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Bern Info 34
8.3.13
Schulerfolg
Warum ist das finnische Schulsystem so gut?
Masterarbeit eingereicht an der Pädagogischen Hochschule Bern
Institut Sekundarstufe I
eingereicht bei: Prof. Dr. Jürg Schüpbach
verfasst von: Irini Gasparis
Dammweg 6
3714 Frutigen
07-593-908
Frutigen, 19. Februar 2013
Bern Info 34 Schulerfolg made in Finland: Masterarbeit PH Bern www.hansjoss.ch
2
Abstract
Bei der internationalen OECD-Vergleichsstudie PISA schnitten die finnischen Schülerin-
nen und Schüler sehr gut ab. Im Rahmen der Masterarbeit „Schulerfolg – made in Fin-
land. Warum ist das finnische Schulsystem so gut?“ wird den Gründen für
Finnlands Schulerfolg nachgegangen. Dabei stellt sich heraus, dass das schulische
Gelingen teil- weise auf eine grundlegende und gesellschaftlich tief verankerte
Einstellung zurückge- führt werden kann: nämlich auf Chancengleichheit in der
Bildung für alle. Dieses Para- digma widerspiegelt sich im Modell Gesamtschule, wie
es heute in Finnland vorzufinden ist. Dabei kommt den Strukturprinzipien „innere und
äussere Differenzierung“ eine sehr wichtige Rolle zu. Finnlands integrative Schulen
zeichnen sich durch eine gezielte För- derung in einer möglichst frühen
Lebensphase aus und verfügen über ein komplexes sonderpädagogisches
Förderprogramm. Dabei fällt auf, dass die schulpolitischen Ten- denzen sukzessive in
Richtung Inklusion führen. Weiter hat die Auseinandersetzung mit
Differenzierungsformen auf der Unterrichtsebene gezeigt, dass der Unterricht eine
signi- fikante Rolle für die guten Leistungen der Schülerinnen und Schüler spielt.
Zusammen- fassend deutet der Trend darauf hin, dass in Finnland eher der klassische
lehrerzentrier- te Unterricht stattfindet und Einzel-, Gruppen- und Partnerarbeiten
weniger zum Tragen kommen als in der Schweiz und in Deutschland. Gründe für den
Schulerfolg finden sich folglich weniger in didaktisch ausgefeilten Unterrichtseinheiten,
sondern eher im basis- demokratischen Denken der Finnen, welches in Form von
Gleichheitsdenken die suomi- sche Pädagogik durchdringt.
3
InhaltsverzeichnisAbstract ........................................................................................................................ 2
1. Einleitung ............................................................................................................... 5
1.1 Einführung und Fragestellung ....................................................................................... 5
1.2 Motivation und Berufsfeldrelevanz ................................................................................ 6
1.3 Aufbau der Arbeit ......................................................................................................... 7
2 Einbettung der Thematik ......................................................................................... 8
2.1 Die PISA-Studie............................................................................................................ 8
2.1.1 Ernüchterung über Schweizer Leistungen .............................................................. 8
2.1.2 Finnland im Rampenlicht ...................................................................................... 11
3 Die Geschichte des finnischen Schulsystems ........................................................ 13
3.1 Finnlands Schule im 19. und 20. Jahrhundert ............................................................. 13
3.2 Die Jahrhundertreform: Gemeinschaftsschule ............................................................ 16
3.3 Das heutige finnische Bildungssystem im Überblick .................................................... 18
4 Fokus I: Ebene Schulsystem ................................................................................. 22
4.1 Differenzierung ........................................................................................................... 23
4.2 Selektion ................................................................................................................... . 26
4.3 Entwicklungsstufen schulischer Integration ................................................................. 30
4.3.1 Begriffsklärung Integration und Inklusion ................................................................. 31
4.4 Integration und Inklusion im finnischen Schulsystem ................................................... 34
5 Fokus II: Ebene Unterricht ..................................................................................... 37
5.1 Innere Differenzierung ................................................................................................. 37
5.2 Quality of Instruction in Physics (QuIP) ........................................................................ 40
5.2.1 Projektüberblick: Modell ....................................................................................... 41
5.2.2 Projektüberblick: Design und Stichprobe.............................................................. 43
5.2.3 Auswertung des Projekts: Zuwachs an Fachwissen ............................................. 44
5.2.4 Analyse der videographierten Unterrichtseinheiten................................................ 46
6 Schlussteil ............................................................................................................. 53
6.1 Diskussion.................................................................................................................. 53
6.2 Persönliches Fazit ...................................................................................................... 57
7 Quellenverzeichnis................................................................................................. 59
7.1 Literatur..................................................................................................................... . 59
4
7.2 Internet....................................................................................................................... 61
8 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 64
9 Anhang ................................................................................................................. 65
9.1 Fragebogen leer ......................................................................................................... 65
9.2 Fragebogen P.R. (8.10.2012) ..................................................................................... 67
9.3 Fragebogen A.Y. (08.10.2012) ................................................................................... 70
9.4 Fragebogen O.L. (11.10.2012) ................................................................................... 73
9.5 Fragebogen J.K. (27.12.2012) .................................................................................... 75
10 Selbständigkeitserklärung ................................................................................... 78
11 Erklärung zur Öffentlichmachung und Ausleihe .................................................... 79
5
1. Einleitung
1.1 Einführung und Fragestellung
Regentropfen prasseln an die Scheibe des Zugs und verlaufen in wässrigen Fäden
eben in die Richtung, aus der ich gerade komme. Draussen ist es noch stockdunkel.
Ich nip- pe an meinem lauwarmen Schwarztee und weiss, dass sich der Herbst nun
definitiv ankündet. Der Schnellzug bringt mich nach Zürich-Kloten, wo mich um 10.55
Uhr der Flug AY858 nach Helsinki-Vantaa erwartet. Müde schliesse ich die Augen und
versuche mich zu entspannen. Meine Gedanken reisen nach Jyväskylä und ich frage
mich, was dieses Abenteuer in mir auslösen wird. In zwei Tagen werde ich in einem
finnischen Klassenzimmer sitzen und mich von den Eindrücken überraschen lassen,
die mir das pädagogische Ausland zu bieten hat. Was wird finnische Schulen von den
hiesigen un- terscheiden? Wie werden deren Lektionen wohl gestaltet sein? Was hat
es mit dem offenen Unterricht auf sich? Werden die Schülerinnen und Schüler
ständig alleine oder in Gruppen arbeiten? Und wie wird wohl die Integration
schwacher Schülerinnen und Schüler in der Praxis aussehen? Mit diesen Gedanken
im Hinterkopf und mit viel Schweizer Schokolade im Gepäck trete ich also meine
zweiwöchige Reise an. Die oben genannten Fragen stellen gleichzeitig die Grundlage
der vorliegenden Arbeit dar und werden im Folgenden besprochen und beantwortet.
Motiviert durch die Lektüre ver- schiedener Literatur habe ich mich entschlossen,
Finnlands Schulerfolg genauer auf den Grund zu gehen.
Spätestens seit der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse im Dezember 2001 sind al-
ternative Schulsysteme in bildungspolitischen Debatten in aller Munde. Die
unterschied- lichen Resultate haben die Frage auftreten lassen, welche Merkmale
von Bildungssys- temen für die unterschiedlichen Leistungen der einzelnen Staaten
verantwortlich sind. Stets wird dabei Bezug auf die Schulsysteme nordischer Länder
genommen. In diesem Zusammenhang wird oft auch von "innerer und äusserer
Differenzierung" und "integrati- vem bzw. inklusivem Unterricht" als wichtigen
Elementen für den Schulerfolg gespro- chen.
6
Diese Aspekte sind Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit: Mich interessiert am Bei-
spiel Finnland wie der konkrete Unterricht eines in den PISA-Tests erfolgreich
abschnei- denden Schulsystems in Bezug auf Inklusion und Differenzierung in der
Praxis aussieht. Fallen Dinge wie alternative Unterrichtsformen, methodische und
didaktische Konzepte auf, welche für den eigenen Schulalltag übernommen werden
können?
Der Fragestellung liegt die Hypothese zugrunde, dass Finnlands Schulen deshalb so
erfolgreich sind, weil die innere Differenzierung des Unterrichts eine besonders wichtige
Rolle spielt. Es wird erwartet, dass der offene Unterricht als Form der inneren
Differen- zierung in Finnland vermehrt anzutreffen ist. Konkret werden kooperative
Lernanlässe, schülerzentrierte Aufgabenstellungen und differenzierte
Unterrichtsarrangements antizi- piert. Die Kapitel 1.3 und 1.4 verschaffen einen
genaueren Überblick über das gesamte Unterfangen und zeigen auf, wie an die
Beantwortung der Fragestellung und Hypothese herangegangen wird.
1.2 Motivation und Berufsfeldrelevanz
«Education is the most powerful weapon we can use to change the world.»Nelson Mandela 2003
Nelson Mandelas Zitat widerspiegelt eine der wichtigsten Überzeugungen, die mich
in meinem Beruf als Lehrerin begleiten. Die Ausübung der Aufgaben erfordert viel
Kreativi- tät, Entschlossenheit, Flexibilität, Empathie, Durchhaltewillen und auch Kraft.
Wir haben die anspruchsvolle Aufgabe, die Generation von morgen auszubilden und
sie auf ihr Leben und ihre Zukunft vorzubereiten. Dabei spielt die Bildung eine
zentrale Rolle. Sie ist die Grundlage des Denkens, Beurteilens und Begründens.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Bildung sich verändert von neuen Einflüssen,
Einstellungen und Aufga- benstellungen geprägt. Genauso sind die involvierten Akteure
ständig in Bewegung und von Veränderung betroffen. Als Lehrerin habe ich den
Anspruch an mich selbst, diesem Prozess reflektiert zu begegnen. Ich bin bemüht,
mein Wissen, Überzeugungen und Handlungen zu hinterfragen. Dazu gehört auch die
Auseinandersetzung mit dem eige- nen und fremden Schulsystemen. Das
7
Durchlaufen eines Bildungssystems und einer Ausbildungsstätte in ein und
demselben Kanton widerspiegelt das ganze schulische
8
Gebilde nicht ausreichend. Das Kennenlernen von neuen Gedanken, Positionen und
Grundsätzen in seiner ganzen Vielfalt ermöglicht mir neue Herangehensweisen in mei-
nem Schulalltag und öffnet mir den Blick für jetziges und künftiges Handeln.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Literaturarbeit besteht aus fünf Teilen. In nachfolgender Übersicht
sollen diese kurz beschrieben werden:
Einleitend wird zuerst das Abschneiden Schweizer Schülerinnen und Schüler in
den PISA-Studien besprochen. Darauf basierend wird erörtert, welche Reaktionen die
PISA international auslöste und warum Finnlands Schulen in den
bildungspolitischen Diskussionen einen wichtigen Stellenwert einnahm. Daran
anknüpfend wird zweitens die Fragestellung der vorliegenden Arbeit präsentiert.
Nun widmet sich ein dritter Teil den geschichtlichen Hintergründen des finni-
schen Schulsystems und gewährt dem Leser einen Einblick in die Entwicklungen von
der Zeit der Schulreform bis hin zum aktuellen Schulmodell.
Das Kernstück der Arbeit gliedert sich viertens in zwei Schwerpunkte, und disku-
tiert die Strukturprinzipien „innere und äussere Differenzierung“. Kapitel Fokus I legt ei-
nen Schwerpunkt auf die Ebene des Schulsystems und setzt sich mit der äusseren Dif-
ferenzierung auseinander. In diesem Zusammenhang wird näher auf die Selektion als
einen Teil äusserer Differenzierung eingegangen. In Bezug auf das finnische
Schulsys- tem werden zudem die sonderpädagogischen Begriffe Inklusion und
Integration geklärt und in den schulischen Kontext gesetzt. In Fokus II wird der Blick
auf Differenzierungs- formen innerhalb des Klassenunterrichts gerichtet. Diesbezüglich
wird die Studie „Quali- ty of Instruction in Physics“ (QuIP), welche Merkmale
gelingenden Physikunterrichts in Finnland, Deutschland und der Schweiz untersucht,
vorgestellt.
Die Arbeit wird im Schlussteil mit einer Zusammenfassung, einer kurzen
Diskus- sion und einem Ausblick auf Anknüpfungsmöglichkeiten geschlossen.
9
«Nicht das Kind soll sich der Umgebung
anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind
anpassen.» Maria Montessori
2 Einbettung der Thematik
2.1 Die PISA-Studie
2.1.1 Ernüchterung über Schweizer Leistungen
Die im Dezember 2001 erstmals vorgestellten Ergebnisse des internationalen
Schulleis- tungsvergleichs PISA1 haben gezeigt, dass Schüler und Schülerinnen in
der Schweiz nur über durchschnittliche Lesefähigkeiten verfügten.
Der nüchterne Titel „Für das Leben gerüstet?“ der Pressemitteilung des Bundes-
amtes für Statistik vom Dezember 2001 artikulierte das, was die Bildungspolitik, Lehr-
1 Das Forschungsprojekt PISA (Programme for International Student Assesment) wurde von der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) mit dem Ziel lanciert, regelmässig das Schulwesen der Mitgliedstaaten und den teilnehmenden Partnerstaaten zu evaluieren. Im Dreijahreszyklus werden ausgewählte Grundkompetenzen von Jugendlichen im Alter von 15 Jah- ren der Mitglieds- und Partnerstaaten in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften geprüft. Alle drei Jahre wech- selt der Schwerpunkt auf einen der oben genannten Bereiche. Im Jahr 2000 stand die Lesefähigkeit im Zentrum der internationalen Erhebungen. Eine wiederholte Überprüfung der verschiedenen Bereiche und Kompetenzen ist die Voraussetzung, um Tendenzen zu verfolgen und allfällige bildungspolitische Massnahmen auf ihre Wirkung hin zu überprüfen. Vgl. Overesch 2007:
10
13 und vgl. Pressemitteilung Bundesamt für Statistik 2001: 3. Bundesamt für Statistik OECD PISA 2008 URL: ht t p : // www . p i s a . adm i n . ch/ b f s / p i s a/de/ i ndex / 01/01/ 02 . htm l (Stand 25.10.2012, 11.53 Uhr)
11
personen und Autoren noch lange beschäftigen würde.2 Demnach konnte jede fünfte
getestete Person am Ende der Schulzeit „höchstens einen einfachen Text
verstehen“3 und war für den bevorstehenden Berufseinstieg schlecht vorbereitet.
Ebenfalls durch- schnittliche Leistungen erbrachten die schweizerischen Jugendlichen
in den Naturwis- senschaften. Überdurchschnittlich gute Resultate wurden hingegen
in der Mathematik erreicht.4
Nach den Messungen in den Jahren 2000 und 2003 schloss sich der erste Zyklus des
mehrjährigen OECD Programms im Jahr 2006. Anschliessend zur Lesekompetenz
standen im Jahr 2003 die Mathematik und 2006 die Naturwissenschaften im Fokus der
internationalen Erhebungen. 5 In diesen Testreihen schlossen die schweizerischen
Neuntklässler und Neuntklässlerinnen gut bis sehr gut ab. In den Naturwissenschaften
wurde das gute und in der Mathematik die sehr gute Ergebnis von PISA 2000 und
2003 bestätigt.
Seit 2009 ist nun die zweite Projektserie am Laufen. Das vom Bund und den
Kantonen ko-finanzierte OECD-Programm begann wiederum mit dem Schwerpunkt
Lesen. Bei den Erhebungen von PISA 2012 bildete Mathematik den Schwerpunkt.
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht der im Fokus stehenden Kompetenzen
von
PISA 2000-2012.
