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Page 1: Wolfgang Benz - ciando ebooksWas machte der Reichsnährstand? Welchen Zweck hatte die Deutsche Arbeitsfront? Wozu diente die Organisation Todt? Protagonisten Wer wohnte auf dem Obersalzberg?
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Wolfgang Benz

Die 101 wichtigsten Fragen

Das Dritte Reich

Verlag C. H. Beck

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Zum Buch

Woher kommt der Begriff «Drittes Reich»? – Was war der Arierpara-graph? – Welche Rolle spielten die Kirchen im Dritten Reich? – War Hitler ein genialer Feldherr? – Was wußten die Deutschen vom Holo-caust? Diese und andere Fragen beantwortet Wolfgang Benz knapp, kenntnisreich und für jeden verständlich. Das Buch enthält ganz ein-fache Fragen, die teilweise gar nicht so leicht zu beantworten sind, aber auch schwierige Fragen mit überraschend einfachen Antworten. Insgesamt bieten die Fragen und Antworten, die nach Themen wie «Aufstieg zur Macht», «Ideologie», «Struktur», «Protagonisten», «Ereignisse» gegliedert sind, eine ebenso umfassende wie sachkun-dige Einführung in die Geschichte des Dritten Reiches.

Über den Autor

Wolfgang Benz, geb. 1941, ist Professor für Geschichte an der Technis-chen Universität Berlin und Leiter des Zentrums für Antisemitismus-forschung. Bei C.H. Beck ist u.a. erschienen: Geschichte des Dritten Reiches (2000), Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer (2003), Was ist Antisemitismus? (22005), Der Holo-caust (62005), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialis-tischen Konzentrationslager (hg. zus. mit Barbara Distel), seit 2005.

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1. Auflage. 20062. Auflage. 2008

3. Auflage. 2012© Verlag C.H.Beck oHG, München 2006Umschlaggestaltung: malsyteufel, Willich

Umschlagabbildung: Hitler grüßt die Menge vom Fenster derReichskanzlei am Abend des 30. Januar 1933, Ullstein 6901541344,

© ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/ScherlISBN Buch 978 3 406 64907 3

ISBN eBook 978 3 406 64914 1

Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandelsowie versandkostenfrei auf unserer Website

www.chbeck.de.Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere

Informationen.

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Inhalt

Vorbemerkung

Aufstieg zur MachtWas steht im Parteiprogramm der NSDAP?Welche Bedeutung hatte das Ermächtigungsgesetz?Woher kommt der Begriff «Drittes Reich»?Hat die Großindustrie die NSDAP finanziert?

IdeologieWas war der «Arierparagraph»?Was bedeutet Lebensraum?Was ist Antisemitismus?Was heißt Rassenlehre?Was bedeutet «arisch»?Welche Rolle hatten Frauen im Dritten Reich?Wer erhielt das Mutterkreuz?Was war «entartete Kunst»?Gab es eine nationalsozialistische Kunst?Hat der Nationalsozialismus zur ModernisierungDeutschlands beigetragen?Was bedeutet «völkisch»?Wodurch unterschied sich der Faschismus vom Nationalsozialismus?Woher kam das Hakenkreuz?

StrukturenWas bedeutet Großdeutschland?Was geschah auf den Reichsparteitagen in Nürnberg?Was bedeuteten die Nürnberger Gesetze?Was war «Euthanasie»?Was war die Gestapo und wie funktionierte das Reichs-sicherheitshauptamt?Was tat der Reichsarbeitsdienst?

5Inhalt

1.2.3.4.

5.6.7.8.9.

10.11.12.13.14.

15.16.

17.

18.19.20.21.22.

23.

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6 Inhalt

Wie wurden Fremdarbeiter rekrutiert und behandelt?Was war das «gesunde Volksempfinden»?Was bedeutete «Einheit von Partei und Staat»?Wo lag Germania?Was war die Volksgemeinschaft?Welche Funktion hatten die Medien im Dritten Reich?Wer hat den Volkswagen erfunden?Was waren Volksempfänger?

