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SONDERDRUCK Zeit und Heimat 11. November 1993 . Nr. 3 Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur 36. Jahrgang von Stadt und Kreis Biberach Seit 1924 Beilage der "Schwäbischen Zeitung" Ausgabe Biberach an der Riß 1930-1934: Ein Versuch, der weit in das Kreisgebiet hinein wirkte Häusern - Beispiel gemeinschaftlich genutzter Maschinen Von Dr. Max Flad, Leinfelden-Echterdingen Der hoch über dem Rißtal gelegene Weiler Häu- sern, Gemeinde Ummendorf, war vor 60 Jahren im Munde vieler Menschen, lief doch dort der von Pro- fessor L. Münzinger, Hohenheim, initiierte Ver- such, mittels einer Maschinengenossenschaft die Nachteile der mittelbäuerlichen Landwirtschaft zu beheben und das Leben der Bäuerinnen zu erleich- tern. Zu Beginn der dreißiger Jahre war die Lage der Bauern katastrophal. Weltwirtschaftskrise und Ar- beitslosigkeit führten zu niedrigen Erzeugerprei- sen; viele landwirtschaftliche Betriebe gerieten in Liquiditätsschwierigkeiten. Der Milchpreis sank von 16 Pfennig je Liter Milch (1927) auf unter 9 Pfennig im Jahr 1932. Einzelne Weichkäsereien zahlten noch weniger aus. Bei der dadurch beding- ten Kapitalarmut war es nicht verwunderlich, daß die Motorisierung der Landwirtschaft, welche in den angelsächsischen Ländern schon weit verbrei- tet war, in Deutschland kaum Eingang fand.' Nur Großbetriebe, vor allem im Norden und Osten von Deutschland, verfügten über eisenbereifte Schlep- per. In Oberschwaben war dagegen die Bewirt- schaftung mit Pferden vorherrschend. Professor Münzinger wählte für seinen Versuch ein kleines Dorf mit wenigen Bauern, dessen Ge- markung sich für eine Mechanisierung eignete und dessen Flur schon feldbereinigt war: eben Häusern, wo 1921/22 eine Feldbereinigung durchgeführt worden war. Es war wohl auf Kontakte Münzingers zum Stuttgarter Landtag zurückzuführen, daß er sich am 16. April 1930 brieflich an Josef Köberle wandte, der damals als jüngster Abgeordneter das Oberamt Biberach im Parlament von Württemberg vertrat. Ihm schrieb er von seinem Vorhaben, wobei er darauf hinwies, es wäre unmöglich, "eine solche Untersuchung zu machen, wenn einzelne Mitglie- der der Gemeinde unter sich uneinig wären oder wenn aus irgendwelchen Gründen Zwietracht herrsche". Anscheinend war dies in Häusern nicht der Fall. Schon wenige Tage später kündigte Kö- berle Bereitschaft für den Versuch an, und bereits Ende Juni traf Münzinger in Häusern zu einer Ortsbesichtigung ein. Der Lebensweg von L. Münzinger mag erhellen, was ihn zu seinem Versuch bewog. Nach wechseln- den Tätigkeiten - Wirtschaftsassistent in Hohen- 66 heim, Landwirtschaftslehrer in Hessen und Vo- lontärassistent an der Versuchs station in Darm- stadt - übernahm er die Stelle eines Güterdirektors bei Graf Waldstein, einem indirekten Nachkom- men Wallensteins, dessen riesiger Besitz in Böhmen 50000 Hektar umfaßte. Nach dem Tod des Grafen und gewissen Auseinandersetzungen mit einem neu eingesetzten Zentraldirektor gab Münzinger diese Position auf und verbrachte weitere Jahre als Güteradministrator in Mähren, Ungarn und Rumä- nien. In 13 schwierigen Jahren hatte er im Ausland reiche Erfahrungen in der Verwaltung großer Güter gesammelt und die Vorteile einer großflächigen Landbewirtschaftung kennengelernt, als ihn 1922 im Alter von 46 Jahren ein Ruf nach Hohenheim er- reichte. Hier wurde ihm der Lehrstuhl für Wirt- schaftslehre des Landbaus angeboten, zu dem auch die Leitung des Gutsbetriebs und der Garten- und Ackerbauschule gehörte. Münzinger war nun mehr gezwungen, sich mit Fragen der klein- und mittel- bäuerlichen Landwirtschaft im Süden von Deutschland auseinanderzusetzen. Zahlreiche Un- tersuchungen darüber, die er in die Wege leitete, er- brachten für ihn als wichtigstes Ergebnis die Tat- sache der Unterbewertung der bäuerlichen Arbeit und jene der Arbeitsüberlastung der Bäuerin. Professor Münzinger sondierte zuerst, welche Einrichtungen neben seinem eigenen Institut in Frage kommen könnten, die Untersuchungen in ei- nem Dorf ideell und finanziell zu unterstützen. Er bat das Reichskuratorium für Technik in der Land- wirtschaft (RKTL) in Berlin, "ein kleineres Dorf mit notwendigen Maschinen auszustatten, mit dem Ziel, die Arbeitslast von Bauer zu Bäuerin zu mil- dern, die Arbeitsmethoden zu verbessern und einen größeren Arbeitseffekt zu erzielen". Das Reichsku- ratorium gab trotz schwieriger Haushaltslage eine zustimmende Antwort, ebenso der Verband der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) un- ter Leitung von Direktor Pirrung, Biberach. Während das Kuratorium die Maschinen für die Außenwirtschaft zur Verfügung stellte, handelte es sich bei den Gegenständen der OEW vorwiegend um Hilfen für die Bäuerinnen von Häusern. Das Hohenheimer Institut aber arbeitete einen Plan aus, wie am besten die beabsichtigten Maschinen und Geräte genutzt werden könnten. Vorgesehen war als Voraussetzung für den Ein- satz des eisenbereiften Bulldogs eine Zusammen-

