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Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht, depressiver Denkhemmung und schizophrener St~rung des Denkens? Von Dr. Wilh. StScker, Assistent der Psychiatrischen und Nervenklinik zu Breslau. (Eingegangen am 20. Mdrz 1919.) Will man sich den Unterschied zwischen den so verschiedenen Asso- ziationsstSrungen der Ideenflucht, der depressiven Denkhemmung und der schizophrenen StSrung des Dcnkens klarmachen, so nimmt man am besten, was eigentlich selbstversti~ndlich ist, seinen Ausgang von dem normalen Denkvorgang und versucht an der Hand dessen zuni~chst den Unterschied zwischen dem normalen Denken und jeder einzelnen der oben angeffihrten StSrungen zu ergrfinden; dann erst lassen sich Ver- gleiche zwischen den einzelnen StSrungen unter sich ziehen und die Unterschiede zwischen den einzelnen StSrungen sich feststellen. Unser Denken hat zur unbedingten Voraussetzung einen gewissen Besitzstand von Wissen odor Erfahrungsschatz, ohne den ein logisches Denken, auch wenn die Fi~higkeit dazu vorhanden wi~re, undenkbar ist aus Mangel an B~usteinen oder Betriebsmaterial, genau so wie ein guter Kaufmann nur groBztigig arbeiten kann, wenn das nStige Betriebs- kapital und gentigende Geschi~ftsverbindungen ihm zur Verfiigung ste- hen; widrigenfalls er mit seinen F:,ihigkeiten auf eigene Faust wenigstens nichts anzufangen vermag. Das Gediichtnis, das somit als unbedingte Voraussetzung wieder ftir die Erwerbung des Erfahrungsschatzes eine Voraussetzung unseres Denkens bildet, ist eine Fi~higkeit, die bei den einzelnen Menschen ver- sehieden gut ausgepragt ist. Wir kennen Menschen mit gutem und solche mit schleehtem Gedi~chtnis. Die Fi~higkeit des Gedi~chtnisses beruht im wesentlichen auf der Tatsache, dab alles, was wir psychiseh erleben, eine dauernde Spur, das sog. Engramm, in unserer Psyche zurtickli~Bt. Die Fi~higkeit eines guten Gedi~chtnisses besteht nun darin, dab diese Eindrficke einesteils festhaften, andrenteils bei Gebrauch leicht erweckbar sind. Im allgemeinen lehrt nun die Erfahrung, dal3 das, was wir gutes oder schleehtes Gedi~chtnis nennen, weniger darauf be- ruht, Engramme zu bilden und festzuhalten, als darauf, diese Engramme

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  • Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht, depressiver Denkhemmung und schizophrener St~rung des

    Denkens? Von

    Dr. Wilh. StScker, Assistent der Psychiatrischen und Nervenkl in ik zu Breslau.

    (Eingegangen am 20. Mdrz 1919.)

    Will man sich den Unterschied zwischen den so verschiedenen Asso- ziationsstSrungen der Ideenflucht, der depressiven Denkhemmung und der schizophrenen StSrung des Dcnkens klarmachen, so nimmt man am besten, was eigentlich selbstversti~ndlich ist, seinen Ausgang von dem normalen Denkvorgang und versucht an der Hand dessen zuni~chst den Unterschied zwischen dem normalen Denken und jeder einzelnen der oben angeffihrten StSrungen zu ergrfinden; dann erst lassen sich Ver- gleiche zwischen den einzelnen StSrungen unter sich ziehen und die Unterschiede zwischen den einzelnen StSrungen sich feststellen.

    Unser Denken hat zur unbedingten Voraussetzung einen gewissen Besitzstand von Wissen odor Erfahrungsschatz, ohne den ein logisches Denken, auch wenn die Fi~higkeit dazu vorhanden wi~re, undenkbar ist aus Mangel an B~usteinen oder Betriebsmaterial, genau so wie ein guter Kaufmann nur groBztigig arbeiten kann, wenn das nStige Betriebs- kapital und gentigende Geschi~ftsverbindungen ihm zur Verfiigung ste- hen; widrigenfalls er mit seinen F:,ihigkeiten auf eigene Faust wenigstens nichts anzufangen vermag.

    Das Gediichtnis, das somit als unbedingte Voraussetzung wieder ftir die Erwerbung des Erfahrungsschatzes eine Voraussetzung unseres Denkens bildet, ist eine Fi~higkeit, die bei den einzelnen Menschen ver- sehieden gut ausgepragt ist. Wir kennen Menschen mit gutem und solche mit schleehtem Gedi~chtnis. Die Fi~higkeit des Gedi~chtnisses beruht im wesentlichen auf der Tatsache, dab alles, was wir psychiseh erleben, eine dauernde Spur, das sog. Engramm, in unserer Psyche zurtickli~Bt. Die Fi~higkeit eines guten Gedi~chtnisses besteht nun darin, dab diese Eindrficke einesteils festhaften, andrenteils bei Gebrauch leicht erweckbar sind. Im allgemeinen lehrt nun die Erfahrung, dal3 das, was wir gutes oder schleehtes Gedi~chtnis nennen, weniger darauf be- ruht, Engramme zu bilden und festzuhalten, als darauf, diese Engramme

  • W. StScker: Welcher Unterschied besteht zwisehen einer Ideenflucht usw. 317

    wieder zu erwecken, ein Vorgang, den man mit Ekphorierbarkeit der Engramme bezeiehnet.

    Wir sehen nun weiter, dalt ein Erinnerungsbild um so leiehter ekpho- rierbar ist, je mehr assoziative Verkniipfungen es mit anderen Erinne- rung'sbildern eingegangen hat. Darauf beruht die Tatsache, dab wir nns an etwas um so leichter erinnern, wenn wit es voll und ganz ver- standen haben, d. h. wenn wit es naeh allen Richtungen durehdaeht haben, es also in viele assoziative Verbindungen gebraeht haben.

    Desgleichen erinnern wir uns an etwas leichter, wenn wir uns haufig sehon erinnert haben. Dieser Vorgang der Ubung beruht letzten Endes wieder darauf, dab dureh die wiederholten Ekphorien immer wieder assoziative Verbindungen eingegangen werden und so die Zahl der asso- ziativen Verkniipfungen vermehrt wird, also letzten Endes ebenfalls auf der Zahl der assoziativen Verkniipfungen.

    Waiter sind von siehtliehem EinfluB auf das Erinnern die Affekte, sowohl in erinnerungsf6rderndem wie erinnerungshemmendem Sinne. Und zwar liegen, wie wir wissen, hierbei die Verhaltnisse so, dab die Engramme, die eine dem Affekt gleichsinnige affektive Note haben, leiehter erinnert werden als die, die eine dem Affekt entgegengesetzte Betonung haben, die unterdrtickt oder zu unterdriieken versucht werden. Es liegt also in der Affektivitat, vielmehr in ihrem EinfluB auf unser Denken, einmal ein positiver, erinnerungsf6rdernder, dann aber auch ein negativer, erimmrungshemmender Faktor. Dieser erinnerungs- f6rdemde und erinnerungshemmende Vorgang nun ist erfahrungsgemi~g wieder nm so starker, je starker der auslSsende Affekt ist; wie es die pathologischen Zustitnde yon Manie und Depression lehren.

    Da nun weiterhin erfahrungsgemaB die Ekphorie von Engrammen wohl immer auf dem Wege yon Assoziation zustande kommt, so deeken sieh die Erinnerungsgesetze mit den Assoziationsgesetzen.

    Unter diesen Erinnerungsassoziationsgesetzen muir man unter- seheiden zwischen den einfachen Grundgesetzen, naeh denen die asso- ziativen Verkniipfungen zustande kommen und nach denen sie geordnet in unserem Gedachtnis aufbewahrt werden, sowie den EinfluB, den das Denkziel und seineAbart, die jeweilige Konstellation, auf die assoziativen Verkniipfungen, respektive Wiedererweckbarkeit von Engrammen ausiiben. Die sog. Konstellation lagt sieh insofern als eine Abart des Denkziels bezeiehnen, als sie an Stel!e eines bestimmten Denkziels oder, wie sieh L ie pmann ausdriiekt, einer besonderen Obervorstellung des Denkens, unser Denken leitet, also gleiehsam die Ziel- oder Obervor- stellung in unserem Denken darstellt bei mangelnder eigentlieher Ober- vorstelhmg. Die einfaehen Assoziationsgrundgesetze treten uns fast rein in dem sog. Assoziationsversueh entgegen, der darin besteht, dab man die Versuehsperson auffordert, auf ein vorgesproehenes Wort das

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    erste beste Wort zu sagen, das ihr einfiillt. Durch diesen Kunstgriff wird ein eigentliches Denkziel oder eine Obervorstellung des Denkens, die sonst unser Denken beherrscht und leitet, ausgeschaltet, respektive auf ein Minimum beschri~nkt. Hierzu ist allerdings zu, bemerken, daft zwar dadurch ein Denkziel fast ganz, der EinfluB der sog. Konstellatlon aber nur in recht beschri~nktem MaBe ausgeschaltet werden kann. Durch diesen nicht in dem wiinschenswerten MaBe auszuschaltenden Faktor der Konstellation wird bewirkt, dab in der Norm bei Assoziationsver- suehen immer noch die Reaktionen in einer, eine gewisse Oberleitung zeigenden Weise erfolgen.

    Trotzdem li~Bt sich aus den Assoziationssversuchen trotz der ihnen noeh anhaftenden Fehlerquellen nachweisen, dab die einfachsten asso- ziativen Verkniipfungen angeordnet sind in enger Verbindung naeh ri~umlichem und zeitlichem Zusammensein (Gleichzeitigkeit und zeit- lieher Reihenfolge), nach J~hnliehkeit und Kontrast, nach Koordination und Subordination, nach begriffliehen und klanglichen _~hnliehkeiten.

    Wir sehen aber im Assoziationsversueh weiter, dab nieht nur die. ni~chstliegenden, eng verkniipften Assoziationen geweekt werden, son- dern oft, sogar wohl meist andere, die mit dem Reizwort als solchem nichts oder nur wenig zu tun haben, die aber sofort versti~ndlieh werden, wenn man ein Zwisehenglied annimmt, das mit dem Reizwort und dem geaktionswort gleieh eng verbunden ist. So antwortet eine Versuchs- person z. B. auf das Reizwort ,,Vogel" mit ,,Halter", das Zwischenglied bfldet hier offensichtlich das Wort ,,Federhalter", das mit dem Wort ,,Vogel" und dem Wort ,,Halter" gleich eng verbunden ist durch das Wort ,,Feder". Die hierbei zutage tretende Neigung der Ekphorien zur Ausbreitung fiber weitere Strecken der assoziativen Verkniipfungen birgt in sich eine hohe Zweckmi~Bigkeit, da dadureh in erhShtem MaBe ftir Herbeischaffung reichliehen Denkmaterials gesorgt wird.

    Soviel tiber die einfachen Assoziations- oder Erinnerungsgrund- gesetze. Ihnen kommt in unserem Zieldenken lediglieh die Aufgabe zu, fiir die Herbeischaffung reiehliehen Denkmaterials Sorge zu tragen.

    Auf das jedoeh, was wir zielbewuBtes, logisches Denken nennen, haben sie keinen EinfluB; dieses wird allein geleitet durch die Affektivi- ti~t, und zwar ist es in dieser das sog. Interesse, eine Teilerscheinung der Seite der Affektiviti~t, die wir Aufmerksamkeit nennen, das naeh Ge- setzen, die zum groBen Tell unbewuBt verlaufen, sieh deshalb auch unserer genauen Kenntnis mehr oder minder entziehen, unser logisehes Denken leitet. Das Interesse bestimmt in unserem Denken das Denkziel oder die leitende Obervorstellung des Denkens - - es ist auch in den Fi~l- len, in denen die sog. Konstellation an die Stelle eines eigentlichen Denk- zieles tritt, wirksam, indem dann eben die jeweiligen Situationsbedtirf- nisse oder -forderungen den Wert einer interessebetonten Obervorstel-

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    lung bekommen- und trifft unter dem nach den Grunderinnerungs- gesetzen herbeigezogenem Denkmaterial die das Denkziel fSrdernde Auswahl.

    Diese besondere, durch das Interesse geleitete Ti~tigkeit unserer Psyche stellt das dax, was wir unter Intelligenzbegriff verstehen. Jemand ist zuni~chst um so intelligenter, je mehr AssoziationsmSglichkeiten er natiirlich zur Verfiigung hat, und insofern ist unsere Intelligenz bis zu einem gewissen Grade vom Gediichtnis abhimgig, obwohl jemand, der ein gutes Gedi~chtnis hat, noch nicht intelligent zu sein braucht; denn das Wesen der eigentlichen Intelligenz besteht darin, mit diesem zur Verftigung stehenden Erfahrungsschatz auch richtig arbeiten zu kSnnen, d. h. untcr den zur Verftigung stehenden AssoziationsmSglichkeiten die das Denkziel f5rderndste Auswahl treffen zu kSnnen. Diese Fi~higkeit ist nun bei den einzelnen Individuen sehr verschieden ausgepriigt. Indi- viduen, die die Fahigkeit besitzen, rasch und sicher auszuwi~hlen, so dal] sie auf dem kiirzesten und raschesten Wege zum Ziele gelangen, haben eine hohe Intelligenz.

