wirbelsäulenchirurgische verfahren und bedeutung bei osteoporotischen wirbelkörperfrakturen

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P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz Homepage: www .kup.at/ mineralstoffwechsel Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche P.b.b. GZ02Z031108M, Verlagspostamt: 3002 Purkersdorf, Erscheinungsort: 3003 Gablitz Indexed in SCOPUS/EMBASE/Excerpta Medica www.kup.at/mineralstoffwechsel Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochens und Mineralstoffwechsels Member of the Wirbelsäulenchirurgische Verfahren und Bedeutung bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen Teuscher R, Heini PF Journal für Mineralstoffwechsel 2013; 20 (4), 131-135

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Kurzfassung: Osteoporotische Wirbelbrüchesind häufig. Der Großteil ist gutartig mit einemselbstlimitierenden Verlauf. Allerdings sehen wirin der Wirbelsäulenchirurgie zunehmend auchdie Problemfälle: persistierende Instabilität/Pseudarthrose nach einer Fraktur, der langsamprogressive Verlust der Haltung/Wirbelsäulenbalanceals Folge mehrerer Wirbelbrüche undschließlich neurologische Komplikationen in Verbindungmit einer osteoporotischen Fraktur.Die Injektion von Knochenzement zur Stabilisierungvon Wirbelfrakturen ist effizient und hatsich bewährt. Damit erreicht man eine Stabilisierungdes Wirbels und eine sehr wirksameSchmerzkontrolle. Zusätzlich (und häufig zu wenigbeachtet) können damit ein weiteres Einsinterndes Knochens verhindert und Folgekomplikationenso vermieden werden.Wo diese einfache minimalinvasive Techniknicht mehr genügt, sind offene Verfahren notwendig.Auch dabei wird eine kombinierte Technikangewendet: Die Stabilisierung erfolgt nachden gängigen wirbelsäulenchirurgischen Prinzipien,zur Verankerung der Implantate im osteoporotischenKnochen wird ebenfalls Knochenzementverwendet.Schlüsselwörter: Wirbelsäule, Osteoporose,Haltungsverlust, Wirbelkörperfraktur, Vertebroplastik,Stentoplastik, perkutane/offene zementaugmentierteStabilisierung

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  • P . b . b . G Z 0 2 Z 0 3 1 1 0 8 M , V e r l a g s p o s t a m t : 3 0 0 2 P u r k e r s d o r f , E r s c h e i n u n g s o r t : 3 0 0 3 G a b l i t z

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    P . b . b . G Z 0 2 Z 0 3 1 1 0 8 M , V e r l a g s p o s t a m t : 3 0 0 2 P u r k e r s d o r f , E r s c h e i n u n g s o r t : 3 0 0 3 G a b l i t z

    Indexed in SCOPUS/EMBASE/Excerpta Medicawww.kup.at/mineralstoffwechsel

    sterreichische Gesellschaftfr Orthopdie und

    Orthopdische Chirurgie

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    fr Rheumatologie

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    und Mineralstoffwechsels

    Member of the

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren

    und Bedeutung bei osteoporotischen

    Wirbelkrperfrakturen

    Teuscher R, Heini PF

    Journal fr Mineralstoffwechsel

    2013; 20 (4), 131-135

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  • J MINER STOFFWECHS 2013; 20 (4) 131

    Kurzfassung: Osteoporotische Wirbelbrchesind hufig. Der Groteil ist gutartig mit einemselbstlimitierenden Verlauf. Allerdings sehen wirin der Wirbelsulenchirurgie zunehmend auchdie Problemflle: persistierende Instabilitt/Pseudarthrose nach einer Fraktur, der langsamprogressive Verlust der Haltung/Wirbelsulen-balance als Folge mehrerer Wirbelbrche undschlielich neurologische Komplikationen in Ver-bindung mit einer osteoporotischen Fraktur.

    Die Injektion von Knochenzement zur Stabili-sierung von Wirbelfrakturen ist effizient und hatsich bewhrt. Damit erreicht man eine Stabili-sierung des Wirbels und eine sehr wirksameSchmerzkontrolle. Zustzlich (und hufig zu wenigbeachtet) knnen damit ein weiteres Einsinterndes Knochens verhindert und Folgekomplikationenso vermieden werden.

