zwischentÖne das generationen-magazin · liebe leserin, lieber leser, wenn sie die ausgabe 39...

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Sozialwesen Faculty of Applied Social Sciences Hochschule Niederrhein University of Applied Sciences ZWISCHENTÖNE Das Generationen-Magazin Nummer 39 Februar 2018

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SozialwesenFaculty of Applied Social Sciences

Hochschule NiederrheinUniversity of Applied Sciences

ZWISCHENTÖNE Das Generationen-Magazin

Nummer 39Februar 2018

FAUSTHochschule Für Alte Und STudierende

GasthörerprogrammSommersemester 2018

Anmeldung: 19.03. bis 06.04.2018

Nehmen Sie am regulären Studienbetrieb der Hoch-schule Niederrhein teil! Studieren Sie zusammen mit den „normalen“ Studenten! Wählen Sie aus einer Vielzahl von Lehrveranstaltungen in zehn Fach-bereichen in Krefeld und Mönchengladbach!Fordern Sie kostenlos unser aktuelles Programmheft für das Sommersemester 2018 an!www.hs-niederrhein.de/fb06/faust

Mönchengladbach: mo, di, mi, 09.00 - 12.00 UhrFachbereich SozialwesenRichard-Wagner-Str. 101, Raum R 109

Krefeld: do, fr, 09.00 - 12.00 UhrHochschule NiederrheinReinarzstraße 49, Raum B 220Telefon: 02161 / 1865661 u. 1865637

2 Editorial

WissEnschaft & forschung 4 Stolpersteine des Alterns nach 65 10 Kreativität in Bildung und Alltag

gEdichtE 3 Rostellec13 Lyrikbeflügelt21 EinschreibenmitRückschein 34 Man nehme 37 Climate Change

Kultur : Bildung : lEBEn 17 Der Liebling 18 Begegnung – Das ist mein Ding! 23 Drahtesel statt Schusters Rappen 25 Noëlla 34 Die Textweber 35 Jeden Tag eine gute Tat

ZEit14 Aufbewahren–FüralleZeit?26 ZwischenLebenundTod–LeprakrankeimRheinland30 David32 Der Besuch 38 Das Schlammhaus

raum 40 Nordland – Lofoten, Vesterålen und Ofoten

mundart46 Wat enne Remmel Wu’esch wä’et senn kann46 En jo'e Hölep 46 Wä troot sech47 ZinkMä’etesesenNu’et

48 imprEssum

INHALT 1

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,wenn Sie die Ausgabe 39 unseres Generationen-Maga-zinsZwischentöneinHändenhalten,istesnochFebruarundderWinterhatunszudieserZeitnochfestimGriff.Langsam jedoch wächst die Sehnsucht nach mehr Licht, WärmeundschönenFarben,dieunsderFrühling–sodürfenwirzuversichtlichsein–zurückbringenwird.

Während Sie und wir auf wärmere Tage warten, bleibt reichlichGelegenheit es sich zuHausegemütlich zumachen und in angenehmer Atmosphäre die vielfältigen Geschichten und Gedichte in unserem neuen Magazin zugenießen.

In unserem wissenschaftlichen Beitrag beleuchtet Pro-fessorStrasser„DieStolpersteinedesAlternsnach65“.In einem Selbsttest hat er in den letzten 10 Jahren sein ErlebendesAlternsniedergeschrieben.DiewichtigstenErkenntnissehaterfürunszusammengestellt.

Wir berichtenwieder über studentischeProjekte derHochschule Niederrhein und haben verschiedene Gast-autorinnen und -autoren eingeladen, ihre Geschichten vorzustellen,wiez.B.dieTextweberausKrefeld.Zumersten Mal erscheint eine Kurzgeschichte unseres jüngstenRedaktionsmitgliedesJudithReith,StudentinderKulturpädagogik.SeienSiegespannt!

WirwünschenIhnenvieleErkenntnissebeiderLektüreundhoffen sehr,Sie sindmitZuversicht,FreudeundZufriedenheitindasJahr2018gestartet.

HerzlichstSigrid Verleysdonk-Simonsund das Redaktionsteam Zwischentöne

2 EDITORIAL

Sehnsucht nach dem Frühling

von Hoffmann von Fallersleben

Schöner Frühling, komm doch wieder,lieber Frühling, komm doch bald,

bring' uns Blumen, Laub und Lieder,schmücke wieder Feld und Wald!

3GEDICHTE

ROSTELLEC VON ELISE DONDER

Was Fischer trug und Fang,lässt man verwittern, übergehninsMeer

Meeresgefährten,vom Leben in Gefahr hört man sie reden

In der Flut wiegen sich träumendWalgerippe

dEs altErns nach 65

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lEBEnsmitschrift EinEs untErhundErt-jährigEn: diE ÜBErlEBEnsproBE

Diese Lebensmitschrift eines unterhun-dertjährigen hat mit Erfahrungen des Alltags zu Hause ebenso zu tun wie mitBeobachtungenderWeltdraußen.SiereichenvonKonfliktenundKrank-heitenüberEindrückevonReisenundBegegnungen bis zu Kommentaren zu aktuellen Themen wie die Love Parade in Duisburg, die Finanz-, Griechenland- undFlüchtlingskriseunddenKrieginSyrien.SchongarnichtkonnteichvondenAuswüchsendesKapitalismus ineiner sich beschleunigenden Digitalge-sellschaftabsehen.Natürlichkommenin diesen Beobachtungen weder die eigenenGefühlenochdievonanderenzukurz.DiesesletzteJahrzehntsolltesich nicht nur in Deutschland, in Europa und im Rest der Welt, sondern auch im Leben des Hermann Strassers als ziemlichturbulenterweisen.

Ich bin kein Altersforscher, aber als Soziologe stelle ich mir immer wieder die Frage, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben–oder lebenwollen.Gesellschaft hat vor allem mit Begeg-nungen zu tun, nicht nur mit Freunden, dieunserFensterzurWeltsind.Men-schen, denen ich begegne, porträtiere ichauchgerne.Nichtseltenbegegneich mir selbst auf mehr oder weniger ungewöhnliche Art und Weise und bin überrascht, ichselbstundaufdieserWeltzusein.Es handelt sich bei diesem Selbsttest um einen verbalen Akt der Lebensbe-wältigung,auchumdasAlternüberein Jahrzehnt hinweg wahrhaftig zu erleben und glaubhaft zu beschrei-ben.DerÜbergangindenRuhestandwirdnatürlichausführlichgeschildert,auch wenn bei mir als Emeritus der Ruhestandoffiziellgarnichtstattfin-det.DieEmeritierung ist janureineEntpflichtung,nichteineEntrechtungvondenberuflichenAufgabeneinesUniversitätsprofessors.Sohabe ichvieleJahrenachdem65.Geburtstagweitergemacht mit Forschungsprojek-

StolpeR S eine

Inden letztenzehnJahren,seitmeinem65.Geburtstag,habe ich eine Art Tage buch verfasst, das rund 1000 Sei-tenumfasst (Strasser2017).Eshatsichals „Gesprä-chigesSchweigeneinesUhus“entpuppt. Ichwollteden

Spuren des Alterns folgen, indem ich mir die Frage stellte, ob Alterneinem„SelbstmordaufRaten“gleichkomme.

dEs altErns nach 65

Emeritierter Professor fürSoziologie,Schwerpunkte:Soziologische Theorie, Sozial-

strukturanalyse und Kultursoziologie an der universität Duisburg-Essen

VON HERMANN STRASSER

Lektionen eines Selbsttests überzehnJahre

t

WISSENSCHAFT & FORSCHuNG 5

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ten, der Betreuung von Doktoranden, dem Besuch von Tagungen und dem Schreiben vonBüchern,AufsätzenfürZeitschriftenundKommentarenfürZeitungen(z.B.Korfkamp/Strasser2017,Oesterdiekhoff/Strasser2009.Strasser2012,Simon/Strasser2016;Jakisch2016).

Schreibenbedeutet fürmichnichtnur, auf der Suche nach dem passenden Wortzusein. Immerwiederhabe ichin dieser Lebensmitschrift auch gegen dieZeitangeschrieben.Dasgesprä-chige Schweigen wird so zur Erlösung vomewigenVerdrängen.Weilmichdie Sprache die Wirklichkeit erfahren lässt, kann ich durch das Schreiben auch die Wirklichkeit der Begegnungen mit Menschen sowie des Erlebens von Ereignissenentbergen.

Wie schon in meiner Autobiogra-fieDie Erschaffung meiner Welt: Von der Sitzküche auf den Lehrstuhl wird auch hier deutlich, dass die Welt des Älterwerdens vom Alternden selbst und seiner umwelt erschaffen wird (Strasser 2015).ImmerwiedertauchtdieFrageauf, ob und warum ältere Menschen sichandersverhalten.Begegnetihnenihre umwelt anders als in den Jahren undJahrzehntendavor?Kommtihnengar ein Teil ihrer angestammten Welt abhanden?UndwiegestaltenältereMenschen das Verhältnis von Individua-lität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben?

Fragen, die die „Kompetenz im Alter zwischen Routine und Neubeginn“ in den Mittelpunkt stellen, wie das bereits der gleichnamige Forschungsschwer-punkt der Hochschule Niederrhein 2002 getan und mit einer Ringvorlesung zum Thema „und morgen wird es wei-tergehen … – Entwicklungsprozesse imAlter“begleitethat (vgl.Kerkhoff /Simons2002).

In meiner Lebensmitschrift geht es nichtumRatschläge fürdasAlter(n),schongarnichtumSelbstmord.Den-noch verschweige ich nicht, dass mir manchmal das Leben vorkam, als ob man Selbstmord auf Raten, nämlich aufUmwegen,beginge.Immerwiederbeklage ich das Abhandenkommen

bisherigerLebenswelten.DieseVor-stellung begleitete mich nicht nur, wenn Verwandte und Freunde verschwinden, mit denen ich mein Leben verbracht habeoderaufgewachsenbin.Deshalbkann ich auch kein Buch wegwerfen, weilBücher fürmichLebensbegleitersind.Vielleichtbin ichauchdeshalbmit einer Mischung aus Dreistigkeit und Verzagtheit nicht in der Lage, aufzu-räumen,wasmichschierkrankmacht.DerÜbergangzwischenFortsetzenundUmrüsten,AbrüstenundAufräumen,diese„worldintransition“,istfürmichzurLebens-, jazurÜberlebensprobegeworden.ZumAusgleichhabe ichmich schon zu Beginn dieser zehn Jahre einer Gymnastikgruppe angeschlossen, einer Gichtriege, wie wir sie nennen, dienachdemMottoübt: „TurnebiszurUrne“.

Deshalbfasseichmeinez.T.sehrpersönlichen Einsichten am Ende zu-sammen und schildere die Stolperstei-nedesAlternsnach65.Ichversuche,Fallen zu beschreiben, in die man als alternder Mensch tappen kann, und ei-nige Spielregeln aufzustellen, wie man diese Fallen umgehen und Stolperstei-nevermeidenkann.Auchwennesnochimmer nicht leicht ist, der Einsicht der österreichischen Schauspielerin Erika Pluharzufolgen:„WergegendasAlternankämpft,altertbloß,ohnezureifen“.

DAS ALTER ISTUNSEREZUKUNFT

Der Mensch altert seit seiner Geburt, dennoch versteht er das Alter in ab-grenzbaren Lebensphasen, auch wenn dieLebensphaseAlter fürvieleMen-schen inzwischen die längste Lebens-phasegeworden ist.Deshalb istesfürdengewesenenJungaltenwie fürden Soziologen umso wichtiger, sich

übereigeneErfahrungenmitdendamitzusammenhängenden Fragen ausein-anderzusetzen.AuchwennsomancherLebensplan vom Schicksal durchkreuzt wird, begebe ich mich nicht auf eine Phantasiemeile.EherfühleichmichwieDieter Hallervorden in dem Film „Sein letztesRennen“von2013,wennersagt:„DasLebenisteinMarathon“.Unddannseiner todkranken Frau die Einsicht des MarathonläufersPaulAverhoffbeichtet:„Duglaubst,dukannstnichtmehr.Undläufst immerweiter“.Undsiekonntenichtanders,als ihmzuzustimmen:„Werstehenbleibt,hatschonverloren.“unsere Gesellschaft hat sich auf die neuen Herausforderungen des Alterns nochkaumeingestellt.MandiskutiertzwarüberdieVerlängerungderLe-benserwartung von Mann und Frau und dass der Bundespräsident nicht mehr Menschen gratuliere, die das 100.Lebensjahrerreichthaben,weileszuvielegewordenseien.DieBe-völkerungsdynamik hat sich von ei-nem Geburts- in einen Sterbekomplex verwandelt, wie Frank Schirrmacher in Das Methusalem-Komplott schon 2004 anmerkt.UnddieöffentlicheDebatteistzueinemKampfumPflegesätze,Pfle-geplätzeundPflegepersonalgeworden.Die Altersstruktur der Gesellschaft ver-schiebt sich sozusagen nach oben, die Spannweite der Generationen wird größer, aber die Größe der Altersko-horten wird schmäler, vor allem bei den Jüngeren.1950warerstjederzehnteEinwohnerüber65,heuteistesjederFünfteund2050dürfteesjederDrittesein.DieZahlderHochaltrigen,alsoderüber80-Jährigen,hatsichseit1950verfünffacht.Siemachtheute5%derBevölkerungaus.WennichmichunterFreunden und Kollegen, aber auch unter Abiturienten und Studienanfän-gern umschaue, dann kann ich dem

ICH HABE GELERNT, DASS DAS LEBEN EINETOILETTENPAPIERROLLEIST:JE NÄHER SIE DEM ENDE KOMMT, DESTOScHNELLERDREHTSIESIcH.ANDy ROONEy

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ZukunftsforscherMatthiasHorxnurRechtgeben,wennersagt: „Esgibtimmer mehr pubertierende 60-Jährige undfrühevergreiste18-Jährige.“

DasAlterwird jüngerunddieLe-bensphase„Alter“differenzierter.Wirhaben es mit einem neuen Muster lan-gerLebensläufezutun.DasssichdasAlterfürVielezurlängstenLebenspha-seentwickelnwürde,wusstemanschonlange.WennaberdieGeburtenzahlzurückgehtunddieLebenserwartungsteigt, haben wir es auch mit einer ande-renZukunftzutun.NatürlichsindnachwievordieKinderunsereZukunft.AuchdieAltensindunsereZukunft,weildasAlterihreZukunftist.NurdasAlternimlangenHerbstmüssenwirnochlernen.Das macht aber auch deutlich, wie sehr wir Menschen aufeinander angewiesen sind.Wirwerdenweniger,umsowich-tiger werden Bildung, Teilhabe- und EntwicklungschancenjedesEinzelnen.

Der Altersforscher Reimer Grone-meyer kommt in einem Interview zu dem Schluss, dass wir eine Gesellschaft brauchen, in „der Freundschaftsstruk-turenlängeralsbisherunterstützendencharakterhaben“.DieMenschen imdritten Lebensalter werden nur dann glücklicher,wenneseineneueKulturderHilfegibt.AuchbeidenAltenundPflegebedürftigenwirdesnichtsosehrauf die professionellen Dienstleister ankommen als vielmehr auf die sich gegenseitigkümmerndenFreundeundFreundinnen.Hilfsbedürftigkeitgehörtebenso zum Mensch-Sein wie das Ge-benundNehmen.

Also, bringen wir Licht ins Dunkel durchs Schreiben – und bleiben, indem wir die Stolpersteine auf dieser Teststre-ckeüberzehnJahreinsVisiernehmen.

Von fallEn und stolpErstEinEn

Im Alter gilt nicht weniger als in jun-gen Jahren, dass der Mensch seines GlückesSchmied ist.WirhabeneslebenslangmiteinemParadoxzutun:Einerseits altern wir seit unserer Geburt, andererseits verstehen wir das Alter in abgrenzbarenLebensphasen.Umsowichtiger scheint die Frage zu sein, die schon der junge Friedrich Schiller formulierte,obundwiewirdasGlückschmiedeten, wenn nicht das Sterben der langenNarrheitEndesei.Aberwas ist und worin besteht die Schmie-dekunst, die Wahrheit, die da zu Tage tretensoll?

Immer wieder wurde mir in dem ver-gangenenJahrzehntvorAugengeführt,dass wir mit zunehmendem Alter die zu erwartendeZukunft jetzt leben, ganz abgesehen davon, dass in vielen Fällen ZukunftschonlängstVergangenheitist.In jungen Jahren waren die Perspekti-ven zeitlich viel ausgedehnter, wie auch derersteStolpersteinzeigt.

stolpErstEin 1:die fortsetzerfalle – Was man gerne gemacht hat, fortzusetzen.

Der Lebenslauf wird immer öfter zum Tageslauf und das Mithalten mutiert zumAushalten.Dabewahrheitetsichwieder einmal die Einsicht, dass es mitderZeit istwiemitdemGeld:Eskommt nicht so sehr darauf an, wie viel man auf dem Konto hat, sondern was mandamitmacht.Unddochstimmeichdem Religionsphilosophen Martin Buber zu,wennerzumBestengibt:„Alteristeine herrliche Sache, wenn man nicht verlernthat,wasanfangenheißt.“

AuchichtapptelangeZeitindieseFortsetzerfalle, wenn ich nur an die Forschungsprojekte, die Betreuung von Doktoranden und Diplomanden, das SchreibenfürZeitschriftenundeinigerBücher,aberauchmeinereigenenBio-grafieundvonKurzgeschichtenbisindieletzteZeitdenke.Natürlichkamauchder regelmäßige Oma-Opa-Einsatz in

MünchenundOberurseldazu,Vorträgewerden nach wie vor gehalten, ebenso im Rotary Club Ratingen und anderen Vereinenmitgemacht.

stolpErstEin 2: die Verdrängungsfalle – man glaubt, es gehe alles seinen gewohnten Weg.

Mit dem Fortsetzen von vielen Aktivi-täten, auch und gerade solcher, denen man sich gerne hingibt, gehen immer öfter Einschränkungen einher, nicht zuletztgesundheitlicherArt.Deshalbsoll dasHaus früherals späterbe-stelltwerden.Wasleichtgesagt,aberschwer zu tun ist, denn es herrscht nicht selten Sprachlosigkeit, vor allem in der Familie.DerVerlustanAutonomieführtzu mehr Verdrängung, bei Männern mehralsbeiFrauen,someinEindruck.

stolpErstEin 3: die Belastungsfalle – Kleine Vorkommnisse ziehen große Wirkungen nach sich.

Man muss sich darauf einstellen, sich nicht zu viel vorzunehmen, das heißt aber auch, sich vor Entscheidungen nichtzuscheuen.

stolpErstEin 4: die möglichkeitsfalle – im alter ist nicht mehr alles möglich, schon gar nicht, was früher selbstver-ständlich war.

Manmusssichsofrühwiemöglichaufdas konzentrieren, was (noch) möglich istundFreudemacht.

stolpErstEin 5: die neubeginnfalle – im ruhestand wollen viele jung-alte ein neues, erfülltes leben beginnen.