2000 Les en Mathematik Naturwissenschaft
2003 Lesen Mathematik Naturwissenschaft
2006 Lesen Mathematik Naturwissenschaft
2009 Lesen Mathematik Naturwissenschaft
2012 Lesen Mathematik Naturwissenschaft
Abbildung 1: Übersicht Kompetenzbereiche (vgl. www .p is a 2012 .c h )
2 Pressemitteilung BFS 2001: 13 Pressemitteilung BFS 2001: 14 Pressemitteilung BFS 2001: 1
5 Während den langjährigen Untersuchungen der drei Kompetenzbereiche bildet das Konzept „des lebenslangen Lernens“ das gemeinsame Element. Nebst den fachlichen Fähigkeiten wird also auch die „literacy“ der Lernenden gemessen. Dies umfasst einen Begriff, „der nicht nur die Kenntnisse in den einzelnen Fächern umfasst, sondern auch die Fähigkeit, über eigene Kenntnisse und Erfahrungen zu reflektieren und dieses Wissen bei der Bewältigung alltäglicher Herausforderungen anzuwenden.“ Vgl. Konsortium
12
PISA (2010, 2011): PISA 2012. Kompetenzmessung bei 15-Jährigen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften.URL: www . p i sa2012 . c h (Stand 15.11.2012, 11.27 Uhr)
13
Versucht man eine Gesamtbilanz aus den verschiedenen PISA-Studien zu gewinnen,
bekräftigt sich zwar die Wichtigkeit, sich international in den drei ausgewählten
Fachbe- reichen positionieren zu können, gleichzeitig zeichnen sich aber auch
Grenzen des OECD-Programms ab. So unterschieden sich die Länder zum Zeitpunkt
der Erhebun- gen beispielsweise in der Anzahl erteilter Wochenlektionen im getesteten
Bereich, was die Vergleichbarkeit beeinträchtigt. Andere Kritiken richten sich an die
unterschiedlichen demographischen und soziokulturellen Verhältnisse der Länder,
welche bei den Tests nicht berücksichtigt wurden.6 Es ist jedoch nicht das Ziel
dieser Arbeit, die Grenzen, Erhebungen und Ergebnisse des OECD-Programms im
Detail zu diskutieren. Die PISA- Studie hat in dieser Arbeit nur einen kleinen
Stellenwert. Vielmehr geht es um das gros- se öffentliche und mediale Interesse, das
international durch PISA ausgelöst wurde. Denn offenbar herrschte auch in der
Schweiz Nachholbedarf in verschiedenen Berei- chen der Bildung, wie oben am
Beispiel der Lesekompetenz gezeigt wurde.
Das Schulwesen wurde zu einem öffentlich diskutierten Thema gemacht,
alterna- tive Bildungssysteme und deren Qualität rückten ins Zentrum der Debatten
und Fragen zu Massnahmen betreffend Weiterentwicklung unseres Schulsystems
wurden verfolgt. In diesen Ausführungen rückten Finnlands Schulen ins Interesse vieler
Studien und bil- dungspolitischen Auseinandersetzungen. Das nordeuropäische Land
scheint einen Weg gefunden zu haben, Bildungsdefizite auszugleichen und ein gutes
Bildungsniveau zu erreichen.
Die sich daraus ergebende Motivation dieser Arbeit besteht darin, Gründe für
den finnischen Schulerfolg zu finden und an konkreten Beispielen aus dem Schulalltag
zu begründen. Der direkte Vergleich zwischen dem finnischen und dem schweizeri-
schen Schulsystem wird im Folgenden unumgänglich sein. Es soll jedoch darauf
hinge- wiesen sein, dass diese Gegenüberstellungen keine Bewertungen im Sinne
von „bes- ser“ oder „schlechter“ darstellen. Das Hervorheben von gemeinsamen und
unterschied- lichen Faktoren bietet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit für
Anknüpfungspunk-
te für die im Folgenden diskutierten Aspekte.
14
6 vgl. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektion (EDK) 2007: 1f
15
2.1.2 Finnland im Rampenlicht
Mit den exzellenten Resultaten seiner Schüler und Schülerinnen hatte Finnland bei den
PISA-Folgestudien Schlagzeilen gemacht. Mit der auffällig hohen Schreib- und Lese-
kompetenz der finnischen Jugendlichen in den Jahren 2000 und 2003 wurde vor zwölf
Jahren die Reflexion über Bildung und ihr Kerngeschäft angestossen – und dauert bis
heute an. Etliche Publikationen, „zahlreiche Besuche von Experten in Finnland sowie
Seminare und Konferenzen auch ausserhalb Finnlands“7 zeugen vom internationalen
Interesse am finnischen Schulsystem.
In diesem Zusammenhang lag es nahe, selbst nach Finnland zu fahren, und ei-
gene Eindrücke, Erfahrungen und Antworten auf meine Fragen zu sammeln. So
reiste ich im September 2012 für zwei Wochen nach Jyväskylä. Ich hatte die einmalige
Gele- genheit, dem Unterricht verschiedener Lehrpersonen und Fächer der
zentralfinnischen Sekundarschule Viitaniemen beizuwohnen. Daraus ergaben sich viele
Möglichkeiten, mit Lehrpersonen, die gegenwärtig den Unterrichtsalltag mit ihren
Schülern bestreiten, ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage nach der Ursache des
guten Abschneidens in den PISA-Studien bekam ich von einer Lehrperson folgende
exemplarische Antwort:
„Finnish society has a rather flat hierarchy. There are no obvious societal classes. The school system reflects this, and there is very little formality between students and teachers, which makes the atmosphere relaxed. Everyone learns a little bit of everything. (We often use the term "yleissivistys" or Allgemeinbildung.) In some countries, students specialize very early, so it is no wonder they will lack some of the skills measured in PISA.“8
Die Lehrperson, welche Mathematik und Physik an der Sekundarschule Viitaniemen in
Jyväskylä unterrichtet, verweist auf die „flache Hierarchie“, welche typisch für die finni-
sche Gesellschaft ist. Auch O.L., der Schulleiter, sieht den Grund für den
finnischen Schulerfolg im demokratischen Umgang zwischen Schülern/Schülerinnen
und Lehrper- sonen. Er meint: „For learning it is good that we have certain
democracy between tea- cher and his [sic!] pupils. That helps the pupils to discuss
and even argue with the tea- cher”.9
Die persönlichen Aussagen der beiden Lehrpersonen artikulieren indirekt ein Para-
digma, welches tief in der finnischen Gesellschaft und der Schulstruktur verankert zu
16
7 Sarjala/Häkli 2008: 58 P.R. Fragebogen vom 8. Oktober 2012 (siehe Anhang)9 O.L. Fragebogen vom 11. Oktober 2012 (siehe Anhang)
17
sein scheint und an dieser Stelle auch mit wissenschaftlicher Literatur belegt werden
soll. Aho beispielsweise beschreibt die Ansicht, dass
„[...] alle Mitglieder der Gesellschaft in der Zukunft eine gleich lange und mit hauptsächlich gleichen Lerninhalten besetze Grundbildung benötigen werden, unabhängig davon, in wel- chen Teilen des Landes sie wohnen, aus welcher Art von Elternhaus und Umfeld sie kom- men und in welchen Aufgaben sie später ihren Platz in der Gesellschaft finden werden.“10
Dieses demokratische Grundprinzip der finnischen Bildungsphilosophie lässt vermuten,
dass kulturelle und geschichtliche Faktoren eine wesentliche Rolle für das
Verstehen des finnischen Schulsystems spielen. Um erfassen zu können, wo dieses
zentrale Cre- do des finnischen Bildungswesens seine Wurzeln hat, lohnt es sich,
einen Blick zurück
in die Geschichte des Schulwesens zu werfen.
18
10 Aho 1974: 197. In: Erkki Merimaa 2009: 138
19
«We take care of the weak students but the problem is how to support
the talented pupils at the same time. That leads me and perhaps many other
teachers to ponder some better ways of supporting the talented.»J.K., Sonderschullehrer an der Sekundarschule Viitaniemi, Jyväskylä
3 Die Geschichte des finnischen Schulsystems
3.1 Finnlands Schule im 19. und 20. Jahrhundert
Das finnische Volk gehört zu den herausragenden Völkern Europas gemessen an der hohen Lesekompetenz, die man in unserem Volk finden soll. Als ich vor 18 Jahren den Mut auf- brachte, einigen Zweifel an der rechten Qualität und Quantität dieser ach so ausgezeichne- ten Lesekompetenz anzubringen, erhob sich grosses Geschrei gegen mich und man be- schuldigte mich, mit Absicht sowohl die Pfarrer als das ganze Volk zu beschämen.11
Dieses Zitat stammt von Uno Cygnäus (1810-1888), der noch heute gerne als „Vater
der finnischen Volksbildung“12 bezeichnet wird. Die Geschichte des finnischen Schulwe-
sens kann als ein „Ringen verschiedener gesellschaftlicher Mächte“13 beschrieben wer-
den, welches sich zwischen Kirche, Zentralstaat und den regional wirkenden Kommu-
11 Uno Cygnäus Brief vom 29. September 1876. Übersetzt von Rainer Domisch. In: Domisch, Rainer 2012: 51f
20
12 Domisch 2012: 5013 Skiera/Matthies 2009: 13
21
nen abspielte. Bis ins frühe 20. Jahrhundert war Finnlands Geschichte geprägt von
Fremdherrschaften und Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarstaaten Schweden
und Russland. Nach der russischen Oktoberrevolution erklärte Finnland seine Unab-
hängigkeit, welche 1917 von Russland akzeptiert wurde. Demzufolge ist es kaum ver-
wunderlich, dass in der Zeit „als Finnland Teil des schwedischen und des
russischen Königreiches war, die eigene Sprache ein besonders wichtiges Symbol
der finnischen Kultur war“.14 Konsequenterweise war die Schule während ihrer
Reform in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Ort, „in dem das eigene
finnische Erbe entwickelt, ge- pflegt und [...] zur Bildung einer nationalen Gesinnung
fruchtbar gemacht werden konn- te und sollte“.15 Finnlands wirtschaftliche
Unterlegenheit gegenüber seinen Nachbar- staaten muss den Wunsch nach
Unabhängigkeit umso mehr verstärkt „und den Aufbau eines professionellen
Bildungssystems“ 16 vorangetrieben haben. Die „politisch-
emanzipatorische Dimension der Schule [...] hat historisch tief verankerte Wurzeln“,17 so
Skiera und Matthies.
Dieser emanzipatorische Grundgedanke kann unter anderem auch auf Cygnäus’ Zeit-
genosse und Gesprächspartner Johann Vilhelm Snellman (1806-1881)
zurückgeführt werden. Er vertrat nämlich das Hauptanliegen, ein aufgeklärtes und
demokratisches gesellschafts- und Politikverständnis im Bewusstsein der finnischen
Bevölkerung zu verankern. Aufgrund der anstehenden politischen und
wirtschaftlichen Veränderungs- prozesse plädierte Snellman dafür, dass der
allgemeine Bildungsstand der Bevölkerung angehoben werden müsse.18 Ein gutes
Bildungssystem war ebenfalls hilfreich, damit die wenigen wirtschaftlichen Ressourcen
mittels hochqualifizierter Fachkräfte effizient ge- nutzt werden konnten.19 „Zudem
konnten durch das professionelle Bildungssystem die Qualität der Bildung und damit
die sprachliche Fähigkeiten aller Bürger verbessert wer- den, was wiederum zur
Festigung kultureller Identität beitrug“.20
Die nationalpolitische Orientierung im Bildungswesen hielt die finnischen Päda-
gogen jedoch nicht davon ab, den Blick auch auf die Nachbarländer und Mitteleuropa
zu werfen. Cygnäus’ Vorstellung, der sich für „ein möglichst langes gemeinsames Ler-
14 Pfeifer 2006: 2015 Skiera/Matthies 2009: 1516 Pfeifer 2006: 20
22
17 Skiera/Matthies 2009: 1518 vgl. Domisch 2012: 5419 vgl. Pfeifer 2006: 2020 Pfeifer 2006: 20
23
nen aller Kinder und Jugendlichen eines Jahrgangs“21 ausgesprochen hatte, konnte sich
damals jedoch noch nicht etablieren.
In der Realität setzte sich zunächst die „alte Schule“22 durch, welche einen
Schülerjahr- gang in zwei Bildungsgänge teilte. In den Ausführungen von Domisch
sind die Merkma- le der autoritären und hierarchischen Schule des frühen
Finnlands folgendermassen beschrieben:
„Nach vier gemeinsamen Schuljahren wechselte eine kleine Minderheit der Kinder an die Oberschule, während die meisten Schülerinnen und Schüler die oberen Klassen der Volks- schule absolvierten. Die Oberschulen hatten acht Klassen und waren in der Regel schwe- dischsprachig. Nach einer Schulreform kam 1891 eine fünfklassige sogenannte Mittelschule hinzu, die in den ländlichen Regionen die einzige Alternative zur Volksschule blieb, denn fast alle achtklassigen Oberschulen befanden sich damals in den Städten.“23
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann ein entscheidender Grundstein für
die spätere finnische Bildungspolitik gelegt: Die Schulen und die kommunale
Schulpolitik trugen nämlich einen erheblichen Anteil „an der Überwindung der
finnischen Ständege- sellschaft“ bei, indem durch die Zusammenarbeit
verschiedener gesellschaftlicher Gruppen die Trennung der ökonomischen Klassen
im sozialen Leben der Gemeinde verringert werden konnte.24 Sarjala bezeichnet die
Zeit von der Unabhängigkeit Finn- lands 1917 bis zur Schulreform der 1970er-Jahre
als „Wachstumsphase“,25 da in der Mitte des 20. Jahrhunderts grundlegende
Bewegungen in der Bildungsdiskussion ein-
setzten.
21 Domisch 2012: 5522 vgl. Skiera/Matthies 2009: 1523 Doisch 2012: 54
24
24 vgl. Skiera/Matthies 2009: 1525 vgl. Sarjala 2008: 49
25
3.2 Die Jahrhundertreform: Gemeinschaftsschule
Nahezu fünfzig Jahre nach der Demokratisierung der Bildung wurde in den Jahren
1962 bis 1968 über eine Schulstrukturreform debattiert, welche letztendlich „in der
Einführung von Gemeinschaftsschulen im ganzen Land“ endete.26 Inspirationen und
Informationen zur Umstellung vom Parallel- zum Gesamtschulsystem holten sich die
finnischen Exper- ten unter anderem auf Reisen in die DDR, wie die Professorin für
Pädagogik Pirjo Linna- kylä sagt.27
Man war sich einig, dass Teilreformen nicht zum gewünschten Ziel führen wür-
den und man sich radikal von dem bestehenden parallelen Schulsystem trennen muss-
te.28 Die Kritiken am damals gültige Schulsystem richteten sich teils gegen philoso-
phisch-ideologische Aspekte, teils gegen praktische Probleme. Die hierarchischen
Schulstufen wurden als Relikt der Ständegesellschaft des 19. Jahrhunderts
betrachtet und gerieten unter Legitimationsdruck. Wie sollte ein Schülerjahrgang in
zwei „Kasten“ aufgeteilt werden, dem das Schulwesen verschiedene Fähigkeiten für
das Leben, des- sen Weiterbildung und Berufsausübung vermittelte? Die Zweiteilung in
eine theoretische und eine handwerkliche Ausbildung mochte in einer agrarisch
geprägten Gesellschaft begründet sein, hielt aber den steigenden Anforderungen
bedingt durch den Struktur- wandel der letzten Jahrzehnte nicht stand. Die im
damaligen politischen Denken veran- kerten Forderungen nach Teilhabe und Gleichheit
verlangten nach einem Neubeginn im schulpolitischen Gebilde. Das hinter dem
hierarchischen Schulsystem stehende Men- schenbild wurde als wirklichkeitsfremd
und zufällig betrachtet. Zudem verlangte die zu- nehmende Internationalisierung mehr
Fremdsprachenkenntnisse und den Ausbau von Kompetenzen im mathematisch-
naturwissenschaftlichen Bereich. Die gesellschaftliche Notwendigkeit für eine
Umstrukturierung des Schulsystems war also gegeben. Nach langwierigen
Diskussionen wurde die umfassende Strukturierungsreform endgültig im Jahr 1962
unter Zustimmung aller grossen Parteien mit einer überwältigenden Mehrheit
im Parlament verabschiedet. 29
26
26 vgl. Domisch 2012: 5527 vgl. Fuchs 2007: 128 Domisch 2012: 5629 vgl. Domisch 2012: 56 und Sarjala 2008: 52
33 Domisch 2012: 57
17
Die Strukturreform hatte folgende drei Motive:30
- Es wurde für wichtig erachtet, Kindern und Jugendlichen eine kostenfreie und gleiche schulische Grundausbildung zu ermöglichen, unabhängig von Wohnort, sozialer Herkunft und finanzieller Lage der Familie.
