beitrag von götz siedler
Post on 30-Mar-2016
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EINMISCHEN IST ANGESAGT
Mitbestimmen, sich einmischen, seine Ideen einbringen – das alles dürfen wir heute. Historisch
gesehen ist dies jedoch keine Selbstverständlichkeit. Viele Jahrtausende lang galt: ein Herrscher
entscheidet, das Volk hat zu gehorchen.
Doch dauerhaft lässt sich das Freiheitsstreben nicht unterdrücken! Der Mensch möchte von seinem
angeborenen Recht auf Selbstbestimmung Gebrauch machen und nicht von korrupten Regimen
bevormundet werden. Dieser drängende Wunsch nach persönlicher Entfaltung und Demokratie lässt
momentan die Throne arabischer Despoten wackeln. In Deutschland sind solche Kämpfe ebenfalls
über Jahrhunderte geführt worden – und haben ihre Opfer gefordert. Trotzdem aber lebte auch das
deutsche Volk – nicht gänzlich unschuldig – jahrtausendelang in furchtbarer Unfreiheit und hatte
unter Fürsten, Königen, Kaisern und Diktatoren zu leiden. Im Osten unserer heutigen Heimat hatten
die Menschen sogar bis zum Untergang der DDR 1989/90 keine echten Mitspracherechte und somit
keine Möglichkeit, Gesellschaft und Politik mitzubestimmen.
Meine Generation ist also die erste, die Individualismus für selbstverständlich hält. Doch wie kann
man sich Gehör verschaffen? Wofür sollte man eintreten? Was darf und was muss man eigentlich
selbst entscheiden?
Mitbestimmung beginnt im Alltag. Im Gespräch mit Freunden, in der Familie oder auch bei
Diskussionen über ein schulisches Projekt – zum Beispiel das Ziel der nächsten Klassenfahrt -
entwickelt man schon als Kind und Jugendlicher die Fähigkeit, für seine Überzeugungen einzutreten.
Hier wird man auch mit ersten Problemen konfrontiert. Es ist umso wichtiger, eine Diskussionskultur
zu pflegen; andere Ansichten zu tolerieren – zugleich aber für seine eigenen zu kämpfen. Und dies ist
vielleicht das Schwierigste am demokratischen Prozess - aber auch das Bedeutendste. An dieser
Stelle möchte ich das siebte der „Zehn Gebote eines Liberalen“, die der Mathematiker und Philosoph
Bertrand Russell 1951 veröffentlichte , zitieren, welches lautet: „Fürchte dich nicht davor,
exzentrische Ansichten zu vertreten; jede heute anerkannte Ansicht war einmal exzentrisch.“ Wer
schon einmal als Einziger gegen die Meinung der Masse ankämpfen musste, weiß jedoch wie
schwierig es ist, diesem Gebot Folge zu leisten. Aber tatsächlich kann nur das eigene Denken zu einer
persönlichen Meinung führen – dies verlangt zwar eine gewisse Recherche über gesellschaftliche
Themen, Engagement, Mut und Intelligenz; ist für einen Meinungspluralismus, der zur Demokratie
zwingend gehört, jedoch unerlässlich.
Zugleich darf man aber nie vergessen, dass aus genannten Gründen auch die Wichtigkeit des
Anerkennens anderer Meinungen hervorgeht. In Rechtsstaaten, welche Meinungsfreiheit
garantieren, hat Gewalt gegen Andersdenkenke folglich keinen Platz – schließlich könnten auch die
Überzeugungen des anderen richtig sein.
Diese Gebote der Toleranz einerseits und des selbstbewussten Repräsentierens seiner Auffassungen
andererseits gilt es zu beachten, wenn man sich an politischen und gesellschaftlichen Diskursen
beteiligt. Dies geschieht schon auf unterster Ebene beim Debattieren mit Freunden, welche man von
seinen Ansichten überzeugen möchte. Wer seine Meinung darüber hinaus gerne einer breiteren
Öffentlichkeit kund tun möchte, der kann dies durch Verfassen von Zeitungsartikeln oder
Leserbriefen tun. Außerdem besteht die Möglichkeit der Teilnahme an einer Demonstration. Die
Grundrechte, die dem Bürger solcherlei erlauben (Rede-; Presse- und Versammlungsfreiheit) und
damit dessen Mitbestimmungsrecht stärken, sind in einer Demokratie essenziell und daher auch als
Menschenrechte definiert. Eine andere Art der Teilhabe an sozialen Prozessen stellt der Einsatz in
einer gesellschaftlichen Institution dar. So sind viele Deutsche Anhänger einer Religions-
beziehungsweise Weltanschauungsgemeinschaft , Vereinsangehörige, Unterstützer einer
Bürgerinitiative sowie Mitglieder in einer Nichtregierungsorganisation, Gewerkschaft oder Partei.
Dafür ist eine „open society“ - die zumindest prinzipiell den Ideen Karl Poppers folgt – notwendig.
