ausgabe 11 - concunia.de · 2. einkünfte und bezüge sind für die steuerliche berücksichtigung...

26
AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Upload: others

Post on 26-Jun-2020

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

AUSGABE 11

 MÄRZ 2016

Page 2: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

1

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

› Editorial

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

In unserem Frühjahrsnewsletter für das Jahr 2016 möchten wir Ihnen

u. a. die richtungsweisenden Entscheidungen des BFH zur umsatz-

steuerlichen Organschaft näher darlegen. So wird die bisherige Be-

schränkung auf Kapitalgesellschaften als Organgesellschaft nicht län-

ger haltbar sein können.

Des Weiteren hat der BFH seine, seit Langem erwartete Entscheidung

zur Abzugsfähigkeit eines Teilzeitarbeitszimmers veröffentlicht und die

Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke nach § 4h EStG

dem BVerfG vorgelegt.

Diese und weitere aktuelle Themen aus dem Bereich des Steuer- und

Wirtschaftsrechts finden Sie in den Rubriken „Einkommensteu-

er/Körperschaftsteuer“, „Wirtschaftsrecht“, „Umsatzsteuer“ und „Erb-

schaftsteuer“.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Ihr Concunia-Team

Henning Overkamp Rechtsanwalt, Steuerberater

Page 3: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

2

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

› Inhalt

› Einkommensteuer/Körperschaftsteuer 3

1. Beschluss des Großen Senats über die Abzugsfähigkeit eines Teilzeitarbeitszimmers veröffentlicht 3

2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4

3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ als haushaltsnahe Dienstleistungen 7

4. Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke – das Bundesverfassungsgericht soll die Vorschrift jetzt prüfen 8

› Wirtschaftsrecht 10

1. BMF erlässt steuerliche Erleichterungen zur Förderung der Flüchtlingshilfe 10

2. BSG: Beitragsnachforderung wegen Tarifunfähigkeit der Gewerkschafts-Spitzenorganisation zulässig – Kein Vertrauensschutz! 12

3. Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften 15

› Umsatzsteuer 16

1. Vorsteuervergütung bei elektronischer Übermittlung einer Rechnungskopie 16

2. BFH äußert Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Änderung von Umsatzsteuerbescheiden nach § 27 Abs. 19 UStG 17

3. BFH ordnet Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer neu 18

› Erbschaftsteuer 22

1. ErbStG – BFH ändert Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Steuerschulden 22

› In eigener Sache 24

1. Mitarbeiter 24

2. Niederlassung im Rheinland 24

3. Peer Review 24

4. Neue Checkliste BilRUG 24

Page 4: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

3

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

› Einkommensteuer/Körperschaftsteuer

1. Beschluss des Großen Senats über die Abzugsfähigkeit eines Teilzeitarbeitszimmers veröffentlicht

Der BFH hat am 27.01.2016 den lange erwarteten Beschluss des Großen Senats zur Ab-zugsfähigkeit häuslicher Arbeitszimmer bei gemischt genutzten Räumen veröffentlicht (Az.

GrS 1/14). Bereits im März 2014 haben wir über die Vorlage des IX. Senats (Az. IX R 23/12) an den Großen Senat zur Abzugsfähigkeit eines Teilzeitarbeitszimmers informiert. In unserem letzten Newsletter haben wir noch einmal auf die für Ende Januar 2016 erwar-

tete Entscheidung des Großen Senats hingewiesen. Nun dürfen wir Ihnen die Entscheidung des Großen Senates präsentieren. Dieser hat mit dem erst jetzt veröffentlichten Beschluss vom 27.07.2015 (Az. GrS 1/14) entschieden, dass ein Abzug der Aufwendungen für ein

häusliches Arbeitszimmer bei gemischt genutzten Räumen nicht möglich sei.

Gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Dies gilt nur dann nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz

zur Verfügung steht. Ist das häusliche Arbeitszimmer der einzige Arbeitsplatz, können

Aufwendungen bis zu 1.250 € als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Die Be-

schränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesam-ten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Für den Abzug als Werbungskosten gilt

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG über § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß.

Abzugsfähigkeit eines

häuslichen Arbeitszimmers:

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG

In dem der Entscheidung des Großen Senates zu Grunde liegenden Verfahren war streitig, ob Kosten für einen Wohnraum, der zu 60 % zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung

und Verpachtung und zu 40 % privat genutzt wird, anteilig als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind. Der IX. Senat hat dem Gro-ßen Senat gemäß § 11 Abs. 4 FGO die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob in diesem Fall die Kosten nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senates des

BFH vom 21.09.2009 (Az. GrS 1/06) aufzuteilen sind. In seinem Beschluss vom 21.09.2009 hatte der Große Senat die Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei ge-mischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten

(Betriebsausgaben) und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufgeteilt. Die Aufteilung sollte nach Ansicht des Großen Senates nach Maßgabe der be-ruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise erfolgen, wenn die beruflich veranlass-

ten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Die Anwendung dieser Grundsätze würde zu einer Aufteilung der Aufwendungen für das häusliche Arbeits-

Aufteilungsgrundsätze

gemäß der Entscheidung

des Großen Senates:

GrS 1/06

Page 5: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

4

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

zimmer sowie der Kosten für die Ausstattung bedeuten, sodass die Aufwendungen zumin-dest teilweise bis zu einer Höhe 1.250 € als Betriebsausgaben geltend gemacht werden

könnten.

Der vorlegende IX. Senat bejahte die Anwendung der Aufteilungsgrundsätze des Großen Senats. Er vertrat die Auffassung, dass der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers nicht

voraussetzt, dass der jeweilige Raum ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird. Der Wortlaut gebe eine solche Auslegung nicht her. Damit wandte sich der IX. Senat gegen die ständige Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH v. 06.02.1992, IV R 85/90; BFH v. VI R 3/04; BFH v. 13.11.2007, VI B 100/07; BFH v. 19.07.2005, VI B 175/04; BFH v.

04.05.2005, VI B 35/04). Vor allem der VI. Senat hatte in seinen Entscheidungen für den Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer stets verlangt, dass dieses „ausschließlich oder zumindest nahezu ausschließlich beruflich genutzt“ werde. Dies wurde

insbesondere mit der Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zwischen dem privaten Wohnbereich und dem beruflichen/ betrieblichen Arbeitszimmer begründet. Auch die Finanzverwaltung folgte der ständigen Rechtsprechung des BFH.