- Man hatte erkannt, dass die Gesellschaft durch den Wirtschaftsaufschwung und den hö- heren Lebensstandard dringend ein neues Ausbildungssystem benötigte.
- Das Bildungsniveau der gesamten Bevölkerung sollte nachhaltig angehoben werden, insbesondere im Bereich der politischen Bildung.
Der zentrale Bezugspunkt der Schulreform war die Umsetzung der Gleichberechtigung
in der Bildung. Alle sollten die Möglichkeit haben, in dem Gemeinschaftsschulsystem
weiterzukommen, von der Grundschule bis zur universitären Bildung. Die Grundlage
sollte durch die Grundschule, welche zugleich die Lernpflichtschule ist, gebildet
werden. Wie die Volksschule sollte die Grundschule eine kommunale Schule sein.31
Bevor die Gesamtschulreform jedoch ganz umgesetzt werden konnte, vergingen vier
weitere Jahre. Die Durchführung der Neuorganisation wurde durch Unstimmigkeiten
auf verschiedenen Seiten erschwert. Reformgegner befürchteten eine
Leistungsnivellierung und damit eine Senkung des gesamten Leistungsniveaus.
Gemäss Sarjala entsprang diese Angst dem Gedanken, dass die „Lerngruppen zu
heterogen würden und der Un- terricht entsprechend den Fähigkeiten der langsam
lernenden Schüler angelegt werden müsse“.32 Eine weitere Gruppe von
Reformkritikern, welche aus Gymnasiallehrer be- stand, befürchtete eine
Herabsetzung ihres Berufsstandes.
Der Widerstand gegen die anstehende Reform zeigte sich je nach Ort unter-
schiedlich. So wurden vor allem in grösseren Städten Protestveranstaltungen durchge-
führt, welche teilweise sogar in Schulstreiks mündeten. Die Angestellten des Bildungs-
ministeriums entschlossen sich darauf hin, verstärkt vor Ort präsent zu sein, um
„Fragen aus der Bevölkerung zu beantworten und vor allem den Eltern die geplante
Umstellung des Schulsystems nahezubringen“.33 Das oben erwähnte
Differenzierungsproblem wur- de so gelöst, „dass die Schüler der Sekundarstufe I ihre
Fächer zum Teil wählen konn-
ten (Pflichtfächer und Wahlfächer) und dass sie andererseits bei als schwierig empfun-
33 Domisch 2012: 57
18
30 vgl. Domisch 2012: 56f31 vgl. Kuikka 2009: 75f32 Sarjala 2008: 55
18
denen Fächern – Fremdsprachen und Mathematik – berechtigt waren, zwischen
Kursen in zwei oder drei verschiedenen Anforderungsstufen zu wählen“.34
Der Übergang in das Gemeinschaftsschulsystem geschah nach Bezirken. Da
die Schulreform bemüht war, Ungleichheiten in den Zugangsvoraussetzungen für
Jugendli- che auf dem Land auszugleichen, fand das Gemeinschaftsschulsystem hier
die meisten Fürsprecher. Nordfinnische Kommunen und Lappland begannen als erste
mit der Um- stellung, andere Verwaltungsbezirke folgten und schliesslich führten 1977-
78 die letzten Schulen in Helsinki und der Hauptstadtregion die Reform durch.35
Die bereits weiter oben zitierte Pirjo Linnankylä, heute Professorin an der Universität
Jyväskylä, war in den 1970er Jahren als junge Lehrerin an einem Gymnasium tätig. Im
Gespräch mit Rainer Domisch berichtet Linnankylä:36
[...] sie sei damals allein von der Vorstellung schockiert gewesen, nicht mehr nur ausgewählte Schüler zu unterrichten, sondern im Klassenzimmer heterogene Gruppen vor sich zu haben. Sie erinnert sich: „Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis ich verstanden hatte, dass nicht die Schüler für mich, sondern ich für die Schüler da bin. Und von da an ging es bergauf.“ Heutzu- tage würde sie nicht mehr zu einem parallelen System zurückkehren wollen. Grund für diesen Einstellungswandel sei die positive Erfahrung, dass tatsächlich alle Schülerinnen und Schüler egal welcher Kategorie von dem gemeinsamen Unterricht profitierten. Das neue System be- deute nicht weniger Bildung für gute Schüler, sondern mehr Bildung für den gesamten Schü- lerjahrgang. Tatsächlich führe eine Schule für alle keineswegs zu einer Nivellierung des Bil- dungsstandes [...], sondern bringe alle Schülerinnen und Schüler zu besseren Leistungen.
Die Tatsache, dass ein derartiger struktureller Wechsel grosse Mühe bereitete,
erstaunt wenig. Schliesslich wurde damalige Schule komplett neu gedacht. Wie diese
Neuerun- gen aussahen beziehungsweise bis heute den finnischen Schulalltag
bestimmen, soll im nächsten Abschnitt erläutert werden.
3.3 Das heutige finnische Bildungssystem im Überblick
Die folgenden acht Merkmale die Gemeinschaftsschulen betreffend, stützen sich auf die
Ausführungen von Domisch und Sarjala:37
34 Sarjala 2008: 55
19
35 vgl. Domisch 2012: 58 und Kuikka 2009: 7636 Domisch 2012: 58f37 vgl. Domisch 2012: 59ff und Sarjala 2008: 54f
20
1. Grundgerüst des Schulsystems ist die neunjährige Gemeinschaftsschule, ihre
Lerninhalte sind im Kernbereich gleich für die gesamte Altersstufe.
2. Die Gemeinschaftsschule gliedert sich in eine sechsjährige Unterstufe
(Primarstu- fe) und eine dreijährige Oberstufe (Sekundarstufe I). Den Unterricht
in der Unter- stufe erteilen spezifisch ausgebildete Primarstufenlehrer, in der
Sekundarstufe I Lehrer mit einem Fachlehrstudium (wie an den gymnasialen
Oberstufen finni- scher Schulen).
3. Die Verantwortung für die Organisation der Gemeinschaftsschule wird auf die
Kommunen übertragen. Allen in der Kommune wohnhaften schulpflichtigen
Kin- dern muss ein Schulplatz zur Verfügung stehen. Private Anbieter von
Oberschu- len dürfen ihre Schüler nicht mehr aussuchen, sondern müssen alle
Schüler ohne Aufnahmeverfahren aufnehmen. Die Lehrpläne der einzelnen
Schulen müssen dem kommunalen Lehrplan entsprechen.
4. Die Gemeinschaftsschule ist kostenfrei und muss soziale Förderung bieten: kos-
tenlose Lehrbücher, Schulmahlzeiten, Schülertransport, bei Bedarf Unterbrin-
gung für Schüler mit weiten Anfahrtswegen, Gesundheitsversorgung und Schü-
lerberatung.
5. In der Unterstufe sind die Unterrichtsfächer für alle gleich, in der Sekundarstufe I
gibt es obligatorische Fächer und Wahlfächer.
6. Kinder, die aufgrund von Behinderungen, wegen Krankheit oder sonstiger Grün-
de anders lernen, müssen Förderung erhalten. Dabei hat sich der Unterricht
an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler zu orientieren. Der
sonderpäda- gogische Unterricht kann so erfolgen, dass die Schüler am
allgemeinen Unter- richt teilnehmen, aber eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten in
einer eigenen Grup- pe unterrichtet werden. Es können auch an einer Schule
Sonderklassen gebildet werden oder diese Schüler können in besonderen
Situationen auch an einer Schule mit speziellem Förderschwerpunkt
zusammengefasst werden.
7. Bei vorübergehendem Zurückbleiben muss mit individuellem Förderunterricht
eingegriffen und geholfen werden.
8. Alle Kinder und Jugendliche im Land müssen an der Schulbildung
teilnehmen können. Um zu lange Schulwege vor allem für kleine Schülerinnen
und Schüler zu vermeiden, wurden viele kleine Grundstufen 1 bis 6
21
geschaffen, von denen die Schülerinnen und Schüler dann in die 7. Klasse der
Oberstufe des Schulzent-
22
rums in der nächstgelegenen Gemeinde übertreten. Dort befindet sich
mittlerwei- le meist eine gymnasiale Oberstufe.
Das Bildungssystem in Finnland ist in drei Stufen unterteilt: Grundlegender
Unterricht, Sekundarstufe II und Hochschulausbildung. Überdies gibt es drei weitere
Formen der Schulausbildung: Die frühkindliche Erziehung, d.h. die Tagesbetreuung
der Kinder, die ausserschulische Kunsterziehung für Kinder und Jugendliche sowie die
breit gefächerte Erwachsenenbildung.
Im Schema auf der nächsten Seite werden die zentralen Teile des
Bildungssystems vorgestellt. Vereinfacht kann das finnische Bildungssystem
folgendermassen beschrie- ben werden:38
- Freiwillige frühkindliche Erziehung (Tagesbetreuung): Der Vorschulunterricht wird
den Kindern im letzten Jahr vor dem Beginn des regulären Unterrichts erteilt.
- Einheitliche Schulausbildung im Rahmen der Lernpflicht: Der gemeinsame
grundlegende Unterricht dauert neun Jahre.
- Zweigliedrige Ausbildung der Sekundarstufe II: Die Sekundarstufe II umfasst die
gymnasiale sowie die berufsqualifizierende Ausbildung.
- Zweigliedrige Hochschulausbildung: Die höhere Bildung wird an Fachhochschu-
len und Universitäten erteilt.
- Ein vielfältiges Angebot der Erwachsenenbildung.
38 vgl. Juva 2008a: 58f und finnisches Unterrichtsministerium 2006: 2f
23
Abbildung 2: das Bildungssystem in Finnland (vgl. Bildungsministerium Finnland)
24
«Kinder gleich zu behandeln heisst darum, sie nicht gleich zu behandeln»Dr. A. von der Groeben, Pädagogik 55. Jahrgang Heft 9/Sept. 2003
4 Fokus I: Ebene Schulsystem
Differenzierung, Integration, Inklusion und Selektion – Dies sind wichtige Schlagwörter,
die bei der Betrachtung des heutigen Schulsystems in Finnland unumgänglich sind. Der
folgende Teil gliedert sich in zwei Schwerpunkte und analysiert genauer, was durch
die oben erwähnte Jahrhundertreform ausgelöst wurde.
Im Fokus I werden die eingangs genannten Fachausdrücke zunächst auf der
übergeordneten Ebene – der Systemebene – betrachtet. Dabei werden die Begriffe
Dif- ferenzierung, Integration, Inklusion und Selektion geklärt und einander
gegenüber ge- stellt. Anschliessend folgt eine Betrachtung dieser Termini, wie das
finnische Schulsys- tem diese behandelt.
Im Fokus II wandert der Blick vom Grossen ins Kleine und widmet sich einer
klei- neren Einheit: Dem konkreten Unterricht. Nach der Klärung des Begriffs „innere
Diffe- renzierung“ wird eine tri-nationale Studie vorgestellt, welche Merkmale
gelingenden Physikunterrichts in den Ländern Deutschland, Finnland und Schweiz
untersucht.
4.1 Differenzierung
Im schulischen Zusammenhang wird bei der „Differenzierung“ zwischen innerer und
äusserer Differenzierung unterschieden. Das untenstehende Gliederungsschema orien-
tiert sich an Bönsch39 und gibt Aufschluss über die verschiedenen Unterformen der in-
neren und äusseren Differenzierung.
Unterrichtsdifferenzierung
äussereDifferenzierung
innereDifferenzierung
Leistungsdifferenzierung Interessens- differenzierung
methodischeDifferenzierung
medialeDifferenzierung
thematisch- intentionale
Differenzierung soziale
Differenzierung
Setting Streaming Fächerwahl Kurswahl Themenwahl interessens-orientiert
leistungs- orientiert
Fachleistungs- klassen flexible
Differenzierung
Abbildung 3: Gliederungsschema Differenzierung (vgl. Bösch 1995)
Zu den Fachbegriffen der Differenzierungstabelle:40
- Setting: fachspezifische Leistungsdifferenzierung. Es werden fachspezifische Leis- tungskurse eingerichtet. Ein Schüler kann in verschiedenen Fächern verschiedenen Ni- veaugruppen angehören.
- Streaming: fachübergreifende Differenzierung. Ein Schüler befindet sich in allen Fächern in der gleichen Niveaugruppe.
- Soziale Differenzierung (leistungsorientiert/interessensorientiert): orientiert sich an der Zusammensetzung der Lerngruppe (Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Einzelarbeit). Die Zu- sammensetzung der Lerngruppe kann nach dem Leistungsniveau oder den Interessen der Schüler erfolgen.
- Methodische Differenzierung: Variation in der Art der Hilfe durch die Lehrperson, z.B.durch Hilfsmittel oder unterschiedliche Zeitvorgaben.
39 Bönsch 1995: 25. In: Pfeifer 2006: 3440 Bönsch 1995: 25. In: Pfeifer 2006: 34
23
24
- Mediale Differenzierung: Arbeit mit verschiedenen Medien (Audio, Video, Bilder, Ar- beitsblätter etc.)
- Thematisch-intentionale Differenzierung: inhaltlich unterschiedliche Aufgaben; kann imSchwierigkeitsgrad variieren, muss aber nicht.
Die äussere Differenzierung fasst Schüler und Schülerinnen mit bestimmten
Eigenschaf- ten zu möglichst homogenen Lerngruppen zusammen und trennt diese
räumlich und zeitlich von anderen Lerngruppen. Gemäss Hopf41 gibt es eine Reihe
leicht erkennbarer Merkmale oder „Differenzierungskriterien“, nach denen gruppiert
wird:
- das Alter des Kindes, das den Zeitpunkt seines Schuleintritts und, bis zu einem gewis- sen Grade, seine Klassenzugehörigkeit bestimmt;
- das Geschlecht, sofern am Schulort neben Koedukationsschulen auch reine Jungen- oder Mädchenschulen existieren;
- die Religionszugehörigkeit, nach der, abgesehen von den Konfessionsschulen, gele- gentlich die Aufteilung in verschiedene Klassen innerhalb derselben Schule erfolgt.
Kennzeichnend für die oben aufgeführten Merkmale sind leichte Erkennbar- und Mess-
barkeit. Dies gilt jedoch in einem viel geringeren Masse für andere Merkmale, nach
de- nen „Schüler in unserem Schulsystem gruppiert werden, wie zum Beispiel für
Schulleis- tung, Begabung, Interessen, Neigungen“.42 Die schulische Leistung ist in
vielen Schul- systemen das Differenzierungskriterium par excellence.
Der Fachausdruck „äussere Differenzierung“ steht für „Massnahmen, die lern-
gruppenübergreifend (klassenübergreifend) Unterricht differenziert organisieren.“43 Be-
fürworter der äusseren Differenzierung sind der Ansicht, leistungsstarke sowie leis-
tungsschwache Schüler und Schülerinnen besonders gut zu fördern, wenn sie jeweils in
gesonderten Klassen in homogenen Gruppen unterrichtet werden.
