

0 100 200 300 400 500 600 700

Standard vor Mostvorklärung

Standard ohne Behandlung

50 mg/L SO2

2 g/hl Pektinase

20 g/hl Gelatine pulverisiert

100 ml/hl Gelatine flüssig

300 g/hl Bentonit I (Ca-Na)

300 g/hl Bentonit I (Ca-Na) + 20 g/hl Gelatine pulverisiert

300 g/hl Bentonit I (Ca-Na) + 100 ml/hl Gelatine flüssig

300 g/hl Bentonit II (Ca-Na)

300 g/hl Bentonit II (Ca-Na) + 20 g/hl Gelatine pulverisiert

300 g/hl Bentonit II (Ca-Na) + 100 ml/hl Gelatine flüssig

NTU

Bentonite tragen nur geringfügig (18 %) zur Sedimentation des Mostes bei; Ihr Effekt wird durch pulverisierte Gelatine kumulativ verbessert.

Bentonite verbessern nicht den schlechten Kläreffekt flüssiger Mostgelatine.

Page 20: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammenfassung: Mostvorklärung durch Sedimentation mittels

Schönungsmittel

• Nur Enzymierung führt zu einer zufrieden stellenden Klärung auf < 100 NTU.

• Mostschwefelung trägt nur minimal zur Mostvorklärung bei. • Flüssige Mostgelatine ist zur Klärung weißer Moste annähernd

wirkungslos, solange kein Kieselsol als Fällungspartner vorliegt. Daher:

- nur unbedeutende oder keine Klärwirkung- Erhöhung des Bentonitbedarfs- bestenfalls sinnvoll zur Unterstützung von Pektinase bei niedrigen Temperaturen.• Bentonite tragen nur geringfügig (ca. 20 %) zur Sedimentation bei.• Dies gilt auch dann, wenn die Produkte als Mostgelatine bzw.

Mostbentonit ausgewiesen sind. • Der mangelnde Kläreffekt von flüssiger Gelatine wird durch

gleichzeitige Gabe von Bentonit nicht verbessert.• Pulverisierte Gelatine führt in weißen Mosten zu einer deutlichen, aber

ungenügenden Klärwirkung. • Die Minderung von Gerbstoffen durch Gelatine ist bescheiden mit ca.

30 % (oxidierter Most) bis 0 % (geschwefelter Most).

Page 21: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

"Glättende" Schönungsmittel im Wein:

Theorie und Praxis der Reparatur

Page 22: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Minderung von Gerbstoff in Weißwein durch Schönungsmittel - Grundlagen, I

• Gerbstoffe sind polymerisierte flavonoide Phenole (C6-C3-C6).• Monomere Flavonoide sind nicht gerbend (adstringierend).• Die Adstringens der Gerbstoffe nimmt mit ihrem Polymerisationsgrad

zu. • Weinlagerung → Polymerisation, Zunahme der Adstringens• Adstringens entsteht durch Reaktion von Gerbstoffen mit Eiweißen

des Speichels. • Eiweißhaltige Schönungsmittel reagieren – wie Speichel – nur mit

tatsächlichen Gerbstoffen, nicht jedoch mit niedermolekularen Vorläuferstufen.

• Nicht durch Schönungsmittel entfernte Monomere polymerisieren und führen erneut zur Bildung von Gerbstoffen.

Die Intensität der Adstringens ist eine Momentaufnahme und wächst mit der Alterung.

Page 23: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Minderung von Gerbstoff in Weißwein durch Schönungsmittel - Grundlagen, II

Ziel: Langfristige Geschmackstabilität durch Entfernung auch momentan noch nicht schmeckbarer Monomere.

Problem: Bei Schönungsdosage nach Geschmack wird die Adstringens nur momentan beseitigt.

Lösung: Ermittlung des Gehaltes an Flavonoiden – schmeckbarer und nicht schmeckbarer Anteil.

Die Bestimmung flavonoider Phenole gibt Auskunft, ob tatsächlich Gerbstoffe oder eine sensorische Täuschung (Brandigkeit durch Alkohol, Kratzen durch Calcium usw.) vorliegen.

