winzerlegende yiannis paraskevopoulos, nemea ... - mondovino

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40 VINUM MAI 2021 Winzerlegende Yiannis Paraskevopoulos, Nemea Vor über 25 Jahren schuf Yiannis Paraskevopoulos den modernen trockenen Santorini-Weisswein. Der Winzer zählt seitdem zu den Persönlichkeiten, die zur verheissungsvollen Wiedergeburt der Weinnation Griechenland beigetragen haben. Was ihm auf Santorini glückte, möchte er auf dem Festland wiederholen: die Neuerfindung einer griechischen Rebsorte. Text: Miguel Zamorano Autochthoner Meister Foto: z.V.g. 41 VINUM MAI 2021 WINZERLEGENDE

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Page 1: Winzerlegende Yiannis Paraskevopoulos, Nemea ... - Mondovino

40 VINUM MAI 2021

Winzerlegende Yiannis Paraskevopoulos, Nemea

Vor über 25 Jahren schuf Yiannis Paraskevopoulos den modernen trockenen Santorini-Weisswein. Der Winzer zählt seitdem zu den Persönlichkeiten, die zur verheissungsvollen Wiedergeburt der Weinnation Griechenland beigetragen haben. Was ihm auf Santorini glückte, möchte er auf dem Festland wiederholen: die Neuerfindung einer griechischen Rebsorte. Text: Miguel Zamorano

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Yiannis Paraskevopoulos mit seiner Tochter Leto, Biochemikerin und Nachwuchswinzerin.

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E igentlich ist jetzt für Yiannis Paraske-vopoulos Reisezeit angesagt. Der grie-chische Weinmacher wäre jetzt auf

Promotiontour, um die neuen Jahrgänge sei-nes Gaia-Weinguts zu präsentieren. Vielleicht in den USA, in Kanada oder in Japan. Doch im Frühjahr 2021 ist alles anders. Sich dieser ge-standenen Winzerpersönlichkeit Griechen-lands anzunähern, ist aufgrund der Covid-19-Pandemie nur aus der Ferne über einen Videocall möglich.

Paraskevopoulos sitzt auf seinem Weingut Gaia in Nemea. Wie wohl das Wetter derzeit auf der peloponnesischen Halbinsel ist? Der Winzer Paraskevopoulos steht vom Schreib-tisch auf, er läuft ans Fenster und richtet die Laptop-Kamera auf das, was sich ausserhalb des Gebäudes abspielt: sanfte, fast karge Hü-gel sind zu sehen, überall lose, niedrige Busch-vegetation und mittendrin die Weinberge, die zu dieser Jahreszeit kaum Knospen tragen. Es ist eine klassische mediterrane Szenerie, man riecht fast die Wärme der Mittagssonne; den trockenen Staub, der aufwirbelt, wenn ein Wa-gen an der Seitenstrasse vorbeifährt.

So ruhig sich die Landschaft präsentiert, so ruhig ist es um den Winzer Paraskevopoulos nicht. Einem wie ihm geht wohl nie die Arbeit aus. Neben seinem Job als Weinmacher bei Gaia ist er auch Professor für Önologie an der Universität Athen, er betreibt zudem zwei klei-ne Brauereien, eine auf Santorini, eine weitere auf der Insel Mykonos.

Laufend läutet das Telefon, er schaut auf den Bildschirm seines Smartphones, stöhnt dabei: «Nicht schon wieder diese Leute, sie gehen mir so auf die Nerven.» Dann grinst er schelmisch. Yiannis Paraskevopoulos, Jahrgang 1959, ver-heiratet, eine Tochter, sagt dann: «Es ist bitter, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Er müsste ei-gentlich 48 Stunden lang sein.»

