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Forschungsbericht 2015 419 ZAHN-, MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Klinik für Kieferorthopädie Direktor: Prof. Dr. Rainer Schwestka-Polly Tel.: 0511 - 532 4846 • E-Mail: [email protected] • mh-hannover.de/kieferorthopaedie.html Keywords: Kieferorthopädie, Biofilm, Lingualtechnik Forschungsprofil Die Klinik für Kieferorthopädie betreibt zurzeit interdisziplinäre klinische Forschung und ist Bestandteil des gemeinsamen Forschungsbereichs des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der thematisch zell- und molekularbiologisch ausgerichtet ist. Einen wesentlichen Forschungsschwerpunkt stellt ein interdisziplinäres Projekt zur Fragestellung der Besiedlung von festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungsapparaturen mit Mikroorganismen (sog. „Biofilm“) dar. In diesem Zusammenhang werden auch Materialien mit anti-adhäsiven Oberflächencharakteristika bezüglich ihrer klinischen Wirksamkeit evaluiert. Des Weiteren werden im Zusammenhang mit der Fragestellung des oralen Biofilms mikrobi- elle und parodontale Veränderungen nach der Insertion individueller lingualer Apparaturen sowie nach kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlungen untersucht. Als weiterer insbesondere klinisch ausgerichteter Forschungsschwerpunkt ist die „Lingualtechnik“ zu nennen. Diese Projekte erfolgen in Kooperation mit allen Kliniken des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Kliniken und Instituten der Medizin sowie weiteren Einrichtungen des Wissenschaftsstandortes Hannover. Ausgewähltes Forschungsprojekt Behandlungsgenauigkeit einer vollständig individuellen lingualen Apparatur bei der Therapie von Kiefer- und Zahnfehlstellungen Die Therapie von Fehlstellungen der Kiefer und Zähne mit festsitzenden Apparaturen ist ein Standardverfahren der heutigen Kieferorthopädie. Diese Apparaturen können an der Außenseite von Zähnen (vestibulär) oder an deren In- nenseite (lingual) befestigt werden. Nach Entwicklung einer vollständig individuellen lingualen Apparatur (WIN nach Wiechmann) können in einem Laborprozess nach Herstellung von Modellen und einem Setup individuell konfigurierte Brackets und individuell konfigurierte kieferorthopädische Bögen mit höchster Präzision hergestellt werden. Die präzise Form der Bracketslots dieser Apparatur in Kombination mit den zugehörigen, präzise geformten kieferorthopädischen Bögen ermöglicht eine höchst genaue dreidimensionale Einstellung der Zähne im Mund des Patienten. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Verifizierung der Behandlungsgenauigkeit der vollständig indi- viduellen lingualen Apparatur WIN durch einen dreidimensionalen Vergleich der Zähne im Setup mit der geplanten Zielposition und der tatsächlichen erreichten Position der Zähne im Mund des Patienten (Abb. 1 bis 4).

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Page 1: ZAHN -, M UND KIEFERHEILK UNDE - mh-hannover.de · of enamel decalcification adjacent to bracket bases and sub-bracket lesions during orthodontic treatment with two different lingual

Forschungsbericht 2015 419

Zahn-, Mund- und KieferheilKunde

Klinik für Kieferorthopädie

�� Direktor: Prof. Dr. Rainer Schwestka-PollyTel.: 0511 - 532 4846 • E-Mail: [email protected] • mh-hannover.de/kieferorthopaedie.html�� Keywords: Kieferorthopädie, Biofilm, Lingualtechnik

Forschungsprofil

Die Klinik für Kieferorthopädie betreibt zurzeit interdisziplinäre klinische Forschung und ist Bestandteil des gemeinsamen Forschungsbereichs des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der thematisch zell- und molekularbiologisch ausgerichtet ist.Einen wesentlichen Forschungsschwerpunkt stellt ein interdisziplinäres Projekt zur Fragestellung der Besiedlung von festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungsapparaturen mit Mikroorganismen (sog. „Biofilm“) dar. In diesem Zusammenhang werden auch Materialien mit anti-adhäsiven Oberflächencharakteristika bezüglich ihrer klinischen Wirksamkeit evaluiert. Des Weiteren werden im Zusammenhang mit der Fragestellung des oralen Biofilms mikrobi-elle und parodontale Veränderungen nach der Insertion individueller lingualer Apparaturen sowie nach kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlungen untersucht.

