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3/02 trum ek sp FAKULTÄT FÜR ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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trumekspFAKULTÄT FÜR ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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In diesem Spektrum-Heftstellt sich die Fakultät fürAngewandte Naturwissen-schaften vor. Die Idee einerVerbindung von Naturwis-senschaften und Ingenieur-wissenschaften wurde an derUniversität Bayreuth bereitsin den 80er Jahren geborenund durch ein Memorandumuntermauert. Bis Ende der90er Jahre hat es allerdingsgedauert, ehe die ersten Stu-dierenden eines Diplom-In-genieur-Studienganges ander Universität Bayreuth be-grüßt werden konnten. Mitder Bezugsfertigkeit der Ge-bäude der FAN konnte einwesentlicher Schritt zur Ver-stetigung der Forschung undLehre im Überlappungsbe-reich von Naturwissenschaf-

ten und Ingenieurwissen-schaften vollzogen werden.Das Konzept der Fakultät fürAngewandte Naturwissen-schaften hat alle überzeugt:Intensive Kooperation mitden Naturwissenschaften inder Grundlagenforschung,hohe Kompetenz in der An-wendungsforschung und eineVerbindung zur praxisnahenIngenieurtechnik.Spektrum stellt die Lehrstüh-le an der FAN vor - der Lehr-stuhl Bioprozesstechnik wirdzum 01. Januar 2003 durchFrau Professorin Dr. Freitagbesetzt werden. Eine Aus-wahl von Forschungsprojek-ten soll die breite Palette derAktivitäten gerade auch inder Anwendungsforschungdarstellen.

Die Lehrstühle der FAN sindin ihren Forschungsvorhabeninternational vernetzt, sie ge-ben aber auch viele For-schungsanregungen für Wirt-schaftsunternehmen der Re-gion Nordostbayern und stel-len ihre gut ausgebildetenStudierenden dem Arbeits-markt zur Verfügung. 2003werden die ersten Absolven-ten des Diplom-Ingenieur-Studienganges Materialwis-senschaft ihre beruflicheKarriere starten.

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Editorial

Titelbild ImpressumHerausgeber: Der Präsident der Universität Bayreuth

Redaktion: Pressestelle der UniversitätBayeuth / Jürgen Abel, M.A. (verant-wortlich)Anschrift: 95440 BayreuthTelefon (09 21) 55-53 23/4Telefax (09 21) 55-53 [email protected]://www.uni-bayreuth.de

Graphische Gestaltung:Evi Remer/Bernd Schröder

Fotos:J. Abel und andere

Auflage: 5000 / dreimal jährlichDruck: Ellwanger Bayreuth

Kürzungen und Bearbeitung einge-sandter Manuskripte behält sich dieRedaktion vor.Alle Beiträge sind bei Quellenangabenfrei zur Veröffentlichung.Belegexemplare sind erwünscht.

Art meets function - die Stahlskulptur von FlorianLechner und der Gebäudeteil C derFakultät für Angewandte Natur-wissenschaften, kurz FAN ge-nannt.

Präsident der Universität BayreuthProf. Dr. Dr. h.c.Helmut Ruppert

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Inhalt

Vision und Mission der FAN 4

Lehrstühle an der FAN:Keramik und Verbundwerkstoffe 6

Metallische Werkstoffe 8Polymere Werkstoffe 10Werkstoffverarbeitung 12

Technische Mechanik und Strömungsmechanik 14Technische Thermodynamik und Transportprozesse 16

Konstruktionslehre und CAD 18Umweltgerechte Produktionstechnik 20

Chemische Verfahrenstechnik 22Funktionsmaterialien 24

Mess- und Regeltechnik 26

Projekte an der FAN:Maßgeschneiderte keramische Werkstoffe für Raumfahrt, Elektronik und Medizintechnik 28Werkstoffgerechter Materialeinsatz: Der richtige Werkstoff an der richtigen Stelle 30CFK-Rumpf: Faserverstärkte Kunststoffe im Flugzeugbau 32Vom Material zum Bauteil: neue Werkstoffe aus Pulvern 34Filmströmungen: Von regennassen Strassen, Flüssen und Hi-Tech 36Mit Lasermesstechnik und Computersimulation zu den Motoren der Zukunft 38Bauteiloptimierung durch Simulation - ein Beispiel aus der Praxis 40Remanufacturing: "Die Zukunft aufarbeiten" Vielfachnutzen durch Mehrfach-nutzung 42Umweltgerechte Kraftstoffe - Neue Wege zur Tiefentschwefelung von Dieselölund Ottokraftstoff 44MEMS - Meister der Multifunktionalität 46

News aus der FAN:Bayreuther Zentrum für Kolloide und Grenzflächen (BZKG):

Poröse Keramik, dünne Schichten, verbessertes Processing 48Komplexe Makromolekül- und Hybridsysteme in inneren und äußeren Feldern:

Polymerblends Nanostrukturierte Keramiken 49Forschervereinigung Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde e.V.:

Brücke zwischen Universität und Kompetenzzentrum 50Forschungsstelle WOPAG: Innovationen aus Glas 52

Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften (FAN)

CampusJonglierprojekt in Venezuela 54"Wegberufungsbilanz" der Nachwuchswissenschaftler 56Was Kinder bewegt 60Turbulente Verbrennung 62Z-MNU gegen Bildungsdefizite 63

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Mit einem nahezu vollbesetztenKollegium, einem schon

reichhaltigen Forschungsportfoliosowie den ersten erfolgreichen Ab-solventen ihrer Studiengänge be-ginnt sich die FAN an den Heraus-forderungen und Zielen zu messen,die ihr ihre Vordenker und Gründermit auf den Weg gaben.

Herausforderung Interdisziplina-ritätInterdisziplinarität von Forschungund Lehre, maßgebliches Credo derFAN, bedeutet weit mehr als nurden sprichwörtlichen „Blick überden Zaun“ zur jeweils anderen Dis-ziplin. Wer die wesentlichen Inno-vationen vorantreiben will, die heu-te in den Grenzbereichen zwischenden Disziplinen stattfinden, muss„auf beiden Seiten des Zaunes“ si-cher auf dem Boden stehen. An derFAN wird das Wort von der fachü-bergreifenden Zusammenarbeitnicht leichtfertig in den Mund ge-nommen - es wird gelebt. Die Uni-versität Bayreuth mit ihrer deutsch-landweit einzigen interdisziplinärenFakultät Rechts- und Wirtschaftwis-senschaften offeriert die Atmosphä-re auch für die interdisziplinäre Zu-sammenarbeit der Wissenschaftender unbelebten Materie und der be-lebten Natur. FAN-intern und mitden auf dem Campus benachbartennaturwissenschaftlichen Fakultätenerwecken Ingenieurwissenschaften,Chemie, Biologie, Physik und Ma-thematik so die Idee „AngewandteNaturwissenschaften“ zum Leben,wie die nachfolgenden Beiträge zei-gen. Wer sich Lehrstühle der FANanschaut, ob „Funktionsmateriali-en“, „Werkstoffverarbeitung“ oder„Umweltgerechte Produktionstech-nik“, um nur drei Beispiele aufzu-führen, entdeckt Interdisziplinaritätvielfach schon bei den Lehrstuhlbe-zeichnungen selbst. Von auswärtigen Kollegen hört manzuweilen, dass auch sie ähnlicheKonzepte für Angewandte Natur-wissenschaften besprochen, dannaber kein Rezept gefunden hätten,

diese gegen interne Widerständeumzusetzen. So ist vielleicht nichtdie Bayreuther FAN-Idee einzigar-tig, aber die Tatsache ihrer Umset-zung: Die Vision wurde zur Missi-on.

Erkenntniswissen und Anwen-dungswissen benötigen Orientie-rungswissenParallel zur Verschmelzung ge-trennter klassischer Fachdisziplinenerwächst allerorten die Notwendig-keit, auch die klassische Trennungvon Erkenntniswissen und Anwen-dungswissen zu überdenken - mitHilfe einer neuen Kategorie: Orien-tierungswissen.

Erkenntniswissen repräsentiert Ergebnisse der Grundlagenfor-schungAnwendungswissen repräsentiertErgebnisse der angewandten For-schungOrientierungswissen besagt, was man tun „sollte“ bzw. „darf“ undwas nicht.

Zur Veranschaulichung wird gernedas folgende einfache Beispiel zi-tiert:Erkenntniswissen ist die Aussage„das Messer ist spitz und scharf“;Anwendungswissen ist die Folge-rung, dass man mit diesem Wissensowohl Gutes (das Brot schneidenund mit den Armen teilen) als auchBöses (ein Kapitalverbrechen bege-hen) anstellen kann. Orientierungs-wissen besagt, welche dieser bei-spielhaft genannten Anwendungenerstrebenswert sind und auf wel-chen Wegen man sie erreicht. Die-ses einfache Beispiel ist noch über-schaubar. Wer jedoch wissenschaftlich anAufgaben arbeitet, die sich komple-xer und konfliktreicher präsentierenals obiges Anschauungsbeispiel -und dies sind nicht nur Kernkraftoder Gentechnik, sondern auch we-niger brisante Themen - stecktschnell tief im Dilemma zwischenErkenntnis und Anwendung, solltealso auch Orientierungswissen be-reithalten.

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Vision und Mission

der FANRolf Steinhilper

Bayreuths FANtastische Ingenieure..."- so lautete nur ei-nes der visionären Komplimente, die Prominenz undPresse der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften(FAN) an der Universität Bayreuth spendierten, als sie imNovember 1999 ihre vier neuen Gebäude von Wissen-schaftsminister Hans Zehetmair übergeben bekam. DerMinister erläuterte, so "die Universitäten für die Heraus-forderungen der globalen Welt fitzumachen" und "dieStudierenden auf den Umgang mit Spitzentechnologienvorzubereiten". Dem Bayreuther Oberbürgermeister galtdie FAN gar als "Hoffnungsträger der Region und Zierdeder Universitätsstadt Bayreuth". Heute - genau drei Jah-re danach - ist die FAN-Vision schon eine vorangebrach-te Mission. Es gibt nicht nur eine "FAN-Gemeinde", son-dern auch deren "Fan"-Gemeinde, die uns gute Arbeit at-testiert und zur weiteren Fortentwicklung ermuntert. Ei-nige Gedanken zu Leitmotiven und Lehrstühlen der FANenthält dieser Beitrag.

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

FAN: Studiengängeund Wissenschaftenim Dreiklang

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Die FAN stellt sich der Verant-wortungBeispielsweise werden die Lehr-stühle Metallische Werkstoffe oderKeramik und VerbundwerkstoffeOrientierung geben können, wennInnovationen bei Implantatwerk-stoffen mit deren biologischer Ver-träglichkeit in der Humanmedizinabgeglichen werden müssen.Hier kommt wohl auch zum Tragen,dass die FAN stark von ingenieur-wissenschaftlichem Geist geprägtist. Ingenieure sind die Brückenbau-er zwischen Forschung und Praxis -sie verbinden die wissenschaftlicheErleuchtung mit dem Blick für dasMachbare - und Ingenieure bildetdie FAN in ihren beiden Studi-engängen ja auch aus. Unsere Ab-solventen der „Materialwissen-schaft“ sowie der „Umwelt- undBioingenieurwissenschaft“ werdenfachübergreifend ausgebildet - ganzim Sinne der FAN-Vision, aberauch der Universitas LitterarumAlexander von Humboldts, der fünfJahre im Bayreuther Raum tätig(und damals fest in den Natur- undIngenieurwissenschaften verwur-zelt) war.Solche Wurzeln werden auch deninterdisziplinären FAN- Studieren-den zuteil : FAN- Lehrstühle undLehrfächer wie Konstruktionslehreund CAD, Mess- und Regeltechnik,Technische Thermodynamik undTransportprozesse, Technische Me-chanik und Strömungsmechanik et-wa sorgen bei aller Modernität auchfür die technische Solidität und An-wendungsnähe, die der Arbeits-markt von zukünftigen Ingenieurenerwartet - bzw. von Ingenieurinnen:etwa ein Viertel der FAN-Studieren-den sind weiblichen Geschlechts!Auch sie haben ihre Freude nichtnur am Konzept, sondern auch anden neuen Gebäuden und der mo-dernen Ausstattung der FAN. Meh-rere Lehrbücher aus der Feder vonFAN- Ordinarien zählen zudem zuraktuellen und angesehenen Kon-struktions- und Produktions- Stan-dardliteratur in Wissenschaft undWirtschaft.

Blueprint“ statt „Greencard“?Deutschland ist nicht nur Hoch-lohnland, sondern vor allem Hoch-technologieland - auch wenn Pro-duktionen zunehmend in Ländernmit günstigeren Kostenstrukturen(ent)stehen, sind Know-how undTechnologie vielfach weiterhin„Made in Germany“. Blaupausen(oder „Blueprint“)-Export lautethierfür das geflügelte Wort. Gefahrdroht diesem Konzept hauptsäch-lich durch einen bedrohlichen Inge-nieurmangel schon in naher Zu-kunft, den Bildungspolitik, Wissen-schaft und Wirtschaft unisono vor-hersagen, bzw. bereits spüren. DieFAN-Studierenden können diesenUmstand durchweg positiv sehen:Auf sie warten glänzende Berufs-aussichten. Mit einem breiten Fun-dus an Technologie-know-how -wozu nicht zuletzt auch die FAN-Lehrstühle Polymere Werkstoffe,Chemische Verfahrenstechnik oderBioprozesstechnik aktuelle Wis-sensspektren zuschießen, sind siebefähigt zur verantwortlichen Über-nahme vielfältiger Aufgaben in In-dustrieunternehmen jeder Größeund verschiedener technischerBranchen, oder auch in der Wissen-schaft. Sie sind vielseitig und flexi-bel von den biologischen und öko-logischen Grundlagen über Materi-al- und Verfahrensentwicklung bishin zur Produktion in technischenAnlagen und den damit verbunde-nen Rechtsfragen.Anders als „Greencard“-Inhabern,die man mit enger Spezialisierungim informationstechnischen Be-reich unlängst hastig einschleusenzu müssen glaubte, wird umfassendausgebildeten „Blueprint“-Expertendas Tor zur (Arbeits-) Welt wohlwesentlich weiter offenstehen. Da-bei kann ein Sprung in die Praxisauch schon „direkt vor der Haustür“gelingen:Etwa beim Bayreuther Kompetenz-zentrum Neue Materialien, das alsBestandteil der HighTech OffensiveBayern und Partner der FAN einwichtiges Bindeglied in die Wirt-schaft ist.

Think global - act localBewusst weltoffen präsentieren sichsowohl die Lehre als auch die For-schung an der FAN. Lehrveranstal-tungen in Fremdsprachen - auch inZusammenarbeit mit dem Spra-chenzentrum der Universität Bay-reuth - gehören fest zum Repertoire.Weltweit gefragt sind auch die Er-gebnisse unserer wissenschaftlichenArbeit: Engagierte Wissenschaftleraus der „kleinen“ FAN sieht undhört man regelmäßig auch auf den„großen“ Bühnen des nationalenund internationalen Parketts - in derWeltstadt München, im japanischenForschungszentrum Tsukuba, in deramerikanischen „MotorCity“ De-troit oder beim Weltgipfel für nach-haltige Entwicklung in Johannes-burg. Auch hier steht die FAN ganzim Geist der Universität Bayreuth,mit ihrer bewusst gepflegten Inter-nationalität.Die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiterund Studierenden im MikrokosmosFAN erfüllt es mit Freude, dass ihrEngagement in wenigen Jahrennicht nur Bereicherung, sondern in-tegrativer Bestandteil des Lehr- undForschungsangebots der UniversitätBayreuth insgesamt wurde - ganz sowie der Makrokosmos Universitätnicht mehr wegzudenkender Be-standteil der Stadt Bayreuth bzw.das Universum von Wissenschaftund Technik inzwischen fester Be-standteil unserer Kultur gewordensind.

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Der Lehrstuhl Keramik undVerbundwerkstoffe ist der er-

ste Lehrstuhl der Materialwissen-schaft und der Fakultät für Ange-wandte Naturwissenschaften derUniversität Bayreuth. Er befasstsich mit der Entwicklung von kera-mischen Materialien und derenverfahrenstechnischen Umsetzungin Werkstoffe und Bauteile für spe-zielle Anwendungsfelder. Der Lö-sungsweg wird durch vier konzep-tionelle Ansätze realisiert:

Bearbeiten der gesamten Ent-wicklungskette von der Material-synthese über die Werkstoffverar-beitung bis zu der Umsetzung inModellbauteile.

Entwicklung von neuartigen Ver-bundwerkstoffen und Werkstoff-verbunden auf Keramikbasis (Ke-ramik-Keramik, Keramik-Polymer,Keramik-Metall).

Einsatz spezieller Techniken zurHerstellung der Materialien undKomponenten.

Mikrostrukturelle und mikroana-lytische Charakterisierung des Ma-terialaufbaus bis in den Nanome-terbereich, um Rückschlüsse fürdie weitere Materialentwicklungziehen zu können.Die bis zu 45 Mitarbeiter kommenaus verschiedenen Fachdisziplinen,unter anderem Material-/Werk-stoffwissenschaft (Keramik, Me-talle, Polymere), Chemie, Physik,Mineralogie, Maschinenbau, Ver-fahrenstechnik, Geoökologie, Bio-logie und Medizin. Weitere Kenn-zeichen des Lehrstuhls sind dasWerkstoffklassen übergreifendeDenken, die Ausgewogenheit zwi-schen grundlagen- und anwen-dungsorientierter Forschung unddie Übertragung der F- und E-Er-gebnisse vom Labor- in den Tech-nikums- bzw. Produktionsmaß-stab.Prof. Dr. G. Ziegler wurde Ende1989 als erster Lehrstuhlinhaber inder damals in die in der Planungbefindlichen neuen Fakultät fürAngewandte Naturwissenschaftenberufen. Nach seiner Tätigkeit inder Industrie, an Hochschulen undeiner Großforschungseinrichtungder Luft- und Raumfahrt mitgleichzeitiger Professur an derTechnischen Universität Eindho-ven hat er sich ab 1989 voll demAufbau der Materialwissenschaftin Bayreuth und den Vorarbeitenzur Errichtung der Fakultät für An-gewandte Naturwissenschaften ge-widmet. Er wurde ab 1996 zumFachgutachter der Deutschen For-schungsgemeinschaft für das Ge-biet ‚Werkstoffeigenschaften und

Werkstoffmechanik nichtmetalli-scher Stoffe' gewählt. Die interna-tionale Ausrichtung des Lehrstuhlszeigt sich u.a. durch die Mitglied-schaft im Vorstand und Präsidiumder Europäischen KeramischenGesellschaft.

Lehrangebot Im Studiengang Materialwissen-schaft werden die Fachgebiete‚Synthese und Herstellung', ‚Ver-fahrens- und Verarbeitungstechni-ken' und ‚Charakterisierung undEigenschaften' von keramischenMaterialien und Verbundwerkstof-fen in Vorlesungen, Praktika undÜbungen gelehrt. Der Studiengangist konzeptionell so angelegt, dassden Studenten die gesamte Herstel-lungs- und Entwicklungskette so-wie die Umsetzung in die industri-elle Produktion und marktwirt-schaftliche Aspekte näher gebrachtwerden. Ergänzt wird das Lehran-gebot durch erfahrene Gastdozen-ten aus der Industrie und durch Se-minar- und Projektarbeiten.Im Studiengang Umwelt- undBioingenieurwissenschaften wer-den die Vorlesungen ‚Biokompa-tible Materialien' und ‚Bio-Ver-bundwerkstoffe und Werkstoffver-bunde' angeboten.

ForschungsangebotDer Lehrstuhl arbeitet auf drei Ar-beitsgebieten:

Material- und Werkstoffentwick-lung

Verfahrenstechnik und Werkstoff- verarbeitungCharakterisierung und Prüfung.

Von der Materialseite werden hoch-feste Keramiken, zum Teil auchFunktionsmaterialien, Schichten

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Günter Ziegler

Als erster Lehrstuhlinhaber der Fakultät für Angewand-te Naturwissenschaften war Prof. Dr.-Ing. G. Zieglermaßgeblich an der Vorbereitung der Begutachtung durchden Wissenschaftsrat und dem sich daran anschließen-den Aufbau der Fakultät für Angewandte Naturwissen-schaften beteiligt. Der Lehrstuhl ist stark interdiszi-plinär zwischen den Naturwissenschaften, insbesondereder Chemie und den Ingenieurwissenschaften ausge-richtet. Interfakultative Kooperation ist eines der Kenn-zeichen des Lehrstuhls. Dies hat die Mitwirkung bei derGründung und beim Aufbau verschiedener Zentren undForschungsstellen an der Universität Bayreuth zur Fol-ge. Das Konzept des Lehrstuhls beinhaltet ein ausgegli-chenes Verhältnis zwischen grundlagen- und anwen-dungsorientierter Forschung. Dieses Konzept führte zuhoher Drittmitteleinwerbung, in den letzten 10 Jahrenvon ca. 25 Mio. DM. Aus den Erfolgen in der Material-entwicklung und speziellen Verarbeitungstechniken ent-wickelte sich mit dem Friedrich-Baur-Forschungsinsti-tut für Biomaterialien ein neuer Schwerpunkt an derUniversität Bayreuth ‚Neue Materialien in der Medizin-technik'.

Professor Dr.-Ing.Günter Ziegler, Lehrstuhl Keramikund Verbundwerk-stoffe

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Keramik und

Verbundwerkstoffe

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für korrosive, tribologische undfunktionelle Anwendungen, poröseWerkstoffe, keramische Fasern, fa-serverstärkte Keramiken sowie Ke-ramik-Metall- und Keramik-Poly-mer-Verbundwerkstoffe entwickelt.Hierzu werden verschiedene Her-stellungstechniken angewendet:die herkömmliche Pulverkeramik,das Sol-Gel-Verfahren sowieneuartige chemische Synthese- undVerarbeitungstechniken, wie die sogenannte Precursorkeramik, dieüber die Pyrolyse metallorgani-scher Verbindungen hergestelltwird. Die Entwicklung erfolgt fürfolgende Anwendungsbereiche:Maschinenbau, chemische Verfah-renstechnik, Automobilbau, Luft-und Raumfahrt, Informations-, En-ergie-, Fertigungs- und Medizin-technik sowie umwelt- und bio-technologische Anwendungen.Hierfür stehen Herstellungs- undVerarbeitungsanlagen bis in denPilotmaßstab sowie modernsteMessgeräte zur Verfügung.

Interfakultative KooperationenDa der Lehrstuhl stark interdiszi-plinär ausgerichtet ist, bestehenüber die Fakultät für AngewandteNaturwissenschaften hinaus Ko-operationen mit Wissenschaftlernder Chemie, Biochemie, Mathema-tik und Physik. Weiterhin wird mitdem Bayerischen Geoinstitut in ei-ner gemeinsamen Arbeitsgruppedas Transmissionselektronenmi-kroskop betrieben.Verschiedene Kooperationen sindin geförderte Projekte oder Zentra-le Einrichtungen bzw. Forschungs-stellen eingebunden.

Deutsche Forschungsgemein-schaft (Prof. Kerber, Mathema-tik, Dr. Lipps, Biochemie, Prof. Rößler, Experimentalphysik)SFB 481 (Prof. Hoffmann, Phy-sikalische Chemie)Zentrale Einrichtungen oder Forschungsstellen:

– Bayreuther Zentrum für Kollo-ide und Grenzflächen (BZKG)

– Werkstoffverbunde und ober-flächenveredelte Produkte aus Glas (WOPAG)

– Forschungsvereinigung Ver-bundwerkstoffe und Werkstoff-verbunde.(FVW)

Nach der konzeptionellen Hilfe-stellung beim Aufbau des Kompe-tenzzentrums Nordbayern durchden Lehrstuhl werden verschiede-ne Projekte vom Lehrstuhl in dasKompetenzzentrum transferiert.Die Bearbeitung dieser Projekte er-folgt gemeinsam.

Hohe Drittmitteleinwerbung beigrundlagen- und anwendungsbe-zogener ForschungDie Forschungsarbeiten der bis zu45 Mitarbeiter werden größtenteilsüber Drittmittel finanziert. DieGrundlagenarbeiten werden vor al-lem über die Deutsche Forschungs-gemeinschaft (16 Projekte zumTeil mit einer Laufzeit bis zu je-weils sechs Jahren), aber auch dieVolkswagenstiftung und Europäi-sche Union gefördert. Die anwen-dungsbezogenen Arbeiten werdenmeist über Drittmittel der Arbeits-gemeinschaft Industrieller For-schung Otto von Guericke e.V. so-wie durch Länder- und Bundesför-derung unterstützt. Der Lehrstuhlhat vielfältige Kooperationen mitklein- und mittelständischen Be-trieben sowie Großunternehmen.Inklusive der medizinischen Akti-vitäten beläuft sich die Gesamt-summe der Drittmittel in den letz-ten 10 Jahren auf ca. 25. Mio DM.

Neuer Schwerpunkt Medizin-technikAufbauend auf den F- und E-Er-gebnissen aus anderen Anwen-dungsbereichen beschäftigt sichder Lehrstuhl in den letzten Jahrenverstärkt mit der Entwicklung neu-er oder der Verbesserung vorhan-dener Materialien für die Medizin.Die erfolgreichen Arbeiten führtenschließlich zu einem neuen The-menschwerpunkt „Biomateriali-en“, der im Friedrich-Baur-For-schungsinstitut für Biomaterialienmit wesentlicher finanzieller Un-terstützung der Friedrich-Baur-Be-teiligungs-GmbH in Burgkunstadtaufgebaut wird.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl Keramik und Verbund-werkstoffe95440 BayreuthHausanschrift: Ludwig-Thoma-Straße 36b, 95447 BayreuthTel.: 0921/55-5501Fax: 0921/55-5502E-Mail: [email protected]: http://www.ima-keramik.uni-bayreuth.de

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LEHRSTÜHLE

Abb. 1: Synthese vonpolymeren Precurso-ren für neuartige ke-ramische Materiali-en im Pilotmaßstab

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Der Lehrstuhl MetallischeWerkstoffe gehört zum Insti-

tut für Materialforschung und wur-de 1997 durch die Berufung vonHerrn Prof. Dr.-Ing. H.W. Berg-mann, der im Dezember 2000 ver-starb, erstmals besetzt. Die Räum-lichkeiten des Lehrstuhles befin-den sich im GewerbegebietGlocke-Süd. Durch die dynami-sche und anwendungsnahe Denk-weise von Herrn Professor Berg-mann war es möglich schon in denersten Jahren über 30 Mitarbeiterzu beschäftigen. Die Akzeptanzdes Lehrstuhles in der Wirtschaftzeigt sich in der hohen Anzahl andurchgeführten Projekten. Wäh-rend des zur Zeit noch andauern-den Berufungsverfahren wird derLehrstuhl kommissarisch von Prof.Dr.-Ing. Günter Ziegler geleitet.

LehrangebotDer Beitrag des Lehrstuhls Metal-lische Werkstoffe in der Lehre

richtet sich an Studierende der Fa-kultät für Angewandte Naturwis-senschaften. Dabei liegen dieSchwerpunkte auf folgenden Ge-bieten:

Grundlagen der metallischen WerkstoffeBeurteilung des Gefügezustan-des eines WerkstoffesEinsatz von metallischen Werk-stoffen einschließlich derer ferti-gungstechnischer AspekteEinsatz von Prüfverfahren für die Bewertung eines Werkstof-fes und eines BauteilsMaterialbearbeitung durch La-serstrahlung, insbeondere Laser-schweißen, -härten, -schneiden und -beschichtenAllgemeine Einführung in die konventionelle Schweißtechnik (Lichtbogenverfahren usw.)

Die Vorlesungen werden durch einbreites Spektrum an Praktika be-gleitet, mit dem Ziel den Studie-renden die Unterschiede von Me-tallen im Verhalten bei der Umfor-mung, bei der Zerspanung undbeim Schweißen praktisch zu zei-gen. Unter diesem Aspekt wird inZusammenarbeit mit der Hand-werkskammer für Oberfranken einCrashkurs in das manuelleSchweißen angeboten.

ForschungsangebotDie derzeitigen Forschungsarbei-ten am Lehrstuhl MetallischeWerkstoffe lassen sich in zweiKernbereiche unterteilen:

MaterialbearbeitungLaserverfahren haben zunehmendan Bedeutung gewonnen, da siezum einen hohe Bearbeitungsge-schwindigkeiten und zum anderenweil sie eine berührungslose Bear-

beitung ermöglichen. Die Aktivitä-ten zur Laserbearbeitung am Lehr-stuhl umfassen das Laserstrahl-schweißen, -beschichten und -le-gieren. Neben den prozesstechni-schen Lösungen, wie z.B. dem Le-gieren von Zylinderlaufflächenmittels Diodenlaser (Bild 1), wer-den die werkstoffkundlichen Vor-gänge bei den hohen Aufheiz- undAbkühlgeschwindigkeiten unter-sucht. Ein Beispiel dazu liefert dasLaserstrahlschweißen von Alumi-nium für den Fahrzeugbau. Hierkommt es beim Schweißen zur Bil-dung von Heißrissen, die die Si-cherheit des Bauteils beeinflussen.Um die Randbedingungen dieserErscheinung zu verstehen, werdenSchweißversuche und rasterelek-tronenmikroskopische Untersu-chungen durchgeführt, um die Zu-sammenhänge festzustellen. DieseErkentnisse dienen wiederum da-zu, eine defektfreie Fertigung zuermöglichen.Neben den konventionellen Lichtbo-genfügeverfahren zum Schweißenverfügt der Lehrstuhl MetallischeWerkstoffe über verschiedene mo-dernste Laserquellen (u.a. ein 4,4kW diodengepumpter Nd:YAG La-ser) und Handhabungssysteme(Abb. 2).

WerkstoffprüfungBei der Entwicklung neuer Werk-stoffe und Verarbeitungsverfahrenkommt der eher „klassisch“ ange-hauchten Werkstoffprüfung einetragende Rolle zu. Neben den gän-gigen zerstörenden mechanischenund technologischen Prüfverfahrenwie Zug-, Druck- und Biegeprü-fung, Härtemessung, Tiefziehver-such etc. verfügt der Lehrstuhl Me-tallische Werkstoffe über ein mo-

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Metallische Werkstoffe

Jean Pierre Bergmann *

Die Entwicklung des Fahrzeug-baus sowie des allgemeinen Ma-schinenbaus benötigt Werkstoffe,die neben geringen Kosten aucheine hohe Festigkeit und Steifigkeitbesitzen. Die Kenntnis des Verhal-tens eines Werkstoffes während derBearbeitung spielt einerseits einebedeutende Rolle für die Produkti-onskosten, andererseits ist dieKenntnis des Verhaltens im Betriebsehr wichtig für die Sicherheit ei-nes Bauteils.Unter diesem Aspekt und unterdem Motto „WerkstoffgerechterEinsatz“ wird am Lehrstuhl Metal-lische Werkstoffe das Eigen-schaftsprofil eines Werkstoffes fürdie Anwendung im Fahrzeugbausowie in der Elektronik untersucht.

Prof. Dr.-Ing. HansWilhelm Bergmann(Lehrstuhlinhaber),am 4. Dezember2000 verstorben.

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

* Dott. Ing. JeanPierre Bergmann istSchweißfachinge-nieur und Leiter desLaserlabors amLehrstuhl Metalli-sche Werkstoffe.

