zur biologie des leukosarkoms der iris

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik Kiel.) Zur Biologie des Leukosarkoms der h'is. Von Profi L. Heine~ Kiel. Mit 3 Textabbildungen. Eine in mehrfacher Beziehung bemerkenswerte Beobachtung fiber das Verhalten und die Ausbreitung eines Leukosarkoms der Iris soll als Erg~,nzung meiner Mitteflung fiber Melanose und Sarkose dieses Arehivs 111, 33, 113, 417 dienen. (Vgl. aueh die Mitteilung in Virchows Arch. 280, 122 ,,UberVieIgestaltigkeit und Kriechbewegung der Sarkom- zellen usw." vom Verf.) Das klinisehe Bild wurde zun~chst yon der Patientin selbst als eine angeborene Abnormit~t angesehen: Ein Fleck, der sieh angeblich ver- grSl~ert haben sollte, doch war die Anamnese wenig zuverl~ssig. Au~ den ersten Anblick mul~te man ja zweifellos -- wie das Bild (Abb. 1) zeigt -- an ein Sarkom denken; bei genauerer Untersuchung mit der Spaltlampe zeigte sieh, dab tier kleine Tumor wie eine Cyste zu durch- leuchten war. Der Cystencharakter schien um so mehr zutage zu tre~en, je mehr man die ~u~ere Hfille als einen gesprengten Sack ansah. Diese Verhhltnisse hatten zur Erw~gung gefiihrt, ob bier nicht eine Cyste, und in Ermangelung jedes Traumas etwa ein Echinocoecus vorliegen kSnnte, zumal die Patientin aus Mecklenburg, dem Lande der Echino- kokken stammte (Herr Dr. Storbeck, Lfibeek war so freundlieh, uns die Patientin zu fiberweisen). Es wurde deshalb zun~ehst eine Punktion ausgefiihrt, um den Cystensack zu entleeren, wenn m6glieh heraus- zuziehen, jedenfalls auf diese ~reise eine Probeexcision zu machen. Bei der Operation erwies sich nun aber der Tumor a]s ein solides Leukosarkom, und die Annahme einer Cyste war nieht auffechtzuer- halten. Es wurde deshalb mSglichst schnell die Enucleation des Bulbus angeschlossen, nachdem sich der Tumor auch mikroskopisch zweifellos als ein Leukosarkom herausgestellt hatte. In den mikroskopischen Schnitten fiel nun Verschiedenes auf, w~s mir eine kurze Mitteilung zu reehtfertigen scheint (Abb. 2).

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Page 1: Zur Biologie des Leukosarkoms der Iris

(Aus der Universit~ts-Augenklinik Kiel.)

Zur Biologie des Leukosarkoms der h'is. Von

Profi L. Heine~ Kiel.

Mit 3 Textabbildungen.

Eine in mehrfacher Beziehung bemerkenswerte Beobachtung fiber das Verhalten und die Ausbreitung eines Leukosarkoms der Iris soll als Erg~,nzung meiner Mitteflung fiber Melanose und Sarkose dieses Arehivs 111, 33, 113, 417 dienen. (Vgl. aueh die Mitteilung in Virchows Arch. 280, 122 ,,UberVieIgestaltigkeit und Kriechbewegung der Sarkom- zellen usw." vom Verf.)

Das klinisehe Bild wurde zun~chst yon der Patientin selbst als eine angeborene Abnormit~t angesehen: Ein Fleck, der sieh angeblich ver- grSl~ert haben sollte, doch war die Anamnese wenig zuverl~ssig. Au~ den ersten Anblick mul~te man ja zweifellos - - wie das Bild (Abb. 1) zeigt - - an ein Sarkom denken; bei genauerer Untersuchung mit der Spaltlampe zeigte sieh, dab tier kleine Tumor wie eine Cyste zu durch- leuchten war. Der Cystencharakter schien um so mehr zutage zu tre~en, je mehr man die ~u~ere Hfille als einen gesprengten Sack ansah. Diese Verhhltnisse hat ten zur Erw~gung gefiihrt, ob bier nicht eine Cyste, und in Ermangelung jedes Traumas etwa ein Echinocoecus vorliegen kSnnte, zumal die Patientin aus Mecklenburg, dem Lande der Echino- kokken stammte (Herr Dr. Storbeck, Lfibeek war so freundlieh, uns die Patientin zu fiberweisen). Es wurde deshalb zun~ehst eine Punktion ausgefiihrt, um den Cystensack zu entleeren, wenn m6glieh heraus- zuziehen, jedenfalls auf diese ~reise eine Probeexcision zu machen.