Oft geht es um eine Antwort auf die Frage:Normaloderglücklichsein?Sie kann sich leicht als Illusion, als übertriebeneErwartungerweisen.Nichtzuletztgilteszuberücksichtigen,dassFreundschaften wichtiger, aber auch selektiverwerden.

WENN WIR WOLLEN, DASS ALLES SO BLEIBT WIE ES IST, MuSS MAN ALLESäNDERN.GIuSEPPE TOMASI„

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stolpErstEin 6: die Enttäuschungsfalle – Wie kann und soll man in Würde altern?

DerUmgangmitälteren ist füralleGenerationeneineHerausforderung.Invielen Lebensbereichen ist die Botschaft von den aktiven Älteren noch gar nicht angekommen.Besondersschmerzhaftsind die Enttäuschungen im eigenen Familien-undFreundeskreis.

stolpErstEin 7: die ordnungsfalle – die sinn ver leihende ordnung reduziert sich.

Die eigene Lebenswelt und ihre Ord-nung werden mit zunehmenden Ein-schränkungenbegrenzter.Teiledergewohnten Lebenswelt, sei es in der beruflichenWelt,imFreundeskreisoderinderFamilie,kommenabhanden.Auchmir wurde an vielen Haltepunkten klar, dass körperliche und geistige Fähig-keitenimAlternachlassen.Wirsolltenuns aber an die Fähigkeit des Gehirns erinnern:Dingezuvergessen,dennErinnernheißtauchauswählen.

stolpErstEin 8: die Überschätzungsfalle – die körperlichen Einschränkungen haben nicht selten psychische folgen.

OftwollenwirdievermehrtenEinbrücheim späteren Lebenslauf nicht wahrha-ben und verfallen dem Glauben, dass essoweitergehewiebisher.WeildieseEinschränkungen oft nicht vorhersehbar sind, sollte man anstehende Aufgaben frühererledigen.Mansolltenurdasmachen, was man wirklich will und bewältigenkann.Nursolässtsichver-meiden,dassdieÜberschätzungsfalleauchnochzurÜberforderungsfallewird.

Mit Blick auf die letzten zehn Jahre bin auchichindieseÜberschätzungsfalle–in Verbindung mit der Möglichkeitsfalle –getappt.Zunächstgingesberuflichvor allem ums Fortsetzen, wenn ich an die weiterlaufenden Forschungspro-jekte und Betreuung von Diplomanden und Doktoranden an der universität Duisburg-Essen und die anvisierten Forschungsvorhaben denke, die mit derZeppelinUniversität,derUniversitätSalzburg und dem Klartext Verlag ins Visiergenommenwurden.Auchwennnicht alle Vorhaben realisiert werden konnten, taten sich parallel dazu neue Möglichkeiten auf, vor allem was das Schreiben von wissenschaftlichen und autobiografischenTextenangeht.

Der Bogen reicht da von Kongress-besuchen und Publikationen in Fach-zeitschriftenübermehrereAuflagenderWeberHaus-Biografie,einenKurz-geschichtenbandunddieAutobiografiesowievielenZeitungsinterviews,Vor-trägen und Lesungen bis hin zu einem AuftrageinesMuseums,füreinegroßeKunstausstellungdenTextzuliefern.

Rückblickendstelleichfest,dassichnoch nie so viel publiziert habe wie in denletztenzehnJahren,wennauchz.T.aufanderenWegen,d.h.inanderenZeitschriften,zuanderenThemen,oftautobiografisch und populärwissen-schaftlichausgerichtet.

Natürlichwurdemirzunehmendklar,dassabgerüstetwerdenmusste.Dasbetraf die Betreuung von Studierenden, die Teilnahme an Tagungen ebenso wiedieAktivitäten inmeinerbiografi-schen Schreibwerkstatt VERBAL, in der seit Anfang der 90er Jahre viele Biografieaufträgebearbeitetwurden.Am deutlichsten ist das Schreiben in den Vordergrund getreten, nicht zuletzt durchgesprächigesSchweigen.Eshatden äußeren Lärm des Berufs – von denVorlesungenüberdieSitzungenindiversen Gremien bis zu Kongressbesu-chen – in einen inneren Lärm des Den-kensundÜberlegens,desSinnierensund Albträumens verwandelt, das immer aucheinSuchenundZurechtfindenwar.

NatürlichändertensichauchdieInter-essen, neue Interessen wurden ange-stachelt,vondenZufällen,die immerwiederauftraten,garnichtzusprechen.Dazu gehörte nicht zuletzt auch meine ursprünglicheAbsicht, inAltenmarktoder Salzburg und umgebung eine Wohnung zu kaufen und einen umzug nachÖsterreichinErwägungzuziehen.Auch wenn wir in den letzten Jahren immer wieder mehrere Sommermona-te in meinem Heimatort Altenmarkt im Pongau verbrachten, haben wir den Umzugsplanpraktischaufgegeben.

NatürlichhatSimonedeBeauvoirRecht, wenn sie meinte, dass das Al-ter zwar kalendarisch oder biologisch bestimmt werden könne, es aber unter-schiedlicherlebtundbewertetwerde.Das Alter ist und bleibt ein sozialpsy-chologisches Konstrukt, denn unser In-neresaltertwiedasäußereindividuell.Älterwerden ist eine Reise, in der es Bedrohungenundchancengibt.Wirleben das Leben vorwärts und verste-henesrückwärts.DasLebenzeichnenwirohneRadiergummi.

Die Lehre, die ich aus meinen zehn Lehrjahren des Alterns im Nachhinein ziehe, könnte deshalb nicht einfacher sein:Das,wasmanerreichenwill,rechtzeitig anvisieren, nicht zu war-ten und schneller als langsamer die Entscheidung treffen.GenaudieseEntschiedenheit, so mein Eindruck heute, hat sich durch die verschiedenen Aktivitäten und ungewissheiten, aber auch Ablenkungen und Verdrängungen nichteingestellt.Vielleichthätte ichdann die Wirkungen meines Stolperns vermeiden oder zumindest besser be-wältigenkönnen.Denndiehattenmitdem zunehmenden Vergessen, der abhandenkommenden Welt und dem Verdrängenzutun.Auchhiergilt,dassselbstgewählte Herausforderungen einenjungerhalten.

DerIllusion,dassdieZeitWundenheilt, sollte man sich nicht hingeben, denn die neuen Wunden kommen zu schnell.Wiesagtedochderamerikani-scheJournalistAndyRooneysorichtig:

„WIRMÜSSENDAS

LEBEN MEHR LIEBEN ALS DENSINNDESLEBENS.

FJODORM.DOSTOJEWSKI

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„Ich habe gelernt, dass das Leben eineToilettenpapierrolle ist.Jenähersie dem Ende kommt, desto schneller drehtsiesich.“

Zum schluss: in dEr ZuKunft VErBringEn Wir dEn rEst dEs lEBEns

Nicht erst Psychologen haben in den letzten Jahren bewiesen, dass Men-schen sich auch im hohen Alter noch verändern können, nicht zuletzt ihren charakter.Zweifellosändertsichmitdersich wandelnden Welt auch das eigene Ich, nicht immer zum Besten, beson-ders dann, wenn man diesen Wandel unterschätztodergarnichtwahrnimmt.Natürlichheißtdasnicht,demLebenim Alter ständig die Breitseite bieten zumüssen.Genaudassolltemannichttun, denn die Chancen werden am ehes-tenüberdieSchmalseiterealisiertundauf diese Weise auch die wichtigsten Altersfallenumgangen.Die Älteren sind ja nicht allein auf der Welt.Mehrdenn jekönnenheuteAltundJungvoneinanderprofitierenunddie viel beschworene Greisenrepublik durch eine neue Generationensolida-ritätüberwinden.DasErfordernisderlangen Leistungsfähigkeit macht deut-lich, wie sehr wir Menschen aufeinander angewiesensind.Wirwerdenweniger,umso wichtiger werden Bildung und EntwicklungschancenjedesEinzelnen.

Der Mensch kann aber diese Her-ausforderungen bewältigen, vor allem weil Kommunikation sein Existenz-modus ist und die Symbiose schon immer die wichtigste Triebkraft der Evo-lutiongewesenist.FürcharlesDarwinmachten Gemeinsinn und Eigennutz dasErfolgsmodellLebenaus.Unddazugehören auch Werden und Vergehen, SaatundErnte.

Bedenken wir, was uns die öster-reichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach ins Stammbuch geschriebenhat: „DieMenschen,de-nenwireineStützesind,gebenuns

denHalt imLeben.“Dasheißt:MehrSchultern, die mehr tragen, machen unsere Gesellschaft und unser Land auch tragfähiger, stärker!

Mit Blick auf unsere Kinder und En-kelkinder, auf die Anderen und die Ge-nerationen, die uns nachfolgen, können wir endlich Woody Allens Ermutigung Ernstnehmen:„IchdenkevielandieZukunft,weildasderOrtist,woichdenRestmeinesLebensverbringenwerde.“Deshalb sollten wir uns jetzt einfach zurücklehnenundunsmitdemweitbli-ckenden Spruch von Angelus Silesius trösten:„Ichbinundweißnichtwer,/ichkomm’undweißnichtwoher,/Ichgeh’undweißnichtwohin,/Michwundert,dassichsofröhlichbin.“

Es reicht nicht, sich mit der Einsicht zu trösten, dass der, der nicht stirbt, älter wird.AuchwennnichtjederTaggutseinmag, jeder Tag hat etwas Gutes, wie Ernesto Cortazar in seinen Einsichten über„ANewDay“darlegt.AuchimAltersollten wir Fjodor Michailowitsch Dos-tojewski im Hinterkopf behalten, wenn er Dimitrij Karamasow in Die Brüder Karamasowsagenlässt:„Wirmüssendas Leben mehr lieben als den Sinn desLebens.“UmesmitdenWortenvonThorntonWilderzusagen: „DasLeben hat keinen Sinn, außer dem, den wirihmgeben.“

Deshalb bleibe ich auch bei meinem MottofürdiesezehnjährigeLebensmit-schrift, das ich mir von Marc Aurel ge-borgthabe:„DasGlückdeinesLebenshängt von der Beschaffenheit deiner Gedankenab.“Deshalbkann ichderEmpfehlung aus dem Sizilien-Roman Der Leopard von Giuseppe Tomasi di Lampedusa sehr viel abgewinnen, wennesdortheißt:„Wennwirwollen,dass alles so bleibt wie es ist, muss man allesändern.“

und so kann ich Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auch beruhigen, dass am EndemeinesSelbsttestsüberzehnJah-re kein Selbstmord steht, auch weil ich mich an Johannes Nepomuk Nestroys Rathalte: „WennalleStrickereißen,hängeichmichauf.“

litEraturhinWEisE

simone de Beauvoir,DasAlter.Reinbek:Ro-wohlt,1972.

reimer gronemeyer, „Der Tod ist immer teurer geworden.“InterviewinSüddeutscheZeitungvom19.Dezember2014.

Brunhilde jakisch, Mein Herz ist wie ein junges Pferd:GedichtevonLiebesleidundHerzschmerz.Aufgeschrieben und herausgegeben von Hermann Strasser.Amazon /createSpace IndependentPublishingPlatform,2016.

Engelbert Kerkhoff und sigrid simons, hrsg., Alter: IndividualitätundPartizipation.Schriftendes Fachbereichs Sozialwesen der Hochschule Niederrhein.Bd.33.Mönchengladbach,2002.

jens Korfkamp und hermann strasser, „Was istHeimat:AusschlussprinzipoderZukunftser-zählung?“ In:soziologieheuteHeft54 (August2017):16-21.

giuseppe tomasi di lampedusa,DerLeopard.22.Aufl.München:Piper,2006.

georg oesterdiekhoff und hermann strasser, KöpfederRuhr:200JahreIndustriegeschichteundStrukturwandel imLichtevonBiografien.Essen:KlartextVerlag,2009.

heribert prantl,Alt.Amen.Anfang.NeueDenk-anstöße.München:SüddeutscheZeitungEdition,2013.

frank schirrmacher,DasMethusalem-Komplott:DieMenschheitaltertinunvorstellbaremAusmaß.WirmüssendasProblemunsereseigenenAlternslösen,umdasProblemderWeltzulösen.München:HeyneVerlag,2004.

frank simon und hermann strasser, Hans We-ber–Lebens(t)räume.3.Aufl.Bühl:ikotes,2016.

hermann strasser, Gestatten, bestatten! Sieb-zehnnichtnurabwegigeKurzgeschichten.Duis-burg:Gilles&FranckeVerlag,2012.

hermann strasser,DieErschaffungmeinerWelt:VonderSitzkücheaufdenLehrstuhl.Autobiogra-fie.2.Aufl.Amazon/createSpace IndependentPublishingPlatform,2015sowieE-BookKindle.

hermann strasser,„DieWeltimUntergang?“In:soziologieheuteHeft45(Februar2016):6-13.

hermann strasser, gesprächiges schweigen eines uhus: altern – selbstmord auf raten? UnveröffentlichtesManuskript,2017.

WENN ALLE STRICKE REISSEN, HÄNGE ICH MICH AUF.JOHANNES NEPOMuK NESTROy

WISSENSCHAFT & FORSCHuNG10

AlsKinderhabenwirHüpfspiele auf die Straße gemalt, Topfschlagen imGartengespieltundSandburgengebaut.ÜberdieZukunftphantasiert,stattsiezuplanen,undElfchenüberdieNaturgeschrieben.

All das hat Spaß gemacht, Dopamin ausgeschüttetundvorallem: unsere Kreativität gefördert.

Warum nutzen wir Kreativität heutesoselten?

KReativitätin Bildung und alltag!

VON ALExANDRA IANAKOVA

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Kreativität & imagination

„Kreativität, Imagination und die Entstehung des Neuen“ hieß dasSeminarunterderLeitungvonFrauProf.Dr.FelicitasLowinski, in dem sich elf Studierende des Masterstudien-gangs Kulturpädagogik und Kulturmanagement sammelten, umeinProjektzudemThemazuentwickeln.BevordiePla-nung beginnen konnte, wurde sich kritisch mit der Theorie auseinandergesetzt.WasmachtKreativitätrelevant?Istsiedasüberhaupt?Undwissenwireigentlich,wasesbedeutet,kreativzusein?

„creatio“(lat.)meintdieFähigkeit,unüblicheKombinatio-nenzufindenunddadurchetwasNeueszuschöpfen.Aufbekannte Elemente, zum Beispiel aus dem Alltag, einen anderen Blick zu werfen, sie aus einer neuen Perspektive zu betrachten.AuseinersolchenSichtweiseresultierenhäufigungewöhnliche Lösungsstrategien (Ellinger und Fengler, 2013).DerHirnfoscherErnstPöppelistdavonüberzeugt,dass jederMenschvonNaturauskreativ ist.Kreativitätermöglicht es zum einen, unsere materielle und kulturelle Umweltweiterzuentwickeln.ZumanderenhatsieEinflussaufdieindividuelleEntwicklungeinesjedenMenschen.Inwieferndiese Kompetenz tatsächlich genutzt wird, ist abhängig von verschiedenenFaktoren.

Die 4 P‘s Der Kreativität Anfangder60erJahredefiniertederKreativitätsfoscherMelRhodes vier Aspekte, die sogenannten 4 Ps, die kreativi-tätsförderndoder-hemmendseinkönnen.PERSON meint die Charaktereigenschaften eines Menschen, PROCESS seineDenk-undHandlungsvollzüge,alsodenWegzurProblemlösung.MitPRODuCT wird die Idee bezeichnet, die in einer greifbaren Form, einem Ergebnis sichtbar wird und PRESS meint das umfeld, in dem sich ein Individuum bewegt.Diese4P‘skönnenunterschiedlichausgestaltetundgefördertwerdenundbeeinflussendamitdieKreativität.ImKreativ-Workshop der Studierenden sollten diese Aspekte daherbeachtetundbegünstigtwerden.

Dazu gehörte unter anderem, einen sicheren Raum zu schaf-fen,inwelchemsichdieTeilnehmendenwohlfühlten.FlacheHierarchien und eine lockere Atmosphäre tragen genau dazu bei.SoschreibtMatthiasNöllke,Kommunikationswissen-schaftler und Autor des Buches „Kreativitätstechniken“, dass AngstundSicherheitsdenkenvieleamKreativseinhindere.AuchKonkurrenz-undZeitdruckkönnenstörendeFaktorensein.InderheutigenLeistungsgesellschaftsinddiesejedochallgegenwärtig.VorallembeiJugendlichenundjungenEr-wachsenen kann dies in einem mangelnden Selbstvertrauen münden.FolglichwerdenaltbekannteWegegewählt,anstattNeueszu„riskieren“.DochdaseinzigeRisikobestehtdarin,allesbeimAltenzubelassen.

Die Master-Studierenden nahmen sich daher vor, eine fehler-freundliche umgebung zu schaffen und die Teilnehmenden zuermutigen,freiundrisikobereitzudenkenundzuhandeln.

entwicKlung unD Durchführung Des worKshoPs

Der Grundgedanke war, Kreativität dem Alltag wieder nä-herzubringen,undzwarfürMenschenjedenAlters.Dabeikam die Frage auf, ob es nötig ist, kreative Methoden ziel-gruppenspezifischanzupassenoderobeinunddieselbeÜbungmiteinemFünfzehnjährigengenausofunktioniertwiemiteinemFünfzigjährigen.DieStudierendenkonzipierteneinen Kreativ-Workshop, der auf die gleiche Weise mit vier Altersgruppendurchgeführtwurde:einer7.undeiner9.Schulklasse, jungen Erwachsenen (20-25) sowie älteren Menschenzwischen60und85(DieältereZielgruppewarenTeilnehmendedesFAUST-ProgrammsderHSNR).

ZurVorbereitungtrafensichdieStudierendeninKleingrup-pen und beschäftigten sich jeweils mit einem kreativen Be-reich(Literatur,bildendeunddarstellendeKunst).Methodenwurden recherchiert, variiert, in der Gruppe ausprobiert und korrigiert.EntstandenisteinKonzeptfüreinendreistündigenWorkshopausdreikreativenEinheiten.JeweilszweiStudie-rende leiteten die Gruppen an, im Anschluss evaluierten die TeilnehmendendenWorkshopinFormeinesFragebogens.

GestartetwurdejedeDurchführungmiteinemWarmUp,umKörperundGeistzuaktivieren.WährenddieälterenSpaßdaranhatten,warendieJugendlichenehergehemmt.SoschriebeinSchüler:„IchmochtedieÜbungenzum‚Lockerwerden‘nichtsogerne,weil ichnichtsoschnellsooffenmitanderenwerdenkann,sodassesmirnichtpeinlichist.“WohlerfühltensichdieSchülerinnenundSchülerbeiderdarauffolgenden,erstenkreativenEinheit:Literatur.Hierginges um das gemeinsame Experimentieren mit Worten und Sätzen, aus denen skurrile und interessante Geschichten entstanden.Vorallemdieälterenüber60gabenan,dasssiedabeiihreKreativitätauslebenkonnten.InderzweitenEinheitwurdephantasiertundfreiassoziiert.MusikinspiriertedieTeilnehmenden,ausdemBauchherauszuzeichnen.Aus einer Skizze entstanden im Minutentakt Collagen aus Bleistift,FilzstiftundZeitungsausschnitten.ImDurchschnittgaben 50 Prozent an, dass sie bei dieser Methode ihre Kre-ativität sehr gut ausleben konnten – Immerhin, denn obwohl ein entspanntes umfeld als kreativitätsfördernd gilt, wirkte derZeitdruckindiesemFallwomöglichstimulierend.