    Diese Intelligenzleistung aber tei|t sich wieder in zwei Seiten, die recht wesentlich sich voneinander unterscheiden; die eine Seite ist die sog. reproduktive T~tigkeit, die mehr oder minder darin besteht, mit Hilfe einfacher Wiederholungen friiherer Erfahrungen zu arbeiten, und die sog. produktive Ti~tigkeit, der die Aufgabe zufiillt, durch intra- psychische Verknfipfungen des Assoziationsmaterials neue Wcrte zu schaffen. Diese letztere Aufgabe der Intelligenz stellt die vornehmere Seite des Intelligenzbegriffes dar.

    Diese beiden Funktionen des Intelligenzbegriffes kSnnen wieder bei den einzelnen Individuen recht verschieden sein; so kann z. B. jemand eine gute reproduktive Intelligenz besitzen, ohne produktiv zu sein. Es sind demnach bei dem Intelligenzbegriff wiederum die verschieden- sten Abstufungen und Schattierungen mSglich.

    Auch durch die Zahl der einzelnen Interessensphi~ren wird die In- telligenz der einzelnen Individuen modelliert.

    Im allgemeinen kann man jedoch mit B leu ler sagen, daft folgende drei Punkte das Wesen des eigentlichen Intelligenzbegriffes darstellen; ni~mlich die Fi~higkeiten 1. zu verstehen, was man wahrnimmt oder was man yon anderen erkli~rt bekommt, 2. so handeln zu k5nnen, dal~ das erreicht wird, was man erstrebt und 3. richtiges Neues zu kombinieren (logisehe Kraft und Phantasie).

    B leu ler sagt hierzu welter: ,,Alle diese Leistungen sind in erster Linie abh~ngig vonder Zahl der mSglichen Assoziationen. In dem Mo- saik unseres Denkens kann man um so mehr Ideen und um so feinere Nuancen ausdriicken, je mehr Steine man zur Verffigung hat. In der Tierreihe und vom Idioten bis zum Genie beruht die Intelligenzskala

  • 320 W. Stscker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    wesentlich auf der Zunahme der AssoziationsmSglichkeiten. Dabei sind nicht ganz identisch die MSglichkeit der Bildung vieler Assoziationen upd die MSgliehkeit der gleichzeitigen Ekphorie derselben; die erstere ist verhindert beim Oligophrenen, die letztere beim Organischen. In zweiter Linie kommt die Raschheit und Leichtigkeit in Betraeht, mit der die Assoziationen zufliei3en. Ffir den Gelehrten in der Studierstube mag es unwichtig sein, wie lange er zu seinen Uberlegungen brauehe. Wer im Leben drin steht, muI~ eine Situation sofort fibersehen und sofort die ftir das Handeln notwendigen Sehliisse ziehen kSnnen. Ferner gehSrt zu einer intelligenten Leistung die richtige Auswahl des zu assoziierenden Materials. Ich fiihre dies erst in dritter Linie an, well diese Funktion beim Durchschnittsmenschen verh~ltnismi~Big wenig zu wiinschen fibrigli~Bt; relativ selten wird viel Nichtzugeh5riges assoziiert, am ehe- sten bei den unten anzufiihrenden unklaren Oligophrenen. Zur Auswahl des hinzuzuziehenden Materials ist die Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem nStig, eine komplizierte Funktion, die abh~ngig ist vonder l~bersieht, also in letzter Linie wieder yon der Menge der Asso- ziationen. Um nicht nur, in alten Gleisen zu handeln, sondern Neues zu kombinieren, bedarf man einer groBen LSsbarkeit der Assoziationen, aber auch einer besonderen Aktivit~t des Wollens und Denkens in der Richtung des Beherrsehens der Umsti~nde."

    Diese Ausfuhrungen B leu lers drticken in kurzen Zfigen das aus, was den Intelligenzbegriff darstellt. Der letzte Punkt, die Auswahl der Assoziationen, ist nun im wesentlichen Aufgabe der Affektiviti~t, be- sonders des Interesses, das das Denkziel leitet und die Aktivitat des Wollens und Denkens bestimmt.

    Das Interesse als solehes ist eine Teilerseheinung derjenigen Seite der Affektiviti~t, die wir Aufmerksamkeit nennen. Wir verstehen dar- unter eine Eigenschaft unserer Psyche, die es uns ermSglieht, unsere ganze psychische Ti~tigkeit, vor allem unser Denken auf einige wenige oder nur ein Gebiet der allgemeinen Interessensph~ren, die das Leben bietet, einzuschr~nken, also eine hemmende Auswahl unter den ver- schiedenen Interessensph~tren zu treffen, indem unser Zieldenken nur auf eine solche eingeengt wird. Es steekt also zuni~ehst in dem Inter- esse eine negative hemmende Komponente. Demgegentiber aber verleiht das Interesse uns die Fi~higkeit, auf dem engumschriebenen Gebiet dieser Interessensphi~re ein Mehr- oder I-ISchstmal3 von geistiger Leistung zu vollbringen, in dem durch die Ti~tigkeit des Interesses mehr Assoziationen und assoziative Verbindungen auf diesem spezielten Gebiete gebahnt werden, respektive das Aussuchen derselben erleiehtert und ihr Ablauf beschleunigt wird; es steekt also in zweiter Linie auch eine positive erregende Komponente der Aufmerksamkeit in dem Interesse.

    Es handelt sich hierbei um einen ganz 5hnlichen Vorgang, wie wir

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    ihn yon der Wirksamkeit der Mfektivit~it her kennen. Wir wissen n~imlich, dall gleichsinnige Affekte gleiehsinnige Assoziationen bahnen, ungleichsinnige hemmen. Daher kommt es, das z. B. depressive Kranke nur unlustbctonte, euphorische Kranke nur lustbetonte Assoziationen aufkommen lassen.

    Es steekt in dieser Eigenart des Interesses eine hohe Zweckm~l~ig- keit, indem durch die Einhemmung unseres Denkens auf eine oder nur wenige Interessensph~ren bei gleichzeitiger ErhShung des Willens auf diesem Gebiete etwas zu leisten und bei Erh6hung der Zuffihrung zugehSriger Assoziationen auf diesem Gebiete einmal erreicht wird, dal~ unser Denken sich nicht zersplittert, sondern zum allgemeinen Wohle auf ein bestimmtes Gebiet konzentriert wird, w~hrend andererseits unser Denkorgan angespornt wird, auf diesem engumschriebenen Gebiete ein HSchstmall yon Denken zu leisten.

    Weiter wissen wir, dab dieser Vorgang, nhmlich F6rderung gleich- sinniger und Unterdrfickung widersinniger Assoziationen abh~ingig ist von der quantitativen St~rke der Mfektc ; denn wir sehen, dal~ je st~irker ein depressiver oder euphorischer Affekt ist, um so besser diesc Auswahl geschieht ; d. h. um so weniger den Affekt widersprechende Assoziationen kommen in die Erscheinung.

    Weiter wissen wir, d~l~ in der Norm lustbetonte Assoziationen in einem bestimmten Grade gef6rdert, unlustbetonte dagegen unter- drfickt, respektive zu unterdrficken versucht werden. Dies kommt daher, dal~ unser normaler psychischer Affekttonus zweckvollerweise auf eine leicht euphorische, lebensbejahende Spannung eingestellt ist. Ich werde in einer sphteren Arbeit fiber die Rolle der Affektivit~t in unserer Psyche noch des n~iheren auf diese Verh~ltnisse eingehen; hier sollen diese Hinweise genfigen.

    In unserem Zieldenken aber vertritt das Interesse die Stelle der Affektivitiit in dem Sinne, dal3 alles, was dem Interesse an Assoziationen f6rderlich ist, d. h. unser Zieldenken vorwitrtsbringt, eine lustbetonte Note hat, also gef6rdert wird, dagegen alles andere unterdrfickt wird. Normalerweise verh~ilt es sich nun so, dal~ das Interesse, d. h. die Lust zur Besch~iftigung mit einer Interessensph~re, die affektive Weckung bestimmt, indem das Interesse an einer Frage eben allen zugeh6rigen Assoziationen eine lustbetonte Note verleiht und sie so weckt; umge- kehrt kommt es aber unter pathologischen Verh~iltnissen, wenn ein hoher euphorischer oder depressiver Mfekt unsere Stimmung beherrscht, zu einer Beeinflussung des Interesses in dem Sinne, dal~ nun der euphorische oder der depressive Mfekt das Interesse bestimmt; d. h. nicht eine Interessen- sphere, die uns interessiert, verleiht den zugehSrigen Assoziationen eine lustbetonte Note, sondern alle lustbetonten Assoziationen, respektiv in Depressionen depressive Assoziationen erregen unser Interesse.

    Z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. XLVI I I . 21

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    Darin steckt, wie wir aus der Erfahrung wissen, etwas Unzweck- m~13iges, indem die ffir das logische Denken unerl~ssigen widersinnigen Assoziationen, die wir als Gegengrfinde kennen, bei zu starker Affektivi- ti~t in erhShtem MaBe unterdrfickt werden und so ffir unsere Berech- nungen und Abw~tgungen auBer Betracht kommen. Daher kommt es, daB stark affektiv veranlagte Menschen sich in eine Idee verbohren kSnnen, ohne die Gegengriinde zu wfirdigen, weft sie ihnen gar nicht ein- fallen. Die Folge davon ist, dab das Denken solcher Leute etwas Unlo- gisches bekommt, daB sie zu Trugschlfissen und Fehldeutungen neigen, well sie die mSglichen Einw~nde nicht in Betracht zu ziehen vermSgen.

    Deshalb ist es ffir ein geordnetes logisches Denken erforderlich, dab diese fSrdernde und hemmende Kraft des Interesses in einem gewissen bestimmten Kri~fteverhMtnis zueinander stehen. Es mug die Kraft des Affektes des Interesses so groB sein, um viele gleichsinnige Assoziationen zu 15sen, darf aber fiber eine bestimmte St~rke nicht hinausgehen, damit nicht die erforderlichen Gegenassoziationen unterdrfickt werden, ohne da~ sie in Berechnung gestellt wurden.

    Umgekehrt aber mug diese unterdrfickende Kraft des Affektes aueh so stark sein, um nur die wesentlichen Gegenmomente aufkommen zu lassen und nicht alle nichtigen kleinlichen Einw~nde, weil dadurch wieder das Denken gehemmt wird. ,,~

    Die Schi~dlichkeiten dieser Kri~fteverschiebung sehen wir am deut- lichsten an den leicht pathologischen Zusti~nden der ttypomanie und der konstitutionellen Depression; wobei im ersteren Falle es zu affektiven Trugschlfissen kommt, die zu unfiberlegten Handlungen ffihren, weil die natfirlichen Hemmungen nicht genfigend zahlreich vorhanden sind; w~hrend es bei der konstitutionellen Depression zu keinem Fortschreiten des Gedankenganges kommt, weil der DenkprozeB fiber alle mSglichen kleinlichen Bedenken nicht hinwegkommt; weft mit anderen Worten zuviel Hemmungen sieh geltend maehen.

    Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dab dieser erste Auswahl- vorgang der zum Zieldenken zugehSrigen Assoziationen, von dem B leu- 1 e r mit Reeht sagt, dab er in der Norm verhi~ltnismi~Big wenig zu wiin- schen fibriglasse, abhiingig ist vonder quantitativen affektiven Kraft des Interesses.

    Diese erste Auswahl des groben Assoziationsmaterials jedoch, die in der Norm gut funktioniert, erhi~lt dagegen unter pathologischen Ver- h~ltnissen eine um so h(~here Bedeutung, da die StSrung derselben, wie wir spater noch sehen werden, das darstellt, was wir unter schizophrener AssoziationsstSrung verstehen.

    Mit dieser ersten Auswahl des Assoziationsmaterials aber ist unser Denken nicht ersehSpft; vielmehr mfissen wir neben dieser ersten Aus- wahl des, wenn ich mich so ausdrficken darf, groben zugehSrigen Asso-

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    ziationsmaterials, die im ilbrigen stets im Unbewufiten abzulaufen pflegt, noeh eine engere Auswahl im Sinne der weiteren F6rderung des eigent- lichen Denkziels unterscheiden, die bei einfaehen Denkprozessen gleich- falls unbewuI3t verlaufen kann; in vielen F~llen aber, besonders bei komplizierten Denkprozessen, so z. B. beim Suehen nach genauen Be- griffsbestimmungen, im bewui~ten Denken vor sich geht. Diese engere Auswahl hat die Aufgabe, unter den logisch denkbaren Verknilpfungs- mSglichkeiten zwischen der sog. Ziel- oder Obervorstellung des Denkens und herbeigezogenem, zugeh6rigem Assoziationsmaterial diejenigen oder diejenige Verknilpfung auszuw~ihlen, die die beste, zweckf6rderndste darstell~, d. h. diejenige, die den Begriff am klarsten und ktirzesten aus- driickt, respektive unser Denken an raschesten und besten, sowie auf dem kilrzesten Wege zum Ziele fiihrt.

    Ein Beispiel mag dies erli~utern. Mit dem Begriff ,,Pferd" sind nach den Grundassoziationsgesetzen verschiedene Begriffe eng verbunden, die im einfachen Assoziationsversuch auch jederzeit auftauchen k6nnen.

