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Quartalsbericht 1 //Ruben Heimbold// Nr.: 200027 Man sagte mir, es wäre langsam Zeit, meinen ersten Quartalsbericht zu verfassen. Ich war etwas überrascht. Bin ich nicht erst drei Wochen hier? Oder, wenn ich es mir recht überlege und bedenke, was ich alles schon erlebt habe, schon drei Jahre? Nein, es sind wohl tatsächlich drei Monate rum. Dabei kommt es mir ja allein schon wie ein halbes Jahr her vor, dass meine Mitfreiwilligen und ich die Molochstadt Lima hinter uns gelassen haben. Und dort behaupten einige, hätten wir auch nur zwei Wochen verbracht. Weit entfernt kommen mir der emotionale Abschied in Deutschland und unsere Landung in Peru vor. Was waren wir gespannt und wie haben wir alle die neuen Eindrücke aufgesaugt. Das unglaubliche Verkehrschaos, die vielfältigen Wege der Peruaner, sich in dieser Stadt ihren Lebensunterhalt zu verdienen, die Freundlichkeit mit der der Großteil der Peruaner uns begegnete oder auch die Zustände, in denen sich bewohnte Häuser oder noch benutzte Autos hier befinden. Wir haben, wenn wir den Sprachunterricht, der für mich vor allem eine gute Wiederholung darstellte, so viel wie möglich unternommen und es uns so gut gehen lassen, wie es eben ging. Dennoch war ich über froh, das Grau gegen das Grün tauschen zu können, den Verkehrslärm gegen die Geräuschkulisse der Natur und das trübe dauerverhangene Wetter gegen Sonne und blauen Himmel. Die Ankunft im Projekt war, wenn auch aufgrund widriger Umstände, für alle anderen überraschend, einfach wundervoll. Wir -mein Mitfreiwilliger Jonas und ich- wohnen hier einfach perfekt: Die Zimmer mehr als ausreichend, circa fünf bis maximal zehn Minuten Arbeitsweg und alles umschlossen vom tiefsten Grün, dass man sich vorstellen kann. Auch wenn der Chef zunächst nicht da war und eigentlich keiner wirklich wusste, was mit uns geplant war, ging es ruckzuck, dass einige der Schüler uns mit unserem Umfeld vertraut gemacht hatten und die Arbeiter uns in die Arbeit integrierten. Nach unserem ersten Treffen, die wir stets am Anfang des Monats mit den beiden Freiwilligen aus Quillazu und unseren Chefs veranstalten, waren dann auch die letzten Unklarheiten beseitigt und wir haben Woche für Woche den Arbeitsalltag in einem

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Quartalsbericht 1 //Ruben Heimbold// Nr.: 200027

Man sagte mir, es wäre langsam Zeit, meinen ersten Quartalsbericht zu verfassen. Ich war etwas überrascht. Bin ich nicht erst drei Wochen hier? Oder, wenn ich es mir recht überlege und bedenke, was ich alles schon erlebt habe, schon drei Jahre? Nein, es sind wohl tatsächlich drei Monate rum. Dabei kommt es mir ja allein schon wie ein halbes Jahr her vor, dass meine Mitfreiwilligen und ich die Molochstadt Lima hinter uns gelassen haben. Und dort behaupten einige, hätten wir auch nur zwei Wochen verbracht. Weit entfernt kommen mir der emotionale Abschied in Deutschland und unsere Landung in Peru vor. Was waren wir gespannt und wie haben wir alle die neuen Eindrücke aufgesaugt. Das unglaubliche Verkehrschaos, die vielfältigen Wege der Peruaner, sich in dieser Stadt ihren Lebensunterhalt zu verdienen, die Freundlichkeit mit der der Großteil der Peruaner uns begegnete oder auch die Zustände, in denen sich bewohnte Häuser oder noch benutzte Autos hier befinden. Wir haben, wenn wir den Sprachunterricht, der für mich vor allem eine gute Wiederholung darstellte, so viel wie möglich unternommen und es uns so gut gehen lassen, wie es eben ging. Dennoch war ich über froh, das Grau gegen das Grün tauschen zu können, den Verkehrslärm gegen die Geräuschkulisse der Natur und das trübe dauerverhangene Wetter gegen Sonne und blauen Himmel.