WISSENSCHAFT & FORSCHuNG12

fotos // luise fischer / Kerstin JanKovic / alexanDra ianaKova

Eine Herausforderung stellte die moderne Kunstform „Tape Art“dar.HierbeisolltenAufgabenmithilfevonbuntemKle-bebandkunstvollgelöstwerden.DerjungenGenerationfieldies leichter als der älteren, etwa weil ihnen das Medium ausderStreet-Artbekanntist.Nichtsdestotrotzentwickeltenauchdieälterenüber60einfallsreicheKunstwerke.Fast60Prozentgabenan,ihreKreativitätbeidieserÜbunggutbissehrgutauslebenzukönnen.EinfremdesMediumistalsozunächsteineSchwierigkeit,verlangtjedocheineüberlegteHerangehensweiseundschafftneuePerspektiven.Anknüp-fungspunktemüssennichtunbedingtimLebensumfeldge-sucht werden, sondern können unter umständen unabhängig vonderZielgruppeentstehen.

schüler haben hemmungen, KörPerlich aKtiv zu werDen

In der letzten Phase des Workshops war Körpereinsatz gefragt.PerformativeÜbungen,wiedasBaueneinermenschlichen Maschine, die sich in einem Rhythmus be-wegt, sollten zu Spontanität und gegenseitiger Inspiration anregen.WährendeinGroßteilderSeniorendie„Maschine“alspositivempfand,gefielsiefasteinemDrittelderNeunt-klässlerwenigbisgarnicht.DenHeranwachsendenfielesschwer, aus sich herauszukommen und innerhalb der Gruppe körperlichaktivzuwerden.DasiediesimklassischenUn-terrichtnichtgewohntsind,sindsolcheMethodenfürvieleeineGrenzerfahrung.WürdeeinSchüleraufstehenundsichdieMathe-FormelmithilfeeinesHüpfspielseinprägen,gälteerals„unnormal“.

EineAnnahme,diesichhierausergibt:DerFrontalunterricht,wieerandenRegelschulenzumgroßenTeildurchgeführtwird,vermittelteherKonformitätalsIndividualismus.Mankann indemZusammenhangmutmaßen,dassdieHem-mungenbeidenperformativenÜbungenaufebendieseBildungskulturzurückzuführensind.Feststeht,dassJu-gendliche in dieser Phase des Erwachsenwerdens ihre Persönlichkeitund ihrSelbstbild festigen.DieErfahrungdes eigenen Körpers als Medium kann enorm wichtig sein,

umsichdessenMöglichkeitenbewusstzumachen.Erlebtein Mensch die eigene Selbstwirksamkeit, steigert dies sein Selbstvertrauen.Esgiltdemnach,diesenGedankenverstärktimUnterrichtumzusetzenundSchülerinnenundSchülerndie Möglichkeit zu geben, sich in einer fehlerfreundlichen umgebung auszuprobieren, „Risiken“ einzugehen und sie zumkreativenDenkenzuermutigen.

Den flow erleben

Umsoschönerist,dassallesechsMethodeneinenZugangzuKreativitätermöglichthaben.Kreativseminareund-übun-gensolltenfestinLehrpläneintegriertsein.WirdübereinenlängerenZeitraumhinwegzusammengearbeitet,kanneinsogenanntesFlow-Erlebnisentstehen.DerKreativitätsfor-scher und Psychologe Mihály Csíkszentmihályi meint damit dasvölligeAufgehenineinerSache,dasmitdemGefühlvonZeitlosigkeitundSelbstvergessenheiteinhergeht.Erempfiehlt,denFlowbewusstindenAlltagzuintegrieren.

ImmerhindieHälftederTeilnehmendenfühltesichnachdemWorkshop stark bis sehr stark eingeladen, kreatives Handeln inihrenAlltageinzubauen.VielederälterenZielgruppewur-dendazuinspiriert,dieÜbungeninihremBekanntenkreisauszuprobieren.EineTeilnehmerinmeintesogar:„ VIELLEICHT SCHREIBE

IcHJETZTENDLIcHEIN KINDERBUcH.

LyRIKBEFLÜGELTVON JOSéE HÜMPEL-LANGEN

Wenn ich auf dieses Bild schaue, sehe ich einen glücklichen Menschen, ganz im Flow mit sichundderWelt.DasBildgibtmirKraft,vielKraft.Ich in meinem Element, damals, jetzt, immer wieder.

Wenn ich auf das Bild schaue, denke ich an den duftendenFrühling,andieStecknadel,diemanfallen hören konnte, an den Flieder, der bei der Lesung auf dem Tisch stand, als ich das erste Gedichtlas.

lalalala, lila ist schönschön ist lila, ein lila liedich singe gerne lila liederunter dem lila fliedermanchmal ist der flieder weißich weißdann singe ich weiße liedervon weißen schiffenund weißen segelnauf dem großen meer

Wenn ich auf das Bild schaue, wird das Leben poetisch, dann denke ich an die vielen Schuhe, derenSohlenichmitLyrikbeschriftethabe;ohneGewähr! Dieser Edding kann nicht abgewischt werden.

Ich denke an die großen, kleinen, alten, jungen Füße in eleganten Sandalen, ausgetretenenLatschen oder Converse Turnschuhen, an die Männer und Frauen, die mir gerne ihr Bein ent-gegenstrecktenundsich,wieich,freutenüberihrbeschwingtesLebensgefühl.

LyRIKBEFLÜGELT, AuCH uNTERM FUSS.

13GEDICHTE

FOTO//MADLENBÖHM

ZEIT14

FÜRALLEZEIT?

aufBEWahrEnVON GEORG OPDENBERG

ZEIT 15

Der Mensch stammt vom Jäger und Sammler ab.DieserSatzistunsinnig,esmussheißen:derMenschistJägerundSammler.ErstseinGesammeltesermöglichteihmdasÜberleben,

ist das Fundament seines Wissens und damit der Beginn jederKultur.Umdieszuwissen,mussichnichtschonbeiAdam und Eva anfangen oder mit einer Exkursion zu den KabinettschränkenderRenaissance,esgenügtschoneinBlickindieGeschichtemeinerFamilie.

JÄGER & SAMMLEROMAS KNOPFDOSE OPASNAGELBÜcHSEScHATZKISTcHEN

MeinOpabeispielsweise:nochmit80Jahrenbückteersichnach jedemNagel, den er fand, und sei er auch nochsokrumm.Dannbeganner ihnin seinem kleinen Schuppen auf ei-nemStückEisenbahnschiene,dasalsAmboss diente, mit einem Hammer, dessen Stil schon vor Jahren von dem einer Kinderschaufel ersetzt worden war, gerade zu klopfen, bevor er in einealteKonservendosekam.Diewarschon voll von großen und kleinen alten Nägeln. „Häbbekümmtvan`thalde“,sagteerdann.

DasGegenstückzuOpasNagelbüchsewarOmasKnopfdose.WenndieBett-wäsche vom vielen Waschen schon so dünngewordenwar,dasskeinFlickenmehr hielt, und die Hemden auch nach dem Wenden des Kragens beim besten Willen nicht mehr tragbar waren, wurde ausdenRestenSpültüchergemachtoder fürunsKinderMurmelsäckchengenäht.DieabgeschnittenenKnöpfeaber wanderten in die Knopfdose, aus der meine Oma, wann immer irgend-wo ein Knopf fehlte, was fast täglich vorkam, nach langem Suchen einen passendenherauszufindensuchte.und so wie Opas Nägel immer gut

genug waren, um beispielsweise aus einem kleinen Brett und einem alten BesenstieleinenHockeyschläger fürmich zu basteln, konnten Omas Knöpfe, wenn das Wetter zu schlecht war, um draußenzuspielen,füreinMühle-Spielgenutztwerden.Die„Steine“warendiehellen und dunklen Knöpfe und das Spiel-„Brett“wurdeaufdieRückseiteeinesPappendeckelsgemalt.Sohattesie es schon mit meinem Vater gemacht, alsernochKindwar,undzueinerZeit,als Sparen noch eine Tugend und Geiz nocheineTodsündewar.

AltenZigarrenkisten,diesichinSchub-ladenoderSchränkenfanden,warenfüruns Kinder, an langen dunklen Nach-mittagen und in Ermangelung von Bil-derbüchernwahreSchatztruheundvollvonErzählungen.Diedarinversammel-tenZeugnissederFamiliengeschichtegingen nahtlos in die Weltgeschichte über.ZwischenaltenPostkartenundvergilbtenFotografien,die inkeinemAlbum mehr Platz gefunden hatten, gab es auch große Geldscheine mit vielen Nullen,gedrucktineinerZeit,alsGeldnichtsmehrwertwar.KleineMarken,dieaussahenwieBriefmarkenundfürdiemanZuckerundMehlbekommen

konnte, waren auf vielfach gefaltete Bögengedruckt.UndZigarettenbild-chen aus der Kaiserzeit erzählten in abenteuerlichen und exotischen Bildern vonDeutschlandsKolonieninÜberseeoderGeschichtenvomAltenFritz.

Es ließen sich noch viele andere Be-hältnisseauflisten,indenenunsereGe-schichteverankertwar:Schuhkartonsim Schlafzimmerschrank, unten in der hintersten Ecke, mit Briefen, die keiner sehensollte,undTagebüchern,dieniefertiggeschrieben worden waren, und alteHandtaschenmitKleingeldfürdenKlingelbeutel, alten Rosenkränzen und GebetbüchervollerHeiligenbildchen,die von Wallfahrten erzählten, und To-tenzettel von schon lange verstorbenen Familienmitgliedern, die ich nie kennen gelernthabe.MancheinerdavonwarfürFührer,VolkundGroßdeutschlandgefallen.

Ein gutes halbes Jahrhundert später gibt es diese kleinen Behältnisse, die oft eine eigene geschlossene Samm-lungbergen,immernoch.ImLaufederJahre sind noch viele dazu gekommen, alswenn ichsiemagischanziehe. Ineinem großen alten Wäscheschrank, der im Wohnzimmer steht, versuche ich diese kleinen Schatzkisten und Dokumente menschlichen Daseins, deren Wert meist nur ideeller Art ist, vordemVergessenzubewahren.Zudieser Sammlung gehört auch eine kleineTasche,mitInnentäschchenfürdie Theater- und Konzertkarte, aus Schirmstoff genäht während des Krie-ges,alsesnichtsBesseresgab.

KRIEG & FRIEDEN

ERINNERuNGEN

GEScHIcHTEN&ERZäHLUNGENWASBLEIBT?

und da ist noch ein Ring und die Ge-schichtedazu. IneinerkleinenPapp-schachtel, irgendwo in seinem Schrank, hatte mein Großvater ein paar alte MünzenundMedaillen.Zudembreiten,silberglänzenden Ring, der auch in der Schachtel lag, erzählte mein Opa mir, dass damals, während des Krieges, Männer und Frauen ihre goldenen Ehe-ringeabgegebenhaben.Damitsollteder Kaiser neue Waffen kaufen, um damitdenKriegzugewinnen.Auchdiegoldenen uhrketten wurden abgegeben undmanbekamdafüreineausEisen,wie fürdieRinge,daherderSpruch:GoldgabichfürEisen.Erstgut40Jahrespäter wurde mir plötzlich klar, dass dies nicht sein Trauring sein konnte, was ich bisherimmergedachthatte.ErstnachKrieg und Gefangenschaft hatte er die Schwester eines alten Kriegskamera-dengeheiratet.AlsokonnteesnurderRing meines urgroßvaters sein, den ichnunehrfürchtig inderHandhielt.ZumerstenMallasichbewusstdieUm-schrift:VATERLANDSDANK1914.Vor-sichtig versuchte ich ihn anzustecken, abererwarzukleinfürmeineFingerundsomiterstrechtfüreineHand,diemitKohlenschaufeln den Lebensunterhalt verdienenmusste.VielleichtwaresjaauchderRingmeinerUrgroßmutter.

Bemerkenswert ist auch eine kleine feldgraue Blechdose aus dem Nach-lassmeinesVaters,ursprünglichwohlfüreineRationZigarettengedacht.Alsich sie entdeckte, bestand ihr Inhalt aus einer Handvoll unterschiedlichster Münzenausden1930erund40erJah-ren, aus Dänemark und Norwegen, aus

Holland und Frankreich und auch ein paar Notgeldscheine aus der französi-schenBesatzungszone.Esgibtaucheine Geschichte, die hierzu passen würde.VorvielenJahrzehntenhatteersiemireinmalerzählt:MeineMutter,dieer während des Krieges kennen gelernt hatte, lebte nach dem Krieg bei ihrer Familie in der französisch besetzten Zone,erinderbritischbesetzten,hierinKrefeld.Umsiebesuchenzukönnen,benötigte er diverse Passierscheine, die nichtimmerleichtzubekommenwaren.Deshalb sah er sich gezwungen, das ein oder andere Mal solche auf einer alten Schreibmaschine selbst anzufertigten undihnenmitHilfediverserMünzenundStempelfarbe einen amtlichen Anstrich zugeben.VielleichtwardashierjaeinTeilseinerFälscherwerkstatt.

Der Schrank enthält auch eine kleine Bibliothek.Oberflächlichbesehengibtes darin nichts Spektakuläres, mehr ein Durcheinander:vonmeinerGroßmuttereinKochbuchmitausführlichenAnga-benzurFührungeinesgroßbürgerlichenHaushaltes, versehen mit vielen Einträ-genundZeitungsartikeln,fürmicheinFensterinihreZeitalsHauslehrerinimElsass.DanebenstehteinKochbuchvon unserer Tante Leni, handschrift-lich, und entstanden Mitte der 1930er Jahre in der Hauswirtschaftsschule, mit AngabederKostenfürdiebenötigtenLebensmittel.EsgibtTagebücher,einpaar Arier-Nachweise, eine uralte Fa-milienbibel und ein „Volksschott“, der meinem Vater gehörte, immer noch eingebunden inbraunesPackpapier.ErschreckendisteinBaedekerfürdas

Generalgouvernement, von Tante Liesel 1944 in Warschau gekauft, die nie ein Wortüber ihreZeitdortalsRotkreuzSchwesterverlorenhat.

Manches, wozu es schon eine Ge-schichte gab, aber nichts mehr, woran man sie festmachen konnte, habe ich dann ganz zufällig entdeckt und oft auch erwerben können, wohlwissend, dass derSchrankschonmehralsvollist.Inmeinen Kindertagen wurde Silvester unter anderem auch mit Bleigießen ge-feiert.Dabei,erzähltemeinVaterimmer,dass seine Mutter damals, als er noch Kind war, das Blei immer so langsam in das Wasser tropfen ließ, dass es zu langenspitzenNadelnerstarrte.„DassinddieDornen,diedasneueJahrfürmich bereit hält“, soll sie dabei gesagt haben.Irgendwann,beieinemWohltä-tigkeitsbasarinderAdventszeit,fielmireine kleine Schachtel aus billiger Pappe indieAugen.NochinFrakturbeschrif-tet,wurdendarauf„GlücksfigurenzumBleigießen“angepriesen.

Was geschieht eigentlich mit den Erin-nerungenanalldieseMenschen?Waslebt fort von ihnen, wenn diese Bruch-stückeundGerätschaften,dieseDo-kumenteundZeugnisseihresDaseinsnicht mehr in die Hand genommen, wenn diese Geschichten nicht mehr weitererzählt werden oder zu einem großenTeilschonvergessensind?

WasmacheichmitdemErbe?

ZEIT16

dEr liEBlingEs ging ihm also nur um den Hund.

Wie es seinem Liebling gehe, fragte er. Und dass er Susi vermisse, sagte der Junge bereits am Telefon.

Susi, so heißt der Liebling. „Ja, es ist alles in bester Ordnung.“ Meine stetige Antwort während unserer Gespräche am Apparat. Zum Schluss das Versprechen, er rufe bald wieder an. Und er komme in nicht allzu ferner Zukunft, den Liebling zu holen.

Jetzt ist es seit Wochen ruhig, das schnurlose Telefon, wie er. Wenn es dann doch läutet, zucken wir beide zusammen: Der Hund wegen des schrillen Geräuschs; ich, weil mein Herz aus lauter Sehnsucht gerne selbst der Hörer wär‘. Enttäuschung, wenn er es nicht ist. Enttäuschung, denn er ist es, will aber nur mit dem Liebling sprechen. Susi kann nicht sprechen, sie ist ja doch nur Hund und hegt seit Kurzem Gefühle für das Telefon. Junges Ding, hat kaum Benehmen und fordert so viel Liebe. Ich habe seine alten Sachen aus dem Zimmer neben dem Flur geholt. Da kann der Hund nun schlafen, will ihn nicht ständig samt Haar und Floh im Bett. Sie wird schon groß. Habe mich häufig dabei erwischt, wie ich an ihn denke. Sehe mir Fotos von damals an. Ich streiche das Haus neu, spontaner Entschluss, der für ein zurückbleibendes Gefühl warmer Selbstständigkeit sorgt. Das Telefon klingelt. Ich schnell hin, Susi unter den Tisch. Angsthase, obwohl sie gestern noch einseitigen Verkehr mit dem Apparat hatte.

„Wie geht es dir?“ Eine bange Frage mütterlicher Fürsorge meinerseits. Einsilbige Antworten und kurze Höflichkeiten am anderen Ende der Leitung. Ich frage nach seiner Ankunft und wann ich ihn abholen soll. „Nee, Mama. Da ist was dazwischengekommen. Studium und so.“ Er erläutert mir den Wert der Zeit und ich nicke geistesabwesend, bevor mir bewusst wird, dass er mich nicht sieht. „Dann bis Weihnachten“, sage ich so zum Schluss, „und dein Liebling vermisst dich auch ganz doll.“ Susi schaut aus großen Augen zu mir auf. „Ich vermisse dich auch.“

Weiß nicht, ob er mich oder den Hund meint.

VON JuDITH REITH

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 17

18 KuLTuR - BILDuNG - LEBEN18

BEgEgnung

„Das ist ja fantastisch, umwerfend“, staunend begeistert blickt der Mann mittleren Alters seine nebenstehende Begleiterinan,währenderlangsameinenleichttropfendenRegenschirmschließt.MansiehtinseinenAugendieSuchenacheinerZustimmungfürseineBegeisterung.DieReaktionderDameisteinfreundlichesNicken,begleitetvondenWorten„findichauchtoll!“,abgerundetmiteinemkleinenSchrittzurSeite,umdenletztenRegentröpfchenauszuweichen.