InstitutionenWelche Rolle spielten die Kirchen im Dritten Reich?Wie viele Konzentrationslager gab es?Was waren Todeslager?Was machte der Volksgerichtshof?Was war ein Ghetto?Welches Ziel hatte der Kreisauer Kreis?Was war das «Winterhilfswerk»?Was war der Volkssturm?Wer war in der SA?Was unterschied die Waffen-SS von der SS?Was war der BDM?Wie gefährlich war der Werwolf?Was machte der Reichsnährstand?Welchen Zweck hatte die Deutsche Arbeitsfront?Wozu diente die Organisation Todt?

ProtagonistenWer wohnte auf dem Obersalzberg?War Hitler ein genialer Feldherr?Wer war der Wüstenfuchs?Wie mächtig war Rudolf Heß, der «Stellvertreter desFührers»?War Göring weniger brutal als Himmler?War Joseph Goebbels ein Intellektueller?Hat Albert Speer von den Verbrechen des Regimesgewusst?Hatte Leni Riefenstahl etwas mit Politik zu tun?

24.25.26.27.28.29.

30.31.

32.

33.34.35.36.37.38.39.40.41.42.43.44.45.46.

47.48.49.50.

51.52.53.

54.

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Wer war Martin Bormann?Wer war Reichsjägermeister?Welche Funktion hatten Gauleiter?

EreignisseWie verlief die «Machtergreifung»?Was geschah beim «Röhmputsch»?Wie kam es zur Fritsch-Krise?Worüber wurde das Münchner Abkommen geschlossen?Was war die «Aktion Reinhardt»?

Verfolgung und WiderstandWas bedeutet Holocaust?Wer hat Widerstand gegen das NS-Regime geleistet?Was geschah in der «Reichskristallnacht»?Was war ein Gaswagen?Warum sind nicht alle Juden emigriert?Warum scheiterte das Attentat am 20. Juli 1944?Wie behandelte die Wehrmacht Deserteure?Was wurde auf der Wannsee-Konferenz beschlossen?Was waren «Arbeitserziehungslager»?Was war Sippenhaft?Was enthielt der «Generalplan Ost»?Was wussten die Deutschen vom Holocaust?Warum wurden Homosexuelle verfolgt?Weshalb kamen Zeugen Jehovas ins KZ?Seit wann wurden Sinti und Roma verfolgt?

LegendenWer hat die Autobahn erfunden?Welche «Wunderwaffen» kamen zum Einsatz?Wurden im «Lebensborn» Menschen gezüchtet?Wo lag die Alpenfestung?Hat die Wehrmacht Verbrechen begangen?Wer war schuld am Reichstagsbrand?

KriegWie begann der Zweite Weltkrieg?Woher kommt der Ausdruck «Achsenmächte»?

7Inhalt

55.56.57.

58.59.60.61.62.

78.79.80.81.82.83.

84.85.

63.64.65.66.67.68.69.70.71.72.73.74.75.76.77.

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8 Inhalt

Was war das Generalgouvernement?Ab wann gab es Lebensmittelkarten?Wozu diente der Hitler-Stalin-Pakt?Was ist ein Blitzkrieg?Wie wurde die Rüstung für den Krieg finanziert?Was war der Kommissarbefehl?

FolgenWas wurde auf der Potsdamer Konferenz beschlossen? Welche Ziele wurden mit dem Morgenthau-Plan verfolgt?Was beabsichtigte die Umerziehung der Deutschen?Gibt es eine Kollektivschuld?Warum wurden die Deutschen aus dem Osten vertrieben?Was ist Beutekunst?Wann wurde die Teilung Deutschlands beschlossen?Waren die Nürnberger Prozesse Siegerjustiz?Wie lange muss Deutschland noch Wiedergutmachungleisten?Wen betraf die Entnazifizierung?

86.87.88.89.90.91.

92.93.

94.95.96.

97.98.99.

100.

101.