Streitstand vor der neues-

ten Entscheidung des

Großen Senats: GrS 1/14

Der Große Senat hat mit seinem Beschluss vom 27.07.2015 (veröffentlicht am 27.01.2016) die ständige Rechtsprechung bestätigt. Der Begriff des häuslichen Arbeits-zimmers setze voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich

für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt werde. Dies gelte auch für Zimmer, die räumlich sowohl zur Erzielung von Einnahmen („Arbeitsecke“) als auch zu privaten Wohnzwecken genutzt werden. Der Zweck des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG stehe einer Aufteilung der Aufwendungen entgegen. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Vorschrift die Vermeidung

von Gestaltungsmöglichkeiten und die Erleichterung des Verwaltungsvollzugs (BR-Drucksache 171/2/95, 36). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in betrieblich/beruflich veranlasste und privat veranlasste Kosten

aufgeteilt würden. Da § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG eine den allgemeinen Grundsätzen vorgehende Spezialregelung sei, können die vom Großen Senat in GrS 1/06 entwickelten Aufteilungsgrundsätze keine Anwendung finden.

Die Entscheidung des

Großen Senats: GrS 1/14

2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder un-beachtlich

Das BMF hat mit Schreiben vom 08.02.2016 (Az. IV C 4 – S 2282/07/0001-01) Stellung zur steuerlichen Berücksichtigung volljähriger Kinder nach § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG ab

dem Veranlagungszeitraum 2012 genommen. Das Schreiben dient der einheitlichen An-wendung der Kinderfreibeträge. Ein volljähriges Kind wird nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG grundsätzlich bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudi-

Page 6: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

5

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

ums berücksichtigt. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljäh-riger Kinder unbeachtlich, soweit die Erwerbstätigkeit nicht mehr als 20 Stunden regelmä-

ßiger wöchentlicher Arbeitszeit beträgt. Darüber hinaus werden volljährige Kinder nur dann berücksichtigt, wenn sie einen der Grundtatbestände des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG erfüllen.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird gemäß § 32 Abs. 6 EStG für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.304 € für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.320 € für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abge-

zogen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kindern sind in § 32 Abs. 1 bis 5 EStG geregelt. § 32 Abs. 4 und 5 EStG regeln insbesondere die Berücksichtigung voll-jähriger Kinder. Nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, welches das 18. Lebens-

jahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es sich in einer erstmaligen Berufsausbildung oder einem Erststudium befindet.

Kinderfreibeträge nach

§ 32 Abs. 6 EStG

Das BMF definiert in seinem Schreiben, was die Finanzverwaltung unter einer erstmaligen

Berufsausbildung versteht. Eine Berufsausbildung in diesem Sinne soll vorliegen, wenn „das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Voraussetzung ist, dass

der Beruf durch eine Ausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlernt wird und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird.“ Das BMF verweist damit auf das Urteil des BFH vom 06.03.1992 (Az. VI R 163/88). Das BMF erläu-tert den Begriff der Berufsausbildung über die Definition hinaus sehr eingehend. Die erst-

malige Berufsausbildung ist abgeschlossen, wenn das Kind in der Lage ist, den entspre-chenden Beruf aufzunehmen. Weitere Ausbildungen, wie z. B. Meisterlehre, sind grund-sätzlich nicht mehr von der erstmaligen Berufsausbildung umfasst. Eine Meisterlehre kann

nur dann der erstmaligen Ausbildung hinzugerechnet werden, wenn diese zeitlich und inhaltlich auf der vorangegangenen Ausbildung aufbaut.

Begriff der erstmaligen

Berufsausbildung

Auch zum Begriff des Erststudiums nimmt das BMF Stellung. Erststudium im Sinne des § 32

Abs. 4 S. 2 EStG ist demnach jedes Studium an einer Hochschule im Sinne der Hochschul-gesetze der Länder, das eine Erstausbildung darstellt, d. h. es darf dem Studium kein ande-res berufsqualifizierendes Studium und auch keine nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen sein. Ein Wechsel des Studiengangs oder eine Unterbrechung ohne Ab-

schluss eines Studiengangs stehen einem Erststudium nicht entgegen. Ein Studium wird regelmäßig mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses abgeschlossen. Der Bachelor-grad ist ein berufsqualifizierender Abschluss. Ein Masterstudiengang kann nur dann dem

Erststudium hinzugerechnet werden, wenn dieser zeitlich und inhaltlich auf dem vorange-

Begriff des Erststudiums

Page 7: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

6

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

gangenen Bachelorstudiengang aufbaut.

Page 8: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

7

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Neben den Erläuterungen zur erstmaligen Berufsausbildung und dem Erststudium geht das BMF in seinem Schreiben auch auf den Begriff des Abschlusses ein, erläutert die Grundsät-

ze anhand mehrerer Einzelfälle, nennt Voraussetzungen für eine Erwerbstätigkeit neben der erstmaligen Berufsausbildung oder dem Erststudium und erläutert weitere Besonderhei-ten bei der Berücksichtigung von Kindern mit einer körperlichen, geistigen oder seelischen

Behinderung.

Einzelfälle, Ausnahmen,

Sonderfälle

3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ als haus-haltsnahe Dienstleistungen

Der BFH hat mit Urteil vom 03.09.2015 (Az. VI R 18/14) entschieden, dass für ein mit der

Betreuungspauschale abgegoltenes Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rah-men des „Betreuten Wohnens“ Hilfeleistung rund um die Uhr sicherstellt, die Steuerermäßi-gung nach § 35a Abs. 2 S. 1 EStG in Anspruch genommen werden kann.

§ 35a EStG enthält Steuerermäßigungen bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäfti-gungsverhältnisse und Dienstleistungen. Gemäß § 35a Abs. 2 EStG ermäßigt sich die tarif-liche Einkommensteuer auf Antrag um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für

die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen (höchstens jedoch 4.000 €). Dies gilt grundsätzlich auch für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem

Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen ent-halten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind (§ 35a Abs. 2 Satz 2 EStG).

