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Dritter Quartalsbericht, April 2016 Prosoya Quillazú: 200028 Sophie Schützwohl Als ich gestern mal wieder in der Küche geholfen habe, meinte unsere Köchin Rosa plötzlich zu mir: „Sophie, es ist schon Ende April. In drei Monaten gehst Du schon zurück nach Deutschland!“. Ich habe natürlich gleich nachgerechnet und tatsächlich sind es nur noch vierzehn Wochen, die mir hier in Peru verbleiben. Unfassbar. Das letzte Vierteljahr ist komplett an mir vorbeigerauscht. Gerauscht hat es hier tatsächlich, denn im Februar und März haben uns letztendlich doch noch die Wassermassen des El Niño heimgesucht. Die Wiesen standen unter Wasser, der Flur unserer Wohnung durch ein undichtes Dach ebenso, und die Arbeit im Freien fiel auch meist aus, sodass wir es in Quillazú etwas ruhiger haben angehen lassen. Nachdem ich vom Zwischenseminar im Januar zurückkam, waren die Mädchen noch in den Ferien bei ihren Familien. So haben zunächst nur Magdalena, ihr Sohn Matthias, Pia und ich überall etwas aufgeräumt, geputzt und natürlich unsere Tiere versorgt. Zwischenzeitlich war ich sogar einige Tage ganz allein im Projekt, weil alle noch im Urlaub waren, doch von Hühnern, Rindern, Katzen und Hunden umgeben, habe ich mich gar nicht so einsam gefühlt und es war eine angenehme Herausforderung, sich um alles Wichtige selbständig zu kümmern. Mitte Februar kehrten die Mädchen jedoch wieder ins Projekt zurück, wobei wir auch fünf neue Schülerinnen begrüßen durften: Ruby, Yari-Rosi, Jacky, Anna-Keyla und die erst elfjährige Jeiny. Alle haben sich schnell eingelebt, neue Freundschaften geschlossen und machen einen sehr glücklichen Eindruck hier im Projekt. Die letzten Ferienwochen der Mädchen haben wir genutzt, um jeweils morgens auf dem Gelände von Prosoya zu arbeiten, sodass nachmittags Zeit für Freizeitaktivitäten blieb. Meistens waren wir dann Volleyballspielen, zum Baden am Fluss, haben bei schlechtem Wetter Film geguckt oder gebastelt. Pünktlich zum Schulanfang kam schließlich unsere neue Cosejera im Projekt an. Ich denke, dass kaum jemand Besseres zu finden wäre, als Janet. Sie ist jung, immer gut gelaunt, nah bei den Mädchen, begeistert von der Arbeit mit den Tieren und auch für mich eine tolle Gesprächspartnerin. Als verstärktes

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Page 1: Web viewSie ist jung, immer gut gelaunt, nah bei den Mädchen, begeistert von der Arbeit mit den Tieren und auch für mich eine tolle Gesprächspartnerin

Dritter Quartalsbericht, April 2016 Prosoya Quillazú: 200028

Sophie Schützwohl

Als ich gestern mal wieder in der Küche geholfen habe, meinte unsere Köchin Rosa plötzlich zu mir: „Sophie, es ist schon Ende April. In drei Monaten gehst Du schon zurück nach Deutschland!“. Ich habe natürlich gleich nachgerechnet und tatsächlich sind es nur noch vierzehn Wochen, die mir hier in Peru verbleiben. Unfassbar. Das letzte Vierteljahr ist komplett an mir vorbeigerauscht.

Gerauscht hat es hier tatsächlich, denn im Februar und März haben uns letztendlich doch noch die Wassermassen des El Niño heimgesucht. Die Wiesen standen unter Wasser, der Flur unserer Wohnung durch ein undichtes Dach ebenso, und die Arbeit im Freien fiel auch meist aus, sodass wir es in Quillazú etwas ruhiger haben angehen lassen. Nachdem ich vom Zwischenseminar im Januar zurückkam, waren die Mädchen noch in den Ferien bei ihren Familien. So haben zunächst nur Magdalena, ihr Sohn Matthias, Pia und ich überall etwas aufgeräumt, geputzt und natürlich unsere Tiere versorgt. Zwischenzeitlich war ich sogar einige Tage ganz allein im Projekt, weil alle noch im Urlaub waren, doch von Hühnern, Rindern, Katzen und Hunden umgeben, habe ich mich gar nicht so einsam gefühlt und es war eine angenehme Herausforderung, sich um alles Wichtige selbständig zu kümmern. Mitte Februar kehrten die Mädchen jedoch wieder ins Projekt zurück, wobei wir auch fünf neue Schülerinnen begrüßen durften: Ruby, Yari-Rosi, Jacky, Anna-Keyla und die erst elfjährige Jeiny. Alle haben sich schnell

eingelebt, neue Freundschaften geschlossen und machen einen sehr glücklichen Eindruck hier im Projekt. Die letzten Ferienwochen der Mädchen haben wir genutzt, um jeweils morgens auf dem Gelände von Prosoya zu arbeiten, sodass nachmittags Zeit für Freizeitaktivitäten blieb. Meistens waren wir dann Volleyballspielen, zum Baden am Fluss, haben bei schlechtem Wetter Film geguckt oder gebastelt.

