wie viel schlaf ist optimal?

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Nicht zu viel und nicht zu wenig Wie viel Schlaf ist optimal? Ausreichender Schlaf ist für das Wohlbefinden unverzichtbar. An- haltende Schlafstörungen können nicht nur psychische, sondern auch somatische Erkrankungen auslösen. Ein typisches Beispiel dafür ist das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom, das mit einer Reihe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang steht. Wie viel muss man schlafen, um gesund zu bleiben? logischen, die entsprechend der Abnah- me der Körpertemperatur zwischen 2 und 5 Uhr liegt. „Der zirkadiane Schlaf- Wach-Rhythmus beträgt auch nicht 24, sondern 25 Stunden“, so Knab. Für die Synchronisierung sind deshalb externe Zeitgeber wie das Tageslicht, soziale Kon- takte und regelmäßige Ereignisse nötig. Gibt es den proletarischen und den akademischen Schlaf? Die Schlafdauer korreliert umgekehrt mit dem Lebensalter: Während Säuglin- ge noch ca. 18 Stunden schlafen können, sinkt das Schlaedürfnis mit zuneh- mendem Alter bis auf 78 Stunden bei älteren Menschen. „Eine für alle Men- schen gültige optimale Schlafdauer gib es nicht, sie variiert individuell zwischen 5 und 10 Stunden“, so Knab. Der Mit- tagsschlaf zähle dabei mit. Die Schlafdauer ist dann individuell richtig, wenn man tagsüber leistungs- fähig ist. „Nach einer guten Nachtist man wach, gut gelaunt, konzentriert und an der Welt interessiert“, so Knab. Das individuelle Schlaedürfnis ist unab- hängig von der Persönlichkeit und der - Dass Schlaf und Tod in einem engen, ja sogar kausalen Zusammenhang mit- einander stehen, wussten schon die alten Griechen: In der Mythologie war Hyp- nos, der Gott des Schlafs, der Zwillings- bruder von anatos, dem Gott des To- des. Der modernen medizinischen For- schung gelang es, die pathogenetischen Zusammenhänge zu entschlüsseln. Die Physiologie des Schlafs „Subjektiv ist der Schlaf direkt nicht er- lebbar, sondern nur indirekt durch das Aufwachen und die Folgen unzureichen- den Schlafs“, sagte Dr. Barbara Knab von der Deutschen Akademie für Gesund- heit und Schlaf in München. „Typischer- weise sind beim Schlafen die Augen ge- schlossen, die Muskulatur völlig ent- spannt und die Atmung regelmäßig. Das EEG-Muster, das die Gehirnaktivität während des Schlafs wiedergibt, variiert in Abhängigkeit von der Schlafphase: Überwiegen im Wachzustand die Alpha- und Beta-Wellen, so sind es im Leicht- schlaf und in den REM-Phasen die e- ta- und im Tiefschlaf die Delta-Wellen. Der Schlaf ist in sich ein rhythmisches Ereignis, d. h. Phasen von Leicht-, Tief- und REM-Schlaf wechseln physiologi- scherweise in Intervallen ab, die ca. 90 Minuten dauern, wobei Tiefschlaf vor- rangig in der ersten Nachthälſte auſtritt. Mit steigendem Lebensalter nimmt die Schlaſtiefe ab und die Erweckbarkeit zu. Ab Mitte 40 treten kaum noch Tiefschlaf- Phasen auf. Die „bürgerliche“ Nacht von 23 bis 7 Uhr korreliert nicht mit der bio- © Rolf Haid / dpa 18 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (3)

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Page 1: Wie viel Schlaf ist optimal?

Nicht zu viel und nicht zu wenig

Wie viel Schlaf ist optimal?Ausreichender Schlaf ist für das Wohlbe� nden unverzichtbar. An-haltende Schlafstörungen können nicht nur psychische, sondern auch somatische Erkrankungen auslösen. Ein typisches Beispiel dafür ist das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom, das mit einer Reihe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang steht. Wie viel muss man schlafen, um gesund zu bleiben?

logischen, die entsprechend der Abnah-me der Körpertemperatur zwischen 2 und 5 Uhr liegt. „Der zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus beträgt auch nicht 24,sondern 25 Stunden“, so Knab. Für die Synchronisierung sind deshalb externe Zeitgeber wie das Tageslicht, soziale Kon-takte und regelmäßige Ereignisse nötig.

