auch das ist weltkulturerbe - das historischen schlachthof in bad kissingen

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 B ad Kissingen ist eine reiche Stadt. Das Denk malbu ch der Zwan zigtau - sen d-E in wo hner- Sta dt hat 18 0 großformatige, engbedruckte Seiten; im Zentrum stehen manche Straßenzüge fast komplett unter Schutz. Der Bürgermeis- ter liebäugelt damit, den Kuranlagen der Stadt, mit Bauten von Fried rich von Gärt- ner und Max Littmann, den Status des  Weltkulture rbes verleihe n zu lassen.  Aber Bad Kissingen ist eine reiche Stad t mit Problemen. V on den denk malg e- schützten Bauten stehen einige leer, vor allem die besonders bedeutenden: Dem Luitpoldbad aus dem Jahr 1871 fehlt ein Nutzer, der Fürstenhof an der Saale war- tet auf Investoren, ebenso das leerstehen- de Steigenberger Hotel. Besonders bekla- gensw ert ist die Situation des denkmalge- schützten ehemaligen jüdischen Sanatori- ums Apol ant. Paul Schul tze-N aumbu rg hatte es zwischen 1906 und 1913 errich- tet,ein stol zer Bau zwis chenReforma rchi - tektur und Neobarock, so wie Schultze- Naumburg die Zeit um 1800, sein großes  Vorbil d, interpretierte. Seit fast vier Jahr- zenten wartet Apolant auf eine Lösung, inzwischen sind Teile einsturzgefährdet, ros ten im noc h immer impo sant en Säulen- saal die Eisenträger und wuchert hinter den Tapeten der schwarze Schimmel.  Ve rsuche, im Apolant ein Hotel oder Ferienwohnungen einzurichten, scheiter- ten zuletzt an den hohen Sanierungskos- ten.Inzwischen hat der Eig entümer eine n  Abrissa ntrag gest ellt. Nur für den kompa k- teren Trakt des Jahres 1906 gibt es noch ein klein wenig Hoffnung. Ein Wunder muss in Bad Kissingen auch gesche hen, wenn der Städt ische Schl achtho f erha lten bleiben soll. Ob- wohl 1927 von einem wenig bekannten  Architekten (J. Hennings) errichtet und seinerzeit mit Jugendstilformen schon sti- listisch antiquiert, ist er für die Stadt von grö ßer er Bed eut ung als das Apo lan t, sucht seine Sch önheit heu te doc h in Deutschl an d ihre sgle ic he n. Hinzu kommt, dass das Ensemb le vollständ ig im Original erhalten ist. „Ochsen kathedrale“ nennen die Kissin- ge r de n Sch lac hth of. Sak ralist dasHallen- bauwerk ohne Frage, ist höher und grö- ßer, alses jede r Schl acht-oder Zerl ege vor - gang rechtfertigen könnte, trägt am Kopf- ende eine Heiligenfigur, ist wie eine Tem- pel-Cella von Keramik-Schafsköpfen ge- säumt und über zwei umlaufenden Gale- rien von einer Kassettendecke bekrönt.  Als der Schlachthof eröffnet wurde, konnten die Kurgäste gegen Eintritt von fünfzig Pfennig die Galerien betreten, um sowohl die Schlachtung (im Nebentrakt, durch Glasscheiben) als auch das Zerle- gen (in der Haupthalle) zu beobachten. Der Monumentalbau war direkt am Rand des Kurparks errichtet worden, war somit Teil der Kuranlagen und Sehenswürdig- keit. Dergleichen wäre heute undenkbar; auch in Bad Kissingen werden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Gale- rien nicht mehr genutzt. Geschlachtet wurde in dem Wunder- bau aber noch bis ins Jahr 2001. Heute ist er, der kaum modernisiert und nie erwei- tert wurde, Museum seiner selbst. Die al- ten Verdichter der Kühlaggregate sind ge- nauso erhalten wie die Eiserzeugung, die nach 1945 lange Zeit Stangeneis an das ameri kanis che Mili tär lief erte, und die Pö- kelkammer. Vom Stall über den Waren- ausgang bis hin zum Verwalterbüro und sogar den originalen Fleischstempeln ist alles authentisch.  Aus der Sicht der Denkmalpflege also ist der Schl achtho f ein Glücksfal l, im Blick der Stadt aber eher ein ungelöstes Problem. Eine zukünftige Nutzung des Gebäudes ist schwer vorstellbar, müsste ein neuer Eigentümer doch das riesige Dach, die Nebengebäude, die technischen Einrichtungen und vieles mehr unterhal- ten und winters das Ensemble vermutlich beheizen. So zerschlug sich denn auch rasc h dieIdee, hier ein Fitne ss-St udioein- zurichten. Die einzige tragfähige Überle- gung scheint das Etablieren eines Muse- umsseit ens der Stad t: Ein intak ter hist ori- scher Schlachthof wäre eine Attraktion für Kurgäste und Touristen. Doch das kleine Bad Kissingen sieht sic h außers tan de, neb en sei nem Bis - marck-Museum noch ein weiteres Muse- um zu schultern. Oder eine weitere Halle zu bes piel en, besi tzt man dochneben eini- gen kleineren Sälen mit Max Littmanns berühmtem Bauwerk die größte Wandel- halle Europas. BadKissing en, dafür gibt es in Deu tsch - land zahllose Ver gleichsbeispie le, wird seinen ehe mal ig en Sch lac hth of wo hl noc h einpaar Jah remehr zumKauf anb ie - ten (schon jetzt steht er im Internet).  Wenn dann die Stadt nach verg eblichem  Warten mürbe gew orden ist, dürfte ihn ein Spekulant für ein paar Euro überneh- men, verfallen lassen, wieder verkaufen – bis irgendwann die Substanz so marode ist, dass einem Abriss stattgegeben wer- den muss. Der Bad Kissinger Schlachthof ist so singulär in Deutschland und Europa, dass manihn auc h ohne Nu tzu ng erhalten sol l- te, ja muss. Für Bauten seiner Art, die nicht oder nur unter entstellenden Kom- promisse n umgenutzt wer den können, müsste es öffentliche Fonds geben. Es kann nicht sein, dass kleine Städte und Gemeinden mit bedeutenden Objekten wie diesem so lange herumoperieren, bis sie zerrieben sind. Ohne externe Hilfe wird der Schlachthof in Bad Kissingen, der zum Bes tand desetwaig en We ltkul tur- erbe-Areals zählt, eines Tages verschwin- den.  NILS ASCHENBECK Da hilft nur noch ein W under Eine edle Halle: Blick ins Innere des städtischen Schlachthofs in Bad Kissingen  Foto Nils Aschenbeck  Auch da s ist Wel tkultur- erbe: Die Zukunft des historischen Schlacht- hofs in Bad Kissingen ist ungewiss. Ohne Unterstützung droht er zu verschwinden.