Der Staat sollte sich hier hüten, Minderheiten jedweder Form zu unterdrücken oder die alten
Mehrheitsansichten grundlos zu bevorzugen! Konservative mögen dies teilweise anders sehen; für
mich aber ist klar, dass jede Abweichung von der Masse erst einmal als Gewinn an Vielfalt zu sehen
ist. Eine „Diktatur der herrschenden Meinung“ darf es nicht geben! Deshalb bin ich von der
Wichtigkeit einer freiheitlichen Gesellschaftspolitik überzeugt. Im Grundsatzprogramm der
Jungliberalen findet man diesbezüglich einen sehr schönen Satz über das Angebot an sozialen
Organisationen: „Diese Vielfalt schafft Freiheit, weil sie Wahlmöglichkeiten eröffnet, und bleibt nur
dann erhalten, wenn die Gesellschaft stets die Offenheit und Toleranz behält, neue Angebote
anzunehmen.“
Über die Debatte und die gesellschaftliche Beteiligung hinaus aber sind Wahlen und politische
Teilhabe die zentralen Organe zur Mitbestimmung. In echten Demokratien - welche freie, gleiche,
allgemeine und geheime Wahlen durchführen – kann so jeder Bürger mitentscheiden, welche
Politiker und Parteien mit welchen Zielen und Grundsätzen in das Parlament und in die Regierung
gelangen. Das bedeutet echte Partizipation an Entscheidungen über die Angelegenheiten der
gesamten Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist die Passivität vieler Deutscher – gerade auch
Jugendlicher – nur schwer nachvollziehbar. Politik gilt als langweilig, Politiker als lügende Hohlköpfe.
So erklären sich auch die beinahe chronisch fallenden Wahlbeteiligungen. Allerdings kann die
beschriebene Entwicklung nur als gefährlich angesehen werden. Was passiert, wenn das Volk sein
Parlament und die Parteienlandschaft verabscheut, das erlebte man 1933 als Nationalsozialisten die
ungeliebte Republik mit ihren Freiheitsrechten zerstörten.
Hier muss ein Umdenken auf beiden Seiten stattfinden: Regierende müssen zu ihren Versprechen
stehen und sollten niemals in die Bequemlichkeit verfallen, ihre Ansichten für „alternativlos“ zu
erklären. Andererseits sollte die Bevölkerung an demokratischen Prozessen teilnehmen, anstatt nur
zu nörgeln. Dabei halten viele den eigenen Einfluss für unwichtig und gering. In Wahrheit aber
besteht eine Gesellschaft aus wenig mehr als der Summe individueller Ansichten. Einmischen lohnt
sich also! Auch wenn es etwas Zeit und Mühe kostet; der Erhalt unserer Freiheit verlangt Interesse
und Engagement aller Deutschen!
Dass es notwendig ist, diesen Fakt bereits Heranwachsenden zu vermitteln, erkannten auch die
Kultusminister und so gibt es heute an jeder weiterführenden Schule einen Schülerrat, der in
Zusammenarbeit mit Direktion und Lehrerschaft Prozesse mitgestaltet. Auf diese Weise lernen die
Schulsprecher und ihre Stellvertreter die „politische“ Arbeit auf geringster Ebene kennen und können
direkt Themen zur Sprache bringen, welche die Lernenden bedrücken.
Eine andere Art der schulischen Mitbestimmung bietet die Mitarbeit an einer Schülerzeitung. Diese
erfüllt wichtige Funktionen; sie informiert, klärt auf, kommentiert und informiert. So demonstrieren
Schülerzeitungen die Bedeutung einer freien Presse für die Republik. Und wer schon früh lernt, seine
Meinung in Debatten einzubringen, der wird wohl zeitlebens ein Streiter für die Meinungsfreiheit
bleiben. Im besten Fall kann ein von Schülern getragenes Medium sogar auf Probleme hinweisen,
Diskussionen anregen und dadurch den Schulalltag verbessern. Deshalb gilt: die Schülerzeitung ist ein
wesentliches Element demokratischer Schulkultur.
Über die schulische Mitbestimmung hinaus gehend können sich auch schon Minderjährige politisch
betätigen – durch Beitritt zu einer Parteijugendorganisation und Teilnahme an deren Stammtischen,
Konferenzen und Aktionen. Um „seine“ Partei zu finden, kann der Interessierte im Internet jede
Menge Informationen zu Programmen und Zielen der einzelnen Fraktionen finden. Heute gelingt es
sogar, via Facebook Kontakt zu den Ortsvorsitzenden der Jugendorganisationen aufzunehmen und
Interessengespräche zu vereinbaren. Auch ich ging diesen Weg und konnte sehen, dass Politik nicht
nur ein Altherrenthema ist, sondern dass eben auch junge Menschen mit neuen Ideen auf diesem
Feld tätig sind und mit vollem Einsatz und Respekt für den politischen Gegner für ihre Ideale
kämpfen. Wenn man diese Fakten einer breiteren Öffentlichkeit nahe bringen könnte, dann wäre der
Politikverdrossenheit wohl einiges an Nährboden entzogen.
Die politische Überzeugung kann nur aus dem eigenen Denken entstehen. Dennoch gibt es einige
Werte, welche meiner Meinung nach von enormer Wichtigkeit sind und um deren Erhalt zu kämpfen
sich lohnt.
Freiheit und die Selbstbestimmtheit des Individuums sollten als Grundlage und Richtschnur der
Politik dienen. Dabei endet die Freiheit des Einzelnen dort, wo die des Nächsten beginnt.
Als Ideale eines der Freiheit des Individuums verpflichteten Staates sollten folgende gelten:
- Frieden, denn Krieg verursacht Leid und beschränkt die Freiheit von Soldaten und Opfern;
- Solidarität, damit auch die Ärmsten einer Gesellschaft frei von Hunger, Kälte und Krankheit ihr
Leben gestalten können;
- Gerechtigkeit, denn in einem Rechtsstaat sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich – ein
bedeutendes Menschenrecht;
- Demokratie, denn die Bürger müssen über die Freiheit verfügen, ihre Regierung selbst zu
bestimmen
und -
Toleranz, weil alternative Lebensentwürfe ebenfalls über ein Existenzrecht verfügen.
Immer wenn diese Werte bedroht werden, lohnt es sich einzugreifen und für sie einzustehen. Dann
gilt: Einmischen ist angesagt!
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