    So sind eng verbunden mit dem Begriff ,,Pferd" zun~chst die Asso- ziationen ,,Tier, S~uget!er, Haustier, Reittier, Tragetier, Zugtier" usw., dann ,,Wagen, Reisekutsche, Pferdestall usw." Im einfachen Assozia- tionsversuch ist es nun durchaus m6glich, da~ auf das tCeizwort Pferd eine yon den wenigen hier angefilhrten Reaktionen effolgt. Niemals wird aber z. B. auf die Frage ,,Was ist ein Pferd ?" ein normaler Mensch mit ,,eine Reisekutsche" oder ,,ein Pferdestall" antworten, sondern mit irgendeiner dcr zuerst angeftihrten l~eaktionen. Diese Ausschaltung gewisser Reaktionen, die nach den einfachen Erinnerungsgesetzen eben- falls jederzeit t)arat stehen, geschieht nach dem Denkziel oder der Ober- vorstellung und stel]t die erste grobe Auswahl des Assoziationsmateria]s nach Zugeh6rigkeit dar.

    Nach dieser ersten groben Auswahl des Denkmaterials gibt es aber noch eine zweite engere Auswahl unter dem eigentlich zugeh6rigen Material, die ebenfalls nach dem Denkziel, respektive nach der sog. Konstellation geschieht, d. h. dem Zusammenhange, in dem die Frage gestellt wurde. Wenn vorher von seiten des Lehrers die Rede yon S~uge- tieren war, so wird ein nur durchschnittlich begabter Schiller sofort mit ,,S~ugetier" antworten, entsprechend seiner Situationsauffassung; war vorher die Rede von Haustieren, natiirlich mit ,,Haustier". In solch einfachen Denkprozessen vollzieht sich auch diese zweite engere Auswahl ganz im UnbewuI~ten. Doch sehen wir hierbei in der Norm schon reeht grobe Unterschiede, indem ein weniger intelligenter Schiller ohne Rilck- sicht auf den Zusammenhang einfach ,,ein Tier" antworten kann, wo ein anderer den engeren Begriff ,,ttaustier" wi~hlen wilrde.

    Bei komplizierteren Denkprozessen indes geh6rt zur engeren Aus- wahl ein besonderer bewui3ter Denkproze6 mit vielen bewuBten t~[ber-

    21"

  • 324 W. Stscker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    legungen. Dies ist besonders bei abstrakter Begriffen der Fall. Man denke hierbei nut an die feinen, alles umfassenden, dabei mSglichst in knappen Worten gegebenen. Begriffsbestimmungen unserer Gesetzes- biieher, z. B. an die Begriffsbestimmung des Begriffes ,Diebstahl".

    Diese Fahigkeit der engeren Auswahl ist jedoch bei den einzelnen Individuen durchaus verschieden. Der Hoehintelligente wird raseh die kiirzeste, umfassendste LSsung linden. Haufig geht auch hierbei dieser Vorgang unbewuBt vor sich; wir haben dann das sog. intuitive Denken vor uns. Der weniger Intelligente wird hierzu langes Nachdenken ge- brauchen, ohne dann noeh das Beste zu leisten, obwohl er hierbei niehts NiehtzugehSriges assoziiert, d.h. obwohl hierbei die erste Auswahl des groben Assoziationsmaterials, die unbewuBt verlauft, gut funktioniert.

    Um dem Leben und seinen Anforderungen an das Denkorgan gerecht werden zu kSnnen, miissen wit in unserem Denken weiterhin die Fahig- keit haben, einmal ein bestimmtes Denkziel, eine bestimmte Obervor- stellung des Denkens festhalten zu kSnnen, dann aber noch die Fahig- keit, diese Obervorstellung im geeigneten Moment zu verlassen, um neuen Eindriicken besonders yon auBen gerecht werden zu kSnnen.

    Dies wird wiederum erreicht dutch zwei Aufmerksamkeitskompo- nenten, die in dem Begriff des Interesses enthalten sind und die sich im groBen und ganzen antagonistisch verhalten, ganz ahnlich wie der de- pressive Affekt zu dem expansiven, euphorischen Affekt.

    Es ist dies einmal die sog. Tenazitat der Aufmerksamkeit, d. h. die Fahigkeit, seine Aufmerksamkeit dauernd auf einen Gegenstand gerichtet zu halten: Diese Fahigkeit ist das, was uns ermSglieht, in dem Interesse eine bestimmte Obervorsteltung, die fiir den Gedankengang die Richtung gibt, festzuhalten, um sie herum die zugehSrigen Assoziationen zweek- entsprechend zu gruppieren, und im Sinne des Endziels dieser Obervor- stellung fortzuschreiten.

    Des weiteren ist es die Vigilitat der Aufmerksamkeit, d. h. die Fahig- keit, seine Aufmerksamkeit einem neuen Gegenstand (namentlich einem von auBen kommenden Reiz) zuzuwenden.

    Es handelt sich also hierbei wieder um eine hemmende und erregende Komponente der Aufmerksamkeit.

    Diese beiden mehr oder minder antagonistischen Komponenten der Aufmerksamkeit verhalten sieh zueinander wie die zwei antagonistischen Affektnoten der Lust und .Unluslr und stehen zu diesen erfahrungsgemaB in enger Beziehung, d. h. je starker die eine ausgeprSgt ist, um so schwacher ist die andere, wobei die Vigilit~t die positive, die Tenazi- tat die negative Skala reprasentiert. Die engen Beziehungen zu den Unlust- und LustMfekten hinwiederum auBern sich darin, dab mit dem Ansteigen der euphorischen Affekterregbarkeit die Vigilit~t der Auf- merksamkeit auf Kosten der Tenazit~t zunimmt, respektive umgekehrt

  • depressiver Denkhemmung und s(:hizophrener Stsrung des Denkens? 325

    mit dem Ansteigen der depressiven Affekterregbarkeit (lie Tenaziti~t steigt auf Kosten der Vigiliti~t.

    Um nun in der Norm allen Anforderungen gerecht werden zu kSnnen, miissen diese beiden Komponenten in einem bestimmten Gleichgewichts- verhMtnis zueinander stehen, d. h. sie mfissen beide in einem solchen St~rkeverhaltnis zueinander stehen, dab einmal die Ziel- oder Obervor- stellung festgehalten wird, dab abet dabei doch die Vigilit~t so stark ist, um neuen Eindriicken, neu auftauchenden Vorstellungen gerecht zu werden, ihnen die Aufmerksamkeit, respektive das Interesse ffir einige Zeit zuzuwenden und sic in Rechnung zu stellen.

    Auch bei der ersten Auswahl des groben Assoziationsmaterials spie- len diese beiden Komponenten eine Rolle mit, indem eine zu starke TenazitSt der Aufinerksamkeit hindernd auf die Zahl der geweckten Assoziationen wirkt, die Zahl derselben verringert, w~hrend eine starke Vigilitht mehr Assoziationeu weckt, wie das die Erfahrung in den patho- logischen ZustSnden, die wit sphter zu besprechen haben, lehrt.

    DaB tatshchlich diese beiden Aufmerksamkeitskomponenten sich zueinander genau so verhalten wie die positiven und negativen Affekte, sehen wir am besten in den sp~ter zu erSrternden StSrungen der Ideen- flucht und der Denkhemmung, in denen eine Gleichgewichtsverschie- bung zwischen diesen beiden ganz genau so wie zwischen dem expansiven Affekt der Lust und dem depressiven Affekt der Unlust eintritt.

    Dies wSre das Notwendigste aus den einfachen und affektiven Denk- gesetzen, soweit wires ffir unsere folgenden Ausftihrungen bediirfen. Wir sehen daraus, daB sowohl die erste wie die zweite Auswahl des Denk- materials lediglich bestimmt wird dutch die Aufmerksamkeit, vielmehr deren Teilerscheinung, das Interesse, also eine affektive Funktion.

    Ich habe eben gesagt, dab man die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung tiber das Wcsen dieser beiden Aufmerksamkeitskomponenten der TenazitSt und Vigilit~t am besten er~ehen kann an den StSrungen der Ideenflucht und Denkhemmung, deren Besprechung ich reich im folgenden zuwende.

    Die Ideenf lucht .

    Die ldeenflueht ist, wie wir wissen, eine Begleiterseheinung der manisehen Erregung. Die manisehe Erregung als solehe besteht in einer Steigerung aller psyehisehen Funktionen. Diese Erregung maeht sieh geltenc[ auf dem Gebiete des Willens durch eine Steigerung der Neigung zu psyehomotoriseher Bet~tigung, manisehem Bewegungs- und Rede- drang ; auf dem Gebiete der Affektivit~t in einer Steigerung der positiven Affektskala, also in einer Steigerung der normalerweise sehon vorherr- sehenden euphorisehen Stimmungslage und auf dem Gebiete des Den- kens in der Erseheinung, die wir eben Ideenflueht nennen, und die wieder

  • 326 W. StScker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    letzten Endes ihren Grund hat in der Erregung der Affektivitiit. Da aber die Aufmerksamkeit eine Teilerscheinung der Affektivitat ist, so ist naturgem~tI~ aueh diese erregt. Diese Steigerung der allgemeinen Auf- merksamkeit bewirkt natfirlich auch eine Steigerung seiner Teilersehei- nung, des Interesses.

    Dieses erfi~hrt einmal eine Steigerung in dem Sinne, dab entsprechend der euphorisehen Affekterregung auch die Vigilit~tskomponente der Aufmerksamkeit eine Steigerung erfahrt gegenfiber der Tenazit~ts- komponente, die entsprechend dem Absinken der depressiven Affekt- erregbarkeit ebenfalls absinkt. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob tats~chlich ein Absinken der Tenazit~tskomponente, ebenso wie der depressiven Affekterregbarkeit zugleich mit dem Ansteigen der Vigili- t~ttskomponente und des euphorischen Affekttonus stattfindet, oder ob dieses Absinken nur seheinbar ist und durch das starke Mi~verhi~ltnis der beiden Affektarten infolge der Steigerung der Vigilititt und des eu- phorisehen Mfektes vorgeti~uscht wird. In praxi ist dies auch ganz irre- levant, die tats~chliehen Verh~ltnisse werden dadurch nieht gei~ndertl). Die StSrung, die sieh daraus ergibt, ist die HauptstSrung der Ideen- flueht und hat ihren Grund in dem sich daraus ergebendem Mil3ver- hi~ltnis zwisehen Tenazitat und Vigiliti~t der Aufmerksamkeit: Mit der Steigerung der Vigilit~tskomponenten der Aufmerksamkeit, der sog. Hypervigiliti~t, d. h. der erhShten Fi~higkeit, die Aufmerksamkeit, re- spektiv das Interesse neuen Eindrticken zuzuwenden, ist auch eine quantitative Steigerung dieser Affektkomponente verbunden, vielmehr es ger~t die erste Auswahl des groben Assoziationsmaterials unter die Herrschaft des hohen Lustaffektes, der nun seinerseits das Interesse bestimmt. Dadurch kommt nach unseren obigen Ausftihrungen eine intensivere erste Auswahl in dem Sinne zustande, da[3 mehr noch als in der Norm dem Affekt gleiehsinnige Assoziationen gefSrdert, dagegen ihm widersinnige unterdriickt we~den. Die n~ehste Folge davon ist, dal3 weniger logische Einwiinde und Gegengrtinde aufkommen, mit anderen Worten, da[~ die nattirlichen Hemmungen eingesehri~nkt, respektive ausgesehaltet werden. Darunter mu[3 naturgem~13 das logische Denken leiden. Die weitere Folge dieser Herrsehaft des Lustaffektes auf Kosten des logischen Denkens ist, dal3 die sog. inneren Assozi~tionen, die die Ideen nach logischer ZusammengehSrigkeit (t3berordnung, Unterord- nung, Kausalit~t, nach dem aktuellen Denkziel) verbinden, zuriick- treten, wiihrend dagegen die ~ul3eren und die Wortassoziationen zuneh- men; die ersteren hauptsachlich wegen des erhShten Interesses, das den Dingen der Umwelt infolge der Hypervigiliti~t entgegengebraeht wird; die letzteren einesteils wegen des Fortfalls des logischen Gedanken-

    1) ~anliches gilt auch fiir den umgekehrten Fall in der sogenannt('n depressi- yen Denkhemmlmg.

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener StSrung des Denkens? 327

    ganges, aber vor alle'm auch wegen der erhShten Lustnote, die Wort- spielereien, Reimereien und sonstige klanglichen Ahnlichkeiten gegeniiber der Norm erhalten, so dab sie bei der tterabsetzung der Tenazit~ts- komponente imstande sind, die Fiihrung im Assoziationsreigen zu be- kommen; dabei ist zu bemerken, dab es nur zu einem Uberhandnehmen dieser ~uBeren Wortassoziationen kommt gegenfiber den inneren Asso- ziationen, dab aber die erste grobe Auswahl des Assoziationsmaterials nach ZugehSrigkeit im Sinne der 0bervorstellung, soweit innere Asso- ziationen gefSrdert werden, durchaus dem Zieldenken entspricht, es wird yon den inneren Assoziationen nichts NichthinzugehSriges assoziiert, da die nachhaltige quantitative Kraft des Interesses nicht herabgesetzt, sondern sogar gesteigert ist, also diese Auswahl nach dem oben Ge- sagten gut, ja besser funktionieren muB, als in der Norm.