Im allgemeinen Sinn lässt sich dieses Prinzip in selektionierenden
Schulsystemen als gröbste Form äusserer Differenzierung finden. Beispiele solcher
selektiven Schulty- pen wären der Unterricht im Kanton Bern ab der Sekundarstufe I,
wo die Schüler und Schülerinnen vom 7.-9. Schuljahr in den Niveaustufen Real-,
Sekundar- und spezielle Sekundarklassen unterrichtet werden oder die Aufteilung in
Realschule, Hauptschule
und Gymnasium ebenfalls ab der Sekundarstufe I in Deutschland.
25
41 Hopf 1976: 1342 Hopf 1976: 1343 Bönsch 1995: 25. In: Pfeifer 2006: 42
26
Über die Mittel der äusseren Differenzierung ist man sich jedoch nicht einig. Zum
einen ist die Definition und Festlegung der Merkmale, nach welchen die Schüler und
Schüle- rinnen sinnvoll in Lerngruppen eingeteilt werden sollen, mit Schwierigkeiten
verbunden. Diesem Problem wird mit der milden Differenzierung Rechnung getragen
und kann Fehldiagnosen durch Umgruppierung etwas nivellieren. Je nach
Durchlässigkeit des Schulmodells44 können die Schüler und Schülerinnen in den
Kernfächern das Niveau wechseln, was die äussere Differenzierung etwas
abschwächt.
Zum anderen ist die Wirksamkeit des „besseren Lernens“ in homogenen Grup-
pen wissenschaftlich umstritten. Passow kritisierte 1972 die Wirksamkeit der
Leistungs- differenzierung und bezog sich dabei auf Untersuchungen der 1930er
Jahre. Er fasste zusammen: „Was die Leistung betrifft, so gibt es keine klaren
Beweise, dass die homo- gene Differenzierung entweder vorteilhaft oder nachteilig
wäre. Aus den Untersuchun- gen scheint hervorzugehen, dass eine homogene
Klassifizierung wirksam sein kann, wenn sie zusammen mit einer entsprechenden
Ausrichtung der Mittel und Methoden einhergeht“.45
Jahre später ergänzte Klafki die Befunde von Passow und stellte fest, dass es
sich bei Passows resümierten Untersuchungen zum Teil um widersprüchliche Ergebnis-
se handelte. Diese wurden fast durchweg an Streamingsystemen durchgeführt, das
heisst an Schulsystemen mit fächerübergreifender Differenzierung mit besonders leis-
tungsstarken Schülergruppen. Diese Schüler mussten fächerübergreifend in allen Berei-
chen das höhere Niveau erreichen, was die Forschungsergebnisse verfälscht haben
könnte.46
44 1992 gab der Kanton [Bern] den Gemeinden die Möglichkeit, auf dieser Stufe [Sekundarstufe I] teilweise oder durchwegs ge- meinsamen Unterricht anzubieten (Art. 46 Abs. 3 VSG). Hauptzielsetzung der Einführung dieser verschiedenen „Zusammenarbeits- formen“ war es, die Durchlässigkeit zwischen dem Sekundar- und dem Realniveau zu erhöhen, d. h. den Entscheid betreffend den Übertritt von der Primar- zur Sekundarstufe I zu entschärfen.Im Modell 1 folgen Sekundar- und Realschülerinnen und -schüler dem Unterricht in getrennten Klassen, wie es vor der Einführungder Zusammenarbeitsformen üblich war.Im Modell 2 besuchen Real- und Sekundarschülerinnen und -schüler getrennte Klassen. Allerdings können sie in diesem Modell in einem oder mehreren Fächern gemeinsam unterrichtet werden (ausgenommen sind die Niveaufächer Deutsch, Französisch und Mathematik).Das Modell 3a oder „Modell Manuel“ sieht eine grundsätzliche Trennung in Real- und Sekundarklassen – so genannte Stammklas- sen – vor. Eine Schülerin oder ein Schüler kann jedoch maximal eines der drei Niveaufächer auf dem jeweils anderen Niveau besu- chen.Im Modell 3b oder „Model Spiegel“ werden alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs in „Stammklassen“ zusammen unterrich- tet. In den Niveaufächern besuchen sie den Unterricht entsprechend ihren Leistungen getrennt in Real- und Sekundarniveau.Im Model 4 oder „Modell Twann“ werden alle Schülerinnen und Schüler in allen Fächern gemeinsam unterrichtet. Die Lehrperson unterscheidet die Leistungsniveaus in den Niveaufächern klassenintern, also ohne zeitliche oder räumliche Trennung. Vgl. Hunger- bühler et al. 2007: 15f
27
45 Passow 1972. In: Pfeifer 2006: 46f46 vgl. Pfeifer 2006: 47
28
Hingegen stellte Teschner bei seinen Untersuchungen im Jahr 1971 an einer
Berliner Gesamtschule fest, dass während der zweijährigen Untersuchungszeit eine
„relativ hohe Durchlässigkeit und Flexibilität zwischen den Kursen gewährleistet
blieb“.47 Seine Er- kenntnisse relativieren die Kritik gegen die Einteilung in
homogene Lerngruppen ein weinig.
Zuletzt sollen an dieser Stelle noch die zwar umstrittenen, aber in Hinblick auf
die Forschungsergebnisse relevanten Thesen von Hurrelmann aufgeführt werden. Er
stellte nämlich fest, dass „sich die Bildung von homogenen Gruppen für schwächere
und mit- telmässige Schüler ungünstig auswirkt“. Hurrelmann konnte nachweisen,
dass keine Leistungssteigerungen zu erkennen waren oder sich die Leistungen gar
verschlechter- ten. Ausserdem habe der Lerngewinn bei den leistungsstärkeren
Schülern in homoge- nen Klassen nicht wesentlich höher gelegen als in heterogenen
Klassen.48
4.2 Selektion
Die Selektion ist das grundlegende Element der äusseren Differenzierung und bringt
Schulen sowie Lehrpersonen in ein Spannungsfeld zwischen „Fördern“ und „Auslesen“.
Streckeisen et al. diskutieren in ihrer Studie die Kontroversen, denen Lehrpersonen
durch die doppelte Aufgabe des individuellen Förderns und Selektionierens ausgesetzt
sind und analysieren Hintergrundüberzeugungen – s.g. „Deutungsmustertypen“ 49 – auf
welche die Lehrpersonen zurückgreifen, wenn sie der widersprüchlichen Aufgabenstel-
lung nachkommen müssen. Schulpolitische Debatten kreisen in Bezug auf die
Selektion auch immer um die Frage der Chancengleichheit. So schreiben
Streckeisen et al. zu den Diskussionen über die Gestaltung des Bildungswesens, vor
allem aber auch der Volksschule: „[...] ob genung und ‚richtig’ gefördert
beziehungswiese ob genug (oder allenfalls: zu viel) und ‚richtig’ selegiert wird. Die in
der Aufbruchstimmung der 1960er und 1970er Jahre ausgelösten Debatten waren
von der Irritation gespeist, dass die schulische Praxis dem Selbstverständnis der
modernen Gesellschaft widerspreche, wonach alle Menschen dieselben
Bildungschancen haben und soziale Ungleichheit
durch die Schule abgebaut wird.“
29
47 Pfeifer 2006: 4748 Pfeifer 2006: 4749 Streckeisen et al. 2007: 9
30
Mit Blick auf die finnische Schulgeschichte in Kapitel 3 erstaunt der hier zitierte An-
spruch auf gleiche Bildungschancen wenig. Auch in der Schweiz erstarkte zur
gleichen Zeit wie in Finnland der politische Wille, „die hierarchische und
hierarchisierende Struk- tur der Schule zu überdenken und die qua Selektion
erfolgende Aufteilung der Schüle- rinnen und Schüler auf die verschiedenen
Schultypen neu zu gestalten, um so die Chancengleichheit zu erhöhen
beziehungsweise ein ‚Funktionieren’ des Leistungsprin- zips zu ermöglichen.“50 Die in
den 1980er und 1990er Jahren eingeführten Schulstruk- turen, welche noch heute in
der Schweiz vorhanden sind, weisen jedoch nach wie vor eine „vertikale Gliederung“
auf, welche die Selektion der Schüler und Schülerinnen er- fordert.
Im Folgenden werden die insgesamt fünf Deutungsmustertypen von Lehrpersonen,
die mit dem Handlungsproblem „Fördern“ und „Auslesen“ umzugehen haben, zusam-
menfassend vorgestellt.
- Typ 1 „Auslese der Besten“: Lehrpersonen des Typ 1 verstehen sich als „Voll-
strecker“ einer „quasi natürlich verlaufenden schulischen Auslese“. Sie haben
besonders die starken Schüler und Schülerinnen im Blick und fokussieren deren
Positivselektion, weil sie davon ausgehen, „frühzeitig und intuitiv richtig einschät-
zen zu können, welche Schüler und Schülerinnen zu den ‚wirklich Guten’ gehö-
ren und (dereinst) entsprechend positiv zu selegieren sind.“ Die „Elite“ und die
übrigen Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich in den Augen dieser
Lehr- personen „fundamental hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit, ihres
Arbeits- und Lernverhaltens sowie ihres Verhaltens generell.“ 51
- Typ 2 „Selektion als Platzanweisung“: Lehrkräfte dieses Deutungsmustertyps
konnotieren die Selektion positiv, als „im Dienste der bestmöglichen
Förderung aller Schülerinnen und Schüler stehend“. Sie betrachten die
Selektion als Vo- raussetzung dafür, dass die Schüler und Schülerinnen nach
„ihrer Art“ gefördert werden können und ihren Fähigkeiten entsprechend den
„richtigen Platz“ im Schulsystem zugewiesen bekommen. Dies trifft ihrer
Ansicht nach auch für die Negativselektion zu, da sie „der Motivation der
Schülerinnen und Schüler zur
Leistungserbringung keinen Abbruch tue bzw. die ‚Kränkung’ bloss von vo-
31
50 Streckeisen et al. 2007: 1051 vgl. Streckeisen et al. 2007: 109 und 289
52 vgl. Streckeisen et al. 2007: 142f und 289f53 vgl. Streckeisen et al. 2007: 178f und 290
28
rübergehender Dauer sei“. Die Lehrkräfte denken überwiegend in den
organisa- torisch-institutionellen Kategorien der schulischen Selektion und
glauben an die Legitimität, Verlässlichkeit und Richtigkeit dieses Schulsystems.52
- Typ 3 „Disziplinierung“: Lehrerinnen und Lehrer des Typ 3 begegnen dem Prob-
lem von „Fördern und Auslesen“ mit der Deutung, dass Selektion in Form eines
„Disziplinierungsinstruments“ auftritt. Je nachdem wie der Selektionsdruck als
Hilfsmittel eingesetzt werden soll, lassen sich in diesem Deutungsmuster zwei
Deutungsmuster-Varianten definieren: Einerseits die Disziplinierung im „Dienste
der Ordnung“ und andererseits die Disziplinierung „im Dienste der Leistungser-
bringung“. Gemäss Lehrpersonen der Variante 1 besteht die Gefahr, dass in der
Schule jene „Bedingungen der Ordnung“ fehlen, die einem „normalen
Schulehal- ten“ vorausgesetzt sind und es den Schüler und Schülerinnen an
„Halt“ und
„Orientierung“ fehle. Die Untersuchungen zeigten, dass sich vor allem habituell
wenig gefestigte Lehrpersonen auf diese „kontrollierende Disziplinierung“ beru-
fen. Auf die zweite – leistungsorientierte – Variante greifen hingegen habituell si-
cherer Lehrpersonen zurück. Sie stellen bei den Schüler und Schülerinnen eine
„mangelnde Leistungsmotivation sowie fehlende Bereitschaft zu
Triebverzicht“ fest und halten den Druck – oder das „Ausüben eines
‚Fremdzwangs’ (Elias)“ – für notwendig, damit die Lernenden Leistung
erbringen.53
- Typ 4 „Ringen um das Arbeitsbündnis“: Anders als die oben vorgestellten
Typen ist bei den Lehrpersonen des Typ 4 eine Auffassung festzustellen,
wonach Se- lektion „problematisch und das Verhältnis zwischen Fördern und
Auslesen ein widersprüchliches ist.“ Sie führen ihre Aufgabe mit der
Überzeugung aus, dass sie den Lernenden durch das Treffen von negativen
Selektionsentscheiden pä- dagogisch sinnlosen Schmerz zufügen.
Ausserdem sehen sie das selektive Schulsystem als mitverantwortlich für
die Reproduktion sozialer Ungleichheit. Wegen der Widersprüchlichkeit ihrer
pädagogischen Praxis bemühen sich diese Lehrkräfte um eine „möglichst
‚verträgliche’ Ausgestaltung des Zustandekom- mens der
52 vgl. Streckeisen et al. 2007: 142f und 289f53 vgl. Streckeisen et al. 2007: 178f und 290
29
Selektionsentscheide“. Dies zeigt sich vor allem auf der Interaktionse- bene mit
ihren Schülerinnen und Schülern, „[...] im Wissen darum, dass dies ei-
56 vgl. Streckeisen et al. 291f
29
nen praktisch aussichtslosen Unterfangen gleichkommt, ‚ringen’ sie [...] um das
Arbeitsbündnis mit ihrer Klientel“.54
- Typ 5 „Fördern jenseits der Selektion“: Lehrpersonen dieses Typs sehen das
Problem der Selektion auf der Ebene der Organisationsform des Bildungswe-
sens, was eine innerliche Abgrenzung gegenüber dem Schulsystem zur
Folge hat. Mit dem negativen Selektionsentscheid für leistungsschwache und
sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler konnotieren sie ein
schädigendes Übel und einen pädagogisch sinnlosen Schmerz für die
Schülerinnen und Schüler. Daher tendieren sie zu einer möglichst späten
Selektion oder gar zu einer völlig selektionslosen Schule. Sie „identifizieren
sich mit den ‚Selektionsopfern’ und haben den Anspruch, diese jenseits der
Selektion [...] möglichst individuell zu fördern“.55
Beim Vergleich der oben aufgeführten Typologie sollen hier die zwei „extremsten“ Pole
– das heisst die Deutungsmuster Typ 1 „Auslese der Besten“ und Typ 5 „Fördern
jenseits der Selektion“ – herausgegriffen werden. Bei beiden Typen kann eine fast
vollständig
„reibungslose“ Handhabung des Selektionsproblems konstatiert werden. Beide Deu-
tungsmustertypen verschliessen sich nämlich gänzlich vor dem Handlungsproblem.
Während sich die Lehrkräfte des Typ 1 auf die einseitige Auslese der Besten
konzentrie- ren und eine Selektion in der Schule vehement befürworten, verschliessen
bzw. distan- ziert sich Typ 5 innerlich von der selektiven Organisationsform des
Schulsystems und nimmt eine „fundamental kritische“ Position ein.56
Ausgehend von der letzten Position soll an dieser Stelle auf das Kapitel 3.2
verwiesen werden. Der oben beschriebene Konflikt, welcher von Lehrpersonen des
Typ 5 durch- laufen wird, könnte zu einem gewissen Teil die Motivation der
bildungspolitischen Aus- einandersetzungen in Finnland gewesen sein. Sicher ist
jedoch, dass die skeptische Einstellung gegenüber der Selektion die Ausganslage
für deren Überwindung war. In einem mehrjährigen Prozess wurde mit den
unmessbaren und viel kritisierten Merkma- len der äusseren Differenzierung
gebrochen und eine „Schule für alle“ geschaffen. Es
war ein ausgesprochen hohes Ziel, allen Mitglieder der Gesellschaft eine gleich
56 vgl. Streckeisen et al. 291f
29
lange
54 vgl. Streckeisen et al. 2007: 212 und 290f55 vgl. Streckeisen et al. 2007: 242 und 291
30
und mit hauptsächlich gleichen Lerninhalten besetzte Grundbildung zu ermöglichen.
