asbest, pcb in gebäuden

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Tagungsberichte Asbest, PCB in Geb/iuden Tagungsberichte ASBEST, PCB in Geb/iuden - Kalkulierbare Risiken? K61n, 7./8. Mai 1991 Ziel des gemeinsam von der Stadt K61n, dem Deutschen St/idtetag und dem TUV Rheinland veranstalteten Kongresses war es, das ge- sundheitliche Risiko verschiedener Innenraumschadstoffe wissen- schaftlich darzustellen, die politischen, rechtlichen und finanziellen Konsequenzen der Schadstoffsanierung fiir die betroffenen Kommu- nen zu er6rtern und Wege aufzuzeigen, wie der Dialog mit betroffe- nen Bfirgern verbessert werden k6nnte. Prof. Dr. Eberhard GREISER vom Bremer Institut fiir Pr/iventions- forschung und Sozialmedizin machte deutlich, dat~ vonder Umwelt- epidemiologie ein Beitrag zur K1/irung von Zusammenh/ingen zwischen Umweltschadstoffen und ihren gesundheitlichen Auswir- kungen erwartet werden kann. Dr. Hermann KRUSE, Abt. Toxikologie der Kieler Universit/it und Prof. Dr. Helmut GREIM, GSF-Forschungszentrum ffir Umwelt und Gesundheit, Mfinchen/Neuherberg, stellten die M6glichkeiten der Toxikologie bei der Bewertung von Schadstoffen dar: Bei nicht- krebserzeugenden Stoffen mit reversibler Schadwirkung - und bei ebenfalls reversibel und erst ab gewissen Schwellen wirksamen Tu- morpromotoren - k6nnen in (tier)experimentellen Untersuchungen Konzentrationen ermittelt werden, die keine gesundheitssch/idigen- den Effekte hervorrufen (Non Observed Effect Level, NOEL). Auf der Basis dieser experimentell ermittelten Daten sind durch Einbe- ziehung von Sicherheitsfaktoren Grenzwerte ableitbar, die dem Pr/i- ventionsgedanken folgen (Tolerable Daily Intake, TDI; Acceptable Daily Intake, ADI). Diese Aussagen gelten ffir - initiierend - krebserzeugende Stoffe nicht. Hier kann keine Unwirksamkeitskonzentration angegeben werden; selbst die niedrigsten Konzentrationen k6nnen zur Ausl6- sung des krebserzeugenden Prozesses ffihren. Bei solchen Substanzen gilt demnach generell ein Minimierungsgebot nach dem technisch und 6konomisch M6glichen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese Stoffe zu identifizieren. Aufgabe der Politik ist es, im Konsens mit der Offentlichkeit das Risikoausmat~ zu definieren, das die Gesell- schaft zu tragen bereit ist. Dabei mug berficksichtigt werden, welche anderen Risiken im Vergleich zu diesen bewut~t in Kauf genommen und akzeptiert werden (Rauchen, Alkoholgenufl, Autofahren etc.). Prof. Manfred FISCHER, Bundesgesundheitsamt, erl/iuterte, daft fiJr Asbest die krebserzeugende Wirkung unumstritten sei. Die seit 1989 giJltige Asbest-Richtlinie, inzwischen als technische Baubestimmung geltendes Recht, gibt einheitliche Handlungskonzepte sowie Sanie- rungsziele und ihre Kontrolle vor. Der Handlungsspielraum der Kommunen ist hierdurch begrenzt. Dioxine haben ihre Bedeutung in Innenr/iumen vor allem durch ihr Vorkommen in Holzschutzmitteln (PCP) erlangt (Dr. Wolfgang LINGK, BGA). Vom Bundesgesundheitsamt wurden gesundheitsbe- zogene Richtwerte ffir die t/igliche Aufrrahme abgeleitet: Vorsorge- wert = 1 pg TE (toxische Aquivalente) pro kg K6rpergewicht; Interventionswert = 10 pg TE/kg KG. Diese Werte lassen sich in entsprechende Raumluftkonzentrationen umrechnen. Frau Dr. Elke ROSSKAMP, BGA, ffihrte aus, daft fiir Polychlorierte Biphenyle (PCB) die Datenlage fiber die Toxizit/it derzeit unbefriedi- gend ist. Die unterschiedlichen toxischen Wirkungen der einzelnen Kongenere, ihre Anreicherungsfiihigkeit im Fettgewebe sowie ihre Vermittelbarkeit fiber die Raumluft in Abh/ingigkeit vom Dampf- druck erschweren eine Bewertung. Vorl/iufig sind die PCB in die Li- ste der Stoffe mit begrfindetem Verdacht auf krebserzeugendes Po- tential (MAK III B) eingereiht. 1990 wurde auf der Grundlage der Berichte von Umweltbundesamt und BGA sowie der Deutschen For- schungsgemeinschaft eine rechnerische Ableitung von Raumluftkon- zentrationen aus dem TDI-Wert (0,1/~g PCB / kg KG / d) vorgenom- men. Nach gemeinsam zwischen Experten und dem BGA erarbeite- ten Vorstellungen sollte die Raumluftkonzentration an PCB 300 ng/m 3 Luft nicht fiberschreiten. Als Interventionswert wurden 3 000 ng/m 3 Luft festgelegt. Zwischen 300/~g/m 3 und 3 000 ~g/m 3 sollten nach MOglichkeit im Rahmen allgemeiner Un- terhaltungsmaflnahmen Schadstoffreduktionen angestrebt werden. Die Erfahrungsberichte aus den Kommunen bezogen sich vor allem auf die Asbestsanierung. Positiv bew/ihrt haben sich die Asbest- Richtlinien, die - anders als bei den fibrigen Schadstoffen - zu eb nem einheitlichen Vorgehen der Kommunen fiihren. Beklagt wurde die oftmals ~defensive ~ Rolle der Kommunalverwaltung in der Dis- kussion yon Schadstoffproblemen. Wichtig sei bei den Sanierungs- vorhaben die Abkehr vom Aktionismus hin zu genau definierten Planungsabliiufen. Ein auf Vorsorgegesichtspunkte gestfitztes staatliches Eingriffshan- deln bedarf stets einer besonderen gesetzlichen Erm/ichtigung (Dr. Udo Di FABIO, Universit/it Bonn). Polizeirechtliche Generalerm/ich- tigungen reichen als Grundlage fiir belastende Maflnahmen nicht aus. In diesem Zusammenhang kommt Grenzwerten, die eine Grenzziehung zwischen erlaubtem Risiko und Gefahrenschwelle er- m6glichen, eine mat~gebliche Rolle zu. Hilfreich w/ire eine spezielle gesetzliche Regelung fiir die erlaubten Konzentrationen von Schad- stoffen in der Innenraumluft. Eine wissenschaftlich rationale Quantifizierung von Risiken kommt offenkundig h/infig zu g/inzlich anderen Ergebnissen, als es der ge- sellschaftlichen Einsch/itzung entspricht. Zum Abschlu~ des Kon- gresses wurde daher untersucht, ob und wie dutch sachliche Informationen unter Berficksichtigung kommunikations-psycholo- gischer Erkennmisse die subjektiven Angste der Offentlichkeit st/ir- ker an den objektiven Gegebenheiten orientiert werden k6nnen und welche Rolle hierbei die Medien einnehmen k6nnten. Dr. J. Leidel Stadt K61n Postfach 10 80 20 W-5000 K6ln 1 UWSF-Z. Umweltchem. Okotox. 3 (4) 255 (1991) 255 9 ecomed verlagsgesellschaft mbh, Landsberg ' Zfirich