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dernes Metallographielabor fürProbenpräparation, Licht- undelektronenmikroskopische Unter-suchung, Analytik und Bildverar-beitung. Darüber hinaus stehen einige spe-zielle Anlagen zur Verfügung, wiez.B. eine Röntgendurchstrahlungs-anlage mit Manipulator für großeBauteile und zusätzlicher Feinfo-kusröhre für hohe Auflösung (z.B.an elektronischen Verbindungen).Zum Thermolabor des Lehrstuhlsgehört neben den gängigen Verfah-ren der Dilatometrie und DSC aucheine „Laser-Flash-Apparatur“ zurMessung der Temperaturleitfähig-keit von Festkörpern (mit Zusatzauch von Metallschmelzen) bis1600 °C.Ein besonderes „Highlight“ stellt diein Bild 3 gezeigte „Gleeble 3500“dar. Bei dieser servohydraulischenPrüfmaschine können die Proben imdirekten Stromdurchgang erwärmtwerden (Bild 4), wobei geregelteAufheizgeschwindigkeiten von meh-reren 1000 K/s ohne weiteres mög-lich sind. Dabei werden die beimkonventionellen Warmzugversuchwährend der Erwärmung auftreten-den Werkstoffveränderungen unter-drückt. Auf diese Weise ist es mög-lich, prozessnahe Werkstoffeigen-schaften zu messen, die zum Beispielwährend einer Laserstrahlbearbei-tung am realen Bauteil wirksam sind.Die daraus gewonnenen Ergebnissesind für die Prozesssimulation alsEingabedaten unentbehrlich. Ande-rerseits lassen sich auf diesem Wegdurch anschließende metallkundli-che Auswertung der Proben solcheEffekte wie die Heißrissproblematikbeim Schweißen oder das Umwand-lungsverhalten bei Kurzzeitausteniti-sierung auf elegante Weise experi-mentell untersuchen.

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Bild 1: Laserlegierenvon Zylinderlauf-flächen

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl Metallische Werkstoffe Ludwig-Thoma-Str. 36 b95447 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 5551Fax: 0921 / 55 - 5561Internet: http://www.lmw.uni-bayreuth.deAnsprechpartner: Dott. Ing. J.P. Bergmann

Bild 2: Industriero-boter mit verknüpfterLaserquelle für dieLasermaterialbear-beitung

Bild 3: Gleeble 3500Bild 4: Rasche Aufheizung einer metalli-schen Probe

LEHRSTÜHLE

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Professor Dr.-Ing. Volker Alt-städt leitet seit dem 1. Oktober

2000 den Lehrstuhl für PolymereWerkstoffe an der Fakultät für An-gewandte Naturwissenschaften derUniversität Bayreuth. Nach demStudium der Physik und der Pro-motion 1987 am „Institut für Werk-stofftechnik“ bei Professor Eh-renstein in Kassel, war er acht Jah-re im Kunststofflabor der BASFAG in Ludwigshafen tätig. Im Ok-tober 1995 erhielt er einen Ruf andie Technische Universität Ham-burg-Harburg, wo er bis zu seinemWechsel an die Universität Bay-reuth den Arbeitsbereich „Kunst-stoffe und Verbundwerkstoffe“ lei-tete.

LehrangebotIm Bereich der Lehre vermittelt derLehrstuhl Inhalte, die den Studie-renden ein Gefühl für den Werk-stoff Kunststoff geben sollen.Der/die zukünftige IngenieurIn sollspäter im Berufsleben Kunststoffesinnvoll zum Einsatz bringen. ZurVertiefung des Vorlesungsstoffeswerden Praktika in allen wichtigenBereichen der Kunststofftechnikdurchgeführt. Dabei werden Inhal-te aus der Kunststoffanalytik, derKunstoffverarbeitung sowie der

mechanischen Prüfung vermittelt.Des Weiteren sind die Faserver-bundwerkstoffe auf Basis polyme-rer Werkstoffe ein beständiger Teilder Lehre.Besonders hervorzuheben ist hier-bei das Spritzgießpraktikum in Zu-sammenarbeit mit dem Lehrstuhlfür Konstruktionslehre und CAD,in dem die Studierenden den Wer-degang eines Kunststoffbauteilsvon der Idee bis zum fertigen Pro-dukt kennenlernen. Dies beinhaltetdie zeichnerische Umsetzung derIdee sowie das Entwerfen desWerkzeuges am Computer mit demCAD-Programm„Pro/ENGINEER®“. Zudem wirdmit Hilfe der Simulationssoftware„MOLDFLOW®“ die Produzier-barkeit des Bauteils geprüft. DasSpritzgießwerkzeug wird mit einerCNC-Fräsmaschine hergestellt,wobei die hierfür erforderlichenDatensätze von dem CAD-Systemerzeugt werden. Als Abschluss desPraktikums erfolgt das Spritz-gießen der Bauteile. Die fertigenObjekte werden den Studenten alsAnschauungsmaterial überlassen. Zudem werden durch Vorträge ausder Industrie und durch Exkursio-nen den Studierenden Einblicke indie Industriepraxis gegeben, umihren möglichen späteren Arbeits-platz kennen zu lernen. In Zeitenimmer engerer Zusammenarbeitmit dem Ausland ist der Lehrstuhlbemüht, den Kontakt mit ausländi-schen Universitäten zu pflegen, in-dem deren Studenten am Lehrstuhlein Praktikum absolvieren oder ei-ne Studienarbeit anfertigen. Dasermöglicht den „heimischen“ Stu-denten, Kontakt mit anderen Kul-turen zu bekommen und eineFremdsprache (meist Englisch) zu

praktizieren. Der Blick über denberühmten Tellerrand soll bei denStudenten die sogenannten „softskills“ trainieren. Studierende, die sich besonders fürdie polymeren Werkstoffe interes-sieren, arbeiten als studentischeHilfskräfte am Lehrstuhl und un-terstützen die Forschungsarbeiten.

ForschungsangebotDie Forschung des Lehrstuhls fürPolymere Werkstoffe umfasst einweites Gebiet. Hierbei sind dieKernthemen Epoxidharze, Poly-merschäume, Polymerblends, Me-chanik und Ermüdung von Kunst-stoffen sowie thermoplastischeElastomere. Für den Ausbau desForschungsgebietes thermoplasti-sche Elastomere konnte durch För-derung der DFG Frau Prof. Puskasaus Ontario (Kanada), die sich alsMercator Professorin speziell die-sem Thema widmet, für ein Jahrgewonnen werden. Des Weiteren wurde mit der Eröff-nung des Kompetenzzentrums„Neue Materialien BayreuthGmbH“ die Lücke vom Labor-zum Produktionsmaßstab ge-schlossen. Am Kompetenzzentrumsind vor allem praxis- und industri-enahe Projekte angesiedelt. DerLehrstuhl engagiert sich dort ver-stärkt im Bereich der Verarbeitungvon Kunst- und Verbundwerkstof-fen. Um einen Einblick in die Arbeitdes Lehrstuhls zu erhalten, werdennachfolgend einige Projekte kurzvorgestellt:

10 spektrum 3/02

Polymere Werkstoffe

Volker Altstädt

Der Lehrstuhl für Polymere Werk-stoffe hat es sich auf die Fahnengeschrieben, eine Brücke zwischenden Naturwissenschaften und derpraxisnahen Ingenieurtechnik zubauen. Ein wichtiges Ziel in Lehreund Forschung ist es, Zusammen-hänge zwischen chemischer Struk-tur, Verarbeitung und Morphologiesowie den wichtigen Gebrauchsei-genschaften von Kunststoffen undVerbundwerkstoffen aufzuzeigen.

Prof. Dr.-Ing. VolkerAltstädt, Lehrstuhlfür Polymere Werk-stoffe

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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Thermoplastische Leiterplatte

In diesem Projekt steht die Ent-wicklung einer preiswerten, um-weltfreundlichen und recyclebarenLeiterplatte im Vordergrund. DieBasis dieser neuen Leiterplatte bil-det ein Hochtemperaturthermo-plastschaum, der den hohen ther-mischen Anforderungen gerechtwird. Dabei wird auf die Verwen-dung toxischer Additive wie z.B.Flammschutzmittel verzichtet. Zu-dem ermöglicht der thermoplasti-sche Schaum eine Gewichtsreduk-tion gegenüber herkömmlichenLeiterplatten und eine dreidimen-sionale Verformbarkeit.

Thermoplastische Elastomerefür die Medizin

Neue thermoplastische Elastomere(TPE) haben gute elastische Eigen-schaften, zudem eine gute Sterili-sierbarkeit und Beständigkeit ge-genüber menschlichem Gewebe.Das Ziel ist, diese Materialien alskünstliche Prothesen und Sehnen-ersatz zu verwenden.

ElektretfolienElektretfolien haften ohne zu kle-ben auf nahezu jeder Oberfläche.Die elektrostatischen Anziehungs-kräfte, die bei diesen speziell be-handelten Folien außergewöhnlichgroß sind, machen dies möglich.Dadurch eröffnen sich zahlreiche

Anwendungen, wie z.B. selbsthaf-tende Poster, die rückstandslos ent-fernt und an anderer Stelle wiederplatziert werden können. Ziel derForschung ist es, die Langzeitstabi-lität der Aufladung zu erhöhen.Dieses Projekt wird in Zusammen-arbeit mit dem Lehrstuhl für Ma-kromolekulare Chemie I, Prof. H.-W. Schmidt, bearbeitet.

HochtemperaturblendsDieses Projekt entstand aus derNotwendigkeit heraus, den Preisfür den Hochtemperaturthermopla-sten Poly-Ether-Ether-Keton (PEEK)zu senken. PEEK besitzt herausra-gende mechanische Eigenschaften,die nur durch den hohen Preis ein-geschränkt werden. Mit Hilfe derBlendtechnologie werden gezieltpreiswertere Kunststoffe unterge-mischt, wobei die guten Eigen-schaften des PEEK erhalten blei-ben.

Ermüdungsverhalten vonKunststoffen

Mikrozelluläre Polyurethanschäu-me sind heutzutage in nahezu je-dem Fahrzeug zu finden. Sie sindTeil der Federung und dämpfeninsbesondere die hohen Schwin-gungen. Der Lehrstuhl beschäftigtsich mit der Modellierung des me-chanischen Verhaltens dieserSchäume. Dafür werden zunächstgrundlegende Versuche für das

physikalische Modell des Schau-mes durchgeführt. Danach werdendas Werkstoffversagen und dieEinflüsse auf die Ermüdung unter-sucht. Diese werden auf ein FEM-Modell übertragen, um so zügigoptimale Bauteile zu entwickeln.

Ermüdungsrissausbreitung

Bruchmechanische Ermüdungsris-sausbreitungsversuche ermögli-chen es, den Widerstand einesWerkstoffs gegen Rissausbreitungzu charakterisieren und im Rah-men einer Werkstoffentwicklungzu optimieren.

NanocompositesBei dieser neuen Klasse von Mate-rialien werden die mechanischenEigenschaften von Kunststoffendurch Verstärkungsteilchen im Na-nobereich erhöht. Das Zusammen-spiel zwischen Matrix und Nano-teilchen sorgt zudem für intrinsi-schen Flammschutz sowie guteOberflächenqualitäten und Trans-parenz. Gegenstand der Untersu-chungen ist das Verständnis desEinflusses der Nanoteilchen aufdie Matrix.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl fürPolymere WerkstoffeUniversitätsstraße 3095447 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 7471Fax: 0921 / 55 - 7473Internet: http://www.polymer-engineering.deE-Mail: [email protected]

11spektrum 3/02

Dynamische Prüfung an Polymeren

Untersuchung der Ermüdungsrissausbrei-tung

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für Werkstoffver-arbeitung wurde im August

1998 erstmals besetzt. Im traditio-nellen Fächerkanon ingenieurwis-senschaftlicher Fakultäten ist dasFach „Werkstoffverarbeitung“nicht vertreten. Der Name weistauf die neuartige Ausrichtung derLehre hin, die klassische Gebieteder Werkstofftechnologie im Ma-schinenbau mit Methoden- undStoffwissen anderer Gebiete, wiebeispielsweise Metallurgie undTechnische Chemie stoffklassen-übergreifend verbindet. Ziel einer solchen Ausbildung istes, nicht nur den Stand der Technikzu vermitteln, sondern auch ausverfahrenstechnischer und werk-stoffwissenschaftlicher Sicht Mög-lichkeiten für die Weiterentwick-lung der wichtigsten Werkstoffeaufzuzeigen. Die Themenpalettereicht von Stahl, Superlegierungenund Nichteisenmetallen überHalbleiter bis hin zu Polymeren,Glas und Keramik. Die erfolgreiche Umsetzung desLehrkonzeptes basiert auf einer en-gen Kooperation mit den material-wissenschaftlich ausgerichtetenLehrstühlen für Metallische Werk-stoffe, für Polymere, für Keramik

und Verbundwerkstoffe sowie demLS für Funktionsmaterialien. Grundlage der Lehre im FachWerkstoffverarbeitung sind die na-turwissenschaftlichen Fächer Che-mie, Physik und Mathematik sowiedie ingenieurwissenschaftlichenFächer Mechanische und Thermi-sche Verfahrenstechnik. Im Haupt-studium besteht außer der starkenVerbindung zu den bereits aufge-führten materialwissenschaftlichenGebieten eine enge Verknüpfungmit den Lehrinhalten der Chemi-schen Verfahrenstechnik und derThermodynamik.

Forschung & EntwicklungZiel der Forschungsvorhaben amLehrstuhl für Werkstoffverarbei-tung ist die Integration von Einzel-schritten eines Verfahrens zu ei-nem Prozess, der verbesserte Ei-genschaften bekannter Werkstoffehervorbringt, neuartige Halbzeugeliefert oder aber für neue Werkstof-fe industriell taugliche Lösungenermöglicht. Einen großen Raumnimmt hierbei der Einsatz hochfre-quenter Strahlung in der Herstel-lungs- und Verarbeitungstechnikein. In nationalen und europäischenVerbundprojekten ebenso wie inbilateralen Industriekooperationensteht die Nachhaltigkeit der Ver-fahren im Mittelpunkt der Arbei-ten, so beispielsweise bei der Ent-wicklung neuer Halbzeugtechnolo-gien für hochreines Silizium (s.Abb. 1), Glas (s. Abb. 2) oderEdelmetalle. Neue Verfahren derErzaufbereitung haben die Reduk-tion von Schadstoffemissionenzum Ziel. Neue Werkstoffe undVerfahren sind das zentrale Themavon Forschung über Hochtempera-

tur-Gasfilter für die Kohleverstro-mung oder über Elektrode-Mem-braneinheiten für bestimmteBrennstoffzellen-Typen. Für die Bearbeitung besonders an-wendungsorientierter Fragestellun-gen, einschließlich der Planungund technischen Realisierung vonAnlagen, kann der Lehrstuhl aufeine enge Kooperation mit InVer-Tec e.V zurückgreifen, einer Orga-nisation, die als Gründer im Kom-petenzzentrum Neue MaterialienNordbayern in Bayreuth angesie-delt ist. Initiiert wurde InVerTece.V. von M. Willert-Porada undAbsolventen ihrer am Lehrstuhl fürWerkstoffkunde im FachbereichChemietechnik der UniversitätDortmund bis 1998 bestehendenArbeitsgruppe Keramik, in Zusam-menarbeit mit Hochschullehrernsowie Industrievertretern aus demBereich Mikrowellen-, Hochdruck-und Plasmatechnologie.

Mitarbeiter & Co.Seit der Gründung des Lehrstuhlsim Herbst 1998 ist ein Stab von en-gagierten Mitarbeitern mit demAufbau von insgesamt vier Prakti-ka im Bereich Werkstoffverarbei-tung und der Installation und Inbe-triebnahme zahlreicher For-schungseinrichtungen beschäftigtgewesen. Die Aufbauarbeit ist nunabgeschlossen. Sehr positiv wirktesich dabei die Vielfalt der vertrete-nen Disziplinen aus. DasGründungsteam umfasst Ingenieu-re der Verfahrenstechnik und desMaschinenbaus, Diplomchemiker,Mineralogen und Diplomphysiker.Die technischen Mitarbeiter sind inTextiltechnik, Metallografie undals Elektriker ausgebildet. Die Mitarbeiter sind ausnahmslos

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Werkstoffverarbeitung

M. Willert-Porada

Verfahrensintegrierte Werkstoffentwicklung – so kannknapp der entscheidende Einfluß der gewählten Verar-beitungsroute auf die Gebrauchseigenschaften des Pro-duktes auf dem Weg vom Material zum Werkstoff undBauteil umschrieben werden.Der Lehrstuhl für Werkstoffverarbeitung verbindet inForschung und Lehre die ingenieurtechnischen Aspekteder Verfahren zur Herstellung und Verarbeitung vonMaterialien und Werkstoffen mit den naturwissen-schaftlich betonten Methoden der Eigenschaftsoptimie-rung durch Gefügeeinstellung. Ein wesentlicherSchwerpunkt der Forschung ist die Entwicklung neuer,stoffklassenübergreifender Verarbeitungsverfahren.

Prof. Dr. rer. nat. M. Willert-Porada,Lehrstuhl für Werk-stoffverarbeitung

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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in Forschung und Lehre eingebun-den. Im Dezember 2000 wurde dererste Doktorand des Lehrstuhlspromoviert, die erste Diplomarbeitist im Studiengang Materialwis-senschaft am Lehrstuhl im Mai2001 abgeschlossen worden. Der-zeit kommen ¾ der wissenschaftli-chen Mitarbeiter des Lehrstuhls -Doktoranden, Post-Doktorandenund die rechte Hand der Lehrstuhl-leitung, der Akademischen Rat -aus den Ingenieurwissenschaftenund ¼ aus den Naturwissenschaf-ten. Wünschenswert ist die Erweite-rung des Mitarbeiterstabes um Ab-solventinnen und Absolventenweiterer Fachrichtungen, wie Elek-trotechnik, Anlagenbau aber auchGeoökologie, um den interdiszi-plinären Inhalten der Forschungund Lehre noch besser als bishergerecht zu werden.

LehrangebotAm Lehrstuhl für Werkstoffverar-beitung besteht bei der Mehrzahlvon Lehrangeboten eine enge Ver-knüpfung zur Forschung. Entspre-chend wird die Ausstattung desLehrstuhls für beide Bereiche ge-nutzt. Dadurch erhalten FAN-Stu-dierende die Gelegenheit, an mi-niaturisierten IndustrieanlagenPraktikumversuche durchzuführen,wie in Abb. 3 und 4 beispielhaftgezeigt. Für die Prozeßkontrolleund Werkstoffcharakterisierungstehen modernste wissenschaftli-che Geräte zur Verfügung. Die experimentellen Arbeiten wer-den in der Regel durch rechnerge-stützte Modellierung bzw. Simula-tion der Prozesse begleitet. Darausergibt sich auch das Engagementdes Lehrstuhl in der Lehre im Be-reich der Simulation von Prozessenund der Auslegung von Anlagen. Der Schwerpunkt der Lehre liegtim Hauptstudium des Studiengan-ges Materialwissenschaft. Vorle-sungen, Praktika, Seminar-, Simu-lations-, Projekt- und Diplomarbei-ten gehören zum regelmäßigen An-gebot. Die Kernveranstaltungen

sind: Verfahren der Grundstoff-und Werkstoffindustrie; Werkstoff-verarbeitung (V + P); Umweltge-rechte Herstellung von Werkstof-fen; Werkstoffverarbeitung: vomMaterial zum Bauteil I + II (Inge-nieurwissenschaftliche Vertiefung,V + P). Hinzu kommen die Mecha-nische Verfahrenstechnik imGrundstudium, kollegial durchge-führte Vorlesungen überWerkstoffeigenschaften, Wahl-fächer für Fortgeschrittene, z.B.die Vorlesung mit Auslegungsprak-tikum über Elektrothermische Ver-fahren. Weitere Angebote für den Studien-gang Bioingenieurwissenschaftsind z.B. Vorlesungen und Praktikaüber Werkstoffe der Bioprozess-technik und über Biomimetik.Die Entwicklung der Lehrangeboteist angesichts der erst im WS 98/99erfolgten Einführung der Stu-diengänge der FAN keinesfalls ab-geschlossen. Es bleibt zu hoffen,dass zukünftig ein Dialog zwi-schen Alumni und dem LS Werk-stoffverarbeitung zu dieser Ent-wicklung beitragen wird. Informationen zur Ausstattung,Forschungsthemen und zum Lehr-angebot sind unter den angegebe-nen Adressen erhältlich.

KontaktTel.: 0921 / 55 - 7200Fax: 0921 / 55 - 7205Internet: http://www.uni-bayeuth.de/ departments/ls_wvE-Mail: [email protected]

13spektrum 3/02

Abbildungen 1 bis 4 von oben nach unten:Abb. 1: Reinstsilizium Partikel aus Mikro-wellenpyrolyse von Silanen, Verbundpro-jekt AG SOLAR Abb. 2: Widererwärmung von Glashalb-zeugen durch Mikrowellenheizung - aufge-schmolzene Farbgläser. Forschungs-Ver-bundvorhaben PLUTOAbb. 3.: Miniaturisierte Press-, Blas-Glas-verabeitungsstation für das PraktikumWerkstoffverarbeitungAbb. 4.: PE-CVD-Anlage für Diamant,TiN, BN und andere Beschichtungen(TiO2 , Si3N4, ITO), Vertiefungspraktikum

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für TechnischeMechanik und Strömungsme-

chanik gehört zu den Lehrstühlen,die seit Beginn der studentischenAusbildung an der Fakultät für An-gewandte Naturwissenschaftentätig sind. Seit Oktober 1998 wer-den vom Lehrstuhlinhaber, Prof.Dr. rer. nat. Nuri Aksel, die Lehr-und Forschungsaufgaben auf denGebieten der Mechanik und Strö-mungsmechanik wahrgenommen.

LehreDas Lehrangebot des Lehrstuhlsfür Technische Mechanik und Strö-mungsmechanik ist auf die Bedürf-nisse der FAN-Ingenieurstudi-engänge Materialwissenschaften,Umwelt- und Bioingenieurwissen-schaften sowie des StudiengangesMetalltechnik ausgerichtet. Inner-halb der FAN ist der Lehrstuhl fürdie Ausbildung in den ingenieur-wissenschaftlichen Grundlagen-

fächern Technische Mechanik undStrömungsmechanik verantwort-lich. Die Technische Mechanik be-inhaltet dabei in einem ersten Teildie Statik, d. h. die Lehre von demGleichgewicht eines starren Kör-pers unter äußeren Kräften undMomenten. In einem zweiten Teil,der Festigkeitslehre, wird die Bela-stung verschiedenster Bauteile un-ter Berücksichtigung ihrer Verfor-mung behandelt.Während sich die Technische Me-chanik mit dem mechanischen Ver-halten von (starren und elasti-schen) Festkörpern beschäftigt,werden in der Strömungsmechanikausgewählte theoretische Grundla-gen der reibungsfreien und rei-bungsbehafteten Strömung vonFlüssigkeiten betrachtet.

Über die klassische Strömungsme-chanik hinausgehend wird eineLehrveranstaltung Rheologiedurchgeführt, in der den Studieren-den die Grundlagen der theoreti-sche Beschreibung und experimen-telle Untersuchung des Deformati-ons- und Fließverhaltens vonnicht-idealen Flüssigkeiten vermit-telt werden.Neben diesen obligatorischenLehrveranstaltungen bietet derLehrstuhl auch für Studierende an-derer Fakultäten verschiedene fa-kultative Spezialvorlesungen an,deren Palette entsprechend den Er-fordernissen ständig erweitertwird:

Experimentelle Strömungsme-chanikTurbulenz

14 spektrum 3/02

Technische Mechanik

und StrömungsmechanikNuri Aksel

Die Mechanik ist hinsichtlich ihrer Herkunft und ihrerGrundlagen ein Teilgebiet der Physik. Zur Lösung dervielfältigen Aufgabenstellungen bedient sich die Me-chanik in hohem Maße der Mathematik. Die enge Ver-knüpfung dieser Wissenschaftsdisziplinen wird sowohlin den Lehr- als auch Forschungsaufgaben des Lehr-stuhls deutlich.Im Rahmen der Ingenieurwissenschaften hat die Me-chanik den Charakter einer Grundlagendisziplin. De-ren Kenntnis ist für jeden Ingenieur notwendig und un-abdingbar, denn nur durch sie erhält er jene Sicherheitund Flexibilität, die er zum Lösen neuer Probleme in ei-ner sich ständig schneller wandelnden technischen Um-welt dringend benötigt. Das Wissen, das in der Mecha-nik vermittelt wird, ist derart empirisch gesichert undtheoretisch abgeklärt, dass es im Gegensatz zu den„Modewissenschaften“ nicht diesem Wandel unterliegt.

Prof. Dr. rer. nat.Nuri Aksel, Lehrstuhlfür Technische Me-chanik und Strö-mungsmechanik Studenten bei der Untersuchung von Strömungen durch Kugelschüttungen an einem in Ei-

genentwicklung entstandenen Versuchsstand

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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GrenzschichttheorieDimensionsanalyseStörungsrechnungTensorrechnung für IngenieureEinführung in die KontinuumsmechanikStrukturmechanik

Ziel aller Lehrveranstaltungen istinsbesondere, den Studenten dasVerständnis für die physikalischenZusammenhänge im jeweiligenFach zu vermitteln. Aus diesemGrunde bevorzugt der Lehrstuhlfür die Kernfächer auch die klassi-sche Tafelvorlesung und vermeidetdie Anwendung audiovisuellerHilfsmittel.Es ist das Anliegen des Lehrstuhls,den Studierenden nicht nur theore-tisches Wissen zu vermitteln. Da-her werden für die meisten der ge-nannten Fächer auch anspruchsvol-le Praktika an modernen Versuchs-ständen angeboten, in denen dieStudierenden ihr in den Vorlesun-gen erworbenes theoretisches Wis-sen durch praxisnahe Experimentevertiefen können.

ForschungKernkompetenzen des Lehrstuhlssind prinzipiell die in der Lehrevertretenen Schwerpunkte Strö-mungsmechanik, Rheologie undFestkörpermechanik, wobei sichim Laufe der Zeit natürlich be-stimmte Forschungsschwerpunkteherauskristallisiert haben. Im Ein-zelnen sind dies:

StrömungsmechanikSchwerpunkt auf dem Gebiet derStrömungsmechanik ist die theore-tische und experimentelle Untersu-chung der Strömung viskoser Flüs-sigkeitsfilme. Es wird speziell derEinfluss von Bodenunebenheitenauf das Strömungsfeld und dieOberflächenkontur des Filmes un-tersucht. Mathematisch handelt essich hier um ein nichtlineares frei-es Randwertproblem. Das Ge-schwindigkeitsfeld wird experi-mentell mittels hochauflösenderberührungsloser optischer Verfah-ren wie „Particle Image Velocime-

try (PIV)“ ermittelt. Mit den amLehrstuhl entwickelten Messme-thoden können Wirbel mit Abmes-sungen im Sub-Millimeterbereichsicher aufgeklärt werden.

RheologieDas Fließverhalten von Fest-Flüs-sig-Systemen, sogenannten Sus-pensionen, spielt in der industriel-len Praxis eine entscheidende Rol-le. Bei hohen Feststoffkonzentra-tionen und bei bestimmten mecha-nischen Belastungen treten häufigEffekte wie Übergänge zu festkör-perartigem Verhalten auf, derenMechanismen heute noch nichtvollständig verstanden sind. Mitmodernen rheologischen Mess-geräten und Messmethoden gelingt

die Aufklärung derartiger Mecha-nismen, die bei der Verarbeitungund der Anwendung von Suspen-sionen relevant sind. Eine Voraus-setzung für die Untersuchungen istdie Kenntnis der physikalischenEigenschaften der festen Partikel-phase. Hierzu stehen dem Lehr-stuhl verschiedene Partikelmess-techniken zur Verfügung. Als Beispiel sei die Aufklärung desFließverhaltens von Druckfarbenerwähnt, an die z. B. im Hochge-schwindigkeits-Offsetdruck hoheAnforderungen gestellt werden.

FestkörpermechanikViele moderne synthetische oderauch natürliche Materialien zeigenmechanische Eigenschaften, diestark von der Richtung der Bela-stung abhängen. Als Beispiele sei-en Verbundmaterialien oder biolo-gische Gewebe angeführt. Die ma-thematische Modellierung dieserMaterialien ist äußerst kompliziert,das Anwendungspotenzial dagegennahezu unerschöpflich. LaufendeForschungsarbeiten beschäftigensich mit der kontinuumsmechani-schen Modellierung des mechani-schen Verhaltens dieser sogenann-ten anisotropen Materialien beigroßen Deformationen. Den ma-thematischen Hintergrund bildetdas Tensorkalkül.

Technische AusstattungDer Lehrstuhl verfügt über eineAusstattung an hochmodernenGeräten, die auch für Dienstlei-stungen zur Verfügung stehen:

diverse Rotationsrheometer für Temperaturen bis 600 °CHochdruck-Kapillarrheometer für Temperaturen bis 400 °CZugprüfmaschine für kleine Kräfte und Wegediverse Partikelmesstechnikberührungslose hochauflösende Geschwindigkeitsmesstechnik (PIV, LDA)verschiedene Geräte zur Mes-sung von Ober- und Grenz-flächenspannungenLaborextrudersystemdiverse Strömungsmesstechnik

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für Technische Mecha-nik und Strömungsmechanik FAN-Gebäude C95440 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 7260Fax: 0921 / 55 - 7265Internet: http://www.uni-bayreuth.de/departments/TMSE-Mail: [email protected]

15spektrum 3/02

Modernes Rotationsrheometer

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für TechnischeThermodynamik und Trans-

portprozesse (LTTT) wurde im Zugedes Aufbaus der Bayreuther ingeni-eurwissenschaftlichen Fakultät ge-gründet und im Sommer 1998 durchdie Berufung von Professor Dr.-Ing.Dieter Brüggemann erstmals be-setzt. Dieser war zuvor an Thermo-dynamik-Lehrstühlen in der Fakul-tät für Maschinenwesen der RWTHAachen und ab 1993 in der Fakultätfür Luft- und Raumfahrttechnik derUniversität Stuttgart tätig gewesen.

LehreTechnische Thermodynamik, Wär-me- und Stoffübertragung zählen zuden grundlegenden Fächern einesIngenieurs. Entsprechend trägt derLTTT durch zahlreiche Lehrveran-staltungen zu den Studiengängen derFAN, derzeit Umwelt- und Bioinge-nieurwissenschaft, Materialwissen-

schaft und Metalltechnik bei. Im Be-reich der Umweltingenieurwissen-schaft ist der LTTT für das Angebotdes Studienschwerpunkts Energie-technik verantwortlich. Einige derVeranstaltungen richten sich auch anStudenten der Mathematik undTechnomathematik, der Angewand-ten Informatik sowie der Techni-schen Physik.Die Palette der vom LTTT angebo-tenen Vorlesungen, Übungen, Semi-nare und Praktika umfasst u.a.Technische Thermodynamik, Wär-me- und Stoffübertragung, Energie-technik und -wirtschaft, Energiesy-stemplanung, Verbrennung, Ver-brennungsmotoren, Lasermesstech-nik, Numerische Simulation (CFD),Ausbreitung von Luftverunreinigun-gen.

ForschungDie Thermodynamik ist längst überdie Grenzen einer Wärmelehre zueiner sehr allgemeinen Energie- undStofflehre hinausgewachsen. In na-hezu sämtlichen natürlichen undtechnischen Prozessen werden ther-modynamische Aspekte berührt.Diese Vernetzung spiegelt sich be-sonders in den vielfältigen Projektendes LTTT wider, die im folgenden inForschungsschwerpunkten zusam-mengefasst sind.