Dies sollte weder von der sozialen oder geografischen Herkunft noch von der berufli-
chen Zukunft abhängig sein.
Chancengleichheit, Demokratieerziehung im Klassenzimmer, eine „Schule für alle“ –
alles Grundsätze, welche die aktuellen schulpolitischen Diskussionen prägen.
Im Zuge solcher Überlegungen rückt die Erkenntnis, dass der Zugang von Min-
derheiten zu wichtigen Positionen in der Gesellschaft durch Hindernisse erschwert wird,
immer mehr in den Fokus. Die Teilhabe bzw. Teilnahme (Partizipation) oder eben Aus-
grenzung (Exklusion) geistig sowie körperlich behinderter Menschen in sozialen Zu-
sammenhängen prägt die gegenwärtige Schulpolitik. Die Forderung nach Chancen-
gleichheit in der Bildung erfordert die Integration bzw. Inklusion der „anderen“ oder wie
Domisch formuliert: „Nicht mehr die Individuen sollen sich assimilieren, sondern
Schule soll sich an Vielheit anpassen und Verschiedenheit Rechnung tragen.“57 Der
Grundge- danke dahinter ist, jedem Individuum in einer heterogenen Lerngruppe
gezielt und ge- recht zu fördern.
An dieser Stelle lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die sonderpädagogi-
schen Begriffe Inklusion, Integration, Segregation und Exklusion zu werfen und diese
im Bezug auf das finnische Schulsystem näher zu betrachten.
4.3 Entwicklungsstufen schulischer Integration
Richtet man den Fokus auf die schulische Situation von Kindern und Jugendlichen
mit Behinderung, lassen sich die Begriffe Inklusion, Integration, Segregation und
Exklusion differenziert darlegen. Dabei wird von Bürlis „Entwicklungsphasen der
Sonderpädago- gik“ ausgegangen. In seinem Modell sind qualitative
Veränderungen des Systems
„Schule“ enthalten. Es reicht von einem auf Homogenität ausgerichteten Schulmodell
hin zu einem die Heterogenität und die Individualität des Schülers bejahenden System.58
31
57 Domisch 2012: 15958 vgl. Häberlein-Klumpner 2009: 42
32
Abbildung 4: Entwicklung der Sonderpädagogik nach Bürli59 (links)
Abbildung 5: Schema der Entwicklungsstufen schulischer Integration60 (rechts)
4.3.1 Begriffsklärung Integration und Inklusion
Hinsichtlich der Begriffe Integration und Inklusion soll dieses Modell genauer
betrachtet werden. In der Literatur werden die beiden Fachausdrücke nicht differenziert
genug ge- handhabt und teilweise miteinander vertauscht.
Für das Verständnis bzw. die Abgrenzung der beiden Termini soll zunächst eine
etymologische Klärung herbeigezogen werden. Beide Worte stammen ursprünglich aus
dem Lateinischen. Includere bedeutet übersetzt „einschliessen“ (auch: einlassen, hin-
eingeben). Inclusus ist das Partizip Perfekt Passiv von includo. Inclusio ist „das Einsper-
ren“ oder „die Einschliessung“ und „inklusiv“ heisst eingeschlossen bzw.
einschliesslich. Anders verhält es sich bei der Herkunft des Wortes „Integration“. Es
bezieht sich näm- lich auf das lateinische Wort integer, was mit „unversehrt“ oder
„unberührt“ übersetzt werden kann. Anders als beim Inklusionsbegriff wird der Fokus
bei der Integration auf das „Ganz-Sein“ resp. „Unverletzt-Sein“ gelegt.61
Gemäss Kasztantowicz bedeutet Integration „die Vervollständigung eines unvoll-
ständigen Ganzen, die Einbeziehung und Eingliederung von etwas, durch welches das
59 Bürli 1997. In: Wohlhart 2010: 1360 Gemeinsam leben, gemeinsam Lernen – Olpe plus e.V. (2013).URL: http : //www .i nk l us i on-o l pe . de/ i nk l us i on . ph p (Stand: 14. Februar 2013. 21.03 Uhr)61 vgl. Kastl 2012: 7
33
Ganze erst seine eigentliche Vollständigkeit erhält“.62 Eine differenziertere Definition des
Integrationsbegriffs ist bei Boban und Hinz zu finden, sie kontrastieren die
„Andersartig- keit“ viel mehr in dem sie sagen: „ [Integration bedeutet, I.G]
Einbeziehung einiger Schü- lerInnen mit Beeinträchtigung und/oder mit
Migrationshintergrund, die eigentlich zum Ganzen gehören, aber bisher davon
ausgeschlossen waren oder von Ausschluss be- droht sind; in der Praxis zuweilen mit
einer Vorstellung zweier Gruppen verbunden, von denen die mehrheitliche 'die
Eigentlichen' sei.“63
Demgegenüber schreiben Hollenbach und Kober zur schulischen Inklusion: „Eine
inklusive Schule zeichnet sich dadurch aus, dass sie allen Kindern offen steht. Sie ist
eine Schule, in der Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen, ohne dass sie
aufgrund ihrer individuellen Besonderheiten voneinander getrennt werden“.64 Weitere
Aspekte zur Inklusion werden bei Boban und Hinz genannt. Bei ihnen geht es darum,
„alle Barrieren in Bildung und Erziehung für alle SchülerInnen auf ein Minimum zu
reduzieren.“65 Auf dieser Basis wird, unabhängig von Stärken und Schwächen des
Einzelnen anerkannt:66
- die Vollwertigkeit eines jeden Menschen- das Recht auf Gleichberechtigung aller bei gleichzeitiger Pflicht, andere Menschen als
gleichberechtigt anzuerkennen,- das Bedürfnis aller auf Entwicklung in der dialogischen, kooperativen und kommunikati-
ven Gemeinschaft,- das Bedürfnis und das Recht eines jeden Menschen, als Subjekt seines Lebens und Ler-
nens von sich aus kompetent zu handeln,- das Recht aller auf prinzipielle Teilhabe und Nicht-Aussonderung.
Hier zeigt sich, dass nach der Auffassung der Inklusion „selektive Massnahmen zu kei-
ner Zeit der Entwicklung einer Person gerechtfertigt sind und dass keine Person,
unab- hängig vom Grad des Andersseins, von der Zugehörigkeit zur allgemeinen
Gruppe aus- geschlossen werden darf.“67 In Hinblick auf die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen wird bald klar, dass der inklusive Gedanke nicht vorausgesetzt
werden kann. Es bedarf vorher eines grundlegenden Bewusstseinswandels oder wie
Domisch dies formuliert:
„Es scheint nicht ganz einfach zu sein, Behinderung neu zu denken, weil damit ja Ge-
34
62 Kasztantowicz 1982. In: Rüegg, Roland, Catrin Maler 2010: 1263 Boban und Hinz 2003: 11664 Hollenbach und Kober 2011: 1165 Boban und Hinz 2003: 1166 Bintinger und Wilhelm 2001. In: Häberlein Klumpner67 Häberlein-Klumpner 2009: 41
35
sellschaft insgesamt neu gedacht werden muss.“68 Nach Boban und Hinz muss der
Wandel auf drei Ebenen erfolgen:69
- Inklusive Kulturen schaffen: Gemeinschaft bilden, inklusive Werte verankern,- Inklusive Strukturen etablieren: Eine Schule für allen entwickeln, Unterstützung für Viel-
falt organisieren;- Inklusive Praktiken entwickeln: Lernarrangements organisieren, Ressourcen mobilisie-
ren.
Auf der eidgenössisch unterstützen Internetplattform zum Thema „Integration und
Schule“ lässt sich eine hilfreiche Gegenüberstellung der Begriffe „Inklusion“ und „In-
tegration“ finden. Die Begriffsdefinition dieser Projektgruppe70 soll den Unterschied ab-
schliessend noch einmal erläutern:
[...] unter dem Begriff Integration [wird, I.G.] die möglichst weitgehende gemeinsame und wohnortnahe Schulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne besonderen Bildungs- bedarf in der Regelschule verstanden. Dazu werden entsprechende pädagogische und son- derpädagogische Angebote und Ressourcen innerhalb der Regelschule bereitgestellt. Inklu- sion geht einen Schritt weiter. Inklusion bezeichnet die Vision einer gemeinsamen Schule für alle Kinder und Jugendlichen. Der gemeinsame Unterricht in heterogenen Klassen ist Selbstverständlichkeit. Die Lehrpersonen gestalten gemeinsam mit ihren vielfältigen Kompe- tenzen anregende und an die Lernvoraussetzungen der Kinder angepasste Lernumfelder und kompetenzorientierten Unterricht. Eine inklusive Schule nimmt alle Lernenden ihres Ein- zugsgebietes – unabhängig ihrer körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Entwick- lung; unabhängig ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres religiösen Hintergrunds oder ihrer familiären Situation – in ihren Unterricht auf.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den Begriffen Integration und Inklusion lässt
sich nun die Frage stellen, wie das finnische Schulsystem diesbezüglich aussieht.
Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Aussagen der finnischen Professorin
Alia- Leena Matthies. Sie setzt sich mit dem Thema „Von der Integration zur Inklusion
im fin-
nischen Schulsystem“ auseinander.
68 Domisch 2012: 16169 Boban und Hinz 2003: 15f
70 Diese Webseite wurde erstellt durch eine Projektgruppe: insieme Schweiz, Pro Infirmis Schweiz, Netzwerk Integrative Schulungs- formen (koordiniert vom Institut für Schule und Heterogenität ISH der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz PHZ Lu-
36
zern), Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, Hochschule für Heilpädagogik HfH Zürich, Vereinigung Cerebral, vpod und pulsmesser mit finanzieller Unterstützung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung URL: http : //www .i ntegrat i onundschu l e . c h (Stand 08.02.2013, 09.24 Uhr)
37
4.4 Integration und Inklusion im finnischen Schulsystem
Geht man dem Erfolg finnischer Schulen nach, stösst man bald auf die These, dass
unter anderem der integrative Unterricht an den Gesamtschulen dafür
verantwortlich sein soll. „Integration“ an sich ist jedoch noch keine Erklärung,
vielmehr wirft dieses Konzept Fragen auf. Wie können Schüler und Schülerinnen in
Finnland mit unterschied- lichen Leistungsniveaus in eine Klasse integriert werden?
Wie und wo werden finnische Kinder mit Behinderung unterrichtet? Wie wird mit
Lernverzögerung umgegangen? Matthies’ grundlegende These zum strukturellen
Rahmen des Sonderunterrichts be- sagt: „[...] dass durch gezielte Förderung in einer
möglichst frühen Phase unnötige und kostenintensive Sonderwege der schulischen
Biographie vermieden werden können.“71
Dass die finnischen Schüler und Schülerinnen die einheitliche Schulform, wo die
Differenzierung erst nach der neunten Klasse stattfindet, passieren können, ist
gemäss Matthies den „umfangreichen und systematischen Formen des Förder- und
Sonderun- terrichts“ zu verdanken.72 Die spezifische Förderung finnischer Kinder
beginnt jedoch nicht erst nach dem Schuleintritt, sondern bereits im Säuglingsalter.
Das Vorsorgesys- tem „neuvola“ enthält regelmässige vorbeugende und
multiprofessionelle Beratungs- und Untersuchungstermine für Kinder und deren Eltern.
Ziel dieser kinderärztlichen Vor- und Einschulungsuntersuchungen ist es, „eine
möglichst frühe Intervention und syste- matische Zusammenarbeit aller professionellen
Stellen mit der Familie bei auftretenden Problemen der Entwicklung des Kindes [...]“ zu
schaffen.73 Die „neuvola“ ist jedoch nicht das einzige vorschulische Angebot für
finnische Kinder. Es bestehen ausserdem zahl- reiche Möglichkeiten für Kinder ab
sechs Jahren, eine freiwillige Vorschule zu besuchen, wo das soziale Verhalten und das
Konzentrationsvermögen geübt werden.
Nach der Einschulung kommen vor allem drei präventive und fördernde Angebote zur
Geltung: Das Schülerfürsorge-Team, die Lernberatung/das Coaching und der Förder-
bzw. Sonderunterricht. Auf das letztgenannte Angebot wird im Folgenden näher einge-
gangen.
Die Trennung zwischen den Stufen des allgemeinen Unterrichts, zeitweisen För-
derunterrichts, teilweisen Sonderunterrichts und umfassenden Sonderunterrichts ist
38
71 Matthies 2003: 172 Matthies 2003: 173 Matthies 2003: 2
39
fliessend. Der in Gruppen oder dem Klassenverband stattfindende „allgemeine Unter-
richt“ (yleisopetus) ist der „normale“ Unterricht. Die Inanspruchnahme des sonderpäda-
gogischen Unterrichts ist allerdings genauso verbreitet und „normal“.
Schüler und Schülerinnen der neunjährigen Grundschule, die geringe und vorüberge-
hende Lern- und Anpassungsschwierigkeiten haben, besuchen den zeitweisen Förder-
unterricht (osa-aikainen ertyisopetus). In den meisten Fällen machen die Kinder vor al-
lem in den ersten Monaten und Jahren ihrer Schulkarriere von diesem Angebot Ge-
brauch. Der zeitweise Förderunterricht findet in diversen Formen im Rahmen des allge-
meinen Unterrichts statt, so zum Beispiel in individuellen oder kleingruppenförmigen
Förderstunden während, vor oder nach dem Unterricht. Häufigste Gründe für den Be-
such des zeitweisen Förderunterrichts sind Lese- und Schreibschwächen oder Sprech-
probleme.74
Schüler und Schülerinnen, bei denen man feststellt, dass die erste Stufe der
För- dermassnahmen nicht ausreichend ist, werden in den umfangreichen
Sonderunterricht (kokoaikainen erityisopetus) verlegt. Je nach Lernschwierigkeiten
wird individuell ent- schieden, ob das Kind nur in einem oder in mehreren
Fächern Sonderunterricht braucht. Diese sonderpädagogischen Massnahmen
werden bei Kindern mit Behinde- rung, Krankheit, Entwicklungsverzögerung oder
emotionaler Störung, die im allgemei- nen Unterricht und dem zeitweisen
Förderunterricht Schwierigkeiten haben, ergriffen. Je nach Lernkapazität lernen die
Sonderschüler und Sonderschülerinnen nach einem mo- difizierten Lernplan und
erbringen individuell reduzierte Leistungen. Zur Zeit entscheiden die Kommunen
selber, ob der Sonderunterricht im Rahmen des allgemeinen Unter- richts, in
getrennten Sondergruppen oder –klassen oder in einer Sonderschule stattfin- det.75
Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde es in Finnland weitestgehend erreicht, dass
praktisch kein Kind wegen Leistungsunterschieden, Lernverzögerungen oder wegen
emotionaler und sozialer Auffälligkeit in eine gesonderte Schule verlegt wurde. Auf
Grund integrie- render Fördermöglichkeiten können solche Schwierigkeiten
aufgefangen werden. Ten-
denzen zeigen, dass der Sonderunterricht immer mehr an allgemeinen Schulen stattfin-
40
74 vgl. Matthies 2003: 2f75 vgl. Matthies 2003: 3
76 vgl. Matthies 2003: 477 Juva 2008b: 125
36
det, was bewirkt, dass die Anzahl der Sonderschulen zurückgegangen ist.76 Um jedoch
das Ziel der Chancengleichheit – einer „Schule für alle“ – zu erreichen, zielen
aktuellste Bemühungen Richtung Inklusion, insbesondere von schwerbehinderten
Kindern oder von Kindern mit schweren Verhaltensstörungen. Man sieht es als wichtig
an, „[...] dass die Familie, die Schule und die ganze Gesellschaft diese Lernprozesse
unterstützen und als gleichberechtigten Bestandteil der gemeinsamen Schule
wertschätzen.“77
Dass es sich bei der Integration in Richtung Inklusion nicht um ein idealistisches Bild
handelt, zeigt sich bei der Schule Viitaniemen in Jyväskylä. Die Schule besteht aus ca.