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Vorbemerkung

Natürlich lässt sich die komplexe Geschichte der Ideologie desNationalsozialismus und seiner Herrschaft im Dritten Reich nicht imRaster von 101 Fragen abschließend darstellen. Als Einstieg und An-näherung an das Thema oder zur Vergewisserung über Sachverhalteund Zusammenhänge ist die Verortung in der Form von Fragen – diezur Beschränkung auf das Wesentliche zwingen – hilfreich und ent-spricht modernen Rezeptionsgewohnheiten. Die Darstellung derGeschichte des NS-Staats und seines weltanschaulichen Programms,seiner Entstehung und seines Unterganges wie seiner Folgen inAspekten, den 101 Fragen, soll die Zusammenhänge nicht auflösen,sondern möchte durch immer neue Zugänge ein dichtes Bild entste-hen lassen.

Die Fragen verstehen sich als horizontale Gliederungselemente,die zusammen mit vertikalen Strukturen das Verständnis einerhöchst komplizierten und folgenreichen Ära der jüngeren deutschenGeschichte ermöglichen sollen. Der Strukturierung dienen zehn Ab-schnitte, in denen der Aufstieg des Nationalsozialismus zur Machtund dann die Grundfragen der Ideologie thematisiert werden, ge-folgt von den Strukturen und Institutionen nationalsozialistischerHerrschaft.

Den Protagonisten – als Individuen, als Typen, als Gruppenvertre-ter – ist ein Kapitel gewidmet, dem ein Abschnitt folgt, in dem zent-rale Ereignisse als Metaphern und Ausformungen historischer Rea-lität («Machtergreifung», «Röhmputsch», Fritsch-Krise, MünchnerAbkommen, «Aktion Reinhardt») behandelt sind. Dem Komplex Ver-folgung und Widerstand, in dem Antworten auf Fragen zum Attentatvom 20. Juli 1944, zur Wannsee-Konferenz, zur Verfolgung von ethni-schen, religiösen, sozialen Gruppen gesucht werden, folgt unter demTitel Legenden ein Bündel von Problemen, die für Vorurteile, Mut-maßungen, für Irrationalität und Abwehr der Realität des DrittenReiches stehen. Der Krieg als zentrale Kategorie des NS-Staats ist imvorletzten Kapitel Gegenstand von Fragen, schließlich sind die Fol-gen nationalsozialistischer Herrschaft – Potsdamer Konferenz,

9Vorbemerkung

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10 Vorbemerkung

Nürnberger Prozesse, Teilung Deutschlands, und Entnazifizierungauf der Sachebene, «Kollektivschuld», Wiedergutmachung, Morgen-thau-Plan, Umerziehung, Chiffren im Erinnerungsdiskurs – Gegen-stand der letzten zehn Fragen.

Viele weitere Fragen etwa nach Denunzianten und Eliteschulen,nach der Rolle der Medizin und der des Sports, nach Kollaborateuren,Profiteuren, Verrätern, nach Technikern, Künstlern, Handlangerndes Regimes wären mit ähnlicher Berechtigung zu stellen, aber dieBeschränkung auf die 101 wichtigsten schließt ja weiteres Forschennicht aus. Im Gegenteil, dazu soll ausdrücklich durch dieses Buch er-muntert werden.

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Aufstieg zur Macht

1. Was steht im Parteiprogramm der NSDAP? Das Parteipro-gramm der NSDAP, am 24. Januar 1920 von Adolf Hitler im Münche-ner Hofbräuhaus verkündet, war eine Mischung aus publikums-wirksamen Phrasen und populären Forderungen, die in 25 Punktenzusammengefasst und 1921 für «unabänderlich» erklärt wurden.Wichtige Punkte bildeten die Forderung nach einem Großdeutsch-land, bei dem die Volkstumsgrenzen mit den Reichsgrenzen zusam-menfallen sollten, die Aufhebung der Friedensverträge von 1919, diekoloniale Erweiterung des deutschen Siedlungsgebietes, der Aus-schluss von Juden aus der Staatsbürgerschaft, der Vorbehalt vonStaatsbürgerschaft und Staatsämtern für «Volksgenossen», die nachrassistischen Gesichtspunkten («deutsches Blut») definiert wurden,und ein Einwanderungsverbot. Die vagen Forderungen nach Ersatzdes Römischen Rechts durch ein «deutsches Gemeinrecht» zur He-bung der Volksgesundheit, nach «gesetzlichem Kampf gegen die be-wusste politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse», nach«positivem Christentum» und Kampf gegen den «jüdisch-materialis-tischen Geist» entsprachen dem Bedürfnis nach verbalem Radika-lismus. Ernster nahmen die frühen Anhänger und Wähler der NSDAPwohl die Programmpunkte, die die Abschaffung des «arbeits- undmühelosen Einkommens», die «Brechung der Zinsknechtschaft», dieEinziehung von Kriegsgewinnen, die Verstaatlichung aller vergesell-schafteten Betriebe, die «Schaffung eines gesunden Mittelstandes»,die «sofortige Kommunalisierung der Großwarenhäuser und ihreVermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende», eine Bo-denreform und den Kampf gegen «gemeine Volksverbrecher, Wuche-rer, Schieber» verhießen.