EnergieplanungWie lange die uns zugänglichen En-ergievorräte angesichts des weltweit

wachsenden Energiebedarfs nochausreichen werden, ist eine wichtigeFrage. Leider entsprechen die ver-breiteten Einschätzungen, Meinun-gen und energiepolitischen Be-schlüsse häufig nicht den nüchter-nen Fakten. Unbestritten ist jedoch,dass begrenzte Energieträger spar-sam eingesetzt werden sollten. DerLTTT analysiert in jedem Einzelfall- aktuell wird auch unsere eigeneUniversität unter die Lupe genom-men - den Energieeinsatz, findetSchwachstellen und berät hinsicht-lich kostengünstiger Verbesserun-gen. Auch größere Einheiten, z.B.Kommunen, können durch profes-sionell unterstützte Energiesystem-planung Energie und Kosten sparen.

EnergietechnikUnsere alltägliche Erfahrung zeigt,dass wir nur bedingt bereit sind, zu-gunsten von Energieeinsparungenunser Verhalten drastisch zu ändern.Die meisten von uns möchten mehrdenn je automobil sein, in Urlaubfliegen, ihre Umgebung komfortabelheizen und klimatisieren usw. Es istdaher sinnvoller, weniger den Men-schen verändern zu wollen als vorallem die Technik zu verbessern. Im Mittelpunkt einiger Projekte derEnergietechnik steht dabei die Ver-brennung. Trotz Sonne, Wind undWasser - die Verbrennung bleibtvoraussichtlich noch viele Jahre un-ser wichtigstes Verfahren zur Ener-gieumwandlung: Heizungsbrenner,

16 spektrum 3/02

Technische

Thermodynamik und

TransportprozesseDieter Brüggemann

Energie, Umwelt, Technik - mit diesen Schlagwortenlässt sich das breite Themengebiet des Lehrstuhls fürTechnische Thermodynamik und Transportprozesse(LTTT) grob umreißen. In der Thermodynamik werdenallgemein Energie- und Stoffumwandlungen sowieStoffeigenschaften untersucht. Am LTTT wird hierbeider Transport von Materie sowie Wärme und anderenEnergieformen einbezogen. Die vielfältigen For-schungsfelder und Projekte reichen von notwendigenGrundlagenuntersuchungen bis zu energie- und verfah-renstechnischen Anwendungen. Im folgenden Beitragwird ein Blick auf die derzeitigen Aktivitäten des Lehr-stuhls in Lehre, Forschung sowie Wissens- und Techno-logietransfer geworfen.

Prof. Dr.-Ing. DieterBrüggemann, Lehr-stuhl für TechnischeThermodynamik undTransportprozesse

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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Feuerungen in Kraftwerken, Kfz-Motoren, Flugzeugturbinen usw. -sie alle basieren normalerweise aufdem Prinzip der Verbrennung. Umdas hier noch vorhandene technischeOptimierungspotenzial auszuschöp-fen, untersuchen wir sowohl über-tragbare Grundlagen z.B. zur turbu-lenten Verbrennung wie auch kon-krete Anwendungen (siehe den fol-genden Beitrag zum Thema Motor).

Verfahren und WerkstoffeBei vielen verfahrenstechnischenProzessen sowie bei der Verarbei-tung und Behandlung von Werkstof-fen spielen Wärme- und Stofftrans-portvorgänge eine sehr wichtigeRolle. So werden beispielsweise vonuns Anlagen zur gezielten Tabakbe-handlung ausgelegt, verschiedeneAbscheideverfahren für winzigePartikel miteinander verglichen,Verfahren zur Härtung von Glas(siehe hierzu den gesonderten Bei-trag) verbessert und neuartige kera-mische Glühzünder getestet.

Atmosphärische Transportpro-zesseDie am LTTT untersuchten Trans-portvorgänge reichen von der Diffu-sion im Nanometer- und Mikrome-terbereich bis hin zu Ausbreitungs-erscheinungen in der Atmosphäre,

die sich über Kilometer erstrecken.Um bestimmte Luftverunreinigun-gen zu bestimmen, setzen wir einbesonderes Lidar/Sodar-Messfahr-zeug ein. Hier können wir vor Ortmit Hilfe von Laserlicht und Schall-wellen die räumliche Ausbreitungvon Schadstoffen in der Luft und zu-sätzlich die Luftströmung, also denWind, über große Entfernungenmessen. Die gemeinsam mit tsche-chischen Partnern durchgeführtenBeobachtungen der grenzüber-schreitenden Ausbreitung werdenergänzt durch Messungen am Bodenund durch Simulationsrechnungenam Computer.

Messtechnik und SimulationEin großer Teil unserer Forschungs-projekte verlangt nicht nur den Ein-satz moderner Methoden sondernauch deren eigenständige Weiterent-wicklung. Am LTTT betrifft dieszum einen die (meist optische) Mes-stechnik und zum anderen numeri-sche Simulationsverfahren. Die er-heblichen Anstrengungen, die inbeiden Bereichen unternommenwerden, lohnen sich, da die gewon-nenen Methoden vielseitig einsetz-bar sind.

Vernetzung in der UniversitätThermodynamik und Transportpro-zesse sind Querschnittsthemen; derLTTT trägt zur Vernetzung der For-schung in der Universität sinnvollbei. Der Leiter des Lehrstuhls warbeispielsweise an der Gründung derForschervereinigung Verbundwerk-stoffe und Werkstoffverbunde(FVW) e.V. beteiligt, ist Sprecherder Forschungsstelle Werkstoffver-bunde und oberflächenveredelteProdukte aus Glas (WOPAG) sowieGründungsmitglied des Rings Inge-

nieurwissenschaftlicher Lehrstühle(R.Ing.) Bayreuth.

Wissens- und TechnologietransferDer LTTT praktiziert gemeinsammit dem angegliederten Steinbeis-Transferzentrum Angewandte Ther-modynamik, Energie- und Verbren-nungstechnik (ATEV) eine beson-ders schnelle Umsetzung des ge-wonnenen Know-Hows und der ent-wickelten Methoden. LTTT undATEV unterstützen dabei gerne Un-ternehmen bei der Lösung ihrer spe-zifischen Fragestellungen.

KontaktProf. Dr.-Ing. Dieter Brüggemann,LTTT, FAN-Gebäude C, Universität Bayreuth95440 BayreuthTel./Fax: (0921) 55-7160 / -7165E-Mail: [email protected]: www.lttt.uni-bayreuth.de

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ThermographischeAufnahmen einesGebäudekomplexesvor der Sanierung(links) und nach derDurchführung wär-medämmender Maß-nahmen (rechts)

StrömungstechnischeOptimierung einesTrocknungsprozessesLidar/Sodar - Messfahrzeug im Einsatz

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LehrangebotUnsere Ausbildungsidee unter-scheidet sich spürbar von den tradi-tionellen Fächern „Konstruktions-elemente“ und „Technisches Zeich-nen“. Bereits im ersten Semesterbieten wir die Vorlesung und Übun-gen zu „Konstruktion I“ (Ausle-gung von Struktur- und Funktions-bauteilen) an. Anstelle die letztenDetails exzessiver Zahnradberech-nung zu vermitteln, vertiefen wirdie Evergreens der Ingenieurausbil-dung, also die Festigkeitsrechnung -und das mit sehr vielen Bildern und

Beispielen. Daher geben wir eineCD-ROM im Internet-Format mitallen Bildern, Gleichungen undTexten heraus.Bei uns werden auch keine Feinhei-ten der axonometrischen Projektiongepaukt - unsere Studenten arbeitenab dem ersten Semester ausschließ-lich mit modernster 3D-CAD-Soft-ware (Pro/ENGINEER) an momen-tan 25 UNIX-Computern. Ein 14-tägiger Intensivkurs in den Seme-sterferien sorgt für Entwürfe wie inBild 1. Gleichzeitig werden sieschon mit den Grundzügen der Fini-te Elemente Analyse vertraut ge-macht - diese anspruchsvolle Mate-rie zu diesem frühen Zeitpunkt - dasdürfte einmalig sein, Bild 2.

Und weil wir der Ansicht sind,dass studieren Spaß machen soll,bearbeiten unsere Studenten in 5er-Teams im zweiten Semester einvollständiges Projekt, also 3D-CAD Entwurf der Einzelteile undder Baugruppe, Bild 3. Es wird einkleiner 4-Takt-Motor zum Antriebvon Pumpen und Stromerzeugernentworfen. Gleichzeitig ist dieses Projekt sehrgeeignet, um die im ersten Seme-ster kennengelernten Grundlagender Berechnung real anzuwenden.Die Zwischenergebnisse werdendann vor den anderen Teams prä-sentiert - bei viel Beifall und guterLaune aller Beteiligten.Für die höheren Semester werden

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Konstruktionslehre

und CAD

Frank Rieg

Konstruieren - wohl eines der klas-sischen Fächer für Ingenieure.Denn der Konstrukteur legt mitseinem Entwurf fest, wie aus Mate-rialien, Wissen um die Grundlagender Naturwissenschaften und unterAnwendung der IngenieurfächerMechanik, Thermodynamik undProduktionstechnik ein realestechnisches Produkt für den „End-verbraucher“ entsteht.

Prof. Dr.-Ing. FrankRieg, Lehrstuhl fürKonstruktionslehreund CAD

Abb. 1: Lüfterradaus Hochleistungs-polymer

Abb. 2: Das Finite Elemente Analyse Programm Z88

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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dann Vorlesungen und Übungenzur Konstruktionslehre II + III (Sy-stementwicklung und Konstrukti-on) nach Pahl/Beitz, zur FinitenElemente Analyse (Statik) und zuComputer Aided Design angeboten- natürlich ebenfalls auf CD-ROM.

ForschungsangebotWir unterhalten vielfältige Kontak-

te zu Industrieunternehmen. Da-durch orientiert sich die Forschungan industriellen Anforderungenund ermöglicht den Wissenstrans-fer von Grundlagenforschung undProdukterprobung zur regionalenund überregionalen Industrie. Sehrzugute kommen uns dabei unsere

lehrstuhleigene Versuchswerkstattund Elektroniklabor mit hochquali-fizierten Mitarbeitern.

Unsere Themen im Einzelnen Anwendung moderner Werk-

stoffe auf keramischer, metalli-scher und polymerer Basis in Ver-bindung mit neuen Konstruktions-ideen für die Bauteile und Bau-gruppen. Hier haben wir einensog. Verspannungsprüfstand nacheigenen Konstruktionsideen zurVerfügung, der eine Prüfleistungvon über 1.000 kW ermöglicht,Bild 4. Damit ist die realitätsnaheDauerprüfung von neuartigen An-triebskomponenten bei sehr hohenDrehmomenten und Drehzahlenmöglich. Ein ebenfalls selbst kon-zipierter Verbrennungsmotor-Prüf-stand kann Motoren und Kompo-nenten bis zu 230 kW Leistung te-sten. Computergestützte Auslegung

und Belastungssimulation vonBauteilen und Strukturen mit 3D-CAD-Programmen wie Pro/EN-GINEER, CATIA V5 und UG so-wie Finite Elemente Analyse Pro-grammen wie MARC, Pro/ME-

CHANICA, ANSYS und Z88.Hier stehen uns neben sechsHochleistungs-Workstations SGIOCTANE die lehrstuhleigene 4-Prozessor SGI ORIGIN 2000 mit6 GByte Hauptspeicher auch füranspruchsvolle Entwurfsarbeitenund Berechnungen zur Verfügung. Weiterentwicklung von CAD-

gestützten Methoden der Kon-struktionslehre, insbesondere dieIntegration Finite Elemente Ana-lyse und CAD sowie die Integrati-on CAD und PPS.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für Konstruktionslehreund CADUniversitätsstraße 3095440 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 7191Fax: 0921 / 55 - 7195Internet: http://www.uni-bayreuth.de/departments/konstruktionslehre/E-Mail: [email protected]

19spektrum 3/02

Abb. 3: Baugruppe der Studenten-Teamar-beit im 2. Semester

Abb. 4: 1.000 kWVerspannungs-Prüf-stand

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für UmweltgerechteProduktionstechnik startete zum 1.Januar 2001 und bündelt Produkt-,Produktions-, und Umweltschutz-Knowhow zu innovativen Angebo-ten in Lehre und Forschung mit in-terdisziplinärer Ausrichtung. DerAufbau der Infrastruktur und deswissenschaftlichen und technischenPersonals verläuft nach Plan bzw.im Gleichklang mit dem Hochlaufder Semesterzahlen und der Nach-frage nach Forschungsleistungen inund außerhalb der FAN.

LehrangebotDas Lehrangebot des Lehrstuhls fürUmweltgerechte Produktionstech-nik wurde für die FAN-Studiengän-ge Materialwissenschaften, Um-welt- und Bioningenieurwissen-schaften sowie für den StudiengangMetalltechnik entwickelt. Es richtetsich an die technischen Führungs-kräfte von morgen und wird beson-ders für das Hauptstudium angebo-ten bzw. empfohlen. Innerhalb derFAN verstärkt der Lehrstuhl primärdie ingenieurwissenschaftlichen,produktionsbezogenen Lehrinhalte.

Besonderes Augenmerk liegt aufder Vermittlung fertigungstechni-scher und unternehmensorganisato-rischer Kenntnisse unter dem Ge-sichtspunkt der Nachhaltigkeit.Eine entscheidende Bedeutung fürdie Lehre besitzt die Einbindunganwendungsbezogener, internatio-naler Forschungsergebnisse in dieVorlesungen. Konzeptionell ist es unser Bestre-ben, den Studierenden analytischesDenkvermögen, Entwicklungskom-petenz und Entscheidungssicherheitauch in komplexen produktions-technischen Zusammenhängen zuvermitteln. Instrumentell bieten wir einen ge-zielten Mix der audiovisuellen Me-dien (Foliendarstellungen, Tafelan-schrieb, Filme) in den Vorlesungenund die aktive Mitwirkung unsererStudierenden (Unternehmensplan-spiel, Rollenspiele des technischenManagements, interaktive Fabrik-

planung und Animation, praktischeVersuche) in den Übungen undPraktika an. Das Lehrangebot um-fasst die folgenden Lehrveranstal-tungen: Studiengang Materialwissenschaf-ten:

Einführung in die Produktions- technikRecycling und EntsorgungInnovations- und Technologie-management

Studiengang Umwelt- und Bioinge-nieurwissenschaften mit Studien-schwerpunkt Life-Cycle Engineering:

Einführung in die Produktions-technikUmweltgerechte Produktions-technikEinführung in die Kreislauf-wirtschaftRecycling und EntsorgungPlanung und Produktion I / IIInstandhaltung und Service En-gineering

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Umweltgerechte

ProduktionstechnikRolf Steinhilper

Vielfachnutzen durch Mehrfachnutzung - ein Slogan,der wie kaum ein anderer die Ausrichtung des Lehr-stuhls für Umweltgerechte Produktionstechnik charak-terisiert.Gestiegene Kundenerwartungen, starker Wettbewerbund hochdynamische, internationale Märkte einerseitssowie die notwendige Weiterentwicklung unserer Wirt-schaftskreisläufe zu zukunftsfähigen Kreislaufwirt-schaften mit dem Fernziel des "Nachhaltigen Wirt-schaften" stellen hohe Anforderungen sowohl an dieproduzierende Industrie als an die Forschung undMitarbeiterqualifikation in Deutschland.

Prof. Dr.-Ing. RolfSteinhilperLehrstuhl für Um-weltgerechte Pro-duktionstechnik

Abb. 1: Aufarbeitung von Kopiergeräten

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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ProduktkreisläufeStoffkreisläufeFertigungslehre und Werkzeug-maschinen IFertigungslehre und Werkzeug-maschinen IIÖkonomische und ökologische BewertungInnovations- und Technologie- ma nagementProduzieren in NetzwerkenAusgewählte Kapitel der Pro-duktionstechnik

ForschungsangebotRund um unsere KernkompetenzUmweltgerechte Produktionstech-nik sind wir momentan in fünf For-schungsbereichen aktiv. Dabeiwerden sowohl methodische alsauch technische Fragestellungenaus ökologischer aber auch ökono-mischer Sicht betrachtet. UnsereForschungsschwerpunkte im Ein-zelnen:

Innovations- und Technologiem-anagementWir entwickeln Methodiken zur in-tegrierten Planung, Gestaltung,Optimierung, Erneuerung und Be-wertung von technischen Produk-ten und Prozessen. Damit unterstützen wir Unterneh-men bei Aufbau und Nutzung vontechnologischem Know-how zurSicherung der Wettbewerbsfähig-keit. Beispiele aus unserem Lei-stungsangebot sind Potentialanaly-sen, technisch-wirtschaftliche As-sessments und Innovationsworks-hops oder Roadmapping-Verfah-ren.

FabrikplanungBei der Planung, Auslegung, Über-wachung und Realisierung von in-dustriellen Produktionsstätten sindunterschiedlichste Interessengrup-pen beteiligt. Um die Erfahrungvon Architekten, Ingenieuren,Ausrüstern, Produkt- und Produkti-onsfachleuten unter gegebenenRandbedingungen optimal zu nut-zen, empfiehlt sich interaktivesPlanen und Optimieren auf einerrechnergestützten Arbeits- undKommunikationsplattform. Diesebildet das Kernstück unseres Fa-brikplanungslabors. Wir sind mitdiesem Planungswerkzeug in derLage, Layoutplanungen in Teamar-beit, Entwicklungs- und Eva-luierungsaufgaben sowie Dimen-sionierungsentscheidungen zu vi-sualisieren und zu beschleunigen.

Service EngineeringDurch gestiegenes Umweltbewusst-sein sowie gesetzliche Auflagenerfährt die After-Sales Phase vonProdukten zunehmende Aufmerk-samkeit. Für diese Phase nach derAuslieferung der Produkte ent-wickeln wir technische und organi-satorische Konzepte, welchehauptsächlich die Instandhaltungund das Produktrecycling betref-fen. Unsere Forschungsleistungenumfassen beispielsweise die Aus-legung von einzelnen Kunden-dienstleistungen aber auch daskomplette Life-Cycle Engineering.

Ökologische Produkte und Pro-duktionstechnik Die unternehmensbezogenen Zieleder industriellen Produktion - Ko-sten, Zeit und Qualität - werdendurch ein weiteres globales Ziel er-gänzt: Nachhaltigkeit. Wir bieten

Unternehmen unsere Wissensbasiszur Auswahl von Verfahren undMaschinen unter Berücksichtigungder genannten Ziele. Dazu nutzenwir unsere umfangreichen Daten-banken, Expertenkontakte oder zurexperimentellen Untersuchung vonEntwicklungen unser CNC-Werk-zeugmaschinenlabor.

Produkt-Recycling / Remanufac-turingUm ein nachhaltiges Wirtschaftenzu verwirklichen muss unser Wirt-schaftskreislauf zur Kreislaufwirt-schaft werden. Produzenten tragenheute die gesamte Produktverant-wortung - von der Herstellung überden Gebrauch bis zur Entsorgungihrer Produkte. Der Lehrstuhl fürUmweltgerechte Produktionstech-nik bietet ganzheitliche Lösungenbeispielsweise in der recyclingge-rechten Produktentwicklung oderbeim Aufbau von intelligentenRecyclingnetzwerken. Über dasFraunhofer Demonstrationszen-trum Produktkreisläufe, das vonLehrstuhlinhaber Prof. Dr.-Ing.Rolf Steinhilper geleitet wird, stehtinteressierten Unternehmen weite-re Kompetenz zur Verfügung.

Ihr InteressengebietSie haben ein spezielles Interessen-gebiet, das unsere fünf For-schungsschwerpunkte ergänzt?Wir bieten Ihnen unser Produkt-,Produktions- und Recycling-Know-how zum Erhalt und Aus-bau Ihres Wettbewerbsvorsprungs.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für Umweltgerechte ProduktionstechnikUniversitätsstraße 3095440 Bayreuth

Tel.: 0921 / 55 - 7300Fax: 0921 / 55 - 7305W3: http://www.lup.uni-bayreuth.deE-Mail:[email protected]

21spektrum 3/02

Abb. 2: 5-Achs-Fräsmaschine am LUP

Abb. 3: LUP-Team

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für Chem. Ver-fahrenstechnik (LS CVT) ist

der jüngste der FAN und wird seitOkt. 2001 von Prof. Jess und seinerArbeitsgruppe aufgebaut. AmLehrstuhl arbeiten z. Z. 9 Wissen-schaftler und 3 nicht-wissenschaftl.Angestellte; 4 weitere Doktoran-den arbeiten noch an der TH Aa-chen, an der der neue Lehrstuhlin-haber von ´98 bis zum Wechselnach Bayreuth Professor für Tech-nische Chemie war.

LehrangebotDas Lehrangebot umfasst Vorle-sungen zu thermischen Trennver-fahren, chem. Verfahrenstechnik,Reaktions- & Prozesstechnik, Ka-talyse, analytischen Methoden undzur Chemie und Technik fossilerund nachwachsender Brennstoffe.Ergänzend werden Praktika, Übun-gen und Seminare angeboten.

ForschungsangebotChemiker und Verfahrenstechniker

haben schonimmer davongeträumt, eine Synthesedirekt vom Labor- in den Pro-duktionsmaßstab zu überführen.Dass dieser Traum trotz aller Fort-schritte noch nicht Wirklichkeit ge-worden ist, wird klar, wenn manfolgendes bedenkt:

Die Produktvielfalt reicht vonMassenprodukten wie Düngemit-teln, Kraftstoffen und Kunststof-fen bis hin zu Feinchemikalien.

Die Bedingungen variieren inweiten Bereichen: Drücke bis3000 bar, Temperaturen von Mi-nusgraden bis 2000 °C und Ver-weilzeiten von ms bis h sinddurchaus üblich.

Zur Erzeugung chemischer Pro-dukte sind viele spezifische Kata-lysatoren notwendig.

Chemischen Reaktoren sind sehrunterschiedlich in ihrer Größe undkonstruktiven Gestaltung.Einfache Regeln zur Reaktorausle-gung kann es bei dieser Vielfaltkaum geben. Ziel der ChemischenVerfahrenstechnik ist es, ein besse-res Verständnis für das komplexe,leider für die jeweilige Reaktion„individuelle“ Wechselspiel derReaktionen z. B. mit dem Stoff-und Wärmeaustausch im Reaktorzu gewinnen, um neue Verfahrenzu entwickeln und bestehende zuverbessern. Dazu müssen Untersu-chungen zur Reaktionskinetik undKatalyse und zur Reaktionstechnik

durch-

geführt werden. Nachfolgend wer-den diese Begriffe anhand aktuellerForschungsthemen des LS CVT er-läutert.

Reaktionskinetik und KatalyseEtwa 90 % aller chemischen Pro-dukte werden mit Hilfe von Kata-lysatoren erzeugt. Diese werdenbei der Reaktion nicht verändert,beeinflussen aber entscheidend dieReaktionskinetik: Sie erhöhen dieReaktionsgeschwindigkeit und sie„lenken“ die Reaktion in die Rich-tung der gewünschten Produkte.Am Lehrstuhl werden Katalysato-ren unter industrienahen Bedin-gungen mit modernsten Methodencharakterisiert, um das „Gesche-hen“ sowohl in einem einzelnenKatalysatorpartikel als auch in ei-nem Industriereaktor experimentellbzw. durch Computersimulation zuverfolgen und zu verstehen.

ReaktionstechnikIndustriereaktoren (und auch For-schungsreaktoren am LS CVT) un-terscheiden sich deutlich von Glas-kolben eines Chemielabors und ha-ben Abmessungen von mehrerenMetern. Die Katalysatorpartikelsind oft als Schüttung angeordnet;

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Ziel der Chemischen Verfahrens-technik ist die sichere Übertra-gung einer im Labor gefundenenneuen chemischen Reaktion in dentechnischen Maßstab bzw. die Aus-wahl und Auslegung eines chemi-schen Reaktors für eine gegebeneReaktion im Hinblick auf eine opti-male konstruktive Gestaltung undBetriebsweise. Chemische Verfah-renstechnik ist eine interdisziplinärangelegte Wissenschaft an der„Nahtstelle“ von Chemie und In-genieurwissenschaften, was diesesFach vielseitig und reizvoll macht.

Prof. Dr. AndreasJess, Lehrstuhlfür ChemischeVerfahrenstech-nik

Abb. 2: Von der Idee zur Auslegung techni-scher Reaktoren

Chemische

VerfahrenstechnikAndreas Jess

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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aber auch Wirbelbett-,Flugstrom- und Rührkessel-

reaktoren werdeneingesetzt. DerReaktor mussaber nicht nur ei-ne druckfeste

„Hülle“ fürden Kata-lysator bie-

ten, sonderndie Energie- undStoffströme soführen, dass dasProdukt mit ho-hem Ausbeute

entsteht. Auch die Sicherheits-technik muss bei Reaktionen

mit hoher Wärmetönung beach-tet werden.

Neue Wege zu chemischen Pro-duktenDer erste Schritt zur Entwicklungneuer bzw. verbesserter Verfahrenist die Analyse bestehender Pro-zesse, die erstaunlicherweise indu-striell zwar oft „laufen“, aber unzu-reichend verstanden und daher nurschwer zu optimieren sind. Derzeitwerden folgende Prozesse studiert:

Tiefentschwefelung von Erdölf-raktionen (s. u.)

Fischer-Tropsch-Synthese(FTS): Ölunabhängige Wege zuKraft- und Chemierohstoffen sindvon hoher Bedeutung, da die Erd-ölreichweite im Vergleich zu Bio-masse, Erdgas und Kohle begrenz-ter ist. Einsatzstoff der FTS ist ei-ne Mischung aus Kohlenmonoxidund Wasserstoff, die z. B. aus Erd-gas erzeugt wird. FTS-Produktesind vergleichbar mit denen ausErdöl, aber sie sind frei von Ver-unreinigungen (S, N), was sie z.B. als umweltfreundliches Die-selöl attraktiv macht.

Hydrierprozesse der Geruchs-stoff- und WaschmittelindustrieEthen und Propen durch oxidati-ve ParaffindehydrierungOlefindimerisierung durch ho-mogene 2PhasenkatalyseEisenerzreduktion/-aufkohlung: Erzeugung von transportstabi-

lem EisenschwammKalte Flammen: Synthesegas aus Heizöl durch oxidative Vorbehandlung

Umweltgerechte Kraftstoffe undChemierohstoffeErdöl, aus dem Dieselöl und Otto-kraftstoff erzeugt werden, enthältSchwefelverbindungen, im Durch-schnitt etwa 1 Gew.-%. Aus ökolo-gischen Gründen müssen Kraft-stoffe aber viel S-ärmer sein. InZukunft wird der Grenzwert nochverschärft, z. B. für Dieselöl von350 auf 10 mg S je kg. Am LSCVT werden neben der bereits er-wähnten FTS verbesserte und neueWege zu S-armen Kraftstoffen un-tersucht (vgl. Beitrag „Umweltge-rechte Kraftstoffe ..“ dieses Spek-trums):

Beim derzeit üblichen Verfahrenwird der in organischen Mo-lekülen gebundene Schwefel kata-lytisch bei hohem Wasserstoff-druck (bis 100 bar) in leicht ab-trennbaren Schwefelwasserstoffumgesetzt. Leider verbleiben„hartnäckige“ S-Verbindungen imÖl, wodurch der Aufwand über-proportional ansteigt. In Industrie-

kooperationen werden neue Kata-lysatoren getestet und eine am LSentwickelte Reaktortechnik er-probt.

Neben diesem klassischen Ver-fahren wird die Extraktion organi-scher S-Verbindungen mit ioni-schen Flüssigkeiten untersucht. Inder interdisziplinären Zusammen-arbeit mit der TH Aachen werdenchemische undverfahrens-technischeFragen diesesneuen Verfah-rens behandelt,um z. B. auchstörende N-und Cl-Verbin-dungen zu ex-trahieren.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik95440 BayreuthTel.: 0921/55 7430Fax.: 0921/55 7435Interner: www.cvt.uni-bayreuth.deE-Mail : Jess@uni-bayreuth .de

23spektrum 3/02

Abb. 3: Versuchsap-paraturen am LSCVT

Abb. 1: ChemischeVerfahrenstechnik:Zusammenarbeit vonChemikern und Inge-nieuren

LEHRSTÜHLE

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Der Lehrstuhl für Funktionsma-terialien an der Fakultät für an-

gewandte Naturwissenschaftenwird seit Juli 2001 von Prof. Dr.-Ing. Ralf Moos geleitet. Das Teamist mittlerweile auf acht Mitarbei-tern angewachsen und ist der Aus-richtung des Lehrstuhls entspre-chend interdisziplinär zusammen-gesetzt. So reicht die Fachkenntnisder Mitarbeiter über Elektrotechnik,Werkstoffwissenschaften und Che-mie bis zu Sensorik und Physikali-scher Technik. Vor seiner Berufungwar Prof. Moos in der Forschungbei Daimler-Chrysler tätig. Sokennt er die Anforderungen der Pra-xis aus erster Hand, was dem Lehr-stuhlangebot in Forschung und Leh-re und nicht zuletzt den Studentenzu Gute kommt.

LehrangebotDer Lehrstuhl für Funktionsmate-

rialien richtet sich mit seinem Lehr-angebot insbesondere an die Stu-denten des Studiengangs Material-wissenschaften. Dazu kommen Ver-anstaltungen für Studenten im Stu-diengang Umwelt- und Bioinge-nieurwissenschaften (SchwerpunktBiokomponenten und Bioverfah-renstechnik) sowie Metalltechnik.Die Veranstaltungen sind überwie-gend für das Hauptstudium vorgese-hen.Inhaltlich steht im Vordergrund wiemakroskopische Materialeigen-schaften mit atomaren und mikro-skopischen Strukturen zusammen-hängen und durch diese bestimmtwerden. Den Studenten wird gezeigt wie dieFunktion von Werkstoffen durchderen molekulare Struktur bestimmtist und wie durch gezielte molekula-re Veränderungen Werkstoffe fürbestimmte Funktionen optimiertwerden können. Darüber hinauswird den Studenten exemplarischvermittelt wie durch das Zusam-menspiele verschiedener Materialenfunktionale Bauteile entstehen.Im Automobilbereich gibt es eineVielzahl von Sensoren zur Erfas-sung des Betriebszustands des Mo-tors oder der Fahrdynamik, die ohnedie Fortschritte im Bereich der Ma-terialentwicklung nicht möglich ge-wesen wären. Der gesamte Ent-wicklungsprozess soll demonstriertwerden. So lernen die Studentenpraxisnah wie z.B. eine Lambda-

sonde (Sensor für den geregeltenKatalysator im Automobil) funktio-niert, welche Materialien zum Ein-satz kommen und welche Herstel-lungsprozesse verwendet werden.Schließlich bauen die Studenten ineinem Praktikum eine solche Sondein Dickschichttechnik selbst auf undvermessen diese am lehrstuhleige-nen Gassensortestplatz, mit dem dieAbgase eines Verbrennungsmotorssimuliert werden. Sogar eine ausge-feilte Abgasmesstechnik ist vorhan-den. Auch andere technische Entwick-lungen z.B. in den Bereichen Glas-fasertechnik, moderne Akkus fürdie wachsende Zahl mobiler elektri-scher Geräte, Mikrosystemtechnikoder Materialien für elektronischeBauteile werden den Studenten ver-mittelt. Dieser weite Bogen von der atoma-ren Struktur zum Bauteil, das letzt-lich eine vorgesehene Funktion er-füllen soll, ist Anspruch und Ziel fürdas Lehrangebot des Lehrstuhl. Da-bei geht es nicht primär um singulä-res Fachwissen, sondern um Zu-sammenhänge, Konzepte und Ver-ständnis. Die Studierenden sollenlernen, Fragen zu stellen und eigen-ständig Lösungen zu erarbeiten.Das Lehrangebot umfasst die fol-genden Veranstaltungen:Studiengang Materialwissenschaf-ten:

Prinzipien der physikalischen Festkörperchemie

Funktionsmaterialien

Ralf Moos

Karosserien sind aus Metall, Teller aus Porzellan, Pla-stiktüten aus Polymeren. Die Anforderungen des Ein-satzgebiets bestimmen welches Material für welchenVerwendungszweck geeignet ist. Dabei stehen meist me-chanische Eigenschaften des Materials im Vordergrundwie Dichte, Bruchfestigkeit oder Elastizität. Manspricht von Strukturmaterialien. Bei Funktionsmaterialien steht die Funktion des Mate-rials im Vordergrund: z.B. magnetische Werkstoffe,Halbleiter oder Sensormaterialien. Solche Funktions-materialien sind das Herzstück in zahlreichen Bauteilenwie Integrierten Schaltungen, Lambdasonden, Super-kondensatoren, Lichtwellenleitern oder modernen Ak-kus.

