zur Ökologie der gärungssarcinen sarcina ventriculi und sarcina maxima

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I Zeitschrift fur Allg. Mikrobiologie 1 18 I 5 I 1973 I 449-461 I (Akademie der Wissenschaften der DDR, Forschungszentrum fur Molekularbiologie und Medizin, Zentralinstitut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie, Jena, Direktor : Prof. Dr. H. KNOLL) ' Zur Okologie der Garungssarcinen Sarcina ventriculi und Sarcina maxima H. KNOLL und R. HORSCHAK (Eingegangen am 8.12.1972) Im Jahre 1842 entdeckte JOHN GOODSIR im erbrochenen Mageninhalt eines Kranken Gebilde, die er als Mikroorganismen ansah und Sarcina ventriculi be- nannte. FRIEDRICH LOFFLER hat in seinen ,,Vorlesungen iiber die geschichtliche Entwicklung der Lehre von den Bacterien" von den Gebrudern GQODSIR als Entdecker gesprochen, genaue Nachpriifungen ergaben hierzu keinen Anhalt. Ober die Geschichte der S. ventriculi hat JAN SMIT, dem wir sehr eingehende Untersuchungen uber die Giirungssarcinen verdanken, monographisch berichtet, vor allem auch iiber die MiBverstiindnisse, die sich im Verlaufe der folgenden Jahrzehnte entwickelten. 1888 hat P. LINDNER mikroskopisch eine zweite Gii- rungssarcine in Malzmaischen gefunden und als S. maxima, ,,der schonsten aller Bakterien", bezeichnet. 1905 gelang BEIJERINCK als erstem die Isolation der S. ventriculi aus Erde. Wahrscheinlich hat er aber auch die S. maxima geziichtet, wie sich aus Angaben zur Kohlehydratverwertung ergibt, ohne sie aber als neue Art zu erkennen und gegenuber der S. ventriculi abzugrenzen. Erst JAN SMIT hat die S. maxima als Reinkultur isoliert. Bei dem sehr raschen Absterben der beiden anaeroben Giirungssarcinen S. ventriculi und S. maxima unter ihren spezifischen Kulturbedingungen war es vollig unverstiindlich, in welcher Form diese beiden Sarcinearten weit verbreitet in der Erde vorkommen. JAN SMIT hat vor allem diesem Aspekt eingehende Un- tersuchungen gewidmet und zum SchluB von latenter unsichtbarer Naturform, von latenten Sarcinen gesprochen, er diskutierte filtrierbare Formen und Le- benszyklen und glaubte schlieBlich, daB er die Vermehrung einer latenten Natur- form in seinen Experimenten nachgewiesen habe. Eigene Untersuchungen, die 1942 begannen, und zuniichst zum Ziel hatten, offenbar sehr empfindliche Mikroorganismen als Testkeime fur die Lebendkon- servierung durch lyophile Trocknung zu finden, ergaben ihre Brauchbarkeit. Es konnte nachgewiesen werden (KNOLL u. HORSCHAK 1964,1965,1971) - und damit war das Hauptproblem gelost -, da13 beide Sarcinen Sporenbildner sind, wobei die Bedingungen fur die Sporenkeimung und die Versporung ermittelt werden konnten. Die Sporen der S. ventriculi und S. wmxima sind morpholo-

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Page 1: Zur Ökologie der Gärungssarcinen Sarcina ventriculi und Sarcina maxima

I Zeitschrift fur Allg. Mikrobiologie 1 18 I 5 I 1973 I 449-461 I

(Akademie der Wissenschaften der DDR, Forschungszentrum fur Molekularbiologie und Medizin, Zentralinstitut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie, Jena, Direktor :

Prof. Dr. H. KNOLL) '

Zur Okologie der Garungssarcinen Sarcina ventriculi und Sarcina maxima

H. KNOLL und R. HORSCHAK

(Eingegangen am 8.12.1972)

Im Jahre 1842 entdeckte JOHN GOODSIR im erbrochenen Mageninhalt eines Kranken Gebilde, die er als Mikroorganismen ansah und Sarcina ventriculi be- nannte. FRIEDRICH LOFFLER hat in seinen ,,Vorlesungen iiber die geschichtliche Entwicklung der Lehre von den Bacterien" von den Gebrudern GQODSIR als Entdecker gesprochen, genaue Nachpriifungen ergaben hierzu keinen Anhalt.

Ober die Geschichte der S . ventriculi hat JAN SMIT, dem wir sehr eingehende Untersuchungen uber die Giirungssarcinen verdanken, monographisch berichtet, vor allem auch iiber die MiBverstiindnisse, die sich im Verlaufe der folgenden Jahrzehnte entwickelten. 1888 hat P. LINDNER mikroskopisch eine zweite Gii- rungssarcine in Malzmaischen gefunden und als S. maxima, ,,der schonsten aller Bakterien", bezeichnet.

1905 gelang BEIJERINCK als erstem die Isolation der S. ventriculi aus Erde. Wahrscheinlich hat er aber auch die S. maxima geziichtet, wie sich aus Angaben zur Kohlehydratverwertung ergibt, ohne sie aber als neue Art zu erkennen und gegenuber der S. ventriculi abzugrenzen. Erst JAN SMIT hat die S. maxima als Reinkultur isoliert.

Bei dem sehr raschen Absterben der beiden anaeroben Giirungssarcinen S . ventriculi und S. maxima unter ihren spezifischen Kulturbedingungen war es vollig unverstiindlich, in welcher Form diese beiden Sarcinearten weit verbreitet in der Erde vorkommen. JAN SMIT hat vor allem diesem Aspekt eingehende Un- tersuchungen gewidmet und zum SchluB von latenter unsichtbarer Naturform, von latenten Sarcinen gesprochen, er diskutierte filtrierbare Formen und Le- benszyklen und glaubte schlieBlich, daB er die Vermehrung einer latenten Natur- form in seinen Experimenten nachgewiesen habe.