Bei der Operation erwies sich nun aber der Tumor a]s ein solides Leukosarkom, und die Annahme einer Cyste war nieht auffechtzuer- halten. Es wurde deshalb mSglichst schnell die Enucleation des Bulbus angeschlossen, nachdem sich der Tumor auch mikroskopisch zweifellos als ein Leukosarkom herausgestellt hatte.

In den mikroskopischen Schnitten fiel nun Verschiedenes auf, w~s mir eine kurze Mitteilung zu reehtfertigen scheint (Abb. 2).

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L. Heine: Zur Biologie des Leukosarkoms der Iris. 641

Zungchst war yon dem Tumor au~erordentlich wenig im Auge zurtickgeb]ieben, die Lokalisation dieser Reste war aber sehr interessant, und die Tumorbrocken schienen schon innerhalb der wenigen Tage, die zwischen Probeexcision und Enucleation ]agen, nicht unerheblich ge- wachsen zu sein.

Erstens in der Wunde, die glat t verheilt war, fanden sich Reste yore Tumor, die - - vgl. I in der Abb. 2 - - dargeste]lt sind und die in der Menge woh] sicherlich nicht in der Wunde zuriickgeblieben, sondern in

Abb. 1.

der g o r n h a u t gewuchert waren und die Wundteile wieder etwas aus- einandergedr~ngt hatten.

Zweitens fanden sich einige wenige kleine Brocken im Kammer- wasser; einer davon ist in der Fig. 2 abgebildet (vgl. 2 in der Abb. 2).

Drittens land sich im gegeniiberliegenden Teile der Pupille un- mit~elbar am Pupfllarrand auf- und zum Tell eingelagert ein kleiner frischer Knoten, der klinisch nicht zu beobachten gewesen war (vgl. 3 in der Abb. 2).

Viertens zeigte sich, von diesem Pupitlenknoten ausgehend, an der Irisvorderfla~che, der temporaten H~lfte vorn aufgelagert, eine diinne

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642 L. Heine:

membran6se Bildung, die, aus dem Knoten hervorgehend, sich auf der Irisvorderfli~che verbreitert und etwa in der Mitte, halbwegs bis zur Iriswurzel eine - - auf dem Sehnitte spindetfSrmige - - Verdiekung, also eine deutliche, wenn auch sehr geringe Tnmorbildung erkennen lieB. Diese Bildung war als sarkomat6se Neubildung anzusprechen (vgl. 4 in. der Abb. 2).

Finn/tens zeigte sich im Kammerwinkel dicht unter der Operations- narbe ein Knoten (vg]. 5 in der Abb. 2), der a,ls Leukosarkom aufzu- fassen war und wohl zweifetlos den Ausgangspunkt des Ganzen darstellt.

Abb. 2 u. 3.

Eine radikale Entfernung w~re, wie die anatomischen Verhiiltnisse er- kennen liegen, somit schwerlich m5glieh gewesen, ohne dab das Auge geopfert wurde.

Bemerkenswert scheint mir also:

1. die vS]lige Pigmen~freiheit des S~rkoms, was bei Irissarkomen zu den Seltenheiten geh6rt;

2. das Waehstum in Hornhaut und Kammerwasser; 3. die Metastase auf dem gegeniiberliegenden Pupiltarrand, und 4. die flachenhafte Ausbreitung auf der Irisvorderflgehe mit spindel-

f6rmiger Verdiekung.

Auffassen kann man den ganzen Prozel? als eine passive Explantat ion in die Vorderkammer, wobei die Tumorbrocken in der Hornhaut und

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Zur Biologie des Leukosarkoms der Iris. 643

in der Iris weiter w u c h e r t e n . - Zu der yon mir in diesem Archly be- schriebenen , ,aktiven Explunta t ion" (amSboider Auswanderung) pig- mentierter Sarkomzellen in den GlaskSrper haben wir also' bier ein Beispiel yon ,pass iver Explanfa t ion" unpigmen~ierter Sarkomzellen in die Vorderkammer. Bemerkf werden mSge noch der Umstand, dab trotz des anscheinend recht lebhaften Wachstums - - man beachte auch die Knospenbildung in dem klinischen Bride - - Mitosen nirgends zu finden waren, eine Beobachfung, auf die ja bei dem Sarkom im Gegen- satze zum Carcinom u. a. schon wiederholt auflnerksam gemacht wor- den ist.