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5/9/2018 Auch Das Ist Weltkulturerbe - Das Historischen Schlachthof in Bad Kissingen - slidepdf.com

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Bad Kissingen ist eine reiche Stadt.Das Denkmalbuch der Zwanzigtau-send-Einwohner-Stadt hat 180

großformatige, engbedruckte Seiten; imZentrum stehen manche Straßenzüge fastkomplett unter Schutz. Der Bürgermeis-ter liebäugelt damit, den Kuranlagen derStadt, mit Bautenvon Friedrich von Gärt-ner und Max Littmann, den Status des Weltkulturerbes verleihen zu lassen.

  Aber Bad Kissingen ist eine reicheStadt mit Problemen. Von dendenkmalge-schützten Bauten stehen einige leer, vor

allem die besonders bedeutenden: DemLuitpoldbad aus dem Jahr 1871 fehlt einNutzer, der Fürstenhof an der Saale war-tet auf Investoren, ebenso das leerstehen-de Steigenberger Hotel. Besonders bekla-genswert ist die Situation des denkmalge-schützten ehemaligenjüdischen Sanatori-ums Apolant. Paul Schultze-Naumburghatte es zwischen 1906 und 1913 errich-tet,ein stolzer Bau zwischen Reformarchi-tektur und Neobarock, so wie Schultze-Naumburg die Zeit um 1800, sein großes Vorbild, interpretierte. Seit fast vier Jahr-zenten wartet Apolant auf eine Lösung,inzwischen sind Teile einsturzgefährdet,rosten im noch immer imposanten Säulen-saal die Eisenträger und wuchert hinterden Tapeten der schwarze Schimmel.

 Versuche, im Apolant ein Hotel oderFerienwohnungen einzurichten, scheiter-ten zuletzt an den hohen Sanierungskos-ten. Inzwischenhat der Eigentümer einen Abrissantraggestellt.Nur für denkompak-teren Trakt des Jahres 1906 gibt es nochein klein wenig Hoffnung.

Ein Wunder muss in Bad Kissingenauch geschehen, wenn der StädtischeSchlachthof erhalten bleiben soll. Ob-wohl 1927 von einem wenig bekannten  Architekten (J. Hennings) errichtet undseinerzeit mit Jugendstilformen schon sti-listisch antiquiert, ist er für die Stadt vongrößerer Bedeutung als das Apolant,sucht seine Schönheit heute doch inDeutschland ihresgleichen. Hinzukommt, dass das Ensemble vollständig imOriginal erhalten ist.