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  • SONDERDRUCK

    Zeit und Heimat11. November 1993 . Nr. 3 Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur36. Jahrgang von Stadt und Kreis Biberach

    Seit 1924 Beilage der "Schwäbischen Zeitung"Ausgabe Biberach an der Riß

    1930-1934: Ein Versuch, der weit in das Kreisgebiet hinein wirkte

    Häusern - Beispiel gemeinschaftlichgenutzter MaschinenVon Dr. Max Flad, Leinfelden-Echterdingen

    Der hoch über dem Rißtal gelegene Weiler Häu-sern, Gemeinde Ummendorf, war vor 60 Jahren imMunde vieler Menschen, lief doch dort der von Pro-fessor L. Münzinger, Hohenheim, initiierte Ver-such, mittels einer Maschinengenossenschaft dieNachteile der mittelbäuerlichen Landwirtschaft zubeheben und das Leben der Bäuerinnen zu erleich-tern.Zu Beginn der dreißiger Jahre war die Lage der

    Bauern katastrophal. Weltwirtschaftskrise und Ar-beitslosigkeit führten zu niedrigen Erzeugerprei-sen; viele landwirtschaftliche Betriebe gerieten inLiquiditätsschwierigkeiten. Der Milchpreis sankvon 16 Pfennig je Liter Milch (1927) auf unter 9Pfennig im Jahr 1932. Einzelne Weichkäsereienzahlten noch weniger aus. Bei der dadurch beding-ten Kapitalarmut war es nicht verwunderlich, daßdie Motorisierung der Landwirtschaft, welche inden angelsächsischen Ländern schon weit verbrei-tet war, in Deutschland kaum Eingang fand.' NurGroßbetriebe, vor allem im Norden und Osten vonDeutschland, verfügten über eisenbereifte Schlep-per. In Oberschwaben war dagegen die Bewirt-schaftung mit Pferden vorherrschend.Professor Münzinger wählte für seinen Versuch