Prof. Dr.-Ing. RalfMoos, Lehrstuhl fürFunktionsmaterialien

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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Abb. 1: Mit Sieb-druck hergestelltefunktionale Struktu-ren

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Mikrosystemtechnik Gefüge und EigenschaftenEigenschaften von Struktur- und FunktionswerkstoffenVertiefungsfach Funktionsmate-rialien

Studiengang Umwelt- und Bioinge-nieurwissenschaften mit den beidenStudienschwerpunkten Bioverfah-renstechnik und Biokomponenten:

BiosensorikMesstechnik in der Bioverfah-renstechnik

ForschungsangebotDie Kompetenzen des Lehrstuhlskonzentrieren sich auf die Herstel-lung und Charakterisierung vonFunktionsmaterialien. Der themati-sche Schwerpunkt liegt bei Senso-ren für Gase und Flüssigkeiten. Hierwird eng mit der Automobilindu-strie zusammengearbeitet. Aberauch Sensoren, die biologischeKomponenten enthalten, werden inZukunft bearbeitet.

Herstellung von Funktionsmate-rialienDie Mischung macht's. Die am Lehr-stuhl untersuchten Materialien sindmeistens keramischer Natur. Als Ba-sis dienen verschiedene Metalloxide.Diese erhalten ihre spezifische Funk-tionalität durch Beimischungen voneinigen Prozent oder Bruchteilen da-von. In der Regel handelt es sich beider Präparation um Festkörperreak-tionen in Kombination mit Fällungs-und Brennvorgängen.

SiebdrucktechnikDie Dickschichttechnik ist eine ko-stengünstige Herstellungsmethode,die insbesondere für die Herstellungvon Prototypen, die am Lehrstuhlgefertigt und untersucht werden,sehr attraktiv ist. Die Siebdruck-technik wird auch in der Serienferti-gung eingesetzt z.B. bei der Lamb-dasonde, so dass diese Technik eineideale Plattform für den Übergangvom Prototypen zur Serienfertigungdarstellt. Hier verfügt der Lehrstuhlsowohl über Kompetenz und Erfah-rung als auch über die entsprechen-den Geräte wie eine Planetenmühle,eine Siebdruckmaschine und meh-rere Brennöfen.

MaterialcharakterisierungDem Herstellungsprozess einesneuen Materials schließt sich stetsdessen Charakterisierung an. Hierstehen dem Lehrstuhl verschiedeneElektronen- und Lichtmikroskopesowie ein Profilometer zur Verfü-gung. Die Analytik soll in Zukunftnoch durch phasen- und element-spezifische Methoden ergänzt wer-den.Die elektrischen Eigenschaften vonFeststoffen insbesondere der La-dungstransport, der bei den amLehrstuhl entwickelten Sensoren ei-ne zentrale Rolle spielt, kann an Im-pedanzspektrometern untersuchtwerden.

Funktionsprüfung Hier entscheidet sich, ob der Sensorden Anforderungen in der Praxisgerecht wird. Wie empfindlich istder Sensor für das interessierendeGas? Wie steht es mit der Quer-empfindlichkeit gegenüber ande-ren Gasen? Wie ist das Ansprech-verhalten und die Lebensdauer?Wie reagiert der Sensor auf Tempe-raturänderungen oder Schwan-kungen der Luftfeuchtigkeit. Hier zeigt sich auch, inwieweit sichdie konzeptionellen Überlegungender Forscher zum Materialdesignerfüllen. Noch ist nicht der Mix al-ler angestrebten Eigenschaften be-rechenbar, aber doch schon eineganze Menge.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für FunktionsmaterialienUniversitätsstraße 3095440 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 7401Fax: 0921 / 55 - 7405Internet: http://www.lff.uni-bayreuth.deE-Mail:[email protected]

25spektrum 3/02

Abb. 2 (oben): Sieb-druckmaschine

Abb. 3 (links oben):Mitarbeiter desLehrstuhls am Gas-sensortestplatz.

LEHRSTÜHLE

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Am 1. Oktober 2001 wurde derLehrstuhl für Mess- und Re-

geltechnik in der Fakultät für Ange-wandte Naturwissenschaften erst-malig besetzt, und seitdem arbeitetdas wachsende Team um Prof. Dr.-Ing. Gerhard Fischerauer mit Pio-niergeist am Aufbau der Forschungund Lehre in dem ihm anvertrautenFachgebiet.

LehrangebotDie Automatisierungstechnik be-fasst sich mit der selbsttätigenÜberwachung, Steuerung und Re-gelung von technischen oder nicht-technischen Prozessen sowie mitden zugehörigen Mensch-Maschi-ne-Schnittstellen. EntsprechendeFragestellungen treten überall dortauf, wo komplexe Systeme ent-wickelt und betrieben werden, etwain den Bereichen Verkehrs-, Ener-gie-, Verfahrens-, Haus-, Medizin-und Umwelttechnik. Den automati-sierungstechnischen Funktionensolcher Systeme kommt insofern

eine Schlüsselrolle zu, als sie dieSystemintelligenz beinhalten. Mandenke nur, um einige Beispiele ausder Verkehrstechnik herauszugrei-fen, an ABS, Motormanagementund Autopilot.Im Kern befasst sich die Automati-sierungstechnik mit der Gewinnungvon Informationen (Messen), derenVerarbeitung (Rechnen) und ihrerAusnutzung zur Prozessbeeinflus-sung (Agieren). Technologischwerden diese Funktionen heute we-gen der damit verbundenen über-wältigenden Vorteile meist elek-trisch realisiert, was den Grundla-gencharakter der Elektrotechnik fürdie Natur- und Ingenieurwissen-schaften erklärt.Um die aus so unterschiedlichenAnwendungsbereichen stammen-den Aufgaben bewältigen zu kön-nen, tritt der Automatisierungstech-niker zugleich als Nutznießer, undTreiber neuer Technologien auf (z.B. Mikrosystemtechnik), ent-wickelt neue Komponenten (z. B.Sensoren) und wendet Systemtech-niken an (z. B. Signalverarbeitung).Die systemtheoretische Abstraktionvon der physikalischen Realität istgeradezu das Markenzeichen derAutomatisierungstechnik, denn nurso lassen sich komplexe dynami-sche Abläufe modellieren, analy-sieren und gezielt entwerfen. DieMächtigkeit der dabei eingesetztenMethoden offenbart sich in ihrerVerwendung in so verschiedenenDisziplinen wie der Nachrichten-technik, Regeltechnik, Kybernetik,Systembiologie und Ökonomie.Der Lehrstuhl für Mess- und Regel-technik vermittelt in der LehreKenntnisse zur Elektro- und Auto-matisierungstechnik. Dabei sollendie Studierenden nicht nur den

Stand der Technik kennen lernen,sondern vor allem eine umfassendeMethodenkompetenz erwerben.Denn während reproduzierendesFaktenwissen („Wie wird es jetztgemacht?“) schnell veraltet, stellendie in den Vorlesungen, Übungenund Praktika des Lehrstuhls fürMess- und Regeltechnik trainiertenanalytischen Fähigkeiten und syste-matischen Vorgehensweisen einefundierte Basis für anspruchsvolleF&E-Tätigkeiten und lebenslangesLernen dar („Warum wird es so ge-macht?“ als Voraussetzung des„Wie kann man es besser ma-chen?“). Die quantitative Lösungeingebetteter Aufgaben stellt ähnli-che Anforderungen wie später dieberufliche Praxis: die Lösung erfor-dert Kreativität, weil das Problemanfangs unklar definiert erscheintund sich der Lösungsweg erst beimHandeln konkretisiert. So ent-wickeln die Studierenden die wich-tige Fähigkeit zur Transferleistung,also zur Anwendung bekannterMethoden auf unbekannte Proble-me.Konkret werden die folgendenLehrveranstaltungen für Studieren-de der Materialwissenschaft, derBio- und Umweltwissenschaft, derMetalltechnik (Berufsschule), derTechnomathematik, der Mathema-tik mit Nebenfach Ingenieurwis-senschaft und der Angewandten In-formatik angeboten:

Grundlagen der ElektrotechnikMesstechnikRegeltechnikSensorikMikrosystemtechnikRechnergestütztes MessenAusgewählte Kapitel der Me-chatronikMesssysteme der Medizintech-

26 spektrum 3/02

Mess- und RegeltechnikGerhard Fischerauer

Technologien, Komponenten, Sy-steme: diese dreifachen Grund-pfeiler der Automatisierungstech-nik bilden auch das Programm desLehrstuhls für Mess- und Regel-technik. Kaum eine Branche kannauf konsequente F&E-Anstrengun-gen und eine fundierte Ingenieurs-qualifikation in diesen Bereichenverzichten, um ökonomisch erfolg-reich und ökologisch verantwor-tungsbewusst zu agieren.Die Verbesserung unser aller Le-bensbedingungen erfordert ständigneue Prozesse und neue Produktemit erhöhtem Kundennutzen. Ei-nen entscheidenden Beitrag hierzuliefert die Querschnittsdisziplin„Automatisierungstechnik“.

Prof. Dr.-Ing. Ger-hard Fischerauer,Lehrstuhl für Mess-und Regeltechnik

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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nikForschungsangebotDer Forschungsauftrag des Lehr-stuhls lässt sich unter dem Motto„Von der Technologie zum Sensorzum System“ zusammenfassen.Die Aktivitäten gruppieren sich umdie Themen Dünnschichttechnolo-gie, Sensoren und Mikrosysteme,Mess- und Sensorsysteme und – alsgrundlegende Disziplin – Elektro-und Hochfrequenztechnik. Die imFolgenden programmatisch be-schriebenen Forschungsschwer-punkte werden parallel zur Ent-wicklung der gerätetechnischenAusstattung des Lehrstuhls ausge-baut. Die technologische Basis istzunächst die

DünnschichttechnologieIm Reinraum des Lehrstuhls (ab2003) lassen sich damit Strukturenbis unter 1 µm herstellen. Der Fo-kus liegt auf Sondermaterialienwie Piezoelektrika oder Ferroma-gnetika, welche Sensoranwendun-gen abdecken, die der konventio-nellen Siliziumtechnik verschlos-sen sind (etwa weil sie hohen Tem-peraturen nicht gewachsen wäre).Neben der Prozessbeherrschungspielt die Kenntnis der beteiligtenMaterialparameter eine entschei-dende Rolle; ohne sie ist einePunktlandung beim Bauelemente-entwurf nicht möglich. Dielangjährige Erfahrung unseresTeams auf den Gebieten Modellie-rung, Messtechnik - bis in den Mi-krowellenbereich - und Lasertech-nik wird zur Bestimmung solcherMaterialparameter und den Aufbaueiner Materialdatenbank einge-setzt.Kleine Strukturen auf der Basis derDünnschichttechnologie stellen dieVoraussetzung für eine orts- undzeitaufgelöste Erfassung physikali-scher und chemischer Größen dar.Derartige

Sensoren und Mikrosystemewerden vor allem mit Blickrich-tung auf Anwendungen erforscht,bei denen es auf extreme Miniatu-

risierung ankommt, etwa weilkleinste Änderungen gemessenwerden sollen (Umweltanalytik),nicht viel Platz zur Verfügung steht(Medizintechnik) oder kostengün-stig und betriebssicher höchsteFunktionsdichten erreicht werdenmüssen (Automotive-Bereich).Unser Traum ist der Ersatz der La-boranalyse durch die In-situ-Mes-sung, der periodischen Probennah-me durch die Dauerüberwachungund der indirekten durch die direk-te Messung.Um diesen Traum wahr werden zulassen, bleiben wir nicht bei denSensorelementen stehen. Im Sinnedes Systemgedankens der Automa-tisierungstechnik konzentrierenwir uns vielmehr auf vollständige

Mess- und Sensorsystememit neuen und konventionellenSensoren oder - zur Kompensationvon Störeffekten und zur Erhöhungder Selektivität - Sensorarrays.Raue Umgebungsbedingungen wiein der Verkehrstechnik, Mechatro-nik und Prozesstechnik oder Tele-metrieanwendungen der Medizin-technik, Umweltanalytik und Do-motik erfordern geeignete Sensor-ansteuerungen und Signalauswer-teverfahren. Für deren Weiterent-wicklung und für ein reibungslosesZusammenspiel aller Systemkom-ponenten werden unsere Modellie-rungs-, Simulations- und Entwurfs-werkzeuge Schritt um Schritt er-weitert. Unser Ziel ist die Beherr-schung von Prozessen, Materialpa-rametern und Werkzeugen.

Elektro- und HochfrequenztechnikOhne die Grundlagendisziplin derElektro- und Hochfrequenztechnikist die Ansteuerung und Charakte-risierung miniaturisierter Sensorengenauso undenkbar wie der Betriebvollständiger Messsysteme. In un-seren Labors entwerfen und reali-sieren wir Schaltungen und führenMessungen durch. In Kürze wirddurch Anschaffung eines automati-schen Netzwerkanalysators und

anderer HF-Messgeräte der Fre-quenzbereich bis etwa 3 GHz er-schlossen. Ab 2003 wird eineSchirmkammer die Beurteilungvon Immunitäts- und Emissions-fragen erlauben, denn die Elektro-magnetische Verträglichkeit stelltwie überhaupt die Umweltverträg-lichkeit ein wesentliches Zielkrite-rium unserer Arbeit dar.

Ihr InteressengebietSie stoßen bei Ihren F&E-Projek-ten auf Hindernisse, die unserenArbeitsbereich berühren, und su-chen Gesprächspartner mit indu-striellem Hintergrund, die IhreSprache verstehen, für die FMEA,QM und 6σ keine Fremdwörtersind? Sprechen Sie uns einfach anund profitieren Sie von unseremKnow-how und unserer jahrelan-gen Erfahrung auf den GebietenDünnschichttechnologie, Elektro-,Hochfrequenz- und Messtechnik,Physik und Feinwerktechnik.

KontaktUniversität BayreuthLehrstuhl für Mess- und RegeltechnikUniversitätsstraße 3095440 BayreuthTel.: 0921 / 55 - 7230Fax: 0921 / 55 - 7235Internet: http://www.mrt.uni-bayreuth.deE-Mail: [email protected]

27spektrum 3/02

Abb. 1: Demonstra-tion regelungstech-nischer Verfahren:Wie lässt man einenBall schweben?

LEHRSTÜHLE

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Faserverstärkte Keramiken fürdie RaumfahrtAn Werkstoffe für die Raumfahrtwerden extreme Anforderungenhinsichtlich geringem spezifischemGewicht und extremen Hochtempe-ratureigenschaften gestellt. Diesekönnen nur durch faserverstärkteKeramiken (CMCs) erfüllt werden.Diese Werkstoffklasse weist auf-grund ihrer hohen Schadenstoleranzeine gute Temperaturwechselbe-ständigkeit auf. Der Lehrstuhl Kera-mik und Verbundwerkstoffe befasstsich seit Jahren mit dieser Werk-stoffgruppe und bringt hier vor al-lem seine Expertise im Bereich derPrecursorkeramik (Herstellung vonKeramiken aus metallorganischenVorstufen) ein.

Durch Anregung und unter Feder-führung der Firma Astrium wirdüber die Bayerische Forschungsstif-tung das Projekt „Keramische Fa-serverbundwerkstoffe für Hochtem-peraturantriebe in der Raumfahrt“gefördert, bei dem Expansionsdü-sen und Brennkammern entwickeltwerden. Der Einsatz von CMCs imBrennkammerbereich von hoch-energetischen H2/O2-Flüssig-Rake-tentriebwerken verspricht wesentli-che Vorteile gegenüber den metalli-schen Werkstoffen. Zu nennen sindhier insbesondere die Reduzierungdes Triebwerkgewichts und damitdie Erhöhung der Nutzlast, die Re-duktion des Kühlaufwands auf-grund der höheren zulässigen Mate-rialtemperatur (1760 °C) sowie dergeringe thermische Ausdehnungs-koeffizient und damit die deutlicheReduktion der thermomechanischenSpannungen. Weitere Vorteile sinddie hohe Thermoschockbeständig-keit, die Beständigkeit gegenüberden Verbrennungsprodukten unddie höhere Flexibilität und Frei-heitsgrade bei der Bauteilgestal-tung. Der wirtschaftliche Druckmacht es erforderlich, wieder ver-wendbare Antriebssysteme zu ent-wickeln, die zwanzig bis dreißigStarts ermöglichen. Dies stellthöchste Anforderungen an die Er-höhung der Lebensdauer bei den ex-trem hohen Temperaturen. Die Ent-wicklung der Expansionsdüsen und

Brennkammern aus faserverstärktenKeramiken soll in das Gesamtkon-zept der neuen Antriebe für die eu-ropäische Trägerrakete Ariane 5einfließen (Abb. 1).Zur Realisierung dieser Anforde-rungen müssen Werkstoffe ent-wickelt werden, die hervorragendeOxidations- und Korrosionsbestän-digkeit bei hohen Temperaturenaufweisen. Wesentliche Aufgabendes Lehrstuhls sind die Verbesse-rung des Matrixaufbaus für be-stimmte Herstellungstechniken derFaserverbunde und die Entwicklunggeeigneter Oxidationsschutzverfah-ren für die aus Kohlenstofffasernbestehenden komplexen Bauteilemit einfachen Verfahrenstechniken.Hier spielen die herausragenden Ei-genschaften der am Lehrstuhl ei-gensynthetisierten präkeramischenPolymere eine entscheidende Rolle.Teile des Projekts werden in derzweiten Phase in das Kompetenz-zentrum Neue Materialien Bayreuthübertragen.Dieses Projekt ist ein typisches Bei-spiel für eine auch international an-spruchsvolle Kooperation mit ei-nem Großkonzern und mehrerenKMUs.

Neuartige Kühltechniken für dieLeistungselektronikBisher werden in der Bahnantriebs-technik in vielen Fällen noch dieUmwelt schädigenden Fluorchlor-

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Maßgeschneiderte

keramische Werkstoffe

für Raumfahrt, Elektro-

nik und Medizintechnik

Günter Ziegler

Innovative Systeme und Komponenten erfordern maß-geschneiderte Werkstoffe und neue bzw. optimierte Ver-fahrenstechniken. An drei Beispielen wird dies verdeut-licht:Bereich Raumfahrt (höchste Temperaturen bei extremniedrigem Gewicht), Leistungselektronik (Kombinationvon chemischem Know-how und neuer Verfahrenstech-nik) und Medizintechnik (Einstellen verschiedener Ei-genschaften mit zusätzlicher Biokompatibilität und Bio-degradation).

Keramik und Verbundwerkstoffe

Abb. 1: AESTUS-Expansionsdüse für dieobere Triebwerkstufe der europäischenTrägerrakete Ariane5 Material: C-faser-verstärktes SiC

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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kohlenwasserstoffe (FCKW) ver-wendet. Die Firma ANCeram,Bindlach, hat zusammen mit einerbedeutenden Anwenderfirma neuar-tige keramische Kühler für die Lei-stungselektronik entwickelt, die imGegensatz zu den konventionellenKupfer-Siede-Kühlern mit norma-lem Leitungswasser arbeiten unddamit das schädliche KühlmittelFreon ersetzen. Der neuartigeKühler aus dem keramischen Werk-stoff Aluminiumnitrid (AlN) hatzwei wesentliche Vorteile: Zum ei-nen zeigt er eine hervorragendeelektrische Isolation, zum anderenwird die entstehende Wärme auf-grund der ungewöhnlich hohenWärmeleitfähigkeit von AlN in kur-zer Zeit von den Halbleiterbauele-menten direkt abgeführt. Durch die-se Technologie werden U- und S-Bahn-Züge leistungsfähiger, leiser,wartungsärmer und durch den Ver-zicht auf synthetische Kühlmittelbesonders umweltfreundlich.Die Herstellung der neuartigenKühler aus Aluminiumnitrid (Abb.2) erfordert neue Herstellungsver-fahren. Die Herausforderung liegtin der rationellen Herstellung derkomplex geformten Bauteile und inder Vermeidung von toxikologischbedenklichen organischen Lösungs-mitteln bei der Verarbeitung der hy-groskopischen, d.h. Wasser aufneh-menden AlN-Keramikpulver. DieseProbleme können nur durch eineKombination von großem chemi-schen Know-how bei der Pulverauf-bereitung und umfassenden techno-logischen Erfahrungen bei der Pul-ververarbeitung gelöst werden. Derprimäre Lösungsansatz besteht dar-in, die ca. 1 µm großen AlN-Parti-

kel mit speziellen Polymerenso zu beschichten, dass sie

eine hydrophobe Ober-fläche erhalten, somit inWasser verarbeitet wer-den können und Zerset-

zungserscheinungen voll-ständig unterdrückt wer-

den. Die wissenschaftlichenGrundlagen für diese Hydropho-

bierung und die Verarbeitung mit-tels Druckschlickerguss wurden ineinem AiF-Projekt des Lehrstuhlsund einem anschließenden Ver-bundprojekt zwischen dem Lehr-stuhl und der Firma ANCeram imProgramm „Neue Werkstoffe inBayern“ gelegt. Die Übertragung indie Kleinserie wird zusammen mitdem Kompetenzzentrum Neue Ma-terialien Bayreuth durchgeführt.Dies ist ein typisches Beispiel, wieein Grundlagenprojekt am Lehr-stuhl schrittweise durch höherenAnwendungsbezug über verschie-dene Projekte in das Kompetenz-zentrum transferiert wird.Wenn diese Entwicklung zum Er-folg führt, können durch den Ersatzvon ca. 110 Kilogramm FCKW injeder U-Bahn-Antriebseinheit alleinin der Bundesrepublik Deutschlandjährlich 220 Tonnen Freon bzw.Freonnachfolgeprodukte vollstän-dig vermieden werden. Dies ent-spricht, um einen Größenvergleichzu geben, einer Anzahl von 160Millionen mit Treibgas gefülltenSpraydosen. Weltweit wären, unterBerücksichtigung der gesamtenBahnantriebstechnik, jährlich mehrals 10.000 Tonnen FCKW, d.h. dieZahl von 7,3 Milliarden Spraydo-sen, durch einfaches Leitungswas-ser ersetzbar.

Neue Materialien für die MedizinAus dem Lehrstuhl Keramik undVerbundwerkstoffe heraus hat sichdas Friedrich-Baur-Forschungsin-stitut für Biomaterialien entwickelt.Dieses Institut befasst sich mit derErforschung und Entwicklung vonbiokompatiblen Materialien aus Ke-ramik und Kombinationen von Ke-ramik/Polymer/Metall, die im Be-

reich der Medizin im menschlichenKörper eingesetzt werden. Ein wei-terer Arbeitsschwerpunkt ist dieUmsetzung der Ergebnisse in bio-kompatible Komponenten(u.a. Im-plantate). Die Forschungsaktivitä-ten sind werkstoff- und fachge-bietsübergreifend angelegt (Koope-rationen unter anderem mit der Bio-chemie, Medizin, Biologie). Mate-rialien werden je nach medizini-schem Anforderungsprofil kom-pakt, porös, als Schicht, Verbund-oder Gradientenwerkstoff appliziert.Das Institut arbeitet zurzeit auf dreiHauptarbeitsgebieten:

Verbesserung lasttragender me-tallischer Implantate Keramische Knochenersatzmate-rialienZahnheilkunde.

Diese Themenbereiche werdendurch Biofunktionalisierungen von

metallischen Implantatoberflächenzur anwendungsbezogenen undfunktionellen Kompatibilität der inden Körper eingebrachten Implan-tate ergänzt. Für in vitro Biokompa-tibilitätsuntersuchungen steht eininstitutseigenes Zelllabor zur Verfü-gung (Abb.3). Aus diesen Berei-chen erfolgt ein Transfer in ver-schiedene medizinische Anwendun-gen. Beispiele hierfür sind ein De-tektor für die neue Generation vonComputertomographen, antiinfek-tiöse Implantatbeschichtungen so-wie Materialien zum Kleben vonGewebe.

29spektrum 3/02

Abb. 2: Hochlei-stungskühler aus Aluminiumnitrid fürdie Leistungselektro-nik

Abb. 3: Besiedlungeines porösen Kno-chenersatzmaterialsmit Zellen menschli-chen Ursprungs

PROJEKTE

Abb.2

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Der Lehrstuhl MetallischeWerkstoffe forscht seit Jahren

auf dem Gebiet der Lasermaterial-bearbeitung und der Lotwerkstoff-entwicklung an der Seite namhaf-ter Industriepartner in mehrerengroßen Verbundprojekten. Im Rahmen der Lasermaterialbear-beitung liegen die derzeitigenSchwerpunkte im:

Fügen von unterschiedlichenWerkstoffen (Hybridverbindungen)und von hochreaktiven Werkstof-fen (z.B. Titan),

Laserlegieren von Zylinderlauf-flächen,

Laserbeschichten mit Hartstoffe.Das Bestreben der Fahrzeugindu-strie das Gewicht des PKW zu re-duzieren, führt dazu, dass eine sehrgenaue Auswahl der Materialiendurchgeführt werden muss. Nebenden herkömmlichen Stahlwerkstof-fen werden zunehmend Leichtbau-werkstoffe wie Aluminium, Ma-gnesium, Titan und Polymerwerk-stoffe eingesetzt (siehe Bild 1 und2). Weiterhin werden diese mitein-ander verschweißt, um auf dieseWeise die jeweiligen Eigenschaften

an der richtigen Stelle zu haben.Das Schweißen von Stahl mit Al-uminium ist für die konventionelleSchweißtechnik mit erheblichenSchwierigkeiten verbunden, da eszur Bildung von spröden interme-tallischen Phasen kommt. Untersu-chungen am Lehrstuhl ermögli-chen das thermische Fügen mittelsLaserstrahlung von diesen beidenWerkstoffen ohne Beeinträchti-gung der Festigkeit der Verbin-dung. Hierzu werden maßge-schneiderte Zusatzwerkstoffe (dieebenfalls in Form von Draht amLehrstuhl hergestellt werden) ent-wickelt, die eine gute Anpassungzum Stahl und zum Aluminium er-möglichen.Auch teuere Werkstoffe die mei-

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Werkstoffgerechter Materialeinsatz:

Der richtige Werkstoff an der richtigen Stelle

Jean Pierre Bergmann und Klaus Müller

Das steigende Interesse an Gewichtsreduzierung imFahrzeugbau aufgrund der freiwilligen und gesetzli-chen Anforderungen an begrenzten Kraftstoffver-brauch, hat die Fahrzeugindustrie im letzten Jahrzehntdazu geführt, Fahrzeuge aus einer optimierten Ausle-gung und Anwendung von Werkstoffen zu konzipieren.Mittels dieser Philosophie hat sich im Fahrzeugbau ei-ne Mischung an Materialien durchgesetzt, die nicht nurvom Faktor Dichte bestimmt wird, sondern von den spe-zifischen Eigenschaften sowie von den Verarbeitungs-möglichkeiten, von den Kosten und von der Recycling-fähigkeit. Leichtbauwerkstoffe wie Aluminium, Magne-sium, höchstfeste Stähle oder Werkstoffverbunde aufPolymerbasis werden gleichzeitig eingesetzt und manist bestrebt die Vorteile des jeweiligen Werkstoffes aus-zunutzen.Die weltweiten gesetzlichen Vorgaben und die gesell-schaftliche Forderung nach umweltverträglicher Pro-duktionstechnik haben die Elektronikindustrie in denletzten Jahren dazu gezwungen, giftige Substanzen wiedie Schwermetalle Kadmium und Blei durch ungiftigeElemente zu ersetzen. Dieser Schritt, die bewährtenProduktionsmethoden zu verlassen und neue Wege zusuchen, ist mit einer großen Herausforderung für diegesamte Branche verbunden. Hinzu kommen die stetigsteigenden Anforderungen, die die Kunden z.B. aus derAutomobil- und Telekommunikationsbranche an dieProdukte, z.B. im Hinblick auf Temperaturbeständigkeitund Lebensdauer stellen.

Metallische Werkstoffe

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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stens für die Luft- und Raumfahrt-industrie verwendet werden, kön-nen im Fahrzeugbau eingesetztwerden, wenn die Bearbeitungsko-sten niedrig sind und die Festig-keitseigenschaften zu einer Ge-wichtsreduzierung führen. Unter-suchungen am Lehrstuhl belegten,dass durch das Laserstrahl-schweißen eine erhebliche Vermin-derung des Arbeitsaufwandes er-reicht werden kann, so dass in ein-zelnen Fällen das Laserstrahl-schweißen von Titan gerechtfertigtwäre.Das Laserlegieren von Alumini-umgusslegierungen mit härterenWerkstoffen, wie z.B. bei Zylinder-laufflächen im Motor, führt zu ei-ner Verbesserung der Verschleiß-beständigkeit im oberflächennahenBereich. Dies ermöglicht die An-wendung von leichtem, aber wei-chen Aluminiumguss mit der Folgehoher Gewichtseinsparung. Im Bereich Lotwerkstoffe liegt derAufgabenschwerpunkt des Lehr-stuhls in der Suche nach alternati-ven Legierungszuammensetzungenfür bleifreie Lotlegierungen imHinblick auf die Zuverlässigkeitund Lebensdauer der Lötverbin-dungen (siehe Bild 3). Bedingt durch das jeweilige An-

wendungsgebiet der elektronischenKomponenten entstehen unter-schiedliche, zum Teil extreme An-forderungsprofile. So geht bei-spielsweise im Bereich der Tele-kommunikation der Trend weiterin Richtung einer zunehmendenMiniaturisierung und gegebenen-falls zur dreidimensionalen Gestal-tung der Schaltungsträger unterVerwendung thermoplastischerKunststoffe. Unter diesen Randbe-dingungen sind für das Löten Ma-terialien erforderlich, die einerseitseine sehr niedrige Verarbeitung-stemperatur zulassen (nur wenigüber 100 °C), um weder die Bau-elemente noch die Schaltungsträ-ger thermisch zu sehr zu belasten,gleichzeitig jedoch auch bei rauenUmgebungsbedingungen eine aus-reichende Zuverlässigkeit garantie-ren. Im Gegensatz dazu ist die Automo-bilbranche bestrebt, die elektroni-schen Komponenten möglichst na-he am „Ort des Geschehens“ anzu-bringen, also eine Motor- oder Ge-triebesteuerung direkt am bzw. imMotor oder Getriebe. Während man bisher unter der Mo-torhaube eines modernen Kraft-fahrzeugs von Temperaturen um125 °C ausgeht, werden die Anfor-derungen an die Temperaturbestän-digkeit der elektronischen Kompo-nenten in allernächster Zukunft aufWerte von 150 °C, später wahr-scheinlich auf ca. 180 °C anstei-gen. Dieser Trend erfordert eineganzheitliche Systemlösung, dahier sowohl in punkto Verbindung-stechnik als auch auf Seite derBauelement- und Leiterplattenher-stellung die Entwicklung vorange-trieben werden muss. Der wesentli-che Beitrag des Lehrstuhls ist dieEntwicklung bleifreier Löt-Zusatz-werkstoffe (Mehrstofflegierungen)mit optimierten mechanischen Ei-genschaften (Kriechbeständigkeit

im relevanten Temperaturbereich)bei guter Verarbeitbarkeit (z.B.Schmelztemperatur, Benetzungs-verhalten, Druckverhalten etc.),wobei die metallurgischen Reak-tionen mit den Substratmaterialienund Metallisierungen ebenfalls zuberücksichtigen sind.