Steuerermäßigung für

haushaltsnahe Dienstleis-

tungen

Mit seiner Rechtsprechung bestätigt der VI. Senat seine Urteile vom 01.02.2007 (Az. VI R

77/05 und VI R 74/05) und vom 29.01.2009 (VI R 28/08). Damit festigt er die Recht-sprechung, dass unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen ist. Das

Wirtschaften im Haushalt in diesem Sinne umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens

und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, alten und kranken Haushaltsan-gehörigen. Ein solcher Haushalt kann grundsätzlich auch von dem Bewohner eines Wohn-stifts geführt werden.

VI. Senat bestätigt seine

Rechtsprechung

Page 9: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

8

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

4. Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke – das Bundesverfassungsgericht soll die Vorschrift jetzt prüfen

Die sog. Zinsschranke gilt mit ihren Ausnahmevorschriften als eine der kompliziertesten Vorschriften im Steuerrecht. Sie ist in § 4h EStG geregelt und findet unter Berücksichtigung der besonderen Bestimmungen des § 8a KStG auch auf Körperschaften Anwendung. Dem-

nach sind Zinsaufwendungen eines Betriebs in Höhe des Zinsertrags, darüber hinaus aber nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (Earnings Before Interest Taxes Depreciation and Amortisation), d. h. in Höhe von 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Ab-schreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar. Die Vorschrift bezweckt Steuervermeidun-

gen zu verhindern, die durch eine übermäßige Fremdfinanzierung Gesellschaftern entste-hen.

Der BFH hat bereits in einem Beschluss vom 18.12.2013 (Az. I B 85/13) die Vereinbarkeit

der Zinsschrankenregelung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bezweifelt. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus dem Gleichheitssatz ergeben sich je

nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Ver-hältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts wird der gesetzgeberi-

sche Gestaltungsspielraum vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Teilgrundsät-ze des Gleichheitsgrundsatzes begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfä-

higkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Net-toprinzip. Nach Ansicht des erkennenden Senats durchbricht der Gesetzgeber mit der Zins-schranke jedoch den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht das Nettoeinkommen besteuert wer-

de.

Zweifel des BFH an der

Verfassungsmäßigkeit der

Zinsschranke

Nach dem in § 4 Abs. 4 EStG kodifizierten objektiven Nettoprinzip unterliegt im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, also der Saldo aus

den Einnahmen und den Betriebsausgaben, der Besteuerung. Aus diesem Grund sind Be-triebsausgaben grundsätzlich steuerlich abziehbar. Sofern die Zinsschranke einen unmittel-baren Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen nur in eingeschränktem Maße und im Übrigen nur in spätere Veranlagungszeiträume zulässt, ist das objektive Nettoprinzip

betroffen. Die Regelung bedarf daher einer verfassungsmäßigen Rechtfertigung. Hieran hatte der erkennende Senat erhebliche Zweifel. Die Zinsschranke verwirklicht demnach keine gleichheitsgerechte Lastenverteilung. Dies könne weder durch einen sog. qualifizier-

Durchbrechung des objekti-

ven Nettoprinzips

Page 10: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

9

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

ten Fiskalzweck noch mit dem Zweck der Missbrauchsabwehr gerechtfertigt werden.

Page 11: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

10

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Dem dargestellten Verfahren vom 18.12.2013 begegnete das BMF am 13.11.2014 mit einem Nichtanwendungserlass. Das Ministerium sah in dem Beschluss des BFH vor allem

eine „Gefahr für die öffentlichen Haushalte“. Der BFH legte nun in einem neuen Verfahren mit Beschluss vom 14.10.2015 (Az. I R 20/15) dem Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 1/16 - anhängig) die Frage vor, ob § 4h EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG und § 8a KStG

gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht über diese Frage entscheiden wird. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behör-den.

Vorlage an das BVerfG

› Wirtschaftsrecht

1. BMF erlässt steuerliche Erleichterungen zur Förderung der Flüchtlingshilfe

Die unerwartete Einreise von über einer Million Flüchtlinge und Migranten nach Deutsch-land im Jahr 2015 hat für die Bundesrepublik sowohl gesellschaftliche wie auch finanzielle Folgen. Die Betreuung und Versorgung der Ankommenden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen

erfordert. Das BMF hat aus diesem Grund mit Schreiben vom 22.09.2015 (Az. IV C 4 – S 2223/07/0015:015) steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge er-lassen. Wir wollen Ihnen im Folgenden einen kurzen Überblick über die beschlossenen

Regelungen geben.

Für Sonderkonten, die zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge eingerichtet wurden, gilt der vereinfachte Zuwendungsnachweis. Als Zuwendungsbestätigung für den Abzug von Zu-

wendungen im Sinne der §§ 10b und 34g EStG genügt demnach der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts (§ 50 Abs. 2 S. 1 EStDV). Zudem ist unter bestimmten Voraussetzungen auch ein vereinfachter Zuwendungsnachweis für Spen-densammlungen durch nicht steuerbegünstigte Spendensammler über ein als Treuhandkon-

to geführtes Spendenkonto zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge möglich.

Vereinfachter Zuwen-

dungsnachweis

Entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO verliert eine gemeinnützige Körperschaft, deren sat-zungsmäßiger Zweck nicht auf die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge gerichtet ist, ihre

Steuerbegünstigung nicht bereits dadurch, dass sie Mittel, die sie im Rahmen einer Sonder-aktion für die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge gesammelt hat, für den angegebenen Zweck verwendet. Es reicht aus, dass die Spenden zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge

entweder an eine steuerbegünstigte Körperschaft, die gemeinnützige oder mildtätige Zwe-cke verfolgt, oder an eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts weitergelei-

Spendenaktionen von

gemeinnützigen Körper-

schaften

Page 12: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

11

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

tet werden.

Page 13: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

12

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Eine gemeinnützige Körperschaft, deren satzungsmäßiger Zweck nicht auf die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge gerichtet ist, verliert ihre Steuerbegünstigung auch nicht dadurch,

dass sie sonstige bei ihr vorhandene Mittel, die keiner anderweitigen Bindungswirkung unterliegen, ohne Änderung der Satzung zur unmittelbaren Unterstützung von Flüchtlingen einsetzt.