VON ENGELBERT KERKHOFF

FOTO//HANSA.ROSBAcH//ccBySA3.0

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 19

HierfandeineBegegnungstatt.„Einesolche Begegnung ist nur dort möglich, wo beide Seiten ganz echt sind, der VerstehendeundderVerstandene,d.h.woaufdereinenSeitedemVerste-henden aus der geschichtlichen Welt eineGestaltgegenübertritt,vorderenunbedingtfordernderGewaltallesüb-rige versinkt, eine Gestalt also, die ihn alsganzenfürsichinAnspruchnimmt,und wo auf der anderen Seite der Ver-stehende selber bereit ist, sich ohne RückversicherungdemWagnisdieserBegegnungzuüberantworten,auchauf die Gefahr, vor dieser Begegnung in seiner eigenen Nichtigkeit offenbar zuwerden.AberdiesWagniswirdihmnichtgeschenkt,undnurindieserrück-haltlosen Auseinandersetzung wird der Verstehendeselbererselbst;underversinkt hoffnungslos in einem diffusen untergrund eines uneigentlich – verfal-lenen Daseins, wo er sich dieser Ausei-nandersetzungzuentziehenversucht.Beide Seiten, der Verstehende und sein Gegenstand, gewinnen ihre eigentliche Wirklichkeit in demselben unteilbaren Vorgang,undesgibtfürdenMenschenkeine andere Möglichkeit, zu seinem eigentlichen Selbstsein zu gelangen, als aufdemWegeinersolchenBegegnung.Ein in solcher Begegnung sich vollzie-hendes Verstehen ist dann ganz und gar nicht mehr ein risikoloses Betrachten, wie es zunächst in der Beschäftigung mit der geistigen Welt der Fall zu sein schien.…DieWahrheitliegtdabei,wieschon allgemein im Akt des Verstehens überhaupt,nicht imVerstehendenal-

lein und nicht im Verstandenen allein, sondern - wie im Grunde bei jeder Wirklichkeitserfahrung – nur im Erlebnis derwirklicherfahrenenBerührung.“// 1

In einer solchen Begegnung ereignet sicheinverändertesWahrnehmen.Dasist mehr als ein Kennenlernen, Besich-tigenoderBetrachten;hierwerdenausInteresse oder vielleicht Neugier Stau-nenundpersönlicheBetroffenheit.DiePerson und das Kunstwerk (und mit ihm derKünstler;hier:T.Riemenschneider)tretenineineBeziehung.DieserMannvor dem Retabel des Holzschnitzers scheintoffenzusein fürneueErfah-rungen,füreinvertieftes,intensiveresSich-EinlassenaufdieseKunst.

„Daß die unmittelbare Beziehung ein WirkenamGegenübereinschließt,istaneinemderdreiBeispieleoffenbar:die Wesenstat der Kunst bestimmt den Vorgang, in dem die Gestalt zum Werk wird.DasGegenübererfülltsichdurchdie Begegnung, es tritt durch sie in die Welt der Dinge ein, unendlich fortzuwir-ken, unendlich Es, aber auch unendlich wiederDuzuwerden,beglückendundbefeuernd.“ // 2

InderSprache jüngererMenschenkönnte hier angesichts einer derartigen Betroffenheit bei der Begegnung Per-son–Kunst(Künstler)derAussprucherfolgen: „Das istmeinDing!“, inderBedeutung, das hier sagt mir etwas, hierfühleichmichangesprochen,davonmöchteichmehrerfahren.Somussesunserem Betrachter auch ergangen

sein, sah man ihn doch später vertieft in dieLektüreüberdencreglingerAltaramInfotisch des Eingangsbereiches stehen undmiteinergutgefülltenBüchertütedieHerrgottskircheverlassen.DerBe-trachter ließ sich ein auf eine Sachbe-ziehung (Altargestaltung – Person), die zudemalsPersonenbeziehung(Künst-ler–Betrachter)zuinterpretierenist.

„Mit den Sinnen wahrnehmen, Ge-schmackvolles erkennen und bewerten, etwas Schönes als Schönes beurteilen und dasselbe auch in seiner Schönheit genießen können, hier konkretisieren sichZielvorstellungeneinerBildungs-arbeit, die sich dem ästhetischen An-spruchverpflichtetfühlen.DieQualitätdesästhetischenhatfürdasIndividuumzu tun mit seiner Wertschätzung der-selben."// 3

Diese Form der Wahrnehmung ist ein Ansichtigwerden des Anderen, ist ein bedeutendesBegegnungsmerkmal;sievollzieht sich zwischen den Betroffenen und hier mag Begegnung zu Beziehung zu einem dialogischen Phänomen wer-den.BezugnehmendaufdenvorabbeiBollnow skizzierten Begegnungspro-zess soll hier noch einmal der Anspruch vertieft werden, einen solchen Prozess offen anzugehen, quasi eine Echtheits-probe, die letztlich zur Stellungnahme nötigt.

„Der Mensch selber wird also in der BegegnungaufdieProbegestellt.Vorder Gewalt des Begegnenden ent-scheidetsich,wasan ihmecht ist. IndieserErschütterungmußderMenschsichbewähren.Erkannbestehenodernichtbestehen.SoistdieBegegnungdieProbeaufseineeigneEchtheit.Jaschärfer:Nichteineschon in ihmvorhandene Substanz wird in der Be-gegnung bestätigt, sondern erst in der Begegnung

Ihre Begeisterung ist nicht annähernd so groß wie derEnthusiasmusihresBegleiters.BeidePersonenhaben gerade die Herrgottskirche in Creglingen betretenundstehenvordemmächtigenFlügel-

retabeldesHolzschnitzersTilmanRiemenschneider. BeidemMannhatsicheineErwartungerfüllt–beimAnblickdieses Kunstwerkes fand die erhoffte Freude des Betrach-terszweifelsohneihreEntsprechungundErfüllung.

„DAS IST MEIN DING!

wirdderMenschüberhaupterselber.Dieser letzte Kern des Menschen, den wir als Selbst oder auch als Existenz bezeichnen, ergibt sich grundsätzlich nie in der Einsamkeit eines Ich, sondern immernur inderBegegnung.Nur inder Begegnung mit einem Du kann der Menschalsozusichselberkommen.…Begegnung muß, wenn sie zustande kommen soll, von dem betreffenden Menschen selber akzeptiert , sie muß von ihm in Freiheit angenommen wer-den;undinsofernverlangtsievonihmdenvolleneignenEinsatz.“// 4

HierfindetinderBegegnungeinKom-munikationsprozess statt, ein Prozess, der sich konkretisiert in Akzeptanz, in Offenheit und Anerkennung und in einer kritischenAuseinandersetzungmündet(vgl.dazuauch// 5).

Ein solcher Prozess kann erwachsen aus einem spontanen Interesse, aus Neugier an einer Sache und aus unge-plantemAngesprochensein;erkannaber auch angestoßen sein von einem Vermittler oder einem Anstifter von Begegnungsanlässen, wie sie zum Beispiel zum Aufgabenbereich einer Kulturpädagogin der eines Kulturpäd-agogengehörenmag.

Hier geht es darum, Motivationen und Denkanstöße zu stiften, ein Angespro-chenwerdenzuinitiierenundausZufäl-ligkeitenMomentefürdieEntwicklungvon Interessen – im Kennen- und Schät-zenlernendesNeuen–zuschaffen.

Entscheidend ist dabei die Freiwilligkeit der Annahme einer solchen Impuls-setzung.DerMotivationsanstoßzurAuseinandersetzung wird erst dann Auslöser individueller Neuorientierung undvielleichtaucheinNeubeginnfürErfahrungen,wennsichfürdenBetrof-fenen eine Notwendigkeit ergibt oder er gerade diesen Neubeginn in dieser Phase seines Lebens als bereichernd, sinnvollunderstrebenswertempfindet

und sich dementsprechend ein Enga-gementzurEntwicklungneuerZielealslohnenswerterweist.

Hier besteht dann die Hoffnung auf Sta-bilisierung oder Vertiefung bestehender Kompetenzen oder der Gewinnung neuerQualifikationen,KenntnissederErweiterung des persönlichen Erfah-rungshorizontes.DiesmagzuBerei-cherungderLebensqualität führen,und das Neue wird in den bisherigen Alltag und in die bisherige Lebenswelt aufgenommenundintegriert.

DieseÜberlegungenwaren fürdenFachbereich Sozialwesen der Hoch-schuleNiederrheinund fürdasLandNordrhein-Westfalen1994/1995ent-scheidende Kriterien, den Forschungs-schwerpunkt „Kompetenz im Alter zwischen Routine und Neubeginn“ zu implementieren und innerhalb dieses Forschungsschwerpunktes ein Gast-hörerprogrammgerade fürdieältereGenerationeinzurichten.Die Initiato-ren dieses Gasthörerprogramms setz-ten und setzen in den gemeinsamen Lehrveranstaltungen von Älteren und Studierenden auf ein gegenseitiges Interesse an dem Prozess von Ent-wicklungen auf die Auseinandersetzung mit dem Werden, dem Verändern und Gewordenseinsdesanderen.HiergehtesumdieReflexiondereigenenLe-bensgeschichteunddiedesanderen.Es mag sich ein Vorgehen ereignen, dasdieGeschichteundBiografiedesanderen zu verstehen bewirkt, sich um Informationen des Gewordenseins kümmert,umesgezielterhinterfragenzu können, oder auch besser verstehen lernt, um diese Lebensgeschichte in den gesellschaftlichen Kontext einordnen zu können, das Vergangene mit dem Gegenwärtigen in Beziehung zu setzen, ummorgenhandlungsfähigzusein.

IdealtypischkannsichhiereinLern-/Bil-dungsprozess ereignen, der die inhaltli-chen Wissensaspekte einer Lehrveran-

staltung in ihrer Komplexität dergestalt im Kommunikationsprozess aufbereitet, dass daraus Impulse erwachsen, neue, veränderte Orientierungen zu gewin-nen, andere Sichtweisen kennen zu lernen und zu hinterfragen, um somit in der sozialen umwelt Kompetenzen zu entwickeln, selbständig und eigen-verantwortlich teilhaben zu können – eben auch im Alltag Befähigungen zu erlangen,eigeneWünsche,Bedürfnisseund Interessen zu kennen und sie zu kommunizieren.

„DasDutrittmirgegenüber.Aber ichtrete in die unmittelbare Beziehung zu ihm.SoistdieBeziehungErwähltwer-den und Erwählen, Passion und Aktion ineinem.WiedenneineAktiondesganzen Wesens, als die Aufhebung aller Teilhandlungen und somit aller (nur inderenGrenzhaftigkeitgegründeter)Handlungsempfindungen,derPassionähnlichwerdenmuß.“// 6

Es mag sein, dass am Ende einer solchen Begegnung eine Neuorientierung und Weiter entwicklung der sach- und per-sonenbezogenen Kompetenzen des Individuums erfolgt, oder um es anders zu formulieren, dass es eine kompe-tente Realisierung und umsetzung es Neuen gibt, basierend auf gegebe-nenRessourcen,also:

literaturnachweise1 // o.f. bollnow, existenzphilosophie und

Pädagogik. stuttgart. berlin. Köln. mainz. 1965. 3. Auflage. Seite 111

2 // m. buber, ich und Du. heidelberg 1983. 11. Auflage. Seite 14

3 // e. Kerkhoff, ästhetisch- kreative bildung. in: s. becker/l. veelken/ K.P. wallraven (hrsg.), handbuch altenbildung. opladen. 2000. s. 288

4 // o.f. bollnow, ebenda s. 1005 // e. Kerkhoff, erziehung als beziehung.

in: sozialpädagogische blätter. heidelberg. 1981. heft 1. seite 1-13

6 // m. buber, ebenda s. 72.

20 KuLTuR - BILDuNG - LEBEN20

„DAS IST MEIN DING!

EINSCHREIBEN MITRÜcKScHEINVONJOSéEHÜMPEL-LANGEN

heute ist das paket schwerschwerer als sonsteserdrücktmichnicht,nochnichtes bremst michich möchte es wegtragenabgeben bei DHLmit einer feuerroten briefmarkezum teufel schicken

21GEDICHTE

22 KuLTuR - BILDuNG - LEBEN22

wirdderMenschüberhaupterselber.Dieser letzte Kern des Menschen, den wir als Selbst oder auch als Existenz bezeichnen, ergibt sich grundsätzlich nie in der Einsamkeit eines Ich, sondern immernur inderBegegnung.Nur inder Begegnung mit einem Du kann der Menschalsozusichselberkommen.…Begegnung muß, wenn sie zustande kommen soll, von dem betreffenden Menschen selber akzeptiert , sie muß von ihm in Freiheit angenommen wer-den;undinsofernverlangtsievonihmdenvolleneignenEinsatz.“// 4

HierfindetinderBegegnungeinKom-munikationsprozess statt, ein Prozess, der sich konkretisiert in Akzeptanz, in Offenheit und Anerkennung und in einer kritischenAuseinandersetzungmündet(vgl.dazuauch// 5).

Ein solcher Prozess kann erwachsen aus einem spontanen Interesse, aus Neugier an einer Sache und aus unge-plantemAngesprochensein;erkannaber auch angestoßen sein von einem Vermittler oder einem Anstifter von Begegnungsanlässen, wie sie zum Beispiel zum Aufgabenbereich einer Kulturpädagogin der eines Kulturpäd-agogengehörenmag.

Hier geht es darum, Motivationen und Denkanstöße zu stiften, ein Angespro-chenwerdenzuinitiierenundausZufäl-ligkeitenMomentefürdieEntwicklungvon Interessen – im Kennen- und Schät-zenlernendesNeuen–zuschaffen.

Entscheidend ist dabei die Freiwilligkeit der Annahme einer solchen Impuls-setzung.DerMotivationsanstoßzurAuseinandersetzung wird erst dann Auslöser individueller Neuorientierung undvielleichtaucheinNeubeginnfürErfahrungen,wennsichfürdenBetrof-fenen eine Notwendigkeit ergibt oder er gerade diesen Neubeginn in dieser Phase seines Lebens als bereichernd, sinnvollunderstrebenswertempfindet

und sich dementsprechend ein Enga-gementzurEntwicklungneuerZielealslohnenswerterweist.

Hier besteht dann die Hoffnung auf Sta-bilisierung oder Vertiefung bestehender Kompetenzen oder der Gewinnung neuerQualifikationen,KenntnissederErweiterung des persönlichen Erfah-rungshorizontes.DiesmagzuBerei-cherungderLebensqualität führen,und das Neue wird in den bisherigen Alltag und in die bisherige Lebenswelt aufgenommenundintegriert.

DieseÜberlegungenwaren fürdenFachbereich Sozialwesen der Hoch-schuleNiederrheinund fürdasLandNordrhein-Westfalen1994/1995ent-scheidende Kriterien, den Forschungs-schwerpunkt „Kompetenz im Alter zwischen Routine und Neubeginn“ zu implementieren und innerhalb dieses Forschungsschwerpunktes ein Gast-hörerprogrammgerade fürdieältereGenerationeinzurichten.Die Initiato-ren dieses Gasthörerprogramms setz-ten und setzen in den gemeinsamen Lehrveranstaltungen von Älteren und Studierenden auf ein gegenseitiges Interesse an dem Prozess von Ent-wicklungen auf die Auseinandersetzung mit dem Werden, dem Verändern und Gewordenseinsdesanderen.HiergehtesumdieReflexiondereigenenLe-bensgeschichteunddiedesanderen.Es mag sich ein Vorgehen ereignen, dasdieGeschichteundBiografiedesanderen zu verstehen bewirkt, sich um Informationen des Gewordenseins kümmert,umesgezielterhinterfragenzu können, oder auch besser verstehen lernt, um diese Lebensgeschichte in den gesellschaftlichen Kontext einordnen zu können, das Vergangene mit dem Gegenwärtigen in Beziehung zu setzen, ummorgenhandlungsfähigzusein.

IdealtypischkannsichhiereinLern-/Bil-dungsprozess ereignen, der die inhaltli-chen Wissensaspekte einer Lehrveran-

staltung in ihrer Komplexität dergestalt im Kommunikationsprozess aufbereitet, dass daraus Impulse erwachsen, neue, veränderte Orientierungen zu gewin-nen, andere Sichtweisen kennen zu lernen und zu hinterfragen, um somit in der sozialen umwelt Kompetenzen zu entwickeln, selbständig und eigen-verantwortlich teilhaben zu können – eben auch im Alltag Befähigungen zu erlangen,eigeneWünsche,Bedürfnisseund Interessen zu kennen und sie zu kommunizieren.

„DasDutrittmirgegenüber.Aber ichtrete in die unmittelbare Beziehung zu ihm.SoistdieBeziehungErwähltwer-den und Erwählen, Passion und Aktion ineinem.WiedenneineAktiondesganzen Wesens, als die Aufhebung aller Teilhandlungen und somit aller (nur inderenGrenzhaftigkeitgegründeter)Handlungsempfindungen,derPassionähnlichwerdenmuß.“// 6

Es mag sein, dass am Ende einer solchen Begegnung eine Neuorientierung und Weiter entwicklung der sach- und per-sonenbezogenen Kompetenzen des Individuums erfolgt, oder um es anders zu formulieren, dass es eine kompe-tente Realisierung und umsetzung es Neuen gibt, basierend auf gegebe-nenRessourcen,also: „Das istmeinDing!“

literaturnachweise1 // o.f. bollnow, existenzphilosophie und

Pädagogik. stuttgart. berlin. Köln. mainz. 1965. 3. Auflage. Seite 111

2 // m. buber, ich und Du. heidelberg 1983. 11. Auflage. Seite 14

3 // e. Kerkhoff, ästhetisch- kreative bildung. in: s. becker/l. veelken/ K.P. wallraven (hrsg.), handbuch altenbildung. opladen. 2000. s. 288

4 // o.f. bollnow, ebenda s. 1005 // e. Kerkhoff, erziehung als beziehung.

in: sozialpädagogische blätter. heidelberg. 1981. heft 1. seite 1-13

6 // m. buber, ebenda s. 72.

23KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 23

// EKŌ-Haus in Düsseldorf // tempel // glockenturm //garten // reinigungsbecken

// fotos: perlblau cc bY sa 3.0/de // wikipedia

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drahtEsElstatt Schusters Rappen

VON GERTRuD GRINS

Für Kinder der Kriegsgeneration war es nicht leicht, das Fahrradfahren zu erlernen. Als ich es 1946/47 unbedingt lernen wollte, war es das größte Problem ein Fahrrad zu bekommen, auf dem ich üben durfte. Kin-derfahrräder gab es bei uns im Dorf nicht. Es ging also darum, einen Erwachsenen zu erweichen, sein Fahrrad zu verleihen. Aber das wollte niemand. Auch meine Mutter nicht. Es war äußerst wichtig für sie, ein intaktes Fahrrad zu haben, um wenigstens in begrenztem Radius beweglich zu sein.

Schließlich erbarmte sich Vaters Bruder meiner. (Mein Vater war noch Kriegsgefan-gener.) Er kontrollierte das uralte Fahrrad meines Großvaters. Die Bereifung war nicht mehr zu retten, Fahrradmäntel und Schläu-che mürbe. Er besorgte Vollgummireifen, zog sie auf die Felgen auf und schickte mich damit los.