Gibt es den proletarischen und den akademischen Schlaf?Die Schlafdauer korreliert umgekehrt mit dem Lebensalter: Während Säuglin-ge noch ca. 18 Stunden schlafen können, sinkt das Schla� edürfnis mit zuneh-mendem Alter bis auf 7–8 Stunden bei älteren Menschen. „Eine für alle Men-schen gültige optimale Schlafdauer gib es nicht, sie variiert individuell zwischen 5 und 10 Stunden“, so Knab. Der Mit-tagsschlaf zähle dabei mit.

Die Schlafdauer ist dann individuell richtig, wenn man tagsüber leistungs-fähig ist. „Nach einer ‚guten Nacht‘ ist man wach, gut gelaunt, konzentriert und an der Welt interessiert“, so Knab. Das individuelle Schla� edürfnis ist unab-hängig von der Persönlichkeit und der

−Dass Schlaf und Tod in einem engen, ja sogar kausalen Zusammenhang mit-einander stehen, wussten schon die alten Griechen: In der Mythologie war Hyp-nos, der Gott des Schlafs, der Zwillings-bruder von � anatos, dem Gott des To-des. Der modernen medizinischen For-schung gelang es, die pathogenetischen Zusammenhänge zu entschlüsseln.

Die Physiologie des Schlafs„Subjektiv ist der Schlaf direkt nicht er-lebbar, sondern nur indirekt durch das Aufwachen und die Folgen unzureichen-den Schlafs“, sagte Dr. Barbara Knab von der Deutschen Akademie für Gesund-heit und Schlaf in München. „Typischer-weise sind beim Schlafen die Augen ge-schlossen, die Muskulatur völlig ent-

spannt und die Atmung regelmäßig. Das EEG-Muster, das die Gehirnaktivität während des Schlafs wiedergibt, variiert in Abhängigkeit von der Schlafphase: Überwiegen im Wachzustand die Alpha- und Beta-Wellen, so sind es im Leicht-schlaf und in den REM-Phasen die � e-ta- und im Tiefschlaf die Delta-Wellen.

Der Schlaf ist in sich ein rhythmisches Ereignis, d.h. Phasen von Leicht-, Tief- und REM-Schlaf wechseln physiologi-scherweise in Intervallen ab, die ca. 90 Minuten dauern, wobei Tiefschlaf vor-rangig in der ersten Nachthäl� e au� ritt. Mit steigendem Lebensalter nimmt die Schla� iefe ab und die Erweckbarkeit zu. Ab Mitte 40 treten kaum noch Tiefschlaf-Phasen auf. Die „bürgerliche“ Nacht von 23 bis 7 Uhr korreliert nicht mit der bio-

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18 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (3)

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Guter Schlaf fördert Gedächtnisbildung

Lernen über NachtEin gesunder Schlaf ist nicht nur wichtig für Gesundheit und Wohl-be� nden, sondern fördert auch die Konsolidierung von Erinnerun-gen und somit das Gedächtnis.

− Jede Erinnerung wird zunächst als schwache und labile Gedächtnisspur an-gelegt, die für verschiedenste Störein-� üsse anfällig ist“, sagte Dr. Susanne Diekelmann vom Institut für Medizini-sche Psychologie an der Universität Tü-bingen. Um das Erlernte über längere Zeit zu erhalten, müssen diese Inhalte in einem Prozess der Konsolidierung stabi-lisiert werden.

Die bereits gefestigten Gedächtnisin-halte können durch bestimmte Ein� üs-se reaktiviert und anschließend erneut durch Störein� üsse verändert oder ver-gessen werden. „Um die Erinnerung langfristig zu erhalten, müssen die In-halte im Sinn einer Rekonsolidierung

dann erneut stabilisiert werden“, so Diekelmann.