„Ochsenkathedrale“ nennen die Kissin-ger den Schlachthof. Sakralist dasHallen-bauwerk ohne Frage, ist höher und grö-ßer, alses jeder Schlacht-oder Zerlegevor-gang rechtfertigen könnte, trägt am Kopf-ende eine Heiligenfigur, ist wie eine Tem-pel-Cella von Keramik-Schafsköpfen ge-säumt und über zwei umlaufenden Gale-rien von einer Kassettendecke bekrönt.

  Als der Schlachthof eröffnet wurde,konnten die Kurgäste gegen Eintritt vonfünfzig Pfennig die Galerien betreten, umsowohl die Schlachtung (im Nebentrakt,durch Glasscheiben) als auch das Zerle-gen (in der Haupthalle) zu beobachten.Der Monumentalbau war direkt am Randdes Kurparks errichtet worden, war somitTeil der Kuranlagen und Sehenswürdig-keit. Dergleichen wäre heute undenkbar;auch in Bad Kissingen werden seit demEnde des Zweiten Weltkriegs die Gale-rien nicht mehr genutzt.

Geschlachtet wurde in dem Wunder-bau aber noch bis ins Jahr 2001. Heute ister, der kaum modernisiert und nie erwei-

tert wurde, Museum seiner selbst. Die al-ten Verdichter der Kühlaggregate sind ge-nauso erhalten wie die Eiserzeugung, dienach 1945 lange Zeit Stangeneis an dasamerikanische Militär lieferte,unddie Pö-kelkammer. Vom Stall über den Waren-ausgang bis hin zum Verwalterbüro undsogar den originalen Fleischstempeln istalles authentisch.

 Aus der Sicht der Denkmalpflege alsoist der Schlachthof ein Glücksfall, imBlick der Stadt aber eher ein ungelöstesProblem. Eine zukünftige Nutzung desGebäudes ist schwer vorstellbar, müssteein neuer Eigentümer doch das riesigeDach, die Nebengebäude, die technischenEinrichtungen und vieles mehr unterhal-ten und winters das Ensemble vermutlichbeheizen. So zerschlug sich denn auchrasch dieIdee, hier einFitness-Studio ein-

zurichten. Die einzige tragfähige Überle-gung scheint das Etablieren eines Muse-umsseitens derStadt: Einintakterhistori-scher Schlachthof wäre eine Attraktionfür Kurgäste und Touristen.

Doch das kleine Bad Kissingen siehtsich außerstande, neben seinem Bis-marck-Museum noch ein weiteres Muse-um zu schultern. Oder eine weitere Hallezu bespielen, besitzt mandochnebeneini-gen kleineren Sälen mit Max Littmannsberühmtem Bauwerk die größte Wandel-halle Europas.

Bad Kissingen, dafür gibt es in Deutsch-land zahllose Vergleichsbeispiele, wirdseinen ehemaligen Schlachthof wohlnoch einpaar Jahremehr zumKauf anbie-ten (schon jetzt steht er im Internet). Wenn dann die Stadt nach vergeblichem Warten mürbe geworden ist, dürfte ihn

ein Spekulant für ein paar Euro überneh-men, verfallen lassen, wieder verkaufen –bis irgendwann die Substanz so marodeist, dass einem Abriss stattgegeben wer-den muss.

Der Bad Kissinger Schlachthof ist sosingulär in Deutschland und Europa, dassmanihn auch ohne Nutzung erhalten soll-te, ja muss. Für Bauten seiner Art, dienicht oder nur unter entstellenden Kom-promissen umgenutzt werden können,müsste es öffentliche Fonds geben. Eskann nicht sein, dass kleine Städte undGemeinden mit bedeutenden Objektenwie diesem so lange herumoperieren, bissie zerrieben sind. Ohne externe Hilfewird der Schlachthof in Bad Kissingen,derzum Bestanddesetwaigen Weltkultur-erbe-Areals zählt, eines Tages verschwin-den. NILSASCHENBECK

Da hilft nur noch einWunder

Eine edle Halle: Blick ins Innere des städtischen Schlachthofs in Bad Kissingen Foto Nils Aschenbeck

 Auch das ist Weltkultur-erbe: Die Zukunft deshistorischen Schlacht-hofs in Bad Kissingenist ungewiss. OhneUnterstützung drohter zu verschwinden.

5/9/2018 Auch Das Ist Weltkulturerbe - Das Historischen Schlachthof in Bad Kissingen - slidepdf.com

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