    Wo diese einfache minimalinvasive Techniknicht mehr gengt, sind offene Verfahren not-wendig. Auch dabei wird eine kombinierte Tech-

    nik angewendet: Die Stabilisierung erfolgt nachden gngigen wirbelsulenchirurgischen Prinzi-pien, zur Verankerung der Implantate im osteo-porotischen Knochen wird ebenfalls Knochen-zement verwendet.

    Schlsselwrter: Wirbelsule, Osteoporose,Haltungsverlust, Wirbelkrperfraktur, Vertebro-plastik, Stentoplastik, perkutane/offene zement-augmentierte Stabilisierung

    Abstract: Osteoporotic Vertebral Fractures:Impact of Surgical Treatment. Osteoporoticvertebral fractures are frequent. In the majorityof cases these fractures are benign with a self-limiting course. However, we observe an in-creasing number of patients with complex frac-tures: nonunion with ongoing pain, multiple frac-tures with a fast and progressive loss of the spi-nal balance, and last but not least fractures thatare related with neurologic complications.

    The stabilization of vertebral fractures by theinjection of bone cement (vertebroplasty) hasbecome an efficient means of treatment as im-mediate pain control can be achieved. In addi-tion, reinforcement prevents further sintering ofthe vertebral body, which in turn can preventsecondary complications.

    In cases with neurologic complications theaforementioned minimally invasive measures areno longer helpful. Therefore open surgical proce-dures are required using screws and rods. In orderto stabilize implants in the osteoporotic bone, againcement can improve its anchorage and helpovercome the mechanical limitations. J MinerStoffwechs 2013; 20 (4): 1315.

    Key words: spine, osteoporosis, spinal balance,vertebral fracture, vertebroplasty, stentoplasty,open/minimally invasive cement-augmented sta-bilisation

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren und Bedeutungbei osteoporotischen Wirbelkrperfrakturen

    R. Teuscher, P. F. Heini

    Einleitung

    Die Wirbelsule ist der hufigste Ort fr Osteoporosefrakturen.Das Risiko, eine osteoporotische Wirbelkrperfraktur zu er-leiden, steigt mit zunehmendem Alter exponentiell [1]. Prva-lenzstudien zeigen bei jeder 4. Frau > 70 mindestens eine osteo-porotische Wirbelfraktur und bei > 50 % der > 80-jhrigen [2].Die demographische Entwicklung fr Europa zeigt in den kom-menden Jahrzehnten eine massive Zunahme der lteren Bevl-kerung. Damit ist trotz verbesserter Prvention und Behandlungder Osteoporose eine dramatische Zunahme an Patienten mitWirbel- und anderen Osteoporosefrakturen zu erwarten mankann von einer epidemischen Entwicklung sprechen.

    Osteoporotische Wirbelfrakturen werden in aller Regel kon-servativ behandelt und zeigen meist einen gutartigen Verlaufmit rascher Schmerzlinderung, ein gewisser Anteil dieser Frak-turen verluft sogar inapperzent. Trotzdem zeigen epidemio-logische Daten eine erstaunlich hohe Morbiditt und sogarMortalitt in Zusammenhang mit diesen Frakturen und eineerhebliche Einschrnkung der Lebensqualitt [35]. Fr dienachhaltige Schmerzproblematik scheint vor allem der Verlustder sagittalen Balance verantwortlich zu sein [6, 7]. Kompli-zierte Verlufe nach einer Wirbelfraktur knnen mit einer neu-rologischen Symptomatik und einer Querschnittslhmung ein-hergehen [8, 9].

    Eingelangt am 15. Oktober 2012; angenommen nach Revision am 3. September 2013

    Aus der Wirbelsulenchirurgie, Orthopdie Klinik Sonnenhof, Bern, Schweiz

    Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Paul F. Heini, Wirbelsulenchirurgie, OrthopdieKlinik Sonnenhof, CH-3006 Bern, Buchserstrasse 30; E-Mail: [email protected]

    Diese Ausfhrungen machen klar, dass die Beurteilung vonFrakturen bei Osteoporose der Wirbelsule differenziert erfol-gen muss. Es gilt, aufgrund der schieren Menge dieser Fraktu-ren ein einfaches und effizientes Mittel anzuwenden, welchesdie potenziellen Problemflle zuverlssig definiert (Abb. 1).