21 Klassen, zählt rund 500 Schüler und Schülerinnen und 50 Lehrpersonen. Dazu ver-
fügt sie über fünf festangestellte schulische Heilpädagogen, welche Schülerinnen und
Schüler mit Lernschwierigkeiten im Einzel- oder Kleingruppenunterricht unterstützen.
Diese Lektionen finden meist parallel zum regulären Unterricht statt und erinnern stark
an die ILF-Lektionen, wie sie beispielsweise an Schulen im Kanton Bern angeboten
werden. Jedoch sind die Gruppen (bestehend aus ca. 3-4 Lernenden) Alters- und Inte-
ressensdurchmischt. Jedes Kind löst Übungen in dem Fach, wo es
Lernschwierigkeiten hat und wird dabei von der heilpädagogischen Lehrperson
unterstützt. Ferner verfügt die Sekundarschule über eine Spezialklasse für autistische
Kinder. Diese befinden sich räumlich im gleichen Schulhaus wie alle anderen Kinder,
lernen jedoch nach einem ei- genen Plan, verfügen über ein eigenes Klassenzimmer
mit spezieller Infrastruktur und werden von einer eigens für sie angestellten
Heilpädagogin betreut. Hier bestätigt sich dann auch das Bild der Integration: eine in
sich geschlossene Gruppe ist in einem Gros eingebettet, funktioniert aber für sich
selbst. Schliesslich fielen die insgesamt zehn Leh- rerassistenten auf, welche auch
einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten. Je nach Bedarf begleitet ein Assistent /
eine Assistentin die Lehrperson und unterstützt sie im Unterricht, indem sie sich
beispielsweise um eine Gruppe oder einzelne Schüler und Schülerinnen kümmert.
Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem Teamteaching, weil es sich bei den
Assistenten nicht um ausgebildete Lehrpersonen handelt.
81 Patschkowski 2003: 3
37
«I’d like them to learn how to behave themselves, how to cope with difficulties in life,
how to learn to trust oneself, how to make friends and be sociable.» A.Y., Schulleiterin der Sekundarschule Viitaniemi, Jyväskylä
5 Fokus II: Ebene Unterricht
5.1 Innere Differenzierung
Eine grundlegende Definition für innere Differenzierung oder Binnendifferenzierung bietet
Klafki: „Innere Differenzierung meint all jene Differenzierungsformen, die innerhalb
einer gemeinsam unterrichteten Klasse vorgenommen werden [...]“.78 Sie ist meist
fachbezo- gen und betrifft didaktisch-methodische Massnahmen innerhalb des
Klassenunterrichts, die darauf abzielen, „den individuellen Begabungen, Fähigkeiten
und Interessen der Schüler gerecht zu werden.“79 Bönsch spricht im gleichen
Zusammenhang der inneren Differenzierung von einem „variierenden Vorgehen in der
Darbietung von Lerninhalten.“80
Betrachtet man den Unterricht mit innerer Differenzierung als ein Gegenstück zum
Fron- talunterricht, „so liegt der ausschlaggebende Unterschied in der Planung der
Lernstra- tegien“ 81 , meint Patschkowski. Der lehrerzentrierte Frontalunterricht
zeichnet sich
dadurch aus, dass er den Lernenden die Lernstrategie vorgibt und alle zur selben Zeit
81 Patschkowski 2003: 3
37
78 Klafki 1993: 173. In: Pfeiffer 2006: 34f79 Sitte und Wohlschlägl 2001: 19980 Bönsch 1995: 21. In: Patschkowski 2003: 3
85 vgl. Sitte/Wohlschlägl 2001: 201f
38
mit dem gleichen Unterrichtsmaterial die gleichen Bedingungen erfüllen.
Demgegenüber werden die Lernenden im Unterricht mit innerer Differenzierung nicht
als homogene Gruppe betrachtet.82 Die innere Differenzierung verfolgt gemäss
Pfeiffer das Ziel, „eine optimale Förderung aller Schüler bei der Aneignung von
Erkenntnissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erreichen.“83 Weiter wird
die Selbständigkeit der Schüler und Schülerinnen gefördert mit dem Ziel, „das Lernen
lernen zu lassen“. Die Fähigkeit des sozialen Lernens und in diesem Rahmen die
Kooperationsfähigkeit zu entwickeln, ist ein weiteres Ziel der inneren Differenzierung.84
Die Organisation und Umsetzung des Unterrichts mit innerer Differenzierung stellt
daher hohe Ansprüche an alle Beteiligte. Realisierungswege, wie in differenzierender
Weise an die individuellen Ausgangslagen der Lernenden angeknüpft werden kann, gibt
es viele. Wie das Modell von Bönsch auf Seite 23 zeigt, variiert die innere
Differenzie- rung im Einsatz von Medien und Methoden sowie in den Sozialformen
und dem stoffli- chen Umfang. Diese Aspekte orientieren sich an denjenigen Aufgaben,
die im Unterricht zu bewältigen sind. Eine Lerngruppe kann sich also mit einer
Thematik in Form von Partner-, Gruppen- oder Klassenarbeit befassen und nach
verschiedenen Kriterien zu- sammengesetzt sein (soziale Nähe oder Distanz,
Schulleistung, Pultnachbarschaft u.Ä.).
Bei lernschwachen Schülerinnen und Schüler kann mit einer Vereinfachung der
Sachverhalte (d.h. Anpassung der Lernziele) und mit der Verwendung geeigneter Lern-
materialien gearbeitet werden. Zu deren Bearbeitung individuell viel Zeit zur
Verfügung steht. Zusätzlich kann durch vorübergehende Einzelbetreuung (sei es
durch die Lehr- person oder leistungsstarke Klassenkameraden) und vertieftem Üben
viel erreicht wer- den. Lernstärkere Schülerinnen und Schüler sollen hingegen nicht
nur mehr Stoff ver- mittelt bekommen, sondern diesen auf einem kognitiv höheren
Niveau (d.h. komplexere Inhaltskomponente oder vertiefte bzw. erweiterte
Auseinandersetzung mit dem Thema) bearbeiten können. Dabei können je nach
Möglichkeiten der Lernenden schwierigere oder einfachere Lernmaterialien
(kompliziertere thematische Karten, komplexere Bilder,
anspruchsvollere Texte usw.) herbeigezogen werden.85
85 vgl. Sitte/Wohlschlägl 2001: 201f
38
82 vgl. Pfeiffer 2006: 3683 Pfeiffer 2006: 3984 vgl. Pfeiffer 2006: 39
39
Im Zuge der Diskussionen über innere Differenzierung ist die Synopsis mit dem Unter-
richtsprinzip „offener Unterricht – geschlossener Unterricht“ unumgänglich. Der ge-
schlossene, lehrerzentrierte Unterricht wird dabei offenen Lernformen gegenüberge-
stellt. Das Lernen wird „vielmehr arrangiert, d.h. die Schülerinnen und Schüler sollen
angeregt werden, mit vorhandenen Aufträgen und Lerngegenständen eigene Lernwege
zu gehen. Lehrpersonen helfen ihnen dabei.“86 Es wird also ersichtlich, dass
bestimmte Formen der inneren Differenzierung im offenen Unterricht umgesetzt werden
können. In diesem Zusammenhang kommt dem „kooperativen Lernen“ als Form des
offenen Un- terrichts eine wichtige Bedeutung zu. Das kooperative Lernen entspricht
dem Bedürfnis nach Kommunikation und Kooperation junger Menschen. Gemäss
Niggli ist es „not- wendig, im Kontakt mit anderen zu lernen“, da dies der Forderung
nach Teamfähigkeit in der Wirtschaft und am Arbeitsplatz entspreche. Lehrpersonen
sind darum herausge- fordert, „soziales Lernen und inhaltliche Fragen (die Aneignung
von Kenntnissen, Fähig- keiten und Fertigkeiten) didaktisch angemessen zu
arrangieren.“87 Damit kooperatives Lernen stattfinden kann, muss ein „gemeinsames
Ziel“ vorhanden sein. Das Vorhaben der Gruppe steht dadurch im Zentrum des
kooperativen Unterrichts. Zur „positiven In- terdependenz“ (positive gegenseitige
Abhängigkeit) kommt es, wenn jedes Gruppen- mitglied das Gefühl hat, gemeinsam
mit den anderen zu profitieren.
An dieser Stelle wird vermutet, dass Finnlands Schulen deshalb erfolgreich
sind, weil in den Schulen der offene Unterricht in Form von kooperativen Lernanlässen,
schü- lerzentrierten Aufgabenstellungen und differenzierten Unterrichtsarrangements
prakti-
ziert wird.
40
86 Niggli 200: 1787 vgl. Niggli 2000: 222
41
5.2 Quality of Instruction in Physics (QuIP)
Dieses Kapitel widmet sich dem konkreten Unterricht finnischer Schulen und erklärt de-
ren Erfolg auf einer anschaulichen – gar alltäglichen – Ebene. Dabei wird
grösstenteils Bezug auf die Dissertationsarbeit von Johannes Börlin „Das Experiment
als Lerngele- genheit. Vom interkulturellen Vergleich des Physikunterrichts zu
Merkmalen seiner Quali- tät“ genommen. Seine Arbeit ist Teil der tri-nationalen
Videostudie „Quality of Instruction in Physics“ (QuIP)88, welche Merkmale gelingenden
Physikunterrichts in den Ländern Deutschland, Finnland und der Schweiz untersucht.
Insgesamt wurden 99 Doppelstun- den in Klassen des 9. und 10. Schuljahres aller
Schultypen zum Thema „Zusammen- hang zwischen elektrischer Energie und
Leistung“ gefilmt. Börlin legte bei seiner Arbeit den Schwerpunkt auf den Aspekt des
experimentellen Handelns, welches ein charakte- ristisches Merkmal des
Physikunterrichts bildet. Bei der Besprechung von Börlins Er- gebnissen als
Teilaspekt der QuIP-Studie, liegt der Fokus lediglich auf den Befunden des
Gesamtprojekts.
QuIP verfolgte zwei Hauptziele: 1. Die Identifikation von Qualitätsaspekten des
Physikunterrichts sowie 2. Die Erklärung der Leistungsunterschiede zwischen deut-
schen, finnischen und schweizerischen Schülerinnen und Schüler auf der Unterrichts-
ebene.89
Auslöser für die Videountersuchung waren die Testergebnisse der PISA-Studien,
in denen die finnischen Schüler und Schülerinnen bei den Leistungstests in den Natur-
wissenschaften signifikant besser abschnitten als die deutschen und
schweizerischen
Probanden und Probandinnen, wie die folgende Grafik anschaulich vor Augen führt:90
88 Hinter dem Projekt „Quality of Instruction in Physics“ und ihren Parnterorganisationen stehen: die Universität Duisburg-Essen (Deutschland), die Universität Jyväskylä (Finnland) und die Pädagogische Hochschule Bern und Pädagogische Hochschule der
42
Fachhochschule Nordwestschweiz (Schweiz). Vgl. Börlin 2012: 2
89 vgl. Börlin 2012: 290 vgl. Labudde 2012: Folie 4
43
Abbildung 6: Übersicht der PISA-Ergebnisse 2000-2006 im Bereich der Naturwissenschaften91
Neben all den anderen Forschungsarbeiten zum finnischen Schulsystem setzte die
QuIP-Studie mit ihren Untersuchungen genau dort ein, wo bisher eine Lücke klaffte,
nämlich die systematische Untersuchung, die das konkrete finnische Unterrichtsge-
schehen analysieren. Dazu wurden drei Hauptforschungsfragen aufgestellt: 92
1) Welche Charakteristika des Physikunterrichts machen Unterrichtsqualität aus?
2) Bestehen zwischen den Ländern bezüglich dieser Qualität Unterschiede?
3) Lassen sich länderspezifische Differenzen beim Zuwachs an Schülerleistung auf
Unterschiede der Unterrichtsqualität zurückführen?
5.2.1 Projektüberblick: Modell
Die Studie baut auf einem systematischen Modell für Unterrichtsqualität93 auf. Grundle-
gende Elemente bilden das Unterrichtsgeschehen und die darin enthaltenen Lernange-
bote, welche von der Lehrperson sowie den Schülern und Schülerinnen beeinflusst
werden. Beide Akteure werden durch Konstrukte wie Motivation, Ausbildung
(Lehrper-
son) und familiärem Hintergrund (Schüler und Schülerinnen) u.a. charakterisiert. Der
91 Das Diagramm zeigt die PISA-Ergebnisse der ersten drei Jahre (2000, 2003 und 2006) im Bereich der Naturwissenschaften. Gegenüber der Schweiz und Deutschland hat Finnland in allen drei Erhebungsjahren besser abgeschnitten, wie das Ranking der OECD veranschaulicht. Im Jahr 2006 erreichte Finnland einen Mittelwert von 563 Punkten und führte damit die Tabelle an. Deutsch- land erreichte 516 Punkte und die Schweiz folgte mit 512 Punkten. Vgl. OECD Kurzzusammenfassung 2007: 24. URL: http : //www . oecd . org/p i sa/39731064 . pd f (Stand 14. Februar 2013, 22.17 Uhr)
44
92 Börlin 2012: 793 vgl. Lipowsky et al 2005. In: Börlin 2012: 42
45
Output des Unterrichtsgeschehens wird durch Veränderungen der Schülerkompetenz
und -motivation erfasst.94
LEHRER Ausbildung
UNTERRICHT SCHÜLER
FamiliärerHintergrund
ProfessionellesWissen
Einstellungen
Enthusiasmus
Arbeits- bedingungen
Klassen- management
KognitiveAktivierung
ExperimentellesHandeln
Klassenklima
MotivationaleUnterstützung
Nicht-verbalesLehrerverhalten
KognitiveFähigkeiten
Kompetenz
Interesse, Motivation
OUTPUT Kompetenz
Interesse, Motivation
Abbildung 7: Systematisches Modell für Unterrichtsqualität (vgl. Lipowsky 2005)
Das QuIP-Projekt berücksichtigte bei der Erhebung alle Variablen des obigen
Modells. Bei der Diskussion der Forschungsergebnisse werden hier einzelne
Aspekte dieses Modells exemplarisch besprochen. Es wird dabei auf den
Leistungszuwachs, die Unter-
richtsmethoden, das Sozialverhalten und das experimentelle Handeln eingegangen.
46
94 vgl. Börlin 2012: 42
5.2.2 Projektüberblick: Design und Stichprobe
Die Datenerhebung dauerte ungefähr ein halbes Jahr. Sie erfolgte bei den meisten
Klas- sen im Wintersemester 2008/2009 und wurde im Sommersemester 2009
abgeschlos- sen. Damit die QuIP-Studie möglichst mit den Ergebnissen von PISA
vergleichbar war, wurden bei den nationalen Stichproben Klassen gewählt, die dem
Alter und dem sozio- ökonomischen Hintergrund von PISA entsprachen. In Finnland
und der Schweiz wurden die Probanden und Probandinnen im 9. und in Deutschland
im 10. Schuljahr getestet.
Der Klarheit halber soll hier erwähnt sein, dass pro Land nur eine bestimmte
Re- gion am Projekt beteiligt war. Aufgrund des grossen Aufwandes, die mit der
Erhebung einer für ganz Deutschland repräsentativen Stichprobe verbunden gewesen
wäre, wur- de die Untersuchung auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen
eingeschränkt. Auch in der Schweiz wurden nur bestimmte Klassen untersucht,
nämlich solche aus dem deutschsprachigen Teil des Landes. Für die Erfassung in
Finnland wurden Schulen aus Mittelfinnland (Region im Umkreis von 200 km um
Jyväskylä) berücksichtigt.