Page 24: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Minderung von Gerbstoff in Weißwein durch Schönungsmittel - Unterschiede

Nur PVPP und heißlösliches Casein (in-line-Dosierung, Dosierpumpe) entfernen auch die momentan nicht schmeckbaren Vorläuferstufen späterer Gerbstoffe. Gelatine flockt mit

Gerbstoffen in Weißwein nicht aus, sondern nur in Rotwein.

Page 25: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Wirkung von zwei Gelatinen auf Adstringens und Gesamtphenol eines Spätburgunder Rotweins.

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

0 g/hL 10 g/hL 20 g/hL 40 g/hL 60 g/hL

Dosage

Inte

nsitä

t Ads

tring

ens,

0-1

0

2600

2700

2800

2900

3000

3100

3200

3300

3400

3500

Ges

amtp

heno

l, m

g/L

Adstringens, Gelatine A Adstringens, Gelatine B

Gesamtphenol, Gelatine A Gesamtphenol, Gelatine B

Zur Minderung übermäßiger Adstringens in Rotwein kann klassische Gelatine alle anderen Schönungsmittel vorteilhaft ersetzen. Sie flockt vollständig mit dem Tannin aus.

Page 26: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammenfassung: Gerbstoff-mindernde Schönungsmittel in Weißwein

• Die meisten der auf dem Markt angebotenen Schönungsmittel beheben ein Problem mit Gerbstoffen in Weißwein nur vorübergehend.

• Die Unterschiede zwischen den Präparaten bestehen im Wesentlichen in Preis, Image und Werbung.

• Deutsche Weißweine enthalten kaum noch Gerbstoffe (Ausnahme: Problembetriebe, sehr reduktive Mostverarbeitung, lange Maischestandzeit).

• Daher sind Gerbstoff-mindernde Schönungsmittel in den meisten modernen Weißweinen überflüssig.

Page 27: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Der umsatzstärkste Zusatzstoff :

Tannine

Page 28: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Beeinflussung der Adstringens durch Zusatz 28 önologischer Tannine (10 g/hl) zu verschiedenen Weinen.

Sensorische Auswertung einen Monat nach Zusatz.

Tannine sind Gerbstoffe. Alle Tannine führen zu einer deutlichen Erhöhung der Adstringens (durchschnittlich 50 % bei 10 g/hl) mit starken Schwankungen zwischen den Präparaten.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

4,50

5,00

Ad

str

ing

en

s,

0-5

Silvaner Spätburgunder Dornfelder

Page 29: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Beeinflussung der Bittere durch Zusatz 28 önologischer Tannine (10 g/hl) zu verschiedenen Weinen.

Sensorische Auswertung einen Monat nach Zusatz.

Ebenso führen alle Tannine zu einer Erhöhung der bitteren Geschmackskomponente (durchschnittlich 26 % bei 10 g/hl).

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

4,50

5,00

Inte

nsitä

t B

ittere

, 0-5

Silvaner Spätburgunder Dornfelder

Page 30: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Beeinflussung der Mundfülle durch Zusatz 28 önologischer Tannine (10 g/hl) zu verschiedenen Weinen.

Sensorische Auswertung einen Monat nach Zusatz.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

Inte

nsitä

t, 0

-5

Silvaner Spätburgunder Dornfelder

Die Zunahme des als "Mundfülle“ beschriebenen Sinneseindruck beträgt nach Zusatz von 10 g/hl Tannin nur durchschnittlich 11 %.

Page 31: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Beeinflussung der Fruchtaromatik durch Zusatz 28 önologischer Tannine (10 g/hl) zu verschiedenen Weinen.

Sensorische Auswertung einen Monat nach Zusatz.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

Inte

nsitä

t, 0

-5

Silvaner Spätburgunder Dornfelder

Der Zusatz von Tannin mindert die geruchliche Wahrnehmung von "Fruchtaromatik“ um durchschnittlich 19 %, besonders in Weißwein.

In Rotwein können Tanninzusätze die Fruchtaromen vor Oxidation schützen.

Page 32: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Ellagtannin zur Maischegärung: Veränderung sensorischer und chromatischer Eigenschaften bei zwei Rebsorten.