Verwendung von Spenden

zur Unterstützung von

Flüchtlingen

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die auf die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge ge-richtet sind, können entsprechend des BMF-Schreibens vom 18.02.1998 (BStBl I 1998, 212) als Betriebsausgeben abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige die Aufwendun-gen tätigt, um dadurch das unternehmerische Ansehen zu steigern. Voraussetzung ist, dass

der Sponsor öffentlichkeitswirksam auf seine Leistungen aufmerksam macht.

Betriebsausgabenabzug bei

Spenden als Sponsoring-

Maßnahmen

Verzichtet ein Arbeitnehmer zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge auf einen Teil seines Arbeitslohns, bleiben diese Lohnanteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Einkom-

mens außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt. Die steuer-freien Lohnanteile dürfen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung jedoch nicht als Spenden berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für Aufsichtsratsvergütungen entsprechend.

Steuerbefreiung für Spen-

den vom Arbeitslohn

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG sind Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, von der Schenkungs- und Erb-schaftsteuer befreit, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist. Das

BMF weist darauf hin, dass die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge ein mildtätiger Zweck im Sinne des § 53 AO ist. Spenden zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge sind somit von der Schenkungs- und Erbschaftsteuer befreit, soweit die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist.

Hinweis auf § 13 Abs. 1

Nr. 17 ErbStG

2. BSG: Beitragsnachforderung wegen Tarifunfähigkeit der Gewerkschafts-Spitzenorganisation zulässig – Kein Vertrauensschutz!

Das BSG hat am 16.12.2015 (B 12 R 11/14 R) entschieden, dass Beitragsnachforderun-

gen der Sozialversicherer gegen Zeitarbeitsunternehmen wegen Tarifunfähigkeit der Ge-werkschafts-Spitzenorganisationen grundsätzlich zulässig sind. Wegen der vorangegange-nen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und beim Bundesverfassungsgericht können

sich die Leiharbeitgeber (Verleiher) nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Gemäß § 9 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen ver-gleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen ein-

schließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam. Abweichende Regelungen von diesem Gleichstellunggebot sind nur durch einen Tarifvertrag zulässig. Tarifvertragsparteien sind

Gleichstellung von Leih-

arbeitnehmern

Page 14: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

13

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern (§ 2 Abs. 1 TVG).

Schaubild

Der vom BSG entschiedene Fall fußt auf einem Rechtsstreit vor dem AG Berlin vom 15.04.2008 (63 BV 9415/08). In der Sache ging es um die Feststellung der Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP). Die

CGZP hatte mit einer Vielzahl von Leiharbeitgebern tarifvertragliche Regelungen zur Ab-weichung vom Gleichstellunggebot des § 9 Nr. 2 AÜG getroffen. Streitgegenstand waren die Vergütungsansprüche der Leiharbeitnehmer aus den Leiharbeitsverhältnissen für die

Zeit vom 17.10.2006 bis zum 31.01.2008. Das BAG stelle in seinem Urteil vom vom14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) letztinstanzlich fest, dass die CGZP weder nach § 2 Abs. 1 TVG als Gewerkschaft noch nach § 2 Abs. 3 TVG als Spitzenorganisation tariffähig

sei. Die tarifvertraglichen Regelungen der CGZP zur Abweichung vom Schlechterstellungs-verbot (§ 9 Nr. 2 AÜG) waren folglich unwirksam. Das Gericht sprach den Leiharbeitneh-mern gegen die Leiharbeitgeber rückwirkend Ansprüche auf Zahlung der Vergütungsdiffe-renz zwischen der bei dem Entleiher üblichen Vergütung und der Vergütung, die ihnen

nach dem CGZP-Tarifvertrag gezahlt wurde, zu (§ 10 Abs. 4 AÜG).

Tarifunfähigkeit der CGZP

durch das BAG festgestellt

Page 15: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

14

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Neben den arbeitsrechtlichen Folgen entstanden aus dem Urteil des BAG aber auch sozial-versicherungsrechtliche Folgen. Die Ansprüche der Leiharbeitnehmer auf Zahlung der Ver-

gütungsdifferenz unterliegen der Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Die Beitragspflicht entsteht kraft Gesetzes, unabhängig davon, ob der Leiharbeitnehmer die Vergütungsdiffe-renz überhaupt einfordert und/oder der Verleiher diese auch zahlt (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB

IV). In dem vom BSG nun entschiedenen Fall hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund bei über 3.000 Leiharbeitgebern für Zeiten vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 Beitrags-nachforderungen von zusammen mehr als 220 Mio. € geltend gemacht. Ein Leiharbeitge-ber legte gegen die festgestellte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.

H. v. 75.000 € Revision ein. Die Revision wurde damit begründet, dass der Leiharbeitgeber auf die Tariffähigkeit der CGZP vertraut habe und er deshalb nicht in Anspruch genommen werden dürfe. Die Richter wiesen die Revision jedoch zurück. Wegen der vorangegange-

nen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und beim Bundesverfassungsgericht könne sich der Leiharbeitgeber nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Sozialversicherungsrechtli-

che Folgen der Entschei-

dung des BAG

Das Urteil des BSG hat jedoch nicht nur für die Leiharbeitgeber besondere Bedeutung.

Auch die Entleiher der betroffenen Leiharbeitnehmer könnten in Zukunft noch in Anspruch genommen werden, denn auf die vom Verleiher geschuldeten Beiträge haftet der Entleiher für die Dauer der Einsatzzeit verschuldensunabhängig wie ein selbstschuldnerischer Bürge

(§ 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV). Das wird vor allem dann relevant, wenn der Leiharbeitgeber infolge der hohen Nachforderungen zahlungsunfähig wird. Aber auch wenn der Leihar-beitgeber nicht insolvent wird, kann sich der Sozialversicherungsträger unmittelbar an den Entleiher wenden. Der Entleiher kann die Zahlung nur so lange verweigern, wie eine Mah-

nung des Leiharbeitgebers durch die Einzugsstelle und der Ablauf der Mahnfrist nicht er-folgt ist (§ 28e Abs. 2 S. 2 SGB IV).

Inanspruchnahme des

Entleihers für nicht gezahlte

Versicherungsbeiträge!