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Tagungsberichte Asbest, PCB in Geb/iuden

Tagungsberichte

ASBEST, PCB in Geb/iuden

- Kalkul ierbare Ris iken?

K61n, 7 . / 8 . Mai 1991

Ziel des gemeinsam von der Stadt K61n, dem Deutschen St/idtetag und dem TUV Rheinland veranstalteten Kongresses war es, das ge- sundheitliche Risiko verschiedener Innenraumschadstoffe wissen- schaftlich darzustellen, die politischen, rechtlichen und finanziellen Konsequenzen der Schadstoffsanierung fiir die betroffenen Kommu- nen zu er6rtern und Wege aufzuzeigen, wie der Dialog mit betroffe- nen Bfirgern verbessert werden k6nnte.

Prof. Dr. Eberhard GREISER vom Bremer Institut fiir Pr/iventions- forschung und Sozialmedizin machte deutlich, dat~ vonder Umwelt- epidemiologie ein Beitrag zur K1/irung von Zusammenh/ingen zwischen Umweltschadstoffen und ihren gesundheitlichen Auswir- kungen erwartet werden kann.

Dr. Hermann KRUSE, Abt. Toxikologie der Kieler Universit/it und Prof. Dr. Helmut GREIM, GSF-Forschungszentrum ffir Umwelt und Gesundheit, Mfinchen/Neuherberg, stellten die M6glichkeiten der Toxikologie bei der Bewertung von Schadstoffen dar: Bei nicht- krebserzeugenden Stoffen mit reversibler Schadwirkung - und bei ebenfalls reversibel und erst ab gewissen Schwellen wirksamen Tu- morpromotoren - k6nnen in (tier)experimentellen Untersuchungen Konzentrationen ermittelt werden, die keine gesundheitssch/idigen- den Effekte hervorrufen (Non Observed Effect Level, NOEL). Auf der Basis dieser experimentell ermittelten Daten sind durch Einbe- ziehung von Sicherheitsfaktoren Grenzwerte ableitbar, die dem Pr/i- ventionsgedanken folgen (Tolerable Daily Intake, TDI; Acceptable Daily Intake, ADI).

Diese Aussagen gelten ffir - initiierend - krebserzeugende Stoffe nicht. Hier kann keine Unwirksamkeitskonzentration angegeben werden; selbst die niedrigsten Konzentrationen k6nnen zur Ausl6- sung des krebserzeugenden Prozesses ffihren. Bei solchen Substanzen gilt demnach generell ein Minimierungsgebot nach dem technisch und 6konomisch M6glichen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese Stoffe zu identifizieren. Aufgabe der Politik ist es, im Konsens mit der Offentlichkeit das Risikoausmat~ zu definieren, das die Gesell- schaft zu tragen bereit ist. Dabei mug berficksichtigt werden, welche anderen Risiken im Vergleich zu diesen bewut~t in Kauf genommen und akzeptiert werden (Rauchen, Alkoholgenufl, Autofahren etc.).