Die Ankunft im Projekt war, wenn auch aufgrund widriger Umstände, für alle anderen überraschend, einfach wundervoll. Wir -mein Mitfreiwilliger Jonas und ich- wohnen hier einfach perfekt: Die Zimmer mehr als ausreichend, circa fünf bis maximal zehn Minuten Arbeitsweg und alles umschlossen vom tiefsten Grün, dass man sich vorstellen kann. Auch wenn der Chef zunächst nicht da war und eigentlich keiner wirklich wusste, was mit uns geplant war, ging es ruckzuck, dass einige der Schüler uns mit unserem Umfeld vertraut gemacht hatten und die Arbeiter uns in die

Arbeit integrierten. Nach unserem ersten Treffen, die wir stets am Anfang des Monats mit den beiden Freiwilligen aus Quillazu und unseren Chefs veranstalten, waren dann auch die letzten Unklarheiten beseitigt und wir haben Woche für Woche den Arbeitsalltag in einem anderen Arbeitsbereich ("Taller") Prosoyas erforscht: Schreinerei, Landwirtschaft, Forellenzucht, Kuhhaltung, Bäckerei. Nebenbei haben wir natürlich auch die gesamte Gemeinschaft von Prosoya kennen gelernt. Alle haben uns supernett aufgenommen und so dauerte es nicht lange, bis wir in das Leben hier vor Ort integriert waren. Bald wurde uns die Bäckerei komplett übertragen, um die Jungs zu entlasten, die sonst zu ihrem durchstrukturierten Alltag noch die halbe Nacht mit Backen verbringen müssten. Später haben wir dann auch unsere Arbeitsbereiche für das Jahr festgelegt und entschieden, dass wir im Zwei-Wochen-Rhythmus wechselnd die Schreinerei zum einen und zum anderen die Bäckerei und Kleintierhaltung unterstützen wollen. Damit haben wir neben der Bäckerei die Bereiche abgedeckt, in denen viel Hilfe gebraucht wird und in denen uns das Arbeiten riesigen Spaß macht.

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Wenn um fünf Uhr der eine von uns zum Backen aufsteht, kann der andere noch zwei Stunden bis zum Frühstück schlafen. Um sieben gehen wir beide zum Frühstück um, das frische "pan" zu genießen und beginnen dann um acht im jeweiligen "Taller" zu Arbeiten. In der "Pequaria" bedeutet das zum Beispiel, Fische, Hasen und Hühner zu füttern, die eine oder andere Fläche mit der Machete zu bearbeiten oder die Ställe beziehungsweise die Becken in denen die Tiere leben zu säubern. In der "Carpinteria" dürfen wir helfen, Möbel, Spielzeug, Terrassen und diverse andere Dinge, unter anderem auch das Holz für die Renovierung des Haupthauses von Prosoya, zurecht zu sägen, zu hobeln, zu schleifen und zusammen zu bauen. Wenn wir uns halb eins hungrig gearbeitet haben, gibt es reichhaltiges gutes Essen von drei total liebenswürdigen "tías" (Tanten) bereitet. Nachmittags arbeitet einer von uns in der Carpinteria weiter, während der andere mit dem Brot für das Abendessen beschäftigt ist. Neuerdings kommt an zwei Tagen in der Woche auch noch Englischunterricht mit den Jungs dazu. Auf das Abendessen, das nicht weniger gut als das Mittagessen ist, folgt, für denjenigen von uns der in der Bäckerei arbeitet, die Vorbereitung des Brotes für den nächsten Morgen, während der andere einen freien Abend hat. Entweder er nimmt am "Noticiero" teil, welches eine, stets von drei der Jungs veranstaltete, gespielte Nachrichtensendung mit Nachrichten aus dem Projekt, der Region, des Landes und der ganzen Welt, ist, oder er kann zum Beispiel ins nahe Dorf Huancabamba laufen und Billard spielen.

Womit wir bei unserer Freizeit sind. Auch hier wurden wir wunderbar integriert und ob wir nun mit den Jungs Fußballspielen, mit dem ein oder anderen Arbeiter des Projektes im Dorf sind oder mit den beiden Freiwilligen aus dem Mädchenprojekt die Umgebung erforschen, langweilig wird es uns hier sicher nicht.

Und wir haben viele Pläne, denn so schön es hier auch ist, Prosoya ist nicht perfekt. So ist

die Finanzierung des Ganzen immer eine spannende Frage und wir wollen den Tourismus, der eine sehr wichtige Einnahmequelle des Projekte darstellt, fördern, indem wir einen Mirador (Ausblick) auf dem nahen Berg und einen Spielplatz im Projekt bauen. Außerdem möchten wir gerne den Englischunterricht forcieren, der in seiner derzeitigen Form durchaus ausbaufähig ist.

Ob und wie wir diese Vorhaben umsetzen, wird dann wohl ein Schwerpunkt in meinem zweiten

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Quartalsbericht sein. Ich hoffe, dass der nicht auch schon wieder in drei Wochen fällig ist und ich nicht schon so bald wieder drei erlebnisreiche Jahre auf drei Seiten Papier unterbringen muss.