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

Ges

amtp

henol, m

g/l

Farbin

tensitä

t (ohne

SO2,

A 5

20 n

m)

Anteil

(%) S

O2-

stabile

r Far

be

Mundfü

lle

Adstrin

gens

Bitter

e

Buntfrüchte

(orth

onasal)

trock

ene

Kräute

r (orth

onasal)

Ve

rän

de

run

g in

%Portugieser Dornfelder

Die den so genannten Maischetanninen zugelobten Effekte (Farbstabilisierung usw.) sind weder signifikant noch reproduzierbar, sondern werden durch andere Variablen überlagert, wenn sie zur Maischegärung eingesetzt werden. Systematisch ist nur die Verstärkung der Adstringens.

Page 33: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusatz verschiedener Tannine (10 g/hl) zu Rotwein: Sensorische und chromatische Folgen bei Portugieser unter oxidativen

Lagerbedingungen (10 mg/L O2 in über zwei Monate).

0

1

2

3

4

5Gesamtphenole, g/l

Anthocyane, mg/l : 100

Farbintensität ohne SO2, A 520

Anteil SO2-stabiler Farbe, % : 10

Mundfülle, 1-5Adstringens, 1-5

Bittere, 1-5

Buntfrüchte (orthonasal), 1-5

trockene Kräuter (orthonasal), 1-5

Standard Traubentannin A Traubentannin B Ellagtannin A Ellagtannin B

In leichten Rotweinen (wenig Gesamtphenol) nehmen Adstringens und Bittere stets zu. Unter oxidativen Bedingungen (Holzfass) erhalten Ellagtannine die Fruchtaromatik (“Buntfrüchte”)

besser.

Page 34: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusatz verschiedener Tannine (10 g/hl) zu Rotwein: Sensorische und chromatische Folgen bei Dornfelder unter oxidativen

Lagerbedingungen (10 mg/L O2 über zwei Monate).

0

1

2

3

4

5Gesamtphenole, g/l

Anthocyane, mg/l : 100

Farbintensität ohne SO2, A 520

Anteil SO2-stabiler Farbe, % : 10

Mundfülle, 1-5Adstringens, 1-5

Bittere, 1-5

Buntfrüchte (orthonasal), 1-5

trockene Kräuter (orthonasal), 1-5

Standard Traubentannin A Traubentannin B Ellagtannin A Ellagtannin B

In starken Rotweinen (hoher Gesamtphenolgehalt) gehen die Effekte eines Tanninzusatzes gegen Null.

Page 35: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Oxidationsschutz durch Ellagtannin bei leichten Rotweinen. Hier: Fruchtaromatik bei Portugieser.

Ellagtannin = 10 g/hl nach Gärung, Sauerstoff = 10 mg/l

Besonders bei aktiver Sauerstoffzufuhr (belüftendes Umpumpen, Holzfass) zu farb- und tanninschwachen Rotweinen kann Ellagtannin die Fruchtaromatik vor den Folgen einer zu

starken Oxidation schützen.

6,8

4,0

5,56,1

1,9

4,3

3,4

2,7

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

Standard Sauerstoff Sauerstoff mitEllagtannin

Ellagtannin

Buntfrüchte trockene Kräuter

Page 36: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Einfluss von Ellagtannin und Sauerstoff auf die Farbe eines leichten Rotweins, hier: Portugieser

1,099 1,334 1,121,518

1,282

1,428 2,0651,6010,086

0,162

0,228 0,197

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

Sauerstoff

Standard Ellagtannin Ellagtannin Sauerstoff

Far

bdic

hte

(AU

, 10

mm

)

A 420 A 520 A 620

In farbarmen Rotweinen kann Ellagtannin die Farbe intensivieren, besonders in Verbindung mit Sauerstoff. Aber: Geschmackliche Folgen (Adstringens) sind zu bedenken !

Page 37: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammenfassung: Önologische Tannine

• Alle Tannine sind Gerbstoffe, die sich im Wesentlichen durch ihre Adstringens unterscheiden.

• Ihre Anwendung in Weißwein ist den Bestrebungen schonender Traubenverarbeitung entgegengesetzt, da Anreicherung von Gerbstoffen.

• Bei Anwendung in Rotwein besteht der wesentliche Effekt in einer eindimensionalen Verstärkung der Adstingens.