Die Intuition von den Besten abgeschautIrgendwie muss Paraskevopoulos dem Tag

mehr als die offiziellen 24 Stunden abgerun-gen haben. Als er, 28-jährig und nach seinem erfolgreichen Önologie-Studium in Bordeaux, auf die Mittelmeerinsel Santorini kommt, heu-ert er beim Weingut Boutari an. Schnell gerät er in den Fokus der Kellereichefs, die ihm ein-bläuen: «Sei nicht arrogant, lerne, auf deine In-tuition zu hören», erzählt Paraskevopoulos. Für die Boutaris war das einfach, sie hatten die Er-fahrung mehrerer Generationen im Blut, sie hatten überall in Griechenland das Geschehen in den Weingebieten massgeblich mitgeprägt. «Ich hingegen war ein Kind der Stadt. Dorf- und

Inselgemeinschaft haben in mir zunächst im-mer einen verwöhnten Lümmel gesehen. Ich musste mir jedes Gramm Anerkennung hart erarbeiten».

Wie der Festland-Grieche das macht? Er setzt das moderne Weinmacher-Repertoire ein, das zu jener Zeit in Griechenland nicht überall angewendet wird. «Kaltgärung, ausge-wählte Hefen, Batonnage...», erklärt Paraske-vopoulos, «das war alles zwar bekannt, wurde aber nicht zwingend praktiziert.» Sein Ziel: «Ich wollte unbedingt die besten Eigenschaften un-serer griechischen Rebsorten in den Weinen präsentieren.»

Und davon gibt es im kleinen, knapp 51 000 Hektar grossen Weinland Griechenland eine Menge, um die 300 eigene Sorten wachsen am Meer und in den bergigen Anbaugebieten. «Die Welt benötigt nicht griechischen Chardon-nay oder Cabernet Sauvignon», sagt der in Bor-deaux ausgebildete Önologe. Paraskevopoulos setzt zu Beginn seiner Karriere seine gesamte Energie auf die lokale Rebsorte Assyrtiko und verpasst ihr ein modernes Antlitz. Trocken aus-gebaut ist sein Thalassitis nach wie vor ein Bei-spiel dieser griechischen Moderne – anders als viele der vorwiegend süssen Santorini-Wei-ne, die seit dem Mittelalter den Ruf der Mittel-meerinsel bestimmt haben.

Damit beschritt Gaia Neuland und ging ein enormes Risiko ein. Landsmann und Master of Wine Konstantinos Lazarakis schreibt in sei-nem Buch «The Wines of Greece» (2005): «Tha-lassitis ist nach lokalen Marktstandards so mi-neralisch und säurehaltig, dass viele Griechen wohl keinen zweiten Schluck davon nehmen würden.» Gaias und damit auch Paraskevo-poulos’ Glück liegt darin, dass sein Assyrtiko im Ausland viele Weinfreunde begeistert. Gut 30 internationale Märkte beliefert Gaia mit sei-nen Weinen.

Mit dieser konsequenten Ausrichtung fällt Gaia allerdings auch nur in den Blickwinkel von Weinfreaks. Ein Schicksal, dass das Wein-gut mit anderen griechischen Erzeugern teilt, wie Paraskevopoulos glaubt: «Wir werden nie die Marktdurchdringung anderer grosser Wein-nationen erreichen. Unsere Grösse zwingt uns, in der Nische exzellent zu sein.» Und mit As-syrtiko ist den Griechen genau das gelungen. «Assyrtiko hat uns einen Platz auf der globalen Weinkarte gesichert.»

Diesen Platz zu sichern, ist allerdings alles andere als einfach. Um dies zu zeigen, schil-dert der Winzer folgende Szene: In Norwegen, da wurde einst der staatliche Händler, der das Monopol auf den Alkoholhandel hält, auf den

Das WeingutDas Weingut Gaia wurde 1994 von Yiannis Paraskevopoulos und seinem Geschäftspartner Leon Karatsalos auf der Insel Santorini ins Leben gerufen. Der Athener Paraskevopoulos konnte zu dem Zeitpunkt ein Studium der Ag-rarwissenschaften in Thessaloniki und einen Önologie-Master in Bordeaux vorweisen sowie mehrere Jahre Erfah-rung beim Weingut Boutari auf Santorini und Nemea. 1997 folgte schliesslich die Gründung des Gaia-Ablegers auf der peloponnesischen Halbinsel, im Anbau-gebiet Nemea. Auf der Insel konzentriert sich Gaia hauptsächlich auf die Erzeu-gung von Weissweinen auf Grundlage der Rebsorte Assyrtiko, während auf dem Festland die rote Rebsorte Agiorgi-tiko gekeltert wird. Paraskevopoulos ist der önologische Kopf des Projekts, während Karatsalos sich um das Ge-schäft und die Zahlen kümmert. «Es ist immer gut, wenn wir beide uns nicht zu oft sehen», scherzt der Önologe Pa-raskevopoulos, dem nachgesagt wird, im Keller stets die modernsten Anlagen zu verwenden. Doch das Duo arbeitet schon seit über 25 Jahre erfolgreich zusammen. Paraskevopoulos’ Tochter Leto (links im Bild), Biochemikerin und Nachwuchswinzerin, könnte eines Tages mit Karatsalos’ Nachwuchs die Arbeit der Väter fortführen.