Die unbestimmten und energischen Verheißungen waren nichtdas Ergebnis einer Programmdiskussion. Die Ideologie der Hitler-Partei war, somit sie nicht die rassistischen und expansionistischenZiele betraf, vor allem Inszenierung und Propaganda. Denn Propa-ganda, das hatte Hitler seinen Getreuen frühzeitig klar gemacht, war wichtiger als jede Theoriediskussion, die Hitler 1926 bei einerFührertagung der NSDAP in Bamberg ein und für alle mal unter-bunden hatte. Alle Ansätze, mit programmatischen Mitteln HitlersFührungsanspruch in Frage zu stellen, waren vor 1933 mit demAusscheiden der parteiinternen Opposition aus der NSDAP (Gregor

11Aufstieg zur Macht

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12 Aufstieg zur Macht

Straßer) oder mit der Unterwerfung unter Hitler (Joseph Goebbels)erledigt worden.

Die Bedürfnisse seiner Anhänger nach einer Erklärung des Weltge-schehens, nach sozialen und politischen Visionen für Deutschlandund nach einem Gedankengebäude, in dem sich ihre Sehnsüchte undWünsche wiederfanden, erfüllte Hitler mit weit ausgreifenden, stun-denlangen Monologen, Anklagen, Schuldzuweisungen und Prophe-zeiungen, mit denen er sein Publikum rhetorisch zu fesseln wusste.Seine Kundgebungen waren perfekt inszeniert. In seinem Buch «MeinKampf» war überdies nachzulesen, welche «Weltanschauung» derDemagoge vertrat.

2. Welche Bedeutung hatte das Ermächtigungsgesetz? HitlersForderung («Gebt mir vier Jahre Zeit und ihr werdet Deutschlandnicht wiedererkennen») nach Handlungsvollmacht ohne parlamen-tarische Einschränkung und Kontrolle durch andere Verfassungsor-gane, erhoben nach der enttäuschenden Wahl am 5. März 1933, dieder NSDAP keine absolute Mehrheit beschert hatte, wurde verwirk-licht im «Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich». Unterstarkem Druck auf den Reichstag, durch später nicht eingehalteneZusagen, durch Manipulation der Geschäftsordnung kam die erfor-derliche Zweidrittelmehrheit am 24. März 1933 für das Gesetz zu-stande, das Hitler ermächtigte, Gesetze ohne Zustimmung des Reichs-tags und des Reichsrates und ohne Gegenzeichnung durch denReichspräsidenten zu erlassen sowie Verträge mit anderen Staaten zuschließen. Gegen die 94 Stimmen der SPD (die Abgeordneten derKPD waren bereits verhaftet oder auf der Flucht) wurde das Ermäch-tigungsgesetz mit den Stimmen des Zentrums, der BayerischenVolkspartei und der Deutschen Staatspartei als Akt der Selbstent-machtung des Parlaments verabschiedet. Das Ermächtigungsgesetzbildete die Grundlage zur Errichtung der nationalsozialistischenDiktatur.