    Man kann sich die Verh~ltnisse, wie sie bei der Ideenflucht liegen, am besten klarmachen durch einen Vergleich mit einer Wassersi~ule in einer U-fSrmig gebogenen RShre, wobei der normale Stand rechts die positive Skala (Vigilitat), links die negative Skala (Tenazit~t) darstellen soll. Ein Ansteigen der Wassers~tule rechts hat nun ein Sinken links und um- gekehrt zur Folge; die dabei entstehenden Niveaudifferenzen zwischen re6hts und links sind natiirlieh yon der Sti~rke des jeweiligen Anstiegs abhi~ngig.

    Das nun bei der Ideenflueht durch das Ansteigen der Vigiliti~t und Sinken der Tenaziti~t entstehende MiBverhi~ltnis zwisehen der Sti~rke der beiden Komponenten erkl~rt uns die Erscheinungen der Ideenflucht in allen ihren Variationen und graduellen Abstufungen zusammen mit dem Umstand, dab die ausgesproehene Euphorie entsprechend der Tat- sache, dub starke Mfekte nur ihnen gleichsinnige Assoziationen f6r- dern, die anderen aber unterdrticken, nur lustbetonte Assoziationen in die Erscheinung treten l~Bt.

    Dam aber Affekte gleichsinnige Assoziationen f6rdern, ihnen wider- sprechende unterdriicken, hat seinen Grund in dem EinfluB der Affekte auf das Interesse, indem die Affekte die Richtung des Interesses mehr oder minder zu bestimmen pflegen. Daher kommt us, dab ein Eupho- rischer nur lustbetonten, ein Depressiver nur unlustbetonten Assozia- tionen seine Aufmerksamkeit zuwendet.

    Dadurch wird bedingt, dab der Inhalt der Gedankengi~nge Ideen- flttchtiger stets ein lustbetonter ist, dab unlustbetonte Vorstellungen, wenn sie je einmal dazwischen auftreten, ohne nachhaltige Wirkung sind, nie zu der St~rke eines Unlustaffektes anwachsen kSnnen wie in der Norm, und da{~ sie sehr rasch wieder dureh den heiteren Grundaffekt verdri~ngt werden.

    Die Steigerung der Vigiliti~tskomponente des Interesses dagegen be- wirkt, dab an Stelle der normalen Vigilit~it eine Hypervigiliti~t der Auf-

  • 328 W. St~icker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht~

    merksamkeit tritt. Diese bewirkt wieder, dab die Aufmerksamkeit durch jede neu auftauchende Vorstellung oder Wahrnehmung in An- spruch genommen wird. Die Folge davon ist, da~ viel mehr Dinge un4 Vorg~nge in der Umgebung bewu~t wahrgenommen werden als in der Norm. Man bezeichnet diese Erscheinung als leichte Ablenkbarkeit der Aufmerksamkeit durch die Dinge der Umwelt. Eine weitere Folge der vermehrten Wahrnehmungen natfirlich ist, dal~ die Aufmerksamkeit bei der einzelnen Wahrnehmung nur kfirzere Zeit verweilen kann, also raseh immer wieder yon einer Wahrnehmung zu einer anderen abspringt.

    Der gleiche Vorgang finder auch intrapsychisch start, indem die innere Aufmerksamkeit durch jede neu auftauchende Vorstellung eben- falls in Anspruch genommen wird. Es werden deshalb viel mehr Asso- ziationen, ob bewuBt oder unbewuBt, in derZeiteinheit wahrgenommen. Die weitere Folge dieses Umstandes ist wieder, da~ die Aufmerksamkeit dementsprechend kfirzere Zeit nur bei der einzeinen Vorstellung verweilt. Ob dieses anscheinende Mehrproduzieren yon Vorste]lungen aber ledig- lieh seinen Grund darin hat, dab nur yon den auftauchenden Assozia- tionen mehr wahrgenommen werden, daffir aber das Verweilen bei den einzelnen Assoziationen verkfirzt wird oder ob als weiteres Hilfsmoment noeh dazu kommt, da~ beim ideenflfichtigen Manischen tatsSchlich in der Zeiteinheit noch mehr Assoziationen produziert werden als in der Norm, l~Bt sich experimentell psychologiseh nicht nachweisen, hn Gegen- teil scheint es eher so, als ob beim Denken im Experiment, d.h. im Asso- ziationsversuch die Reaktionszeit gegenfiber der Norm zum mindesten nicht verkfirzt, eher sogar etwas verlangert sei. Subjektiv und objektiv jedoch wird der Eindruck erweckt, als ob der Ideenflfichtige rascher denke, und ich glaube auch, dal3 dies tatsachlich der Fall ist, weniger des erw~hnten subjektiven und objektiven Eindrucks wegen, als vielmehr nach Analogie der Denkhemmung, bei der sich umgekehrt die Ver- langsamung des Denkens nieht bestreiten l~t . Dal~ sich im experi- mentellen Versuch ein rascherer Ablauf der Assoziationen nicht naeh- weisen l~{~t, sogar eher das Gegenteil der Fall zu sein scheint, will nach meiner Ansicht fiieht allzuviel besagen, wenn man die Fehlerquellen bedenkt, denen solche Versuehe ausgesetzt sind.

    Als solche Fehlerquellen kommen in Betraeht einmal die ungewohnte Situation des Experiments, die auch beim Manischen einen gewissen hemmenden Einflu~ ausfibt; ferner der danfit verbundene, wenn auch ieichteste Zwang, der auf den psychomotorisch erregbaren Kranken hierbei ausgefibt werden muff, und nicht zum mindesten der Umstand, da~ im kfinstlichen Experiment hie das Interesse des Kranken so an einer Sache beteiligt werden kann, wie dies bei Versuchen mit normalen Per- sonen mSglich ist, bei denen gegenfiber der Norm sogar eine Steigerung des Assoziationsabiaufs durch das Experiment erzielt wird, die gleich-

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener Stsrung des Denkens? 329

    sam, wie sich L iepmann ausdriickt, bis zu einem gewissen Grade kiinstlich ideenfliichtig gemacht werden. So kann es kommen, dab in- folge dieser Fehlerquellen sogar eine Verlangsamung des Denkens Ideenfliichtiger im Experimente vorget~uscht wird, wi~hrend im spon- tanen Denken die Zahl der Assoziationen sehr wohl vermehrt sein kann und kS wohl auch tats~chlich ist.

    Der Umstand, da6 der Inhalt der einzelnen Vorstellungen infolge der euphorischen Verstimmung stark affektiv betont ist, bewirkt, dab jede einzelne Vorstellung starke affektive Kraft hat und so das Interesse in erhShtem Ma6e in Anspruch nimmt. Dazu kommt, dab die Tenazi: t/itskomponente des Interesses herabgesetzt ist, also der Ziel- oder Ober- vorstellung ein groBer Tell ihrer dominierenden, haftenden Kraft fehlt. Die ni~chste Folge davon ist, dab die Zielvorstellung nicht festgehalten werden kann, dab sieh das Interesse jeder neu auftauchenden Idee zu- wendet und diese den Charakter einer Zielvorstellung oder besser domi- nierenden Obervorstellung bekommt, bis sie yon der ni~chstfolgenden interessebetonten Wahrnehmung oder Vorstellung wiederum abgel6st wird. Hierzu, n~mlieh zu der klassischen Ideenflucht, geh6rt aber sehon ein reeht betr~chtlicher Grad von manischer Erregung, der einen starken Anstieg der Vigilit~tskomponente und ein starkes Fallen der Tenazi- t~tskomponente bewirkt, also zu einem starken Niveauuntersehied zwischen beiden fiihrt. In leichteren und leichtesten Graden yon ma- nischer Erregung jedoeh, wenn das Miilverhi~ltnis zwisehen diesen beiden Aufmerksamkeitskomponenten nieht so kral] ist, kommt es nur zu ge- legentlichen Absehweifungen in einzelne, besonders stark affektiv be- tonte Nebenassoziationen, yon denen aus sich aber der Gedankengang immer wieder wegen geniigend starker Tenazitiit der Obervorstellung zu dem eigentlichen Gedankenfaden zuriiekfindet.

    So kommt es, dal] das ideenfliiehtige Denken, wie sich Bleuler ausdriickt, inhaltlich night ziellos ist, aber ein best~ndig wechselndes Ziel hat. Wenn Ble ule r weiterhin fortfiihrt, dab man in der Ideenflueht ein Uberhandnehmen der ~uBeren und Wortassoziationen sehe auf Ko- sten der inneren Assoziationen, welch letztere die Ideen naeh logiseher Zusammengeh6rigkeit (Oberordnung, Unterordnung, Kausalitht.), naeh dem aktuellen Denkziel verbinden; dab dagegen an deren Stelle treten zufiillige Verbindungen und oft Verbindungen, die gar nicht vom Sinn eines Wortes, sondern yon seinem Klang ausgehen, wie Reline und Worterg~inzungen, so hat dies wiederum seinen Grund in der Eigenart der StSrung der Ideenflucht. Die Steigerung der Aufmerksamkeit n~m- lieh, vor allem die leichte Ablenkbarkeit derselben gegeniiber den Vor- gi~ngen der Umwelt hat zur Folge, dab viel mehr Wahrnehmungen Be- deutung fiir den Gedankengang des Kranken bekommen. Dadurch wird ein Abspringen der Zielvorstellung auf mehr Wahnmhmungen

  • 330 W. StOcker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    bewirkt, so dab schon deshalb die inneren Assoziationen zurficktreten mfissen. Unter diesen aber werden wieder Klang- und Wortassoziationen bevorzugt, da diese sich der Aufmerksamkeit leichter aufdrangen, w~h- rend dagegen die eigentlichen inneren Assoziationen, die die Ideen nach logischer ZusammengehSrigkeit verbinden, wieder zurfiektreten gegen die Norm, da sie ffir ihre LSsung und Verbindung ein mehr oder minder geordnetes Denken zur Voraussetzung haben, das naturgem~B bei der StSrung der Ideenflucht in einem der St~rke der StSrung entsprechen- dem Grade leiden muB.

    Daher sehen wir aueh, daB sich in den Schlfissen und Urteilen dieser Kranken eine ausgesprochene Schw~che zeigt, obwohl sie imstande sind, manche geistreiche, vor allem richtige Bemerkungen zu machen; geistreiche Wahrheiten ausspreehen, die gesunden Menschen nieht ein- fielen, respektive yon ihnen nieht ausgesprochen wfirden. Da[t Manische hierzu imstand sind, daran ist vor allem der Umstand schuld, dab bei ihnen die normalen Bedenken wegfallen, die stark hemmend auf das Denken einwirken; sie reden deshalb gerade, was ihnen im Moment einf~llt, ohne dabei zu bedenken, ob es opportun ist, das auszusprechen oder nicht. Daraus erkl~rt es sieh auch, dab die Witze und Seherze Manischer oft recht gewagt und h~tufig auch recht taktlos erscheinen. Es kann dadureh aber unter Umstanden der Eindruck geistiger Mehr- leistung, auch in Hinsieht auf die anscheinende Mehrproduktion von Vorstellungen, erweekt werden, der aber tatsachlich nieht vorhanden ist. Es sind im Gegenteil - - und das muB nachdrficklichst betont werden - - trotz einer wahrscheinliehen Mehrproduktion an Ideen, die geistigen Leistungen geschw~cht, oberflachlich und voreilig, nicht durehdaeht.

    DaB es tats~chlich letzten Endes die Aufmerksamkeit und deren besondere Abart, das Interesse ist, das den Wechsel des Denkziels bedingt, sehen wir am besten an den leichteren F~llen yon Ideenflucht. Wir sehen namlich, dab in leichteren F~llen, wenn das MiBverh~ltnis zwischen Tenazit~t und Vigilit~t der Aufmerksamkeit nicht so kraft ist, es ledig- lich zu einer leiehten Beschleunigung und Vermehrung, einer grSBeren Fl~issigkeit des Ideenablaufs kommt. Hierbei kommt es in den leb- haften und gern vorgebrachten Erz~hlungen der Kranken ebenfalls zu einem Abspringen des Gedankenganges vonder eigentlichen Zielvor- stellung auf Nebenassoziationen; abet wir sehen dann, dab diese Neben- assoziationen dann zwar eine Zeitlang festgehalten und ausgesponnen werden, da~ es aber immer wieder zu einem Zurfickfinden zur eigentlichen Zielvorstellung, zum eigentlichen Faden der Erz~hlung kommt. L~13t man solche Leute frei erz~hlen, ohne sie zu unterbrechen, so verlieren sie sich in ausffihrliehe Beschreibungen von Nebenumst~nden, ohne dabei das eigentliche Thema aus den Augen zu verlieren. Ihre Erz~h- lungen werden dadurch nur lang und breit. Maeht man sie darauf auf-

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener StSrung des Denkens? 331

    merksam, dab diese Dinge doch gar nieht zu ihrer eigentlichen Erzi~h- lung gehSrten, so bekommt man regelmi~Big Antworten wie: ,,Ja, 4as k6nnen Sie nieht wissen, das ist wichtig oder das ist zu ulkig oder zu interessant, das muB ieh unbedingt miterzi~hlen." Sie geben uns also selbst den Grund an fiir das Abschweifen, der in der starken affektiven Betonung liegt, die das Interesse in Anspruch nimmt, w~hrend dagegen die Tenazit~t der eigentlichen Obervorstellung momentan nicht stark genug ist, um die Herrschaft zu behalten gegenfiber den durch das Inter- esse betonten Nebenassoziationen, abet doeh immerhin noch stark genug, um nach Abklingen der starken affektiven Betonung der Neben- assoziationen, respektive nach Befriedigung derselben, wieder in den Besitz der HelTschaft zu kommen.