    Stellenwert der Wirbelsulenchirurgie

    Vom wirbelsulenchirurgischen Gesichtspunkt gilt es, primrdie Persnlichkeit einer Fraktur zu definieren; Fraktur ist nichtgleich Fraktur. Dazu zeigt sich der in Abbildung 1 dargestellteAlgorithmus als hilfreich. Aufgrund etablierter Behandlungs-pfade erfordert ein Patient mit Rckenschmerzen ab einem Altervon 60 Jahren oder entsprechenden Risikofaktoren eine bild-gebende Abklrung mittels eines wenn mglich stehenden Rntgenbilds des betreffenden Wirbelsulenabschnittes.

    Wenn eine ungewhnlich starke Schmerzhaftigkeit einen Pati-enten immobilisiert und/oder aufgrund der Bildgebung der Ver-dacht auf eine komplexe Fraktur mit Hinterkantenbeteiligungvorhanden ist, sollte eine Zusatzabklrung mittels MR oder CTerfolgen und eine chirurgische Intervention in Erwgung gezo-gen werden. Fr die Beurteilung der Fraktur ist ein in der Trau-matologie der Wirbelsule erfahrener Wirbelsulenspezialistgefragt. Die Indikationsstellung fr eine allfllige Interventionsollte dann in Zusammenarbeit mit den betreuenden Internisten/Geriatern erfolgen. Dabei sollte man gerade bei multimorbidenPatienten besonders aktiv sein. Die Wahl des operativen Verfah-rens hngt primr vom individuellen Charakter der Fraktur ab.Die groe Mehrheit der Patienten mit einer Wirbelfraktur kannambulant betreut werden. Bei raschem Abklingen der Beschwer-den kann man davon ausgehen, dass sich der eingebrochene

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    Wirbel stabilisiert hat. Bei persistierend starken Schmerzenempfiehlt sich aber, im Verlauf eine Rntgenkontrolle zu wieder-holen. Bei progressivem Kollaps des Wirbels oder einer neuenWirbelfraktur sollte wiederum die chirurgische Behandlung dis-kutiert werden (Abb. 2). Das Ziel der Behandlung ist einerseitsdie Schmerzkontrolle und andererseits, den weiteren Hhenver-lust des Wirbels zu kontrollieren. Auch im Rahmen von neuenoder Anschlussfrakturen sollte das Prinzip beibehalten werden.

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren

    Vertebroplastik/KyphoplastikDie Behandlung von schmerzhaften Wirbelfrakturen bei Osteo-porose mittels einer Injektion von Polymethylmethacrylat-

    Abbildung 1: Algorithmus zur Behandlung vonOsteoporosefrakturen: Patienten mit Rcken-schmerzen und einem Risikoprofil (Alter > 65,positive Frakturanamnese, Nierenerkrankun-gen, Steroidmedikation, BMI < 20 etc.) sollteneiner bildgebenden Diagnostik unterzogen wer-den. Die stehende Rntgenuntersuchung in 2Ebenen der betroffenen Region bildet dabei dieBasis. Ergnzende MRI- oder CT-Diagnostikhilft, die Fraktur genau zu klassifizieren: einfa-che Kompressionsfrakturen vs. komplexe Frak-tur, alte vs. frische Fraktur. Der Vergleich zwi-schen der stehenden Rntgenuntersuchung undeiner liegenden Bildgebung kann fr das Erken-nen einer Instabilitt hilfreich sein. Klinik undBildgebung erlauben es dem Chirurgen zu ent-scheiden, ob eine operative Intervention indiziertist. Hospitalisierte Patienten mit persistierendenstarken Schmerzen und komplexen Frakturensollten operativ versorgt werden. Die meistenPatienten knnen ambulant behandelt werden;hier ist es wichtig, bei anhaltenden Schmerzenim Verlauf nochmals zu rntgen und ggf. die Pa-tienten einer chirurgischen Behandlung zuzu-weisen. Patienten mit Stenosen und neurologi-schen Symptomen bentigen meistens ein offe-nes chirurgisches Verfahren. Auch schwere De-formitten lassen sich nur mittels einer auf-wendigen offenen Intervention korrigieren.

