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1 23 Der Nephrologe Zeitschrift für Nephrologie und Hypertensiologie ISSN 1862-040X Nephrologe DOI 10.1007/s11560-017-0142-1 Update Knochenstoffwechsel bei Niereninsuffizienz P. M. Jehle

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Der NephrologeZeitschrift für Nephrologie undHypertensiologie ISSN 1862-040X NephrologeDOI 10.1007/s11560-017-0142-1

Update Knochenstoffwechsel beiNiereninsuffizienz

P. M. Jehle

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Leitthema

NephrologeDOI 10.1007/s11560-017-0142-1

© Springer Medizin Verlag Berlin 2017

P. M. Jehle1,2,3

1 Ev. Krankenhaus Paul Gerhardt Stift, Paul Gerhardt Diakonie und Pflege GmbH Berlin undWittenberg e. V., Lutherstadt Wittenberg, Deutschland

2 KfH Nierenzentrum, LutherstadtWittenberg, Deutschland3Medizinische Fakultät, Universität Halle-Wittenberg,Halle, Deutschland

Update Knochenstoffwechsel beiNiereninsuffizienz„High-“ und „Low-turnover“-Osteodystrophie

Einleitung

Bei chronischer Niereninsuffizienz(„chronic kidney disease“, CKD) tre-ten komplexe Störungen des Mineral-und Knochenstoffwechsels auf. Diesestellen trotz der Verfügbarkeit von inno-vativen Medikamenten auch heute nocheine therapeutische Herausforderungdar. Im klinischen Alltag werden dieim Nachfolgenden ausgeführten Verän-derungen des Knochenstoffwechsels beiNiereninsuffizienzunverändertals renaleOsteopathie bzw. renaleOsteodystrophiebezeichnet. Eine international besetzteLeitliniengruppe favorisiert die Bezeich-nung „CKD-MBD“ („chronic kidneydisease – mineral and bone disorder“),um die Verflechtungen zwischen Nie-renerkrankung, Knochenstoffwechselund Gefäßverkalkungen zu beschreibenund einer rein knochenzentrierten Sichtvorzubeugen [16–18, 20].

Pathogenese der „High-turnover“-Osteodystrophie

In fortgeschrittenen Stadien der chroni-schenNiereninsuffizienz (abCKD3B) istdie Kapazität der Niere zur Phosphateli-mination eingeschränkt. ImKnochen ge-bildetesFGF(„fibroblastgrowthfactor“)-23 stimuliert Parathormon (PTH) undvermindert die Synthese von Calcitri-

Diese Arbeit stellt die Aktualisierung einerfrüheren Übersichtsarbeit in dieser Zeitschriftdar.

ol. Beide Mechanismen unterstützen dierenale Phosphatelimination. Der Abfallvon Calcitriol in den frühen Phasen derNiereninsuffizienz ist zum größten Teilauf die suppressive Wirkung der anstei-genden FGF-23-Spiegel zurückzuführen[24, 25]. Mit zunehmender Niereninsuf-fizienz entwickeln die Nebenschilddrü-sen eine Autonomie, die durch eine ver-minderte Expression von „Calcium-sen-sing“-Rezeptoren sowie Vitamin-D-Re-zeptoren (VDR) in denNebenschilddrü-

normale NSD

Stark vergrößerte NSD bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz

mit nodulärer Transformation und autonomer PTH-Sekretion vergrößerte NSD

bei CKD mit ersten autonomen ZellenPa

rath

orm

onse

kret

ion

Nebenschilddrüsenvolumen

VDRCaR

Niereninsuffizienz

Dialyse

Abb. 18 Veränderungen vonGröße und Funktion der Nebenschilddrüsen (NSD)mit zunehmenderNiereninsuffizienz (CKD „chronic kidney disease“, PTH Parathormon, CaR „Calcium-sensing“-Rezeptor,VDRVitamin-D-Rezeptor)

sen bedingt ist (. Abb. 1) und bis heutein der Behandlung des renalen Hyper-parathyreoidismus (HPT) ein Problemdarstellt.