    Die depress ive Gedankenhemmung.

    Den Gegensatz zur Ideenflucht stellt die depressive Gedankenhem- mung dar. Sie kommt zustande bei allgemeiner Hemmung psychischer Funktionen, die sich geltend macht auf dem Gebiet des Willens dureh eine Hemmung der psychomotorischen ~uBerungen, EntscMuBunf~hig- keit, Hemmung an Bewegungen und Hemmung der sprachlichen -~uBe- rungen; auf dem Gebiete der Mfektiviti~t in der sog. depressiven Stim- mungslage an Stelle der normalerweise vorhandenen leicht euphorischen Stimmung und auf dem Gebiete des Denkens in der Erscheinung, die wit depressive Denkhemmung nennen. Entsprechend der Hemmtmg der Mfektiviti~t ist auch ihre Teilerscheinung, die Aufmerksamkeit, mit dem Interesse gehemmt. Entsprechend hinwiederum dem Umstand, dab das normale Interesse sich zusammensetzt aus den zwei anta- gonistischen Komponenten der Tenazit~t und der Vigflit~t der Aufmerk- samkeit, die sich zueinander verhalten wie der euphorische zu dem de- pressiven Affekt, sehen wir eine Verstarkung der Tenazit~tskomponente und eine Herabsetzung, respektive Aufhebung der Vigilit~tskompo- nente eintreten.

    Die Folgen, die fiir das Denken aus dieser Verschiebung des Sti~rke- verh~ltnisses zwischen diesen beiden Komponenten des Interesses ent- stehen, sind leicht zu erld~ren und abzuleiten, vielmehr sie erkl~ren sieh eigentlich yon selbst. So wird durch die Hemmung der Vigflit~tt eine Einsehr~nkung des herbeigeholten Denkmaterials bewirkt, einmal in der Weise, dab weniger Eindrticke vdn auBen bewuBt aufgenommen werden, dann aber auch indem die Herbeiholung yon inneren Asso- ziationen eine Einbul~e erleidet, indem eine Verminderung an Asso- ziationen eintritt. Diese wenigen noch zur Verftigung stehenden Asso- ziationen sind dem herrschenden starken depressiven Affekt, der die Herrschaft fiber das Interesse bekommt, entsprechend unlustbetont. Dabei funktioniert die erste Auswahl des Denkmaterials, die Herbei-

  • 332 W. St6cker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht~.

    schaffung des groben zugeh6rigen Assoziationsmaterials gut, da die quantitative Seite der AffektivitAt nicht gest6rt ist, das Interesse im allgemeinen quantitativ geniigend stark ist, um bei der ersten Auswahl im Sinne seiner affektiven Riehtung, die hier eine depressive ist, eine durehaus richtige Auswahl nach logischer Zugeh6rigkeit der Assozia- tionen zu treffen; nur daB diese alle eine Unlustbetonung erfahren, respektive solehe mit Unlustbetonung gefSrdert, dagegen andere, nicht unlustbetonte, aber wom6glich noch zugehSrige Assoziationen unter- driiekt werden.

    Diese Unterdriiekung nicht affektiv zugeh6riger Assoziationen be- wirkt, daB das Denkmaterial und damit das Denken bei Mensehen mit starken Mfekten einseitig eingeschr~nkt und dadurch in seiner Objek- tivitat erheblich gestSrt wird, in dem der starke einseitige Affekt Gegen- griinde anderer Affektbetonung nicht in die Erscheinung treten l~Bt, den Kranken also gar nicht die M6glichkeit gibt, im logisehen Denken damit zu reehnen. W~hrend unter normalen Verha.ltnissen soleh riehtige Gegengrtinde immer auftauehen und ein Abw~gen gegen diese, das Er- w~gen des FOx und Wider, mit eine der vornehmsten Bet~tigungen des logisehen Denkens darstellt.

    Findet nun einerseits dureh diese einseitige Einsehr~nkung des Denk- materials und dessen Verminderung infolge geringer Vigilit~t der Auf- merksamkeit, sowohl in Beziehung auf die inneren wie auBeren Asso- ziationen (Wahrnehmungen) eine allgemeine Verminderung des Denk- materials statt, so verhindert auBerdem noch die starke Tenazit~t ein Fortschreiten des Gedankenganges in dem Sinne, dal~ die urspriingliehe Obervorstellung festhaftet, dab sich infolge der starken Haftung dersel- ben und der geringen Vigilit~t das Denken davon nicht loszureiBen ver- mag, daran haftenbleibt.

    Als naehste Folge dieser St6rungen sehen wir daher bei der depres- siven Denkhemmung eine Armut an Gedanken und ein nur langsames, mtihsames Fortschreiten, respektive in sehweren FMlen vollstgndiges Stagnieren des Gedankenganges. In leichten l~llen sehen ~r dagegen nur eine gewisse Gedankenarmut und mfihsames Fortschreiten des Den- kens, w~hrend in schweren Fallen die StSrung so welt gehen kann, da~ das ganze Denken eingesehr~nkt erscheint auf einige wenige oder nur eine einzige stark affektiv betonte, depressive Vorstellung. Diese Idee beherrscht dann das ganze De,ken der Kranken und sie sind davon nieht abzubringen; wir haben dann die Erseheinung des sog. Monideis- mus vor uns.

    I)er ausgesprochene Mangel an Ideen sehafft oft bei den Kranken selbst das subjektive Geffihl der Gedankenarmut, analog dem subjektiven Geftihl des Gedankenreichtums bei Manischen. Die Kranken spreehen dann oft selbst von,,Gedankenhemmung, (}de im Kopfe oder Langerweile".

  • depressiver Denkhemmuno und schizophrener StOrung des Denkens? 333

    Auf die verschiedenen, eigenartigen StSrungen, die entstehen kSnnen dadurch, dab sich diese beiden StSrungen der Ideenflueht und der Denkhemmung untereinander oder mit anderen Symptomen der posi- riven oder negativen Skala vermischen, soll hier nicht n~her eingegangen werden; es wfirde dies einesteils zuweit fiihren, anderenteils f~llt es auch aul~erhalb des Rahmens dieser Arbeit.

    Die sch izophrene Assoz ia t ionss t6rung (Zer fahrenhe i t K raepe l ins ) .

    B leu ler sagt fiber das sehizophrene Denken: ,,W~hrend bei Ideen- flucht und Denkhemmung das durch Erfahrung erworbene Geffige der Assoziationsverbindungen nicht gelockert wird, schr~tnkt die Sehizo- phrenie seine Bedeutung ein. Weder der Manisdhe noch der Gesunde werden bei Nennung des Namens Brutus an das moderne Italien denken ; der Schizophrene aber kann den RSmer unter Auf~eraehtlassung der in den Ausdrficken liegenden Zeitkomponenten einen ,,Italiener" nennen; er kann die Lage -~gyptens bezeiehnen ,,zwischen Assyrien und dem Kongostaat" wieder die Zeitkomponente ignorierend, denen die beiden Staaten angeh6ren und zugleich in ganz bizarrer Weise die nAchstliegende Ortsbezeichnung (etwa Nordosten von Mrika) mit einer ganz verzwiekten vertauschend.

    In den folgenden zwei .~uBerungen fehlt eine klare Zielvorstellung, doch bleiben die Kranken fast ganz innerhalb des zufSlligen Themas der alten Gesehichte, respektive des Orients. Die Einzelassoziationen erscheinen zufMlig oder durch Klang~hnlichkeiten oder andere dem Normalen fremde Beziehungen angeregt. Der Unterschied gegeniiber der Ideenflucht besteht darin, dal~ der Normale die Einzelschritte der letzteren verstehen kann, w~hrend im schizophrenem Gedankengang manche Schritte dem Gesunden unverst~ndlich sind oder so bizarr er- scheinen, dal~ sie ihm hie it~ den Sinn gekommen w~tren.

    Beispiele nach Bleuler.

    Epaminondas war einer, der namentlich zu Wasser und zu Lande m/~chtig war. Er hat grofle FlottenmanSver und offene Seeschlachten gegen Pelopidas gefiihrt, war aber iln zweiten Punischen Krieg aufs ]:[aupt geschlagen worden darch das Scheitern e.iner Panzerfregatte. Er ist mit Sehiffen yon Athen naeh dem Hain Mambre gewandert, hat kaledonische Trauben und Granat~tpfel hin- gebracht m~d Beduinen iiberwunden. Die Akropolis hat er mit Kanonenbooten belagert und liefl die persische Besatzung als lebende Fackeln verbrennen. Der ni~chstfolgende Papst Gregor der VII. - - ~th - - Nero folgte seinera Beispiel und dureh ihn warden alle Athener, alle romaniseh-germaniseh-keltisehen Gesehlech- ter, die den Priestern gegeniiber keine giinstige Stellung einnahmen, durch die Druiden verbrannt am Fronleiehnamstag dem Sonnengott Bal. Das ist die Periode der Steinzeit. Speerspitzen aus Bronze.

  • 334 W. St(icker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    Die Bliitezeit der Hort icultur.

    Zur Zeit des Neumondes steht Venus am Augusthimmel Agyptens mad er- leuchtet mi~ ihren Lichtstrahlen die Kauffahrteih~fen Suez, Kairo mad Alexandria. In dieser historisch beriihmten Kalifenstadt findet sieh das Museum assyrischer Denkm~ler aus Mazedonien. Dort gedeihen neben Pisang, Maiskolben, Haler, Klee und Gerste auch Bananen, Feigen, Zitronen, Orangen und Oliven. Das OlivenS1 ist eine arabische Liqueursoi3e, mit welcher die Afghanen, Mauren und Moslemiten die Straul3enzucht betreiben. Der indisehe Pisang ist der Whisky des Parsen und Arabers. Der Parse oder Kaukasier besitzt genau soviel Beein. flussungskraft auf seinen Elefanten wie der Maure auf sein Dr'omedar. Das Kamel ist der Sport der Juden und Indier. In Indien gedeiht vorztiglich Gerste, Reis und Zuekerstock, das heiBt Artischoek. Die Brahmanen leben in Kasten auf Be- ludschistan. Die Tscherkessen bewohnen die Mandschurei yon China. China ist das Eldorado des Pawnes. (Brief eines Schizophrenen.)

    Wenn B leu ler sagt, dab bei Ideenflucht und Denkhemmung das durch Erfahrung erworbene Gefiige der Assoziationsverbindungen nicht gelockert werde, die Schizophrenie aber seine Bedeutung einschr~nke, so entspricht diese Anschauung nicht ganz der Wirklichkeit. Denn so- wohl Ideenflucht und Denkhemmung wie Schizophrenie arbeiten mit dem nach den Grundregeln der Assoziationsgesetze gewonnenen Er- fahrungsschatz.

    Sowohl im Ged~tchtnis des Gesunden wie des Schizophrenen finder sich in enger Verbindung der Begriff ,,Brutus" mit dem Beg-rift ,,Ita- liener" durch den Zwischenbegriff ,,RSmer". Wenn nun an den Be- griff ,,Brutus" der Gesunde nie den Begriff ,,Italiener", sondern immer nur ,,RSmer" assoziieren wiirde, so hat dies seinen Grund darin, dab der mit dem Begriff ,,RSmer" eng verbundene Begriff ,,Italiener" unter- driickt wird, der nach den Grunderinnerungsgesetzen, wie wir eben gesehen haben, eigentlich nicht weniger parat liegt. Und zwar geschieht diese Unterdrtickung bereits bei der ersten unbewuBten Auswahl des Assoziationsmaterials, ni~mlich bei der Auswahl des zugehSrigen groben Assoziationsmaterials. Da fiir das logische Zieldenken die beiden Be- grille Brutus und Italiener zusammen ein Unsinn sind, so wird bei dieser ersten Auswahl bereits das mit ,,RSmer" eng verbundene ,,Italiener" unterdriickt. Im einfachen Assoziationsversuch jedoch wiire ent- sprechend der Tatsache, dab die Reaktionen hi~ufig fiber ein Zwischen- glied gehen, die Assoziation ,,Italiener" auf das Reizwort ,,Brutus" mit Ubergehung des Zwischengliedes RSmer durchaus denkbar, nie aber unter einer bestimmten Konstellation oder der I-Ierrschaft eines Ober- begriffes, der eine derartige Reaktion als logisch unsinnig sofort unbe- wuBt ausscheidet oder unterdriickt. Auch der Gesunde kann an ,,Agyp- ten" sowohl ,,Assyrien" wie ,,Kongostaat" assoziieren; auch bei ihm befindet sich Assyrien und der Kongostaat in einer engen, auf Erfahrung beruhenden assoziativen Verkniipfung mit Agypten, so dab beide

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener Stsrung des Denkens? 335

    Reaktionen nach den Grunderinnerungsgesetzen jederzeit bereit liegen. DaB er aber diese Verknfipfungen unter den oben angeffihrten Umst~n- den nie eingehen wtirde, daran ist seine Assoziationsauswahl nach Zu- gehSrigkeit im Sinne des Denkziels oder der Konstellation schuld, die bei der gestellten Frage nach der Lage J~gyptens gar nicht diese Asso- ziationen aufkommen li~6t, sie vielmehr gleich als nicht zugehSrig unter- driickt bei der ersten unbewu[tten Auswahl des zugehSrigen Assozia- tionsmaterials.

