zum 100. geburtstag von carl v. hess

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v. Graefes Archly fiir 0phthalmologie 166, 1--2 (1963) Zum 100. Geburtstag yon earl v. IIess* Von W. ROHRSCHNEIDER Am 7. Ms 1863 wurde CA~L H~ss in Mainz geboren. Die Bedeutung dieses Mannes, der durch die Erfolge seiner wissen- schaftliehen Leistungen zu den Gro{~en der Ophthalmo[ogie gerechnet wird, liii~t es geboten erscheinen, an diesem Gedenktage einen l~iiekblick zu tun auf seine einzigartige Pers6nliehkeit und den Ertrag seiner Arbeit ftir die Naehwelt. CARL H~ss stand yon Jugend anf das im l~berflug zu Gebote, was seine spi~tere Laufbahn im allgemeinen und gerade als OpbthMmologe begtinstigte, Der V~ter, WILH~L~ H]~ss, war Augenarzt, Schtiler und enger Freund yon ALBRECHTV. G~AE~E. Im Jahre 1863, dem Geburtsj ahre seines Sohnes CARL, tibernahm Wm~EL~ HESS dam Amt des Schriftftihrers der 0phthalmologischen Gesellschaft, das er his zum Jahre 1901 innehatte. CARL HESS war ein Menseh mit widerstreitenden seelischen Eigen- schaften, eine zwiesp~ltige Pers6nlichkeit, yell yon Mitleid ftir den ]eidenden Menschen und die leidende Kreatur, ein Arzt, der seinen Beruf aus dem inneren Zwang zum Helfenmiissen auffaBte, der aber anderer- seits seine wissenschaftliehen Gegner mit rticksichtsloser Seh/~rfe a,ngriff; dessen Leben und wissenschafthehe Laufbahn gekr6nt wurde dutch zahl- reiehe Erfolge, darunter die Berufungen auf die Lehrsttihle in Marburg (1896), Wtirzburg (1900) und Mfinchen (1912), die Verleihung des persSnliehen Adels anl~glieh der Ablehnung eines l~ufes naeh Berlin 1911, die Promotion zum Dr. h.e. der naturwissensehaftliehen Fakulti~t G6ttingen, die Auszeiehnung mit dem Graefe-Preis 1900 und zuletzt noeh kurz vet seinem Tode dureh die Zuerkennung der Graefe-Medaille, der hSehsten wissenschaf~lielaen Auszeiehnung f/ir einen Ophthalmolo- gen -- und der dennoch hie mit sieh zufrieden war, der ungltieklich dariiber war, nieht noch mehr zu leisten, noeh mehr helfen zu kSnnen. Die wissenschaftlichen Verdienste yon CA~L V. H~ss sind in mehreren Naehrufen nach seinem Tode nnd insbesondere in der Gedenkrede ge- wtirdigt worden, die 1924 yon UI~THOFS gehalten wurde, als ihm nach seinem Tode die Graefe-Medaille verliehen wnrde. Es sei bier nur darauf hingewiesen, dab CARLV. H~ss auger mit den Untersuchungen zahl- reicher kliniseher Probleme sieh hauptsachlieh mit folgenden For- sehungsgebieten befagt hat: Aus dem Gebiete der Sinnesphysiologie sind es Arbeiten tiber den Farbensinn und Liehtsinn, wobei er seine Unter- suchungen anf die Sinnesphysiologie der Tiere ausdehnte. Ferner hat er die Lehre yon der Akkomodation durch wichtige Ergebnisse bereichert * Ansprache anlgglich einer in der Univ.-Augenklinik Miinchen am 7.3.63 abgehaltenen Feierstunde. Albrecht v. ~raefes Arch. Ophthal. ]~d. lg6 ]

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Page 1: Zum 100. Geburtstag von Carl v. Hess

v. Graefes Archly fiir 0phthalmologie 166, 1--2 (1963)