    Abbildung 2: Exemplarisches Beispiel: Ein77-jhriger Mann wird mit immobilisierendenSchmerzen hospitalisiert. Die konventionelleRntgenuntersuchung zeigt Frakturen vonBWK 12 und LWK 1 (a). Mithilfe der MR-Un-tersuchung kann eine frische LWK-1-Frakturnachgewiesen werden, whrend T12 alt er-scheint (b). Die Fraktur scheint leichtgradigund a priori bedarf es keiner chirurgischenIntervention. Wegen ausgesprochen starkerSchmerzen beim Mobilisieren wird nach 3 Tageneine liegende Rntgenuntersuchung durchge-fhrt. Hierbei zeigt sich ein Spaltbruch mit Ver-schiebung der ventralen Wirbelwand und eindeutliches Einsintern der Deckplatte (c). Es wirdeine Stentoplastik in Lokalansthesie durch-gefhrt der Wirbel wird in seiner Integrittwiederhergestellt und mit der Zementinjektionstabilisiert (d). Klinisch zeigt sich eine sofortigeBeschwerdebesserung, der Patient kann amnchsten Tag die Klinik verlassen. Die intra-operativen Bilder zeigen den Effekt der Stent-applikation (eh). Bei schon konsolidiertenFrakturen kann diese Technik nicht mehr ange-wendet werden und es bedarf aufwendigererVerfahren, um eine Korrektur und Stabilisierungzu erreichen.

    Zement hat sich in den vergangenen 10 Jahren als Standardetabliert [1012]. Die Effektivitt der Behandlung ist vor allemin der Frhphase dokumentiert, in der die Patienten von einersofortigen und signifikanten Beschwerdeverbesserung profi-tieren [11, 13]. Allerdings wird durch 2 placebokontrollierteStudien die Effektivitt der Vertebroplastik kritisch beurteilt[14, 15]. Die prsentierten Daten sind fr die ausgewhlte Pa-tientenpopulation ohne Fehl und Tadel, in beiden Studien wur-den aber Frakturen bis zu einem Jahr behandelt und die techni-schen Aspekte nicht weiter bercksichtigt [16]. Die externeValiditt der Studien ist fraglich, denn die Resultate widerspre-chen der Erfahrung im klinischen Alltag diametral. Deshalbmuss jeder Patient und jede Fraktur individuell beurteilt undbehandelt werden [17]. Das Risiko von neuen Frakturen liegt

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren und Bedeutung bei osteoporotischen Wirbelkrperfrakturen

  • J MINER STOFFWECHS 2013; 20 (4) 133

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren und Bedeutung bei osteoporotischen Wirbelkrperfrakturen

    in der Natur der Erkrankung und oft sind wiederholte Inter-ventionen notwendig.

    Die Kyphoplastik ist eine Erweiterung der Technik, indem miteinem Ballon eine Kavitt im Wirbel kreiert wird, danach wirdder Zement injiziert, das Risiko von Zementextravasaten kanndadurch reduziert werden [18]. Die Wiederaufrichtung desWirbels mit dem Ballon zeigte sich als nicht so effizient, wieman das anfnglich erhofft hatte [19]. Die Standardisierungder Operationstechnik bei der Vertebroplastie, insbesondere dieEinfhrung von hochvisksen Zementen, hat die Problematikder Zementextravasation entschrft [20].

    StentoplastikBei der Stentoplastik wird, wie in der Angiologie, ein ballon-gefhrter Stent bis zu 400 % expandiert. Dadurch wird der frak-turierte Wirbel aufgerichtet und temporr stabilisiert bis derZement injiziert und ausgehrtet und damit die definitive Be-lastbarkeit gewhrleistet ist. Die Stentoplastik zeigt in vitro undaufgrund erster klinischer Erfahrungen ein deutlich besseresKorrekturpotenzial als die Kyphoplastik [21, 22].

    Die Indikation zur Stentoplastik ist gegeben, wenn eine akuteoder subakute, schmerzhafte osteoporotische Wirbelkrper-fraktur vorliegt, mit mindestens 35 % Hhenverlust respektive15 kyphotischer Deformitt und dem Potenzial zur Aufrich-tung. Berstungsfrakturen knnen durch eine Stentoplastik be-handelt werden, solange die Beteiligung der Hinterkante klein(< 25 %) ist und keine neurologischen Symptome prsent sind[7].