Die Erhebungen gliederten sich in eine Eingangserhebung (Pretest), die Video-
graphierung einer Doppelstunde zum Thema „Zusammenhang zwischen Elektrischer
Energie und Leistung“ und eine Nacherhebung (Posttest).
Halbjahr
Pr e t e s t
Vi d e o a u f n a h m e : I Do p p e l s t u n d e
Po s t te s t
LP SuS
LP SuS
LP SuS
Tests & Fragebogeno Hintergrundo Einstellungeno Fachwissen
kurzer Fragebogeno Motivation o Typikalität
Unterricht
Tests & Fragebogeno Fachwisseno Motivation
Abbildung 8: Zeitlicher Ablauf der Datenerhebung: Pretest, Videoaufnahme einer Doppelstunde und Posttest
(vgl. Börlin 2012: 44/Labudde 2012: 11)
Die Vorerhebungen erfolgten unmittelbar vor Beginn der Unterrichtseinheit zur
Elektrizi- tät in Form von Fragebögen und Tests. Befragt wurden sowohl Lehrpersonen
wie auch die Schüler und Schülerinnen.
Im Fokus der Erhebungen stand die Physik-Doppellektion zum Thema „Zusam-
menhang zwischen elektrischer Energie und Leistung“, die in jeder teilnehmenden Klas-
se gefilmt wurde. Den Lehrpersonen stand es frei, wie sie die Unterrichtssequenz ge-
stalteten. Direkt nach der Videographierung der Doppellektion wurde eine Kurzerhe-
bung durchgeführt. Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler wurden befragt, ob
es sich bei der gefilmten Sequenz um eine typische Doppellektion gehandelt hatte.
Mindestens einen Monat nach der videographierten Doppellektion wurde
schliesslich der Posttest durchgeführt. Üblicherweise verstrich zwischen dem Pre- und
Posttest ein Halbjahr. Dieses Pre-Posttest-Design umfasste einerseits Fachwissen,
In- telligenz, Motivation und Interesse sowie den sozioökonomischen Status aller
Schüle- rinnen und Schüler. Andererseits Fachwissen, fachdidaktisches Wissen sowie
Motivati- on aller beteiligten Lehrpersonen.95
5.2.3 Auswertung des Projekts: Zuwachs an Fachwissen
Die Auswertung der Pre- und Posttests hatte gezeigt, dass die Stichprobe in allen
drei Ländern denjenigen von PISA sehr ähnlich war. Wie weiter oben bereits erwähnt
wurde, handelte es sich bei den Pre- und Posttests um Wissenstests. Dieser war
aus PISA- ähnlichen Aufgaben konzipiert.
Von besonderer Bedeutung ist die Gegenüberstellung der Testergebnisse: sie
zeigen, „dass sich bei den finnischen und Schweizer Schülerinnen und Schülern ein
signifikanter Leistungszuwachs [nach Erarbeitung des Themas, I.G.] ergibt, wobei erste-
re am besten abschneiden“.96 Des Weiteren kann aus dem untenstehenden Diagramm
entnommen werden, dass bei den deutschen Probanden kein signifikanter Leistungs-
zuwachs zu verzeichnen war.
95 vgl. Börlin 2012: 42f, Labudde 2012: 11f, Börlin et al. 2011: 23
96 Börlin 2012: 149
97 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2011: 2098 vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2011): Übersichtsraster Unterrichtsvorhaben
45
Abbildung 9: Diagramm zeigt das Fachwissen der Schüler und Schülerinnen im Pre- und Posttest nach Ländern
(vgl. Geller et al. In: Börlin 2012: 149)
Das bessere Abschneiden der deutschen Schüler und Schülerinnen beim Eingangstest
kann mit dem Curriculum erklärt werden. Die Lernenden starteten bereits mit einem
grösseren Fachwissen, da die Elektrizitätslehre teilweise bereits im 7. Schuljahr themati-
siert wird, wie im Kernlehrplan Physik für die Realschule in Nordrhein-Westfalen
nachge- lesen werden kann. Demnach müssen die westfälischen Schüler und
Schülerinnen am Ende der ersten Progressionsstufe, welche „in der Regel nach etwa
einem Drittel der bis Ende des Jg. 10 vorgesehenen Unterrichtszeit erreicht wird“97
bestimmte Kompetenzen im Bereich Physik beherrschen. Gemäss einem Beispiel für
einen schulinternen Lehr- plan des Schulministeriums NRW wird in der ersten Hälfte
des 8. Schuljahres auf das Thema „Stromkreis“ mit dem inhaltlichen Schwerpunkt
„elektrische Energie“ eingegan- gen.98
103 vgl. Börlin et al. 20121: 24
46
Die Betrachtung des Lernzuwachses zwischen den Pre- und Posttests lässt zweierlei
Annahmen für die drei Länder zu:99
1. Der Unterricht spielt eine Rolle.
2. Die Qualität des Unterrichts bezogen auf den Erwerb des Fachwissens unter-
scheidet sich zwischen den Vergleichsländern.
Die Testergebnisse und das Projektdesign bieten demzufolge eine ideale Grundlage,
um „Merkmale des gelingenden Unterrichts“100 zu identifizieren. Diese werden im fol-
genden Kapitel näher besprochen.
5.2.4 Analyse der videographierten Unterrichtseinheiten
a) Oberflächenstruktur: Arbeitsformen
Die Analyse der Doppellektionen bezüglich der Interaktionsformen – sprich den Oberflä-
chen- resp. Sichtstrukturen101 – wurde in 20-Sekunden Intervallen durchgeführt. Dabei
zeigten sich länderspezifische Unterschiede, welche zur Übersicht im untenstehenden
Säulendiagramm dargestellt sind. Es konnte festgestellt werden, dass in Finnland ten-
denziell mehr Unterricht stattfindet. Von den 90 Minuten Unterrichtszeit wird in
Finnland effektiv 90 Minuten unterrichtet.102 In Deutschland und in der Schweiz fiel
diese Zeit fak- tisch etwas kürzer aus. Des Weiteren wurde zwischen den Ländern
ein signifikanter Unterschied in Bezug auf den Lehrervortrag beobachtet:
Gegenüber Deutschland ist der Anteil der Unterrichtszeit mit Lehrervortrag in Finnland
und in der Schweiz signifikant höher.103 Betrachtet man hingegen den Anteil an
Unterrichtszeit, welcher für Gruppen-,
Partner- und Einzelarbeit eingesetzt wird, fällt auf, dass der entsprechende Wert in Finn-
99 vgl. Labudde 2012: 16, Börlin et al. 2011: 24100 vgl. Börlin et al. 2011: 24
101 Der Begriff Oberflächen- resp. Sichtstruktur wurde von Oser in seiner Theorie „Basismodelle des Unterrichts“ geprägt. Es geht um die sichtbaren Lehr- und Lernhandlungen, welche er folgendermassen definiert: „Wenn ein Kind lernt, dann sind zwei Ebenen des inneren Handelns unmittelbar auffallend. Die erste Ebene bezieht sich auf die Sichtstrukturen, auf das, was eine Lehrperson als Bedingung der Möglichkeit von Lernen arrangieren kann. Sichtstrukturen haben mit der Aufteilung des Materials bzw. des Stoffes, mit den Anordnungen, wie gelernt wird, z.B. Einzelunterricht, Gruppenunterricht, Partnerunterricht etc., mit den Methoden des Unterrichts, z.B. darbietender Unterricht versus entwickelnder Unterricht, auch mit den Freiheitsgraden, mit denen Kinder ihr eige-
103 vgl. Börlin et al. 20121: 24
46
nes Lernen gestalten, zu tun. Man kann als Sichtstruktur also alles bezeichnen, was unmittelbar zum Unterricht von außen beitragen kann.“ Vgl. Oser/Sarasin 1995: 1. URL: ht t p : // i n f o . ub . uni - po t s da m . de / z s r / ll f / LLF_ PD F / LLF_ 11 / O S ER SA R A . PD F (Stand 28.12.2012,14.55Uhr)
102 vgl. Labudde 2012: 17 und Börlin et al. 2011: 24
104 Börlin et al. 2011: 24105 Börlin et al. 2011: 25
47
land gegenüber Deutschland signifikant tiefer liegt. Es ist wichtig, darauf
hinzuweisen, dass die Schweiz bezüglich Quantität104 stets zwischen Finnland und
Deutschland liegt. Börlin betont, dass es sich bei den genannten Unterschieden nicht
um Qualitätsmerk- male handelt. Er schreibt, „ob viel oder wenig Zeit für gewisse
Aktivitäten oder Arbeits- phasen verwendet wird, ist nicht allein entscheidend.
Vielmehr sind die Art und Weise, die gesamte Orchestrierung und die Passung des
Unterrichts insgesamt für die Qualität
ausschlaggebend.“105
Zeit [min]90
Lehrervortrag
Diktat
Plenumsdiskussion
Still-/Einzelarbeit
Partnerarbeit
Gruppenarbeit
0
Deutschland Schweiz Finnland
Mehrere Arbeitsformen gleichzeitig Übergang
Andere
Abbildung 10: Das Säulendiagramm zeigt die Oberflächenstruktur der videographierten Doppellektionen in Bezug auf die Arbeits-
form nach Ländern (vgl. Labudde 2012: 17)
b) Oberflächenstruktur: Unterrichtsmethoden
Die QuiP-Studie zeigt auch statistisch signifikante Ergebnisse in Bezug auf den Lern-
prozess auf. Das in verschiedene Sequenzen oder Phasen eingeteilte Sich-
Aneignen von einem neuen Lerninhalt unterscheidet sich pro Land teilweise wesentlich.
104 Börlin et al. 2011: 24105 Börlin et al. 2011: 25
47
An dieser Stelle ist die Erwähnung des in der Schuldidaktik gern zitierten PADUA-
Modells unumgänglich. Der Begründer des 5-Schritte Modells, Hans Aebli, verstand
107 Schüpbach 2007: 164
48
unter dem Akronym PADUA folgende Lernphasen: P roblemstellung, A ufbauen, D
urch- arbeiten, U eben und A nwenden. Damit ist aber nicht ein fachlicher Inhalt
gemeint. Viel- mehr geht es im PADUA-Modell um die Form und Funktion des
betreffenden Lern- schrittes.106
Die folgende gekürzte Darstellung lehnt sich an Schüpbach an und fasst die
Funktion der fünf Schritte zusammen.107 Der Autor weist darauf hin, dass das
schulisch- systematische Lernen allerdings kaum so modellhaft und linear verläuft, wie
es präsen- tiert wird.
P Pr o b l e m s t e l l u n g / Pr ä s e n t a t i o n Genaues Formulieren des Problems,
A Au f b a u e n
Erfassen der einzelnen Teile
Schrittweises Zusammenfügen von Ele-menten zu einer neuen Struktur
D Du r c h ar b ei t en Bewusstes Anders-Anschauen und in neuen Zusammenhängen kennenlernen
U Ue b e n Erhalten, Konsolidieren, Automatisieren und Perfektionieren
A An w e n d e n Einsetzen des Verfügbaren in neuen Situa- tionen
Abbildung 11: Vereinfachte Darstellung des PADUA-Modells (vgl. Schüpbach 2007: 164)
Stellt man nun das PADUA-Modell den Forschungsergebnissen aus der QuIP-Studie
gegenüber, fallen wiederum länderspezifische Unterschiede auf.
Typischerweise wird der Schwerpunkt in den naturwissenschaftlichen Fächern
auf die Teilschritte Problemstellung, Aufbauen und Durcharbeiten gelegt. Die Studie
konnte diese Annahme bestätigen, indem sie zeigte, dass das Üben und Anwenden
kaum seinen Platz im Unterricht findet. Und doch weist der Physikunterricht in
Finnland diesbezüglich einige besondere Merkmale auf. Verglichen mit Deutschland
wird der
Lernstoff im finnischen Physikunterricht signifikant mehr wiederholt. Ähnlich verhält es
108 Schüpbach 2007: 164
48
106 vgl. Aebli 1983: 275-382 in: Schüpbach 2007: 164ff
108 Schüpbach 2007: 171
49
sich mit den Unterrichtsphasen „Zusammenfassen“ und „Prüfen/Leistungs-
/Hausaufgabenkontrolle“. Während in Finnland zwar nur ein kleiner Bruchteil des Unter-
richts dafür eingesetzt wird, werden diesen Sequenzen in der Schweiz kaum und in
Deutschland gar keine Zeit beigemessen.
Das heisst konkret, dass in Bezug zum restlichen Unterrichtsgeschehen die
oben aufgeführten Unterschiede nur einen kleinen aber sehr bedeutsamen Platz
einnehmen. Zugleich beweisen sie, dass in Finnland den zwei letzten Teilschritten
des PADUA-
Lernmodells, Üben und Anwenden, mehr Wichtigkeit beigemessen wird.
Zeit [min]90
Wiederholung
Einstieg/Einführung
Erarbeiten neuer Inhalte
Üben/Anwenden
Zusammenfassen
Prüfen/Leistungs-/ Hausaufgabenkontrolle
0 Andere
Deutschland Schweiz Finnland
Abbildung 12: Das Säulendiagramm zeigt die Oberflächenstruktur der videographierten Doppellektionen in Bezug auf den Lernpro-
zess nach Ländern (vgl. Labudde 2012: 17)
Das Vernachlässigen des Übens im Unterricht wirft Fragen auf. Wie kann es dazu
kommen, dass alle drei Länder – besonders aber die Schweiz und Deutschland – die-
sem wichtigen Element des Lernens so wenig Aufmerksamkeit schenken?
Didaktiker und Praktiker denken schon lange über dieses Phänomen nach.
Schüpbach beispielsweise geht der Frage nach, wie es zum Ungleichgewicht zwischen
Einführen/Aufbauen und Üben kommt. Er schreibt:108
50
„Eigentlich sollte man meinen, Üben sei derart wichtig, dass dieser Phase im Lernprozess die nötige Gewichtung selbstverständlich zukomme. Aber vom Vorbereitungsaufwand her gesehen, den die meisten Lehrerinnen und Lehrer betreiben, und von der Realisierung im Schulalltag her, kommt man eher zum Schluss, die Einführung oder das Aufbauen sei viel wichtiger, denn da wird üblicherweise (und nicht a priori fälschlicherweise) viel Aufwand ge- trieben und viel Zeit investiert. Das Verarbeiten und Üben erscheint dann oft als Nebensache oder etwas, das man vernachlässigen zu können glaubt...“
Den Grund, dass das Verarbeiten und Üben im Schulalltag oft kürzer treten muss,
sieht der Autor bei den Lehrpersonen. Im Gegensatz zu den Schülern und Schülerinnen
ken- nen und können die Lehrenden den zu behandelnden Stoff bereits und verweilen
ent- sprechend ungerne lange daran. Sie vergessen, dass die Lernenden „dieses
Wegstück des Lernens auch gehen müssen“.109
Weiter bezieht sich Schüpbach auf Aebli, der das „Finden und Herstellen von
Sachbeziehungen zwischen bisher unverbundenen Elementen des Handelns und Den-
kens“ und „das Problemlösen, Forschen, Entdecken“ als „höheres Lernen“ bezeich-
net.110 Konsequenterweise zieht Schüpbach den Schluss, dass das Üben dementspre-
chend als „niedrieges [...] und daher weniger wichtiges Lernen“111 erscheint. Seine
Er- klärung leuchtet ein: „[...] denn mit dem Üben meinen viele Lehrende sich in
didakti- schen Niederungen zu bewegen. Und so kommt es, dass das Verhältnis von
Aufneh- men und Verarbeiten häufig nicht im Gleichgewicht ist.“112
c) Experimentelles Handeln
Ein wichtiger Teil des Physikunterrichts wird durch das experimentelle Handeln be-
stimmt. Das Experiment ist eine praktische Lerngelegenheit, welche dabei hilft,
physika- lische Gesetze und Regeln zu verstehen. Neben die Verständnisförderung
treten Aspek- te wie „[physikalische] Phänomene kennen lernen“ und „den Austausch
zwischen Ler- nenden zu fördern“.113 Gemäss Börlin können durch das experimentelle
Handeln „meh- rere unterrichtliche Dimensionen verbunden werden: Als wichtiger Teil
im Methodenre- pertoire des Physikunterrichts haben Experimente eine fachdidaktische
Dimension“.