Prof. Manfred FISCHER, Bundesgesundheitsamt, erl/iuterte, daft fiJr Asbest die krebserzeugende Wirkung unumstritten sei. Die seit 1989 giJltige Asbest-Richtlinie, inzwischen als technische Baubestimmung geltendes Recht, gibt einheitliche Handlungskonzepte sowie Sanie- rungsziele und ihre Kontrolle vor. Der Handlungsspielraum der Kommunen ist hierdurch begrenzt.

Dioxine haben ihre Bedeutung in Innenr/iumen vor allem durch ihr Vorkommen in Holzschutzmitteln (PCP) erlangt (Dr. Wolfgang LINGK, BGA). Vom Bundesgesundheitsamt wurden gesundheitsbe- zogene Richtwerte ffir die t/igliche Aufrrahme abgeleitet: Vorsorge- wert = 1 pg TE (toxische Aquivalente) pro kg K6rpergewicht; Interventionswert = 10 pg TE/kg KG. Diese Werte lassen sich in entsprechende Raumluftkonzentrationen umrechnen.

Frau Dr. Elke ROSSKAMP, BGA, ffihrte aus, daft fiir Polychlorierte Biphenyle (PCB) die Datenlage fiber die Toxizit/it derzeit unbefriedi- gend ist. Die unterschiedlichen toxischen Wirkungen der einzelnen Kongenere, ihre Anreicherungsfiihigkeit im Fettgewebe sowie ihre Vermittelbarkeit fiber die Raumluft in Abh/ingigkeit vom Dampf- druck erschweren eine Bewertung. Vorl/iufig sind die PCB in die Li- ste der Stoffe mit begrfindetem Verdacht auf krebserzeugendes Po- tential (MAK III B) eingereiht. 1990 wurde auf der Grundlage der Berichte von Umweltbundesamt und BGA sowie der Deutschen For- schungsgemeinschaft eine rechnerische Ableitung von Raumluftkon- zentrationen aus dem TDI-Wert (0,1/~g PCB / kg KG / d) vorgenom- men. Nach gemeinsam zwischen Experten und dem BGA erarbeite- ten Vorstellungen sollte die Raumluftkonzentration an PCB 300 ng/m 3 Luft nicht fiberschreiten. Als Interventionswert wurden 3 000 ng/m 3 Luft festgelegt. Zwischen 300/~g/m 3 und 3 000 ~g/m 3 sollten nach MOglichkeit im Rahmen allgemeiner Un- terhaltungsmaflnahmen Schadstoffreduktionen angestrebt werden.

Die Erfahrungsberichte aus den Kommunen bezogen sich vor allem auf die Asbestsanierung. Positiv bew/ihrt haben sich die Asbest- Richtlinien, die - anders als bei den fibrigen Schadstoffen - zu eb nem einheitlichen Vorgehen der Kommunen fiihren. Beklagt wurde die oftmals ~defensive ~ Rolle der Kommunalverwaltung in der Dis- kussion yon Schadstoffproblemen. Wichtig sei bei den Sanierungs- vorhaben die Abkehr vom Aktionismus hin zu genau definierten Planungsabliiufen.

Ein auf Vorsorgegesichtspunkte gestfitztes staatliches Eingriffshan- deln bedarf stets einer besonderen gesetzlichen Erm/ichtigung (Dr. Udo Di FABIO, Universit/it Bonn). Polizeirechtliche Generalerm/ich- tigungen reichen als Grundlage fiir belastende Maflnahmen nicht aus. In diesem Zusammenhang kommt Grenzwerten, die eine Grenzziehung zwischen erlaubtem Risiko und Gefahrenschwelle er- m6glichen, eine mat~gebliche Rolle zu. Hilfreich w/ire eine spezielle gesetzliche Regelung fiir die erlaubten Konzentrationen von Schad- stoffen in der Innenraumluft.

Eine wissenschaftlich rationale Quantifizierung von Risiken kommt offenkundig h/infig zu g/inzlich anderen Ergebnissen, als es der ge- sellschaftlichen Einsch/itzung entspricht. Zum Abschlu~ des Kon- gresses wurde daher untersucht, ob und wie dutch sachliche Informationen unter Berficksichtigung kommunikations-psycholo- gischer Erkennmisse die subjektiven Angste der Offentlichkeit st/ir- ker an den objektiven Gegebenheiten orientiert werden k6nnen und welche Rolle hierbei die Medien einnehmen k6nnten.

Dr. J. Leidel Stadt K61n Postfach 10 80 20 W-5000 K6ln 1

UWSF-Z. Umweltchem. Okotox. 3 (4) 255 (1991) 255 �9 ecomed verlagsgesellschaft mbh, Landsberg ' Zfirich