    Die erwhnten Verfahren (Vertebroplastie, Kyphoplastie, Stento-plastie) sind minimalinvasive Verfahren, welche in Bauchlageunter Lokalansthesie/Stand-by oder in Vollnarkose durchge-fhrt werden. Die zu behandelnden Wirbel werden unter Rnt-genkontrolle mit den Injektions- bzw. Arbeitskanlen instru-mentiert. Es erfolgt dann entweder direkt die Zementinjektionoder vorgngig das Aufrichten des Wirbels. Die Operations-dauer betrgt 3045 Minuten, die sofortige Mobilisation nachMagabe der Beschwerden ist erlaubt. Blutverdnnende Me-dikamente wie Aspirin oder Clopidogrel (allein oder in Kom-bination) mssen nicht abgesetzt werden, oral antikoaguliertePatienten bentigen fr den Eingriff einen INR 1,5.

    Implantatbasierte Stabilisierungstechniken(Abb. 3)Ohne auf harte epidemiologische Fakten zurckgreifen zu kn-nen, sind komplexe Wirbelfrakturen in Zusammenhang mit derOsteoporose zunehmend hufiger zu beobachten. Es handeltsich hierbei um Frakturen, die mit einer schweren Deformitteinhergehen und/oder aber mit neurologischen Symptomenverkompliziert sind. In solchen Fllen sind die erwhnten Tech-niken kontraindiziert. Technisch geht es darum, einerseits eineEntlastung der neuralen Strukturen zu gewhrleisten undandererseits eine Stabilisierung und Korrektur des deformier-ten Wirbelsulenabschnittes zu erreichen. Prinzipiell werdendabei dieselben Techniken angewendet wie bei traumatischenFrakturen bzw. in der Deformittenchirurgie. Um die Veran-kerung der Pedikelschrauben im osteoporotischen Knochen zuverbessern, wird Knochenzement direkt durch die perforier-ten Schrauben appliziert und damit deren Verankerungsflchevervielfacht. Man kann damit mit denselben Prinzipien vorgehen

    wie beim gesunden Knochen, allerdings ist bei hochgradigerOsteoporose das Risiko einer Anschlussfraktur sehr hoch undman sollte ggf. die Anschlusswirbel protektiv augmentieren[23, 24]. Die neueste Generation von Schraubensystemen er-laubt es, die Instrumentierung mittels perkutaner Technik durch-zufhren, und die Dekompression erfolgt dann nach mikro-chirurgischen Prinzipien. Damit kann das Weichteiltraumaminimalisiert werden.

    Diskussion

    Die Problematik von Wirbelfrakturen bei Osteoporose ist kom-plexer, als es den Anschein macht. Zwar haben die meistenWirbelbrche einen gutartigen Verlauf und werden konserva-tiv behandelt, allerdings zeigt eine beachtliche Anzahl vonPatienten einen komplizierten Verlauf mit schweren Folgepro-blemen. In erster Linie gilt es deshalb, jene Patienten zu selek-tionieren, welche potenziell einen solch komplizierten Verlaufhaben. Dazu ist eine klare Charakterisierung der Fraktur wich-tig. Erfahrungsgem sind Patienten mit anhaltend starkenSchmerzen gefhrdet, einen Wirbelkollaps zu erleiden. Des-halb ist es sinnvoll, im Verlauf eine radiologische Kontrolle zuwiederholen und gegebenenfalls frh zu intervenieren. DiesesProcedere ist gut vereinbar mit den Leitlinien der DeutschenGesellschaft fr Osteoporose, worin die konservative Behand-lung fr 3 Wochen gefordert wird, bevor eine operative Inter-