31spektrum 3/02

Bild 2: Laserstrahl-schweißen der C-Säule beim AUDI A2(Quelle: Dr. Korte)Bild 3: Lotverbin-dungen an einer Pla-tine

Bild 1: Werkstoffvielfalt im Mercedes SL(Quelle: ATZ 2002)

PROJEKTE

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Leichtere und kostengünstigereBauweisen für Flugzeuge bie-

ten deren Herstellern Wettbewerbs-vorteile, die für ein stetiges Markt-wachstum notwendig sind. Neuent-wickelte Materialien sollen darü-ber hinaus das Versagensrisikodurch Ermüdung oder Korrosion

senken und müssen dabei gleich-zeitig die hohen Zulassungskriteri-en im Luftfahrtbereich erfüllen.Diesen Anforderungen könnenmultifunktionelle Bauteile aus mo-dernen Hochleistungspolymerenund Faserverbundwerkstoffen ge-recht werden. Innerhalb des Lufo II-Programms soll im Jahr 2010 einRumpf aus „Kunst- und Verbund-werkstoffen“ entstehen, mit demeine Gewichtsreduktion um 30%und eine Kostensenkung um 40%im Vergleich zum heutigen Alumi-niumrumpf zu erreichen sind. Die-se Ziele sind mit der klassischenStruktur (Stringer und Spante, sie-he Bild 1) nicht realisierbar, wes-halb eine Neukonzeption derRumpfbauweise erforderlich ist.Zur Zeit wird der sogenannte„Doppelschaler“ favorisiert (sieheBild 2).Das Forschungsprogramm gliedertsich in drei Phasen, wobei in PhaseI das grundlegende Design festge-

legt wird, die Werkstoffauswahlstattfindet und die nötigen Herstel-lungsverfahren entwickelt werden.Vor Anlauf der Serienproduktionmuss zudem die Verarbeitbarkeitder ausgewählten Materialien si-muliert werden. Basierend auf die-sen Ergebnissen, werden erste Pro-totypen hergestellt und deren Qua-lität beurteilt. Da aufgrund derkomplexen Fragestellungen eineZusammenarbeit von Forschungs-einrichtungen und der Industrie er-forderlich ist, kooperiert die AirbusDeutschland GmbH eng mit Hoch-schulen. Dem Lehrstuhl für Polymere Werk-stoffe unter der Leitung von Prof.Dr.-Ing. Volker Altstädt fällt in die-ser Phase eine wichtige Rolle zu. Inmehreren Teilbereichen sollen Ma-terialien entwickelt und deren An-wendungsmöglichkeiten im Flug-zeugrumpf aufgezeigt werden.In vier vom BMBF gefördertenProjekten werden die oben ange-

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Hauke Lengsfeld, Paola Uribe

Im Rahmen des Luftfahrtfor-schungsprogramms II (Lufo II) be-steht eine Zusammenarbeit desLehrstuhls für Polymere Werkstof-fe an der Universität Bayreuth mitder Airbus Deutschland GmbHdurch vier assoziierte BMBF For-schungsprojekte.Damit die europäische Luftfahrtin-dustrie in Zukunft wettbewerbs-fähig bleibt, müssen die Herstel-lungs- und Betriebskosten derFlotte gesenkt werden. Eine ent-scheidende Rolle spielt dabei diezunehmende Verwendung vonHochleistungskunststoffen undVerbundwerkstoffen.

Polymere Werkstoffe

CFK-Rumpf

Faserverstärkte Kunststoffe

im Flugzeugbau

Bild 1: Klassischer Aluminiumrumpf im Bau Bild 2: z.Z. favorisierte Bauweise als „Doppelschaler“

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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führten Thematiken in Kooperationmit elf Industriefirmen am Lehr-stuhl für Polymere Werkstoffe be-arbeitet. Der Fokus der For-schungsaktivitäten am Lehrstuhlliegt dabei auf folgenden Material-gruppen: Epoxidharze, Faserver-bundwerkstoffe, sowie Blends undSchäume aus Hochtemperaturther-moplasten. Im Bereich der Epoxidharze wer-den neue Harzformulierungen ent-wickelt, die eine niedrigere Här-tungstemperatur bei gleichzeitigkürzerer Aushärtungsdauer ermög-lichen. Die heutigen Harzsystemefür Primärstrukturen härten bei 180°C in 2 - 4 Stunden aus. Die Lage-rungsstabilität bei Raumtemperaturwird bei den neuen Harzen eben-falls verbessert. Die traditionellenaminischen Härter werden durchinnovative Be-schleuniger ersetzt,woraus eine Kostensenkung auf-grund der Energie- und Zeiterspar-nis resultiert. Zusätzlich werdendiese Systeme für Harzinjektions-verfahren (RI, RTM) optimiert. Einwichtiger Sicherheitsaspekt in derLuftfahrt ist der Brandschutz. Hier-zu werden neue, reaktive Flamm-schutzmittel für Epoxidharze ent-wickelt und getestet.Darüber hinaus werden neue, ko-stengünstige Faserverbundwerk-

stoffe bzw. Halbzeuge mit Thermo-plastmatrix entwickelt. Hierbeimuss besonders auf die gute Verar-beitbarkeit der Werkstoffe geachtetwerden, damit die industriell einge-setzten Verfahren wie z.B. Umfor-mung, Intervall-Heißpressen, Pul-trusion, Rollformen, Autoklavtech-nik, etc. angewendet werden kön-nen.Zur Zeit werden im Flugzeugbaunur sehr geringe Mengen an Hoch-leistungsthermoplasten in derRumpfstruktur eingesetzt, da diechemische Beständigkeit der mei-sten thermoplastischen Polymeregegenüber aggressiven Umge-bungsmedien (z.B. Kerosin) nichtausreichend und deshalb die Grup-pe der dafür geeigneten Kunststoffestark eingeschränkt ist. Die in Fra-ge kommenden Thermoplaste sindzum einen schon als Rohstoff teuer,zum anderen ist deren Verarbeitungnoch sehr aufwändig. Mit Hilfe derBlendtechnik, d.h. durch die Mi-schung verschiedener Kunststoffe,sollen das Preis-Eigenschaftsver-hältnis optimiert und durch die An-passung der thermoplastischen Ver-arbeitungsverfahren die Fertigungvereinfacht werden. Hierdurch wirdeine Senkung der Halbzeugkostenum ca. 30 - 40 % angestrebt.Ein weiterer Forschungsbereich ist

die Entwicklung von Alternativenzu den derzeitig eingesetzten Wa-bensystemen zur Gewichtsredukti-on und der akustischen Isolierung.Das größte Problem der Waben istdie Wasserablagerung, die zu uner-wünschter Gewichtserhöhungführt. Sandwichstrukturen mit Ker-nen aus thermoplastischen Schäu-men sind eine mögliche Alternati-ve. Der Lehrstuhl befasst sich mitder Entwicklung von kostengünsti-gen Schäumen aus Hochtempera-turthermoplasten wie z.B. Poly-ethersulfonen. Dabei müssen unter-schiedliche Einflussparameter wiez.B. Treibmittel, Verfahrenspara-meter (Druck, Temperatur, Dreh-zahl) und das Extruderdesignberücksichtigt werden. Letztend-lich sollen Schäume mit der opti-malen Zellgröße und -verteilung,Dichte, mechanischen, akustischenund thermischen Eigenschaftensynthetisiert werden. Sie sollen alsEnergieabsorber (Impactstabilität),thermische Dämmelemente und fürnicht-strukturelle Anwendungenwie Flammschutz eingesetzt wer-den.

BMBF-Förderkennzeichen:03N3072, 03N307303N3074, 03N3079

33spektrum 3/02

Bild 3: DerzeitigerEinsatz faserver-stärkter Kunststoffeim A320/A319 undzukünftiger Einsatz(Quelle: AirbusDeutschlandGmbH)

PROJEKTE

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Die Pulvermetallurgie (ab-gekürzt PM) stellt ein stoffklas-

senübergreifendes Gebiet der Werk-stoffverarbeitung dar. Zwar ist dieNamensgebung traditionell an Bau-teile aus Metallpulvern gebunden,doch werden in der industriellenPraxis keramische und metallischeWerkstoffe ebenso wie organischePolymere aus dem pulverförmigenZustand unter Erhöhung des Zusam-menhaltes zu Formkörpern undBauteilen verarbeitet. Verbundwerk-stoffe spielen hier eine wichtige Rol-le, sowohl als Dispersions- als auchals Faserverbundwerkstoffe. Als ei-ne weitere wichtige Klasse pulver-metallurgischer Erzeugnisse sindporöse Werkstoffe zu nennen, die alsFilter, Lagerteile und Katalysatorträ-ger zum Einsatz kommen. Die mit diesem Urformverfahrenverbundene Erhöhung des stoffli-chen Zusammenhaltes erfordert ei-nen Stoff- und Ladungstransport,der mittels Aktivierung von Diffu-sionsprozessen erfolgt und zu einemWerkstoff führt, dessen Eigen-schaftsprofil durch seine Mikro-struktur und sein Gefüge definiertist.Am Lehrstuhl für Werkstoffverar-beitung wird in zahlreichen For-schungsvorhaben untersucht, wel-che Möglichkeiten der thermischenund nicht-thermischen Aktivierungvon Transportprozessen möglichsind, um die Gefügeausbildung beiverschiedenen Materialklassen zubeeinflussen.

Verkürzte ProzesskettenMittel- und Hochfrequenzfelder,

Mikrowellen-Strahlung und Laserkommen als Energiequellen zumEinsatz , um eine Verkürzung derProzessketten bei optimaler Gefüge-einstellung zu erreichen. Ein Bei-spiel ist die Verbindung von Sinte-rung (Verdichtung) mit Gefügeein-stellung (mechanische Eigenschaf-ten) und Beschichtung (Tribologie)eines Bauteils, ausgehend von Pul-vern, wie in Abb. 1 für Hartmetalledargestellt. Durch Einsatz von Mi-krowellen erfolgt die direkte Erwär-mung und eine Plasmabehandlungder Bauteile, ggf. unter Einsatz vonReaktivgasen. Das Verfahren wirdals MWSB, Mikrowellen-Sinter-Be-schichten [1] abgekürzt.Ein ähnliches Ziel wird bei PM-Stahlbauteilen angestrebt, die wegender komplexen Geometrie zwardurch Sintern hergestellt werden, je-doch mechanische Eigenschaftengeschmiedeter Bauteile aufweisensollten. Untersucht wird derzeit, obstarke elektrische Felder geeignetsind, beim Sintern die Legierungs-bildung und die lokale Verdichtungzu beeinflussen, wie in Abb. 2 ge-zeigt. Im dritten Beispiel, Abb. 3, geht esum pulvermetallurgisch hergestellteFaserverbund- und Dispersions-werkstoffe. Die Elektrode-Elektro-lyt-Einheiten (MEA) von Polymer-elektrolyt-Brennstoffzellen (PEM)sind Verbundwerkstoffe aus metall-beschichteten Kohlefasern in einerPolymermatrix. Mit Hilfe eines neu-en Verfahrens wird das katalytischwirksame Metall als nanokristallinesPulver auf den Kohlefasern mittelsdes sogenannten „CMP-Colloidal

Vom Material zum Bauteil:

neue Werkstoffe aus Pulvern

Monika Willert-Porada

Die Entwicklung von Verfahren zur Herstellung, Be-und Verarbeitung von Werkstoffen war über Jahrhun-derte dominiert von der Hüttenkunde, Metallurgie undMetalltechnik. Mit den neuen Werkstoffklassen: organische Polymere,Halbleiter und Hochleistungskeramik, die zunehmendindustrielle Relevanz erlangten, setzte im Bereich derVerarbeitungstechnologie eine enorme Diversifizierungein, die eine stoffklassenübergreifende Behandlung derVerarbeitungstechnologien erheblich erschwert. Den-noch ist diese Kompetenz zur Erfüllung der vielfältigenAufgaben eines Werkstoffingenieurs dringend erforder-lich.Abhilfe schaffen könnten neue Systematisierungskrite-rien für die Vielzahl der Herstellungs-, Bearbeitungs-und Verarbeitungsverfahren. Ein Rückgriff auf die Sys-tematik der Metallurgie wird hierfür nicht ausreichen. Vielmehr sollten die gemeinsamen natur- und ingen-ieurwissenschaftlichen Grundlagen verschiedenerTechnologien deutlicher herausgearbeitet werden, umVerfahrens- und Verarbeitungstechniken systematischweiterentwickeln zu können. Die Pulvermetallurgie lie-fert hierfür ein gutes Beispiel.

Werkstoffverarbeitung

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

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Microwave Processing“ abgeschie-den [2]. Durch Infiltration der Koh-lefaser-Gewebe mit einer Polymer-suspension und Wärmebehandlungentsteht der Verbundwerkstoff. Auch auf anderen Gebieten derEnergietechnik sind Multifunktions-werkstoffe erforderlich. In Abb. 4 istein poröser, katalytisch aktiverHochtemperatur-Werkstoff darge-stellt. Bedarf für solche Werkstoffbesteht beispielsweise für Solid Oxi-de Fuel Cells, SOFC-Brennstoffzel-len und für Heißgasfilter. Hierbeidarf sich die Porosität und Metall-partikelgröße auch bei jahrelangemEinsatz bei sehr hohen Temperatu-ren nicht verändern. Um dieses Zielzu erreichen, muss die Herstel-lungstemperatur der Werkstoff we-sentlich höher sein als die Einsatz-temperatur. In einem Mikrowellen-plasma, das an der Oberfläche einerKeramik mittels Laser gezündetwird, entstehen bei T>1700°C kera-mische Eutektika, die zu den ge-wünschten porösen Verbundwerk-stoffen weiterverarbeitet werden,wie in Abb. 4 gezeigt. Die Kombi-nation von Lasersteuerung und Mi-krowellen-Plasmaheizung wird alsLAMP bezeichnet [3].

IndustrietauglichkeitDie hier vorgestellten Beispiele„Pulvermetallurgischer Verfahren“sind mit der derzeit bestehenden Sys-tematik industriell eingeführter Sin-terverfahren gemäß Gruppe 1.4. derDIN 8580 nicht befriedigend zu be-schreiben. Obwohl die Eigenschaf-ten von Werkstoffen entscheidenddurch das Herstellungsverfahren be-stimmt sind, berücksichtigen beste-hende Normen die Mikrostruktur-Ei-genschaftsbeziehungen nicht. Sicherlich ist es für eine Erweiterungder bestehenden Systematik um die„Mikrostruktur“-Sichtweise noch zufrüh, denn aus der großen Anzahlderzeit entwickelter Verfahren wirdnur ein kleiner Teil Eingang in die in-dustrielle Praxis finden. Eine indus-triell anwendbare Beschreibung vonBauteilfunktionen ausgehend vonder Mikrostruktur der Werkstoffe er-fordert zudem ein tiefgehendes Ver-ständnis der Grundlagen der Prozes-se und die Entwicklung von Quanti-fizierungsmethoden.Bezogen auf den Einsatz von Mi-krowellen und Lasern ist aus natur-wissenschaftlicher Sicht die quanti-tative Beschreibung der Wechsel-wirkung von Materialien mit elek-tromagnetischer Strahlung als Funk-tion der Temperatur und einer sichverändernden stofflichen Zusam-mensetzung des Bauteils erforder-lich. Zusätzlich sollte aus ingenieur-wissenschaftlicher Sicht der Wär-me- und Stoffaustausch über diezahlreichen im Realgefüge vorlie-genden Grenzflächen analysiertwerden. Jede der oben genanntenTeilaufgaben benötigt zu deren voll-ständiger Bearbeitung mindestensein berufliches Leben. Zur industriellen Einführung undsystematischen Einordnung dieserneuen Verfahren [1-3] wird dahernicht nur die technologische undwissenschaftliche Reife benötigt,sondern vor allem eine herausragen-de „Killerapplication“, die zur Ver-stärkung der F&E Aktivitätenführen muss.[1] EP 0 966 550 B1

[2] DE 42 13 832 A1

[3] DE 199 511 43.8

35spektrum 3/02

Abb. 4: Oben: NiO-ZrO2-Eutektikum; un-ten: poröser Ni-ZrO2-Verbundwerkstoff; bis1600°C stabile Porosität

Abb. 1: Sinterbeschichtung von Hartmetallen beim Mikrowellensin-tern von Wendeschneidplatten. Mit solchen Platten werden komplexeSpanwerkzeuge bestückt. Reaktionsbeschichten liefert neuartige TiN-Schichstrukturen.

Abb. 2: Lokalisierte Plasmabildung an einzelnen Zähnen beim Mi-krowellensintern von Stahlzahnrädern

Abb. 3: Einzel-PEM-Brennstoffzellen-“Fahrzeug“. MEA (Elektrode): Pt (rot)-TiO2 (grün) auf C-Fasern (blau)

PROJEKTE

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So vielschichtig die Bereichesind, in denen uns Filmströmun-

gen begegnen, so vielfältig sindauch die Phänomene, die sie zeigen.Ihnen ist sicher schon mal aufgefal-len, wie sich auf der regennassenStrasse kleine Wellen gebildet ha-ben. Auch wenn Sie diesem Phäno-men bisher keine große Bedeutungbeigemessen haben, bei der Be-schichtung von Qualitätspapier wür-den diese Wellen zu einer rauenOberfläche führen und wahrschein-lich das Volumen vieler Bücher undMagazine verdoppeln. Wie kannman also den Herstellungsprozessoptimieren und das heißt i.d.R. auchschneller gestalten, ohne dass dieQualität leidet?Vielleicht haben auch Sie sich schon

mal geärgert, wenn Sie zuhause eineWand bestrichen haben und Ihnendie Farbe in Streifen die Wand hin-unterlief, anstatt sich gleichmäßig zuverteilen. Schließlich haben Sie dieFarbe ja auch gleichmäßig aufgetra-gen. Ja, erstaunlicher noch, derStreifenabstand scheint nicht will-kürlich. Ähnlich die Tropfen, diesich beim Schwenken eines gutenGlases Wein oder Whiskey am Randbilden. Sie bewegen sich auf und ab,anstatt, einmal gebildet, in das Ge-tränk zurückzufließen.Trotz Jahrzehnte langer, großer in-ternationaler Anstrengungen kannman erst seit Mitte der neunzigerJahre davon sprechen, die wichtig-sten Phänomene von Filmströmun-gen, die unter Erdanziehung fließen,unter idealisierten Bedingungen ver-standen zu haben. Dies liegt an derKomplexität der Filmströmungen,die eine adäquate theoretische Be-schreibung aber auch eine präziseexperimentelle Vermessung derStrömungen erschweren. IdealisierteBedingungen heißt hier, dass nurweit ausgedehnte Filmströmungenauf ebenem Untergrund betrachtetwurden. Allerdings werden Film-strömungen in der Alltagswelt oderauch bei industriellen Prozessendurch Seitenwände eingeengt undfließen eben nicht über ideal ebeneUnterlagen, sondern üblicherweiseüber Kanten und raue, unebene undgewellte Flächen. Zu untersuchen,welchen Einfluss diese verschiede-nen geometrischen Faktoren auf dieFilmströmung haben, wie sie die op-timale, ideale Filmströmung beein-

flussen und wie sie sich gewinnbrin-gend nutzen lassen, hat sich derLehrstuhl für Technische Mechanikund Strömungsmechanik an der hie-sigen Fakultät für Angewandte Na-turwissenschaften zur Aufgabe ge-macht.Seitenwände z.B. üben zweierleiEinflüsse auf den Film aus: Zum ei-nen bremst eine feste Wand die Strö-mung auf Grund von Reibung, zumanderen gibt es eine kapillare Anhe-bung der Filmoberfläche in derNähe der Seitenwand, analog demKapillareffekt in schmalen Kanülen.Letzterer Effekt führt aber zu einemAnwachsen der Strömungsge-schwindigkeit - schließlich ist nundie Filmoberfläche weiter vomebenfalls bremsenden Boden ent-fernt. In der Tat führt das Zusam-menwirken beider Effekte zu einerErhöhung der Transportgeschwin-digkeit in einem definierten Bereichin Wandnähe. Dies konnte von unsnicht nur experimentell gezeigt, son-dern auch quantitativ berechnet wer-den.Des weiteren zeigt sich, dass Ab-laufkanten, wie sie z.B. am Ende ei-ner Rutsche oder auch einer Teekan-ne vorkommen, die Filmströmungschon stromaufwärts modifizierenund zwar vor allem dann, wenn dieFilme langsam strömen. Wiederumist es hier die Oberflächenspannung,die diesen Effekt hervorruft. DerRichtungsänderung der Strömung,die durch die Kante erzwungenwird, kann die Filmoberfläche nichtgänzlich folgen. Ähnlich einerMembran wird die Oberfläche in

36 spektrum 3/02

Filmströmungen: Von

regennassen Strassen,

Flüssen und Hi-TechNuri Aksel

Filmströmungen, d. h. die Strömung einer Flüssigkeits-schicht, sind ein grundlegendes Phänomen in der Naturmit weitreichender Bedeutung für unser alltägliches Le-ben. Wer kennt nicht den Wasserfilm auf regennassenStrassen? Flüsse und Kanäle, auch der Tränenfilm desAuges oder Öl in Getrieben und Motoren, sind Film-strömungen. Erosion wird wesentlich durch Filmströ-mungen verursacht. Auch viele Industriezweige und in-dustrielle Produkte würde es ohne Filmströmungen (so)nicht geben. Die meisten Beschichtungsverfahren, seies bei der Versiegelung oder in der Herstellung von Fo-tofilmen, Leuchten, Papier, aber auch im Halbleiterbe-reich, beruhen auf der Filmströmung als grundlegen-dem Prozess. Selbst in den Absorptionskolonnen derchemischen Industrie und bei Wärmetauschern kom-men sie zum Einsatz.Grund genug also, die Gesetzmäßigkeiten, denen Film-strömungen unterliegen, eingehend zu untersuchen.Denn nur mit ihrem tiefgreifenden Verständnis lassensich die Filmströmungen kontrollieren und optimal nut-zen.

Strömungsmechanik

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Page 37: 3/02 sp ektrum - CORE

Kantennähe stark gekrümmt, abersie knickt nicht. Diese Spannung re-laxiert mit einer gewissen Reichwei-te in beide Richtungen, also auchstromaufwärts. Es entsteht dort eineortsfeste Ondulation der Oberfläche,was bei Teekannen oder Rutschenweniger ins Gewicht fällt, bei derHerstellung von Beschichtungenvon CDs und Displays aber zugroßem Ausschuss führen kann.Natürlich werden nicht alle Film-strömungen solch abrupten Ände-

rungen wie scharfen Kanten unter-zogen. Aber fast immer strömen dieFilme über mehr oder minder un-ebene Unterlagen. Es zeigt sich,dass schon geringe Unebenheitendie stationäre Strömung verlangsa-men. Bei stark ausgeprägten Boden-wellen treten in den Talmulden Wir-bel auf, und das auch schon bei ex-trem niedrigen Strömungsgeschwin-digkeiten. Auch hier ist es uns ge-lungen, sie neben dem experimen-tellen Nachweis und der Bestim-mung der relevanten Parameter auchquantitativ zu berechnen. So zeigtsich, dass die Wirbel erst bei Über-schreiten einer kritischen Welligkeitauftreten können und das nur, wennauch gleichzeitig eine gewisse Film-dicke überschritten wird. Ab einer

weiteren kritischen Welligkeit tretendie Wirbel immer auf, d. h. sobaldder Film sich bewegt.Diese Wirbel können weitreichendeKonsequenzen haben: Bei Wärme-tauschern und Absorptionskolonnenist man z.B. bestrebt, die Material-oberfläche zu maximieren, d. h. siemöglichst uneben zu gestalten, umden Wärme- bzw. Materialaustauschzu maximieren. Bei starken Uneben-heiten werden aber Wirbel generiert,die zu einem Wärmestau bzw. zu

vermindertem Stoffaustausch führenkönnen und die optimale Funktions-fähigkeit begrenzen. Andererseitsbesteht die Hoffnung, dass der Filmüber diese Wirbel quasi wie auf Rol-len hinweggleitet und so der Mate-rialtransport beschleunigt werdenkann.Zu Beginn dieses Artikels haben wirdas Beispiel der Wellen auf regen-nassen Strassen angeführt. DieseWellen treten bei Überschreiten ei-ner kritischen Fließgeschwindigkeitauf. Was passiert nun mit diesenOberflächenwellen, wenn die Flüs-sigkeit über einen gewellten Bodenläuft? Intuitiv würde man sicher er-warten, dass Bodenwellen denOberflächenwellen „helfen“, sollheißen, dass die Oberflächenwellen

über gewellten Böden eher auftretenals über ebenen Böden. Wir konntenjedoch zeigen, dass gerade das Um-gekehrte der Fall ist. Wenn in der in-dustriellen Herstellung ebene Be-schichtungsoberflächen angestrebtwerden, kann es also in gewissenParameterbereichen sinnvoll sein,ein unebenes Substrat zu verwen-den.Wir haben versucht, in diesem Arti-kel einen Einblick in unterschiedli-che Phänomene zu geben, wie sie

bei Filmströmungen vorkommen.Die betrachteten Effekte sind sehrallgemein gültig, wie die Beispieleaus der Alltagswelt und der Indu-strie zeigen. Entsprechend vielfältigsind ihre Anwendungsmöglichkei-ten. Neben den betrachteten Phä-nomenen gibt es noch eine Vielzahlweiterer, denen sich der Lehrstuhl inZukunft widmen wird: Wie wech-selwirken z.B. die Wirbel mit denOberflächenwellen? Unter welchenBedingungen werden auch die be-kannten Verwirbelungen an der Lee-seite von Hindernissen generiert?Kann die Filmoberfläche die Boden-kontur vergrößert abbilden? Undwie genau funktioniert das Einset-zen von Turbulenz durch Rauigkei-ten?

37spektrum 3/02

Bild: „Ribbing“ -durch Strömungsin-stabilitäten verur-sachte typischeOberflächenstruktureines dünnen Flüs-sigkeitsfilms auf ei-ner rotierenden Wal-ze

PROJEKTE

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Vergleicht man ein Auto der60er oder 70er Jahre mit einem

heutigen, so stellt man nicht nuräußerlich erhebliche Unterschiedefest. Die zahlreichen technischenVerbesserungen betreffen auch deneigentlichen Kern des Antriebes,den Motor: Heutige Motoren sindwesentlich effizienter als frühere.Der gesamte Kraftstoffverbrauchwäre drastisch gesunken, wennnicht gleichzeitig die Nutzung so-wie unsere Ansprüche an Leistungund energieverbrauchenden Kom-fort (z.B. Klimaanlagen) gestiegenwären. Gerade deshalb ist es wei-terhin wichtig, die in jedem Trop-

fen Kraftstoff steckende Energienoch besser als bisher zu nutzen.Auch hinsichtlich der Senkung derSchadstoffemissionen sind in denvergangen Jahrzehnten erheblicheFortschritte zu verzeichnen. Dankder Einführung moderner Motor-steuerung, bleifreien Benzins, Ka-talysatoren usw. ist bereits heutedas den Auspuff verlassende Ab-gas sehr sauber - bei optimalemBetrieb sogar sauberer als die nor-male Umgebungsluft! Für ungün-stige Betriebsbereiche wie demKaltstart und einige Schadstoffe(z.B. Ruß und andere Partikel)strebt man weitere Verbesserungenan.Ein großer Teil der technischenMaßnahmen zur Verbesserung desGesamtsystems betrifft die Abläufeim Inneren eines Motors. Hierbeiwerden die Entwickler durch zwei

moderne Hilfsmittel immer mehrunterstützt: durch Messtechnik undComputersimulation.

Optische MesstechnikenModerne Messtechniken erlaubenEinblicke in das Innenleben desMotors und dies auch in der Ver-brennungsphase. Bei optischenMessverfahren nutzt man den Vor-teil, dass Lichtstrahlen im Unter-schied zu gewöhnlichen Sondendie Verhältnisse im Motor nichtstören und umgekehrt von den dortherrschenden Bedingungen mitDrücken von zeitweilig über 100bar und Verbrennungstemperaturenvon über 2000 Grad Celsius nichtbeeinträchtigt werden. Wie derDrehzahlmesser unseres Autoszeigt, wiederholt sich der Arbeits-zyklus des Motors in jeder Minutemehr als Tausend Male. Um den

38 spektrum 3/02

Dieter Brüggemann

Autos spielen in unserem täglichen Leben zweifellos ei-ne besondere Rolle. Der Kfz-Bereich zählt daher zu denwichtigsten Industriezweigen Deutschlands. UnserWunsch, sich individuell und möglichst schnell fortbe-wegen zu können, hat aber auch eine Kehrseite. Die aufder Erde vorhandenen fossilen Energieträger, aus denenBenzin und Dieselkraftstoff gewonnen werden, sind be-grenzt. Außerdem stoßen Pkw und Lkw Schadstoffe (z.B.Stickoxide, Kohlenwasserstoffe, Ruß) und klimaverän-dernde Gase, insbesondere Kohlendioxid, aus. Um Mo-toren noch verbrauchs- und schadstoffärmer zu gestal-ten, setzt man spezielle Lasermessverfahren und Com-putersimulationen ein. Der Lehrstuhl für TechnischeThermodynamik und Transportprozesse (LTTT) sowiedas ihm angegliederte Steinbeis-Transferzentrum Ange-wandte Thermodynamik, Energie- und Verbrennungs-technik (ATEV) unterstützen Hersteller und Zuliefererder Kfz-Industrie bei der Optimierung bestehender undder Entwicklung neuer motorischer Systeme.

Mit Lasermesstechnik &

Computersimulation

zu den

Motoren der Zukunft

Technische Thermodynamik und

Transportprozesse

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Zeitliche Entwick-lung der Ausbreitungeines Diesel-Ein-spritzstrahls

Rußleuchten im Dieselmotor

Page 39: 3/02 sp ektrum - CORE

Ablauf einer Verbrennung verfol-gen zu können, muss man diesen inSekundenbruchteile zerlegen. La-serpulse, die nur wenige Milliard-stel Sekunden dauern, liefern dabeieine perfekte Momentaufnahmeaus dem Motorinneren. Am LTTT werden hierzu zahlrei-che optische Messtechniken gezieltim Labor weiterentwickelt, erprobtund an verschiedenen motorischenBrennräumen eingesetzt. Hierzuzählen die Verfahren der Mie-,Rayleigh- und Raman-Streuung,der laserinduzierten Fluoreszenzund Inkandeszenz (LIF bzw. LII),der Particle Image Velocimetry(PIV) und andere mehr. Mit ihnenvisualisieren und messen wir bei-spielsweise die Strömung imBrennraum (siehe untere Abbil-dungsreihe), die Ausbreitung undVerdampfung des Kraftstoffs, dieVermischung mit Luft, die Zün-dung des Gemischs, die Flammen-ausbreitung und die Schadstoffent-stehung und -entwicklung. Einigedieser Vorgänge können auchdurch Hochgeschwindigkeitska-meras mit mehreren ZehntausendBildern je Sekunde verfolgt wer-den.