Als weiterer insbesondere klinisch ausgerichteter Forschungsschwerpunkt ist die „Lingualtechnik“ zu nennen.Diese Projekte erfolgen in Kooperation mit allen Kliniken des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Kliniken und Instituten der Medizin sowie weiteren Einrichtungen des Wissenschaftsstandortes Hannover.

Ausgewähltes Forschungsprojekt

Behandlungsgenauigkeit einer vollständig individuellen lingualen Apparatur bei der Therapie von Kiefer- und ZahnfehlstellungenDie Therapie von Fehlstellungen der Kiefer und Zähne mit festsitzenden Apparaturen ist ein Standardverfahren der heutigen Kieferorthopädie. Diese Apparaturen können an der Außenseite von Zähnen (vestibulär) oder an deren In-nenseite (lingual) befestigt werden. Nach Entwicklung einer vollständig individuellen lingualen Apparatur (WIN nach Wiechmann) können in einem Laborprozess nach Herstellung von Modellen und einem Setup individuell konfigurierte Brackets und individuell konfigurierte kieferorthopädische Bögen mit höchster Präzision hergestellt werden. Die präzise Form der Bracketslots dieser Apparatur in Kombination mit den zugehörigen, präzise geformten kieferorthopädischen Bögen ermöglicht eine höchst genaue dreidimensionale Einstellung der Zähne im Mund des Patienten.

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Verifizierung der Behandlungsgenauigkeit der vollständig indi-viduellen lingualen Apparatur WIN durch einen dreidimensionalen Vergleich der Zähne im Setup mit der geplanten Zielposition und der tatsächlichen erreichten Position der Zähne im Mund des Patienten (Abb. 1 bis 4).

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Forschungsbericht 2015420

Zahn-, Mund- und KieferheilKunde

Abb. 2: Vollständig individuelle linguale Apparatur im Unterkiefer in situ

Abb. 3: Endmodell des Unterkiefers nach Digitalisierung mit einem 3D-Scanner

Abb. 1: Setup an einem Unterkiefer-Modell zur Einstellung der geplanten Zielposition der Zähne

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Forschungsbericht 2015 421

Zahn-, Mund- und KieferheilKunde

In einer Studie wurden Setups und Endmodelle von 40 Kiefern von 20 konsekutiv entbänderten Patienten mit einem 3D-Scanner digitalisiert. Anschließend wurden die jeweiligen Setup- und Endmodelle mittels Best-Fit-Methode digital überlagert und in einzelne Zähne segmentiert. Daraufhin erfolgte der Matching-Vorgang für jeden Zahn, um die genauen Abweichungen bezüglich aller rotatorischer und translatorischer Komponenten zu errechnen.

Die Abweichungen zwischen Setup und Endergebnis betrugen im Frontzahngebiet für die angulären Messungen unter 3° (Torque 2,96°; Tip 2,04°; Rotation 2,00°) und translatorisch unter 0,3mm (Mesial-/

Distalstand 0,16mm; In/Out 0,15mm; Supra-/Infraposition 0,29mm). Im Seitenzahngebiet ergaben die Messungen leicht höhere Abweichungen sowohl für die Rotationen (Torque 5,31°; Tip 3,16°; Rotation 3,71°) als auch bezüglich der Translationen (Mesial-/Distalstand 0,27mm; In/Out 0,66mm; Supra-/Infraposition 0,37mm).