Das BSG hat den Rechtsstreit an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen. Es müssten noch

Feststellungen darüber nachgeholt werden, welche Beiträge auf welche konkreten Entgel-tansprüche entfallen. Zudem hat das BSG offengelassen, welche Verjährungsfrist für die Nachforderungsansprüche gilt. Grundsätzlich verjähren Ansprüche auf Beiträge zur Sozi-

alversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Werden Beiträge jedoch vorsätzlich vorenthalten, beträgt die Verjährungsfrist dreißig Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Zur Klärung dieser Frage bedarf es der

Feststellung, inwieweit die verantwortlichen Personen Kenntnis von der Beitragspflicht hat-ten.

Verjährung von Nachforde-

rungsansprüchen in

4 Jahren bzw. 30 Jahren

Page 16: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

15

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

3. Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handels-rechtlicher Vorschriften

Der Bundestag hat am 11.03.2016 das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilien-kreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften erlassen. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2014/17/TU des Europäischen Parlaments und des

Rates vom 04.02.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (Wohnimmo-bilienkreditrichtlinie). Das Gesetz enthält u. a. Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Handelsgesetzbuchs und des Kreditwesengesetzes. Einige dieser Änderungen wollen wir Ihnen hier kurz vorstellen.

Kernbestand des Gesetzes ist die Regelung zu sog. Immobiliar-Verbraucherdar-lehensverträgen. Nach § 491 Abs. 1 BGB sind Verbraucherdarlehensverträge Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sowie Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Während

Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge alle entgeltlichen Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer sind, sind Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nur solche, die durch ein Grundpfandrecht

besichert sind oder für den Erwerb von Grundstücksrechten oder grundstücksgleichen Rech-ten bestimmt sind. Die Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge wurden für Immobili-ar-Verbraucherdarlehensverträge angepasst.

Verbraucherdarlehens-

verträge

Durch den neu eingefügten § 505a BGB n. F. besteht nun eine Pflicht des Darlehensgebers vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages die Kreditwürdigkeit des Darle-hensnehmers zu prüfen. Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass keine erheblichen

Zweifel daran bestehen, dass der Darlehnesnehmer seinen Verpflichtungen vertragsgemäß nachkommen wird.

Pflicht zur Kreditwürdig-

keitsprüfung

Entsprechend den Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde in § 492a BGB

n. F. geregelt, dass ein Darlehensgeber den Abschluss eines Immobiliar-Verbraucher-darlehensvertrags grundsätzlich nicht davon abhängig machen darf, dass der Darlehens-nehmer oder ein Dritter weitere Finanzprodukte oder -dienstleistungen erwirbt (Kopplungs-

geschäfte). Durch dieses Verbot sollen die Gefahren, die sich für den Verbraucher aus den Kopplungsgeschäften ergeben können, vermieden werden. In § 492b BGB n. F. wurden restriktive Ausnahmen kodifiziert, die ausnahmsweise im Interesse der Verbraucher liegen.

Verbot von Kopplungs-

geschäften

§ 6 Abs. 3 der Preisangabenverordnung (PAngV) wurde hinsichtlich des Begriffs der „Ge-

samtkosten“ an Art. 4 Nr. 13 RL 2014/17/TU angepasst. In die Berechnung des anzuge-benden effektiven Jahreszinses sind als Gesamtkosten die vom Verbraucher zu entrichten-

Berechnung des effektiven

Jahreszins

Page 17: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

16

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

den Zinsen und alle Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten einzubeziehen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehênsvertrag zu entrichten

hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind. Die PAngV ist eine Verbraucherschutzver-ordnung. Die Definition der Gesamtkosten soll sicherstellen, dass es außer den Zinsen und Kosten keine weiteren Geldansprüche des Darlehensgebers gibt. In der Werbung ist der

effektive Jahreszins genauso hervorzuheben wie jeder andere Zinssatz auch (§ 6a Abs. 2 S. 2 PAngV).

Nach § 356c BGB wurde § 356d BGB n. F. eingefügt, der das Widerrufsrecht des Ver-brauchers bei unentgeltlichen Darlehensverträgen und unentgeltlichen Finanzierungshilfen

regelt. Für Verbraucherdarlehensverträge erlischt das Widerrufsrecht demnach abweichend von § 355 Abs. 2 S. 2 BGB nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens 12 Monate

und 14 Tage nach dem Vertragsabschluss.

Widerrufsfrist für Darle-

hensverträge

§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkre-ditrichtlinie neu gefasst. Der neue Gesetzestext sieht vor, dass Rückstellungen mit einer

Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durch-schnittlichen Marktzinssatz abzuzinsen sind, der sich im Fall von Rückstellungen für Alters-versorgungsverpflichtungen aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und im Falle sons-

tiger Rückstellungen aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren ergibt. Die Neufassung des § 253 Abs. 2 S. 1 HGB verlängert den Betrachtungszeitraum für die Ermittlung des durchschnittlichen Marktzinssatzes. Dies soll negative Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf die Attraktivität von Betriebsrenten abmildern.

Änderung der Abzinsung

von HGB-Pensionsrück-

stellungen

› Umsatzsteuer

1. Vorsteuervergütung bei elektronischer Übermittlung einer Rechnungskopie

Das Finanzgericht (FG) Köln hat mit Urteil vom 20.01.2016 entschieden, dass bei einem

ausländischen Unternehmer auch die elektronisch übermittelte Ablichtung einer Rechnungs-kopie als „Kopie der Rechnung“ für den Vorsteuerabzug anzuerkennen ist (Az. 2 K 2807/12). Der Begriff der „Kopie der Rechnung“ setzt nicht die Ablichtung der Original-

kopie voraus. Die Übermittlung einer Ablichtung der Originalrechnung ist daher nicht er-forderlich.

In der Vergangenheit waren mit dem (in Papierform) zu stellenden Vergütungsantrag die

maßgeblichen „Rechnungen als Originale in Papierform“ vorzulegen. Hierdurch konnten

Pflicht zur Abgabe der

Rechnungen und Einfuhr-

belege als Original

Page 18: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

17

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

auf den Originalrechnungen Markierungen angebracht werden, die eine wiederholte miss-bräuchliche Nutzung der Rechnungen zu Vergütungszwecken verhinderten. Zugleich wurde

dadurch sichergestellt, dass der Antragsteller im Besitz der Originaldokumente war. Wei-terhin konnte überprüft werden, ob an dem Original Manipulationen vorgenommen wur-den.