ComputersimulationLaseroptische Messungen am Mo-tor sind nützlich, aber auch mit er-heblichem Aufwand verbunden;sie müssen mit jeder Variation derBetriebsbedingungen wiederholtwerden. Um die Zahl der Experi-mente einzugrenzen, messtech-nisch schwierig zu erfassendeGrößen zu bestimmen und nichtzuletzt Konstruktions- und Ferti-gungskosten zu sparen, versuchtman immer mehr, den Computerals Hilfsmittel einzusetzen. Ziel ist

es dabei vorherzusagen, welcheAuswirkungen die Änderung ver-schiedener Parameter voraussicht-lich haben wird.Damit die Vorhersagen den wirkli-chen Vorgängen entsprechen, müs-sen die komplexen Abläufe zuvorin physikalischen und chemischenModellen abgebildet werden. Hier-bei müssen strömungsmechani-sche, thermodynamische und reak-tionskinetische Aspekte berück-sichtigt und miteinander verknüpftwerden. Diese Aufgabe kann auchmit den heute verfügbaren Höchst-leistungsrechnern nur bewältigtwerden, wenn die wirklichen Ab-läufe stark vereinfacht beschriebenwerden. Hierzu werden am LTTTbeispielsweise sog. PDF- und LES-Turbulenzmodelle sowie numeri-sche Rechenverfahren weiterent-wickelt. Eine Überprüfung der Mo-delle erfolgt über den Vergleichvon Simulations- und Messergeb-nissen.

Motoren der ZukunftWie sieht der Motor im Auto derZukunft aus? Mit dieser Fragemuss sich die Kfz-Industrie im in-ternationalen Wettbewerb intensivbeschäftigen. Manche setzen aufdie Brennstoffzelle, andere aufMotoren, die Wasserstoff verbren-nen. Auf beiden innovativen Ge-bieten wird in Rahmen von bilate-ralen Projekten und Promotionsar-beiten auch am LTTT und durchATEV geforscht. Die jüngsten Ent-wicklungen weltweit zeigen, dasstrotz der Vorteile von innovativenAntrieben noch zahlreiche Proble-me gelöst werden müssen, bevorsolche Alternativen einen nennens-werten Marktanteil erlangen wer-den. In den nächsten Jahren wer-den also die meisten Autos weiter-hin durch Benzin- oder Dieselmo-toren angetrieben werden - einGrund mehr, deren weitere Verbes-serung voranzutreiben.

39spektrum 3/02

PROJEKTE

Strömungsfeld beider Einspritzung vonKraftstoff

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Kupplungen sind an sich Stan-dardbauteile, die in der Indu-

strie für vielfältige Anwendungenzum Einsatz kommen. Kann heute, im Zeitalter der Nano-technik und Mechatronik, über-haupt etwas an diesen klassischenBauteilen verbessert werden? Die-se Frage stellte sich auch demLehrstuhlteam, als ein maßgebli-cher Hersteller mit der Bitte um dieOptimierung der Bauteile an unsherantrat. Wir am Lehrstuhl habenals solches eine breite Palette von

Werkzeugen aus der CAx „Gift-küche“ parat. Dies sind auf der ei-nen Seite Programme zum Erstel-len von dreidimensionalen Model-len, wobei bei uns auf die Verwen-dung von Marktführern geachtetwird. Unsere 3D-CAD (ComputerAided Design = Computer unter-stütztes Entwerfen) Programme amLehrstuhl sind

Pro/ENGINEERCATIA V5UG undSolid Edge.

Diese Programme sind auch zumEntwurf von komplexeren Bau-gruppen konzipiert, so wird z.B.die Motorentwickung bei BMWmit Pro/ENGINEER durchge-führt. Die Verwendung von 3D-CAxSoftware ist in der Industrie er-staunlicherweise immer noch nichtStandard, laut einer lehrstuhleige-nen Untersuchung ist z.B. in Nord-bayern nur von einer Verbreitungvon ca. 20 % auszugehen, obwohleine virtuelle Prozesskette mitihren immensen, auch geldwertenVorteilen ohne ein 3D-Basismodellgar nicht realisiert werden kann.Im vorliegenden Beispiel habenwir uns eine Metallbalgkupplungherausgegriffen, welche z.B. inhochdynamischen Servoachsenvon Werkzeugmaschinen, Indu-

strierobotern und Automatisie-rungsanlagen zum Einsatz kommt.Durch ihre Spielfreiheit und hoheVerdrehsteife gepaart mit der Mög-lichkeit den Ausgleich von axialen,radialen und angularen Wellenver-lagerungen zu ermöglichen werdendiese Kupplungen gerne einge-setzt, wobei die wachsenden An-forderungen an die Leistungsfähig-keit der Kupplung bei immer neu-en Einsatzgebieten zu der Fra-gestellung nach Innovations-und/oder Einsparpotential führt.

Hier kommt dann die nächste Spe-zialität des Lehrstuhls zum Tragen,die „Finite Elemente Analyse“, ei-ne Methode um mit Hilfe einerrechnerischen Simulation die Be-anspruchung von Bauteilen vor dereigentlichen Fertigung vorhersa-gen zu können. Dies spart eineMenge Zeit und erlaubt somit diewesentliche Verkürzung der Ent-

Die Verbesserung von Bauteilenbedeutet in der Regel die Lösungeines komplizierten Parameter-bündels, deren Einzelparametersich zum Teil widersprechen.Ungebrochen ist einerseits derTrend zur Materialoptimierung,d.h. der Einsparung von Bauteil-substanz die aus Festigkeits- undFunktionsgründen nicht unbedingtzwingend erforderlich ist, anderer-seits der Verwendung alternati-ver, neuer klassenübergreifenderMaterialien.Es zeigt sich in der Praxis, daßselbst bei scheinbar einfachenBauteilkomponenten die Anwen-dung moderner CAx Software einanschließendes Verifizieren der Er-gebnisse durch den Versuch nichtersetzen kann.

Bauteiloptimierung durch Simulation

Konstruktionslehre und CAD

Reinhard Hackenschmidt

40

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Abb.1: 3D-CAD Modell

– ein Beispiel aus der Praxis

spektrum 3/02

Page 41: 3/02 sp ektrum - CORE

wicklungszeit bei gleichzeitigerVerbesserung der Qualität der Aus-sagen über das Bauteilverhaltenunter Last. Am Lehrstuhl kommen die Profi-programme MARC, ANSYS,ADINA, Z88 sowie Pro/MECHA-NICA zum Einsatz, wobei das An-wendungsspektrum dieser Pro-gramme materialklassenübergrei-fend z.B. auch moderne, inhomo-gene Materialien abdeckt. Bela-stungsseitig können sowohl Ein-zellasten, z.B. Punktlasten, alsauch Lastkollektive, wie z.B.gleichzeitiges Aufbringen einerUmfangskraft gepaart mit einerthermischen Belastung, im Rech-ner simuliert werden. In unserem Beispiel konnten z.B.wichtige Aussagen sowohl zurVerformung als auch zum Verlaufder versagenskritischen Spannun-gen des Bauteilflansches getroffen

werden. Wesentlich war hierbei in der Pra-xis die Möglichkeit konstruktiveÄnderungen wie anderes Designoder auch anderes Material schnellund unkompliziert auf seine Aus-wirkungen hin an kritischen Stel-len beurteilen zu können. Häufigreicht hier im Sinne einer Sensiti-vitätsanalyse die Aussage zurTrendentwicklung der Bauteilbela-stung.Während der Befestigungsflanschdieses Kupplungstyps eine vorwie-gend statische Belastung erfährt,stellt der an den Flansch geklebteMetallbalg das eigentlich versa-genskritische Bauteil dar. Hier tre-ten Wechsellasten, Schwingungen,

Erwärmung, Eigenreibungs- undKontaktprobleme im Bündel auf.Die Doppelwandigkeit des sehrdünnen, mehrfach gekrümmtenBauteils stellt riesige Anforderun-gen an das Leistungsvermögen derverwendeten Rechner, da Glei-chungssysteme mit Millionen vonUnbekannten hierbei keine Selten-heit sind und nur mit Hilfe von Nu-

merischen Methoden der Mathe-matik gelöst werden können. Am Lehrstuhl dient als s.g. „Num-ber Cruncher“ unser SGI Origin2000 Rechner, dessen 6 GByteHauptspeicher und 4 Prozessorendennoch zum Teil tagelang mit derLösung der Probleme beschäftigtwaren. Die angewendeten Metho-den sind übrigens auch bei jederHightech Entwicklung von Luft-und Weltraumfahrzeugen im Ein-satz. Am Lehrstuhl werden dieseVerfahren gezielt weiterent-wickelt.Zur Sicherheit werden die Aufga-benstellungen beim Betreten vonNeuland nicht nur mit einem, son-dern möglichst mit mehreren Pro-grammen durchgeführt, um dieAussagewahrscheinlichkeit derErgebnisse zu erhöhen. Hier stecktder Teufel natürlich im Detail, undes sind Erfahrung, lange Nächteund Ingenieursehrgeiz notwendig,um zu einem gesicherten Ergebniszu gelangen.Dennoch ist das klassische Mitteldes Ingenieurs, der Versuch, nichttot. Im Gegenteil. Häufig verlierenz.B. beim Einsatz neuer, besondersnichtlinearer Materialien die bis-her bekannten Materialgesetze ih-

re Gültigkeit. Eine Vorhersage istsomit deutlich erschwert. NeueTheorien und Verfahren der Nu-merischen Simulation kommenzum Einsatz und können letztend-lich nur durch den praktischenVersuch abschließend verifiziertwerden.Hierbei sind die Möglichkeiten derindividuellen Gestaltung und Mo-dellierung von adäquaten Prüf-ständen durch die hervorragendausgestattete, lehrstuhleigeneWerkstatt besonders interessant. Auch im benannten Beispiel wur-den die Metallbalgkupplungen aufeinem eigenentwickelten Verspan-nungsprüfstand, „MAX“ mit einerPrüfleistung von 1250 kW, aufLangzeitfestigkeit untersucht, unddie Ergebnisse anschließend mit

denen aus dem Rechner vergli-chen.Durch die Abstimmung und gegen-seitige Befruchtung der Ergebnisseaus Rechner und Praxis konntenäußerst interessante Resultate er-zielt und in die konkrete Gestal-tung des Bauteils umgesetzt wer-den. Die Lösung der Aufgaben führteauch zu der Erkenntnis, daß wir,die Konstrukteure, eigentlich nochviel zu wenig selbst über das Ver-halten von Standardbauteilen wis-sen. Dieses Wissen ist jedoch un-abdingbar, um auf Dauer die inter-nationale Wettbewerbsfähigkeitunserer Industrie erhalten zu kön-nen.

41spektrum 3/02

PROJEKTE

Abb. 3: Verformungssimulation

Abb. 4: Ver-spannungsprüfstand

Abb. 2: FE-Analyse mit MARC

Page 42: 3/02 sp ektrum - CORE

In Zukunft sollte nicht nur dieKonstruktion und Produktion,

sondern auch alles, was „danach“kommt, einen hohen Stellenwert in

der produktionstechnischen For-schung und Entwicklung haben.Viel ist in jüngster Zeit von akade-mischer Seite getan worden, umZulieferketten und Produktionsab-läufe so weiterzuentwickeln, dassunter Beibehaltung der Vorteile ei-ner Serienproduktion jeder Kundedennoch sein individuelles maßge-schneidertes Produkt in kürzesterZeit zum günstigsten Preis be-kommt. Die hierbei erzielten Fort-schritte und beeindruckenden Er-folge sollten Ansporn sein, auch inden (immer noch so genannten)Bereichen des „Aftersales-Servi-ces“ oder auch „Aftermarket“ ver-gleichbare Fortschritte zu erzielen.Noch sind die „Remanufacturing“-und „Upcycling“-Erfolgsbeispielezu zwei Dritteln dem Automobil-sektor vorbehalten, wo industriellgefertigte Kfz-Austauschteile einProduktionsvolumen im Wert vonweltweit 40 Milliarden € jährlichrepräsentieren. Angesichts der ex-plodierten Typenvielfalt bei Neu-produkten lässt sich der Servicenach einigen Jahren nur noch mitAustauschteilen im „aus alt machneu“- Prinzip bewerkstelligen - dieNeuproduktion (auch von Ersatz-teilen) des jeweiligen Produkttypsist längst ausgelaufen bzw. zu teu-er.Inzwischen trifft man erfolgreicheRemanufacturingunternehmen undwachsende Märkte für Recycling-

produkte bzw. Austauschteile nichtnur im Automobilsektor, demWegbereiter und stärksten Segmentdes Remanufacturing, sondernauch in zahlreichen anderen elek-tromechanischen, elektrischen undelektronischen Anwendungen an.Das Grundprinzip des Remanufac-turing - mit den fünf Fertigungs-schritten Demontage, Reinigung,Prüfung, Aufarbeitung, oder Ersatzder Bauteile, Wiedermontage - istschnell vermittelt.Die mannigfachen Vorteile dieserindustriellen Aufarbeitung vonProdukten in Serie - nacheinanderaus dem Blickwinkel unterschied-licher Akteure bzw. Marktteilneh-mer betrachtet, verblüffen jedochselbst „Insider“ immer wieder: - Jeder umweltverantwortlich den-kende Staatsbürger oder umweltbe-wusst handelnde Verbraucher in-teressiert sich für Recyclingpro-dukte, da sie den Wunsch nach ho-hem Lebensstandard und Wohl-stand vortrefflich mit der notwen-digen Ressourcenschonung unddem Ziel einer nachhaltigen Ent-wicklung in Einklang bringen.- Unternehmer entdecken Pro-duktrecycling als interessantes undzudem nachhaltiges neues Ge-schäftsfeld im schnelllebigen,wettbewerbsintensiven Produkti-ons- und Dienstleistungsgeschäft,das zusätzliche und zufriedeneKunden bringt und bindet.

42 spektrum 3/02

Rolf Steinhilper

Die Weltgemeinschaft hat sich aufinternationalen Umweltgipfelkon-ferenzen auf ein Fernziel „Nach-haltiges Wirtschaften“ („Sustaina-ble Development“) verpflichtet. Eines der Etappenziele auf demKurs dorthin ist die Weiterentwick-lung unseres Wirtschaftskreislaufszur Kreislaufwirtschaft. Damit die-se funktioniert, braucht es Wert-schöpfung statt Werteverzehr, Auf-wertung statt Abwertung, Upcyc-ling statt Downcycling in denRecyclingprozessen. Das Prinzipdes „Remanufacturing“ ist einesder besten Beispiele, dass dies inder industriellen Praxis gelingt.

Umweltgerechte Produktion

Remanufacturing:

„Die Zukunft aufarbeiten“

Vielfachnutzen

durch Mehrfachnutzung

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Durch Remanufacturing lassen sich die Kosten der Ersatzteilverfüg-barkeit entscheidend senken.

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- Die Abfallverantwortlichen derUnternehmen begeistern sich fürein Konzept, das die bisher kost-spielige Entsorgung unversehens inprofitable Produktkreisläufe um-wandelt.- Ingenieure, Erfinder und Tüftlerhaben ihre helle Freude an den In-novationspotentialen des „aus altmach neu“, die in allen fünf Ferti-gungsschritten - von der Demonta-ge der Altprodukte über Reini-gung, Prüfung und Aufarbeitungbis zur Wiedermontage der Recyc-lingprodukte - stecken.- Jeder Kundendienst-Fachmannwird sich die Kostenvorteile derAufarbeitung von Produkten in Se-rie zunutze machen, um Service-qualität zu kundenattraktiven Prei-sen zu verwirklichen- Politiker und Wirtschaftsförderer,ob auf Bund-, Länder-, oder regio-naler Ebene, werden dankbar regi-strieren bzw. unterstützen, dassAufarbeitungsunternehmen neuewillkommene Gewerbetreibendesind, die Arbeitsplätze in ihre Re-gion bringen.- Die Umweltbeauftragten bzw.Umweltbevollmächtigten der Un-ternehmen erkennen, dass die Auf-arbeitung als Schlüsselprozess dieerforderliche Technologiekette fürdie integrierte Produktverantwor-tung der Industrie „von der Wiegebis zur Bahre“- zum „von der Wie-ge bis zur Wiege“ weiterent-wickelt.- Wirtschafts- und Wissenschafts-journalisten stellen immer wieder -selbst zum eigenen Erstaunen -fest, dass viele Aufarbeitungsun-ternehmen zu den sehr geachteten„hidden champions“ der Industriezählen, die mit hoher Marktdurch-dringung und sehr erfolgreich, aberdennoch bescheidener Publicitytätig sind.- Für die Kunden der Industrie unddes Handels sind aufgearbeiteteProdukte nicht nur der umwelt-freundlichste, sondern schlichtauch der kostengünstigste Weg, umzu bezahlbaren Preisen stets überein Produkt erster Qualität und auf

dem neuesten Stand der Technik zuverfügen.- Erfolgs- und Risikoanalysten er-kennen an, dass Aufarbeitungs-technologien eine attraktive Mög-lichkeit darstellen, um erprobteFertigungstechnologien, die bishernur Einwegprodukte hervorbrach-ten, bei günstigen Kosten undüberschaubarem Risiko nunmehrauf Mehrwegprodukte auch imHigh-Tech-Bereich anzuwenden.- Wissenschaftler aller Disziplinenerkennen an, dass Aufarbeitung dieeffektivste und effizienteste Formdes Recycling ist, wenn man dieBeiträge zur Ressourcenschonungsowohl auf der Material- wie aufder Energieseite misst. - Man muss somit nicht zu den Ide-alisten zählen, wenn man die Auf-arbeitung nicht nur als Technik zur„Wiedergeburt“ eines Produkts,sondern das Auftauchen des Pro-duktrecycling an immer mehr Or-ten als „Geburtsstunde“ einer neu-en Wirtschaftsweise, als Impulsund als Puls einer nachhaltigenEntwicklung in unseren modernenIndustriegesellschaften versteht.Bei aller Wertschätzung und Auf-wärtsentwicklung, der sich das Re-manufacturing in der Produktions-technik erfreut, bleiben dennochviele technologische und organisa-torische Lücken noch zu schließen,sind auch manche (oft emotionale)Denkbarrieren noch zu überwinden.

Diese Aufgaben bilden einenSchwerpunkt der Forschungs- undEntwicklungsarbeit am LehrstuhlUmweltgerechte Produktionstech-nik der Universität Bayreuth - beiihrer erfolgreichen Bewältigungkönnte eines nicht zu fernen Tageseine Antwort für die derzeit nochzuwiderlaufenden Forderungenzwischen Innovation mit kurzenProduktzyklen und Nachhaltigkeitdurch lange Produktnutzungsdauerentwickelt bzw. realisiert werden.Zukunftsorientierte Produzenten,die sich heute auf gesetzliche Vor-

gaben und Markterwartungen be-züglich Produktrücknahme undRecyclingquoten eingestellt haben,werden nicht darauf warten, bis dielegislativen Regularien verschärftwerden.Alle Elemente einer umfassendenProduktverantwortung gehören fürinnovative Unternehmen bereitsheute zum guten Ton - bzw. diedarin schlummernden neuen Wert-schöpfungspotenziale zum gutenGeschäft.

43spektrum 3/02

Die Wahrnehmungder Produktverant-wortung fällt mitRemanufacturingleicht

PROJEKTE

Remanufacturing von Automobilscheiben-bremssätteln

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Allein in Deutschland müssenjährlich rund 70 Mio. t Mine-

ralölprodukte entschwefelt werden,um die SO2-Emissionen zu vermin-dern und um neue Motorkonzeptemit S-empfindlichen Katalysatorenumsetzen zu können. Mit den ab2005 in Europa geltenden Grenz-werten von 10 bis 50 mg S je kgmüssen in Zukunft nicht mehr„nur“ etwa 90 %, sondern mehr als99 % des in den rohen Ölfraktionenenthaltenen Schwefels entferntwerden. Ein solcher Reinigungsgrad ist mitder derzeit eingesetzten Hydrotrea-ting-Technik nur schwer zu errei-chen. Dabei wird der in organi-schen Molekülen gebundeneSchwefel unter hohem Wasser-stoffdruck von bis zu 100 bar an

Katalysatoren zu Schwefelwasser-stoff umgesetzt (Abb. 1). Die S-Verbindungen, die nach der erstenEntschwefelungsstufe z. B. imDieselöl verbleiben, sind vor allemThiophenderivate, die im Vergleichzu Thiolen und Sulfiden wenig re-aktiv sind. Die Geschwindigkeitder Umsetzung dieser Problem-stoffe in einer weiteren Stufe istdaher so gering, dass der Aufwand- Reaktorgröße und Druck - zurEinhaltung der künftigen Grenz-werte überproportional ansteigt. Die Entwicklung von alternativenVerfahren ist daher ein attraktivesForschungsgebiet. Zwei Wege, dieam Lehrstuhl für Chemische Ver-fahrenstechnik (LS CVT) unter-sucht werden, bieten sich an:

Die Extraktion der S-Verbindun-gen aus Ölen mit ionischen Flüs-sigkeiten. Dieses Konzept wurdeam LS CVT zusammen mit demArbeitskreis von Dr. Peter Wasser-scheid (Technische Chemie, THAachen) entwickelt und wird nach-folgend vorgestellt.

Möglich ist auch die syntheti-sche Herstellung S-freier Kraft-stoffe. Der Rohstoff für die soge-nannte Fischer-Tropsch-Synthese(FTS) ist Synthesegas, eine Mi-schung aus Kohlenmonoxid undWasserstoff, hergestellt aus Kohle,Biomasse oder Erdgas. Es enthält -ggf. nach einer technisch einfachenReinigung - keinen Schwefel, unddemzufolge entstehen in der FTS

nur Kraftstoffe, die im Gegensatzzu Erdölprodukten frei sind von S-,aber auch von N- oder Metallver-bindungen.

Entschwefelung durch ionischeFlüssigkeiten: ein neues Verfah-renskonzept Ionische Flüssigkeiten (Ionic Li-quids Ils) bestehen ausschließlichaus Ionen. Allerdings enthält derBegriff noch eine Abgrenzung vomklassischen Begriff der Salz-schmelzen: Während man bei die-sen an hochschmelzende Mediendenkt, sind Ils bei Temperaturenunter 100 °C flüssig. Die etwaswillkürliche Grenzziehung bei die-ser Temperatur resultiert aus dersprunghafte Verbesserung der An-wendungsbreite als Lösungsmittelin der Katalyse und in Trennpro-zessen. Überraschenderweise haben unsereUntersuchungen gezeigt, dassdurch Extraktion mit Ils S-Verbin-dungen praktisch vollständig ausÖlen entfernt werden können. Diemit den S-Verbindungen beladenenIls können durch Reextraktion oderDestillation regeneriert und in dieEntschwefelung zurückgepumptwerden. Abb. 2 zeigt das Verfah-renskonzept. Die Vorteile des in-zwischen patentierten Verfahrensliegen auf der Hand: Normaldruckund -temperatur, kein Wasserstoffund kein Katalysator. Da im Ge-gensatz zu organischen Lösungs-

44 spektrum 3/02

Andreas Jess

Die Entschwefelung von Erdölprodukten wie Benzinund Dieselöl ist eines der wichtigsten, aber auchschwierigsten Verfahren der Umwelttechnik, insbeson-dere unter dem Hintergrund von verschärften Grenz-werten für den S-Gehalt, die mit der derzeit üblichenTechnik nur schwer zu erreichen ist. Die Entwicklungvon alternativen Verfahren ist daher ein wichtiges For-schungsfeld.

Umweltgerechte Kraftstoffe -

Neue Wege zur Tiefentschwefelung

von Dieselöl und Ottokraftstoff

Chemische Verfahrenstechnik

Abb. 1: KlassischesVerfahren der Ent-schwefelung vonKraftstoffen (R: Restaus C und H, z. B.eine CH3-Gruppe)

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Page 45: 3/02 sp ektrum - CORE

mitteln Ils nicht flüchtig sind, tre-ten Verdunstungs- und Verdamp-fungsverluste nicht auf, was ökolo-gische und sicherheitstechnischeProbleme ausschließt.

Erste vielversprechende Extrak-tionsergebnisseAbb. 3 zeigt das Prinzip der Ex-traktion anhand eines einfachenVersuches. Ein Modellgemisch fürDieselöl bestehend aus Dodekanund der S-Verbindung Dibenzo-thiophen wird mit einer Il gemischtund intensiv gerührt. Anschließendwurde der Rührer abgestellt, eineÖlprobe aus dem durch Phasen-trennung entstehenden Zweipha-sengemisch entnommen und der S-Gehalt des Öls mit einer empfindli-chen S-Analytik bestimmt. Nachder Extraktion ist der S-Gehalt imModellöl um mehr als 60 % gesun-ken, obwohl relativ viel Öl zugege-ben wurde. Wird der Vorgang - wiein technisch üblichen Extraktions-apparaten - mehrstufig durchge-führt, vermindert sich der S-Gehaltbereits nach vier Stufen auf unter10 ppm (parts per million: 1mg/kg). Versuche mit Dodecanthi-ol zeigen, dass die Extraktion nichtauf bestimmte (aromatische) S-Verbindungen beschränkt ist, son-dern generell möglich ist.Als Extraktionsmittel wurden Ilsmit unterschiedlichen Ionenkombi-nationen getestet. Gut geeignetsind Ils mit den Anionen AlCl4 undOcSO4. Halogenfreie Ils sindnatürlich besonders interessant, dasie eine umweltfreundliche Alter-native zu Chloroaluminatschmel-zen darstellen. (Na)OcSO4 als Vor-stufe solcher Ils ist ein gängigesZwischenprodukt der Waschmitte-lindustrie, in großem Mengen zu-gänglich, toxikologisch untersuchtund unbedenklich. Bei einer Extraktion in einer konti-nuierlich arbeitenden Industriean-lage muss die Il regeneriert undwieder in die Extraktionsstufe re-zirkuliert werden (Abb. 2). DieVersuche zeigen, dass dies durchReextraktion z. B. mit Alkanen

möglich ist. Erfreulicherweise han-delt es sich um einen reversiblenVorgang, d. h. die S-Verbindungwird durch die Il nicht chemisch„angegriffen“. Interessant in jetztanstehenden Reextraktionsversu-chen wird auch der Einsatz vonüberkritischem Kohlendioxid sein,da die Abtrennung der S-Kompo-nenten nach der Reextraktiondurch Entspannung denkbar ein-fach wäre.

Extraktionsversuche mit „rea-lem“ DieselölZur Überprüfung der Übertragbar-keit des Modellsystems wurdeauch vorentschwefeltes Dieselöl(MIRO-Raffinerie Karlsruhe, 375ppm S) eingesetzt. Der Vertei-lungskoeffizient ist dann etwasungünstiger als beim Modellöl; al-lerdings ist Dieselöl als „Naturpro-dukt“ ein Gemisch aus vielen Koh-lenwasserstoffen, S-Verbindungenund anderen Verunreinigungen wieN-Verbindungen. Getrennte Versu-che mit N-Verbindungen zeigen,dass deren Extraktion noch leichtergeht, so dass durch konkurrierendeEffekte die Extraktion von S-Ver-bindungen erschwert wird. Hier istnoch ein weites Feld für zukünftigeUntersuchungen.

AusblickDie Entschwefelung von Erdölf-raktionen durch Extraktion mit Ilsist eine interessante Alternative

zum klassischen Hydrierprozess.Trotz der vielversprechenden Er-gebnisse sind aber viele Fragennoch offen und Verbesserungenmöglich. Weitere Untersuchungenwerden daher derzeit in einer inter-disziplinären Kooperation mit derTH Aachen durchgeführt. Nebender Extraktion von S- und N-Ver-bindungen soll auch die von Cl-Verbindungen (Stichwort „Dioxi-ne“) untersucht werden. Aber auch

die Extraktion wertvoller Aroma-und Geruchsstoffe aus natürlichenÖlen wird Gegenstand unserer For-schung auf diesem interessantenund noch jungen Arbeitsgebietsein.

45spektrum 3/02

Abb. 2: Konzept ei-ner Extraktionsanla-ge zur Dieselölent-schwefelung (org. S:organische S-Verbin-dung, vgl. Abb. 1)

Abb. 3: Ergebnis ei-nes typischen Ex-traktionsversuchesmit Modelldieselöl

PROJEKTE

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Page 46: 3/02 sp ektrum - CORE

Die Mikrosystemtechnik wen-det Systemtechniken an

(Aufbau- und Verbindungstechnik,Signalverarbeitung, …), um Kom-ponenten der Mikrotechnik (Mi-kroelektronik, -mechanik, …)funktionell zu abgeschlossenenEinheiten auf einem Substrat zuverknüpfen. Die resultierendenMEMS - unter „mechanisch“ ver-stehe man pars pro toto jede nicht-elektrische Funktion - umfassenSensoren, Aktoren und signalver-arbeitende Systemglieder. Dabeierfordert die Integration vielerFunktionen anders als in der Mi-kroelektronik nicht viele Elemen-te, sondern neue Materialien undSonderprozesse und -technologien.Während die Miniaturisierung reinelektronischer Komponenten un-gemein fortgeschritten ist - mandenke an die glänzenden Erfolgeder IC-Technologie -, steht die Mi-krosystemtechnik erst am Anfangihrer kommerziellen Nutzung.

Nach über 20-jähriger Forschunghaben sich nur enttäuschend weni-ge „Killerapplikationen“ fürMEMS herauskristallisiert, etwaAirbag-Beschleunigungssensoren,Düsen für Tintenstrahldruckeroder Schreib-Lese-Köpfe für Fest-platten. Dennoch scheint die Zeitreif für eine breite Nutzung vonMEMS.Denn die Liste der Anwendungs-bereiche, in denen man mit einemerheblichen Einsatz von Produktender Mikrosystemtechnik rechnet,liest sich wie ein „Who is who“der zukunftsträchtigsten Bran-chen: Umwelt-, Sicherheits-, Me-dizin-, Kommunikations-, Ver-kehrs-, Fertigungs-, Verfahrens-und Haustechnik. Zwischen 2000und 2004 soll sich der weltweiteUmsatz mit entsprechenden Pro-dukten von 14,2 auf 30,4 BillionenUS$ mehr als verdoppeln (mstne-ws 5/01, nach Roger Grace/NE-XUS).