Eigene Untersuchungen, die 1942 begannen, und zuniichst zum Ziel hatten, offenbar sehr empfindliche Mikroorganismen als Testkeime fur die Lebendkon- servierung durch lyophile Trocknung zu finden, ergaben ihre Brauchbarkeit. Es konnte nachgewiesen werden (KNOLL u. HORSCHAK 1964,1965,1971) - und damit war das Hauptproblem gelost -, da13 beide Sarcinen Sporenbildner sind, wobei die Bedingungen fur die Sporenkeimung und die Versporung ermittelt werden konnten. Die Sporen der S . ventriculi und S . wmxima sind morpholo-

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gisch zu unterscheiden, rund bzw. oval, die Hitzeresistenz (Hochstwerte) liegt bei 80 'C/20 min bzw. 77 'C/20 min, sie kann schwanken. Fur Sporenkeimung und Versporung beider Sarcinen sind jeweils relativ eng begrenzte pH-Bereiche bzw. bestimmte pH-Verliiufe erforderlich.

Die Sporennatur wurde durch elektronenmikroskopische Untersuchung und der Nachweis der Dipocolinsaure bei den Sporen beider Sarcinearten auch in dieser Richtung eindeutig festgestellt.

Nach unseren bisherigen Untersuchungen ist der Standort der vegetativen Formen beider Sarcinen nur der Intestinaltrakt von Saugetieren, und nur dort findet eine Versporung statt.

Es ist erstaunlich, da13 es JAN SMIT in seinen Untersuchungen nicht gelang, die Sporenbildung bei den Garungssarcinen zu entdecken. E r schreibt :

. . .,,Jedenfalls ist es mir nie gelungen, aus Fakalien von Menschen oder Tieren durch einen Kulturversuch Sarcinen zu gewinnen. Es kamen zur Untersuchung die Fazes von folgenden Tieren : Affe, Ziege, Kaninchen, Meerschweinchen und Huhn; daneben der Stuhl von 4 Javanern (welche vornehmlich Pflanzenkost essen) . "

Er hat nicht das Pferd untersucht, hier hatte jede Probe von Pferdefaeces zum Erfolg gefuhrt.

Die eigenen Untersuchungen, die von Erdproben ausgingen, zeigten in einer stark mit Pferdemist gedungten Erde einen auljerordentlich hohen Gehalt an S. maxima-,,Naturformen". Die Untersuchung des reinen Pferdemistes fiihrte dann zur Entdeckung der 8. maxima-Spore. Es schlol3 sich eine eingehende Untersuchung von Tierfaeces aus zoologischen Garten und der Landwirtschaft an.

FaBt man die Hauptergebnisse dieser Untersuchungen zusammen, so ist festzustellen, daW die Equiden S. maxima im Magen-Darm-Kana1 beherbergen, ggf. mit geringen Anteilen von S. ventriculi, die durch Verfiitterung von S. ventri- culi-Sporen bei Fohlen zeitweise erhoht werden konnen. Elefanten konnen beide Sarcinen praktisch ausschliel3lich oder in beliebigen Mischungsverhaltnissen zeigen. Alle Primaten einschlieBlich des Menschen zeigen, soweit uberhaupt, ausschlieljlich S. ventriculi. Maxirnalzahlen der Sarcinesporen pro Gramm Fae- ces lagen fur S. maxima beim Pferd bei 107, fur S. ventriculi beim Elefanten bei lo6, Menschen 3 x lo6. Der Hochstgehalt wurde bei einem Kapuzineraffen mit 2 x lo8 festgestellt.

Bei der Untersuchung von Faeces des Menschen ergaben sich etwa 10% posi- tive Ergebnisse bei zeitlich begrenzter Ausscheidung. CROWTHER (1971) fand in Faeces vegetarisch ernahrter Personen in hohem Prozentsatz S. ventriculi-Spo- ren, bei Fleischnahrung sehr geringe Werte.

In sehr eingehenden eigenen Untersuchungen wurde gepruft, ob in mensch- lichen Faeces, wenn auch nur vereinzelt, S. maxima-Sporen gefunden werden konnen, dies gelang nicht. I n einem Selbstversuch (R. H.) wurde gepriift, ob durch Verabreichung von S. maxima-Sporen in hoher Konzentration eine An- siedlung der S. maxima mit Ausscheidung von Sporen temporar moglich ist, dies gelang nicht, ebensowenig der gleiche Versuch bei einem Rhesusaffen.

L i t e r a t u r CROWTHER, J. S., 1971. Surcina wentriculi in human faeces. J. med. Microbiol.,4,343-350. KNOLL, H., 1965. Zur Biologie der Giirungssercinen. Mber. dtsch. Akad. Wiss. Berlin, 7,

475-477.

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KNOLL, H. und HORSCHAK, R., 1964. Zur Erniihrungsphysiologie der Giirungssarcinen.

KNOLL, H. und HORSCHAK, R., 1971. Zur Sporulation der Garungssarcinen. Mber. dtsch.

SMIT, J., 1930. Die Glrungssarcinen. Eine Monographie. Pflanzenforschung .H. 14.

Mber. dtsch. Akad. Wiss. Berlin, 6, 847-849.

Akad. Wiss. Berlin, 13, 222-224.

Anschrift : Prof. Dr. H. KNOLL Zentralinstitut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie DDR 69 Jena, Beuthenbergstr. 11