Z u m 100. G e b u r t s t a g y o n e a r l v. I I e s s *

V o n

W. ROHRSCHNEIDER

Am 7. Ms 1863 wurde CA~L H~ss in Mainz geboren. Die Bedeutung dieses Mannes, der durch die Erfolge seiner wissen-

schaftliehen Leistungen zu den Gro{~en der Ophthalmo[ogie gerechnet wird, liii~t es geboten erscheinen, an diesem Gedenktage einen l~iiekblick zu tun auf seine einzigartige Pers6nliehkeit und den Ert rag seiner Arbeit ftir die Naehwelt.

CARL H~ss stand yon Jugend anf das im l~berflug zu Gebote, was seine spi~tere Laufbahn im allgemeinen und gerade als OpbthMmologe begtinstigte, Der V~ter, WILH~L~ H]~ss, war Augenarzt, Schtiler und enger Freund yon ALBRECHT V. G~AE~E. I m Jahre 1863, dem Geburtsj ahre seines Sohnes CARL, tibernahm Wm~EL~ HESS dam Amt des Schriftftihrers der 0phthalmologischen Gesellschaft, das er his zum Jahre 1901 innehatte.

CARL HESS war ein Menseh mit widerstreitenden seelischen Eigen- schaften, eine zwiesp~ltige Pers6nlichkeit, yell yon Mitleid ftir den ]eidenden Menschen und die leidende Kreatur, ein Arzt, der seinen Beruf aus dem inneren Zwang zum Helfenmiissen auffaBte, der aber anderer- seits seine wissenschaftliehen Gegner mit rticksichtsloser Seh/~rfe a,ngriff; dessen Leben und wissenschafthehe Laufbahn gekr6nt wurde dutch zahl- reiehe Erfolge, darunter die Berufungen auf die Lehrsttihle in Marburg (1896), Wtirzburg (1900) und Mfinchen (1912), die Verleihung des persSnliehen Adels anl~glieh der Ablehnung eines l~ufes naeh Berlin 1911, die Promotion zum Dr. h.e. der naturwissensehaftliehen Fakulti~t G6ttingen, die Auszeiehnung mit dem Graefe-Preis 1900 und zuletzt noeh kurz vet seinem Tode dureh die Zuerkennung der Graefe-Medaille, der hSehsten wissenschaf~lielaen Auszeiehnung f/ir einen Ophthalmolo- gen - - und der dennoch hie mit sieh zufrieden war, der ungltieklich dariiber war, nieht noch mehr zu leisten, noeh mehr helfen zu kSnnen. Die wissenschaftlichen Verdienste yon CA~L V. H~ss sind in mehreren Naehrufen nach seinem Tode nnd insbesondere in der Gedenkrede ge- wtirdigt worden, die 1924 yon UI~THOFS gehalten wurde, als ihm nach seinem Tode die Graefe-Medaille verliehen wnrde. Es sei bier nur darauf hingewiesen, dab CARL V. H~ss auger mit den Untersuchungen zahl- reicher kliniseher Probleme sieh hauptsachlieh mi t folgenden For- sehungsgebieten befagt hat: Aus dem Gebiete der Sinnesphysiologie sind es Arbeiten tiber den Farbensinn und Liehtsinn, wobei er seine Unter- suchungen anf die Sinnesphysiologie der Tiere ausdehnte. Ferner hat er die Lehre yon der Akkomodation durch wichtige Ergebnisse bereichert

* Ansprache anlgglich einer in der Univ.-Augenklinik Miinchen am 7.3.63 abgehaltenen Feierstunde.