    Abbildung 3: 83-jhrige Patientin, medizinisch schwer belastet mit Diabetes mel-litus, schwerer Niereninsuffizienz und chronischer Raucherbronchitis, langjhrigeAnamnese mit chronischen Rckenschmerzen. Die Patientin wird hospitalisiert we-gen einer Exazerbation ihrer chronisch obstruktiven Pneumopathie. Im Verlauf dieserHospitalisation wird die Patientin gehunfhig. Sobald sie aufsitzt oder stehen will,erfhrt sie bilateral ausstrahlende Schmerzen in die Beine. Eine motorische Schwchekann klinisch nicht objektiviert werden. Im Liegen hat sie keinerlei Beinschmerzen,aber beim Drehen sehr starke Rckenschmerzen. Ursache fr die Problematik istoffensichtlich eine Spontanfraktur von LWK 2 mit konsekutiv hochgradiger Spinal-stenose (gestrichelte Ellipsen, a). Die Behandlung dieser komplexen Fraktur mitStenose erfolgte von dorsal mit einer Dekompression und einer kurzstreckigen Sta-bilisierung, wobei zur Verankerung der Schrauben Zement verwendet wurde. Auch dieDefektzone zwischen L1L2 und L2L3 wurde in derselben Sitzung aufzementiertund schlielich die Anschlusswirbel perkutan mit einer protektiven Vertebroplastieversorgt (b).

    a

    b

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    Tabelle 1: Fakten zur osteoporotischen Wirbelkrperfraktur.

    Die Osteoporose ist eine systemische Erkrankung, welche dieKnochendichte sowie auch dessen Struktur beeintrchtigt undzu einem hheren Frakturrisiko fhrt.

    Wirbelfrakturen sind das Markenzeichen der Osteoporose, welt-weit werden pro Jahr ca. 5 Millionen neue Wirbelfrakturengeschtzt.

    Die Inzidenz von Frakturen steigt mit zunehmendem Alterexponentiell an und nimmt berproportional zur Anzahl vor-bestehender Frakturen zu.

    Die Mehrzahl von Wirbelbrchen verluft inapperzent, nur ca.ein Drittel wird klinisch manifest und flschlicherweise alsunspezifische Rckenschmerzen interpretiert. Ein Viertel dieserPatienten muss schlielich hospitalisiert werden.

    Die meisten Frakturen zeigen einen selbstlimitierendenSchmerzverlauf.

    Die Folgeprobleme von Wirbelfrakturen werden unterschtzt.Es resultieren eine deutliche Beeintrchtigung der Lebens-qualitt und eine erhhte Mortalitt.

    Osteoporosefrakturen der Wirbelsule knnen mit schwerenKomplikationen einhergehen: Lhmung, Pseudarthrose, Insta-bilitt.

    Die Injektion von Knochenzement stabilisiert den Wirbel undverhindert dessen Einsintern.

    Die Stabilisierung eines frakturierten Wirbels fhrt zu einersofortigen Schmerzkontrolle.

    Der Effekt der Zementaugmentation ist zweifach: (a) Schmerz-kontrolle, (b) Verhindern des weiteren Stellungsverlustes,Erhalten des Wirbelsulen-Alignements.

    Tabelle 2: Abklrung und Behandlung von Patienten mitosteoporotischen Wirbelbrchen.

    Patienten mit akuten Rckenschmerzen und einem Risikoprofil(Alter, bekannte Osteoporose, red flags) sollten radiologischabgeklrt werden; Rntgenbild im Stehen, bei Unklarheit odermultiplen Frakturen zustzlich mittels MR.

    Bei Patienten mit anhaltenden, sehr starken Schmerzen bestehtein groes Risiko eines progressiven Einsinterns des Wirbels.Deshalb ist es angezeigt, eine radiologische Stellungskontrolleinnerhalb von 1014 Tagen durchzufhren.

    Bei dokumentiertem Nachsintern ist die Behandlung mit einerZementaugmentation empfehlenswert.

    Wenn Patienten wegen einer schmerzhaften Wirbelfrakturimmobilisiert sind und/oder hospitalisiert werden mssen,kann nach einer Intervention in aller Regel eine rasche Mobili-sation erfolgen und die Hospitalisationsdauer kann verkrztwerden. Hier ist die Behandlung kostengnstig.

    Bei persistierender Schmerzhaftigkeit nach einer Wirbelfrakturkann eine Pseudoarthrose (Kmmel) die Ursache sein. Dieslsst sich mit einer Schichtbildgebung (CT, MR) nachweisenund in diesen Fllen kann die Augmentation helfen.

    Hochrisikopatienten mit Frakturen, die in rascher Folge (innertweniger Wochen) auftreten, sollten frh und proaktiv auchprophylaktisch behandelt werden.