Knochenstoffwechseldiagnostikbei „High-turnover“-Osteodystrophie

Zur Beurteilung des Knochen-stoffwechsels bei „High-turnover“-Os-teodystrophie (HTO) stellt die Kno-

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Leitthema

Abb. 29 TMV(T „turnover“ [Kno-chenumsatz],M „mineralisation“[Mineralisations-grad], V „volume“[Knochenvolu-men])-Klassifikationder renalenOsteo-pathie (OMOsteo-malazie,AD adyna-me Knochenkrank-heit,OFOsteitisfibrosa,MUOge-mischte urämi-sche Osteopathie,HPTHyperparathy-reoidismus)

Kum

ulat

ives

kar

diov

asku

läre

berl

eben

iPTH 114–476 pg/ml [iPTH 12–50 pmol/l]

iPTH < 114 pg/ml[iPTH < 12 pmol/l]

iPTH > 476 pg/ml [iPTH > 50 pmol/l]

Zeit (Jahre)

0 1 2 3 4 5 60,0

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

n = 143p = 0,02(> 476 vs. 114–476 pg/ml)[> 50 vs. 12–50 pmol/l]

Abb. 38 Beziehung zwischen den Spiegeln des intakten Parathormons (iPTH) und der kardiovasku-lärenMortalität vonDialysepatienten. (Daten aus [27])

chenhistologie unverändert den Gold-standard dar (. Tab. 1).

Hier hat die CKD-MBD-Arbeits-gruppe der KDIGO (Kidney Disease:Improving Global Outcomes)-InitiativeVorschläge zur globalen Standardisie-rung in der Beurteilung von Knochen-biopsien erarbeitet. Heute sollte dieTMV (T „turnover“ [Knochenumsatz],M „mineralisation“ [Mineralisations-grad], V „volume“ [Knochenvolumen])-Klassifikation angewendet werden (sie-he . Abb. 2; [20]). Bei der HTO findensich ein erhöhter Knochenumsatz undein erhöhtes Knochenvolumen bei zu-meist normalem Mineralisationsgrad.

Um die Invasivität einer Knochenbi-opsie für den Patienten zu vermeiden,wurde eine Reihe von Knochenmarkernentwickelt,derendiagnostischeSensitivi-tät und Spezifität anhand knochenhisto-logischerUntersuchungenevaluiertwur-den. Für die primäre Einschätzung unddas anschließende Monitoring des Kno-chenstoffwechsels wird in der Praxis diesimultaneBestimmungvonPTHundderknochenspezifischen alkalischen Phos-phatase (BAP) empfohlen. Die Messungder tartratresistenten saure Phosphata-se (TRAP-5b), der verschiedenen Mar-ker des Kollagenstoffwechsels (z. B. „car-boxyterminal telopeptide of type I col-lagen“, CTX) sowie von FGF-23 ist für

die klinische Routine nicht zu empfehlen[24].

Das Problem der alleinigen Messungvon PTH besteht darin, dass konventio-nelle PTH-Assays auch PTH-Fragmenteund oxidiertes PTH messen und damitbei vielen Patienten höhere Werte vor-täuschen. In einer eigenenUntersuchungmit differenzierter Messung des intaktenund des nichtintakten PTH konnten wirbei einem Patienten mit einem PTH von900 pg/ml und einer BAP von 17 ng/mldieHöhedes fürdenKnochen relevantenPTH 1-84 nur bei 200 pg/ml messen. Beidiesem Patienten wäre eine Senkung desPTHnicht unbedenklich, da dann zuwe-nig intaktes PTH vorliegt und sich eineadyname Osteopathie entwickeln könn-te [14, 21]. In einem anderen Fall fan-den wir bei einem Dialysepatienten miteinem PTH von 200 pg/ml eine deut-lich erhöhte BAP von 60 ng/ml. Bei die-sem Patienten konnten wir nur intaktesPTHmessenundhaben imweiterenVer-lauf sogar das PTH noch etwas gesenkt,um eine Rückbildung des stark erhöhtenKnochenumsatzes zu erzielen. Die bei-den Beispiele zeigen, dass das VorliegenvonPTH-Fragmenten die Verlässlichkeitder bisherigen PTH-Assays relativiert.Eine Studie zeigt, dass diese Fragmen-te vermutlich über veränderte Rezeptor-Postrezeptor-Interaktionen zurEntwick-lung einer adynamen Osteopathie bei-tragen können [21]. Zusammenfassendkann heute gesagt werden, dass die si-multane Bestimmung vonPTHundBAPeine bessere Abschätzung der WirkungvonPTHaufdenKnochenermöglicht alsdie isolierteMessung des PTH. PTH undBAP zeigen eine HTO oder eine „Low-turnover“-Osteopathie (LTO) mit einerSensitivität und Spezifität zwischen 80und 90% [5, 23]. Unter Beachtung derGrenzwerte kann in den meisten Fällendurch die gleichzeitige Beurteilung die-ser Parameter die Diagnose einer HTOmit klinisch vertretbarer Sicherheit ge-stellt werden (. Tab. 2).