    Unter anderen Umst~nden, nicht nur im einfachen Assoziations- versuch, sondern auch bei bestimmter Konstellation oder bestimmtem Denkziel, wenn z. B. die Frage lautete nach den alten Kulturl~ndern des Orients, wtirde auch der Gesunde an ,,Agypten" ,,Assyrien" als ni~ch- stes und wenn die Frage nach den grol~en, modernen afrikanischen Staa- ten lautete, an ,,Agypten" vielleicht als ni~chstes den ,,Kongostaat" assoziiren, weft in diesen Fallen das Denkziel diese nach der Erfahrung mit dem Begriff ~,gypten assoziativ eng verknfipften Assoziationen fSrdern, dagegen andere ebenfalls nach der Erfahrung mit dem Begriff , ,~gypten" eng verbundenen Assoziationen als nicht zugehSrig unter- driicken wtirde.

    So la6t sich die durchaus normale Grundverbindung der Assoziationen fast durchweg in den von B 1 e u 1 e r angefiihrten Beispielen schizophrenen Denkens nachweisen, sofern man von einem Denkziel absieht und sich in die Situation eines Assoziationsversuches versetzt.

    Auch der Gesunde kann und wird unter Umsti~nden, wenn er von Epaminondas spricht, dabei an die Seemacht der Athener denken; ebenso wie ihm leicht bei dem Begriff Seemaeht der Begriff ,,Flotte" und von da aus wieder ,,FlottenmanSver" auftaucht, sowie als Asso- ziation an FlottcnmanSver wieder ,,Seesehlachten". Desgleichen liegt fiir einen gebildetcn Menschen mit Kenntnissen aus der alten Geschichte als Assoziation auf ,,Seeschlachten" die Assoziation ,,der zweite Punische Krieg" nahe, in dem die Entscheidung zwischen Rom und Karthago zur See ausgeki~mpft wurde; auch die Assoziation ,,Seheitern und Pan- zerfregatten" sind durchaus versti~ndlich, weun von Seeschlachten die Ir ist. DaIt plStzlich auch in diesem Zusammenhang, wo kurz vor- her yon Epaminondas und Pelopidas die Rede war und anscheinend yon Epaminondes fortlaufend die Rede sein soll, die Assoziation ,,Athen" auftaucht, ist ebenfalls versti~ndlich auf Grund der einfachen Assozia- tionsgesetze. Wenn es weiter hei6t, er sei mit Schiffen yon Athen nach dem Hain Mambre gewandert, so wi~re etwa anzunehmen, dal~ der Kranke sagen wollte, er sei mit Schiffen von Athen nach dem tIain Mambre gefahren. Bei der Assoziation Hain aber taucht leicht die Asso- ziation auf ,,wandern im Hain" auf, daher wohl auch die Entgleisung in ,,wandern" statt ,,fahren". Wie er auf die Assoziation ,,Hain Mambre'"

  • 336 W. St6cker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflueht~

    kommt, ist nicht recht klar. Die weiteren Assoziationen ,,kaledonisehe Trauben und Granati~pfel" sind wieder als Ankntipfung an Hain verst~nd- lieh; ebenso wie von Granati~pfel (.~pfel der Hesperiden) ein Weg tiber ,,Afrika" hintiber leitet zu den Beduinen. Die Assoziation Akropolis ist wieder versti~ndlieh vonder kurz vorhergehenden Assoziation Athen aus, ebenso die Belagerung mit Kanonenbooten aus dem allgemeinen Grundzug des Ergusses, wo von Flotten und Seeschlachten die Rede ist. Die Assoziation ,,persische Besatzung" ist wieder versti~ndlich als An- kntipfung an die kurz vorhergehende Assoziation Akropolis. Die Asso- ziation Nero ist versti~ndlich als Assoziation an ,,als lebende Fackeln" verbrennen; das Zwischenglied bilden die Erinnerungen an die Christen- verfolgungen unter Nero. Die Brticke, die yon Nero zu Papst Gre- gor VII. fiihrt, ist nicht recht klar, doch ist eine solche nicht nur sehr wahrscheinlich, sondern als sicher anzunehmen; das Zwischenglied bildet jedenfalls eine mit der Assoziation ,,Christenverfolgung", die die Uberleitung zu Nero bildet, zusammenh~ngende Vorstellung, die ihrer- seits wieder die Erinnerung an den gr5Bten Papst erweckt ; mSglich wi~re auch ein Bindeglied zwischen Nero und Gregor VII. direkt, das diese beiden prominenten PersSnliehkeiten miteinander verbindet. Von hier ab nun beginnt das Elaborat etwas unversti~ndlicher zu werden, doch sind die Assoziationsverkntipfungen nach den einfachen Assoziations- gesetzen immer noch zu verstehen. Dal~ der Gedanke an Athen leicht den an Rom und Rom leicht die Vorstellung romanisch, diese wieder germaniseh und keltisch auslSst, ist klar und ohne weiteres zu verstehen, ebenso wie einem gebildeten Menschen bei Nennung des Wortes ,,kel- tisch" leieht der Gedanke an die keltische Priesterschaft, die Druiden, auftaucht, die eine besondere Macht bei den keltischen VSlkern aus- tibten. Dal~ in einem besonderen assoziativen Zusammenhang damit der Fronleichnamstag und der Sonnengott Bal stehen, kann man nieht deutlich ersehen. Es w~re aber denkbar und ist sogar sehr wahrschein- lich, da6 die Vorstellung von Menschenopfern durch die Druiden die Erinnerung an den Fronleichnamstag geweckt hat, ebenso wie die Assoziation Sonnengott Bal sicher in einem religiSs-assoziativen Zu- sammenhang entweder mit der Assoziation ,,keltischer Kutt- und Druidenopfer" oder ,,Fronleichnamstag" steht. Der Sprung nun aller- dings auf die Assoziation ,,das ist die Periode der Steinzeit" ist schlechter- dings unverst~ndlich, immerhin w~re auch bier eine Brticke etwa in der Assoziation ,,GStzenbild aus Stein" denkbar; wohl aber verstehen wir die an die Assoziation ,,Periode der Steinzeit" anschliel]ende Asso- ziation ,,Speerspitzen aus Bronze"; das Zwischenglied zwischen beiden Assoziationen bildet hierbei offenbar die Vorstellung ,,Bronzezeit".

    Nehmen wir dieses Elaborat schliel~lich noch welter in seiner Ge- samtheit unter die Lupe, so sehen wir, da[~ zun~tchst eine Zielvorstellung

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener Stsrung des Denkens? 337

    oder Obervorstellung dasselbe beherrscht; der Kranke will anscheinend einen Bericht fiber Epaminondas oder seine Zeit geben. Spi~ter kommt er allerdings mehr und mehr davon ab, obwohl er sieh anscheinend gelegentlich wieder zurfickfindet, wie wir eben sehon gesehen haben; schliel~lich jedoeh kommt er ganz vonder ursprfingliehen Obervor- stellung ab, um in ein ziel- und planloses verworrenes Drauflosschw~tzen hineinzukommen.

    Der zweite yon B leu le r als Beispiel angefiihrte sehizophrene Er- guI~ ist schon etwas verworrener; doch lassen sich aueh hier die asso- ziativen Verknfipfungen der einzelnen Gedankenggnge naeh den ein- fachen Erinnerungsassoziationsgesetzen nachweisen. In dem ersten Satz erblicke ich einen nur mehr oder minder gezierten, affektierten Beginn der geplanten Abhandlung. DaB der Kranke yon Kairo auf Kalifenstadt kommt, ist leieht versti~ndlich, ebenso aueh die Asso- ziation ,,Museum" bei Nennung der Stadt ,,Kairo". Er wollte wohl hierbei sprechen von Museum alt~gyptischer Denkmgler, entgleist aber von ,,~igyptisch" in ,,assyrische Denkm~tler ~ eine Assoziation die, wenn yon Denkmiilern der altggyptischen Kunst die l~ede ist, nach den Er- innerungsgesetzen durehaus sehr nahe liegt. Zwischen Assyrien und Mazedonien bildet wohl zweifellos der Gedanke an die Eroberungszfige Alexanders des Grof~en yon Mazedonien das assoziative Bindeglied. Dai~ der Kranke nun anfitngt in verschrobener Weise die Bodenfrfichte dieses Landes aufzuzghlen, ist wieder verst~ndlich; denn unter gewissen Umsti~nden wird auch der Gesunde, wenn er von einem Lande sprieht, dessen Bodenerzeugnisse aufziihlen, obwohl natfirlieh dieser hierbei mehr Auswahl und Ordnung in der Aufzi~hlung zeigen wird. Vielleicht haben wir hier in dieser Aufzghlung eine Wirkung der ursprfinglichen, in der l~berschrift enthaltenen Obervorstellung zu erblicken, insofern als tier Kranke ja nach der Uberschrift fiber ,,Horticulteur" handeln will. DaB er yon Oliven auf Oliven51 kommt, ist ohne weiteres zu verstehen; ebenso ist als Assoziation an ,,01" die Assoziation ,,Soite" und schlielL lich noch ,,Liqueur" nach den Grundverbindungen der Assoziationen versti~ndlich. Ebenso ist durchaus zu verstehen naeh dem bisherigen Gedankengang, soweit man yon einem solehen zu sprechen berechtigt ist, dal~ die Assoziation ,,arabiseh" plStzlich wieder auftaucht; Afgha- hen, Mauren und Moslemiten sind als Anknfipfungen an arabiseh ohne weiteres wieder einleuchtend, ebenso natfirlich auch ,,indisch". Wie er jedoch zu der Assoziation ,,Straui~enzueht" plStzlieh kommt, ist schlechterdings nieht recht zu verstehen, obwohl sicher eine solche asso- ziative Brficke vorhanden ist, die uns nur entgeht wegen zu groBer Ver- schrobenheit der Verknfipfung. Doch verstehen wir weiterhin wieder ,,Whisky" als Assoziation an, ,Liqueur" und Parse undAraber an indisch; ebenso Kaukasier an Parse auf Grundethnologischer Erfahrungen. Dai~

    Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XLVIII. 22

  • 338 W. St6cker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    als Assoziation an den indischen Parsen der Begriff Elefant auftaucht, ist ebenfalls verst~ndlich, ebenso wie Dromedar durch die Briicke ,,orien- talische Haus- und Nutztiere" in assoziativer Verbindung mit Elefant steht und Dromedar wieder mit Kamel und dem Wiistenbewohner, dem Mauren. Juden und Inder sind wieder verst~ndlich heraus aus dem orientalischen Zusammenhang, aber auch direkt als Ankniipfung an Mauren. Wie er zu der Assoziation ,,Sport" kommt, ist mehr oder minder nicht reeht verst~ndlich, doch l~[~t sich auch hier eine assoziative Brficke denken zwischen ,,Nutz- und Sp.orttier", wie wir ebenfalls in einem gewissen Zusammenhang sagen k6nnen ,,das Pferd dient uns als Nutz- und Sporttier", oder in einem anderen Sinne in der Weise, da[~ der leitende Gedanke dabei ist ,,die Zucht des Kamels ist der Sport der Inder und Juden", wie wir etwa sagen kSnnten ,,dig Pferdezucht ist der Sport der Ungarn". DaB er von Inder auf das Land Indien und von da wieder auf die Bodenfrfichte des Landes - - dies diirfte auch wieder eine Nachwirkung des urspriinglichen Denkziels sein - - kommt, ist wieder naeh den Grundassoziationsgesetzen und Erinnerungsgesetzen verst~ndlich; hierbei diirfte ,,Artisehock" teilweise eine Klangassoziation an ,,Zuckerstock" sein. Brahmanen stehen wieder in enger assoziativer Grundverbindung mit Indien, ebenso Beludschistan und Kasten. Dal] er yon den indischen Brahmanen auf die ebenfalls orientalischen Tscher- kessen und yon diesen auf die Mandschurei und China, respektive wohl umgekehrt China und Mandschurei kommt, erklart sich wieder auf Grund yon assoziativen Grundverbindungen naeh den Erfahrungsgesetzen der Erinnerung. Was Pawnes hei[ten soll, ist wieder nicht recht verst~tndlieh ; jedenfalls will er aber mit Eldorado dasselbe ausdrficken wie in der Norm, n~mlich dal~ ,,Pawness" dortselbst seine vornehmste und beste Heim- statte hat.

