xii. tagung der société française d'orthopédie dento-faciale in lausanne am 6. bis 8. mai...

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Tagungen und Vortr~ge Comptes-rendus et Communications Proceedings and papers I XII. Tagung der Socift6 Frangaise d'Orthopfdie dento-faciale in Lausanne am 6. his 8. Mai 1932 Unter der Pr~sidentschaft yon Dreyfus, Lausanne, wurde die Tagung erSffnet dureh einen WillkommengrufJ des Rektors der Universititt, (tie ihre Raume gastfreundlich zur Vet- ffigung gestellt hatte. Der Reigen der wissenschaftlichen Vortrage begann mit den ~ugerst interessanten Aus- ffihrungen von Professor Nicod, Lausanne, fiber ,,die Beziehungen der allgemeinen Ortho- padie zur zahni~rztlichen Orthopadie". Dieselben altgemeinen Gesetze gelten fiir beide Disziplinen, die Deformierungen des Knochens und ihre Heilung erfolgen unter gleiehen und ~hnliehen Einfliissen an den verschiedensten Teilen des Skelettes; das Spiel der 3Iuskeln spielt dabei eine groBe Rolle. Die Frage ,,Dento-faziale orthodontische Diagnostik" behandelte I)e Coster, Brtissel, in einer groBangelegten Untersuehung, in der er kritisch die verschiedensten Methoden Revue passieren lieft und auf die Mfgliehkeiten und Vorzfige seiner ,,Profildiagramme im Netz" ngher einging. Ein Vortrag yon de Nevrezf, Paris, fotgte: Um bei der Anwendung des niehtrostenden Stahles zur orthodontisehen Apparatur sowohl die SehweiBung oder L6tung als aueh umst~tndliehe und komplizierte Umgehungsbiegungen zu vermeiden, empfiehlt er den Fingerfederdraht spiralig eng um den Hauptbogen zu wickeln, und zwar -- um eine absolut stabile Befestigung zu erhalten -- in der Weise, daft ihre Winklung in zwei ver- sehiedenen Ebenen liegt, was dutch Anbringen yon Schlingen an den Hauptbogen leieht erreieht werden kann. Eine ganze Reihe versehiedener Befestigungskombinationen werden gezeigt. Diese originelle nnd geistreiehe Befestigungsart land groBes Interesse, jedoeh sind die umwiekelten Stellen etwas auftragend und nieht leieht sauber zu halten. De Nevrez6 h/tlt seine Methode aber ffir reeht nfitzlieh ffir den Unterrieht und fiir die Klinik, da auf einfaehe Weise billige Wiplaregulierungsapparate hergestellt werden kfnnen. In sehr interessanten Ausffihrungen behandelten Dreyfus und Guillerey den engen Zusammenhang entstellender Kiefergesiehtsdeformitiiten und abnormer psyehiseher Ein- stellung des Kindes. Nieht selten leidet es aulterordentlich unter der Kieferanomalie, die es aus der Gruppe der Spielgef~ihrten heraushebt, und wird zum schwer zu behandelnden Sonderling. Die orthodontisehe Behandlung vermag hier oft yon auflerordentliehem Nutzen aueh fiir die Psyche des Kindes zu sein. Am Samstag beriehtete Theuveny, Paris, fiber einen interessanten Fall aus der Praxis, die Behandlung eines extrahierten Eekzahnes, und demonstrierte RfntgenbiIder und eine ffir den Fall besonders konstruierte Apparatur. In gl~inzender Rethorik ~erbreitete sieh dann Professor Delay, Lausanne, fiber ,,Gewisse Krankheitszust~tnde beim Kinde", die eine Dekalzifikation begtinstigen, fiber die Probleme des physiologisehen Waehstums und seiner StSrungen, den Einflug yon Raehitis und Osteoporose, fiber Stfrungen im Stoff- weehselgleiehgewieht und des endokrinen Drfisenapparates. Seine Ausffihrungen fanden lebhaften Widerhall. ~Tber ,,Vererbung und dento-maxill~re Deformationen" spraeh anschlieBend Pont, Lyon. An zahlreiehen Bildern beleuehtet er die Bedeutung der Mendelsehen Gesetze Ifir die Klfi- rung der Erbeinflfisse bei der Entstehung der Kieferanomalien. Die GrfBe der Zfihne sei ein vom Kieferwaehstum unabh/ingiger Faktor. Durch die fortsehreitende Vermischung der braehyzephalen, breitz~hnigen Rasse mit der dolychozephalen, sehmalz/ihnigen kfnnen Disharmonien entstehen, die in ausgepr~gten F~llen eine wissensehafftiehe Indikation zur Extraktionstherapie geben. Ein anderes, nieht minder interessantes Kapitel aus der J(tiologie der Kieferanomalien behandelte dann Korkhaus, Bonn: ,,Der ,Keildruek' durehbreehender Ziihne". In dem reeht komplizierten Ablauf des Kieferwaehstums spielt -- ~de moderne Untersuehungen an knappgeffitterten Sehweinen erkennen lassen -- die Entwieklung und der Durehbrueh der Z/ihne eine groBe Rolle. Wirkt sieh der yon den durchbreehenden Z~ihnen ausgehende Waehs- tumssehub zu stark oder ungenfigend aus, so kSnnen typisehe Abweichungen in der Zahn- stellung und Kieferform entstehen. Die Kenntnis dieser Einflfisse, die an zahlreiehen No-