3. Woher kommt der Begriff «Drittes Reich»? Der Begriff, unterdem die nationalsozialistische Herrschaft propagiert und popula-risiert wurde, stammte aus dem ideologischen Laboratorium derJungkonservativen, einer politischen Gruppierung in der WeimarerRepublik. «Das Dritte Reich» hieß die 1923 erschienene Schrift desPublizisten Moeller van den Bruck. Im gleichen Jahr hatte Hitler in

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München zum ersten Mal nach der Macht gegriffen. Die christlicheUtopie des idealen Staates aus dem Mittelalter sollte sich im My-thos vom endgültigen Reich (nach dem Heiligen Römischen ReichDeutscher Nation und nach Bismarcks Staatsgründung von 1871)erfüllen. Als Heilslehre schloss die Sehnsucht nach einem «drittenReich» die Revision des Versailler Vertrags ebenso ein wie die völkischeIdee eines Großdeutschland, in dem eine «Volksgemeinschaft» mitständestaatlichen, hierarchischen und egalisierenden Vorstellungen,mehr auf Sozialromantik als auf konkrete politische Vision, mehrauf Gefühle als auf Rationalität gründend, verwirklicht werdensollte. Als das «Dritte Reich» bezeichnete der NS-Staat sich selbst,und diese Bezeichnung dient heute als Epochenbegriff für die Zeitvon 1933 bis 1945.

4. Hat die Großindustrie die NSDAP finanziert? Am 19. Novem-ber 1932 wurde dem Reichspräsidenten Hindenburg ein Brief über-geben, in dem Vertreter von Industrie und Banken die ErnennungAdolf Hitlers zum Reichskanzler empfahlen, weil sie von der Politikdes NSDAP-Chefs Impulse für die deutsche Wirtschaft erwarteten.Entgegen einer verbreiteten Annahme hat das Großkapital aber denAufstieg Hitlers und der NSDAP nicht finanziert. Die frühen Förde-rer der NSDAP kamen aus dem gehobenen Mittelstand, lediglich dieIndustriellen Fritz Thyssen und Ernst von Borsig haben die NSDAPanfänglich mit namhaften Beträgen unterstützt. Bis zum Ende derzwanziger Jahre finanzierte sich die NSDAP im Wesentlichen selbst,durch Eintrittsgelder, Mitgliedsbeiträge und Sammlungen. 1926kamen dadurch 114 000 Reichsmark, 1927 104 000 Reichsmark zu-sammen. Erst der Erfolg bei den Reichstagswahlen 1930 veranlassteIndustrielle, auch für die NSDAP zu spenden, mehr als 10 bis 15 Pro-zent der für Parteien rechts der SPD insgesamt aufgewendeten Mittelentfielen aber nicht auf die Hitler-Partei. Die bürgerliche Rechte bliebHauptempfängerin von Subventionen aus Industriekreisen.

Unter den deutschen Unternehmern hatte Fritz Thyssen bis Januar1933 mit 400 000 Reichsmark den größten Anteil. Aus dem Auslandspendete der Shell-Konzern einen größeren Betrag an die NSDAP«zur Bekämpfung des Bolschewismus». Haupteinnahmequelle biszum Machterhalt blieben aber die Mitgliedsbeiträge und Eintrittsgel-der zu Veranstaltungen. Erst nach dem 30. Januar 1933 floss Geld ingrößeren Strömen an die NSDAP. Die von Krupp angeregte «Adolf-

13Aufstieg zur Macht

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14 Ideologie

Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft» erbrachte bis 1945 über 700Millionen Reichsmark zu Gunsten der Partei bzw. zur persönlichenVerfügung Hitlers.

Ideologie

5. Was war der «Arierparagraph»? Durch das «Gesetz zur Wie-derherstellung des Berufsbeamtentums» vom 7. April 1933 verlorenJuden ihren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst. Das war die erstepraktische Konsequenz aus dem Parteiprogramm der NSDAP, vor-läufig noch gemildert für diejenigen, die schon vor dem 1. August1914 Beamte oder im Weltkrieg Frontkämpfer gewesen waren oderVäter oder Söhne im Weltkrieg verloren hatten. Als «Nichtarier» im Sinne des Berufsbeamtengesetzes galt, wer einen (oder mehrere)Eltern- oder Großelternteil(e) jüdischen Glaubens hatte. Ebenfallsam 7. April wurde das Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft erlassen, das Anwälte «nicht-arischer Abstammung» vomAnwaltsberuf ausschloss, wenn sie nicht zunächst noch die Privi-legien, wie sie auch im Berufsbeamtengesetz galten, in Anspruchnehmen konnten. Am 22. April 1933 verloren jüdische Ärzte die Kas-senzulassung, ebenfalls im April 1933 begrenzte das «Gesetz gegendie Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen» die Zahlder Juden in den Bildungsanstalten. Es war die Vorstufe zum voll-ständigen Ausschluss der Juden aus der deutschen Gesellschaft. ImSeptember 1933 wurde Juden durch das Reichskulturkammergesetzdie Tätigkeit in allen Bereichen von Kunst, Literatur, Rundfunk,Theater verboten, das «Schriftleitergesetz» untersagte im Oktober1933 die Beschäftigung von Juden bei der Presse, und das Wehrge-setz (Mai 1935) machte die «arische Abstammung» zur Vorausset-zung für den Militärdienst.