Seit Einführung des elektronischen Vorsteuervergütungsverfahrens war eine Übermittlung der Originale nicht mehr erforderlich, da die Belege zusammen mit dem Antrag auf Vor-steuervergütung auf elektronischem Weg zu übermitteln waren. Gemäß Art. 10 der Richtli-nie 2008/9/EG vom 12.2.2008 können die Mitgliedstaaten vor Erstattung der Mehrwert-

steuer (Umsatzsteuer) aber verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstat-tungsantrag auf elektronischem Wege eine „Kopie der Rechnung“ einreicht. Das Verfahren zur Vergütung von Vorsteuern an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer

wurde in Deutschland gemäß § 18 Abs. 9 UStG in § 61 UStDV geregelt. § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV bestimmt, dass unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorsteuer-Vergütungsantrag „Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie“ beizufügen sind. Originalrechnungen können

nur noch bei begründeten Zweifeln in Papierform angefordert werden (§ 61 Abs. 2 S. 4 UStDV).

Pflicht zur Abgabe der

Rechnungen und Einfuhr-

belege in Kopie

Nach Ansicht des erkennenden Senats ergibt sich weder aus der Richtlinie noch aus dem

Umsatzsteuergesetz oder der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung, dass eine Pflicht besteht, eine Ablichtung des Originals der Rechnung zu übermitteln. Nach dem ausdrückli-chen Wortlaut des § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV reicht die „Übermittlung einer Kopie“ des Ori-ginals aus. Da auf die Überprüfung der Originalrechnungen hinsichtlich ihrer Authentizität

und die Anbringung von Markierungen aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtet wurde, müsse es daher auch ausreichen, wenn „nur“ die Ablichtung einer Rechnungskopie elektronisch übersandt wird. Eine Pflicht zur Übertragung der Originale würde indes gegen

den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.

Entscheidung des FG Köln

2. BFH äußert Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Änderung von Umsatzsteuerbescheiden nach § 27 Abs. 19 UStG

Der BFH hat mit Beschluss vom 17.12.2015 (Az. XI B 84/15) über die Aussetzung des Verfahrens von nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheiden entschieden. Er ließ dabei offen, ob das Vertrauensschutzkonzept des § 27 Abs. 19 S. 2 UStG den ver-fassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben genügt. Der erkennende Senat konnte

die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Suspendierung des Vertrauensschutzes nach § 27 Abs. 19 S. 2 UStG jedoch nicht ausschließen.

Page 19: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

18

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

§ 27 UStG regelt in Absatz 1 den allgemeinen Grundsatz über die zeitliche Geltung des Umsatzsteuergesetzes. Danach unterstehen materiell-rechtliche Rechtsverhältnisse in Bezug

auf ihre Wirkung und ihren Inhalt im Allgemeinen dem Recht, das zu der Zeit galt, als sich ihr Entstehungstatbestand verwirklichte. Die Steuer ist nach dem Gesetzesstand zu berech-nen, der im Zeitpunkt der Verwirklichung des maßgeblichen Steuertatbestands Geltung

hatte. Von diesem Grundsatz macht § 27 Abs. 19 UStG eine Ausnahme. „Sind Unterneh-mer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG (Leistungsempfänger als Steuerschuldner) auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig

heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein.“ Die Vorschrift dient der Vermeidung möglicher

Steuerausfälle, die darauf beruhen, dass in der Vergangenheit bei Bauträgern zu Unrecht die Steuerübernahme erklärt wurde und diese deshalb die Erstattung der entrichteten Um-satzsteuer beantragen. § 176 AO, der den Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Än-

derung von Steuerbescheiden regelt, soll einer Steueränderung nach § 27 Abs. 19 S. 1 UStG ausdrücklich nicht entgegenstehen.

Allgemeine Übergangsvor-

schriften nach § 27 UStG

Die Verfassungsmäßigkeit dieser Ausnahmevorschrift ist in der Finanzgerichtsbarkeit um-

stritten. Die Finanzgerichte FG Münster (Az. 15 V 2153/15 U) und FG Berlin-Brandenburg (Az. 5 V 5026/15) sowie das Niedersächsische FG (Az. 16 V 95/15; 16 V 132/15; 16 V 135/15) sind der Ansicht, dass die rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung beim leistenden Unternehmer gegen das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verstoße. Zudem

sei die Suspendierung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Vertrauensschutzes nicht gerechtfertigt. Dagegen teilen die Finanzgerichte FG Nürnberg, FG Düsseldorf, das Hessische FG und das Sächsische FG die Zweifel an der Verfassungs-

mäßigkeit nicht. Eine höchstrichterliche Entscheidung des BFH ist bis jetzt nicht ergangen. Auch der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob er sich den geäußerten verfassungs-rechtlichen Bedenken anschließt. Auf Grund der ungeklärten Rechtslage hält der BFH je-

doch eine Aussetzung des Verfahrens, das sich gegen die nach § 27 Abs. 19 UStG geän-derten Umsatzsteuerbescheide richtet, für geboten. Die Frage, ob das Vertrauensschutz-konzept des § 27 Abs. 19 S. 2 UStG den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben genügt, wurde an das Hauptsacheverfahren zurückverwiesen.

Verfassungsrechtliche

Bedenken gegen die Ein-

haltung des Rückwirkungs-

verbots

3. BFH ordnet Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer neu

Der V. Senat hat mit drei Urteilen vom 02.12.2015 (Az. V R 25/13; V R 15/14; V R 67/14) und einem Urteil vom 03.12.2015 (Az. V R 36/13) eine Reihe von Streitfragen zur

Konzernbesteuerung im Umsatzsteuerrecht (Organschaft) geklärt. Als Organschaft be-

Page 20: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

19

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

zeichnet man die Zusammenfassung eines herrschenden Organträgers mit einem oder mehreren abhängigen Organgesellschaften in einem Organkreis. Die Organgesellschaften

werden finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert. Dadurch übernimmt der Organträger die Steuerpflicht für den gesamten Organkreis. Die unselbständigen Organgesellschaften sind dagegen nicht mehr steuer-

pflichtig. Einige der jüngst geklärten Streitfragen zur Organschaft wollen wir Ihnen im Fol-genden darstellen.