Therapie der „High-turnover“-Ostedystrophie

Retrospektive Untersuchungen an ver-schiedenen Kollektiven von Dialysepa-tienten zeigten, dass die Mortalität von

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Dialysepatienten bei sehr niedrigen undsehr hohen PTH-Werten deutlich gestei-gert ist. Die frühesten Daten dieser Un-tersuchungen (. Abb. 3) wurden in denletzten 10 Jahren durch größere Kollek-tive bestätigt [15].

In der Behandlung von CKD-MBD-Patienten sollen die in den KDIGO-Leitlinien vorgeschlagenen Zielwerte [6,20] helfen, extreme Situationen wie eineHTO (= Osteitis fibrosa) oder eine LTO(= adyname Osteopathie) zu vermeiden(. Abb. 4).

Um das Verkalkungsrisiko bei CKD-BMD-Patienten möglichst niedrig zuhalten, sollte die Behandlung des HPTso gestaltet werden, dass die Aufnah-mekapazität des Knochens für Kalziumund Phosphat erhalten bleibt und wennmöglich sogar maximiert wird. DurchAusgleich eines Vitamin-D-Mangelskann bei Dialysepatienten die Minera-lisation des Knochens verbessert wer-den [3]. Bei Dialysepatienten ist dasAnsprechen des Knochens auf PTHunterschiedlich und hängt von vielenFaktoren ab (u. a. Kortikoidvorbehand-lung, Diabetes mellitus, rheumatischeErkrankungen, Medikamente [z. B. Bis-phosphonate]). Die KDIGO-Leitlinienstellen einen Korridor für die Therapiedar [6, 20] und unterstützen denArzt da-rin, für jeden Patienten einen optimalenPTH-Bereich zu definieren und bei derTherapieentscheidung die wichtigstenEinflussfaktoren auf die PTH-Sekretionzu bedenken (. Tab. 3).

» Für die Senkung des PTHstehen Cinacalcet sowie dieverschiedenen Vitamin-D-Metabolite zur Verfügung

Bei der Behandlung von CKD-MBD-Pa-tienten sollte immer auf eine ausgegli-cheneKalziumbilanz geachtetwerden. Inden letzten Jahren wurde erkannt, dasseine zu hohe Kalziumzufuhr das Verkal-kungsrisiko erhöht. Hier ist besondersaufdasDialysatkalziumzuachten.Durcheine Erniedrigung des Dialysatkalziumskann auch ein adynamer Knochenstoff-wechselwiederaktiviertwerden[7].Kno-chenbioptische Untersuchungen zeigten,

Zusammenfassung · Abstract

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Update Knochenstoffwechsel bei Niereninsuffizienz. „High-“ und„Low-turnover“-Osteodystrophie

ZusammenfassungBei chronischer Niereninsuffzienz kommtes durch Hyperphosphatämie, Vitamin-D-Mangel und ansteigende FGF („fibroblastgrowth factor“)-23-Spiegel zu einemAnstieg von Parathormon (PTH). Ein überlängere Zeit bestehender und progressiverHyperparathyreoidismus verursachteine Erhöhung des Knochenumsatzes(„High-turnover“-Osteodystrophie, HTO),der zu einer relevanten Entkalkung desSkeletts, zu Frakturen und zu Gefäß- undWeichteilverkalkungen führen kann. EineSenkung des PTH durch aktive Vitamin-D-Metabolite und/oder Cinacalcet sowie einegute Kontrolle der Hyperphosphatämie unterBeachtung der Kalziumbilanz sind wirksame

Therapieoptionen zur Behandlung der HTO.Unter Beachtung der Zielwerte für Kalzium,Phosphat und PTH gilt es, die HTO so zubehandeln, dass der Knochenstoffwechsel ineinem leicht gesteigerten Bereich gehaltenund eine „Low-turnover“-Osteodystrophie(LTO) vermieden wird. Das Erreichender KDIGO (Kidney Disease: ImprovingGlobal Outcomes)-Zielwerte des Mineral-und Knochenstoffwechsels reduziert dieMortalität von Dialysepatienten.