Der Grund liegt in den zahlreichenVorteilen des Schrittes in die Mi-krowelt. Ein kleines Volumen, we-nig Gewicht und kleine Wärmeka-pazitäten führen zu ortsauflösen-den, mechanisch und thermischschnellen Sensoren. Der Wegfallvon Steckern und Kabeln zwi-schen Systemteilen erhöht die Zu-verlässigkeit. Die geringe Verlust-leistung, der geringe Materialver-brauch und verminderte Entsor-gungsprobleme schonen die Um-welt. Die hohe Funktionsdichte er-möglicht neue Applikationen, dieweit über den bloßen Ersatz ma-kroskopischer Systeme hinausge-hen. Und die Fertigung im Nutzenführt bei entsprechenden Stück-zahlen zu günstigen Kosten.Die Chancen der Mikrosystem-technik werden sich nur materiali-sieren, wenn die Unternehmen aufFachkräfte zurückgreifen können,die mit fundierten naturwissen-schaftlichen Grundlagen und breitgefächerten ingenieurwissen-schaftlichen Kenntnissen MEMS-basierte Produkte entwerfen oderzumindest beurteilen, auswählenund anwenden können. Diesbe-züglich finden sich in der Fakultätfür Angewandte Naturwissen-schaften hervorragende Ausgangs-bedingungen vor. Denn die hierausgebildeten Ingenieure neuenTyps besitzen genau die Fächer-grenzen sprengenden Qualifikatio-

46 spektrum 3/02

Gerhard Fischerauer

Nach dem Jahrhundert der Mecha-nik (dem 19.) und dem Jahrhundert der

Elektrizität (dem 20.) erleben wir geradeeine Renaissance des fachübergreifenden

Denkens. In vielen Branchen lässt sich eine er-höhte Wertschöpfung nur mit Produkten erreichen,

die Funktionalitäten aus verschiedenen Domänen - elektrisch, mecha-nisch, thermisch, optisch, chemisch - aufweisen und die folglich interdis-ziplinäre Ansätze verlangen. Das Musterbeispiel für die Realisierung sol-cher Mehrfachfunktionalitäten auf kleinstem Raum sind mikroelektrome-chanische Systeme (MEMS).

cMEMS -

Meister der

Multifunktionalität

Mess- und Regeltechnik

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Page 47: 3/02 sp ektrum - CORE

nen, die nötig sind, um mit neuenMaterialien und Prozessen multi-funktionale Systemglieder zu mo-dellieren, zu entwerfen und zu te-sten und daraus mit Systemtechni-ken Produkte für ihren jeweiligenAnwendungsbereich, etwa die Fer-tigungs- oder die Umweltmess-technik, zu entwickeln.Entscheidende Erfolgsfaktoren inder Entwicklung von MEMS sindgeeignete Simulations-, Entwurfs-und Testverfahren sowie die Be-herrschung der Systemtechniken.Um die Notwendigkeit vernetztenDenkens in maschinenbaulichen,elektrotechnischen und informati-onstechnischen Kategorien zu be-tonen, spricht man bisweilen auchvon „Mikromechatronik“. Der Be-griff ist glücklich gewählt, bringter doch zugleich die Verwandt-schaft der technischen (nicht tech-nologischen) Ansätze mit der klas-sischen Mechatronik zum Aus-druck. Nebenbei bemerkt bedeutetdies auch, dass die am ModellMEMS trainierten interdiszi-plinären Fähigkeiten von allge-meinem Nutzen für jede weitereIngenieurtätigkeit sind.Man glaube nun nicht, dass Pro-dukte der Hochtechnologie wieMEMS lediglich Großkonzerne et-was angehen. Ein Blick auf die imRahmen des BMBF-Förderkon-zeptes „Mikrosystemtechnik2000+“ geförderten Verbundpro-jekte belegt das Gegenteil: 67 %der im Jahre 2001 bewilligten in-dustriellen Teilvorhaben gehen aufUnternehmen mit weniger als 100Mitarbeitern zurück. Nicht nur inden wichtigsten Branchen, son-dern auch über alle Unternehmens-größen hinweg stellen also mecha-tronische und mikromechatroni-sche Kenntnisse eine wichtigeSchlüsselqualifikation für Ingeni-eure von morgen dar.Am Lehrstuhl für Mess- und Re-geltechnik sind weit über 10 Jahreindustrieller Erfahrung auf demGebiet der Mikrosystemtechnikversammelt, und zwar vornehm-lich auf der Entwurfs- und Anwen-

dungsseite hochfrequenter piezo-elektrischer Mikrosysteme. DieseErfahrung wird zum Aufbau einesTechnikums genutzt, in demMEMS hergestellt, getestet undvon der Anwendungsseite her stu-diert werden können. Im Jahre2003 geht die dafür nötige Dünn-schichttechnologie in Betrieb.Die Forschung wird sich zum ei-nen auf die Anwendung von (imhalbleitertechnologischen Sinnegesprochen:) Sondermaterialienwie Piezoelektrika und zum ande-ren auf die Untersuchung neuerStrukturen inklusive der dazu nöti-gen Modell- und Simulationsweltkonzentrieren. Im Fokus stehenSensoranwendungen in den ein-gangs genannten „Who is who“-Bereichen.Ziel ist dabei nicht nur das einzel-ne Sensorelement (das ja ohnehinschon ein System für sich dar-stellt), sondern eben das gesamteSensorsystem und seine Eigen-schaften. Hier werden andere amLehrstuhl bearbeitete Fragestel-lungen, die von der Sensortechno-logie unabhängig sind, eine wich-tige Rolle spielen: Signalverarbei-tung, Test und Diagnose, Metho-den und Werkzeuge für die Model-lierung und Simulation. Umge-kehrt sollen MEMS dann als Test-strukturen zur Validierung der Sy-stemtechniken dienen.Der Ansatz soll weniger lauten:„Auf welche Probleme lassen sichMEMS (notfalls mit Gewalt) an-wenden?“, sondern vielmehr:„Was ist die beste Lösung für einmesstechnisches Problem?“. Invielen Fällen wird dies eine klassi-sche Lösung auf der Basis vonStandardsensoren und klassischerElektrotechnik (Schaltungen undAuswerteverfahren) sein. In man-chen Fällen wird es sich aber auchum eine MEMS-Lösung oder umeine Kombination von MEMS-und Standardlösungen handeln.Diese Mischung aus Applikations-fokus statt Technologieorientie-rung, der Kombination von Stan-dard- und High-Tech-Methoden

und der konsequenten Umsetzungdes Systemgedankens ist das Al-leinstellungskriterium, das denLehrstuhl für Mess- und Regel-technik von den vielfach umfang-reicheren Aktivitäten an dengroßen Mikrosystemtechnikzen-tren Deutschlands unterscheidet.Hinzu kommt die Verbindung vonMikrosystem- und Hochfrequenz-technik, die im Hinblick auf dieallgemeine technische Entwick-

lung einen folgerichtigen Schrittund zugleich wegen ihres interdis-ziplinären Charakters eine beson-dere Herausforderung darstellt.

47spektrum 3/02

Abb. 1: LiTaO3-Leckwellenresonatormit Goldelektrodenfür die Flüssigkeits-sensorik.

Abb. 2: Miniatur-Kragträger (mecha-nische Funktion) mitplanarer Heizwendel(thermische Funkti-on) und Bonddrähtenzur Kontaktierung(elektrische Funkti-on).

PROJEKTE

Page 48: 3/02 sp ektrum - CORE

Kolloide sind kleine Teilchen,deren Größe im Bereich von

nur wenigen nm bis zu wenigenµm beträgt (ein Nanometer = einMillionstel Millimeter). Materiali-en, die aus diesen „Nanoteilchen“aufgebaut sind, begegnen uns invielfältigen Anwendungen des täg-lichen Bedarfs. So enthalten Far-ben und Lacke kleinste in Wasserdispergierte Pigment- und Kunst-stoffteilchen. Keramische Erzeug-nisse werden aus kleinsten Fest-stoffpartikeln hergestellt. EineVielzahl von Wasch- und Reini-gungsmitteln zerlegen Schmutzund Fett in feinste Partikel, diedann im Wasser abtransportiertwerden können.In diesem Zentrum mit den beidenLehrstühlen der PhysikalischenChemie (Professoren H. Hoffmannund G. Krausch) und den beidenLehrstühlen der Makromolekula-ren Chemie (Professoren A. Müllerund H.-W. Schmidt) vertritt derFAN-Lehrstuhl Keramik und Ver-bundwerkstoffe (Professor Ziegler)

im Wesentlichen die anorganischenkeramischen Materialien. Die Ak-tivitäten konzentrieren sich dabeiauf zwei Schwerpunkte:

die Entwicklung von nano- und mesoporösen keramischen Ma-terialien unddie Entwicklung und Optimie-rung von organischen Additiv-systemen für keramische Sus-pensionen.

Nano- und mesoporöse kerami-sche MaterialienAm Lehrstuhl Keramik und Ver-bundstoffe werden über Sol-Gel-abgeleitete Syntheseverfahren ke-ramische Materialien auf der Basisvon Aluminiumoxid, Titanoxidund Siliciumoxid hergestellt. DerVorteil dieser Methode liegt darin,dass durch definierte Einstellungvon Verfahrensparametern, diechemischen und physikalischen Ei-genschaften dieser Materialien inweiten Grenzen variiert werdenkönnen. Aktuelle Projekte beschäf-tigen sich mit Verbundsystemenauf Titanoxid-Basis mit offenpori-gen bioaktiven Oberflächenschich-ten und der Herstellung von Silici-umoxid-Keramiken mit ausgerich-teten Poren definierten Durchmes-sers im nm-Bereich. Die Anwen-dungsgebiete der untersuchtenStoffsysteme liegen schwerpunkt-mäßig in der Medizin- bzw. Kata-lysatortechnik sowie im Bereich

der Umwelt- und Biotechnologie.

Organische Additivsysteme fürkeramische SuspensionenBei der Herstellung von kerami-schen Bauteilen aus pulverförmi-gen Rohstoffen hat der LehrstuhlExpertise auf dem Gebiet der Auf-bereitung und Verarbeitung vonwässrigen Suspensionen mit sehrhohem Feststoffanteil bis 60 Vol.%.Durch die Verwendung von ober-flächenaktiven Stoffen (Disperga-toren, Verflüssiger, Binder) kommtes zu schwer beschreibbarenWechselwirkungen zwischen derOberfläche der Pulverteilchen undden organischen Substanzen. Umdie Wirkungsweise der organi-schen Additive aufklären zu kön-nen, befasst sich der Lehrstuhl da-her mit der Korrelation zwischenSuspensions- bzw. Formkörper-eigenschaften und den Strukturender polymeren organischen Additi-ve. Dazu werden organische Addi-tive selbst synthetisiert, insbeson-dere Polymere, die zum einen denFormkörpern hohe Flexibilität undFestigkeit geben sollen und zumanderen Binder- und Weichma-cherfunktionen gleichzeitig über-nehmen können. Ziel ist es, denAnteil an organischem Additiv zuminimieren ohne das Eigen-schaftsprofil der Formkörper zuverschlechtern.

48 spektrum 3/02

Günter Ziegler

Im Hinblick auf eine Intensivierung der Zusammenar-beit mit der lokalen Industrie haben sich fünf Lehrstüh-le der Universität Bayreuth zu einem „Bayreuther Zen-trum für Kolloide und Grenzflächen“ zusammenge-schlossen. Das wesentliche Ziel des Zentrums ist dieBündelung und Stärkung der Kolloid- und Grenz-flächenforschung an der Universität Bayreuth ausge-hend von Grundlagenforschung über angewandte For-schung bis hin zur industriellen Applikation.

Abb.1: HochporösesAerogel: 1 Grammdes hochporösenMaterials (ca. 90 %Porosität) entsprichtin etwa der Flächedes Rasens des Mün-chner Olympiastadi-ons.

Bayreuther Zentrum für Kolloide und Grenzflächen (BZKG)

Poröse Keramik,

dünne Schichten,

verbessertes Processing

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Abb. 1

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Polymerblends - Der Himbeereauf der SpurDurch die gezielte Kombinationverschiedener Polymere kann eingewünschtes Eigenschaftsprofilschneller erreicht werden als mitder Neuentwicklung eines Homo-polymers. Allerdings führt die Un-verträglichkeit der meisten Poly-merpaarungen zu einer schwachenGrenzflächenanbindung, die mitHilfe geeigneter Additive verbes-sert werden muss. Innerhalb des SFB-Projektes wirdmit einem PPE/SAN Blend gear-beitet, der mit Dreiblockcopolyme-ren kompatibilisiert wird. DieseDreiblockcopolymere, deren End-blöcke jeweils mit einer Matrix

mischbar sind, und deren Mittel-block ein Elastomer ist, sorgen inPolymerblends aus spröden Poly-meren für eine gute Phasenanbin-dung, hohe Dispersität und hoheZähigkeit. Der Verlust an Steifig-keit ist dabei deutlich geringer alsbei Blends mit konventionellenModifikatoren und Zweiblockco-polymeren. PPE und SAN könnenmit einem Styrol-b-Butadien-b-Methylmethacrylat (SBM) Co-po-lymer kompatibilisiert werden(Abb. 1). Das SBM wird im Lehr-stuhl für Makromolekulare ChemieII (Prof. Dr. A. Müller), unterBerücksichtigung der Anforderun-

gen im SFB-Projekt synthetisiert.Dieser Blend zeigt eine phasen-se-parierte Morphologie, die von denEntdeckern Auschra und StadlerHimbeermorphologie genannt wur-de.

Nanostrukturierte KeramikenFür die Katalyse-, Adsorptions-und Filtrationstechnik werdenporöse Materialien mit speziellenEigenschaften benötigt. Deswegenwerden am FAN-Lehrstuhl für Ke-ramik und Verbundwerkstoffe inKooperation mit dem Lehrstuhl für

Physikalische Chemie I (Prof. Dr.H. Hoffmann) nanostrukturiertekeramische Materialien syntheti-siert. Bei der Nanostrukturierunghandelt es sich um eine geordneteund gerichtete Porenstruktur (Abb.2), wobei die Poren Durchmesservon 5 - 15 nm besitzen. Dieses Ziel soll durch folgendenVerfahrensweg erreicht werden:Lyotrope nematische Mesophasenaus stäbchenförmigen Aggregatenwerden als formbildende Vorstufeund somit als Schablone für dieSynthese der keramischen Materia-lien aus wasserlöslichen Precurso-ren verwendet. Diese Phasen wer-den in einem Magnetfeld einheit-lich orientiert. Durch Hydrolyseund Kondensation der keramischenPrecursoren wird ein Gel erzeugt,das von den orientierten Stäbchen-mizellen durchzogen ist. Durch Er-hitzen auf Temperaturen größer400 °C erfolgt die Ausbildung derKeramik unter gleichzeitigem Eli-minieren der organischen Bestand-teile.

Axel Mantey, Frauke Stenzel

Der Sonderforschungsbereich (SFB)481 beschäftigt sich mit grundle-genden Fragestellungen zu Her-stellung, Eigenschaften und Funk-tion von komplexen Makromolekül-systemen, Kolloiden und Hybridsy-stemen, die geordnete Strukturenmit möglichst definierter Form undGröße bilden. In diesem SFB ar-beiten die drei Fakultäten Chemie,Physik und FAN auf unterschiedli-chen Gebieten zusammen. Er ist fürdie Universität der einzige natur-wissenschaftlich orientierte SFBund damit von herausragender for-schungsstrategischer Bedeutung.Die FAN-Lehrstühle für PolymereWerkstoffe sowie für Keramik undVerbundwerkstoffe sind mit jeweilseinem Projekt am SFB beteiligt.

Komplexe Makromolekül- und Hybridsysteme

in inneren und äußeren Feldern

Polymerblends

Nanostrukturierte Keramiken

Abb. 1: Schematische Darstellung zurHimbeermorphologie

Abb. 2: Schema zurHerstellung von na-nostrukturierten Ke-ramiken mit geord-neter Porenmorpho-logie (Porendurch-messer 5 - 15 nm)

49

NEWS

Page 50: 3/02 sp ektrum - CORE

FVW e.V. Die FVW e.V. ist unmittelbar imZusammenhang mit der Errichtungdes Kompetenzzentrums gegründetworden, der Zweck dieser For-schervereinigung ist allerdingsbreiter gefasst. Der Verein sieht seine Aufgabe da-rin, für die Region und überregionalauf dem Gebiet der Neuen Materia-lien und insbesondere der Verbund-werkstoffe und Werkstoffverbundeein dichtes Kompetenznetzwerkzwischen Forschung, Entwicklung,Industrie und Anwendern zu knüp-fen. Diese Funktion im Umfeld derUniversität und anderer Zentren istin Abb. 1 verdeutlicht. Die in der FVW Bayreuth e.V. ge-

bündelte Kompetenz der Lehrstühleist allen Interessenten aus der Re-gion zugänglich. Die derzeitigenMitglieder und Funktionsträger derFVW Bayreuth e.V. sind nachfol-gend angegeben:

Prof. Dr.-Ing. V. Altstädt, LS für Po-lymere Werkstoffe, FANProf. Dr.-Ing. D. Brüggemann, LSfür Technische Thermodynamikund Transportprozesse, FANProf. Dr. rer. nat. G. Krausch, LS fürPhysikalische Chemie II, Fakultät II(stellv. Vorsitzender & Schriftführer)Prof. Dr.-Ing. F. Rieg, LS für Kon-struktionslehre und CAD, FANProf. Dr. rer. nat. H.-W. Schmidt,LS für Makromolekulare Chemie I,Fakultät IIProf. Dr. rer. nat. M. Willert-Porada,LS für Werkstoffverarbeitung, FAN(Vorsitzende)Prof. Dr.-Ing. G. Ziegler, Lehrstuhlfür Keramik und Verbundwerkstof-fe, FAN (stellv. Vorsitzender &Schatzmeister).

.....und die NMB GmbHDie Frage der wissenschaftlichenBetreuung des Kompetenzzentrumswar von Anfang an sehr wichtig,sollte doch die NMB GmbH auf denin Bayreuth und der Region im uni-versitären und wirtschaftlichen Be-reich vorhandenen Ressourcen auf-bauen.

50 spektrum 3/02

Die Einrichtung der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften, FAN,war von Beginn an ein „aus Sicht der Landesplanung und Strukturpolitiklogischer und konsequenter Schritt zur weiteren Verbesserung der Bil-dungsinfrastruktur in Nordbayern und die Antwort auf das Defizit in denIngenieurwissenschaften“ [1]. Nunmehr vier Jahre nach Aufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebesist erkennbar, dass auch die Erwartungen hinsichtlich der „externenEffekte und innovatorischen Impulse für die nordbayerische Wirtschaft“[1] in die Tat umgesetzt werden konnten. Unmittelbar nach Einweihungder FAN im September 1998 ist von der IHK, HWK, der Stadt und demBezirk mit maßgeblicher Unterstützung durch FAN-Lehrstühle ein für dieregionale Wirtschaft tätiges Kompetenzzentrum entstanden. Bayreuth be-herbergt den größten der insgesamt drei Standorte der Neue MaterialienNordbayern GmbH. Unter Beteiligung von zwei Lehrstühlen aus der Fa-kultät II und fünf Lehrstühlen der FAN ist erstmals eine direkte Einbin-dung von Lehrstuhlkompetenzen in eine privatwirtschaftlich ausgerichte-te Struktur gelungen. Die Lehrstuhlinhaber sind in der Forschervereini-gung Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde e.V. (FVW e.V.) zusam-mengeschlossen. Die FVW e.V. gehört zusammen mit der Universität Bay-reuth zum Gesellschafterkreis der Neue Materialien Bayreuth GmbH,NMB GmbH. [1] Denkschrift „Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften Bay-

reuth“, 1993.

Forschervereinigung Verbundwerkstoffe und

Werkstoffverbunde e.V.

Brücke zwischen Universität und

Kompetenzzentrum

Abb. 1: Aufgaben der FVW e.V. im Umfeld der Universität und außeruni-versitärer Ein-richtungen

Monika Willert-Porada

ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN

Page 51: 3/02 sp ektrum - CORE

Deshalb haben einige Professorenihre Forschungsergebnisse und In-dustriekontakte für sogenannteLeit- und Transferprojekte zur Ver-fügung gestellt und entsprechendeProjektvorschläge ausgearbeitet.Auf dieser Grundlage ist die vomWirtschaftsministerium gefordertefachliche Begutachtung zur thema-tischen Ausrichtung der NMBGmbH durchgeführt worden. DieProjektarbeiten werden nunmehr indem im Juli 2002 feierlich einge-weihten Büro- und Technikumge-bäude der NMB GmbH durchge-führt. Die in der Forschervereinigung zu-sammengeschlossenen Professorenrepräsentieren ein breites Spek-trum der Material-, Werkstoff- undIngenieurwissenschaften. Die Be-teiligung der FVW e.V. als Mitge-sellschafterin der NMB GmbH si-chert dem Kompetenzzentrum dieständige Mitwirkung eines wissen-schaftlichen Beratergremiums zu. Für das operative Geschäft desKompetenzzentrums konnte einGeschäftsführer mit Industrieer-fahrung gewonnen werden. Dr.-Ing. H.-W. Zoch ist seit Januar2001 als Geschäftsführer der NMBGmbH tätig. Die Idee zu einer Forschervereini-gung als wissenschaftlichem Bera-tergremium der NMB GmbH gehtauf Prof. Bergmann zurück, derentsprechend der Breite der The-men, die im Kompetenzzentrumbearbeitet werden - Leichtbau, Tri-bologie & Korrosion, Multifunk-tionalität, Werkstoffe der Energie-technik - eine Bündelung der Kom-petenzen in einer Forschervereini-gung vorgeschlagen hatte.Anfang 2000 wurde im Beisein desPräsidenten der Universität Bay-reuth, Prof. Dr. Dr. h.c. Ruppert,von insgesamt 12 Professoren derUniversität Bayreuth der Beschlusszur Gründung eines eingetragenenVereins gefasst, dessen Mitgliederauch über die Zusammensetzungdes wissenschaftlichen Beirates,des sogenannten Gesellschafter-ausschusses der NMB GmbH, be-

stimmen sollten. Daraufhin ist imMai 2000 die „Forschervereini-gung Verbundwerkstoffe undWerkstoffverbunde Bayreuth e.V.“gegründet worden.

Synergie von Forschung undWirtschaftAuch nach Abschluss der Grün-dungsphase ist die Mitarbeit derFVW e.V.-Mitglieder in der NMBGmbH erforderlich.Zahlreiche Kollegen sind direkt indas operative Geschäft als wissen-schaftlich-technische Berater imGesellschafterausschuss oder inunmittelbarer Projektarbeit einge-bunden. Andere FVW-Mitgliedersind in die wissenschaftliche Be-treuung und Beratung der Projekt-bereiche der NMB GmbH einge-bunden, wie in Abb. 2 dargestellt.Besondere Erwähnung gebührtdem Engagement des im Dezem-ber 2000 verstorbenen Prof. Dr.-Ing. Hans Wilhelm Bergmann. AlsInterimsgeschäftsführer der NMBGmbH hat Hans Bergmann dieschwierige Phase der Profilbildungdes Standortes Bayreuth in Zusam-menarbeit mit Leitern der beidenanderen Standorte - Fürth undWürzburg - maßgeblich beeinflus-st. Fast alle Projekte aus dem Be-reich des Leichtbaus und der Um-formung metallischer Werkstoffegehen auf seine Initiative und zumTeil auf seine Erfindungen zurück.Die Betreuung der Schweißsimula-tion hat seit Januar 2001 Prof. H.-J.Pesch, LS Ingenieurmathematik

übernommen, die UmformungProf. Rieg. Weitere, derzeit durchProjekte vertretene Themen sindbeispielsweise Schlickerdruckgussvon Nichtoxidkeramik und Hoch-leistungsantriebe für die Raum-fahrt (Prof. Ziegler), Polymer-schäume (Prof. Alstädt), Diamant-Werkzeuge (Prof. Bergmann, Dr.-Ing. Zoch) und Schneidwerkstoffeauf Hartmetallbasis (Prof. Willert-Porada).Für alle Themenbereiche der NMBGmbH werden derzeit unter direk-ter fachlicher Beteiligung von Bay-reuther Professoren weitere Pro-jekte intensiv vorbereitet. Der Erfolg des Kompetenzzen-trums als einer eigenständig über-lebensfähigen Firma wird von vie-len Faktoren abhängen. GlobaleEffekte können nicht beeinflusstwerden. Eine auch zukünftigfruchtbare Zusammenarbeit zwi-schen dem Kompetenzzentrum undden Material-, Werkstoff- und In-genieurwissenschaften, die an derUniversität angesiedelt sind, kannbeeinflusst werden. Es kommt aufdas Engagement eines jeden Wis-senschaftlers und auf die Dialogbe-reitschaft der Wirtschaft an.

KontaktDirekte Kontaktaufnahme ist mög-lich unter www.fvw.uni-bayreuth.de oder zu Händen einesder FVW-Mitglieder, UniversitätBayreuth, 95440 Bayreuth.

51spektrum 3/02

Abb.2: DerzeitigewissenschaftlicheBetreuung der NMBGmbH

NEWS

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Glas - ein Material mit ZukunftEin Blick in unsere Umgebungzeigt, dass wir viele Gegenständegebrauchen, in denen Glas verwen-det wird. Wir nutzen hierbei ver-schiedene Stoffeigenschaften, dieden Werkstoff Glas charakterisie-ren. Hierzu zählen beispielsweisedie optische Transparenz: Ob inFenstern, Bilderrahmen, Lampen,Fernsehern oder Computermonito-ren - Glasscheiben bieten zugleichDurchblick und schützende Tren-nung. Der Stoff Glas ist fest undreagiert chemisch kaum. So könnenwir Getränke und andere Flüssig-keiten über Jahre in Glasbehälternaufbewahren, ohne Sorge zu haben,

dass die Flüssigkeit ausläuft odersich durch das Verpackungsmateri-al verändert. Diese und viele weitere Vorzügevon Glas sind seit Jahrhundertenbekannt und werden täglich überallgenutzt. Warum jedoch findet Glasauch und gerade heute ein besonde-res Interesse? Wie in anderen Be-reichen auch, sind wir inzwischenin der Lage, die Eigenschaften undinsbesondere die Oberfläche vonMaterialien gezielt zu beeinflussen.Hierdurch eröffnet sich ein immen-ses Feld an innovativen Produkten.Ein Beispiel aus dem Alltag sinddie bewährten Glasflaschen mitihrem vergleichsweise hohen Ge-

wicht. Um dieses zu senken, möch-te man die erforderliche Wanddickereduzieren, ohne dabei das Risikoeinzugehen, dass die Flasche plötz-lich zerbricht. Für das Auge nichtsichtbare Kratzer sind derHauptauslöser für den Bruch.Durch spezielle Beschichtungen istes möglich, Kratzer zu versiegelnund zu vermeiden.Das Beispiel zeigt auch die Spann-breite des Forschungsgebiets.Zunächst benötigt man eine detail-lierte Analyse der Eigenschaftendes Werkstoffs und insbesondereder Oberfläche bis hin zum Nano-meter-Maßstab. Hier stehen an derUniversität Bayreuth verschiedeneVerfahren, zum Beispiel zur Ele-mentanalyse, zur Elektronen- undRastersondenmikroskopie zur Ver-fügung. So kann man feststellen,wie glatt die Oberfläche anfänglichist und welche Reaktionen sofortnach der Herstellung die Alterungeinleiten. Solche Untersuchungen sind be-sonders bedeutsam, da man heutedurch vielfältige Verfahren in derLage ist, Glas zu beschichten. Be-schichtungen können mit geringemMaterialaufwand nicht nur die Ei-

52 spektrum 3/02

Innovationen

aus Glas

Edda Rädlein, Dieter Brüggemann

Kaum ein Werkstoff begegnet uns im Alltag so häufig und auf so vielfäl-tige Weise wie Glas. Die Produktion und Verarbeitung von Glas hat inunserer Region nicht nur Tradition sondern nach wie vor einen hohenwirtschaftlichen Stellenwert. Um ihre Marktstellung zu halten und nochauszubauen, müssen Unternehmen ständig ihre etablierten Glasproduk-te weiter verbessern und neuartige Angebote entwickeln. Die UniversitätBayreuth unterstützt sie dabei mit ihrer fachübergreifenden Kompetenz.Lehrstühle aus verschiedenen Bereichen haben sich zur Forschungs-stelle „Werkstoffverbunde und oberflächenveredelte Produkte aus Glas (WOPAG)“ zusammengeschlossen.

Glas für Kunst vordem FAN-Gebäude

unten links: Ober-fläche einer norma-len Mehrwegflaschemit µm tiefen Krat-zern [Quelle: EddaRädlein];unten rechts: AFM-Aufnahme eines miteinem speziellen Ver-fahren (Wiegand)polymerbeschichte-ten Glases mit ex-trem glatter Ober-fläche [Quelle: Lehr-stuhl für Physikali-sche Chemie II].

Forschungsstelle WOPAG

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genschaften verbessern, sondernauch völlig neue Funktionen hinzu-fügen. So ist leitfähig beschichtetesGlas als transparente Elektrode ausmodernen Produkten wie Laptopsund Displays nicht mehr wegzu-denken. Auch Wärme- und Son-nenschutzfenster sind mit leitfähi-gen Mehrfachschichtsystemen ver-sehen. Eine Idee besteht darin, solche Ver-änderungen nicht erst nach der Pro-dukterzeugung durchzuführen,sondern bereits den Herstellungs-prozess des Glases nach Möglich-keit so zu beeinflussen, dass die ge-wünschten Eigenschaften hervor-gebracht werden. Grundsätzlich istdas zunächst heiße Glas reaktions-freudiger, allerdings auch schwieri-ger zu kontrollieren.

WOPAG - eine Forschungsstellerund ums GlasAn der Universität Bayreuth hat ei-ne Gruppe von Professoren ausdrei Fakultäten ihre unterschiedli-che, sich ergänzende Kompetenzrund um das Thema Glas gebündeltund die „Forschungsstelle WO-PAG“ gegründet. Prof. Dr. ErnstRößler (Experimentalphysik II),Prof. Dr. Heinz Hoffmann undProf. Dr. Georg Krausch (Physika-lische Chemie I und II), Prof. Dr.Hans-Werner Schmidt (Makromo-lekulare Chemie I) sowie aus derFAN Prof. Dr.-Ing. Günter Ziegler(Keramik und Verbundwerkstoffe),Prof. Dr. Monika Willert-Porada(Werkstoffverarbeitung) und Prof.Dr.-Ing. Dieter Brüggemann (Tech-nische Thermodynamik und Trans-

portprozesse) tragenmit ihren interdiszi-plinären Teams, ei-ner umfangreichenapparativen Ausstat-tung und dem sichständig erweiterndenKnow-how zum Er-folg des Gesamtkon-

zepts bei. Im Mittelpunkt steht da-bei die Bearbeitung eines auf fünfJahre ausgelegten Verbundpro-jekts, welches im Rahmen derbayerischen „High-Tech-Offensi-ve“ mit rund 4,6 Mio. Euro insge-samt, davon rund 2,2 Mio. Euro fürdie Universität Bayreuth, gefördertwird. Die Verbundpartner sind vierUnternehmen der Region, die inverschiedenen Sparten der Glas-herstellung tätig sind.

Die Glasindustrie - ein wichtigerWirtschaftsfaktor der RegionSo ist Schott Rohrglas auf Röhrenund Stäbe unterschiedlichster Längeund Durchmesser spezialisiert, wiesie z.B. für Ampullen, Solarkollek-toren und architektonische Glassäu-len verwendet werden. Die FirmaFlabeg stellt unter anderem Auto-und Wohnspiegel, technisches undelektrochromes Glas her, bei demman die Durchlässigkeit für Lichtund Wärme steuern kann. Das Un-ternehmen Nachtmann produziertTrinkgläser, Vasen, Schalen, Ker-zenleuchter und andere im Haushaltverwendete Gegenstände aus Glas.Weinflaschen und andere Ein- oderMehrwegbehälter werden von der

Firma Wiegand-Glas produziert. Die vier Unternehmen haben einejährliche Gesamtkapazität von über400.000 Tonnen und sind mit nahe-zu 4.000 Mitarbeitern und einemJahresumsatz von über 600 Mio.Euro ein wesentlicher Arbeits- undWirtschaftsfaktor in der Region. DieForschungsstelle WOPAG der Uni-

versität Bayreuth un-terstützt dabei dieUnternehmen beiihren konkreten an-wendungsorientiertenEntwicklungsarbei-ten. Aufgrund desvielfältigen Bedarfswerden gleichzeitig

mehr als 20 Teilprojekte durch dieForschungsstelle bearbeitet, was ei-ne besonders gute Abstimmung undOrganisation voraussetzt.