    ein kleines Dorf mit wenigen Bauern, dessen Ge-markung sich für eine Mechanisierung eignete unddessen Flur schon feldbereinigt war: eben Häusern,wo 1921/22 eine Feldbereinigung durchgeführtworden war. Es war wohl auf Kontakte Münzingerszum Stuttgarter Landtag zurückzuführen, daß ersich am 16. April 1930 brieflich an Josef Köberlewandte, der damals als jüngster Abgeordneter dasOberamt Biberach im Parlament von Württembergvertrat. Ihm schrieb er von seinem Vorhaben, wobeier darauf hinwies, es wäre unmöglich, "eine solcheUntersuchung zu machen, wenn einzelne Mitglie-der der Gemeinde unter sich uneinig wären oderwenn aus irgendwelchen Gründen Zwietrachtherrsche". Anscheinend war dies in Häusern nichtder Fall. Schon wenige Tage später kündigte Kö-berle Bereitschaft für den Versuch an, und bereitsEnde Juni traf Münzinger in Häusern zu einerOrtsbesichtigung ein.Der Lebensweg von L. Münzinger mag erhellen,

    was ihn zu seinem Versuch bewog. Nach wechseln-den Tätigkeiten - Wirtschaftsassistent in Hohen-

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    heim, Landwirtschaftslehrer in Hessen und Vo-lontärassistent an der Versuchs station in Darm-stadt - übernahm er die Stelle eines Güterdirektorsbei Graf Waldstein, einem indirekten Nachkom-men Wallensteins, dessen riesiger Besitz in Böhmen50000 Hektar umfaßte. Nach dem Tod des Grafenund gewissen Auseinandersetzungen mit einemneu eingesetzten Zentraldirektor gab Münzingerdiese Position auf und verbrachte weitere Jahre alsGüteradministrator in Mähren, Ungarn und Rumä-nien. In 13 schwierigen Jahren hatte er im Auslandreiche Erfahrungen in der Verwaltung großer Gütergesammelt und die Vorteile einer großflächigenLandbewirtschaftung kennengelernt, als ihn 1922im Alter von 46 Jahren ein Ruf nach Hohenheim er-reichte. Hier wurde ihm der Lehrstuhl für Wirt-schaftslehre des Landbaus angeboten, zu dem auchdie Leitung des Gutsbetriebs und der Garten- undAckerbauschule gehörte. Münzinger war nun mehrgezwungen, sich mit Fragen der klein- und mittel-bäuerlichen Landwirtschaft im Süden vonDeutschland auseinanderzusetzen. Zahlreiche Un-tersuchungen darüber, die er in die Wege leitete, er-brachten für ihn als wichtigstes Ergebnis die Tat-sache der Unterbewertung der bäuerlichen Arbeitund jene der Arbeitsüberlastung der Bäuerin.Professor Münzinger sondierte zuerst, welche

    Einrichtungen neben seinem eigenen Institut inFrage kommen könnten, die Untersuchungen in ei-nem Dorf ideell und finanziell zu unterstützen. Erbat das Reichskuratorium für Technik in der Land-wirtschaft (RKTL) in Berlin, "ein kleineres Dorfmit notwendigen Maschinen auszustatten, mit demZiel, die Arbeitslast von Bauer zu Bäuerin zu mil-dern, die Arbeitsmethoden zu verbessern und einengrößeren Arbeitseffekt zu erzielen". Das Reichsku-ratorium gab trotz schwieriger Haushaltslage einezustimmende Antwort, ebenso der Verband derOberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) un-ter Leitung von Direktor Pirrung, Biberach.Während das Kuratorium die Maschinen für dieAußenwirtschaft zur Verfügung stellte, handelte essich bei den Gegenständen der OEW vorwiegendum Hilfen für die Bäuerinnen von Häusern. DasHohenheimer Institut aber arbeitete einen Planaus, wie am besten die beabsichtigten Maschinenund Geräte genutzt werden könnten.Vorgesehen war als Voraussetzung für den Ein-

    satz des eisenbereiften Bulldogs eine Zusammen-

  • fassung der Ackergrundstücke in große Schlägeunter Zugrundelegung einer Dreifelderwirtschaft,der Bau eines Maschinenschuppens für die gemein-sam zu nutzenden Maschinen, die Unterbringungeiner Bäckerei und Wäscherei samt einer Saatgut-reinigungsanlage .Nachdem mit dem Reichskuratorium und Pro-

    fessor Münzinger ein Treuhändervertrag über 5000Mark abgeschlossen war und die meisten Häuser-ner Bauern sich bereit erklärt hatten, die Maschi-nen um den genannten Betrag in fünf Jahren zuübernehmen, konnte mit dem Versuch begonnenwerden. Diese Erklärung unterschrieben von denzehn Bauern in Häusern acht: jene mit größeremGrundbesitz. Von den 216 Hektar Gesamtflächehatten sie 203 Hektar in Bewirtschaftung. ZweiBauern blieben dem Versuch zuerst fern, einerschloß sich ihm nach Versuchsende an.