SchlüsselwörterChronische Niereninsuffizienz · SekundärerHyperparathyreoidismus · Hyperphosphat-ämie · Knochenstoffwechsel · Verkalkung

Update on bonemetabolism in renal insufficiency. High-turnoverand low-turnover osteodystrophy

AbstractIn chronic kidney disease hyperphos-phatemia, vitamin D deficiency and arise in fibroblast growth factor 23 (FGF-23) result in an increase in parathyroidhormone (PTH) levels. A long-lasting andprogressive hyperparathyroidism leadsto an increase in bone turnover (high-turnover osteodystrophy, HTO) which leadsto demineralization of the skeleton, bonefractures and calcification of soft tissueand blood vessels. A reduction in PTH byadministration of active vitamin Dmetaboliteand/or cinacalcet as well as optimizedphosphate control and balanced calciummetabolism are effective therapy options

for treatment of HTO. In HTO therapy, targetlevels of phosphate, calcium and PTH shouldbe considered and bone metabolism shouldbe kept at a slightly elevated level in orderto prevent low-turnover osteodystrophy. Theachievement of target values for mineral andbone metabolismmarkers according to theKidney Disease: Improving Global Outcomes(KDIGO) recommendations is associatedwithreduced mortality in hemodialysis patients.

KeywordsChronic renal insufficiency · Secondaryhyperparathyreoidism · Hyperphosphatemia ·Bone metabolism · Calcification

dass die Wahl des Phosphatbinders nichtunbedeutendfürdenKnochenstoffwech-sel ist. So konnte unter Lanthan einegünstige Entwicklung des Knochenstoff-wechsels beobachtet werden, währenddie Therapie mit kalziumhaltigen Phos-phatbindern die Entwicklung einer ady-namen Osteopathie begünstigt [5]. Diemetabolische Azidose sollte bei Dialy-sepatienten optimal ausgeglichen wer-den.Dadurch kann der Bikarbonatpufferdes Knochens erhalten und das Anspre-chen des Knochens auf anabole Wachs-tumsfaktoren(z. B.IGF[insulinähnlicher

Wachstumsfaktor]-1) und knochenstoff-wechselregulierende Hormone (inklusi-ve PTH) verbessert werden [8, 13].

Für die Senkung des PTH stehenCinacalcet sowie die verschiedenen Vi-tamin-D-Metabolite zur Verfügung. Beider Behandlung der HTO sollten diePTH-Spiegel so weit gesenkt werden,dass die HTO sich zurückbildet, abernoch keine LTO entsteht. Da es bis heutekeinen guten Marker zur Diagnose derLTO gibt, gilt es, denKnochenstoffwech-sel klinisch sowie wie oben beschriebenanhand der simultanen Messung von

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Leitthema

Tab. 1 Klinisch relevante InformationenzumKnochenstoffwechsel, die sich durcheine Knochenhistologie bzw. durch Kno-chenmarker (a) erheben lassen

Vorliegen und Ausmaß des HPT (Knochen-umsatz bei HTO): Osteoblasten- und Os-teoklastenaktivität (ain ca. 70–90% durchKnochenmarker abschätzbar)

Osteoblasten-/Osteoklastenoberfläche

Mineralisation

Intertrabekuläre Vernetzung, Osteopenie/Osteoporose

Ansprechen des Knochens auf PTH (Ausmaßder PTH-Resistenz)

Differenzialdiagnostische Abgrenzung einerLTO (ain ca. 90% spezifisch durch Knochen-marker diagnostizierbar)

VitaminD Versorgung des Knochens (aauchdurch Messung der Vitamin-D-Spiegel undder alkalischen Phosphatase abschätzbar)

Aluminiumüberladung (abedingt durchAluminiumspiegel diagnostizierbar)

Differenzialdiagnose anderer metabolischerund maligner Osteopathien

HPT Hyperparathyreoidismus, HTO„High-turnover“-Osteodystrophie, LTO„Low-turnover“-Osteodystrophie, PTHParathormon

Tab. 3 HaupteinflussfaktorenaufdenPTH(Parathormon)-Spiegel bei PatientenmitCKD-MBD(„chronickidneydisease–mineralandbone disorder“)

Kalzium

Enterale Kalziumzufuhr

Dialysatkalzium

Kalziumfreisetzung aus dem Knochen

Phosphat

Qualität der Phosphatkontrolle

Wahl des Phosphatbinders (kalziumfreiePhosphatbinder bevorzugen)

Vitamin-D-Versorgung

Vitamin-D-Mangel als Hauptrisikofaktor fürdie Entstehung eines Hyperparathyreoidis-mus