    Ich glaube durch diese Analyse gentigend dargetan zu haben, daIt such im schizophrenen Denken die Assoziationsverkntipfungen geschehen nach den assoziativen Grundverknfipfungen, wie wir sie uns durch die Erfahrung aneignen. Wir sehen keinerlei Verknfipfungen, die nicht unter gewissen Umstanden such der gesunde Mensch eingehen k6nnte; z. B. jederzeit als Reaktionen im Assoziationsversuch, obwohl hierzu zu bemerken ist, dab im allgemeinen auch im Assoziationsversueh beim Gesunden die Reaktionen weniger verschroben sind, weil eben, wie wir oben gesehen haben, eine leitende Obervorstellung doch nicht ganz auszuschliel~en ist, vor allem night der leitende Einflul~ der Konstella- tion, der fiir eine gewisse Ordnung in der Auswahl des Assoziations- materials aueh beim Assozi~tionsversuch Sorge tragt. So ist z. B. _~gyp- ten und Assyrian in unserer Erinnerung eng miteinander verkntipft, einmal nach Analogie als hohe Kultst~tten der ersten geschichtlichen Zeit; dann zeitlich als geschichtlich zeitlich ziemlich nebeneinander

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener St(irung des Denkens? 339

    bestehende Kulturstaaten; schlieBlich auch raumlich als benachbarte Reiche der geschichtlichen Geographie. Der Unsinn jedoch, den sich der Hebephrene in dem oben angeffihrten Beispiel zuschulden kommen li~Bt, liegt darin, dab er den Begriff des modernen J~gyptens mit dem des alten ~gyptens verquickt, w~thrend dem Gesunden nie, wenn die Rede von dem modernen J~gypten w~re, Assyrien einfallen wiirde, wohl aber wenn von dem alten J~gypten unter bestimmten Verhi~ltnissen die Rede ware.

    Wir sehen also, dab bier der Unterschied in de~ Denken zwischen dem Normalen und Schizophrenen nicht darin besteht, dab das durch die Erfahrung erworbene Grundgefiige der Assoziationen gest(irt ist - - viel- mehr geschehen alle Assoziationen nach diesen Grundverbindungen der Erfahrung bei beiden --, sondern der Unterschied liegt vielmehr darin, dab der Schizophrene nicht oder vielmehr nicht immer imstande ist, die der Obervorstellung des Denkens oder der jeweiligen Konstellation ent- sprechenden Assoziationen unter der Masse der auf Grund der einfachen Erinnerungsgesetze zur Verftigung stehenden Assoziationen auszuwi~h- len, die anderen aber nicht zugehSrigen Assoziationen zu unterdriicken. Es liegt also die StSrung der schizophrenen DenkstSrung in der ersten immer unbewuBt verlaufenden groben Auswahl des zugehSrigen Asso- ziationsmaterials, in dem hierbei Assoziationen auftauchen und bewuBt werden, die nicht zur Obervorstellung gehSren, obwohl sie sonst asso- ziativ mit der jeweilig paraten Assoziation verbunden sind. Es funktio- niert also der Hemmungsmechanismus bei dcr ersten Auswahl des groben Assoziationsmaterials schlecht; w~hrend bei der Ideenflucht und Denk- hemmung diese gut, ja besser als in der Norm funktioniert, die StSrung dort vielmehr in der zweiten Auswahl liegt, indem bei der Ideenflucht die Obervorstellung nicht festgehalten werden kann, sondern infolge mangelnder Tenazitat derselben eine der herbeigezogenen affektbeton- ten, zugeh5rigen Assoziationen zu dominieren beginnt und die Rolle der ursprfinglichen Obervorstellung fibernimmt, oder wie bei der Denk- hemmung zwar zugehSrige Assoziationen herbeigezogen werden, wenn auch in verminderter Anzahl, aber ein Fortschreiten des Gedanken- ganges infolge zu groBer Tenazitat der Obervorstellung verhindert wird.

    Nehmen wir nun die St5rung als solche naher unter die Lupe, so zeigt es sich, dab eine Zielvorstellung bei dem Kranken da ist ; er will eine Ant- wort, und zwar eine sinngemi~Be Antwort geben, so antwortet er auf die Frage nach der Lage J~gyptens ,,zwischen Asyrien und dem Kongostaat" und auf die Frage nach Brutus ,,Italiener". DaB er eine der Frage ent- sprechende Antwort geben will, geht zur Evidenz aus der Art der Ant- wort hervor. Die StSrung liegt aber nun darin, dab er zur Beantwortung wohl assoziativ mit dem Fragewort verbundene Begriffe verwendet,

    22*

  • 340 W. StScker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflueht~

    die aber im Hinbliek auf die Obervorstellung, in diesem Fall den Sinn tier Frage, einen Mil~griff im Sinne der ersten Auswahl des Assoziations- materials nach Zugeh6rigkeit bedeuten.

    Wem tauchte hierbei nieht der Vergteich mit der sog. cerebralen Ataxie auf ? Dort haben wir eine ganz ~hnliche Erscheinung auf dem Gebiete der Bewegungsimpulse; ein Willensentschlul~, in einer bestimm- ten Zielrichtung eine geordnete Handlung auszuffihren, ist vorhanden, aueh die verschiedenen hierffir notwendigen Bewegungserinnerungs- bilder, nur die im Unbewul~ten erfolgende Auswahl derselben versagt; es kommt zu einem Abgleiten in nahe verwandte, aber zweckhinderliche Impulse, die eben dann zu dem Bride fiihren, das wir als Ataxie bezeich- nen. In leichteren Fgllen sehen wir hierbei nur ein gelegentliehes, dabei leichtes Abgleiten, das nur zu einer leichten ataktischen Ungeschick- liehkeit ffihrt, in schwereren dagegen zu so starken MiBgriffen, dab die angestrebte Bewegung als solche darunter nicht mehr zu erkennen ist.

    Ganz ghnlich liegen auch hier die Verhaltnisse bei der von S t r a n s k y wegen dieser J~hnlichkeit ats ,,intrapsychische Ataxie" bezeichneten schizophrenen AssoziationsstSrung. In schweren F~tllen sehen wir dau- ernd solche Entgleisung~n auch im Satzbau, so dab kein Sinn und Zweck mehr zu erkennen ist; in leichteren Fallen dagegen sehen wir noch einefl leidlich zusammenhgngenden zielstrebenden Gedankengang und nur gelegentlich tritt ein solches Versagen oder besser Abgleiten des Gedan- kenganges in unlogische, zweekwidrige Assoziationen in die Ersehei- nung, wie sic beim Gesunden schon im UnbewuBten unterdrfiekt werden. Weft aber diese Assoziationen von uns in der Norm schon im Unbewul~ten gehemmt werden, uns also nie einfallen wfirden in einem bestimmten Zusammenhang, darum erseheinen sic uns so absurd, bizarr und ver- schroben, d. h. absolut unverstgndlich. DaB der Kranke im Grunde etwas Richtiges sagen wollte, lgBt sieh in leiehten F~llen, aber bei genauer Analyse oft auch in schweren Fgllen haufig nachweisen. So bildet meiner Ansicht nach der in dem ersten obigen Beispiel enthaltene Satz ,,Er ist mit Sehiffen von Athen nach dem Hain Mambr.e gewandert" ein plasti- sehes Beispiel hiefffir. Der Kranke wollte offenbar sagen ,,Er ist mit Schiffen von Athen naeh dem Hain Mambre gefahren"; bei Nbnnung der Assoziation Hain aber taueht die damit eng verkntipfte Assoziation ,,wandern im Hain" auf under entgleist aus irgendwelehen Grfinden in ,,wandern" an Stelle des logisch richtigen ,,gefahren". Am deut- lichsten treten diese Verhgltnisse, wie wir spgter noeh an Beispielen sehen werden, in den sog. Verdiehtungen, die in der Schizophrenic eine groBe Rolle spielen, zutage.

    Will man nun welter nach der letzten Ursache der schizophrenen DenkstSrung suehen, so muB man sieh das oben fiber den normalen Denkakt Gesagte vor Augen halten. Wir haben dort gesehen, dab die

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener StSrung des Denkens? 341

    erste unbewuftte Auswahl des groben zugehSrigen Denkmaterials durch die Affektiviti~t geschieht, sei es nun durch das Interesse oder durch einen anderen Affekt, der das Interesse beherrscht und so indirekt diese Auswahl bcstimmt. Weiter haben wir gesehen, daft diese erste Auswahl abh~ngig ist vonder quantitativen Kraft, der St~rke des herrschenden Affektes, respektive des Interesses. Wir wissen, daft diese Auswahl nach ZugehSrigkeit urn so grSfter ist, je starker der Affekt ist. In der Norm kommen noch eine Reihe affektwidriger, gegens~tzlicher Assoziationen zum Bewufttsein, mit denen gerechnet wird und deren Inrechnungstel- lung einen wesentlichen Faktor in unserem Denken bildet. So sehen wir, daft bei zunehmender Affektst~rke, so bei manischen und depres- siven Verstimmungen, diese gegens~tzlichen Assoziationen mehr als in der Norm gehemmt werden, wodurch unser Denken einseitig im Sinne der Affektrichtung wird.

    Die Frage, die sich hierbei erhebt, ist nun ,,Kennen wir im Krank- heitsbilde der Schizophrenic eine affektive StSrung, die imstande ist, uns dig DenkstSrung zu erkli~ren ?" Die Antwort hierauf muft mit ,,Ja" gegeben werden.

    Wie wir wissen, ist eine der Grundlagen der Schizophrenie eine fort- schreitende AffektstSrung in dem Sinne, daft der allgemeine normale Affekttonus der Psyche einc allgemeine quantitative Herabminderung erf~hrt, d. h., dab die in der Norm auf eine gewisse St~rke des Affektes eingestellte Psyche in diesem Tonus des Affektlebens eine Verminderung erfi~hrt, dadurch wird das bedingt, was wir Affektstumpfheit nennen, d. h. die affektiven Regungen erreichen nie die Affektst~trke wie in der Norm, treten auch seltener auf, well st~rkere Reizgrade als in der Norm dazu gehSren, um es zu einem affektiven Ausschlag iiberhaupt zu bringen ; die weitere Folge ist dann, daft die einzelnen Affektausschliige auch we- niger rasch abklingcn, li~nger anhaltcn als in der Norm und ferner, dab eine Affektcrregung mehr den Eindruck yon etwas plStzlich unvermittelt auftretendem hat, weft sie sich aus einer affektiv nicht deutlich sichtbar bereits gespannten Psyche erhebt.

    Zusammen mit dem allgemeinen Affekttonus erleidet naturgem~lt auch das Interesse im allgemeinen eine quantitative Herabsetzung, wobei sowohl die Tenaziti~ts- wie die Vigiliti~tskomponente in demselben cbenfalls eine quantitative Verminderung erfahren.

    Dadurch wird bcdingt, dait das allgemeine Interesse erlahmt; es schrumpfen die Interessesph~tren auf einige wenige Gebiete oder schlieft- lich auf nur eines oder auch gar keines zusammen; aber auch dieses Interesse ist dann noch von geringer affcktiver Kraft und geringem Trieb zur Bet~tigung im Sinne des Wissens- und Betatigungstriebes. Kommt es aber zu Gedankengi~ngen, so funktioniert dig erste Auswahl des groben zugehSrigen Assoziationsmaterials schlecht, indem einmal weniger Asso-

  • 342 W. St(icker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    ziationen iiberhaupt herbeigeholt werden, dann aber auch weil unter den nach den Grundgesetzen der Erinnerung zur Verftigung stehenden Assoziationen infolge der geringen Kraft des Interesses die Hemmungs- komponente nicht oder nicht immer gut funktioniert, so kommt es einer- seits zu einer ausgesprochenen Gedankenarmut, andererseits sehen wir Assoziationen auftreten, die als nicht zugehSrig zu bezeichnen sind im Sinne der Obervorstellung. Auf diese Weise kommt es aus irgend- welchen Grtinden zu assoziativen Verknfipfungen, die ataktische Ent- gleisungen im Sinne der FSrderung des Denkziels darstellen und als solche unverst~ndlich, bizarr und verschroben erscheinen, obwohl der Kranke vielleicht oder wohl meist etwas Richtiges sagen wollte. Ich werde darauf noch sp~tter wiederholt hinzuweisen haben.

    Die Grfinde, warum die Kranken in Nebenassoziationen ataktisch entgleisen, entziehen sich meist oder wenigstens sehr hi~ufig unserer Kenntnis schon deshalb, weft der ganze Vorgang sich im UnbewuBten abspielt; oft aber k6nnen wit solche Griinde mit Wahrscheinlichkeit erkennen, und da sehen wir, da6 es hi~ufig reine Zuf~lligkeiten sind, be- sonders ist dies der Fall, wenn hul~ere Eindrficke, Wahrnehmungen die Entgleisung bilden. Der Kranke entgleist hierbei eben, weft er im Mo- mente zuf~llig die betreffende Wahrnehmung macht.