Ich schob das rechte Bein unter die Stan-ge des Herrenrades und versuchte, in die Pedale zu treten. Dass ich bei dieser Ver-renkung oft hinfi el, registrierte ich kaum; dass das rechte Bein von Kettenschmiere schwarz wurde, war unvermeidlich; dass ich den Schlaglöchern der unbefestigten Straße nicht immer ausweichen konnte, war ärgerlich. So lange es bei Schrammen und blauen Flecken blieb, übte ich beharrlich weiter.

Das Balancieren und Lenken hatte ich allerdings mit einem Holzroller geprobt. Das klappte ganz gut.

Ich war nicht das einzige Kind, das auf so unnatürliche Weise fahren lernte. – So wie ich lernten es auch Ute, Marlene, Irene, Leo, Hans und Franz. Das Fortbewegen auf einem Erwachsenenfahrrad im Stehend-Treten war selbstverständlich für uns. Ir-gendwann erlaubte meine Mutter mir, ihr Damenfahrrad für meine Fahrten durchs Dorf zu benutzen. Glücklich düste ich, wie gewohnt, stehend-tretend davon.

Und heute? Ich beobachtete in Berlin einen Dreijährigen, der mit seinem Laufrad über den Hackeschen Markt kurvte. Felix lenk-te, balancierte und stoppte bei Bedarf. Er hat die besten Voraussetzungen schon mit sechs ein eigenes Kinderfahrrad zu besit-zen und sich damit ganz selbstverständlich im Verkehr der Großstadt fortzubewegen. Ob er in 70 Jahren noch mit dem Fahrrad unterwegs sein wird?

Mir jedenfalls ist die Begeisterung für das Radfahren geblieben. Ich radle wöchentlich etwa 70 km, bevorzugt durch Feld und Wald, inzwischen allerdings mit elektrischer Un-terstützung.

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN24

landévennec liegt im finistère an der mündung der aulne in den atlantik. im 5. jahrhundert n. chr. gründete hier st. guénolé ein Kloster, von dem nur noch ruinen vorhanden sind. die neue abtei ist inmitten von grün gelegen, dessen Wachs tum vom golfstrom begünstigt wird. der ort strahlt eine unvergesslich fried liche atmosphäre aus.

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 25

„Noëlla, ich habe Salat gemacht, den kön-nen wir zu den Austern essen.“ Die glib-berigen, brackigen Tiere wollte ich jeweils in ein Salatblatt packen und sie hinun-terschlucken, ohne sie sehen zu müssen. „Mais non! Den Salat essen wir hinterher. Und auch keine Zitrone dazu. Austern nur pur. Dazu trinken wir Muscadet.“ Der Wein musste helfen, sie hinunterzuspü-len. Tatsächlich machte er mir Mut. Am Schluss waren zwei Schalentiere übrigge-blieben, zwei Venusmuscheln (palourdes). Als unsere Freundin sich verabschiedet hatte, schauten mein Mann und ich uns an und liefen lachend runter zum Strand, um die Lebewesen weit ins Meer zu werfen. Wohltätig kamen wir uns vor.

Über die Grenzen der Halbinsel war sie nur selten hinausgekommen, die zierliche bretonische Frau, bodenständig und ele-gant, heiter und voller Esprit. Sie war zu-frieden in ihrer kleinen Welt unter weitem Himmel. Stolz war sie auf ihren Vater, den Apfelbauern, der sein Haus stets unver-schlossen gelassen hatte, damit Landstrei-cher eintreten und sich schon mal an den Tisch setzen konnten. Sie liebte die kel-tischen Traditionen, kannte alle bretoni-schen Heiligen und deren Zuständigkeiten. Gern erzählte sie von großen Familienfei-ern und von den Liedern, die angestimmt wurden, sobald jemand begann, über an-dere schlecht zu reden.

In einer Lebenskrise – sie war vor ihremgewalttätigen Mann gefl ohen – hatte NoëllaZufl ucht im Kloster gefunden. Später lie-ßen Verwandte sie in ihrem Ferienhaus wohnen. Dort lernten wir sie kennen. Sie lud uns in ihre Bleibe ein und besuchte uns im Nachbarhaus. Sie machte uns mit ih-rer Tante bekannt, einer vornehmen alten Dame, mit deren Pfl ege sie jahrelang ihren Lebensunterhalt verdiente.

Noëlla beerbte ihren Mann. Sie kaufte ein kleines Haus in der Nähe des Klosters. Die Mönche bewirtete sie mit Tee und Gebäck, wenn sie auf ihren Rundgängen zu Besuch kamen. Von jedem wusste sie eine Eigen-heit zu erzählen. Für jeden strickte sie ei-nen Schal und ein Paar Socken, sechsund-zwanzig an der Zahl.

Mit Weihnachtskarten gratulierte ich Noëlla immer auch zum Geburtstag. Ein-mal jedoch kam meine Karte zurück mit dem Vermerk „Adressatin verstorben“. Ihr Grab haben wir im Dorf nicht gefunden. Und der Teil des Klostergartens, in dem die Mönche ihre Begräbnisstätte haben, war nicht mehr der Öffentlichkeit zugäng-lich. Gern stelle ich mir vor, dass sie dort ihre Ruhe gefunden hat, gleich oberhalb des Schiffsfriedhofes am breiten Fluss.

noËllaVON ELISE DONDER

ZEIT26

gottes strafe

Werfrüherernsthafterkrankte,hatteesmeistschwer,überhauptwiederaufdieBeinezukommen.BrachjedocheineSeuche aus, so waren die Chancen auf Heilungnochgeringer.

ZudenKrankheiten,diedenMen-schen seit jeher Angst und Schrecken einjagten, gehörte neben Pest, Pocken, Typhus und Cholera zweifellos die Lep-ra.InnerhalbkürzesterZeitwurdenbe-troffene Personen stigmatisiert und aus ihremsozialenUmfeldherausgerissen.Ihr Siechtum ließ sich nicht verbergen, denndieallmählicheVerstümmelungdesKörperswarfürjedermannsichtbar.

Vorbestimmt war der soziale Status dieser als Leprosen, Siechen oder Aus-sätzige bezeichneten Menschen durch mehrereTextstelleninderBibel.

So galt im Alten Testament der Aus-satz, mit dem Miriam, die Schwester des Moses,fürihreFreveltatbüßenmusste,als gerechte Bestrafung (Numeri 12, 9-16).DerleprakrankeLazarushinge-gen erduldete sein Leiden bis zum Tod (Lukas 16, 19-26) und wurde mit dem Himmelbelohnt.DieBewertungderKrankheitwarhöchstunterschiedlich.

Leprakranke Menschen traf einer-seitsderVorwurfeines "sündhaftenLebens"undderdamitverbundenenge-rechten Strafe Gottes, andererseits galt dieKrankheitalsgöttlichePrüfungundVorstufezumParadies.SiewohnteninSiechenhäusern oder Leprosorien wie in einer klosterähnlichen, bruderschaft-lich geprägten Gemeinschaft, wo ihnen geregelteUnterkunftundVerpflegungzustanden.

Eines traf jedoch alle von Lepra Betroffenen:Gemäßderalttestament-lichen Vorschrift im Buch Levitikus (13,45-46) lebten sie isoliert von der Gesellschaft.Verstärkt wurde dies noch durch einen Beschluss des Laterankonzils von 1179, nach dem es ihnen verboten wurde, innerhalb einer ummauerten Stadt zu wohnen.BiszumVerschwindenderKrankheit in Mitteleuropa blieb diese RegelunginKraft.

VONKARL-HEINZTHIFESSEN

ZWischEn lEBEn

und tod

Am10.August2017berichteten diedeutschenMedieneherbeiläufigvomTod

derLepra-ärztinRuthPfau.

Die hoch verehrte Ordensfrau starb im Alter von 87 Jahren in Pakistan und wurde dort mit einem

Staatsbegräbnisbeigesetzt.

DennochrichtetensichfüreinigeTagedieBlickeauf eine Krankheit, an der auch heute noch

in tropischen und subtropischen Gebieten jährlich zahlreicheMenschenerkranken.

InunserenBreitenistLepraseitdem18.Jahr-hundertsogutwieausgerottet.Essollteallerdingsnichtvergessenwerden.dassesauchinEuropa

Zeitengab,indenenalleinedasWortLepraAngstundSchreckenverbreitete.

Anlässlich des Todes von Ruth Pfau erscheint mir eineRückbetrachtungaufdieseJahrhunderteund

denUmgangmitvomAussatzinfiziertenMenschen,speziellimRheinland,lohnenswert.

leprakranke im rheinland

ZEIT 27

lebende tote

Die Siechenhäuser befanden sich nor-malerweisezwischeneinundfünfKi-lometernaußerhalbderStadtmauern.Häufig lag inunmittelbarerNähediestädtischeHinrichtungsstelle.

Von Lepra betroffene Menschen galten seit einem auch im Abendland angewandten Edikt des langobardi-schen Königs Rothar (636-652) als lebendeTote.Dasbetrafauch ihreRechtsangelegenheiten.

Parallel zur Entstehung von Städten und dem damit verbundenen Bevölke-rungswachstum bei völlig unzureichen-denhygienischenZuständenstiegauchdieAnzahlderLeprakranken.IhreUn-terbringung geschah meist unter städti-scheroderkirchlicherAufsicht.Ausstat-tung und Größe der Aussätzigenstatio-nen waren von der Bedeutung der Stadt abhängigundvariiertenbeträchtlich.Es kam sogar vor, dass Leprakranke mitihrergesamtenFamilie,d.h.auchmit nicht-kranken Familienmitgliedern dort lebten.DenUnterhaltsichertenmeist Stiftungen, Schenkungen oder Spenden.VerwaltetwurdensievonsogenanntenProvisoren.DaswarenPersonen,dieüberwiegendausderstädtischenFührungsschichtstammtenundvomRatderStadternanntwurden.Es entstanden Leprosenordnungen, woran die Erkrankten ihr Leben aus-richtenmussten.DieseOrdnungenkonntenregionalunterschiedlichsein.

IndörflichdünnbesiedeltenGe-bieten, wie in den Mittelgebirgsland-schaften, sind kaum Siechenhäuser nachgewiesen.DenhierErkranktenblieb wahrscheinlich nur das Feldsie-chentum,d.h.sielebtenineinfachenHüttenaußerhalbderOrtschaftenundmusstensichohneUnterstützungalsWanderbettlerdurchschlagen.

Ein erstes Leprosorium im Rhein-landwurde1180fürKölnerwähnt.Fünf-zig Jahre später folgte die Nennung einerderartigenEinrichtunginAachen.Neuere Ausgrabungsergebnisse datie-ren das Aachener Leprosorium sogar aufdas8.Jahrhundert.

Ihren Höhepunkt erreichte die Krank-heitinEuropaim13.und14.Jahrhun-dert.WährenddiesesZeitraumesgabeseinegewaltigeZunahmevonneuerrichtetenAussätzigenstationen.Aufdem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen können 154 Leprosorien nachgewiesenwerden.

Essen und Trinken waren dort ge-sichert, und da die hier lebenden als tot galten, brauchten sie auch keine Fastenzeiteneinzuhalten.Damitwollteman sie möglichst von den Städten fernhalten.

Somit kam es oftmals zu der ku-riosen Situation, dass notleidende, nichterkrankte Menschen mit gefälsch-ten Bescheinigungen Aufnahme in denSiechenhäusernsuchten.TrotzAnsteckungsgefahrließsichfürsiedieArmut hier besser ertragen, als bettelnd durch die Straßen und Gassen ihrer Stadtzuziehen.

die Zentrale rolle des leprosoriums in Köln

Woran erkannte man zweifelsfrei eine beginnendeLeprakrankheit?VorOrtkonnteundwolltemandarüberoftmalsnichtentscheiden.

IndiesemZusammenhangkamdemLeprosorium Melaten in Köln einezentraleBedeutungzu.Esbestandbis zum Jahr 1765 und lag auf dem Geländedes jetzigenKölnerZentral-friedhofs. ImLaufederJahrhundertewurde die Anlage immer größer und umfasstezahlreicheWohnungen fürdie Kranken sowie eine Kirche mit Friedhof.1537gehörtenzumGeländesogareinWirtshausundeinPachthof.Nicht weit entfernt befand sich Kölns größteHinrichtungsstätte.Hierwurdenzahlreiche als Hexen verurteilte Men-schen verbrannt und im Jahre 1529 der bekannte evangelische Reformator Adolfclarenbachhingerichtet.

Im rheinischen Raum entwickelte sich die Kölner Leprastation Melaten raschzurwichtigstenAnlaufstelle fürPersonen, deren körperliche Verfas-sung eine Infektion mit der Krankheit

vermuten ließ, in ihrem Heimatort je-doch eine einwandfreie Diagnose nicht möglichwar.DieinKölntätigeUnter-suchungskommission, zu der auch Erkrankte gehörten, genoss hohes Ansehen.Einevon ihrdurchgeführteoffizielle Lepraschau (Examen Lep-rosorum) verlief nach einem stren-gen Kanon, denn ein Fehlurteil konnte schlimmeFolgenhaben.Häufigwarenauch Nachuntersuchungen erforder-lich.AlsersterGrundsatzgalt:Alleuntersuchungen durften nur bei klarem Tageslichtdurchgeführtwerden.

Das Ergebnis wurde in einem be-siegelten Lepraschau-Brief ausgestellt, den der Patient, meistens in Begleitung einesodermehrererStadtbüttel,anseinemHeimatortvorzulegenhatte.

MunduS bedeutete „rein“, also nicht an lepra erkrankt,iMMunduS et lepRoSuS bedeutete „unrein“, also leprös.

Stellte die untersuchungskommission eine Erkrankung fest, waren die Konse-quenzenweitreichend.Entsprechendder jeweils in seiner Region geltenden Leprosenordnung, schloss man die betroffene Person umgehend aus der GemeinschaftderGesundenaus.Miteiner feierlichen Totenmesse wurde diese Maßnahme auch kirchlich unter-mauert.SielebtevonnunanineinerAussätzigenstationundgalt fürdasbürgerlicheLebenalsgestorben.

ZudenVorschriften für ihrkünfti-gesAlltagslebengehörtenu.a.kurzgeschorene Haare, spezielle Kleidung fürLeprakrankeundeinedreiteiligeKlapper, mit der er sich lautstark be-merkbar machen musste, sobald ge-sundePersoneninSichtweitekamen.Außerdem durfte sie keine Örtlichkeiten besuchen, an denen Publikumsverkehr herrschte.LebensmittelodergarMen-schenberührenwarihrstriktverboten.Aus Angst vor einer möglichen Anste-ckung und mangels wirksamer Heilmit-tel sah man in dieser rigorosen Abson-derung der Betroffenen den einzigen Ausweg,dieKrankheiteinzudämmen.

Weitere leprosorien in der region:

aachEn-mElatEnBis auf den heutigen Tag gut erhalten sind Bausubstanz und Friedhof des Aachener Melaten-Leprosoriums auf dem Gebiet der heutigen uniklinik der RWTHAachen.DamalsbefandsichdieLeprastation außerhalb der Stadtmau-ern an der viel frequentierten Krönungs-straße, die von Aachen nach Maastricht führte.AuchhierlagdieRichtstätteindirekterNachbarschaft.

DenMittelpunktbildeteeineKapelle.Die sie umgebenden einfachen Holz-bauten wurden nach dem Tod des darin wohnendenErkranktenabgerissen.ZurVersorgung trugen landwirtschaftlich genutzteFlächenbei.DieTotenbestat-tetemanaufdemzugehörigenFriedhof.DasLVR-Amt fürBodendenkmalpfle-geführte inden80erJahrendes20.Jahrhunderts Ausgrabungen durch und untersuchte die größtenteils gut er-haltenenSkelette.Auffallendwardiehohe Anzahl an Sargbestattungen, die auf einen sorgfältigen umgang mit den Verstorbenenschließenlässt.Untersu-chungen der Knochen ergaben, dass die hier beerdigten Leprakranken zu ihren Lebzeiten gut versorgt waren und nichtanNahrungsmangellitten.

KrEfEldIm Bereich der heutigen Stadt Krefeld befandensichdreiLeprosorien;zumEinen an der Hochstraße in der Nähe des heutigen Neumarktes, weiterhin hatte auch Linn 1622 eine Leprastati-onamKohlenplatz.EinedritteAnlagegab es in uerdingen vor dem Niedertor der Stadtbefestigung und wurde 1561 erstmalserwähnt.

ErKElEnZFürdieUmgebungvonErkelenzgibtesvierurkundlicheEintragungenüberSiechenhäuser inKückhoven(1638),Oerath (1567), Oestrich (1535) sowie Gerderath(1560).

mönchEngladBach1599wirderstmals fürdenBereichderheutigenEinmündunganderEi-ckener- in die Hindenburgstraße ein Leprosoriumerwähnt.EineweitereSiechenstation (Sieghauß) soll vor 1682 auf dem heutigen Mönchengladbacher Stadtgebiet an der Grenze nach Oden-kirchenim"BongarterAcker"gestandenhaben.

KEmpEnHier befand sich das Leprosorium zwi-schenEngertorundKreuzkapelle.Eswurde letztmalig in den Ratsprotokollen desJahres1700eingetragen.

ViErsEnIn Viersen befand sich ein Siechenhaus andersüdöstlichenGrenze.

WillichAuch in Willich gab es ein Leprosorium, denn 1731 wurde an seinem Standort am"KruseBoom"zurErinnerungein"Siechenkreuz"errichtet,dasheutenochvorhandenist.

nEussDas"Sekenhuis"derStadtNeussbe-fand sich vor dem Rheintor am Weg nachSeitzhausen,nahederErftbrückean der ehemaligen römischen ufer-straße.Nebenan lagdiestädtischeRichtstelle.

dÜssEldorfDasDüsseldorferLeprosoriumhatteseinen Standort nördlich der Stadt, beim späterencollenbach-Gut.

jÜlichJenseits der Rur an der Kreuzung der Königsstraße, die von Köln nach Aa-chen führte,undeinerNebenstraßebefandsichdasJülicherSiechenhaus.In unmittelbarer Nähe lag auch hier die Hinrichtungsstätte.

das Ende der siechenhäuser

RückläufigeKrankenzahlenbelegenein allmähliches Nachlassen der Lepra-krankheitseitdem15.Jahrhundert.AbderMittedes17.Jahrhundertswarsiein Mitteleuropa weitgehend verschwun-den, es kamen nur noch vereinzelte Krankeitsfällevor.Wahrscheinlichtru-genverbessertehygienischeZuständezu dieser positiven Entwicklung bei, jedenfalls sinddieUrsachen fürdieAbnahme bis heute nicht eindeutig ge-klärt, zumal es erst im Jahre 1873 dem Norweger Gerhard Hansen gelang, den Lepra-Erreger zu isolieren und damit gezieltzubekämpfen.

die große siechenbande

Viele rheinische Leprosorien schlossen ihreTorezwischen1712und1719.AnstoßfürdieineinemrelativkurzenZeitraumvollzogenenSchließungenwar der Prozess gegen die »Große Sie-chenbande«.Eshandeltesichhierbeium eine weit verzweigte, untereinander häufigverwandteRäuberbande,dieinKöln,Aachen,DüsseldorfundUmge-bungihrUnwesentrieb.Sieschreckteselbst vor Mord und Erpressungen nicht zurück.NachihrenStraftatenfandendieBanditen als vermeintlich Leprakranke unterschlupf in den fast leer stehenden Siechenhäusern.LangeZeitbliebensieunentdeckt, da die Polizei sich wegen der scheinbaren Ansteckungsgefahr dortnichthineinwagte.