Osteomalazie

Metabolische Azidose

Erhöht die Sekretion von PTH

PTHundBAP zu beurteilen. In unklarenFällen sollte eine Knochenbiopsie erwo-gen werden. Die Therapie mit nativemVitamin D (z. B. Cholecalciferol) solltebereits in den frühen Stadien derNieren-insuffizienz erfolgen, da der Vitamin-D-Mangel ein früher Risikofaktor für die

Tab. 2 Sensitivität, Spezifität, prädiktiverWert undGrenzwert verschiedener Parameter zur Di-agnostik eines sekundärenHyperparathyreoidismus (sHPT) bei Patientenmit chronischer Nieren-insuffizienz (knochenbiopsiekontrollierteDaten vonN.A. Hamdy)

Sensitivität (%) Spezifität (%) PrädiktiverWert (%)

Grenzwert

Kreatinin 50 76 85 256 μmol/l

Kreatinin-Clearance 6 93 73 49ml/min/KOF

Phosphat 27 95 94 1,54mmol/l

AP 55 76 86 89 IU

iPTH 22 93 90 5,4 pmol/l

KOF Körperoberfläche, AP alkalische Phosphate, iPTH intaktes Parathormon

Entstehung eines sekundären Hyperpa-rathyreoidismus (sHPT) ist [9]. NativesVitamin D ist auch für die Mineralisie-rung des Knochens bei Dialysepatientenessenziell notwendig [3]. Daraus leitetsich auch die Empfehlung ab, nativesVitamin D (z. B. Cholecalciferol) allenDialysepatienten zu geben (physiologi-sche Vitamin-D-Spiegel können je nachKörpergewicht und Besonnung durchGabe von 800–2000 IE täglich erreichtwerden [12]). Mit abnehmender Nie-renfunktion kommt es auch zu einemMangel anCalcitriol, dermit aktivenVit-amin-D3-Metaboliten (z. B. Alfacalcidol,Startdosis: 0,25 μg/Tag) ausgeglichenwerden sollte [10]. Mit dieser Thera-pie können das Entstehen eines sHPTund/oder seine Progression vermiedenwerden. Seit einigen Jahren steht inDeutschland auch das in den USA seitmehreren Jahren etablierte Paricalcitolzur Verfügung. Paricalcitol führt auf-grund seiner geringeren Bindung anden VDR des Darms (Vitamin-D2-Me-tabolit!) im Vergleich zu Calcitriol zueiner signifikanten Verminderung derZahl und der Dauer hyperkalziämischerEpisoden. Wichtig ist es, die Wirkungvon aktiven Vitamin-D-Metaboliten aufden Knochenstoffwechsel sehr engma-schig zu überwachen (2-wöchentlicheKontrolle von Kalzium und Phosphat,PTH und ggf. Knochenmarkern alle 3bis 6 Monate). In jedem Fall gilt es,eine LTO zu vermeiden, da hier dasVerkalkungsrisiko besonders hoch ist[1, 16–18]. Das Erreichen der KDIGO-Zielwerte des Mineral- und Knochen-stoffwechsels vermindert die Mortalitätvon Dialysepatienten [6]. Demnach sinddie KDIGO-Leitlinien für die Anwen-dung in der Praxis sehr zu empfehlen.

Die Neuauflage dieser Leitlinien wird im2. Quartal 2017 erwartet.

Mit Cinacalcet steht ein MedikamentzurVerfügung,dasselektivam„Calcium-sensing“-Rezeptor der Nebenschilddrü-se (NSD) wirkt und zu einer potenten,dosisabhängigen und zeitlich limitiertenAbsenkung der PTH-Spiegel, verursachtdurch eineHemmungderPTH-Syntheseund einer Hemmung der PTH-Sekre-tion, führt. Cinacalcet induziert aucheine Hemmung der NSD-Proliferationund der NSD-Hyperplasie. Über dieSenkung des PTH bewirkt Cinacalcetauch eine erwünschte Verminderung desKalzium-Phosphat-Produkts um rund20%. Unter der Therapie mit Cinacalcetwar eine signifikante Reduktion der Pa-rathyreoidektomierate, der Frakturrateund derHospitalisationenwegen kardio-vaskulärer Ereignisse nachzuweisen [4].Bei zu starker und zu lange anhaltenderSuppression des PTH kann auch dieTherapie mit Cinacalcet zu einer LTOführen, sodass der Knochenstoffwechselebenso wie bei der Gabe von Vitamin Dsorgfältig überwacht werden sollte. BeiDialysepatienten sind die Spiegel vonFGF-23 durch die Gabe von Cinacaletund niedrig dosiertem aktivem Vita-min D niedriger als bei der alleinigenGabe von aktivem Vitamin D [24]. Inder EVOLVE (Evaluation of Cinacal-cet Therapy to Lower CardiovascularEvents)-Studie konnte im primären Stu-diendesign keine signifikante Reduktionder kardiovaskulären Endpunkte gezeigtwerden [2]. Dies könnte daran liegen,dass in der statistischen Auswertung die„Intention-to-treat“-Methode gewähltwurde. Bei Korrektur auf die tatsächli-che Behandlung (Auswertung mit der„Lag-censoring“-Analyse) zeigte sich ein