• Oxidationsschutz und Farbstabilisierung erreichen nur in leichten Rotweinen signifikante Ausmaße.

• Bei Zusatz zur Maische werden diese Effekte relativiert und überlagert durch wichtigere Variablen (Länge der Maischestandzeit, Umwälzung, Sauerstoffeintrag, Temperatur….)

• Je hochwertiger das Lesegut, desto geringer die Effekte.

Page 38: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zusammensetzung und Behandlung von Böcksern in Abhängigkeit von ihrem Entwicklungsstadium

REAKTION BESEITIGUNG

H2S

Monosulfide (Thiole,

Mercaptane)

Disulfe, zyklische

S-Verbindugen

Thioessig-säureester

Bindung

Hydrolyse

Oxidation

Verdunstung

Oxidation

Fällung mit Cu+

Fällung mit Cu+

Ausgasung(keine Reaktion mit Cu+

Page 39: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Kupfersulfat vs. Kupfercitrat

Cu+ fällt Thiole (Mercaptane) und H2S.Das Anion (Sulfat, Chlorid, Carbonat, Citrat….) verbleibt wirkungslos im Wein.

Kupfer: Cu+ ; MG = 63,55Kupfersulfat: CuSO4 x 5 H2O; MG = 249,68Kupfercitrat: Cu3(C6H5O7)2 ; MG = 568,84

Kupfersulfat enthält 25,5 % Cu+ (= 100 %)Kupfercitrat enthält 33,5 % Cu+ (= 131 %)

Da Kupfercitrat 31 % mehr Cu+ als Kupfersulfat enthält, benötigen wir davon eine um 31 % geringere Aufwandmenge zur Behandlung des gleichen Böcksers. Die Menge an Kupferionen ist identisch !

Bezogen auf die Menge des eingebrachten Cu+ ergeben sich keine sensorisch signifikanten Unterschiede zwischen Kupfersulfat und Kupfercitrat.

Page 40: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Einfluss von Zusatzstoffen auf die Löslichkeit von Cu+

Standard = 100 %. Mittelwerte aus 2 Weiß- und 2 Rotweinen.

100 99,5

82

107,1 104,9

138 136,4

0

20

40

60

80

100

120

140

160

gelös

tes

Kupf

er, %

vom

Sta

ndar

d (1

00%

)

Die Stabilitätsgrenze von Cu beträgt ca. 0,5 g/L.

Alle organischen Säuren komplexieren Cu+ teilweise. Der Zusatz von Citronensäure (max. 1 g/L) hat keinen wesentlichen Einfluss auf Komplexierung, Löslichkeit und Reaktivität von Cu+. Ascorbinsäure setzt die Löslichkeit herab.

Page 41: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Zustandsformen nicht komplexierten Kupfers in Abhängigkeit von Redoxpotenzial (mV) und pH-Wert

+ 100

0

- 100

- 200

- 300

mV

2,5 3,0 3,5 4,0pH

Cu++

Cu

Cu++

Cu++ = stabil, Cu+ = instabil. Instabiles Cu+ nimmt zu, wenn pH erhöht oder Redoxpotenzial gesenkt wird.

Page 42: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Das Prinzip der additiven Önologie an einem Beispiel

• Zusatz von Tannin und Einsatz von Gerbstoff-mindernden Schönungsmitteln zum gleichen Wein;

• z. B. auch in Form von Kombinationspräparaten (Tannin und PVPP in einer Packung).

• Vorteile: Leichte Anwendung, einmaliges Rühren.

• Hintergründe: Mangelndes Fachwissen der Anwender, geistige Abhängigkeit von der Werbung.

• Ergebnis: Additive Önologie ohne Sinn und Zweck, Beruhigung des eigenen Gewissens, Umsatz…..

Die Önologie ist eine exakte Naturwissenschaft, die Chemie der Schlüssel zu ihrem Verständnis !

Page 43: Behandlungs- und Zusatzstoffe zwischen Fakten, Mythen, Werbung und Markt am Beispiel meinungsbildender Präparate

Wie man wissenschaftliche Daten dem Bedarf anpassen kann.Oder: Wie Mythen zu Realitäten gemacht werden.

Esoterik und Emotionen sind der Feind der exakten Naturwissenschaft.