WiekameszudieserEntwicklung?Der schnelleRückgangderKrank-heit bewirkte im Kölner Siechenhaus Melaten,dasseskeineoffizielleUn-tersuchungskommissionmehrgab.Besiegelte Lepraschaubriefe wurden dennoch ausgestellt und zwar in allei-niger Verantwortung und ohne jegliche Kontrolle vomdortigenKüster.Dernutzte sein Privileg auf kriminelle Art und verkaufte sie an gesunde Banden-mitglieder und deren umfeld, mit denen erzumTeilsogarverwandtwar.

ZEIT28

FürdieRäuberbandenwardiegünstigeLage der Siechenhäuser außerhalb der Stadtmauern an den Hauptver-kehrswegenäußerst reizvoll.VonderJustiz blieben sie aus oben genannten GründenlangeZeitunbehelligt.

ErstalseinprahlsüchtigerEnkeldesBandenchefs sich mit den Verbrechen seinesGroßvatersbrüstete,flogdiegesamteBandenstrukturauf.EskamzueinemgroßenProzessinDüsseldorf,an dessen Ende die Hinrichtung zahl-reicherBandenmitgliederstand.NachProzessendeverfügteKurfürstJohannWilhelm die Schließung der Leprosorien imHerzogtumJülich-Berg.

Sie wurden jedoch nicht alle abge-rissen, sondern zum Teil auch weiterhin fürcaritativeZweckeverwandt.

ruth pfau

Die deutsche Ärztin und katholische Ordensfrau wurde 1929 in Leipzig geboren.1960kamsienachKarat-schi (Pakistan) und beschloss, dort einKrankenhaus fürLeprakrankezugründen.EsentstanddasMarie-Ade-laide-Leprosy-Center (MALC), das sie bis2013leitete.Seit1980warsiena-tionaleBeraterin fürdasLepra-undTuberkulose-Kontrollprogramm der pakistanischenRegierung.DankRuthPfau und ihrem Team konnte die Lepra in Pakistan im Jahr 1996 erstmals unter Kontrollegebrachtwerden.Siestarbam10.August2017undwurdeaufdem christlichen Friedhof in Karatschi miteinemStaatsbegräbnisbeigesetzt.

FürihrenKampfgegendieKrank-heit erhielt sie zahlreiche nationale undinternationaleAuszeichnungen.InDeutschlandu.a.dasGroßeBundes-verdienstkreuz mit Stern und die Gold-medailledesAlbert-Schweizer-Preises.

Er gab auch Kontakte von Ruth PfauinunsereRegion.SostartetenimSommer1964dieFrauen-undMütter-gemeinschaften im Bistum Aachen eine großeSpendenaktionfürLeprakrankeinKaratschi.NebendenWünschennach Verbandmaterial, Medikamente undTextilienschriebRuthPfaudamals:

»Falls jemand dem Krankenhaus seinen Transistor schenken wollte oder einen Plattenspieler, wäre das eine riesige FreudefürmeinePatienten.WirhabenjetztauchElektrizität.«

Obwohl die Lepra heute in der Öf-fentlichkeit kaum mehr wahrgenom-men wird, stellt sie trotz fortgeschrit-tener Behandlungsmethoden in vielen Entwicklungsländern immer noch ein ernstzunehmendesProblemdar.NachoffiziellenZahleninfiziertensich2015weltweitimmernochüber200000Men-schen(Angabenaus:www.aerzteblatt.devomJanuar2017).

AnderssiehteshingegenfürDeut-schlandaus.DieBehördenmeldetenhierzulande zwischen 2000 und 2015 jährlichmaximal5Fälle.

Seit 1954 wird der letzte Sonntag im JanuaralsWelt-Lepra-Tagbegangen.

Krankheitsbild der lepra

Lepra (auch Aussatz genannt) wird durchMykobakterienausgelöst.

Fürdie InfektionmitdemErregerbedarf es eines langfristigen engen Kontaktesmiteinem Infizierten.DieÜbertragunggeschiehtdurchTröpf-cheninfektion.DaLepranurschwachansteckend ist, liegt die ursache der Neuerkrankungen oft auch in mangeln-der Hygiene, unterernährung und somit einemgeschwächtenImmunsystem.

Als Symptome treten dabei – vor allem im Gesicht – anfangs gerötete Hautveränderungen auf, die sich später zu knotigen Lepromen weiterentwickeln (sog.Knotenlepra).

Die Nerven sterben ab und die Ge-fäße der Arterien und Venen verstopfen durcheineVerdickungdesBlutes.DieBetroffenenverlierenmeistdasGefühlfürKälte,WärmeundauchSchmerz.Ohne Behandlung verletzen sich die Pa-tientenoftunbemerktundinfizierensichüberdieWundenanlebensgefährlichenKrankheiten.DadieErkranktenkeineSchmerzenspüren,werdenWundenmehrfach unbehandelt gelassen, und durchEntzündungenkönnendieseKörperbereicheabsterben.

Wichtigste Quellen:

Uhrmacher,Martin:LeprosorieninMittel-alter und Neuzeit, Geschichtlicher Atlas derRheinlande,BeiheftVIII/5,Rheinland-Verlag Köln, 2000

DieKlapper,MitteilungderGesellschaftfürLeprakundee.V.,verschiedeneJahrgänge

www.rheinische-geschichte.lvr.de

www.kleio.org/geschichte/mittelalter/alltag/kap-x51

Leprakranke im Mittelalter, Magazin Geschichte,Jahrg.2010

www.bodendenkmalpflege.lvr.de

anmerkung

Köln-mElatEn Der Begriff „Melaten“ stammt von dem französischen Wort „maladE“ ab und bedeutet „krank“.

Der Melatenfriedhof in Köln steht heute unter Denkmalschutz und ist ein beliebtesAusflugsziel–insbesonderewegen der hier bestatteten Prominen-ten, der interessanten Grabmäler und des parkartigen Charakters als ökolo-gischeNischemitteninKöln.

ZEIT 29

HEUTZUTAGE GILT LEPRA ALSHEILBAR.

ZEIT30

daviddaVidVON ELKE ROOB

HäufigholteStefanmichzuBeerdi-gungen ab, zu Beerdigungen von Men-schen,diewirbeidenicht kannten.Manchmal waren wir dann die Einzigen, diedemSargfolgten.

In dem kleinen Dorf, in dem Stefan aufgewachsen war, hatten seine Eltern nicht nur die Schreinerei besessen, sondern auch das Beerdigungsinsti-tut.IhrGeschäftlagimZentrumeinesDreiecks, dessen Eckpunkte die Schule, die Kirche und der Friedhof bildeten – Stefans magisches Dreieck, die um-risseseinerKinderwelt.GevatterTodwar für ihn,denTheologiestudenten,daherseitseiner frühestenKindheiteher ein vertrauter Verwandter denn einSchreckgespenst.

Es waren sehr unterschiedliche Motive, die uns gemeinsam auf den Friedhof führten.Stefangingesdarum,eineeinsame Seele wenigstens beim letzten Gang nicht alleine zu lassen, ihr die letzteEhrezuerweisen.SeinGlaubean das Leben nach dem Tod machte den Gedanken an die Endlichkeit des irdischen Lebens zu nichts, wovor man sichfürchtenmusste.EineBeisetzungließ ihn vielmehr diese Idee voller Feude zelebrieren.

Ich als Großstadtgewächs und Biologin begleitete ihn gerne auf den Friedhof, weil ich die alten Bäume liebte, die ver-witternden Grabsteine und die sorgsam gepflegtenBeetedavor.IchgenossdieStille,dieLangsamkeit.

Obwohl fast gleichaltrig, erinnerten wir wohleinweniganHaroldundMaude.Wir waren äußerlich so unterschiedlich wieunsereHaltungen:ich:kurz,rund

undüberzeugtvonderHerrschaftderVernunft;er:lang,dünnundvollerVer-trauenaufspirituelleKräfte.

An diesem Abend aber holte Stefan mich ab, um mit mir in einem Biergarten das Leben zu feiern, den Beginn der Semesterferien, unsere Freundschaft unddielaueSommernacht.

Auf dem Weg dahin hörten wir zuerst nurdieStimmen:einGejohle,GebrülleundGelächter.Dannerkannteich,dasssich hier eine Menschenmenge um zwei junge Männer geschart hatte, die auf einem öffentlichen Platz mitten in der Innenstadt mit Fäusten auf einander los-gingen und dabei von den umstehenden angefeuertwurden:„Los,gibihmeinsaufdieFresse!Feste!–„Jawoll,zeig‘sihm, Alter! Nur nichts gefallen lassen!“

Als Stefan der Situation gewahr wurde, nahmersichkeineZeitzumNachden-ken, um die Risiken seines unterneh-mensabzuschätzen.Zielsicherbahnteer sich einen Weg durch den Kreis der Gaffer, und schon stand er zwischen den beiden Kämpfern – ein bebrillter BücherwurmimweißenHemdzwischeneinem Muskelpaket mit Glatze und einemmitBart.

Schweiß rann dem Glatzkopf von der StirnundBlutausderNase.Seinärmel-loses T-Shirt war dreckig und blutver-schmiert.Deranderehattewohlgeradeeinen Schlag in die Magengegend sei-nes nackten Oberkörpers abbekommen undkrümmtesich,wobeierdierechteHandaufdenBauchdrückte.Mitderlinken holte er dennoch unmittelbar darauf zum Gegenschlag aus, hielt aber mitten in der Luft inne, als er Stefan

bemerkte, der immer wieder „Aufhör’n, Jungs“vorsichhinmurmelte.DerBärtigeließ den Arm sinken und starrte Stefan fassungslos an, als käme der von einem anderenPlaneten.

Der Glatzkopf nutzte die Gelegenheit, um sich umzudrehen und in die Arme einer jungenFrauzufliehen,die ihmmitdemHandrückendasBlutausdemGesicht wischte und ihre Hand dann an seinemT-Shirtsäuberte.

EsherrschteeineandächtigeStille.NurderBärtigefluchteundspuckteeinpaarMal aus, bevor er auch den Innenkreis verließ und in der Menschenmenge verschwand.

Abermals teilte Stefan den Kreis der Umstehenden,dieihmfastehrfürchtigPlatz machten, packte mich bei der Hand,undwireiltendavon.ObesseineFurchtlosigkeit und Sicherheit waren, die ihm diese Autorität verliehen, ich weißesnicht.

„Wie konntest du nur! Ich hatte solch eine Angst um dich“, stammelte ich unter Tränen.ErschienauseinerArtTrancezu erwachen und lächelte mich unsicher an.Dann–sovermuteteich–suchteer nach einer Erklärung oder Entschul-digung.Tatsächlichabersagteernur:

„UndduglaubstnichtanWunder.“

»UndduglaubstnichtanWunder.«

davidFOTO//JÖRGBITTNER//ccBy

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN32

Seit TagenwarDr.Heidmannunruhig.Obwohl schon 55, gab es in seinem LebennureineeinzigeFrau:Mutter.Undnunwürdeersiewohlwiederbe-suchenmüssen.

AlsokaufteerGladiolen.ErmochtedasKrautüberhauptnicht.AbereswarenMuttersLieblingsblumen.Dannmachte sich der gestandene Mann mit klopfendemHerzenaufdenWeg.

Ersahsieschonvorsichsitzen.AmFenster.InihremaltenSessel,mitvielzu großer Hornbrille und einer billigen ZeitschriftaufdemSchoß.

DasGesprächlagihmimMagen.Esliefimmerähnlichab:klagend-anklagend.Sowaresauchheute.

„GutenTag,Mutter.Wiegehtesdir?“

„Na, mein lieber Sohn, (das meinte sie immer zynisch) hast du dich wieder einmalverlaufen?Oderwillstduwasvonmir?Duweißtdoch,fürdichistbeimirnichtszuholen.AberohneGrundkommstdu janichtzumir.Also,waswillstdu?“

„Ich will nach dir sehen und dir eine kleineFreudebereiten.DeineLieb-lingsblumen.EntschuldigemicheinenAugenblick. Ichwillsieeben ineineVasestellen...!“

„Naja,machnur.ImmerbringstduGla-diolen.DirfälltwohlnichtsfürdeinealteMutterein...Soseltenwiedukommst,könntest du dir wenigstens ein wenig mehrMühegeben...!“

„Mutter! Ich weiß wohl, dass Gladiolen deineLieblingsblumensind.Siehnurdie wunderschönen Farben! Damit will ichdicherfreuen.“

„Gladiolen! Lieblingsblumen! Im Garten vielleicht, aber doch nicht in der Vase! Dasmüsstestdu längstwissen,meinlieber Sohn (schon wieder diese Peit-sche).Aberichinteressieredichschonlangeüberhauptnichtmehr!“

„Aber Mutter! Du weißt doch, wie sehr ich andirhänge.Wenndumichbrauchst,binichimmerfürdichda!“

„Jaja,wennichdichbrauche.Wennichdich brauche, bist du nicht da! Du bist nie da! Mein ganzes Leben habe ich dirgeopfert.Undwashabeichdavon?Einen undankbaren Sohn, dem ich lästig binunddernichtsgewordenist.“

„AberMutter!Dasstimmtdochüber-haupt nicht! Ich komme immer zu dir, wennesmeineknappeZeitzulässt.AlsVorstandssprecher der Lipo-Pharma-Werkebinichhaltstarkgefordert.Dakann ich nicht immer so, wie ich möchte ...“

„Dukannstmirvielerzählen.Wennduein lieber Sohn wärest, kämest du jeden Tagfürein,zweiStundenzudeinerein-samenMutter.AberdervornehmeHerrhat fürseinearme,alteMutterkeineZeit...!Ichbindirwohlnichtfeingenug!“

„Mutter! Bitte, fang nicht wieder so an! Wie soll ich gern zu dir kommen, wenn dumichimmernurbeschimpfst?“

„Seinichtsoempfindlich! Ichwerdedoch wohl noch die Wahrheit sagen dürfen!Daslasseichmirschongarnichtvon dir verbieten, mein lieber Sohn!“ Noch so ein Schlag!

Dr.Heidmannüberlegteblitzschnell,waserüberStressbewältigungundEinwandbehandlungwusste.Dannzoger es vor, nicht auf die Provokationen einzugehen.

„Mutter, wenn du einverstanden bist, kümmereichmicheinwenigumdeinePflanzen.“

„Mach doch, was du willst! Jedenfalls bin ichkeineSchlampe.Hier istallesin Ordnung!“

Dr.HeidmannzupftemanchesKräutleinundwässertediePflanzen.Erwusste,einGedankenaustauschwarsinnlos.Alser fertigwar, sagteer: „Mutter,Mütterlein,ichwürdegernmitdirundfürdichbeten.“

„Kommst du wieder mit deinem Vater unser?Kannstdunichtsanderes?“

„Natürlich,ichkannundichwürdesehrgerneinfreiesGebetfürdichsprechen,dasdeineAnliegenbesondersberück-sichtigt.“

„IchhabedirschonübertausendMalgesagt, freie Gebete hört und erhört Gott nicht!“

„Wirwissenesnicht,Mütterchen.Gottistgroßundgütig.Undbestimmthörterauchdasunwürdige,freieGebeteinesverlorenenSohnes...“

Dr.Heidmannbegannganz langsamund mit Bedacht das einzige Gebet zu sprechen,daserauswendigkannte.

„Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden...“UndmitganzbesonderemErnstspracherdieWorte:„...Undvergibuns unsere Schuld, wie auch wir verge-benunserenSchuldigern...“

Aber er erreichte seine Mutter nicht mit diesemAufrufzuinneremFrieden.

Dr.HeidmannstellteeinGrablichtaufund ging sehr betrübtdavon.

dEr BEsuch VON GERHARD BIALOJAHN

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 33

MÜTTER&SÖHNE

die Krefelder Textweber sind eine Autorengruppe, die im WesentlichenausdenTeilnehmerndesKursesfürkreativesSchreibenderVHSKrefeldhervorgegangenist.SeitsechsJahren arbeiten wir zusammen und haben in dieser ZeitgemeinsamzweiBücherveröffentlicht:„DasSilvesterbuch“(2013, edition anderswo) und „Geschichten vom Heiraten“ (2015,editionanderswo).

Wir veranstalten zweimal im Jahr im Niederrheinischen Lite-raturhaus in Krefeld eine öffentliche Lesung, in der wir unse-reneuestenTexte vorstellen.DarüberhinausorganisierenwirinvierteljährlichemAbstandWorkshopsfürInteressierte,indenenwirmitBesuchernüberSchreibanlässeund-tech-niken diskutieren und wir sie ermutigen, eigene Experimente zu erproben. Diese Veranstaltung findet ebenfalls imNie-derrheinischen Literaturhaus, Gutenbergstraße 21, 47803 Krefeldstatt.

Die Gruppe trifft sich zweimal im Monat im privaten Rah-men, um Ideen auszutauschen, neue Texte zu erarbeiten und sie dem Plenum vorzustellen. DieArbeitsatmosphäreist gekennzeichnet durch gegenseitige Wertschätzung und Respekt.NuraufdieserBasisisteinoffenerErfahrungsaus-tauschüberteilssehrpersönlicheSichtweisenmöglich,derdenHumusfürdasEntstehenneuerTextebildet.

Wenn sieben verschiedene Biographien mit sieben unter-schiedlichen Arten, die Welt zu sehen, aufeinander treffen, ergibt sich ein spezieller Textweber-Cocktail, der immer wie-der magische Abende mit vielfältigen Inspirationen ermög-licht.

Wir schreibenüberwiegendKurzgeschichtenmit teils sati-rischembzw.heiterironischemGrundton.JenachVorliebedesVerfassersfindensichaberauchdieGenresMärchen,ScienceFictionoderLyrik,z.T.mitphilosophischenFrage-stellungenverknüpft.

Sollten Sie als neugierig gewordener Leser Interesse an un-serer Arbeit – den Workshops oder Lesungen – haben, kön-nenSiesichanunsereKontaktfrauMonikaKühnwenden([email protected]) oder uns im Internetunterwww.krefelder-textweber.deaufsuchen.

ImvorliegendenHeftfindenSieaußerdemzweiLeseprobenvonuns.VielSpaßbeiderLektürewünschendieKrefelderTextweber.

Norbert Agradi, Monika Kühn, Michael Mues, Michael Oberdörfer, Britte Soedersen,

Irmgard Stürmer, Andrea Wanninger

diE KrEfEldEr

tEXtWEBEr

Schreibtisch – ChaosMicro-Kosmos der Papiere

Fragmente gelebten LebensDer Cursor blinzelt mir zu

WerrührtdieUrsuppeZumessbarenBrei?