Somit kann bei der Behandlung mit der vollständig individuellen lingualen Apparatur WIN das durch das Setup prognostizierte Endergebnis mit exzellenter Genauigkeit erreicht werden.

�� Projektleitung: Wiechmann, Dirk (Prof. Dr. med. dent.), Schwestka-Polly, Rainer (Prof. Dr. med. dent.), Klinik für Kieferorthpädie; Kooperationspartner: Pauls, Alexander (Dr. med. dent., M. Sc. LIngual Orthodontics), Kieferorthopädische Fachpraxis, Baden-Baden; Förderung: Industrie

Weitere Forschungsprojekte (mit Stichtag 01.12.2015)

Behandlungsgenauigkeit einer vollständig individuellen lingualen Apparatur bei der Therapie von Kiefer- und Zahnfehlstellungen�� Projektleitung: Wiechmann, Dirk (Prof. Dr. med. dent.), Schwestka-Polly, Rainer (Prof. Dr. med. dent.), Klinik

für Kieferorthpädie; Kooperationspartner: Pauls, Alexander (Dr. med. dent., M. Sc. LIngual Orthodontics), Kieferorthopädische Fachpraxis Baden-Baden; Förderung: Industrie

Biofilmbildung auf festsitzenden orthodontischen Apparaturen und Mikro-Implantaten�� Projektleitung: Demling, Anton (Prof. Dr. med. dent.), Schwestka-Polly, Rainer (Prof. Dr. med. dent.), Klinik für

Kieferorthopädie; Kooperationspartner: Heuer, Wieland (Priv.-Doz. Dr. med. dent.), Stiesch, Meike (Prof. Dr. med. dent.), Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomedizinische Werkstoffkunde; Förderung: Industrie

Abb. 4: Überlagerung eines Setup- und End-Modells mit farbcodierten Abweichungen (in mm)

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Forschungsbericht 2015422

Zahn-, Mund- und KieferheilKunde

OriginalpublikationenAsselmeyer T, Schwestka-Polly R. Okklusionsschienen: Indikation, Klassifikation und Herstellung. ZMK 2015;31(1-2):30-46

Bock NC, Ruf S, Wiechmann D, Jilek T. Dentoskeletal effects during Herbst-Multibracket appliance treatment: a comparison of lingual and labial approaches. Eur J Orthod 2015;

Dittmer MP, Fuchslocher-Hellemann CA, Grade S, Heuer W, Stiesch M, Schwestka-Polly R, Demling AP. Comparative three-dimensional analysis of initial biofilm formation on three orthodontic bracket materials. Head Face Med 2015;11:10

Foltin A, Bantleon HP, Schwestka-Polly R. Thermodynamische Aspekte oberflächenoptimierter Nickel-Titan-Drähte einer voll-ständig individuellen lingualen Apparatur. Inf Orthod Kieferorthop 2015;47(3):181-186

Haufe S, Wiechmann D, Schwestka-Polly R. Torquekapazität un-terdimensionierter und slotfüllender Bögen bei einer vollstän-dig individuellen lingualen Apparatur. Inf Orthod Kieferorthop 2015;47(3):175-179

Knösel M, Ellenberger D, Göldner Y, Sandoval P, Wiechmann D. In-vivo durability of a fluoride-releasing sealant (OpalSeal) for protection against white-spot lesion formation in orthodontic patients. Head Face Med 2015;11:11

Knösel M, Klang E, Helms HJ, Jilek T. Vollständig individuelle linguale Apparaturen vermindern das Schmelzentkalkungsrisiko bei einer Multibracketbehandlung um ein Vielfaches. Inf Orthod Kieferorthop 2015;47(3):149-157

Knösel M, Klang E, Helms HJ, Wiechmann D. Occurrence and severity of enamel decalcification adjacent to bracket bases and sub-bracket lesions during orthodontic treatment with two different lingual appliances. Eur J Orthod 2015;

