welche thromboseprophylaxe für tumorpatienten?

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© thinkstock Ihr Patient braucht Antithrombotika, 8. Folge Welche Thromboseprophylaxe für Tumorpatienten? Die Zahl der Patienten, die eine antithrombotische Therapie erhalten, wird immer größer. Dazu gehören u. a. Patienten mit kardio- bzw. zerebrovasku- lären Erkrankungen, tiefer Beinventhrombose und Vorhofflimmern. Aber auch maligne Erkrankungen erhöhen das Thromboserisiko. Wann und mit welchen Medikamenten diesem Risiko zu begegnen ist, ist Thema dieser Folge unserer Gerinnungssprechstunde. Frage: Warum besteht bei Tumorpatienten ein erhöhtes thromboembolisches Risiko? Gilt dies für alle Malignome? Antwort: Man muss annehmen, dass ma- ligne Zellen im Sinne eines paraneoplas- tischen Syndroms Substanzen sezernieren, welche die Gerinnung stimulieren. Dazu kommen lokale Mechanismen, genauer ge- sagt eine venöse Kompression bei Tumoren im Abdomen bzw. Becken. Auch wenn bei allen Malignomen eine Thrombophilie besteht, so gehen insbeson- dere das Pankreaskarzinom und das Hyper- nephrom, aber auch kolorektale Karzinome und Bronchialkarzinome mit einem throm- boembolischen Ereignis einher. Nicht selten ist die Thrombose bzw. die Lungenembolie die erste Manifestation des Tumorleidens, d. h. bei einer spontanen Beinvenenthrom- bose sollte man immer an ein okkultes Neo- plasma denken. Frage: Wann benötigen Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe, und womit sollte sie durchgeführt werden? Antwort: Sicherlich ist es nicht sinnvoll und machbar, bei allen Tumorpatienten lebens- lang eine Thromboseprophylaxe durchzu- führen. Doch immer dann, wenn zusätzliche thrombophile Faktoren hinzukommen, ist eine solche zwingend erforderlich. Dazu gehören Bettlägerigkeit, Infektionen, Opera- tionen, Flüssigkeitsverluste durch Erbrechen oder Durchfälle. Die mechanische Kompression mit Strümpfen dürfte nicht ausreichen, sodass ein Heparinpräparat, in der Regel ein nie- dermolekulares Heparin (NMH) gegeben werden sollte. Nach einem thromboembolischen Ereig- nis sollte die Antikoagulation über mindes- ten sechs Monate mit einem NMH durchge- führt werden sollte, bevor sie evtl. auf einen Vitamin-K-Antagonisten umgestellt wird. Die Frage „wie lange?“ muss individuell be- antwortet werden, wobei neben dem Thromboserisiko auch Blutungsrisiken be- dacht werden müssen. Auch sollte man be- denken, dass im Endstadium einer Tumorer- krankung die Lungenembolie durchaus ei- nen gnädigen Tod darstellen kann. Dr. med. Peter Stiefelhagen AKTUELLE MEDIZIN _ GERINNUNGSSPRECHSTUNDE 26 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18)

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Ihr Patient braucht Antithrombotika, 8. Folge

Welche Thromboseprophylaxe für Tumorpatienten?Die Zahl der Patienten, die eine antithrombotische Therapie erhalten, wird immer größer. Dazu gehören u. a. Patienten mit kardio- bzw. zerebrovasku-lären Erkrankungen, tiefer Beinventhrombose und Vorhofflimmern. Aber auch maligne Erkrankungen erhöhen das Thromboserisiko. Wann und mit welchen Medikamenten diesem Risiko zu begegnen ist, ist Thema dieser Folge unserer Gerinnungssprechstunde.

Frage: Warum besteht bei Tumorpatienten ein erhöhtes thromboembolisches Risiko? Gilt dies für alle Malignome?

Antwort: Man muss annehmen, dass ma-ligne Zellen im Sinne eines paraneoplas-tischen Syndroms Substanzen sezernieren, welche die Gerinnung stimulieren. Dazu kommen lokale Mechanismen, genauer ge-sagt eine venöse Kompression bei Tumoren im Abdomen bzw. Becken.

Auch wenn bei allen Malignomen eine Thrombophilie besteht, so gehen insbeson-dere das Pankreaskarzinom und das Hyper-nephrom, aber auch kolorektale Karzinome und Bronchialkarzinome mit einem throm-boembolischen Ereignis einher. Nicht selten ist die Thrombose bzw. die Lungenembolie die erste Manifestation des Tumorleidens, d. h. bei einer spontanen Beinvenenthrom-bose sollte man immer an ein okkultes Neo-plasma denken.

Frage: Wann benötigen Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe, und womit sollte sie durchgeführt werden?

Antwort: Sicherlich ist es nicht sinnvoll und machbar, bei allen Tumorpatienten lebens-lang eine Thromboseprophylaxe durchzu-führen. Doch immer dann, wenn zusätzliche thrombophile Faktoren hinzukommen, ist eine solche zwingend erforderlich. Dazu gehören Bettlägerigkeit, Infektionen, Opera-tionen, Flüssigkeitsverluste durch Erbrechen oder Durchfälle.

Die mechanische Kompression mit Strümpfen dürfte nicht ausreichen, sodass

ein Heparinpräparat, in der Regel ein nie-dermolekulares Heparin (NMH) gegeben werden sollte.

Nach einem thromboembolischen Ereig-nis sollte die Antikoagulation über mindes-ten sechs Monate mit einem NMH durchge-führt werden sollte, bevor sie evtl. auf einen Vitamin-K-Antagonisten umgestellt wird. Die Frage „wie lange?“ muss individuell be-antwortet werden, wobei neben dem Thromboserisiko auch Blutungsrisiken be-dacht werden müssen. Auch sollte man be-denken, dass im Endstadium einer Tumorer-krankung die Lungenembolie durchaus ei-nen gnädigen Tod darstellen kann.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

AKTUELLE MEDIZIN_GERINNUNGSSPRECHSTUNDE

26 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18)