    Abbau des PferdebestandsDafür kam ein Lanz-BulldoggDie Bauern von Häusern hatten einen sehr hohen

    Pferdebestand, der ihnen in Anbetracht derHöhenlage ihrer Gemarkung, der kurzen Vegeta-tionszeit und der Entfernung zum Hauptort undzur Bahn erforderlich schien. Im Verlauf des Ver-suchs wurde durch den Einsatz des gemeinsamenSchleppers der Pferdebesatz von 29 auf 19 redu-ziert. Mindestens 2 Pferde waren aber pro Einzel-betrieb auch noch nach Beendigung der Versuchs-periode vorhanden. Der Abbau des Pferdebestan-des bedeutete nach Berechnungen der Hohenhei-mer Betriebswirlschaftler einen Mehrertrag anVerkaufsware von etwa 6000 Mark jährlich. Mün-zinger, der auf Verringerung der Pferde drang,wollte die Zugtiere nicht insgesamt verdrängen,sondern nur das "überflüssige und nicht genügendausgenützte Pferd, das Luxuspferd" . Der neue, ei-senbereifte Bulldogg - ein Lanz mit 35 PS - warnur als Spitzenbrecher vorgesehen. Er wurde zumGrasmähen, Tiefpflügen, Scheibeneggen und zurGetreideernte in Verbindung mit einem Zapfwel-lenbinder für Transporte in das 100 Meter tiefer ge-legene Ummendorf benützt. Für den Gespannzugwaren neben einer Hackmaschine ein Karloffelro-der, eine Henderichspritze, ein Düngerstreuer von2,5 Meter Breite und eine neuzeitliche Cambridge-walze eingeplant. Die Pferde sollten also die leich-teren Arbeiten übernehmen.

    Lange ArbeitslinieAuf die Zusammenfassung der Einzelparzellen

    zu Schlägen bis zu 20 Hektar mit einer Frucht legteMünzinger besonderen Wert, da er von seinen Er-fahrungen her den Vorteil der "langen Arbeits-linie" kannte. In seinen Lebenserinnerungenräumte er allerdings ein, daß dies in Häusern, wodie einzelnen Grundstücke schon vor dem Versuchdurchschnittlich rund 1,2 Hektar groß waren, nichterforderlich gewesen wäre, wenn nicht anfänglichein eisenbereifter Schlepper mit seinem großenWendekreis eingesetzt worden wäre. Bei der Ge-treideernte mit dem Binder, bei welcher die Gren-zen der Grundstücke überfahren wurden, warendie Bauern bedacht, daß die jeweiligen Garben indie richtigen Scheunen kamen. Der ob des Frucht-folgezwanges gemachte Vorwurf, Münsinger macheaus Häusern einen Kolchosbetrieb und wolle "bol-

    schewistische Methoden" in Württemberg ein-führen, entbehrte jeglicher Grundlage.Die Anleitungen zur Durchführung des Versuchs

    im Außenbereich und die Beratung der Bauern beidieser viel Takt erforderlichen Aufgabe erfolgtedurch die Assistenten des Hohenheimer Instituts.Eng waren auch die Kontakte zu J. Köberle, der imOrt als Vorstand und Rechner die Hauptverantwor-tung trug." Alles wurde genau geregelt, so die Zu-sammensetzung des Aufsichtsrates und der Vor-standschaft, ferner die Benutzungsgebühren fürdie Maschinen der Genossenschaft sowie die per-sönlichen Zuständigkeiten für die Feldmaschinen,den Traktor, die Bäckerei, das Bad, die Wäschereiund die Getreidereinigungs- und Konservierungs-anlage.Während des Versuchs von 1930 bis 1934 wurde

    nach dem von Hohenheim vorgegebenen Fruchtfol-geplan gearbeitet. Die Bauern erkannten die ar-beitswirlschaftlichen und finanziellen Vorteile ei-ner großzügigen, genossenschaftlichen Feldbewirt-schaftung.Außerordentlich bewährt hatten sich auch im