Lie N, Merten HA, Meyns J, Lethaus B, Wiltfang J, Kessler P. Elevation of the maxillary sinus membrane for de-novo bone formation: First results of a prospective study in humans. J Craniomaxillofac Surg 2015;43(8):1670-1677

Metzner R, Schwestka-Polly R, Helms HJ, Wiechmann D. Comparison of anchorage reinforcement with temporary anchorage devices or a Herbst appliance during lingual orthodontic protraction of man-dibular molars without maxillary counterbalance extraction. Head Face Med 2015;11:22

Reuschl RP, Heuer W, Stiesch M, Wenzel D, Dittmer MP. Reliability and validity of measurements on digital study models and plaster models. Eur J Orthod 2015;DOI: 10.1093/ejo/cjv001

Sander HC, Sander C, Schwestka-Polly R. Das Friktionsverhalten von Brackets zweier vollständig individueller lingualer Systeme im Vergleich. Inf Orthod Kieferorthop 2015;47(3):187-191

Schorn-Borgmann S, Lippold C, Wiechmann D, Stamm T. The effect of e-learning on the quality of orthodontic appliances. Adv Med Educ Pract 2015;6:545-552

Wiechmann D, Klang E, Helms HJ, Knösel M. Lingual appliances redu-ce the incidence of white spot lesions during orthodontic multibracket treatment. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2015;148(3):414-422

Wiechmann D, Vu J, Schwestka-Polly R, Helms HJ, Knösel M. Clinical complications during treatment with a modified Herbst appliance in combination with a lingual appliance. Head Face Med 2015;11:31

Abstracts2015 wurden 5 Abstracts publiziert.

PromotionenBennewitz, Andreas (Dr. med. dent.): Die Vertikalentwicklung retinierter und verlagerter Zähne der 2. Dentition nach Zystostomie und -ektomie.

Vu, Hoang Viet-Ha Julius (Dr. med. dent.): Effekte bei der Behandlung der Klasse II2 mit einer vollständig individuellen lingualen Apparatur in Kombination mit einer Herbst-Apparatur.

MasterAkopyan, Yanina (M.Sc. Lingual Orthodontics): The effect of labo-ratory transfer-hole technology on finishing stages of treatment with a completely customized lingual appliance.

Ilse, Anika (M.Sc. Lingual Orthodontics): Vergleich zwischen labialen und lingualen Multibracket-Apparaturen.

Jilek, Theresa (M.Sc. Lingual Orthodontics): Skeletal and dental changes of Herbst treatment in combination with a completely customized lingual appliance in Class II division 1 malocclusions.

Łoza-Sołtyk, Katarzyna (M.Sc. Lingual Orthodontics): Relevance of Bolton index analysis and Setup for precision of treatment outcome with a completely customized lingual appliance.

Pauls, Alexander (M.Sc. Lingual Orthodontics): Therapeutic accu-racy of the completely customized lingual appliance WIN.

Weitere Tätigkeiten in der ForschungSchwestka-Polly, Rainer (Prof. Dr. med. dent.) - Klinik für Kieferortho-pädie: Editorial Board Mitglied beim „Journal of Orofacial Orthopedics“; Editorial Board Mitglied bei der Fachzeitschrift „Kieferorthopädie“.

Wiechmann, Dirk (Prof. Dr. med. dent.): Enseignant Emerite Associe der Universität Montpellier, Frankreich; Editorial Board Mitglied bei der Fachzeitschrift „Informationen aus Orthodontie und Kieferortho-pädie“; Editorial Board Mitglied bei der Fachzeitschrift „International Orthodontics“; Editorial Board Mitglied bei der Fachzeitschrift „Head and Face Medicine“.

PatenteSchwestka-Polly, Rainer (Prof. Dr. med. dent.): Verfahren zur Herstellung eines Operationssplints und Vorrichtung zur dreidi-mensionalen Einstellung eines Oberkiefermodells. Patentschrift DE 41 43 252 C2, München 1994; Articulator for cast surgery and method of use. United States Patent 5,281,135, Washington 1994.