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Tagungen und Vortr~ge C o m p t e s - r e n d u s e t C o m m u n i c a t i o n s P r o c e e d i n g s a n d p a p e r s

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XII. Tagung der Socift6 Frangaise d'Orthopfdie dento-faciale in Lausanne am 6. his 8. Mai 1932

Unte r der Pr~sidentschaft yon D r e y f u s , Lausanne, wurde die Tagung erSffnet dureh einen WillkommengrufJ des Rektors der Universiti t t , (tie ihre Raume gastfreundlich zur Vet- ffigung gestell t ha t te .

Der Reigen der wissenschaftl ichen Vortrage begann mit den ~ugerst interessanten Aus- ffihrungen von Professor N i c o d , Lausanne, fiber ,,die Beziehungen der allgemeinen Ortho- padie zur zahni~rztlichen Orthopadie". Dieselben altgemeinen Gesetze gelten fiir beide Disziplinen, die Deformierungen des Knochens und ihre Heilung erfolgen unter gleiehen und ~hnliehen Einfliissen an den verschiedensten Teilen des Skelettes; das Spiel der 3Iuskeln spielt dabei eine groBe Rolle.

Die Frage ,,Dento-faziale orthodontische Diagnost ik" behandel te I)e C o s t e r , Brtissel, in einer groBangelegten Untersuehung, in der er kri t isch die verschiedensten Methoden Revue passieren lieft und auf die Mfgliehkeiten und Vorzfige seiner , ,Profildiagramme im Netz" ngher einging. Ein Vort rag yon de N e v r e z f , Paris, fotgte: Um bei der Anwendung des nieht ros tenden Stahles zur or thodont isehen Appara tu r sowohl die SehweiBung oder L6tung als aueh umst~tndliehe und komplizierte Umgehungsbiegungen zu vermeiden, empfiehlt er den Fingerfederdraht spiralig eng um den Hauptbogen zu wickeln, und zwar - - um eine absolut stabile Befestigung zu erhal ten - - in der Weise, daft ihre Winklung in zwei ver- sehiedenen Ebenen liegt, was du tch Anbr ingen yon Schlingen an den Hauptbogen leieht erreieht werden kann. Eine ganze Reihe versehiedener Befest igungskombinat ionen werden gezeigt. Diese originelle nnd geistreiehe Befest igungsart l and groBes Interesse, jedoeh sind die umwiekel ten Stellen etwas auf t ragend und n ieht leieht sauber zu halten. De N e v r e z 6 h/tlt seine Methode aber ffir reeht nfitzlieh ffir den Unter r ieh t und fiir die Klinik, da auf einfaehe Weise billige Wiplaregulierungsapparate hergestell t werden kfnnen .