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Osteitis fibrosa

Hyperphosphatämie(Hypo-)Kalzämie

Ca 2+

PO 4-

� PTH ����

+ -

AdynameKnochenerkrankung

Hyperkalzämiee(Hyper-)Phosphatämie

Mg2-

Ca 2+

PO 4-

Mg2-

ossäre

Freisetzung

blockierte

Aufnahme

Ablagerung im Weichteilgewebe

Verkalkung

Abb. 48 Beziehung zwischen Knochenumsatz, Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel, PTH (Parathor-mon)-Status undWeichteilverkalkung. (Mod. n. T. Drüeke; ISN-NEXUS-Meeting, Kopenhagen, Okto-ber 2006, und [26]; die knochenhistologischen Bilder einer „High-“ [HTO, links] und einer „Low-turn-over“-Ostedystrophie [LTO, rechts]wurdenfreundlicherweisevonFrauPDDr.Lehmann,Uniklinik Jena,zur Verfügung gestellt)

etwa 15%iger Überlebensvorteil für dieBehandlung mit Cinacalcet.

Bei autonomem HPT mit ausgepräg-ter HTO ist die Wirkung der medika-mentösen Therapie mit Cinacalcet und/oder aktiven Vitamin-D-Metaboliten ander NSD nicht mehr ausreichend. Da beidiesen Patienten eine erhebliche Steige-rung des Verkalkungsrisikos besteht, istdie Indikation zur Parathyreoidektomie(PTX) rechtzeitig zu stellen.Mit der tota-lenPTXohneAutotransplantationhabenwir [11, 22] und andere Autoren [19] beiDialysepatienten mit autonomem HPTgute Erfahrungen gemacht. Aufgrundeines erhöhten Risiko der postoperati-ven LTO sollte bei diesen Patienten derKnochenstoffwechsel engmaschig kon-trolliert werden. Als Ultima Ratio zurAktivierung des Knochenstoffwechselsbei LTO (z. B. nach erfolgter totaler PTXund dann Posttransplantationsosteopo-

rose mit Frakturen) sei die Gabe vonTeriparatid (PTH-1-34) erwähnt. Mitdiesem osteoanabolen Therapieprinzipliegen bei Osteoporosepatienten valideDaten vor, bei Dialysepatienten bzw.nierentransplantierten Patienten nurEinzelfallbeobachtungen. Die Klärungder Kostenübernahme durch den MDKist vor Therapieeinleitung anzuraten.

Fazit für die Praxis

4 Ein progressiver renaler Hyperpa-rathyreoidismus führt zur „High-turnover“-Osteodystrophie (HTO)und begünstigt Knochenfrakturensowie Gefäß- und Weichteilverkal-kungen.

4 Bei Dialysepatienten sollte der Kno-chenumsatz in einem leicht gestei-gerten Bereich gehalten werden, umeine „Low-turnover“-Osteodystro-

phie (LTO) zu vermeiden, die dashöchste Fraktur- und Mortalitätsrisi-ko aufweist.

4 Das Erreichen der KDIGO-Zielwertefür Kalzium, Phosphat und PTH senktdie die Mortalität von Dialysepatien-ten.

Korrespondenzadresse

apl. Prof. Dr. P. M. JehleEv. Krankenhaus PaulGerhardt Stift, Paul GerhardtDiakonie und Pflege GmbHBerlin und Wittenberg e. V.Postfach 100252,06872 LutherstadtWittenberg, [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. P.M. Jehle hat in den letzten5 Jahren anmehreren Symposien zur Therapie desrenalenHPT teilgenommenundVortragshonorare derFirmenAbbott, Amgen, Fresenius undVifor FreseniusMedical Care Renal Pharmaerhalten.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vomAutor durchge-führten Studien anMenschenoder Tieren.

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Leitthema

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