Albrecht v. ~raefes Arch. Ophthal. ]~d. lg6 ]

Page 2: Zum 100. Geburtstag von Carl v. Hess

2 W. ROnRSCHNEIDER: Zum 100. Geburtstag yon CAnL v. H~:ss

und zusammenfassend in BETt{ES Handbueh der Physiologie dargestellt. WeRere zusammenfassende Arbeiten yon ibm sind: Die Pupille in B~Tt{ES t tandbueh der Physiologie, die Lehre yon den Re/raktions- anomalien ; die Pathologie und Therapie der Erlcrankungen der Linse in Graefe-Saemisch, Handbuch der Angenheflkunde. Er war SehriRleiter des Archivs f~r Augenheilkunde von 1905 bis zu seinem Tode.

Wenn man das gesamte wissensehaftliehe Werk yon CARL V. H~ss /iberblickt, das 202 Publikationen umfagt, dann mSehte man kaum glau- ben, dag das Mles in einer kurzen Lebensspanne - - er starb im 60. Lebens- jahr - - geschaffen werden konnte, noch dazn yon einem Forseher, der vom 33. Lebensjahr ab als Lehrstuhlinhaber und Leiter yon Universit~ts- Kliniken einen grol3en Tell seiner Tagesarbeit mit rein praktiseher Tgtig- keit zu fiillen hatte. Diese Tatsaehe wird nut verst~ndlieh, wenn man bedenkt, ein wie sehnetler Arbeiter CaRL v. HESS war nnd wie genau seine Urteilskraft war. So konnte er, ausgestattet mit einer hervor- ragenden Beobaehtungsgabe, manehe neue Tatsaehe feststellen. Dies hat er dann zum Ausbau neuer oder zur Stfitzung bereits bestehender Theorien verwertet. Hierbei hat er h/~ufig die Dinge in einem ffir die damalige wissensehaftliehe Welt neuen Zusammenhang gesehen. Dies geht aueh daraus hervor, dal3 er mit seinen VerSffentliehungen vielfaeh den Widersprueh der zeitgenSssisehen Forseher herausgefordert hat. Dag er in einigen wissensehaftliehen Fragen fiber das Ziel hinausschol] und An- sichten vertreten hat, die wit naeh unserer heutigen Kenntnis nieht mehr Ms riehtig anerkennen k6nnen, ist bei einem Forseher yon einer derartigen Produktivit/~t verst~ndlieh und entsehuldbar. ImmerMn wirken aber aueh Fehlsehlfisse aus riehtigen Beobaehtungen anregend auf die weitere Forsehung.

Seinen Assistenten gegenfiber war CaRL v. HESS ein gfitiger Chef. Er tadelte nie in Anwesenheit anderer und korrigierte mehr dureh sein eigenes Beispiel als dutch Worte. Seine Vorlesungen ffir die Studenten zeichneten sich durch Mare Gliederung und einen seh6nen Vortrag aus. Auch die Fortbildung der Faehs seines Gebietes lag ihm sehr am Herzen. So hat er sieh an Fortbildungskursen teils Ms Vortragender beteiligt, tells hat er solehe selbst in seiner Klinik veranstMtet.

Als C~nL v. tIEss 1912 den Lehrstuhl f/Jr Augenheilkunde an der Ludwig-Maximilians-Universit~t in Mfinehen fibernahm, wnrde er Mit- glied einer medizinisehen Fakult/~t, die gerade damals auf der tI6he ihres Ruhmes stand. Namen wie F~I~DRICt{ V. Mi)SLLR, ALBERT D6])ER- LE][N, ]~iViIL KRAEPELIN, MAX BORST, OTTO FgANK, FRITZ LANGE, ~{EIN- t{aR]) v. PFaUNDLE~, L~O v. ZUMBUSCt{ batten einen Klang, die weir fiber die Grenzen Bayerns, ja Deutsehlands hinausreiehten. DM~ aueh die OphthMmologie in CA~L v. H~ss einen diesen ebenbfirtigen Vertreter hatte, dessen wollen wir uns mit Stolz und in Dankbarkeit erinnern.

Professor Dr. W. 1%O~{~SCtINEIDE~, Augenklinik, 8 Miinehen, MathildenstrM~e 8