In sehr in teressanten Ausffihrungen behandel ten D r e y f u s und G u i l l e r e y den engen Zusammenhang entstel lender Kiefergesiehtsdeformitii ten und abnormer psyehiseher Ein- stel lung des Kindes. Nieht selten leidet es aulterordentl ich unter der Kieferanomalie, die es aus der Gruppe der Spielgef~ihrten heraushebt , und wird zum schwer zu behandelnden Sonderling. Die orthodontisehe Behandlung vermag hier oft yon auflerordentliehem Nutzen aueh fiir die Psyche des Kindes zu sein.

Am Samstag beriehtete T h e u v e n y , Paris, fiber einen interessanten Fall aus der Praxis, die Behandlung eines ex t rah ier ten Eekzahnes, und demonstr ier te Rfntgenbi Ider und eine ffir den Fall besonders konstruier te Apparatur . In gl~inzender Rethor ik ~erbrei tete sieh dann Professor D e l a y , Lausanne, fiber ,,Gewisse Krankheitszust~tnde beim Kinde", die eine Dekalzifikation begtinstigen, fiber die Probleme des physiologisehen Waehstums und seiner StSrungen, den Einflug yon Raehit is und Osteoporose, fiber S t f rungen im Stoff- weehselgleiehgewieht und des endokr inen Drfisenapparates. Seine Ausffihrungen fanden lebhaf ten Widerhall .

~Tber , ,Vererbung und dento-maxill~re Deformat ionen" spraeh anschlieBend P o n t , Lyon. An zahlreiehen Bildern beleuehtet er die Bedeutung der M e n d e l s e h e n Gesetze Ifir die Klfi- rung der Erbeinflfisse bei der En ts tehung der Kieferanomalien. Die GrfBe der Zfihne sei ein vom Kieferwaehstum unabh/ingiger Faktor. Durch die fortsehreitende Vermischung der braehyzephalen, breitz~hnigen Rasse mi t der dolychozephalen, sehmalz/ihnigen k f n n e n Disharmonien entstehen, die in ausgepr~gten F~llen eine wissensehafftiehe Indikat ion zur Ex t rak t ions the rap ie geben.

Ein anderes, n ieht minder interessantes Kapitel aus der J(tiologie der Kieferanomalien behandel te dann K o r k h a u s , Bonn: ,,Der ,Keildruek' durehbreehender Ziihne". In dem reeht komplizierten Ablauf des Kieferwaehstums spielt - - ~de moderne Untersuehungen an knappgeff i t ter ten Sehweinen erkennen lassen - - die Entwieklung und der Durehbrueh der Z/ihne eine groBe Rolle. Wirk t sieh der yon den durchbreehenden Z~ihnen ausgehende Waehs- tumssehub zu s tark oder ungenfigend aus, so kSnnen typisehe Abweichungen in der Zahn- stellung und Kieferform entstehen. Die Kenn tn i s dieser Einflfisse, die an zahlreiehen No-

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dellen demonstriert wurden, ist yon groBer Bedeutung ffir eine planm~gige orthodontische Prophylaxe und Fr{ihbehandlung.

Die Sonntagssitzung er6ffnete F e r n e x, Genf, mit einem Bericht fiber seine kraniologisehen Untersuehungen, die wiederum den Hinweis der augerordentliehen Variabilitgtt erbraehten, die in der Lage der Z~hne zu den versehiedenen Bezugsebenen besteht, t l e g n a u l t , Paris, behandelte ,,die Versehiebung der Mittel | inie" und gab praktiseh wertvolte Gesiehtspunk~e ftir die diagnostisehe Ausnntzung dieses Symptoms.