Pünktlich zum Schulanfang kam schließlich unsere neue Cosejera im Projekt an. Ich denke, dass kaum jemand Besseres zu finden wäre, als Janet. Sie ist jung, immer gut gelaunt, nah bei den Mädchen, begeistert von der Arbeit mit den Tieren und auch für mich eine tolle Gesprächspartnerin. Als verstärktes Team haben wir uns dann eifrig auf die Vorbereitungen für die Semana Santa gestürzt und tagelang Chocotejas hergestellt, die wir ab Gründonnerstag an unserem Stand in Oxapampa verkauft haben. Ich sollte wieder im Dirndl auftreten, was den Umsatz an Pralinen erheblich gesteigert hat. Tatsächlich wurde ich sogar von einem Fotografen der Stadtverwaltung angesprochen, der meine Unterstützung für die neue Tourismuswerbung für Oxapampa wollte. Ich wurde dann auf dem Hauptplatz fotografiert und habe einen Mini-Werbespot gedreht, in dem ich sagen musste: „Besuchen Sie Oxapampa. Wir warten auf Sie!“. Zunächst habe ich mich etwas geziert, doch dann war es echt sehr, sehr lustig.

Kurz vor Ostern hatte ich Besuch aus Deutschland von meinem Vater bekommen und wir haben eine sehr schöne Woche gemeinsam hier in der Gegend um Oxapampa verbracht. Er hatte mir auch Farben zum Eierfärben mitgegeben, sodass ich in der Osterwoche einen „Färbenachmittag“ mit den Mädchen veranstalten konnte. Hier kannte niemand die deutsche Tradition der bemalten Eier, weshalb die Mädchen besonders eifrig Wasserbecher gefüllt,

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die Farben verteilt haben und letztlich ziemlich begeistert waren, als sie die Eier bunt aus den Wasserbechern heben konnten.

Das Osterwochenende selbst haben wir sehr gemütlich und ohne jegliche Feierlichkeiten verbracht. Zu meiner großen Überraschung sind wir nicht einmal in die Kirche gegangen- und das in einem so christlichen Land wie Peru. Dafür habe ich dann etwas deutsche Tradition nach Peru gebracht und sowohl eine „Rüblitorte“ für alle gebacken (die trotz des reichlich enthaltenen -und stets verschmähten- Gemüses allen geschmeckt hat), und für jedes Mädchen ein Osterkörbchen gebastelt, sodass am Ostersonntag alle großen Spaß daran hatten, ein kleines Osternest mit bunten Eiern, Bonbons und Haargummis zu suchen.

Nach Ostern gab es dann noch eine besondere Überraschung für mich, als Carolin, vorher Freiwillige in Chile, zu uns ins Prosoya-Projekt gewechselt hat. Es hat mich wirklich sehr gefreut, eine neue Mitfreiwillige zu bekommen. Carolins Hilfe war auch sofort nötig, denn Magdalena musste leider ins Krankenhaus, während auch Janet im Urlaub war, sodass einige Tage lang Caro und ich auf die Mädchen aufgepasst haben.

Ganz allgemein merke ich, wie ich mittlerweile immer mehr Verantwortung für das Projekt übertragen bekomme und häufig als alleinige Aufsicht für die Mädchen eingeteilt werde, was mich sehr freut, da ich es sowohl als Herausforderung, als auch als Vertrauensbeweis erachte. Damit einher geht auch, dass ich nun sehr oft spüre, wie sehr mir die Mädchen nun ans Herz gewachsen sind und auch, dass sich zu vielen eine sehr enge Bindung entwickelt hat. Die Mädchen kommen häufig mit Sorgen zu mir oder suchen einfach ein „offenes Ohr“. Ich werde die Momente, in denen ich mit unsrer kleinen Jeiny im Garten sitze und wir uns gegenseitig von unserem Zuhause erzählen, unglaublich vermissen. Genauso wie die gemütlichen Samstagnachmittage im Zimmer von Miriam,

wo wir uns über die neusten Modetrends austauschen, sowie die Abende in der sala, wo alle gemeinsam aneinander gekuschelt Film gucken oder wild und laut singend zur Musik von Justin Bieber tanzen. Ich fühle mich einerseits wie eine gute Freundin für die Mädchen, mit der man über Jungs und Mode quatscht, dann wieder wie eine große Schwester, die bei Sorgen und Fragen zur Seite steht und manchmal auch wie eine Mama, die bei Hausaufgaben hilft und daran denkt, dass das Schulbrot nicht vergessen wird.

Mitte April stand schließlich noch ein Höhepunkt des Jahres für die Jugendlichen an. Anlässlich des 27. Geburtstages von Prosoya fand ein Fest mit Tanz, Film, einer gemeinsamen Übernachtung und einem Sportwettbewerb in Prosoya Huancabamba statt. Sowohl für die Mädchen, als auch für die Jungs des Projekts ist es immer ein besonders emotionales Ereignis, wenn ein derartiger Austausch stattfindet und sie einmal längere Zeit mit dem anderen Geschlecht verbringen können.

Zum Monatsende kommt nun noch eine anstrengende Woche auf uns zu, da wir wieder Vertreter des MARKHAM-College aus Lima in Prosoya Quillazú begrüßen dürfen. Diesmal freue ich mich sehr auf den Besuch, da wir mit Unterstützung dieser Schülergruppe ein „Obstgarten-Projekt“ realisieren werden, was durch ein Kleinprojekt bislang finanziell nicht möglich war. Dann steht für mich noch Urlaub an, bevor ich mich auf meine letzten Wochen in Peru konzentrieren und sie besonders genießen werde!