    Versuch die Einrichtungen im Gemeinschaftshaus,die von den Oberschwäbischen Elektrizitätswer-ken angemietet waren, Münzinger schreibt hierzu:"Die Arbeitszeit und Kraft der Bäuerin wurde ammeisten in Anspruch genommen durch das Backen,vor allem das Teigkneten, das Waschen und dasMelken. Darum waren es in erster Linie eine Wä-schereianlage und ein Gemeindebackofen mitKnetapparat, deren Brauchbarkeit für den genos-senschaftlichen Betrieb untersucht werden sollte,und weiterhin wurde eine Anlage zum Konservie-ren von Fleisch und Gemüse beschafft." Geradediese Einrichtung erfreute sich in Kürze der Be-liebtheit. ,,92 Gemeinden der Umgegend beschaff-ten sich bis 1934 diesen Konservierungsapparat,nachem sie das Eindosen in Häusern ausprobierthatten." So wirkte der Weiler oberhalb von Um-mendorf weit ins Land hinaus. Auch Melkmaschi-nen - heute allgemein verbreitet - kamen in zweiStällen zur Anwendung.

    Häusern: deutschlandbekanntDer Versuch in Häusern lief über drei Jahre.

    Während dieser Zeit wurden von den in Hohen-heim abgestellten Kräften gen aue Beobachtungenüber den Arbeitsaufwand, die Roherträge, über Be-triebseinnahmen und -ausgaben sowie den jeweili-gen Betriebserfolg angestellt. Uber die Ergebnisseerschien noch 1934 ein Bericht, der vom Reichsku-ratorium als RKTL-Schrift herausgegeben wurde.Nun wurde Häusern, das bisher als Versuchs dorf inWürttemberg Beachtung gefunden hatte, mit ei-nem Schlag in ganz Deutschland bekannt. Besu-cher kamen von überall her.Münzinger selbst aber schrieb zu dem Versuch

    einer genossenschaftlichen Dorfwirtschaft: "DerEinfluß aller geschehenen Veränderungen und Bes-serungen kann und wird sich erst allmählich aus-wirken. Insofern ist die Darstellung der Betriebser-folge der drei Versuchsjahre allein nicht maßge-bend. Er wird aber in der Hauptsache abhängigsein von der Einigkeit der Bauern in der Genossen-schaft und von der Menschenkenntnis und Auto-rität des Führers." Weiter meinte er, daß die Ein-richtung eines solchen Versuches in einem Dorf mitalter Agrarverfassung, wo die Menschen an alther-

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  • gebrachten Gewohnheiten hängen, mancheSchwierigkeiten mit sich gebracht habe. Trotzdemwar er überzeugt, daß nicht weitgetriebener Indivi-dualismus, sondern der Genossenschaftsgedankeauch in der Technik und in der Produktion dasFortkommen der Betriebe bedeute und geeignetsei, das Leben und die Arbeit der Bewirtschafterangenehmer und ersprießlicher zu gestalten.

    Weiterführung des VersuchsNach Abschluß der Untersuchungen wurde am

    20. April 1934 eine Bäuerliche Maschinengenos-senschaft e.G.m.b.H. gegründet, deren Zweck "diegemeinschaftliche Beschaffung und Benutzung vonMaschinen und Geräten zum Feldbau und zur Hof-und Hauswirtschaft sowie der Einkauf landwirt-schaftlicher Erzeugnisse" sein sollte. In diesemSinne wurde die Genossenschaft jahrzehntelangweitergeführt. A. Angele schrieb noch 1953 in sei-nem Buch "Ummendorf": "Der Häusinger Betriebgilt als eine Meisterwirtschaft für die oberschwäbi-sche Bauernschaft. Seit Jahren senden Gemeindenaus nah und fern Vertreter und Interessenten nachHäusern, um diesen genossenschaftlichen Arbeits-betrieb anzusehen und das Bewährte nachzuah-men."Doch die Durchsicht der Unterlagen im Hohen-