    Bei einem hhergradigen Wirbelkollaps kann innerhalb derersten 46 Wochen bei Bedarf eine geschlossene Aufrichtungdes Wirbels mittels einer Stentoplastik erreicht werden.

    vention erwogen wird. Dies erscheint fr Patienten, welcheambulant behandelt werden, durchaus sinnvoll. Es ist nach die-ser Zeit immer noch mglich, bei Bedarf einen Wirbel wiederaufzurichten [7]. Unsere Herangehensweise der Frhbehand-lung von Patienten, die wegen ihrer Schmerzen hospitalisiertwerden, ist zwar aggressiv, erlaubt aber, die Patienten sofort zumobilisieren und damit die Hospitalisationsdauer zu reduzieren.Die Behandlung der Wahl ist bei gegebener Indikation die per-kutane Zementaugmentation (Vertebroplastie, Kyphoplastie,Stentoplastie). Dass die Behandlung bei einem unselektionier-ten Patientengut nicht besser ist als eine Placebo-Intervention,soll nicht heien, dass man bei genannten Indikationskriterieneben doch sehr effektiv intervenieren kann und Folgeproble-me vermeidet. Die offenen Stabilisierungseingriffe bei diesenoft polymorbiden Patienten sind mit einer hohen Komplikati-onsrate verbunden, und zwar sowohl lokal als auch allgemein.Eine interdisziplinre Betreuung ist hier unabdingbar.

    Zusammenfassung (Tab. 1, 2)

    Osteoporotische Wirbelbrche sind hufig. Die meisten Pati-enten zeigen spontan eine rasche Beschwerdelinderung inner-halb der ersten 3 Wochen. Anhaltend starke Schmerzen sindein Warnzeichen fr einen progressiven Wirbelkollaps. EineRntgenverlaufskontrolle nach 1014 Tagen kann einen pro-gressiven Hhenverlust/Kyphosierung nachweisen. In diesenFllen ist eine Zementaugmentation in der Frhphase angezeigt.Bei Patienten, welche in rascher Folge Wirbelfrakturen erlei-den, ist eine frhe Intervention erforderlich, um einen Haltungs-zerfall zu vermeiden.

    Bei komplexen Frakturen mit Hinterkantenbeteiligung ohneneurologische Symptome kann in der Frhphase mit einer

    Stentoplastik eine Aufrichtung und Stabilisierung des Wirbelserreicht werden. Die Beurteilung und Behandlung muss durcheinen erfahrenen Wirbelsulenspezialisten erfolgen.

    Bei Patienten mit neurologischen Symptomen sind die einfa-chen minimalinvasiven Techniken kontraindiziert. Hier sindoffene Verfahren notwendig. Auch dabei wird eine kombinier-te Technik angewendet die Stabilisierung erfolgt nach dengngigen wirbelsulenchirurgischen Prinzipien, zur Verankerungder Implantate im osteoporotischen Knochen wird ebenfallsKnochenzement verwendet.

    Interessenkonflikt

    R. Teuscher: kein Interessenkonflikt.Prof. P. F. Heini ist als Mitglied der Technischen Kommissionder AO (Arbeitsgemeinschaft fr Osteosynthesefragen) zustn-dig fr den Bereich Wirbelfrakturen und Wirbeltumoren.

    Relevanz fr die Praxis

    Osteoporotische Wirbelfrakturen sollen bildgebend ab-geklrt werden.

    Verlaufsrntgenbilder nach 2 Wochen knnen einen fort-schreitenden Wirbelkollaps erfassen.

    Die Zementaugmentation bleibt eine wichtige Behand-lungsoption bei Osteoporosefrakturen der Wirbelsule.

    Bei hhergradigem Wirbelkollaps kann in den ersten 46Wochen mit einer Stentoplastik eine Aufrichtung erreichtwerden.

    Bei neurologischen Symptomen ist ein offenes chirurgi-sches Verfahren notwendig.

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren und Bedeutung bei osteoporotischen Wirbelkrperfrakturen

  • J MINER STOFFWECHS 2013; 20 (4) 135

    Wirbelsulenchirurgische Verfahren und Bedeutung bei osteoporotischen Wirbelkrperfrakturen

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