Page 21: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

20

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

a. Organschaft mit Tochterpersonengesellschaften

Der BFH hat seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Eingliederung einer Tochterperso-

nengesellschaft in den Organkreis geändert (Az. V R 25/13). Neben einer Kapitalgesell-schaft können künftig auch Personengesellschaften in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert werden, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organ-

träger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organ-trägers finanziell eingegliedert sind. Zwar verlange § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, dass es sich bei der einzugliedernden Organgesellschaft um eine „juristische Person“ handele, da die Vorschrift den Begriff der „juristischen Person“ aber nicht näher definiere, müsse dieser

ausgelegt werden. Da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf Grundlage des Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rats vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer erlassen wurde, ist diese bei

der Auslegung zu beachten. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Rechtsformen ist in der Richtlinie 77/388/EWG aber nicht vorgesehen. Daher sei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch extensiv (nach dem Sinn und Zweck der Norm ausweitend) auszulegen, sodass

auch Rechtsformen, die nach nationalem Recht keine juristischen Personen sind, in den Anwendungsbereich einbezogen werden müssen (Grundsatz der Rechtsformneutralität).

b. Eingliederungsvoraussetzungen bestätigt

Der V. Senat bestätigt die herrschende Rechtsprechung zur finanziellen und organisatori-schen Eingliederung (Az. V R 15/14).

Eine Organgesellschaft ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliedert, wenn der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt. Diese kann sich entweder aus

einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft ge-haltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesell-schafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen

Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Dasselbe gilt für die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine

Personengesellschaft, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

Finanzielle Eingliederung

Für die organisatorische Eingliederung muss der Organträger im Regelfall mit der juristi-schen Person über deren Geschäftsführung personell verflochten sein. Nach der ständigen

Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organ-träger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft auch in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Or-

Organisatorische Eingliede-

rung

Page 22: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

21

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

gangesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Soweit der V. Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine „institutionell abgesicherte unmittelbare

Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung“ abgestellt hat (BFH v. 03.04.2008, V R 76/05), folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesell-

schaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters.

c. Keine Organschaft mit Nichtunternehmer

Der BFH ist der Ansicht, dass die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit einem Nichtunternehmer als Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht möglich sei. Der erkennende Senat bestätigt damit seine Rechtsprechung vom 09.10.2002 (Az. V R

64/99). In Bezug auf das Erfordernis einer Eingliederung in das Unternehmen des Organ-trägers hatte dieser entschieden, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts nur Organträger sein kann, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist. Die Unternehmerei-

genschaft des Organträgers gehört danach zu den Voraussetzungen und nicht zu den Rechtsfolgen der Organschaft. Eine Erweiterung der Organschaft über die Grenzen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hinaus, ergibt sich insoweit

nicht aus dem Unionsrecht.

d. Unternehmensübertragungen in einem Konzern

Der BFH hat schließlich über die Steuerbarkeit von Vermögensübertragungen in einem Konzern entschieden. Grundsätzlich unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG Umsätze im Rah-

men einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb

im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erkennende Senat unterschied im Streitfall (Az. V R 36/13) zwischen der Über-tragung des Unternehmensvermögens mit Ausnahme des Anlagevermögens auf eine Kom-

manditgesellschaft (KG) und der Übertragung des Anlagevermögens auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Überträgt der Einzelunternehmer sein Unternehmensvermögen mit Ausnahme des Anlagevermögens auf die KG, die das Geschäft des Einzelunternehmers fortführt, liegt insoweit eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs.

1a UStG vor. Die Übertragung des Anlagevermögens auf die GbR, die das Anlagevermö-gen ihrem Gesellschaftszweck entsprechend der KG unentgeltlich zur Verfügung stellt, stellt dagegen keine steuerfreie Geschäftsveräußerung dar, da die GbR in Bezug auf das ihr

übertragene Anlagevermögen keine eigene unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit i. S.

Page 23: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

22

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

v. § 2 Abs. 1 UStG (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ausübt, die als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit anzusehen sein könn-

te.

› Erbschaftsteuer

1. ErbStG – BFH ändert Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Steuerschulden

Der BFH hat mit Urteil vom 28.10.2015 (Az. II R 46/13) seine Rechtsprechung zur Berück-sichtigung von Einkommensteuerschulden bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlich-keit im Falle einer Steuerhinterziehung durch den Erblasser geändert.

Der Erwerb von Todes wegen (Bsp.: Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung auf den Todesfall) unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Wertermittlung des steuer-pflichtigen Erwerbs (Bemessungsgrundlage) richtet sich nach den §§ 10 bis 13c ErbStG.

Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (vgl. insb. §§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG). Von dem Erwerb sind, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit

sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebe-trieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung

der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind (vgl. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.

Steuerbefreiung nach

§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG

Auch Steuerschulden gehen nach § 1922 Abs. 1 BGB i. V. m. § 45 Abs. 1 AO auf den Erben über. Dabei ist es unerheblich, ob die Steuern beim Erbfall bereits festgesetzt sind.

Die Steuerschulden können nach ständiger Rechtsprechung als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung darstellen (BFH v. 22.03.1999, Az. II R 34/97; BFH v. 02.03.2011, Az. II R 5/09). Daran hält der BFH auch weiter fest. Es handelt sich hierbei um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal,

welches sich aus dem Besteuerungszweck der Erbschaftsteuer ergibt (Bereicherungsprinzip). Der II. Senat stellt hierzu klar, dass der BFH in seiner Entscheidung vom 02.03.2011 (Az. II R 5/09) eine wirtschaftliche Belastung im Todeszeitpunkt nur deshalb für nicht erforderlich

gehalten hat, weil es sich um einen Sonderfall der Verpflichtung aus einem gegenseitigen Vertrag gehandelt hat, bei dem die vom Erblasser noch nicht erbrachte Gegenleistung im Zeitpunkt des Todes noch nicht fällig war. Im Übrigen hat er jedoch an dem Erfordernis

wirtschaftlicher Belastung festgehalten. Nach dem erbschaftsteuerrechtlichen Stichtagprin-zip (§ 11 ErbStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt

Berücksichtigung von

Steuerschulden bei wirt-

schaftlicher Belastung im

Todeszeitpunkt

Page 24: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

23

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

der Entstehung der Steuer maßgebend, soweit nichts anderes bestimmt ist. Hat die Finanz-behörde die entstandene Steuer in der materiell rechtlich zutreffenden Weise festgesetzt (§

85 AO) ist die erforderliche wirtschaftliche Belastung mit der Steuerschuld unstreitig gege-ben (BFH v. 22.03.1999, Az. II R 34/97). Hat das zuständige Finanzamt im Todeszeit-punkt Kenntnis von allen für die Steuerfestsetzung erforderlichen Umständen, können die

Steuerschulden auch dann berücksichtigt werden, wenn eine Steuerfestsetzung gegen den Erblasser noch nicht erfolgt ist. Die Steuerschulden gehen nach § 1922 Abs. 1 BGB i. V. m. § 45 Abs. 1 AO im Todeszeitpunkt auf den Erben über, sodass die erforderliche wirtschaft-liche Belastung gegeben ist.