    heim er Archiv hat gezeigt, daß der Zweite Welt-krieg mit seinen Einberufungen und seinerZwangswirtschaft, ferner die Nachkriegsjahre andem Versuch nicht spurlos vorübergingen. DieFruchtfolge wurde nicht mehr so beachtet wiefrüher, auch wurden die Einrichtungen im Gemein-schaftshaus durch den Kauf eigener Geräte weni-ger stark in Anspruch genommen.Bereits im Jahr 1944 hat Diplomlandwirt E.

    Laipple auf Veranlassung von Professor Münzingereine Dissertation geschrieben über "FreiwilligeGrundstückszusammenlegung auf Grund derReichsbodenschätzung, dargelegt am Zusammen-legungsplan der Gemarkung Häusern". Er arbei-tete aufgrund der 1935 in Häusern erfolgten Bo-denschätzung - also einer noch recht jungen Boni-tierung - für jeden Hof eine Zusammenlegung aus,bei der die Parzellengröße sich von 1,19 Hektar auf3,16 Hektar erhöht hätte und ihre Zahl um zweiDrittel vermindert worden wäre. Auch wäre einegrößere Zahl von Feldwegen weggefallen. Doch dieHäuserner Bauern konnten sich mit dieser freiwil-ligen Zusammenlegung in Form eines Ringtauschesnicht anfreunden."Im Wintersemester 1946/47 forderte Dr. Münzin-

    ger Josef Angele aus Ringschnait, damals Studie-render des 6. Semesters, auf, in Hohenheim überdie "Bäuerliche Maschinengenossenschaft Häu-sern" zu sprechen. Angele ging offen auf die Vor-und Nachteile der dortigen Genossenschaft ein.Zuerst aber wies er darauf hin, daß dieser Versuchin seiner Heimatgemeinde Ringschnait und imganzen Oberland beispielgebend gewirkt und vielewertvolle Erkenntnisse gebracht habe. Allerdingssei jedoch manches, was in einem Weiler von 10Höfen möglich sei, in einem Dorf wie Ringschnaitmit über 1200 Hektar Nutzfläche schlecht bzw.nicht durchführbar. Außerdem habe sich seit 1930die Landtechnik weiterentwickelt. In Ringschnaitliefen 1946/47 bereits acht "Bauernschlepper" fürAckerarbeiten, Jauche- und Düngerfahren und imüberbetrieblichen Einsatz.

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    Von Häusern berichtete der Vortragende, daßnunmehr die Grundstücke nicht mehr von den zweibesonders ausgebildeten Schlepperfahrern bear-beitet würden, sondern jeder Bauer benütze denGemeinschaftstraktor selbst. Auch seien erstmalswährend der Ernte Engpässe aufgetreten, da dervon acht Bauern genutzte Schlepper zwei Tage we-gen Reparaturarbeiten ausfiel. Ein wichtiges Pro-blem einer Maschinengenossenschaft sei aber dasrechtzeitige "Fertigmachen ",

    Sogar ein Film entstandNoch einmal geriet das Versuchsdorf ins Ram-

    penlicht der Offentlichkeit, als der aus Biberachstammende Anton Kutter einen Film über das Le-ben in Häusern drehte und ihm den Titel gab:"Zehn unter einem Hut - Der Film eines Schwa-benstreiches". Münzinger, der im Januar 1949 denWeiler noch einmal besuchte, meinte, der Filmhabe die Genossenschaft noch einmal neu belebt.Sonst war er der Auffassung, der Genossenschafts-gedanke finde immer noch Zustimmung bei dendortigen Bauern. Er vertrat in seiner Aktennotizauch den Gedanken, daß sich die meisten Bauern inden folgenden Jahren nach der Abschaffung weite-rer Pferde kleinere Schlepper anschaffen würden,was auch zutraf. Absatzbedingt hatten damalsmehrere Betriebe ihren Ackerbau verstärkt aufFeldgemüse, Handelsgewächse und Sämereien ver-legt, der Hackfruchtbau war ausgedehnt worden.Professor Dr. Münzinger starb 1962 im Alter von