Man nehmeGroßeGefühle,kleineTückendesAlltags

ProsaischoderlyrischumhülltFein abgeschmeckt mit Ironie oder Satire

HeutebleibtdieKüchekaltZuvielSodbrennen

Beim Verdauen der Realität Der Bildschirm leer

Einsam blinkt der CursorSchwer Verdauliches

WartetAuf Pfeffer und Salz

VONIRMGARDSTÜRMER

mannEhmEtEXtWEBEr

diE KrEfEldEr

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN34

Ja, das wird mein neues Lebensmotto, habe ich mir gedacht, seit ich nun seit gut zwei Monaten mit 65

Jahren und sieben Monaten pensio-niertwordenbin.Ichwarüber40Jah-re im Bankgeschäft tätig gewesen, mit viel Euphorie gestartet, was nach vier Jahrzehnten in verschiedenen Geldtempeln der Welt einer gewissen Nüchternheitgewichen ist.Damalshatte ich noch viele Vorstellungen, wie Welt und deren handelnde Prot-agonistensichverhaltensollten.ZudieserZeitalsBerufsanfängerlebtemeine Lieblingsoma noch und sie hat-teeinenganzbesonderenLeitsatz:„Jeden Tag eine gute Tat und du und dieWeltsindinOrdnung!“.

Wenn ich die vier Jahrzehnte nun zurückblickeundmüssteBilanzzie-hen, dann habe ich insbesondere von ihrem Leitsatz in meinem lan-gen Berufsleben nicht viel umsetzen können.Nurdiewenigstenderrund14426 Tage meines Berufslebens, einschließlich der Wochenenden, fürden,dernachrechnet,konnteichimRückblickaufmeinerHabenseiteverbuchen.Meistdann,wenn ichälterenundauch jüngerenDamendieTüraufgehaltenhabe.Esgabeinfach nicht so viele Gelegenheiten inderberuflichenPosition,inderichwar,umOmasLeitsatzumzusetzen.

Das wollte ich mit meiner Pensionie-rungnunändern.DameinSaldobisdato stark negativ war, wenn ich die Tage mit guten Taten und die Tage ohne gute Taten verrechne, musste ichwohloderübeldeutlichmehr

gute Taten pro Tag verbringen, denn ich konnte ja nicht davon ausgehen, über100Jahrealtzuwerden.Beieinem Negativsaldo von knapp 40 Jahren und einer guten Tat pro Tag im RentenaltermüssteichausheutigerSichtüber107Jahraltwerden.EineziemlichverwegeneAnnahme.DaichmirzumZielgesetzthabe,meinenSaldo mindestens auszugleichen, kam ich kalkulatorisch auf mindes-tens sechs gute Taten täglich, am bestenabsofort.DieFragewarnur,wiesollteichdasumsetzen?

IchwurdefündigbeimStraßenver-kehrsamt.MeinliebgewordeneralterDienstwagen, den ich bei meiner Pensionierung aus dem Fuhrpark der Bank erworben hatte, musste schließ-lichaufmichumgemeldetwerden.Ich denke, meine ausgeprägte Beob-achtungsgabe und mein geschulter analytischer Sachverstand, den ich in meiner Funktion als Senior Finan-cial Analyst erworben hatte, haben mir dabei geholfen, meinen Weg zu finden,umendlichdenNegativsaldoausgleichenzukönnen.

Ich sitze also an einem Montagmor-genum8:30UhrbeimStraßenver-kehrsamt und möchte meinen Wagen ummelden.DieseIdeeschienenwohlvieleübersWochenendegehabtzuhaben.Vormirsitzenundstehengut60Personen.Vormir?Javormir, denn es gibt einen Automat, wie ich feststelle, aus dem jeder Neu-ankömmling eine rote Papiermarke ziehen kann, auf der eine schwarze Zahlgedrucktist.OberhalbdesNum-mernautomaten gibt es eine große

digitale Anzeige, ebenfalls in Rot, die diejenige Nummer anzeigt, die als nächstesanderReiheist.Ichhabedie 74 gezogen und auf dem Display leuchtetsoebendie14auf.Also60Personen vor mir, so mein analytisch geschulterVerstand.IchhabejajetztZeit,sosageichmir.BinjaschließlichseiteinerWochepensioniert.Schadenur, dass ich mir kein Buch mitgenom-men habe, jetzt wo ich doch so viel Zeithabe,umendlichwiederlesenzukönnen.IchwillmeineneueFreiheitmitvollenZügengenießenunddazugehörtfürmichaufjedenFall,wiedermitdemLesenanzufangen.Mindes-tens80Bücherhabensichbeimirinden Jahren angesammelt, in die ich noch nie einen Blick geworfen habe, dankmeinertotalenberuflichenInan-spruchnahme.Aberichschweifeab.(Wie Sie festgestellt haben) Es soll sich so einiges ändern nach meiner Pensionierung:VielFreiheit, vielLesen und vor allem jeden Tag eine guteTat,bessereinigeguteTaten.Darumgehtes.IchsitzealsoohneLesestoff da und beobachte, was ich jaberuflichgutkonnte,nurwarenesdaMärkte,Zinsen,Wertpapierkurse,die ich beobachten und analysieren musste,hiersindesdieMenschen.

Wasmirgleichauffielwar,dassessounterschiedliche Formen des War-tensgibt.DagibtesdiescheinbarGelassenen, die nicht einmal von ihrerLektüreaufsehen,wenndieroteDigitalanzeige mit lautem Klackern (Blättern) auf die nächste Nummer umspringt.DieseMenschenschei-nen genau zu wissen, wann sie an derReihesind.Traumwandlerisch

jEdEn tag EinE gutE tat

VON MICHAEL MuES

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN 35

sicher schauen sie erst auf, wenn ihre Nummer dran ist, sehen kurz auf die Anzeige, dann auf ihre Papiernum-mer, die sie in der Hand halten und gehen dann ziemlich gelangweilt, fast emotionslos durch die Doppel-flügeltür indendahinter liegendenGroßraum mit den Sachbearbeitern fürdieKFZUmmeldung.

Der totale Gegensatz dazu sind die Menschen, die nicht nur bei jedem Klackern der Digitalanzeige jedes MalaufsNeuedieangezeigteZahlmit der ihren vergleichen, obwohl sieeigentlichwissenmüssten,dasssie noch lange nicht an der Reihe sind.DerTypnebenmir istsoeinUngeduldiger.Erhattedie47,wieich festgestellt habe, als ich ihm kurz überdieSchultergeschauthabeundangezeigtwardieNummer25.Vondiesem Typus gibt es einige, wie ich feststellenmuss.Manchevonihnenscheinen auch immer mathematische Berechnungen anzustellen, wenn bereitsabgefertigteKundenzurückdurchdieDoppelflügeltürkommenund sich kurz darauf die Digitalan-zeigeeineNummerweiter quält.Sie scheinen die Bearbeitungszeit des jeweils letzten Kunden zu mes-sen und immer sowohl eine neue Durchschnittskalkulation der Bear-beitungszeit und eine persönliche neueRestwartezeitzuerrechnen.

Am Schlimmsten ist der Typus War-tende, wie die Frau, die zu meiner Linkensitzt.Siescheintrichtigunter„Dampf“zustehen. Ichkommemitdieser Frau ins Gespräch und erfahre, dasssieihrenFiliusumPunkt12:00uhr Mittag aus dem Kindergarten abholenmuss.Es istmittlerweile11:30Uhr.SiehatdieNummer87undmiristgleichklar:SiehattekeineChance, ihr Kind rechtzeitig abzuho-len und ihre Fahrzeugummeldung zu schaffen.Da biete ich ihr spontan meine Marke mit der Nummer 74 an und erhalte imTausch ihre.Dadie73geradeaufleuchtet,solltesiees in14Mi-nutenschaffen.DasistübrigensdieDurchschnittsbearbeitungsdauer, die meine Berechnungen ergeben haben.Womit ichnichtgerechnethabe,istdieReaktionderFrau:Dassdiese wildfremde Frau mir fast um denHalsfällt,hätteichnieerwartet.Siestrahltglücklichundbedanktsichwortreichbeimir. „JedenTageineguteTat“,daistderlebendeBeweis.Das ist die Geburtsstunde meiner „Geschäftsidee“.

Ich sitze seit einem Monat regelmäßig um8:00UhrpünktlichzurÖffnungimStraßenverkehrsamt und ziehe dann vorsorglich eine Nummer, nachdem der erste Ansturm sich gelegt hat, eineweitere.Immer,wenneintotalgestressterimZeitmangellebenderMenschmirauffällt,zückeichnacheiner Weile der Bebachtung meine Nummer und erhalte im Austausch dessen Nummer, die ich dann mög-licherweise später am Vormittag wie-dereinsetzenkann.

Meine erfolgreichste Zeit ist oftkurz vor Mittag, wenn das Straßen-verkehrsamtumPunkt12:00Uhrschließt.Dannhabeichmirmeistensgegen10:00UhreinigeNummernauf Vorrat gezogen, die ich dann erfolgreich rund zwei Stunden später einsetzenkann.

Auf durchschnittlich sechs gute Taten proTagkommeichso.MontagsundfreitagssinddiebestenTage.Andenanderen Tagen ist nicht so viel los und ich muss oft stundenlang warten, um wiederzupunkten.

Wenn ich 40 durch 6 teile, so habe ichüberschlägiggerechnet,benötigeich rund sieben Jahre, um mein Ne-gativkontoauszugleichen.

Da man nie im Voraus weiß, wie lange manrüstigbleibtund ichauchdenZeitpunktmeinerAbberufungnichtkenne,habeichmirüberlegt,meineTatenauszuweiten.MeineFrauundich wollen auch noch auf längere Reisen gehen, schließlich wird sie in zweiJahrenpensioniert.Seitgesternsitze ich zusätzlich nachmittags im Einwohnermeldeamt.

tEXtWEB

Er

KuLTuR - BILDuNG - LEBEN36

CLIMATE CHANGEVONJOSéEHÜMPEL-LANGEN

ausgeweidete häusergeschütztdurchgraueblendenabgestellten stromzugebretterte fenster

das monster frisst erdebraune erde, es schaufelt golderdfresser kauen, kauen landkauen, kauen dörfer, dunkles landvermahlen, zerstörenzermalmen die erdemit gierigem schlund

37GEDICHTE

Wir, ich und Peterchen, sind sehr glücklich.Wir haben ein Schlammhaus, ein Traum! Einealte,blaugrüngverblassteHolzhütte,mit vernarbten Brettern, Fenstern mit fast durchsichtigem Glas und einer Tür, dieauf- und zugeht, mit einem Trick den nur wirkennen.

Sie steht weit hinten im Garten, fast gänz lich verdeckt von Brombeersträu-chernundGestrüpp.Wennmankleinist,kann man sich dort leicht einen Weg bah-nen.FürunsereElternistdaswohlsehrschwierig.

WirverbringensehrvielZeit inderHüt-te und im Garten. Spielen Verstecken,sammelnHolzfüreinLagerfeuer,grabenKanäle, damit das Wasser nach dem Re-gen ablaufen kann, oder hämmern und basteln, um das Schlammhaus zu ver-schönern.

Es riecht nach Schlamm, wir bauen mit Schlamm,wirkochenmitSchlamm,rüh-ren mit Stöcken einen modrigen Brei oder einedünnflüssigeSoße,backen leckereSandkucheninaltenverbeultenFormen.Wir verzieren auch selbstgemachte Tor-ten und Teilchen mit roten oder schwar-zen Beeren, wenn die gerade reif sind, und picken sie auf mit alten verbogenen Gabeln, bis unsere Münder aussehenwiegroßeblaueFlecken.Peterchenundichstreckenunsereblau-lilaZungenim-mer wieder raus, bis sie sich irgendwann berühren.

Wir lachen in den zerbrochenen Spiegel anderWand,schneidenGrimassen.Wirsehen aus wie die Leguane aus dem Bil-derbuch, das ich von Peterchens Mutter bekommenhabe.

das schlammhausvon Josée hümPel-langen

38 ZEIT

RUDOLFBARTELS//HäUSERMITGOLDREGEN

Heute gibt es nicht nur Beeren, son-dern auchGemüse; braun-grüne, lan-geSchoten,einbisschenscheckig.Wirhaben sie zusammen von einem Boh-nenbaumgepflücktundganzvorsichtigin denaltengeflochtenenWeidenkorbmit denLöcherngetan.Zuvor faltetenwir ein Leinentuch hinein, damit sie nichtaufdieErdeplumpsenkonnten.

DasGemüseriechtrechtbitter,eswirdbestimmtbesser,wennwireskochen.

Ich nehme den roten, abgeblätterten EmailtopfvonmeinerOmaundschüttees hinein. Passt! Jetzt noch ein biss-chen Hellsand und Dunkelsand, denn echtes Salz und echten Pfeffer gibt es nichtaufunseremHüttenregal,das istzugefährlich,sagenunsereEltern.

Ichrühre indemTopfundprobiereabund zu ein paar von den schwarzen Erbsen, die aus den Schoten fallen.Gehtso.Musswohlnochetwaslängerkochen.

IchnehmenochetwasZuckerausdemkleinen Marmeladenglas und probiere noch ein paarMal. Jetzt schmeckt esbesser.

Peterchen deckt den Wackeltisch mit einem Tuch, das meine Mutter uns heu-tegeschenkthat.Es istzugroß,des-wegenreiße ichdasStückab, indemdie meisten Löcher sind. Das weißeKnittertischtuch hat nämlich viele offe-ne Stellen, durch die man den Himmel sehenkann,wennmaneshochhält.

Peterchen legt die Löffel auf das weiße Wackeltischtuch.

Wir sitzen dicht nebeneinander auf der kleinenBankundessenausdemTopf.ZwischendurchisstPeterchennocheinpaar Blaubeeren, die übrig gebliebensindvonheuteMorgen.

Unddann…wirdmirschlecht.

Ich stehe auf, renne durch den Garten so schnell ich kann, reiße mir dabei die Beine auf an den Brombeersträuchern, laufe durchs Tor von Peterchens Haus, renneandemGemüsebeetmitdenTo-matenvorbei,stürzedieTreppehinauf,falle fast mit meinem Kopf auf unsere Toilette, übergebe mich, aus meinemHalskommtFeuer.

DannistmeineMutterda.Siehältmei-ne Stirn, weil die Erbsen und die Boh-nenunddieBrombeerenwie verrücktausmeinemBauchschwimmen.

Das Krankenhaus ist bei uns in der Straße, ich war schon mal dort, als meineMandelnherausmussten.Esisthässlich,hatgruselige,hoheZimmer.

Jetzt habe ich große Angst. Sie halten mich fest, wollen zu dritt ei-nen großen langen Schlauch in meinen Halsstecken.Ichschreie,machemichsteif,siesindstärkeralsich.EinMannin einem weißen Kittel will nett sein zu mir.Erfragtmich,obeinanderesKinddie Bohnen gegessen hat. Das Kindkann sterben, wenn es nicht zu ihm kommt.

Ja, schluchze ich, ja, Peterchen… Die anderendrückendenSchlauch immertiefer.Danachweißichnichtsmehrge-nau.

Als ich aufwache, bin ich wieder zuhau-se. Meine Mutter schaut besorgt undstreichelt meinen Kopf. Der ist ganzheiß.

Peterchen hat ihr erzählt, dass er keine Bohnen gegessen hat, sein Vater weiß sicher, dass Peterchen nicht lügt, erweißvielüberMenschen,das istseinBeruf.

Sie fragt mich noch einmal, ob Peter-chendavongegessenhat.Ichschreie,schreie immer lauter, dass er jetzt ster-benmusswiemeineOma.Diekommtauchniemehrzurück.

Meine Mutter geht zum Telefon, ruft Peterchens Vater an. Redet mit ihm.Er geht jetzt doch mit ihm in das Kran-kenhaus und Peterchen bekommt auch denrotenSchlauchinseinenBauch.

Am nächsten Tag gehe ich nicht in den Kindergarten. Meine Mutter und meinVaterhabenmitdemArztgesprochen.Der sagt, ich war eher krank, weil ich mehr kleine Erbsen gegessen habe.Bei Peterchen war das anders, er hat die Bohnen nicht richtig gekaut, er hat sieinStückenhinuntergeschluckt.

IchwilljetztzuunseremSchlammhaus.DerVater ist imGarten.Peterchen istnicht da, er spielt mit einem anderen Kind.

Die Bohnen hat Peterchens Vater alle weggeworfen,dieErbsenauch.ErsagtdaswarenkeineBohnen.EswarGold-regen,einesehrgiftigePflanze,voral-lemwennmanvieldavonisst.

Gut, dass ich laut geschrien habe und dass meine Mutter noch einmal mit Pe-terchens Vater gesprochen hat, ich hat-tesovielAngst.

Das Schlammhaus ist so leer ohne Peterchen.

Und es bleibt leer, für immer …Zwei Wochen später zieht Peterchenum.SeinVaterhateineneueStelle ineineranderenStadtbekommen.

39ZEIT

RAuM40

ine freunDin hatte mich gewarnt: zwölf tage lofoten? ich fürchte,

Das ist zu lange. was willst Du Dort tun ?

EEIN

VERSIERTER ALPENWANDERER

RAuM 41

VON GERTRuD

GRINS

ich war eine woche zum wanDern auf Den lofoten. Die berggiPfel habe ich im DicKen nebel nicht gesehen, Den weg zeitweise verloren. nur mit grösster

anstrengung erreichte ich Das ziel.

EIN VERSIERTER

ALPENWANDERER

meine lofoten-fotos Kann ich nicht ins netz stellen.

alles nur grau in grau.

eine fotografin

lofoten, vesterÅlen unD ofoten

RAuM42

zu Den lofoten zieht es uns JeDes Jahr. wir waren schon fünfzehnmal Dort. sie werDen begeistert sein.

EIN PASSIONIERTER TIEFSEEANGLER

1) meerengen heißen sundE, wenn sie inseln trennen. Der raftsund trennt z.b. die insel austvÅgØYa von der insel hinnØYa. straumEn heißen meeresarme durch die der gezeitenstrom gewaltige Wassermassen transportiert, die nährstoff- und damit fischreich sind. Der 1800 meter lange napp-straumen-tunnel verbindet die inseln Vestvagøya mit Flakstadøya. Er führt mit 8% Gefälle bis 55 Meter hinab unter den meeresspiegel.

Zwölf Tage waren mein Mann und ich im Spätsommer 2016 auf den Lofoten, einschließlich der Vesterinseln und Ofoten,unterwegs.Dieses InselreichNorwegens, 200 km nördlich des Polar-

kreises gelegen, ist geprägt von der Eiszeit, zerschnitten von Fjorden, Straumen und Sunden1).DieNorwegerhabendiesezerklüfteteWeltperfekterschlossen.SiehabensieverbundendurchTunnel,BrückenundFähren.WirhabendieEntfernungenunterschätzt.EskamenbeidieserTour2640kmzusammen,obwohlwirüberOslobisBodøgeflogensindunddasMietfahrzeuginNarvikzurückgaben.