Hat jedoch der Erblasser zu Lebzeiten Einkünfte erzielt und dem zuständigen Finanzamt verschwiegen, stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe die tatsächlich entstandenen Steuern als Nachlassverbindlichkeit abziehbar sind. Steuern entstehen kraft Gesetzes und

sind insoweit von der Festsetzung unabhängig. Nach früherer Rechtsprechung des BFH (BFH v. 22.03.1999, Az. II R 34/97) fehlte es jedoch an einer wirtschaftlichen Belastung im Todeszeitpunkt, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse in diesem Zeitpunkt

angenommen werden konnte, dass der Steuergläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen würde. Dies sollte insbesondere dann der Fall sein, wenn der Erblasser dem Fi-nanzamt Einkünfte aus im Ausland angelegtem Vermögen verschwiegen hat und deshalb

auch rein theoretisch nicht davon auszugehen war, dass das zuständige Finanzamt im Todeszeitpunkt Kenntnis von allen für die Steuerfestsetzung erforderlichen Umständen hatte. Soweit die Steuer aus diesen Gründen nicht bis zum Erbfall festgestellt wurde, konnte nach Ansicht des BFH ein Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeit aber dann noch

erfolgen, wenn der Erbe das zuständige Finanzamt so zeitnah über die Steuerhinterzie-hung unterrichtet hatte, dass eine Rückbeziehung auf den Todeszeitpunkt möglich war.

Steuerhinterziehung durch

den Erblasser

An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht weiter fest. Unterrichtet der Erbe das zustän-

dige Finanzamt nach dem Tod des Erblassers über die Steuerhinterziehung, handelt es sich um ein nach dem Bewertungsstichtag eingetretenes Ereignis, das nach dem Stichtagprinzip bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden kann. Für eine Unter-

scheidung nach dem Zeitpunkt der Unterrichtung oder eine Rückbeziehung auf den Todes-zeitpunkt besteht nach neuester Rechtsprechung keine Rechtsgrundlage. Ob das zuständige Finanzamt zeitnah oder aber erst später über die Steuerhinterziehung unterrichtet wird, spielt für die wirtschaftliche Belastung im Todeszeitpunkt keine Rolle. Künftig sind daher nur

noch solche Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar, die bereits zu Lebzei-ten gegen den Erblasser festgesetzt worden sind oder über deren Entstehung das Finanz-amt hinreichend Kenntnis haben musste.

Änderung der Rechtspre-

chung

Page 25: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

24

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

› In eigener Sache

1. Mitarbeiter

Herr Sven Schonlau, Bachelor of Arts, unterstützt unser Team seit 1. Januar als Prü-

fungsassistent.

Herr Daniel Schmidt, Master of Science, unterstützt unser Team seit 1. Januar als

Prüfungsassistent.

Frau Sandra Varisella, Master of Science, unterstützt unser Team seit 1. Februar als

Prüfungsassistentin.

Herr Michael Schlottbom, Bachelor of Science, hat erfolgreich die Prüfung zum IT-

Prüfer (CISA-Zertifizierung) abgelegt.

Wir gratulieren!

2. Niederlassung im Rheinland

Ab 01.05.2016 wird es eine neue Niederlassung der Concunia GmbH in Ratingen ge-

ben. Wir wünschen dem neuen Team einen guten Start!

3. Peer Review

Der Concunia GmbH wurde erneut ein hohes Qualitätsniveau durch die berufsständi-

sche externe Qualitätskontrolle (Peer Review) bescheinigt (uneingeschränktes Prü-

fungsurteil).

4. Neue Checkliste BilRUG

Wir freuen uns, Ihnen unsere neue Arbeitshilfe im Mandanten-Log-In zur Verfügung

stellen zu können.

Page 26: AUSGABE 11 - concunia.de · 2. Einkünfte und Bezüge sind für die steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder unbeachtlich 4 3. Steuerermäßigung für ein Notrufsystem im

25

AUSGABE 11 MÄRZ 2016

Der Newsletter Concunia Profit erscheint in der Regel alle 3 Monate. Herausgeber Concunia GmbH

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Steuerberatungsgesellschaft

Grevener Str. 105

48159 Münster

Tel. 0251 / 322 015-0

[email protected]

www.concunia.de

Trotz sorgfältiger und gewissenhafter Arbeit können mögliche Fehler in diesem

Newsletter nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Eine Haftung für den Inhalt kann

trotz sorgfältiger Bearbeitung nicht übernommen werden.

Pflichtangaben nach DL-InfoV

Zuständige Aufsichtsbehörde und zugleich zuständige Kammern für unsere Berufsträ-

ger sind die Wirtschaftsprüferkammer, Rauchstr. 26, 10787 Berlin und die Steuerbera-

terkammer Westfalen-Lippe, Erphostr. 43, 48145 Münster. Die Geschäftsführer und

Mitarbeiter der Concunia GmbH führen die gesetzlichen Berufsbezeichnungen „Wirt-

schaftsprüfer“, „Steuerberater“. Sämtliche Berufsbezeichnungen sind in der Bundesre-

publik Deutschland verliehen worden. Es besteht eine Berufshaftpflichtversicherung in

dem nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB bezeichneten Umfang bei der Versicherungsstelle

Wiesbaden, Dotzheimer Str. 23, 65185 Wiesbaden. Weitere Angaben unter

www.concunia.de.

Concunia GmbH

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Steuerberatungsgesellschaft

Sitz der Gesellschaft: Münster

Amtsgericht Münster HRB 11673

Geschäftsführer: Andreas Jürgens, Ute Jürgens

Prokura: Christian Trost, Kathrin Graf, Jan-Claas Hille, Markus Struckmeier

› Impressum