Verhängnisvoll war der vorauseilende Gehorsam, mit dem Vereine,Berufsorganisationen und Verbände ohne staatlichen Zwang Judenausschlossen. Der «Arierparagraph» nach dem Vorbild des Berufs-beamtengesetzes diente in allen Lebensbereichen zum Ausschlussvon Juden. Seit September 1933 wurden vom Deutschen Automobil-klub keine Juden mehr aufgenommen, ab Januar 1934 wurden Judenvon den Freiwilligen Feuerwehren in Preußen ausgeschlossen, Ge-sangvereine und akademische Verbindungen, Sportclubs und gesellige

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Vereinigungen beeilten sich, den Juden die Mitgliedschaft zu verwei-gern. Schlimmer noch waren die Berufsverbote. Schon im Septem-ber 1933 hatte die Generalsynode der preußischen Union der evange-lischen Kirche verboten, «Nichtarier» als Geistliche und Beamte derKirchenverwaltung zu berufen. Das Gleiche galt für Ehemänner«nichtarischer» Frauen. «Arische» Beamte, die eine Person «nichtari-scher» Abstammung heirateten, wurden ebenfalls aus dem Kirchen-dienst entlassen. Mit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935erloschen auch alle Ausnahmebestimmungen und Privilegien. FürBewerbungen im öffentlichen Dienst war der Abstammungsnach-weis der «arischen» Herkunft ebenso erforderlich wie für den Dienstin der NSDAP der große Abstammungsnachweis». Für die SS galtennoch strengere Bestimmungen.

6. Was bedeutet Lebensraum? Die Chiffre «Lebensraum», demArsenal völkischer und alldeutscher Phrasen aus der Zeit vor demErsten Weltkrieg entlehnt, wurde im Rahmen der nationalsozialisti-schen Ideologie zur Motivierung des Expansionsdranges benutzt.Der Begriff taucht 1901 als Titel eines Essays des Geographen Fried-rich Ratzel auf, wurde dann verdichtet in den sozialdarwinistischenÜberlegungen der geopolitischen Schule Karl Haushofers und schließ-lich populär durch den in den 20er Jahren viel gelesenen Roman«Volk ohne Raum» von Hans Grimm, der Hitler das Motto gab fürdas imperialistische Projekt, im Osten Europas Territorium durchkoloniale Aneignung zu gewinnen. Eingebettet in die Ideologie vonBlut und Boden, das Recht des Stärkeren sowie die rassistische Über-zeugung von der Höherwertigkeit der Germanen gegenüber slawi-schen Völkern, war die Vorstellung, «Lebensraum» für das deutscheVolk erkämpfen zu müssen, eine zentrale Forderung nationalsozia-listischer Außenpolitik, die durch kriegerische Auseinandersetzungeingelöst werden sollte. Die rassistische Komponente und die Orien-tierung nach Osten unterschieden die nationalsozialistische Kon-zeption vom traditionellen deutschen Nationalismus, der «Lebens-raum» durch Kolonien in Übersee erstrebte und nach dem ErstenWeltkrieg die Grenzen von 1914 wiederherstellen wollte. Die natio-nalsozialistische Vorstellung von «Lebensraum» war untrennbarmit der Idee des Herrenmenschentums und dem daraus abgeleite-ten Anspruch der Eroberung, Unterdrückung und Vernichtung vonMenschen verbunden.

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