Das heikle Problem ,,Wnrzelspitzenresorptionen" war Gegenstand interessanter Aus- ftihrungen yon C o m t e , Genf. Naeh seinen :Beobaeht.ungen is~5 die Gefahr dieser unerwtinseh- ten Folgen w/ihrend der Pubert/itszeit erh6ht. Wiederholte und h/iufige I~6ntgenkontrollen sind unbedingt bei ]edem Falle notwendig, um Material zur Klgrung dieser wiehtigen Frage zu sammeln. Bei riehtigem Vorgehen wird wie Frl. L i g e r , Paris, an R6ntgenaufnahmen zeigte - - das normale Wnrzelwaehstum sieh entwieketnder Z/~hne nieht dureh ihre Bewegung gest6rt.

Die aktuelle Frage der ,,orthodontisehen Vorbeugung und einfaeher Behandlungsver- fahren" wnrde dann yon G. V i l l a i n , Paris, in ~uBerst anregender und instruktiver Weise behandelt. Von der Geburt des Kindes an sollte neben einer halbj~thrliehen allgemein~irzt- lichen Untersuehung aueh eine Kontrolle der Zahn- und Kieferentwieklung dutch den Zahn- arzt erfolgen. Jede St6rung kann dann im ersten Beginn festgestellt und mit kleinsten Mitteln beseitigt werden. Falsehgeriehtei:e Funktionen der Muskeln und Gelenke kSnnen wieder in den Gleiehgewiehtszus~and gebraeht werden. Die Massage kann hierbei reeht, gute Dienste tun, wie an mehreren F/illen yon Frtihbehandtung gezeigt wurde.

Den Weft eines sorgfgltig aufgestellten Behandlungsplanes fiir die erfolgreiehe und ratio- nelle orthodontisehe Behandlung wies daraufhin K o r k h a u s , Bonn, an mehreren Beispielen naeh. aede Einzelheig der Behandlung und der Apparatur soll im voraus festgelegt werden, um Verlust, e an Zeit und Energie zu vermeiden. Die zeitliehe Bemessung einer durehzuftihren- den Zahnbewegung ist wohl individuell versehieden, der Reaktionsgrad, das heil3g das Ver- h/ilgnis zwisehen einer abgelaufenen Bewegung (in Millimetern) und der dazu notwendigen Zeit (in Woehen), lggt sieh abet veransehlagen und in kurzer Zeit dureh die Erfahrung be- stgttigen oder modifizieren.

Im Ansehlug an die Vortr/ige folgte die Demonst.rat.ion eines neuen, leiehg gransportablen SehweiBapparates yon C h a r l i e r , Brfisse[, einer Apparatur zur Behebung des Danmen- tutsehens yon A e k e r m a n n und sehlieBlieh die Demonstration der Anfertigung yon Voll- bgmdern aus niehgrostendem Stahl yon De C o s t e r , Brtisset.

Die gut besuehte Tagung verlief in selten harmoniseher Einheitliehkeit; man bewegte sieh und bespraeh sieh mit den Kollegen wie innerhalb einer groBen Familie; aueh die Teil- nehmer niehgfranz~3siseher Spraehe, wie der Referent, fanden freundliehste Aufnahme.

Orol3es Lob verdient aueh die gl/~nzende Organisation der gesellsehaftliehen Veranstal- tungen dureh Dr. D r e y f u s , Lausanne; und wenn aueh Nebel und Regen die besten Absieh- ten durehkreuzten, der Sgimmung taten sie keinen Abbrueh und der Mittagsausflug mit dem Auto naeh dem Ch~let-g-Gobet, der Empfangsabend im Lausanne-Palace und vor ailem der Ausfiug am Samseagmittag naeh dem herrliehen Chexbres und dem romantisehen SehloB Chillon am Genfer See mig einem l?rtihstfiek im grogen Rittersaal am offenen Kamin- feuer werden fiir immer in bester Erinnerung bleiben. ])as Banket,t am Samstagabend ver- lief, was rtihmend hervorgehoben sei, ohne Iangatmige t leden in glanzender Laune.

Tagungsorg im n~ehsten Jahr : wahrscheinlieh Paris, gleiehzeitig mit. der Tagung der ,,Europ~iisehen ort hodontologisehen Gesellsehaft".

Dr. 3[. J o r d a n , Ziirieh.