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«Assyrtiko hat uns Griecheneinen Platz auf der globalen Weinkarte gesichert.»

Korberziehung der Assyrtiko-Reben auf Santorini: Die Sorte passt sich ideal dem hiesigen

vulkanischen Terroir an. Sie ist robust gegen Trockenheit: Was sie an Wasser bedarf, bezieht

sie vom Dunst des morgendlichen Nebels.

Vor der Insel legt Paraskevopoulos von jedem Jahrgang Thalassitis jeweils 500 Flaschen zum Reifen ins Meerwasser zurück. Derzeit befinden sich die Jahrgänge 2016 bis 2019 in den Tiefen, sie sollen nach mindestens vier Jahren Reife gehoben werden. Weinmacher und Taucher Paraskevopoulos begutachtet die Flaschen persönlich.

Eine Traumszenerie des Gaia-Weinguts auf der Mittelmeerinsel (oben). Seinen Keller hält der griechische Winzer stets auf dem letzten technischen Stand (unten).

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Thalassitis Wild Ferment aufmerksam. Eine kleine Allokation war im Nu ausverkauft, 7000 Flaschen nach nur 90 Minuten, wie Paraske-vopoulos erzählt. «Die Norweger wollten dann fast dreimal so viele Flaschen haben, doch als wir 80 Cent pro Flasche mehr verlangten, ha-ben sie uns ausgelacht.»

Ob das französischen Kollegen auch passiert wäre? Paraskevopoulos ringt jetzt um die rich-tigen Wörter: «Mit uns kann man es ja machen. Wir sind Griechen, am Rande des Balkans, wir sind fast nicht mal mehr Europa. Und wir wer-den nicht nach dem bemessen, was in unseren Flaschen schlummert. Das ist nicht fair.»

Gelingt der zweite Coup?Paraskevopoulos lässt sich jedoch nicht un-

terkriegen. Mit der roten Sorte Agiorgitiko will er den grossen Wurf, der ihm auf Santorini ge-lungen ist, wiederholen: auf der peloponnesi-schen Halbinsel, im Weinbaugebiet Nemea, wo er die rote Rebsorte anbaut und damit den rein-sortigen Gaia Estate auf die Flasche zieht.

Um sein Vorhaben zu verdeutlichen, holt Pa-raskevopoulos nochmal aus: «In Bezug auf die Art, wie wir unsere Weinberge pflegen, sind wir noch nicht im 21. Jahrhundert angelangt.» Nach wie vor wüssten die griechischen Weinmacher nicht, mit was für Bedingungen sie es im Ter-roir zu tun hätten. «In der Toskana haben die Weinmacher diesbezüglich ihre Hausaufgaben schon vor 40 Jahren gemacht.»

Gaia selbst kämpft im eigenen Weinberg mit einem Anteil von virenbefallenen Agiorgitiko-Rebstöcken. «Wir werden diese sukzessive ge-gen gesunde Pflanzen austauschen». Dann werden die Weine noch mehr Konzentration und Aromendichte präsentieren. Kompromis-se bei der Qualität geht der Winzer heute schon nicht mehr ein. Der Erstwein Gaia Estate wurde etwa 2018 nicht erzeugt – das Rebmaterial war dem Winzer nicht gut genug. «Die Trauben ha-ben wir stattdessen für den normalen Agiorgiti-ko 2018 verwendet», erklärt er nun, «an diesem Wein werden viele ihre Freude haben.»