Nickerchen hilft beim LernenDass der Schlaf für die Konsolidierung von neu gelernten Inhalten wichtig ist, gilt heute als unbestritten. „Probanden, die nach dem Lernen von neuen Inhal-ten schlafen dur� en, zeigten bei einem späteren Gedächtnistest deutlich besse-re Erinnerungsleistungen als solche, die nach dem Lernen wach geblieben wa-ren“, berichtete Diekelmann. Während des Schlafs werden die schwachen und anfälligen neuen Erinnerungen gefes-tigt und in den Langzeitspeicher über-tragen, aus dem sie auch noch nach län-gerer Zeit wieder abgerufen werden können.

Aber nicht nur die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten nach dem erst-maligen Lernen, sondern auch die Re-konsolidierung bereits gespeicherter In-

halte wird durch einen gesunden Schlaf verbessert. „Schlaf hil� , Gedächtnisin-halte langfristig zu bewahren und auch noch nach längerer Zeit gegen störende Ein� üsse zu schützen“, so Diekelmann. Diese Erkenntnisse haben praktische Relevanz. So könnte es sinnvoll sein, nach dem Wiederholen des Erlernten ein Nickerchen zu machen, um zu verhin-dern, dass neues Lernen die bereits ge-lernten Inhalte stört. Dadurch lassen sich wiederholte Inhalte festigen und ge-gen ein Überschreiben durch das neu zu lernende Material schützen.

Intelligenz. „Die Di� erenzierung in ein proletarisches und ein akademisches Schlafverhalten ist ein Mythos“, betontedie Expertin. Polygra� sche Merkmale eines guten Schlafs sind: schnelles Ein-schlafen, nur kurzes Aufwachen, genü-gend Tiefschlaf und eine richtige Tak-tung. Dies garantiert eine optimale Leis-tungsfähigkeit am Tag.

Schlaf und KrankheitsrisikenNicht nur für die subjektive Be� ndlich-keit, sondern auch im Hinblick auf Krankheitsrisiken sollte der Schlaf „gut“ sein. Eine Metaanalyse (Capuccio et al., Sleep 33, 2010) konnte zeigen, dass die Lebenserwartung bei einer Schlafdauer zwischen 7 und 8 Stunden am höchstenist. Bei Menschen mit einer Schlafdauer von unter 6 Stunden nimmt sie um 12%ab, bei einer Schlafdauer über 9 Stunden sogar um 30% , wobei Langschläfer meist an einer schlechten Schlafqualität leiden.

Bei Schlafmangel steigt das Risiko für ei-nen Hochdruck um 60%. Das Risiko für einen Schlaganfall ist sowohl bei „Zu-kurz-“ als auch bei „Zu-lang“-Schläfernum das 2-Fache und für einen Herzin-farkt sogar um das 2,5-Fache erhöht.

Ein weiteres Risiko bei Schlafmangel ist die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit. „Wer länger als 24 Stunden wach ist, dessen kognitive Be-einträchtigung ist vergleichbar mit der bei einem Betrunkenen mit einem Alko-holspiegel von 1 Promille“, so Knab.

Viele Komorbiditäten bei OSADie häu� gste schla� ezogene Atmungs-störung ist das obstruktive Schlaf-Apnoe-(OSA-)Syndrom. Es liegt vor, wenn während des Schlafs mindestens fünf Atempausen mit einer Dauer von mehr als 10 Sekunden dokumentiert werden und der Patient eine vermehrte Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlaf-

zwang angibt. Betro� ene fallen meist durch lautes Schnarchen auf. � erapie der Wahl ist die Atemmaske (CPAP).

Eine Reihe von Herz-Kreislauf-Er-krankungen steht zum OSA in kausalem Zusammenhang. So ist OSA eine der häu� gsten Ursachen für eine sekundäre arterielle Hypertonie, andererseits för-dert der Hochdruck auch die Manifesta-tion der OSA. Deshalb sollte man bei al-len Hypertonikern an diese Begleiter-krankung denken. Darüber hinaus ver-schlechtert OSA auch den Verlauf und die Prognose einer KHK, und auch die primäre Manifestation des Vorho� im-merns wird begünstigt bzw. das Rezidiv-risiko bei dieser Rhythmusstörung er-höht. Dazu kommt ein ungünstiger Ein-� uss auf das metabolische Syndrom, d. h. die Insulinsensitivität nimmt ab.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Vortrag im Rahmen eines Presseworkshops der Fa. Bayer Vital GmbH in Kloster Roggenburg

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