Es hat sich angeboten, das For-schungsthema Glas auch in die Leh-re zu integrieren. So lernen Studen-ten im materialwissenschaftlichenStudiengang der FAN nicht nurGrundlagen sondern auch neuesteEntwicklungen rund um das ThemaGlas kennen.

Weitere Informationen geben gerneder geschäftsführende Sprecher derForschungsstelle WOPAG, Prof.Dr.-Ing. Dieter Brüggemann, unddie wissenschaftliche Koordinato-rin, Dr.-Ing. Edda Rädlein.

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Technikumsanlagezur Glasformge-bung: ein flüssigerGlasposten tritt ausdem Speiser und fälltin die Form [Quelle:Lehrstuhl für Werk-stoffverarbeitung].

NEWS

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Jonglierprojekt

in Venezuela

Peter Rupprecht

CAMPUSwww.jonglier-ppeter.de

www.benposta.info

Mit meiner großen Leiden-schaft, dem Jonglieren, wollte

ich mich nach dem Studium derSportökonimie, das ich im April die-sen Jahres hier in Bayreuth abge-schlossen habe, für einen gutenZweck einsetzen. Über einen Fern-sehbericht bin ich auf Benposta ge-stoßen, eine Organisation, die Kin-dern und Jugendlichen aus armenoder schwierigen Verhältnissen dieMöglichkeit schafft, in einer fami-liären Gemeinschaft zu leben undsich in sozialer, spiritueller undschulischer Hinsicht zu entwickeln.Benposta wurde im Jahre 1956 vonPadre Jesus Silva Méndez in Ouren-se, Spanien, gegründet und existiertinzwischen in drei Ländern. Im letz-ten Jahr erfuhr ich bei einem Treffender Freunde von Benposta in Bo-chum, dass Benposta Venezuela einerecht erfolgreiche Zirkusschule hat-te, bei der meine Tätigkeit alsJongleur sicher auf fruchtbaren Bo-den fallen würde. Sie war 1990 vonJuan Carlos González ins Leben ge-rufen worden, der selbst seine Ju-gend in der Zirkusschule von Ben-

posta in Spanien verbrachte. Als ein-zige Zirkusschule von Venezuelahatte sich Benposta in Vargas, demRegierungsbezirk an der Küstenördlich der Hauptstadt Caracas, ei-nen Namen gemacht. Bei verschie-denen Festen, wie zum Beispielbeim „Internationalen Tag des Kin-des“, präsentierten die jungen Arti-sten, was sie gelernt hatten. Aberwas bis vor drei Jahren noch einebeispielhafte Gruppe von Akrobatenund Jongleuren war, ist im Dezem-ber 1999 mit der schweren Flutkata-strophe in Venezuela förmlich weg-geschwemmt worden. Bis dahinwohnten und trainierten bis zu 140Kinder in dem Haus von Benposta,das auf einem Hügel idyllisch amFuß des Nationalparks „El Avila“liegt. Täglich waren für sie zweiStunden Training in Akrobatik undJonglage unter professioneller An-leitung vorgesehen. Das Gebäudeund die Kinder blieben von den Flu-ten glücklicherweise verschont, al-lerdings wurde die Zufahrtsstraßezerstört, so dass das Haus aufgrundseiner Hanglage von den Kindern

nicht mehr erreicht werden kann.Zusätzlich wurde nach der Evaku-ierung das Haus geplündert und eingroßer Teil des Jongliermaterialsging verloren. Die Lebensgemein-schaft musste aufgelöst werden undes konnte nur eine dürftige Notlö-sung in einem Armenviertel auf-rechterhalten werden. Ich hatte fürmein Projekt fünf Wochen, vom8.Juni bis zum 13. Juli 2002, einge-plant, in denen ich in Benposta vorOrt leben und arbeiten wollte. Dazusammelte ich vor meinem AbflugMaterial- und Geldspenden, die ichdann direkt übergeben konnte. DieLeute von Benposta haben michherzlich am Flughafen empfangen.Nach einer kurzen Akklimatisati-onsphase, auch hinsichtlich meinerSpanischkenntnisse, die dort für soein Vorhaben unerläßlich sind, saßenwir auch schon bei einem kühlenGetränk zusammen. Ein Schock fürmich war, dass nach fast drei Jahrenüberall die Spuren der Zerstörungnoch so deutlich zu sehen sind, auchdie Zufahrtsstraße und das Haus vonBenposta konnten noch nicht wie-

Das Haus von Benposta mit der zerstörtenZufahrtsstraße

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derhergestellt werden, da die finan-ziellen Mittel fehlen. Und es gab im-mer noch keine funktionierende Zir-kusgruppe. Mit Juan Carlos Gon-zález erstellte ich einen Plan überdie möglichen Aktivitäten. Als „pro-fesor de malabares“ (Jonglierlehrer)gab ich im Namen von Benposta inden zwei großen örtlichen Kultur-zentren jeweils eine Woche lang je-den Nachmittag einen Workshop füralle interessierten Kinder und Ju-gendlichen aus den umliegendenArmenvierteln. Die Kurse warensehr gut besucht. Es war gar nichtso einfach, die Teilnehmer in derfremden Sprache in Zaum zu hal-ten, aber mit Hilfe von Roque Mar-tinez, der selber in Benposta aufge-wachsen ist, konnte ich meine Jon-glierkenntnisse weitergeben und ei-ne Abschlussvorstellung auf dieBeine stellen, wovon auch in der lo-kalen Presse berichtet wurde. Zu-sätzlich gab ich Workshops in derSchule von Benposta. So konnte ichnicht nur bei den Kindern und Ju-gendlichen Begeisterung für dieJonglage und die Zirkusschulewecken, sondern auch das Interesseund Verständnis der Lehrer gewin-nen. Durch einige Jonglierstundenam Nachmittag mit den bereits bes-seren Jongleuren von Benpostakonnte die Grundlage für die erstenöffentlichen Auftritte gelegt werden.Jonglieren ist in Venezuela bei Wei-tem nicht so verbreitet wie in Euro-pa, übt jedoch natürlich trotzdemauf alle große Faszination aus. Ichkam mir teilweise vor wie ein Jon-glier-Missionar. Während meinesAufenthaltes konnte ich außerdemzwei weitere Einrichtungen vonBenposta in der Nähe von Maracai-bo kennenlernen. Obwohl der Bun-desstaat mit seinen Erdölschätzender reichste von ganz Venezuela ist,gibt es für die indianische Bevölke-rung so wenig zu Essen, dass Kinderverhungern und an eigentlich heil-baren Krankheiten sterben. Fürmich war es schockierend, die mise-rablen Lebensbedingungen kennen-zulernen; gleichzeitig war es eingutes Gefühl, mit meinem Auftritt

die Kinder wenigstens für eine kur-ze Zeit aus ihrer Welt entführen zukönnen. Es war klar, dass ich mitmeiner Arbeit nicht die Welt verän-dern kann, aber ich konnte helfen,den Anstoß für den Wiederaufbauder Zirkusschule zu geben. Mit vielMotivation und ausreichendem Ma-terial findet zur Zeit wenigstens ein-mal wöchentlich ein Training stattund die nächsten Auftritte sind ge-plant. Zu guter letzt möchte ich andieser Stelle herzlich Dank für die

großzügigen privaten Geldspendenund die Materialspenden von Balla-balla, Henrys und Pappnase aus-sprechen, ohne die keine vernünfti-gen Jonglierkurse stattfinden hättenkönnen. Bei Benposta-Venezuelawird noch viel Hilfe benötigt. Werdas Projekt weiter kennenlernen undunterstützen möchte, findet weitereInformationen im Internet oder di-rekt bei mir:Peter Rupprecht, [email protected], Tel.: +49 9131 303704

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Jonglierkurs (mitPeter Rupprecht) inder Schule von Ben-posta

Jongliervorstellungfür die armen Kinderin Los Frailes

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Bei den Fragen: Wer hat einenRuf bekommen? Wer nimmt

an? Lehnt ab? Geht? Bleibt?Kommt? geht es um nichts wenigerals die nach außen hin sichtbareAttraktivität unserer Universität.Gute Leute mag man gerne gewin-nen oder an sich binden. Erfreulichist es, wenn Nachwuchswissen-schaftler der eigenen Universitätanderswo ein Unterkommen fin-den. Gerade dieser letzte Aspekt istzweifellos auch ein Ausweis derwissenschaftlichen Potenz einerUniversität und könnte - neben an-dern Parametern wie eingeworbene

Drittmittel, Zahl der ausländischenStudierenden und insbesondere derA.v.Humboldt-Stipendiaten - dazudienen, den Rang unserer Univer-sität als „Forschungsuniversität“präziser zu bestimmen und deutli-cher sichtbar zu machen. Wir haben deshalb in den zurück-liegenden Monaten versucht, durchArchivstudium und Befragung derFakultäten einen ersten Überblicküber die Wegberufungen vonNachwuchswissenschaftlern unse-rer Universität zu bekommen. DieListe ist sicher noch unvollständigund mit Mängeln behaftet, aber siegibt doch einen ersten - für manchesicher überraschenden - Eindruck.Fragen, die bei der Erstellung derListe aufgetaucht und noch nichtabschließend beantwortet sind,mithin der weiteren Diskussion be-dürfen, sind z.B.: Welche der ander UBT erworbenen Qualifikatio-nen sollen als Kriterium der Zu-gehörigkeit gelten, Promotion oderHabilitation, oder beide zusam-men? In unserer Aufstellung sinddiejenigen nicht erfasst, die hierpromoviert wurden, aber an einerandern Universität habilitiert; hin-gegen erscheinen diejenigen, diehier habilitiert wurden, auch wennsie mit einer Promotion von einer

andern Universität kamen. Wie sollman die Positionen an ausländi-schen Universitäten mit deutschenProfessuren (C 3, C 4) verglei-chen? Wie die Professuren anFachhochschulen bewerten? Wiedie neuen Juniorprofessuren? Beider Angabe der Universität, an diewegberufen wurde, steht in der Re-gel der Name der ersten Univer-sität; einige der Namen auf unsererListe haben die Universität seithergewechselt und sind dabei in höhe-re Positionen (z.B. von C 3 nach C4) aufgerückt. Doch auch in ihrer jetzigen, not-wendigerweise noch unvollkom-menen Form, ist die Liste schonrecht aussagekräftig: Sie zeigt ein-drucksvoll, dass die Universität inden 27 Jahren ihres Bestehens (da-von muss man ca. 10 Jahre als„Anlaufzeit“ für die Ausbildungdes wissenschaftlichen Nachwuch-ses abziehen) gute Arbeit geleistetund weit über 100 der hier ausge-bildeten Nachwuchswissenschaft-ler an in- und ausländische Univer-sitäten abgegeben hat. Zusammenmit den ehemaligen A.v.Hum-boldt- und DAAD-Stipendiatenbilden sie ein weltweites Netzwerkvon „Ehemaligen“. Zweifellos ließen sich diese Ergeb-

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der

Nachwuchs-

wissenschaftlerJános Riesz, Robert Debusmann

Zu den spannendsten und mitgrößtem Interesse verfolgten Vor-gängen an unserer Universitätgehören zweifellos die Rufe ande-rer Universitäten an BayreutherWissenschaftler und die Rufe anauswärtige Wissenschaftler nachBayreuth. TOP 3 in den Senatsun-terlagen lautet stets: „DerzeitigerStand der Berufungsverfahren“.UBT aktuell beginnt auf der erstenSeite mit der Spalte: „Kommenund gehen“. In Forschung undLehre, dem Monatsmagazin desHochschulverbandes, gehören dieSeiten „Habilitationen und Beru-fungen“ zum festen Bestand.

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„Wegberufungsbilanz“„Wegberufungsbilanz“

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Wegberufungen von Mitarbeiter(inne)ndes UBT-Mittelbaus seit 1980

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Page 59: 3/02 sp ektrum - CORE

nisse noch verbessern: Wir kennenz.B. eine Reihe von Fällen auslän-discher Nachwuchswissenschaft-ler, die ihre für die Promotion oderHabilitation relevanten Forschun-gen an der Universität Bayreuthund unter der Leitung eines hiesi-gen Professors durchgeführt haben,während das formale Verfahren derPromotion oder Habilitation an ei-ner ausländischen Universität statt-fand, z.B. wegen der für sie ungün-stigen Promotions- oder Habilitati-onsordnungen oder wegen Schwie-rigkeiten einer Anerkennung derhier erworbenen Qualifikation in

ihrem Herkunftsland. Hier könntedurch die Möglichkeit einer Co-tu-telle de thèse und die Änderungunserer z.T. abschreckenden Re-glements noch einiges verbessertwerden. Ihre vollständige Aussagekraft ge-winnt eine solche Tabelle erst,wenn sie mit entsprechenden Auf-stellungen anderer Universitätenverglichen werden kann. Vielleichtwäre dies eine Anregung an dieBayerische Rektorenkonferenzwert. An die Fakultäten und Lehr-stühle der Universität Bayreuth er-geht die herzliche Bitte, uns bei der

Vervollständigung und Aktualisie-rung dieser Liste weiterhin behilf-lich zu sein. Gerade weil die ersteGeneration der hier tätigen Profes-soren in diesen Jahren aus dem ak-tiven Dienst ausscheidet, bestehtdie Gefahr, dass wichtige Informa-tionen aus diesem Bereich nichtmehr ohne weiteres verfügbar sind.

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Die Kinder konnten ihre Wün-sche und Vorstellungen zeich-

nerisch und verbal äußern. Um einmöglichst vollständiges Bild zu ge-winnen, baten die Forscher dieKinder, ihre Zeichnungen nachKlassenzimmerunterricht, Pausen-hof und Sportunterricht zu diffe-renzieren. So entstanden nahezu1200 Kinderzeichnungen, die - zu-sammen mit den Interviews - Auf-schluss darüber geben, wie sich derAusweg aus der Bildungs- und Ge-sundheitsmisere aus der Kinder-perspektive darstellt.Blickt man zunächst auf die Ergeb-nisse zum Sportunterricht, so zeigtsich, dass die Kinder dem Bewe-gungslernen durchweg hohe Be-deutung beimessen. Dabei machensie im Hinblick auf die Lerninhaltefacettenreiche Vorschläge, die vontraditionellen Schulsportarten überangesagte Freizeitaktivitäten bis zufantastischen Aktionsspielräumenreichen. Besondere Aufmerksam-keit verdienen die kindlichen Vor-stellungen von den Lernbedingun-gen: Kinder wünschen sichFreiräume, in denen sie selbst be-stimmen dürfen, was sie lernen undwie sie es lernen möchten; Kinderwünschen sich Zeit zum Üben,weil Können Spaß macht; Kinder

wünschen sich kompetente Sport-lehrer, die Verständnis für Fehlerund Schwächen haben und die un-terstützen, anstatt zu sagen: Dasund das kannst du nicht.In der Betrachtung der Ergebnissezum Pausenhof fällt auf, dass Kin-der Wert auf eine lange Pause le-gen - gegebenenfalls um den Preis,dass sich damit die Vormittags-schulzeit verlängert. Die Pausen-höfe sollen vielfältig mit attrakti-ven Bewegungs-, Spiel- und Sport-gelegenheiten ausgestattet sein.Die Funktionen der Pause bestehenfür Kinder im Spielen, Austobenund Ausruhen, damit - so argumen-tieren sie selbst - man ansch-ließend, wenn man wieder etwaslernen will, nicht mehr so zappeligist und besser aufpassen kann.Wieder wird auch in diesem Schul-bereich deutlich, dass Kinder es fürwichtig halten, in der Schule Zei-ten zu haben, in denen sie über ih-re Aktivitäten selbst bestimmendürfen. Begleitstudien des Bay-reuther Teams zeigen in diesemZusammenhang, dass sich vieleKinder in der Pause relativ mehr,vielseitiger und intensiver bewe-gen als im Sportunterricht. Darausgeht hervor, dass es in erster Liniedarauf ankommt, Freiräume zuschaffen, wenn man dem Bewe-gungsmangel von Kindern in derSchule begegnen möchte. Das Er-leben dieser Freiräume wirkt sichdann wiederum positiv auf dieLernbereitschaft und Konzentrati-onsfähigkeit der Kinder aus. Des-halb bedauern sie es auch sehr,wenn Lehrkräfte in der Pause ihrenHandlungsspielraum einschränkenund uns dauernd den Ball wegneh-

men oder sagen, dass wir hier nichtrennen sollen. Diesen Lehrkräftenwürden sie statt dessen verordnen,dass die auch mal mitmachen sol-len, nicht bloß rumstehen, denn diesollen ja auch mal Spaß haben,nicht immer bloß Unterricht undso.Die Äußerungen der Kinder zei-gen, dass sie sich mehr Handlungs-und Gestaltungskompetenz zutrau-en als ihnen in der Regel zugetrautwird. Besonders deutlich wird diesin den Ergebnissen zum Klassen-zimmerunterricht.Die Kindervorstellungen von ei-nem Klassenzimmerunterricht mitausgewogenen Lern- und Bewe-gungsbedingungen lassen sich indrei Prinzipien bündeln: Bewe-gungsfreiheit am Arbeitsplatz,Wechsel von Arbeits- und Bewe-gungsphasen, Verknüpfung vonLernen und Bewegung. Für ihreentsprechenden Bildmotive lieferndie Kinder anschauliche und plau-sible Begründungen: Zum ThemaBewegungsfreiheit meint Philip(10 Jahre), dass man halt da nichtimmer so still dasitzen muss, son-dern dass man sich da auch mal einbisschen bewegen kann und so hin-setzen kann, so gemütlich, wie ichjetzt hier sitze. Für Stefanie (10)wäre es wichtig, dass man manch-mal aufstehen dürfte und rausge-hen darf ein paar Minuten. Nina(10) würde es reichen, einfach sorumzulaufen, also etwas mehr Be-wegungsfreiheit zu bekommen.Auch Kevin (8) fände das gut, aberes wäre halt für die anderen auchwieder ablenkend. Kinder schätzenalso auch die Problematik der Be-wegungsfreiheit realistisch ein.

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Was Kinder bewegt

Peter Kuhn

In einer Zeit, da PISA und diverse Gesundheitssurveysden Eindruck erwecken, dass es weder um die geistigenoch um die körperliche Gesundheit unserer Kinder gutbestellt ist, legt eine Bayreuther Forschergruppe be-merkenswerte Ergebnisse vor. Das zwölfköpfige Teamunter der Leitung des Sportwissenschaftlers Dr. PeterKuhn untersuchte in den letzten vier Jahren insgesamtvierhundert Kinder. Dabei ging es um die Frage, wiesich Kinder ihre Schule vorstellen, wenn es die Mög-lichkeit gäbe, Lernen mit Bewegung zu verknüpfen.

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Klassenzimmerunter-richt, Pausenhof undSportunterricht

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Dies zeigt sich auch in der Beurtei-lung von Sitzbällen, die in diesemZusammenhang ein besondere Rol-le spielen: Benjamin (9) würde fol-gendes mit seinem Lehrer aushan-deln: Ich tät ihm sagen, das könnenwir mal ausprobieren, und wenn esnicht klappt, dann bleiben wir beiden Stühlen. Oder wir können esauch so machen, die, die mit denBällen keinen Schabernack ma-chen, dass die die Bälle behaltenkönnen und die, die halt Schaber-nack treiben, halt denen die Bällewegnehmen. Zur Begründung re-gelmäßiger Bewegungspausenmeint Florian (11), Bewegungs-pausen haben deswegen einen gut-en Sinn, weil dann wird einmal dasGedächtnis ein wenig heller undauf der anderen Seite ist es auchgut für den Körper, weil die Mus-keln trainiert werden. Melanie (8)ist der Auffassung, wenn man im-mer bloß so krumm sitzt, dannkann man ja auch nicht denken.Katharina (10) braucht Bewe-gungspausen, damit man wiederein freies Hirn hat, einfach damitman ein bisschen Bewegung hat,sonst rostet man ja ein. Robert (10)findet Bewegung gut, weil mansich da austoben kann und dass wiraufwachen sozusagen. Daniel (12)schließlich ist überzeugt, wenn wirein bisschen mehr Spiele machenwürden, da hat man auch mehrLust zum Lernen. Und schließlichsoll Michael zu Wort kommen. DerZehnjährige konzipiert ein komple-xes Projekt für dien Sachunterrichtund gibt damit Antwort auf vieleFragen, die PISA aufgeworfen hat:Also, dabei habe ich gedacht, dass

man auch Unter-richt in freier

Natur machen

kann und dass man auch, wennman im Heimat- und Sachkundemacht, auch rumlaufen kann undzeigen kann, wie das und das gehtund dann Sachen untersucht undder Lehrer uns das erklärt, wie dasentstanden ist und dass wir auchein bisschen rechnen, wie vielWasser den Bach runterfließt, dassman das irgendwie messen kannmit Geräten. Oder vom Zweig,dass man den abschneidet vomBaum, und dann die Blätter zähltund dann ungefähr ausrechnet, wieviele so ein kleiner Busch hat, soein kleiner Baum. Und dann könn-te man das auch verbinden mit demUnterricht und dem Sport, dass wirso durch den Ort joggen und dannder Lehrer immer was erklärt. Mankönnte das auch zusammentun,zum Beispiel Basketball spielen,und wenn der Lehrer fragt, wenndu jetzt fünf Meter weit weg stehstund dann, wenn der andere kommtund Du gerade werfen willst, wielange braucht der Sowieso, wennder andere ankommt, und wie lan-ge braucht der Ball, bis er in denKorb geht. Oder so Sachaufgaben,zum Beispiel, wenn der Ball in ei-ner Sekunde der Minute soviel auf-springt, wie oft springt er dann inder Stunde auf, wenn einer das un-unterbrochen macht. Und wennman dann eine Runde läuft, dassman dann sagt, wie viel Kilometer

sind wir jetzt gelaufen und wieviele Dezimeter sind das jetztinsgesamt. Oder wir machen

eine

Malrechnung, und wenn wir dannden Weg wieder zurück joggen,wie viel sind wir dann insgesamtgelaufen. Finde ich dann schöner,und dann könnte man auch denSport und den Unterricht so zusam-mentun und dann ist der Unterrichtauch gut.Aus den Ergebnissen leiten dieBayreuther Forscher eine zusam-menfassende These ab: Wenn Kin-der über die Gestaltung ihrer Schu-le zu entscheiden hätten, so wür-den sie einen Lernraum ent-wickeln, der die Prinzipien Bewe-gungsfreiheit, Handlungsorientie-rung und Selbstbestimmung inte-griert. Die flächendeckende Kon-zipierung entsprechender Schul-projekte dürfte sich im Hinblickauf eine ganzheitliche Bildung alsvielversprechend erweisen.

Kontakt:Dr. PeterKuhn, Universität Bay-reuth, Institut für Sportwissenschaft, +49 921 553469,[email protected]

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Das Bayerische Staatsministeri-um für Wissenschaft, For-

schung und Kunst unterstützt dasVorhaben und stellt nun dem Ver-bund aus sieben Teilprojekten rund1,9 Mio. Euro zur Verfügung, da-von 565.000 Euro für den von Pro-fessor Brüggemann geleiteten Bay-reuther Lehrstuhl. Dort werden inzwei Teilprojekten die Lasermess-technik und die numerische Simu-lation weiterentwickelt und einge-setzt, um die Gemischbildung beiflüssigen Brennstoffen gezielt zuverbessern. Dies ist beispielsweisefür moderne Diesel- und Benzin-motoren mit Direkteinspritzungvon großem Interesse. Die experimentellen und numeri-schen Forschungsarbeiten sollensich zunächst über drei Jahre er-strecken und sind bewusst grundla-genorientiert ausgelegt. Der For-schungsverbund geht jedoch davonaus, dass sich bereits im kommen-den Jahr Industriepartner an weite-ren Teilprojekten beteiligen möch-

ten, um die erzielten Fortschrittefür ihre jeweiligen, recht unter-schiedlichen verbrennungstechni-schen Anwendungen zu nutzen.Hintergrund der Forschung Ener-gieversorgung, deren größter Teilauf der Verbrennung fossilerBrennstoffe wie Erdgas, Erdöl undKohle beruht. Ein wichtiges Zielist dabei, die kostbaren Energieträ-ger möglichst effizient zu nutzenund zugleich den Ausstoß vonSchadstoffen und klimabeeinflus-senden Gasen gering zu halten. Be-sonders bei Anwendungen wieKraftfahrzeugmotoren, Gasturbi-nen, Heizungsbrenner und Feue-rungen hat man in dieser Hinsichtbereits ein hohes technisches Ni-veau erreicht. Um weitere technische Fortschrittezu erzielen, ist es erforderlich, dieVerbrennungsabläufe noch besserals bisher zu verstehen, zu messenund rechnerisch vorherzusagen.Die Lösung dieser Aufgaben ist be-sonders schwierig, weil in techni-schen Anwendungen die Verbren-nung meist in turbulenten, nahezuregellos erscheinenden Strömun-gen stattfindet. Dennoch bestehen gute Aussich-ten, in den nächsten Jahren erhebli-che Fortschritte zu erzielen. Hier-bei sind vor allem zwei moderneHilfsmittel vielversprechend: Zumeinen erlauben optische, meist la-sergestützte Messtechniken einenunmittelbaren Einblick in die Ver-brennungsabläufe; zum anderen er-möglichen verbesserte Modelle in

Verbindung mit Höchstleistungsre-chenanlagen eine detaillierte Com-putersimulation.Die derzeit zur Verfügung stehen-den Methoden sind bereits hilf-reich, genügen vielfach jedochnoch nicht, um die Verbrennunggezielt zu optimieren. So müssenauf der experimentellen Seite dieheutigen Messverfahren verbes-sert, erweitert und miteinanderkombiniert werden, um noch aus-sagekräftigere Daten zu erhalten.Auf dem Gebiet der Computersi-mulation müssen die tatsächlichenStrömungs- und Verbrennungsab-läufe zwar weiterhin modellhaft,jedoch detaillierter als bisher be-schrieben werden. Hierzu geltenAnsätze zur Turbulenzmodellie-rung wie die sogenannte Large Ed-dy Simulation (LES) als besondersaussichtsreich.Der von Professor Brüggemann in-itiierte und koordinierte VerbundFORTVER ist Mitglied der Ar-beitsgemeinschaft der BayerischenForschungsverbünde (abayfor).Durch diese werden die Aktivitätender bayerischen Hochschulen be-sonders effektiv gebündelt und ver-netzt, um so den Forschungsstan-dort Bayern weiter zu stärken undsichtbar zu machen.

Turbulente

Jürgen Abel

Um auf dem technisch wichtigen Gebiet der Verbren-nungsforschung grundlegenden Fortschritte zu erzie-len, haben sich Ingenieurwissenschaftler der Univer-sitäten in Bayreuth, Erlangen und München zu einemneuen Bayerischen Forschungsverbund "TurbulenteVerbrennung" (FORTVER) zusammengeschlossen. Dervon ihrem Sprecher, Professor Dr.-Ing. Dieter Brügge-mann (Lehrstuhl Technische Thermodynamik undTransportprozesse) vorgelegte gemeinsame For-schungsantrag wurde von einer international besetztenExpertenkommission begutachtet und sehr positiv be-wertet.

Verbrennung

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Das neue eingerichtete Zen-trum soll sich deshalb der

Aufgabe widmen, den mathemati-schen, naturwissenschaftlichen so-wie technischen Unterricht zu för-dern und Schule und Gesellschaftwieder vermehrt in die naturwis-senschaftlich-technische For-schung einzubeziehen. Es soll Er-kenntnisse, Bewertungen und Pro-blemlösungen an Bildungseinrich-tungen und die allgemeine Öffent-lichkeit vermitteln, Fortbildungs-veranstaltungen organisieren unddie Weiterqualifizierung von Lehr-kräften ermöglichen.Das Konzept der Universität gehtdavon aus, dass insbesondere dieFächer Mathematik, InformatikNaturwissenschaften (Chemie,Biologie und Geographie) undTechnik dringend gestärkt werdenmüssen, was durch eine Zusam-menarbeit der jeweiligen Fachwis-

senschaften mit ihren Fachdidakti-ken sowie den Erziehungswissen-schaften (Pädagogik und Psycho-logie) im Rahmen des Zentrumserfolgen soll.

Vier Hauptziele sieht das Kon-zept des Zentrums vor: Zunächst soll der mathematisch-naturwisschenschaftliche Unter-richt einschließlich Technik undInformatik dadurch gefördert wer-den, dass das Z-MNU die fachdi-daktische Kompetenz für die Aus-wahl, Konzeption, Durchführungund Abstimmung von Forschungs-projekten bündelt. In der Lehresollen fachbezogene und fächerü-bergreifende Themen in gemeinsa-men Lehrveranstaltungen beispiel-haft erarbeitet werden, und manhält die Kooperation benachbarterFachdidaktiken und Fachwissen-schaften in diesem Zusammenhangfür besonders bedeutsam.Zweitens sollen Informations- undKommunikationstechnologien ge-fördert werden. Dazu sollen imZentrum Möglichkeiten und Gren-zen des Einsatzes von Multimedia-Programmen erforscht, ihre Wech-selwirkungen mit den klassischenPrint-Medien untersucht und dieWirksamkeit der Medien im Un-terricht erörtert werden. Eine wei-tere Aufgabe ist die Konzeptionund Entwicklung multimedialerLehr- und Lerninhalte.Drittens ist die Fort- und Weiter-bildung als lebensbegleitendes

Lernen nicht nur integraler Be-standteil zukunftsorientierter Bil-dungskonzepte, sondern auch desZ-MNU. Gegenwärtige Fort- undWeiterbildungskonzepte sollendeshalb weiterentwickelt werden.Es sollen daher neben den beste-henden Fortbildungsveranstaltun-gen fachliche und didaktisch-me-thodische Fortbildungen durchMitglieder des Zentrums in derUniversität bzw. an Schulen ange-boten werden, wobei die FächerMathematik, Informatik, Natur-wissenschaften und Technik imVordergrund stehen. EffizientereUnterrichtsformen sollen dazu ent-wickelt, erprobt und anschließendflächendeckend verbreitet werden.Die erste Ausbaustufe des Zen-trums soll von den bestehendenRessourcen der Universität abge-deckt werden. Mitglieder des Zen-trums sind die Inhaber der Lehr-stühle für Mathematik und ihre Di-daktik, Professor Dr. Peter Baptist,und für Didaktik der Biologie, Pro-fessor Dr. Siegfried Klautke, diedas Zentrum leiten. Außerdemgehören die Akademische Ober-rätin Dr. Sigrid Weber (Didaktikder Physik) und der AkademischeOberrat Walter Wagner (Didaktikder Chemie) sowie der Bereich Di-daktik der Geographie zu den"Gründungsmitgliedern" des neu-en Zentrums. Für den Zeitraum2005/2006 ist eine zweite Ausbau-stufe geplant.

BildungsdefiziteJürgen Abel

Ein Zentrum zur Förderung desmathematisch-naturwissenschaftli-chen Unterrichts (Z-MNU) wirdjetzt an der Universität Bayreutherrichtet. Das Bayerische Wissen-schaftsministerium genehmigtekürzlich einen entsprechenden An-trag der oberfränkischen Hoch-schule. Die Errichtung des Zen-trums ist eine mögliche Antwortauf zunehmend sichtbare Defiziteim mathematisch-naturwissen-schaftlichen Bildungsbereich, wiesie etwa durch die PISA-Studie be-legt wurde.

ZZ-MNU-MNUgegen

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