Seine Winzerkollegen auf der peloponnesi-schen Halbinsel starren Paraskevopoulos hin und wieder argwöhnisch an. Als er 2007 etwa Agiorgitiko mit Syrah verschnitt und so die Cuvée Gaia S kreierte. Er folgte dabei dem Bei-spiel der einstigen Weinrebellen aus Italien, die den Supertoskaner erschufen. Paraskevopou-los schämt sich nicht für seinen Super Nemea und paraphrasiert die italienischen Kollegen: «Was kümmern mich die Vorschriften einer DOC? Ich will einfach einen verdammt guten Wein machen.»

GewinnspielVINUM verlost diesmal zwei von Winzerle-gende Yiannis Paraskevopoulos signierte Weinflaschen: den roten, aus Agiorgitiko ge-kelterten Gaia Estate 2017 und eine Flasche Thalassitis 2018 (100% Assyrtiko) aus dem Insel-Anbaugebiet PDO Santorini.www.vinum.eu/gaiavinum.eu/gaiavinum.eu/Teilnahmeschluss: 16. Mai 2021

Fokus auf autochthone SortenGaia konzentriert sich auf der Mittelmeerinsel Santorini auf die weisse Sorte Assyrtiko, während auf der pelopon-nesischen Halbinsel der Akzent auf Agiorgitiko liegt.

Nemea PDO Agiorgitiko 201817 Punkte | 2021 bis 2025Ein Jahr in Barriques aus zweiter Belegung ausgebaut. In der Nase Himbeere, Kirsche und sanfte Holz-würze. Am Gaumen sehr schön konzentriert, aber nicht aufdring-lich, sehr gut strukturiert, mit ei-nem schönen Kaffeebohnenfinish.

Nemea PDO Gaia Estate 201718 Punkte | 2022 bis 2027Reift 14 bis 18 Monate in der Bar-rique. Ein delikates Bouquet: Pflau-me, Himbeere, Brombeere und Gewürznoten, Veilchen, alles be-eindruckend komplex. Am Gau-men mit Struktur und einem satten Frucht-Säure-Spiel, süffig. Die 14,5 Vol.-% spürt man kaum. Oran-genzesten und Eiseneindrücke im Abgang. Hat noch Potenzial.

Peloponnese PGI Gaia S 201817.5 Punkte | 2021 bis 2025Agiorgitiko und Syran. Geballte Frucht im Bouquet: Brombeere, Himbeere, etwas Rosenblüten vor Röstaromen und Orangenzesten. Im Auftakt mit Power, Konzentra-tion und viel Extrakt. Ein geschmei-diges, seidiges Tannin, kraftvoll, aber nicht überladen. Lang.

Santorini PDO Assyrtiko Wild Ferment 201916.5 Punkte | 2021 bis 2025Mit Wildhefen vergoren. Pfirsich und Zitrusfrucht in der Nase, am Gaumen komplex, dicht, gute, fast mollige Struktur. Idealer Begleiter von fettigen Gerichten.

Santorini PDO Thalassitis 201218.5 Punkte | 2021 bis 2025Sehr intensives Gelb. Benötigt Luft, zeigt dann reife Aromen, gedörrte Zitrusfrucht und Pfirsich, ein Hauch Petrol, stoffig, sanft parfümiert. Am Gaumen straff, voller säuriger Inbrunst, aber gesetzt, mit einem Hauch Senf-Noten, leichtem Schmelz und enormer Länge. Für Riesling-Liebhaber.

Santorini PDO Thalassitis 201818 Punkte | 2021 bis 2028Von alten Rebstöcken, aus Pre-Filoxera-Zeiten. Zitrusfrucht, Pomelo und etwas Feuerstein in der Nase. Am Gaumen mit zu-packender, frischer Säure, gut kon-zentriert, kraftvoll und spannend strukturiert, auch mit einer be-törenden herbalen Kräuterwürzig-keit unterlegt. Sehr lang im Abgang.

Peloponnes

Athen

Santorini

Die Weine sind bei www.kantos.ch (CH) erhältlich. Bezugsquellen in Deutschland werden unter gaiawines.gr/online/#worldwide gelistet.

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