    Bei ataktischen Entgleisungen in Vorstellungen, nicht Wahrneh- mungen spielt wohl auch der pure Zufall hi~ufig eine Rolle ; daneben aber kommt affektiven Momenten im Sinne des autistischen Denkens wie auch im Traume, dessen St6rung ja der schizophrenen DenkstSrung nal~e verwandt ist, eine nicht unerhebliche Rolle zu. Ein Abgleiten in sog. Komplexassoziationen sehen wit daher hi~ufig und insoweit muB auch die Bedeutung von Komplexen fiir das schizophrene Denken anerkannt werden. Doch sind es nicht die Komplexe, die das schizophrene Denken beherrschen und leiten, sondern mangels einer gentigend kri~ftigen Fiihrung des Gedankenganges durch ein starkes Interesse ist ebenso wie im Traum, wo diese starke Fiihrung'ebenfalls fehlt, dem affektiven, autistischen Komplexdenken ein grSl~erer Spielraum zur Ftillung des Gedankenganges gegeben als in der Norm. Es stellt also im Denken des Schizophrenen das autistische Denken etwas Sekund~res dax und wird bedingt durch die eigentliche Denkst6rung, die ihrerseits begrfindet ist in der eigenartigen affektiven Grundst6rung der Schizophrenie.

    Komplexe hat der Gesunde ebensoviele wie der Schizophrene, auch haben diese beim Gesunden ebenso wie beim Schizophrenen gegenfiber anderen Vorstellungen eine st~rkere affektive Kraft. Wahrend aber der Gesunde die auftauchenden Komplexe zu unterdrticken vermag infolge genfigend starker affektiver Kraft des Interesses, ist dies bei dem Schizo- phrenen nicht oder in erheblich vermindertem Mai~e der Fall, so dab es zu h~tufigen ataktischen Entgleisungen in Komplexreaktionen kommt.

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener StSrung des Denkens? 343

    Betrachtet man die schizophrene AssoziationsstSrung von der hier entwickelten Auffassung aus, so wird man begreifen, warum man neben einer l~eihe sinnvoller Antworten plStzlich unsinnige ataktische sieht und umgekehrt.

    Man kann dann auch begreifen, da~ Kranke, die sonst immer einen wahren katatonen Wortsalat produzieren, plStzlich fiir Momente ganz sinnvolle Antworten geben. In solchen Fiillen handelt es sich wohl immer um sie affektiv bewegende Fragen. Als Beispiel tfierftir m6chte ich einen ganz verworrenen Schizophrenen anfiihren, der im allgemeinen bei der einfachsten Antwort schon versagt und eine deutliche Assozia- tionsstSrung zeigt. Dieser Kranke, den ich erst in der letzten Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte, bekam eine Bartflechte, mit der er sich sichtlich viel besch~ftigte, denn er kam darauf 5fters zu sprechen. Bei Fragen nach dieser seiner Krankheit versagte er fast hie; einmal konnte ich reich sogar li~nger mit ihm unterhalten, wobei er ganz sinnvolle Ant- worten gab. Hier war eben der der Krankheit entgegengebrachte Affekt stark genug, um das Interesse so affektiv zu starken, da]~ es in der Lage war, die erste unbewuBte Auswahl nach ZugehSrigkeit richtig, ohne atak- tisch zu entgleisen, zu treffen. Ftir li~ngere Zeit sind dann allerdings diese Kranken auch nicht zu fixieren ;sie versagen mit der Zeit auch dann in diesem Thema, was wohl damit zusammenhi~ngt, da~ auch bei Schizo- phrenen der einer urspriinglichen Vorstellung anhaftende Affekt bei Er- 5rterung derselben mit der Zeit abblaBt.

    Ffir die l~ichtigkeit der hier entwickelten Auffassung, n~mlich dal~ die AssoziationsstSrung der Schizophrenen letzten Endes entspringt aus tier AffektstSrung der Schizophrenie, zum wenigsten aber dafiir, da]~ zwischen beiden StSrungen enge Beziehungen bestehen, spricht meiner Ansicht nach vor allem auch der Umstand, dab wir die Assoziations- stSrung stets parallel der AffektstSrung laufen sehen insofern, dal~ bei sti~rkerer AffektstSrung auch die AssoziationsstSrung in demselben Ma~e sti~rker ausgepragt zu sein pflegt und umgekehrt. So sehen wit in leichten Fhllen yon Schizophrenie nur leichte St5rungen der Affektivi- ti~t und dementsprechend auch nur geringe StSrungen der assoziativen Ti~tigkeit, oft nur gelegentliche ataktische Entgleisungen; bei sti~rkeren Graden aber nimmt neben der AffektstSrung im gleichen Schritt die Assoziationsst(irung zu, die ataktischen Entgleisungen werden hi~ufiger, obwohl ein gewisses Denkziel wie bei den eben zergliederten Beispielen oft noch, wenigstens am Anfang noch zu erkennen ist; bei fortschreiten- der StSrung fehlt ffir den objektiven Beobachter dann auch ein solches Denkzie! und das ganze sprachliche Elaborat besteht nur noch aus sinn- losen Gedankengi~ngen, die abet h~ufig noch einen mehr oder minder ge- ordneten Satzbau erkennen lassen; schliel~lich li~]~t auch der Satzbau aus und es kommt zu verschrobenen Satzbildungen, respektiv lediglich

  • 344 W. StScker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    zu sinnlosen Aneinanderreihungen von Begriffen, die aber immerhin dann und warm nech die Wurzeln der assoziativen Grundverkniipfungeu erkennen lassen.

    Folgende zwei Beispiele, die ebenfalls B leuler entnommen sind, sollen dies erli~utern:

    ,,Die Eieheln / / und das heil3t auf franzSsiseh : Au Maltreitage / / Ta- bak (Ieh habe Dir so sch6n gesehen) / /Wenn auf jeder Linie etwas ge- sehrieben ist, so ist es recht. ,,Jetzt ischt albi elf grad der Andere / / hfi. hu, hiist immer no hti / / Zuehthi~uslerverein, Burgh61zli - - / / Iseht nanig a pr4s le Manger!? - - !? - - Meine Frau ist eine vermSgliehe ge- wesen."

    In Maltreitage und Tabak l~]3t sieh an Klangassoziationen denken, die wit ebenfalls beim schizophrenen Denken gegeniiber den logischen Verkniipfungen, die ja in erster Linie gest6rt sind, an Zahl und Bedeu- tung gewinnen sehen.

    Eine solche klangliehe Verkniipfung last sieh auch in dem folgenden Beispiel, das sonst nur begriffliches Aneinanderreihen zeigt, erblieken in ,,Unterlage und Interlaken". Sonst zeigt dieses Beispiel Reihen- verkn~ipfungen, wie sie mehr oder minder auch dem Gesunden gel~ufig sind, so Meerwasser und Tiefsee; ferner Interlaken, Davos, Schweiz, eine Verkniipfung einfaeher assoziativer Art l~Bt sich noch im ,,Tief und Unter" sehen zwisehen Tiefsee und Unterlage. Eine gewisse Ftihrung in dem Elaborat kommt dem Begriff ,,Wasser" immerhin noch zu.

    Das Beispiel lautet: ,,Meerwasser, Tiefsee, Unterlage, Interlaken, Davos, Schweiz; ich komme auch hin, ich hab' doch hoch Binnensee, bitten, bitte, sind wir Hochwasser, Binnenwasser ganz kalt und ruhig. Hochsee, Tiefsee, ndgligeant." Bei ndgligeant tritt das Franz6sische an Stelle des Deutsehen, das wohl heiBen sollte ,,Ob Hochsee oder Tiefsee ist gleiehgiiltig".

    Da$ der Satzbau, d. h. das geordnete Zusammengefiige der Asso- ziationen erst zuletzt auslaBt, erst nach der St6rung der einzelnen lo- gisehen Assoziationen, hat seinen Grund wohl darin, dab diese Bahnen eingeiibter sind, dureh Ubung mehr ausgeschliffen, genau so wie wir bei der eerebralen Ataxie eingeiibte Bewegungen erst sparer gestSrt werden sehen als ungewohnte Bewegungen; eine Ansicht, die auch S t r a n s k y, der Schaffer des Begriffes der intrapsychisehen Ataxie vertritt.

    Aueh die Vermisehungen zweier Spraehen steUen nach meiner An- sieht niehts welter als solehe atak~isehen Entgleisungen auf Grund mangelnder zielbewuBter Auswahl des Assoziationsmaterials dar, ebenso wie die mitunter ganz verdrehte Schreibweise, Orthographie und Inter- punktion. Manchen solchen verdrehten Sehreibweisen und Interpunk- tionen mag der Gedanke zugrunde liegen, diese Begriffe besonders her- auszuheben, wie wir aueh in der .Norm besonders zu betonende Worte

  • depressiver Denkhemmung und schizophrener Stsrung des Denkens? 345

    oder S~tze durch andere Schrift oder Druck oder durch besondere Interpunktion herauszuheben suehen, nur dab es hier zu versehrobanen Entglaisungen psychisch ataktischer Art solchar Batonungsversuche kommt.

    Ein groBer Teil der iiberaus h~ufig anzutreffenden Wortneubildungen diirfte fiberdies ebenfalls darin seinen Grund haben, dab die Kranken damit einen versehrobenen Begriff, fiir dcssen Ausdruck in unserer Sprechweise die Bezeichnungen fehlen, besonders ausdriieken wollen; andare aber verdanken hier wiederum ihr Entstehen sog. Verdiehtungeff, wie sparer noch ausfiihrlich dargetan warden soll.

    So unsinnig und ganz beziehungslos die Antworten Schizophrener oft seheinen, so kann man doch bei genauerem Nachforschen in solehen F~llen h~ufig noch das herausfinden, was der Kranke eigentlich sagen wollte, dab ar nur vonder richtigen Bahn abglitt. Allerdings darf man sich bei dicsen Deutungen nicht auf F reudschen Boden stellen, sonst wiirde man recht h~ufig zu viel herauslesen als tats~chlich drinnen ent- halten ist; maist kann man schon aus dar Art des Satzbaus der Antwort entnehmen, dab der Kranke die Frage aufgefaBt hat und nun im Sinne der Frage noch zu antworten bestrebt ist.

    So fiillrt B leu le r als Baispiel einer solchen nach ~uBeren Zuf~llig- keiten gemachten Verbindung an, dab ein Kranker auf die Frage, warum er eine Gewalttat begangen habe, antwortet ,,dab der W~rter eine weiBe Schiirze trKgt".

    Es ist aber in diesem und solchen F~llen, wie sehon bemerkt, nach Art der Antwort durchaus wahrscheinlich, sogar sicher, dab der Kranke eine Antwort auf die Frage geben wollte, aber, da ihm ein Grund selbst momentan nicht recht bawuBt war, da as sich mehr um eine Affekt- handlung, als um eine einem zielbewul~ten Denkakt entsprungene Hand- lung handelte, einan Grund zu konstruieren suchte, wie es auch bei Ge- sunden vorkommt, und nun in seiner Suche nach einar solchen Asso- ziation auf den dabci stehenden W~rter kam und nun sagan wollte: ,,Weft der W~rtar reich gereizt hat." Diese Annahme ist um so berach- tigter, weil sich Anstaltskranka h~ufig yon W~rtern garaizt ffihlen und auch immer geneigt sind, irgendwelcha Brutalit~tan ihrerseits darauf zu beziehcn. Die Entgleisung abar in ,,dab der W~rter eine weiBa Schiirze an hat" ist so zu erkl~ren, dab er ataktisch in dem Moment der Satz- formulierung in die ihm auff~llige Wahrnehmung dar weiBan Schfirze des Warters antgleiste. Wir haben as also in diesem Falle und in ~hn- lichen mit einer verschrobenen Verleganheitsbegrfindung zu tun.

    In einam anderan Beispiel yon B la u 1 e r, wo der Kranke auf die Frage: ,,Warum arbeiten Sie nicht ?" antwortet: ,,Ich kann ja nicht Franz5sisch" zeigt uns ebenfalls der Satzbau der Antwort schon, dab der Kranke auf die Frage antworten wollte; wia er aber gerade zu der atak-

  • 346 W. St6cker: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Ideenflucht,

    tisch~n Entgleisung ,,Franz6sisch" kam, ist ffir uns, die wir den Kranken und den ganzen Zusammenhang nicht kennen, schleehterdings unver- st~ndlich.

    Anders liegt es mit folgenden beiden eignen Erfahrungen, bei denen es uns gelang, deft zugrunde liegenden Sinn der Antwort auf Grund der ngheren Umst~nde festzustellen.

    Ein altar Anstaltsinsasse wird gefragt: ,,Wo sind Sie geboren?" Ads Antwort deutete er zum Anstaltsgarten hinaus auf einen dort liegen- den Stadtteil mit den Worten: ,,Auf der japanischen Halbkugel, wo der Blitz eingeschlagen hat." So unsinnig diese Antwort zun~chst er- sehien, so riehtig war sie angelegt. Der Kranke wollte lediglich sagen, dab er in diesem Stadtteil, wo er hindeutete, geboren sei. Das Absurde in der Antwort vermoehte ein intelligenter Pfleger zu erkl~ren. Tatsachlich hatte dort in der N~he des Gartens vor einigen Tagen in einen Baum der Blitz eingeschlagen, was der Kranke beobaehtet und was auf ihn auch einen gewissen affektiven Eindruck gemacht hatte. Diese frische, affektiv sich fiber das gewShnliche Niveau erhebende Assoziation tauehte beim Anblick dieser Gegend wieder auf und wurde ausgesprochen. Mit der japanischen Halbkugel verhielt as sich so, dab der Kranke einige Zeit vorher in einem Aufsatz in einer Zeitschrift fiber Japan geblattert hatte, der ihm anschein