    85 Jahren. Anläßlich seines 100. Geburtstages imJahr 1977 erhielt Josef Köberle die Würde einesEhrensenators der Universität Hohenheim. DieLaudatio sprach Staatsminister Dr. h. c. OskarFarny als Vorsitzender des Universitätsbundes. Erwies darauf hin, wie es um 1930 in der deutschenLandwirtschaft aussah, als Bauern und Bäuerin-nen gezwungen waren, mehr als 3500 bzw. 3700Stunden im Jahr zu arbeiten. Josef Köberle, dernicht nur Abgeordneter, sondern auch Vorstand desMilchwerkes Ummendorf und Beiratsmitgliedbeim Landwirtschaftsministerium war, sei damalsbereit gewesen, in seinem Dorf die Leitung der Ma-schinengenossenschaft zu übernehmen, welchebeispielhaft im Lande gewirkt habe. Ihm und sei-nen Bauern sei es zu verdanken, daß in Württem-berg Tausende von Schlepper- und Maschinenge-meinschaften entstanden seien.Den Bauern im benachbarten Ringschnait, wel-

    che die Entwicklung der Häusener Maschinenge-nossenschaft genau verfolgt hatten, gelang es,durch ein schon 1946 begonnenes Flurbereini-gungsverfahren die ganze Gemarkung bis 1953 neuzu ordnen. Die Raiffeisenbank aber unterhielt un-ter Vorstandschaft von J. Angele in Zusammenar-beit mit der Gemeinde im Rahmen der Flurbereini-gung einen Gemeinschaftsschlepper und zwei Wa-gen, ferner eine Gemeinschaftsmosterei, eineDreschmaschine mit einer Saatgutreinigungsan-lage, Unkrautspritzen, eine gemeinschaftliche Ge-frieranlage sowie Wiesen- und Ackerwalzen. Dochweil "nichts so beständig ist wie der Wandel" sindheute von all diesen Einrichtungen nur noch dieAcker- und Wiesenwalzen in Benützung.Auch in Häusern haben sich im Lauf der Jahr-

    zehnte die Auswirkungen der Agrarpolitik be-merkbar gemacht. Von den einstigen zehn Höfenwerden nur noch vier als Vollerwerbsbetriebe be-

  • wirtschaftet, von ihnen halten drei Milchwirtschaftmit Nachzucht und einer hat sich auf Bullenmastspezialisiert. Zwei Höfe, welche die Landwirt-schaft nebenberuflich betreiben, haben Schweine.So hat die agrarwirtschaftliche Entwicklung auchdiesen einst rein bäuerlichen Weiler erfaßt.

    Anmerkungen

    1 H. Ford hat bereits 1916 den Auftrag bekommen, fürdie englische Landwirtschaft 5000 Traktoren zu bauen.Bis 1920 waren schon 100000 Fordson Schlepper ver-kauft (Hermann S. 220). In Deutschland waren 19257000 Schlepper und 1939 24000 Schlepper im Einsatz,auf Württemberg entfielen hiervon 1933 764.

    2 Stellvertreter von J. Köberle war Bauer Mors. In denNachkriegsjahren leitete Matth. Sträbele die Genossen-schaft.

    3 In Häusern wurde seither keine Flurbereinigung durch-geführt.

    Literaturnachweis

    Quellen: Hinterlassene Schriften von Prof. Dr. Adolf Mün-zinger im Archiv der Universität Hohenheim. Referatvon cand. agr. Josef Angele, Ringschnait, gehalten vorStudenten des 5. und 6. Semesters im Wintersemester

    1946/47 in Hohenheim. Schreiben von J. Angele, Ring-schnait, Bürgermeister a. D., vom 21. 7. 1993.