Licht gibt es zu dieser Jahreszeit mehr als 20 Stunden täglich.Umschlafenzukönnen,musstenwiresaus-sperren,dieFensterverhängen.AberdasLicht,dasvon Wolken abgeschirmt wurde, das Nebel und Regen durchdringen musste, war oft zu schwach, die Berge und Fjordeerstrahlenzulassen.DastrübtedenUrlaubsspaß.Selbst passionierte Wiederholungstäter, die Tiefseeang-ler,schautendannmiesedrein.

DasAnglerlatein istendlichund ihrWohlbefinden littunterdemerzwungenenAn-Land-Bleiben.Wassienichtdavonabhielt,schonjetztfürdasnächsteJahrwiedereineHolzhütte(Rorbu)amFjordzumieten,umimkom-mendenSommerwiederihremHobbyzufrönen.Dennes gibt auch die guten Tage, an denen sie mit glänzenden AugenstolzihrenFangpräsentierenkönnen.

MotorradtouristenwareninerstaunlichgroßerZahlun-terwegs.Siehofftenwohl,diekurvenreichenPässeundStraßentrockenerobernzukönnen.Dasgelangdenmeis-tennatürlichnicht.Dannmusstensievölligdurchnässtnacheiner trockenenUnterkunftAusschauhalten.DawardasmitgeführteZeltnureineunzureichendeLösung,aberbesseralsimFreienzuschlafen.DieHotelbettensindinderHochsaisonknapp.

ähnlichergehtesWanderern.SiemüssenaufkaumgekennzeichnetenWegenüberStockundStein,durchMoor und Heid stapfen und Berge erklimmen, die es in sichhaben.ImmeraufderHutvorWetterumschwüngenund in Sorge, sie könnten bei eingeschränkter Sicht die Orientierungverlieren.AufdeneinzelnenInselnundhinterjeder Bergkuppe kann das Wetter am gleichen Tag recht unterschiedlich sein, weil die Wolken nicht hoch genug aufsteigen.DasindeinZeltundeingutgefüllterRucksacknützlichundberuhigend.

Das norDlanD norwegens lebt vom licht

RAuM 43

zu Den lofoten zieht es uns JeDes Jahr. wir waren schon fünfzehnmal Dort. sie werDen begeistert sein.

Die buntgestrichenen Fahrräder mit den Blumenkörben amStraßenrandwarenwohlehereinSchmuckfürdieHäuseralseineffektiverWerbegag.Werwillsichschonauf einem Fahrrad abstrampeln, wo es keine Fahrradwege gibtundTunnelbissechskmLängeinsDunkelführen?Trotzdem werden Fahrradrouten ausgewiesen und Touren fürdieseRegionangeboten.MirwarumdieSicherheitder Radfahrer bange, denn die Autos nahmen die engen Kurvensehrschnell.AberhartgesotteneFreizeitsportlerscheintdasnichtabzuschrecken.

Wir waren froh, ein bequemes Auto zu fahren, und wir passten uns an, umrundeten die verschiedenen Inseln und Halbinseln des verworrenen Archipels auf der Su-chenachaußergewöhnlichenFotomotiven.UndtäglichüberraschteunsmindestenseinEndederWelt,dasMenschen auserkoren hatten, um dort auf Dauer zu leben –mitStromanschluss,verstehtsich,undoffenenTüren.Niemandwarda,aberderHaustürschlüsselsteckteimSchloss.

So viel Einsamkeit ist für uns Mitteleuropäer

verstörend.

WirwarenaufschlechtesWettervorbereitet.UmnichtständigKofferzupacken,hattenwirunsfürzweiStand-orteentschieden:DererstewarHenningsvaer,einesderschönstenÖrtchendesArchipels,danachOffersoy.Daswar eine Ferienanlage (haha!) in einem Dorf mit etwa zehn weit auseinander liegenden Häusern 30 km von der Hauptdurchgangsstraßeentfernt.DerPreis fürdiesenschön gelegenen, aber zu kleinen Standort waren die weitenAutofahrten.Egalwielangeeshellbleibt,irgend-wannstelltmanfest:Esreicht.Wirkönnennichtlängerdarauf warten, dass warmes Abendlicht die Landschaft zumLeuchtenbringt.Wirkehrenum. ImNachhineinwissen wir, zwei weitere Standorte hätten uns manchen KilometerFahrterspart.

Meine norDlanD-imPressionen habe ich zusam-mengefasst unter dem Titel „Lichtspiele im arktischen Sommer“.

RAuM44

erster aKt

lichtsPiele im arKtischen sommerein schausPiel in Drei aKten

Wenn der Himmel die Fjordlandschaft ins richtige Ram-penlicht rückt, ist

dasPublikumbegeistert.ErstaunlicheAusblicke und dramatische Beleuch-tung ziehen Tausende Besucher auf dennorwegischenLofotenan.Span-nungbautsichauf.DieErwartungensindhoch.

WiewirddasBühnenbildgestaltetsein,wenn der Pass erklommen und der Tunnelgenommenist?

DerVorhanghebtsich.TiefeWolkenund bedrohliches Grau breiten sich aus, bedeckenkahlen,grünschimmerndenFels.DieBerggipfelversteckensichdahinter, scheuen sich, ihre beachtliche FormenvielfaltzurSchauzustellen.Amliebsten möchten sie im tiefen Fjord versinken.

Werden sie in der nächsten Szene mutig hervortreten?

Die Sonne greift ein, schiebt sich be-harrlich durch das Grau, schafft ein WolkenlochmitzartemBlau.Sieberei-tetsichaufihrenAuftrittvor.

Da, die Primadonna erscheint am Him-mel, lächelt hoheitsvoll auf alles Irdische hernieder.

Wasgeschiehtjetzt?Sieziehtsichwie-derzurück!DerWolkenvorhangsenktsichnieder.

Oh!

KurzeZeit später tritt dieGefeiertewiederauf.Nocheindrucksvoller. Ih-remGlanzkannniemandwiderstehen.DerKüstensaum,dieWiesen,dieBer-ge so angestrahlt, präsentieren sich farbenfroh leuchtend,verführerisch,mitreißendschön.SiegebenihrBes-tes.UnddieZuschauerdankenesmitstürmischemApplaus.Zuletztverneigtsich die Sonne und schreitet dem Ho-rizontentgegen.Nebelziehtauf, legtsichüberSundundLand.

RAuM 45

zweiter aKt

Der täglichenAuftrittemüdemeidetdieSonnefüreinigeZeitdasRampen-licht.SieschauteinmaleiligdurchdenVorhang und zieht sich beruhigt in ihr Wolkenbettzurück.DasweitereSpielüberlässtsiedemGangderGezeiten,denWolkenunddemWind.Wahllosschiebt der dieWolkenumher.Siefühlensichargverschaukeltundbe-ginnenzuweinen.Zögerlichzuerst,dannimmerheftiger.ErleichtertsteigensiedanachandenBerghängenauf.Vorsichtiggleitensiehinüberundfallensanfthinab.

Das Publikum applaudiert verhalten, abwartend, hofft auf eine mitreißende nächsteSzene.

DerVorhangöffnetsich.

Unglaublich,dieBühneversinktimNe-bel.Buh-Rufeerschallen,hallenwider.Das kann doch nicht alles gewesen sein! SotrübseligwillniemanddasTheaterverlassen.Manwartetverstimmt.

Hinter dem Vorhang wird die dritte Sze-nevorbereitet.DieHelligkeitlässtGuteserahnen.DerRamsund tritt auf.ErdominiertdasGeschehenaufderBüh-ne.Ungeachtetder fehlendenSonnepräsentiert er seine Farben weich und erden,nuancenreich.ZartemMuschel-gelbfolgthellesTürkis,dannkräftigesTürkis,das inBlautönungübergeht.Das Blau wird dunkler, fast schwarz, wiederheller,wandelt sich inGrün,um in den kleinen Sandbuchten erneut türkiszuschimmern.DasWassersäumtden engen Fjord, umspielt weich die glattenFelsen,lecktdieUferböschung.DasSchauspielziehtdieZuschauerinseinenBann.Sieverharrengedanken-verloren, seufzen, verlassen zufrieden dasaufgeführteStück.

Dritter aKt

Den nächsten Auftritt bereitet die Son-nenochinderNachtvor.Gegen3:30Uhrdrängtsiesichrot-glühenddurchdie Wolkendecke, schaut, was sie tun kann.Sieweiß,mitihrenStrahlenwirdsiedasPublikumwiederverzaubern.Sie wird konkurrenzlos die Primadonna sein und die Menschen werden ihr zu Füßenliegen.Siewerdensichihran-dächtig zuwenden und rasch die Augen schließenvorsovielLicht.SiewerdensichaaleninihrenwärmendenStrahlen.SiewerdensichvorihrerGlutschützenmüssen.Seltsam,wiediesonnengieri-gen Geschöpfe dann Schatten suchen undnachWasserlechzen.

Das ist ihr Tag, an dessen Ende sie sich gnädig verneigt, um dem Horizont entgegenzustreben.Siehatesnichteilig.Alsessoweitist,glühtderHimmelbegeistertauf.LangsamsenktsichderTag.DieNachtbeginnt.AberdieZeitfürdieDunkelheitistnochnichtgekommen.

ePilog

InbesterErinnerungistvielenZuschau-ernnochdieMittsommervorstellung.Ein24-Stunden-Spektakel.DieSonnestiegauf, sie strahlte und strahlte – leider war sie nicht von allen Plätzen aus gleich gut zusehen–,sieerklommdenZenit,neig-tesich,sank.Siesankundsank.Sahman sie wirklich versinken oder stieg sie schonwiederauf?WurdedieAbendrö-te zum Morgenlicht, aus dem sie sich müheloserhob?Siewardaundsiewarwach.Stiegauf.LichterlohbrennendleuchtetesiedemneuenTagentgegen.Bereitihnzuerhellen24Stundenlang.In der arktischen Mittsommerzeit verliert dieNachtfüreineWeileihreMacht.

Das Licht triumphiert ungeniert, bis die Erde den Lauf um die Sonne ändert und Dunkelheit die Herrschaft übernimmt.Für langeMonateunterwirftsichdieArktisderMachtderNacht.

MuNDART46

wat enne remmel wu’esch wä’et senn Kannvon georg nowaK

Et es all lang her, do joav öt op de oavere Sankstroot emWikkereenbekenndeMezjere’ij.MahoddejootJeschäfonetfrideswoard’rLaadevoll.Jenaudannwennd’rLaadesorichtischvollwoar,koamochKarl.Dä woar be’ij de Jemende aanjestellt, keerde de Stroot onhiltochdeWeächenoader.EtPoleverhoddhäwaalnetervonge,äveldommwoarhänuochwi‘ernet.Häwoßjenau,etfrideskrächhäendeMezjere’ijeVrü-stöck,wimasosait.DatwoareStökkLe’averwu’eschofeStökkFlönz.DiMezjersvrauleetsechnetlompe,besongeschwennd’rLaadevollwoar.Wennsejootdropwoarjoavetochallensvonjeddemjet.

Karl hilt de Stroote on de Jatze im Jru’ete on Janze propper.äveldöchswoarhäochallensjetmöösch,besongesch em Vröjoar, wenn et Onkruut wooß wi d’rDeuvelonemHärevs,wennetLoovve‘el.MötdiWe’asch tösche di Jaades on möt di Jatze noam hä etdannnetesojenau.

Numotmerwi’ete,datdäJronkvondiMezjerslüvondeSankstrootdurjingbösandiJatz,wathüütdeDehnhardstrootes.OndowoarenHekk.DiMezjers-vrau hoddem all e paarmool jesait, dat hä oave an di HekkdatPankdochochwi’erensväejesollde.ävelhähoddetemmerwi’erverjäete.

On wi hä nu wi’er et frides em jrödsde Trubel em Laade woar, on di Mezjersvrau öm möt enne vroorende Blekk e anständisch Stökk Wu’esch övver di Teek schoav, doschlochdatschleiteJewesse,onhäsait:„VielenDank,datmaakechöchhingeandeHekkjoot.“

DiLüemLaadehantsechkapottjelaachondietvertalltkrejehantoch.OfKarlmötkräjehat,worömdiLü,didodewaadestunge,andelaachevinge?Echjlöövetnet.

EndiFamilischvandäMezjerävelwöthüütnochjejrüselt,wennd’rKallopKarlkütteavesuedatvandi, di dat mötkreaje hant all äresch lang kenne mi’e amöömees.

MuNDART

en Jo'e hölePvon margit gärtner Ne leeve Jong woar Möllisch Schäng, bal twäntisch - all ne jonge Heär, woar wellich, hott jescheckde Häng, häwirkdeonhäholepochjeär.

Därr jriise Vrau van oavehopp,jebricklich woar dat ärm Jeschi'er,drooch hä so döck derr Koal eropp,säesTrappewoardatjeddesKi'er.

Ens koam se möt en schwoare Tääsch,träckflitzdeSchängonholepüerjeär.HädroochüerochdeMangmötWääschonduderrBüllmömFleschebe'er.

OndissKi'ervroochtseömjanzdomm:"Errroggtdoch?""Jeär",sätSchäng,"oh-jo.""Datdaitechmech",minnddroppdieOmm,"ErrkümmptbemTrappeklömmeso."

wä troot sechvon margit gärtner DeStrüükonBööm,diehanntdöckstriitemVröjoorömetSpruute.Lottjonn,maakvüraan,etwöddTiit,-wateßetschäbbichbute.

DäEenschecknuderrAngerevüer:Donnduenseäveslu'ere.MaarIißonSchneeküttemmerwii'erondöckesHarelschu'ere.

Serasele,hanntkenneMoot.EteßtekaltopEäde.Jeweß - maar, wenn sech kenne troot,wiesalletVröjoorweäde?

BloßMimmkesschö'ekoomderrVrüüsonspinzeallverleäje.Se hannt ut Pälz jo net ömmsööseMänkelkejekreäje.

MundaRtvorgestellt von georg nowaK

Mönchengladbacher

MuNDART 47MuNDART

zinK mä’etes es en nu’etvon georg nowaK

EtjingopZinkMä’etesaan.Di,diemDörepsechjed-des Joar öm dä kleene Zoch kömmerde, wosse ditJoarkenneRoot.Pitter,däjoarelangd’rZinkMä’etesjemäkhodd,hoddönnejesait,häwü’ernuallbe’ijJo-are,deKnöakdingeetochnetmi’e,onePä’edjü’evet joochemDörepnetmi’e.OndäschwoareMan-kel, dat Broßjeschi’er, dat Schweat on dä Hälem op d’r Kopp on dann och noch de voot loope – nä dat köss hänetmi’e.Juppsait:“Sowidukalls,wü’ersduossoch noch vam Pä’ed jevalle, wenn m’r dann noch e jehadhödde“.

Langwu’edthinonhärdespeteert.AmEngsaitJupp,häwü’etd’rZinkMä’etesmaake.DäMöllesch-Bu’erhoddetHoltalltesaamevöretMä’etesvüer.VördeMusik hodde twai Männ vam Trommelkoor vam Nob-berdöreptojesait.Nuwoarbalallesjerejelt.BloosdäärmeMannandatMä’etesvüerhoddesenochnetjevonge.

Nu wonnde em Oat enne äldere Minsch en enne Woon-waare.DäKäelwoarallebiskeerongerjekomme.Völlhilte se nit van däm, ävell se hodde öm jevroort, ov hä sechvördiPuuteopZinkMä’etesmötaalPluuteandatVü’ersettedi’en.Häkräächd’rvörrenFläschWa-cholder, enne Wäggemann on sööt Denge wi di Blaare och.HäwoarenverstangeondatFääßwoarjerätt.

DäOvendkoam.And’rDüsterhoddeseschdikleenPuute möt ör Fakkele, Rööbe op Stekke on di Jru’te möt Päschfakkele am Eng vam Dörep te Hoop jevon-ge.Etjingloß.

Jupp,d’rZinkMä’etes,emKostümveropp.DohengerdiTwaimötTrommonFlöötondijanzePuutehä’ed.Etwu’etkräfteschjesonge.Onsojingetdu’eretDörepopetMartinsvü’eraan.DatVü’erbrinklichterloond’rBättlersoatmötjätAvstankd’rneäve.HäwollseschjonetetVällverbrenne.EschönnBeld.DiBlaaresongehell„LoopMöllerLoop“.

Ond’rBättlerwoarochamsenge.ävellwattwoaredatvörTü’en?DänneJru’etedid’rbe’ijwoareverschloochetdeSprook.Watsongdädo?

So ein Tag, so wunderschön wie heute, soeinTag,derdürftenievergeh’n.

Naja,örjeswistemmdedatjooch.ävelldatLeetopZinkMä’etes?Jupp,d’rZinkMä’etes jingbe’ijöm,tüschdeöm,joavömd’rWäggemannonsoach,datdiWacholderfläschhalevlä’schewoar.Höschsait’evörrem:„Ongestankdesch,datdewiddersengssolangdiBlaarehe‘ijsent“.

Donoo hant di lu’ese Fixe uut de Nobberschaf öm dann möt Tromm on Flööt, möt Wacholder on Wäggemann nomWohnwaretrökkjebrait.DatsööteDengehathäamnächsteDaachkräje,wihäwi’ernööterwoar.

Di Kenger ävell hant van dä Wacholder-Palaver nix möt kre’ije on send dann wi jeddes Joar van Huus te Huussengejejange.

imprEssumherausgeber:

Hochschule NiederrheinKompetenzzentrum „Ressourcenorientierte Alter(n)sforschung - REAL“SigridVerleysdonk-Simons(v.i.S.d.P.)

anschrift:Hochschule Niederrhein, Fachbereich Sozialwesenredaktion ZwischentöneSigrid Verleysdonk-SimonsRichard-Wagner-Str.10141065 Mönchengladbacht 02161 - 186 5637 - 5661f 02161 - [email protected]

redaktion:EliseDonder,WalterElschenbroich,GertrudGrins,JoséeHümpel-Langen, Prof.Dr.EngelbertKerkhoff,GeorgNowak,JudithReith,ElkeRoob, Karl-Heinz Thifessen, Sigrid Verleysdonk-Simons

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Auflage:2000Stück

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nächster redaktionsschluss:Mai 2018

nächste ausgabe:August 2018

anzeigen:Infos unter 02161 - 1865661

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48 ZWIScHENTÖNE

Schriften des Kompetenzzentrums Ressourcenorientierte Alter(n)sforschung – REAL

Band 3Der zielfreie Weg Spiritualität des ÄlterwerdensISBN 978-3-933493-36-1, 158 Seiten, 10,00 €

Band 4Was erhält Menschen gesund? Physische, psychische und soziale Faktoren von GesundheitISBN 978-3-933493-42-2, 183 Seiten, 10,00 €

Beide Bände sind über den Buchhandel oder direkt im FAUST-Büro erhältlich. Studierende und Gasthörer können die Bücher zum Preis von 7,00 € im FAUST-Büro (Tel.: 02161 / 1865661) erwerben.

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ZwischenTöne auch im Internet:www.hs-niederrhein.de/sozialwesen/real