    Literatur

    Angele, A., Ummendorf, Geschichte einer oberschwäbi-schen Gemeinde, Biberach 1954

    Bismarck, von, Bäuerliche MaschinengenossenschaftHäusern, in: Die Technik in der Landwirtschaft 1934,S. 224-226

    Herrmann, Kl., Pflügen, Säen, Ernten - Landarbeit undLandtechnik in der Geschichte, Reinbeck 1985

    Laipple, E., Freiwillige Grundstückszusammenlegung aufGrund der Reichsbodenschätzung dargestellt am Zu-sammenlegungsplan der Gemarkung Häusern in Würt-temberg, Dissertation Hohenheim, Maschinenschrift1944

    Münzinger, A., Bäuerliche MaschinengenossenschaftHäusern e.G.m.B.H. Ein Versuch genossenschaftlicherDorfwirtschaft in den Jahren 1930-1934. Durchgeführtin Gemeinschaft mit Priv. Doz. Dr. Frhr. von Babo, Dr.Karl Murmann, Dr. Viktor Hopfe und dargestellt vonProfessor Dr. Adolf Münzinger, Hohenheim. Schriftendes Reichskuratoriums für Technik in der Landwirt-schaft, Heft 54, Berlin 1934Aus meinem Leben, Stuttgart 1964

    Für die Benutzung des Universitäts archivs in Hohenheimspreche ich Herrn Dr. U. Fellmeth meinen herzlichenDank aus.

    Brauerei Warthausen - eine vergangene Zeit

    "Der wack're Schwabe" stand für gutes BierVon Walter Merk, Warthausen

    1970 wurde die ehemalige Brauerei WarthausenGmbH an die Fürstenberg-Brauerei ..in Donau-eschingen verkauft. Damit ging eine Ara, die seit1632 bestand, zu Ende. Das Stammwappen derBrauerei Warthausen, der "Wack're Schwabe"nach der Ballade "Schwäbische Kunde" von Lud-wig Uhland, ist jedoch immer noch bekannt. Imschwäbischen Oberland und auch nördlich der Do-nau bis Münsingen und Stuttgart war der "Wack'reSchwabe" ein Gütezeichen.Viele Jahrzehnte lang hieß die Firmierung

    "Brauerei Warthausen vorm. Neher & Sohn AG".Die Vorfahren der Familie Neher stammten ausBolstern im Kreis Sigmaringen. Albert Neher, der1920 verstarb, übergab die Brauerei samt landwirt-schaftlichem Anwesen an seine Söhne Felix Neherund Fritz Neher. Die bei den waren auch Hauptak-tionäre der Brauerei. Anita Brand geb. Neher undMarita Neher waren die letzten Brauereidirektorennach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Verkauf 1970.Fritz Neher übte das Amt des Brauereidirektorslange Jahre nicht aus, da er ein Hofgut in Weilheimin Oberbayern betrieb. Er nahm seine Interessenjedoch in der Funktion als Aufsichtsratsvorsitzen-der der AG wahr.

    Nach 1918 arbeitete sich die Brauerei Warthau-sen zu einer der größten Brauereien Oberschwa-bens empor, mit einem Jahres-Bierausstoß von ca.65 000 hl. In vielen Gemeinden Oberschwabens ludder "Wack're Schwabe" zu einem guten SchoppenBier ein. In den 30er Jahren waren ca. 400 Kunden,sogenannte Zapf- oder Achskunden, zu beliefern.Der Vertrieb erfolgte mit dem Lkw, aber auch nochmit Pferdegespannen. 1938, dem Beginn dieserAufzeichnungen, besaß die Brauerei Warthausen10 Lkws und 4 Pferdegespanne sowie 2 firmenei-gene Eisenbahn-Kühlwaggons.

    Brauereiarbeit als KundendienstFür weiter entfernte Kunden wurde das Bier

    über Bierdepots ausgeliefert. 1938 gab es Biernie-derlagen in Ulm, Münsingen, Ravensburg, Fried-richshafen und Ratzenried. Die Bierfuhrwerkebrachten das Bier in die nähere Umgebung, so z. B.bis Baltringen, Mietingen, Berg bei Ehingen, Bi-berach, Ummendorf, Fischbach und Füramoos.Der Bierwagen war oft den ganzen Tag unterwegs,da auch bei den Kunden, die noch eine Landwirt-schaft betrieben, die landwirtschaftlichen Arbei-ten mit zu erledigen waren. Diese Nebenarbeitengehörten zum Kundendienst und wurden selbstver-

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