Das Experiment, ein Kernstück der wissenschaftlichen Forschung, weckt bei den
Schülern und Schülerinnen „Neugierde und Motivation“ im Physikunterricht. Es bietet
109 Schüpbach 2007: 171110 Aebli 1983: 328f in: Schüpbach 2007: 171111 Schüpbach 2007: 171
51
112 Schüpbach 2007: 171113 Börlin 2012: 11
52
die Gelegenheit, „Themen aus Natur, Technik, Umwelt und der nachhaltigen Entwick-
lung auf originale, authentische, handelnde und erkundende Art zu erforschen.“114
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat im Juni
2011 einen Katalog mit Grundkompetenzen für die Naturwissenschaften
herausgegeben. Die Grundkompetenzen sind die „ersten nationalen Bildungsstandards
für die obligatorische Schule“ und „stellen einen wichtigen Beitrag zur
gesamtschweizerischen Harmonisie- rung der Ziele der Bildungsstufen dar.“115
Gemäss ihrem Modell müssen die Schüler und Schülerinnen bis zum Ende der
Sekundarstufe I über folgende Kompetenzen des Handlungsaspekts „Fragen und Un-
tersuchen“ – ergo experimentelles Handeln – verfügen:116
- Situationen und Phänomene mit mehreren Sinnen wahrnehmen, beobachten und be- schreiben und dazu verschiedenartige Fragen, Problemstellungen und einfache Hypo- thesen formulieren sowie Variablen für deren Überprüfung bestimmen (insbesondere im Zusammenhang mit Kraft und Gegenkraft, Energieerhaltung und -umwandlung, Strom- kreisen, Stoffumwandlungen, dem Aufbau von Zellen, dem Verhalten von Tieren, Bio- diversität);
- angeleitet Erkundungen, Untersuchungen und Experimente planen, durchführen und da- bei gezielt Schätzungen und Messungen vornehmen, Daten sammeln und auswerten und dabei zu Fragen und Hypothesen sachgemäss Stellung nehmen (insbesondere Kraftumwandlungen, mechanische und elektrische Leistung, chemische Reaktionen, Körperfunktionen, Bestimmung von Tieren und Pflanzen in Lebensräumen);
- beim Erkunden, Untersuchen und Experimentieren sowie beim technischen Konstruieren geeignete Werkzeuge, Instrumente und Materialien auswählen und einsetzen (insbeson- dere Instrumente zum Messen von Kraft, Stromstärke und Spannung; Instrumente zum Beobachten wie Mikroskop und Stereolupe);
- Ergebnisse aus Erkundungen, Untersuchungen und Experimenten in verschiedenen Formen darstellen (insbesondere als Skizze, Bericht, Protokoll, Tabelle, Diagramm, Graph, Plan);
- Erfolge und Mängel ihrer Planung, Durchführung und Auswertung einschätzen und Ver- besserungen vorschlagen.
Ein Teilprojekt der QuIP-Studie, Johannes Börlins Doktorarbeit, untersuchte
spezifisch die Qualität des experimentellen Handelns im Physikunterricht. Die Analyse
der Experi- mente im Unterricht erfolgte wiederum anhand der Videoaufnahmen. Das
„experimen- telle Handlungsmuster“ wurde mithilfe eines Kategoriesystems untersucht.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Experimentieren im deutschen und schweizeri-
schen Unterricht signifikant mehr Unterrichtszeit in Anspruch nimmt als in Finnland.
114 EDK 2011: 13115 EDK 2011: 2116 EDK 2011: 33
53
Konkret heisst dies, dass „rund die Hälfte der Unterrichtszeit (49min) im Kontext des
experimentellen Handelns stattfindet.“117 Diese Zeit umfasst jedoch drei verschiedene
Experimentierphasen: die Zeit für die Durchführung der Experimente sowie deren Vor-
und Nachbereitung.
Die signifikanten Unterschiede zwischen den drei Ländern haben sich wie folgt
gezeigt: in Deutschland und der Schweiz dominierte das experimentelle Handeln im
Unterricht. Beziffert bedeutet dies konkret, dass in Deutschland über zwei Drittel der
Unterrichtszeit (65min) für das Experimentieren eingesetzt wurde. In Finnland hingegen
wurde für das Experimentieren durchschnittlich 28 Minuten eingesetzt. Der Schweizer
Physikunterricht liegt mit 42 Minuten deutlich zwischen den beiden anderen Ländern.118
Betrachtet man die Phasen des experimentellen Handelns während des Unter-
richts, so fällt auf, dass in der Schweiz und in Finnland wenig Zeit für die Vor- und
Nachbereitung des Experiments eingesetzt wird. Zudem wird im finnischen
Unterricht dem qualitativen – im Gegensatz zum quantitativen – Experiment eine
grössere Bedeu- tung beigemessen. In Deutschland und teilweise in der Schweiz
konnten primär quanti- tative Experimente nachgewiesen werden. Die grosse Anzahl
an Versuchen kann auf das veraltete physikdidaktische Credo „jede Stunde ein
Experiment!“ zurückgeführt werden.119 Nach aktueller wissenschaftstheoretischer
Auffassung wird die Bedeutung des Experiments in der Physik geringer eingeschätzt,
als dies meist noch im herkömm- lichen Physikunterricht (und auch in den
Schulbüchern) dargestellt wird.
Börlin erstaunt dieser Befund ganz und gar nicht. Er vermutet, dass das Über-
wiegen des qualitativen Experimentierens in Finnland mit dem Lehrmittel begründet
werden kann. Die Analysen haben nämlich gezeigt, dass sich der Physikunterricht in
Finnland stark am Lehrmittel orientiert. Die starke Bindung der Lehrenden an das
Schulbuch beeinflusst logischerweise deren Planung. Beide Physiklehrmittel bieten
zum
Thema „Elektrizität“ ein qualitatives Experiment an.120
54
117 Börlin 2012: 158118 vgl. Börlin 2012: 158f und Labudde 2012: 29119 vgl. Labudde 2012: 29120 vgl. Börlin 2012: 164
55
6 Schlussteil
6.1 Diskussion
In diesem Kapitel wird die Arbeit abgerundet, indem die wichtigsten Ergebnisse kurz
zusammengefasst und auf die Fragestellung bezogen diskutiert werden. Das persönli-
che Fazit mit einem Ausblick bildet schliesslich den Schluss.
Um eine Basis zu schaffen, wurde zuerst kurz auf die Ergebnisse Schweizer
Schülerin- nen und Schüler in den PISA-Studien eingegangen. Dabei floss fortlaufend
die Erkennt- nis mit ein, dass die Resultate der OECD-Vergleichsstudie grosse
Auswirkungen auf die bildungspolitischen Auseinandersetzungen hatten und
Finnlands Schulen dabei einen wichtigen Platz einnahmen. Es folgte die
Feststellung, dass der schulische Erfolg in Finnland teilweise auf eine grundlegende
und gesellschaftlich tief verankerte Einstellung, nämlich der Chancengleichheit in der
Bildung für alle, zurückgeführt werden kann. Da- raufhin wurden die geschichtlichen
Entwicklungen des finnischen Schulsystems seit Ende des 19. Jahrhunderts bis
heute betrachtet, wo der Schwerpunkt vor allem bei der radikalen Umstellung vom
Parallel- hin zum Gesamtschulsystem in den 1970er Jahren gesetzt wurde. In
Verbindung mit dem Gesamtschulsystem in Finnland wurden die Strukturprinzipien
„innere und äussere Differenzierung“ umfassend betrachtet. Es wurde festgestellt, dass
eine integrative Schule, wie sie in Finnland vorzufinden ist, die äussere Differenzierung
weitestgehend überwunden hat. Des Weiteren lieferten die Befunde zur Selektion und
den fünf Deutungsmustertypen wichtige Inputs für das Verständnis dieser umfassenden
Reform. Die Erkenntnis, dass die finnische Schulpolitik trotz ihres integra- tiven
Charakters bestrebt ist, die Ausgrenzung geistig sowie körperlich behinderter
Menschen ganz zu minimieren, führte zur Klärung der sonderpädagogischen Begriffe
Inklusion, Integration, Segregation und Exklusion. Um dem Erfolg des finnischen Schul-
systems auf den Grund zu gehen, wurden die Begriffe Integration und Inklusion
näher betrachtet. Es stellte sich dabei heraus, dass sich die finnischen Schulen durch
gezielte Förderung in einer möglichst frühen Phase auszeichnen und über ein
komplexes son- derpädagogisches Förderprogramm verfügen. Bei der
Auseinandersetzung mit Diffe- renzierungsformen auf der Unterrichtsebene wurde die
56
Hypothese aufgestellt, dass der
57
schulische Erfolg mit dem offenen, schülerzentrierten und individualisierten Unterricht
begründet werden kann. Um dieser Annahme nachzugehen, wurden die Ergebnisse
der Studie „Quality of Instruction in Physics“ (QuIP), welche Merkmale gelingenden
Physik- unterrichts in Finnland, Deutschland und der Schweiz untersucht,
herbeigezogen. Die Auswertung der Studie konnte zwar belegen, dass der
Unterricht an den finnischen Schulen eine signifikante Rolle für gute Leistungen spielt,
widerlegte jedoch gleichzeitig die der Arbeit vorangegangene Annahme. Die
Hypothese wurde darum falsifiziert, weil belegt werden konnte, dass der Anteil der
Unterrichtszeit mit Lehrervortrag in Finnland signifikant höher liegt als in den
Vergleichsländern. Ähnlich markant waren die Befunde in Bezug auf Einzel-, Partner-
und Gruppenarbeit: für diese Sozialformen wird im finni- schen Physikunterricht
merklich weniger Unterrichtszeit eingesetzt.
Diese Befunde sind zugleich klare Elemente, welche im eigenen Unterricht
weit- gehend unabhängig des jeweiligen Fachs übernommen werden können. Auch
gibt die unterschiedliche Gewichtung des PADUA-Modells einen Hinweis, in welche
Richtung der eigene Unterricht reflektiert und allenfalls modifiziert werden könnte, um
dem finni- schen Vorbild näher zu kommen. Dies ist darum umsetzbar, weil die
einzelnen Lern- schritte Teil der inneren Unterrichtsdifferenzierung sind und von der
Lehrperson relativ autonom bestimmt bzw. gewichtet werden können. Die
Rhythmisierung der Lektionen unterliegt nicht dem Schulsystem per se. Die Befunde
zum experimentellen Handeln sind hingegen nur eingeschränkt bzw. lediglich
fachweise anwendbar, da das Experi- ment nicht Teil eines jeden Faches ist.
Zusammenfassend sei gesagt, dass die Fragestellung zur Arbeit beantwortet werden
konnte. Es wurde ein umfassendes Bild in Bezug auf Inklusion und Differenzierung im
finnischen Schulsystem skizziert. Die These, dass in Finnland vermehrt Formen des of-
fenen Unterrichts eingesetzt werden, konnte mit einschlägigen Beispielen aus der QuiP-
Studie widerlegt werden.
Eindeutige Stärke der erstellten Arbeit ist der Einbezug aktueller Studien, die ge-
rade erst abgeschlossen wurden oder im Laufe dieses Jahres noch zu Ende geführt
werden. Die im QuIP-Projekt durchgeführten Erhebungen und Stichproben weisen
eine hohe Repräsentativität auf und sind daher besonders wertvoll. Ferner sind die
persönli- chen Erfahrungen, die während dem zweiwöchigen Aufenthalt in Finnland
58
gesammelt wurden, für die Qualität der Arbeit unerlässlich. Der Besuch einer finnischen
Schule ver-
59
leiht der theoretischen und literaturbasierten Arbeit eine zusätzliche Tiefe, die anders
nicht erreicht werden kann.
Gleichzeitig zeigen sich in der Arbeit aber auch Grenzen und Lücken auf, die
klar benannt werden müssen. Grundsätzlich ist das Vorhaben, Merkmale eines
erfolgreich abschneidenden Schulsystems herauszufiltern und in einem ganz anderen
schulischen Kontext anzuwenden, nur bedingt umsetzbar. Zu gross sind teilweise
die kulturellen, politischen oder geschichtlichen Unterschiede, welche die
Schullandschaft bestimmen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen
Sparmassnahmen und leb(e)haften Diskussi- onen bezüglich der kantonalen
Lohnstrukturen. Es reicht nicht, die Adaption nur an der Oberfläche, d.h. im
Unterricht, vorzunehmen. Die grundlegenden Unterschiede sind tiefer im
Schulsystem verankert. Überdies läuft man bei der Lektüre dieser Arbeit Ge- fahr,
Äpfel mit Birnen zu vergleichen: Die Befunde der QuIP-Studie stützen sich einzig auf
Untersuchungen, die im Physikunterricht zu einem einzigen Thema durchgeführt
wurden. Diese Ergebnisse lassen sich nur beschränkt verallgemeinern und müssen mit
Vorsicht genossen werden. Ebenso wurde die hier aufgestellte Hypothese mit einer
Studie widerlegt, was in einer möglichen Weiterarbeit unbedingt beachtet werden
müsste.
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema hat jedoch auch Fragen aufkommen lassen,
welche hier nur noch am Rande und im Sinne eines Ausblicks aufgeführt werden
sollen. Diese Gedanken erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
- Laut dem finnischen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft121 lag die
Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren letzten August bei 7.0%. In der
Schweiz betrug diese Zahl lediglich 3.5%122. Dieser grosse Unterschied wirft viele
Fragen auf. In der Schweiz scheinen die Jugendlichen trotzdem besser auf die
berufliche Zukunft vor- bereitet zu sein. Gründe dafür könnten im dualen
Berufsausbildungssystem zu fin- den sein, das hierzulande erfolgreich zu sein
scheint und in Finnland noch Lücken aufweist und Verbesserungen nötig hat.
Ein Zusammenhang besteht allerdings
auch auf konjunktureller Ebene.
60
121 Ministry of Employment and Economy www .t em .fi /emp l oymen t bu ll e tin (Stand: 14.02.2013, 14.56 Uhr)122 Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, 2012: 5. URL:ht t p : // www . b f s . adm i n . ch/ b f s / por t a l / de/ i ndex / t hem en/ 03/22/ pr es s . htm l ?pressID=8222 (Stand: 15.2.2013, 17.41 Uhr)
61
- Ein wichtiger Schwerpunkt des Schulsystems ist der Beruf der Lehrperson. Es
wäre interessant, dem Professionsgedanken in beiden Ländern nachzugehen
und dies auf diversen Ebenen zu betrachten. Einerseits wäre die Stellung des
Berufsstandes in der Gesellschaft von Interesse, anderseits die Form der
Ausbildung. Ein geeigne- ter Anknüpfungspunkt wäre hier zum Beispiel das im
Kapitel 5 zitierte Modell von Lipowsky. Es zeigt nämlich auf, dass die Ausbildung
der Lehrperson deren Einstel- lung und Enthusiasmus in Bezug auf den Unterricht
klar beeinflusst.
- Um einen aussagekräftigen Vergleich zwischen den Schulsystemen der Schweiz
und Finnland zu erhalten, wäre die Betrachtung der vorhandenen finanziellen Res-
sourcen wichtig. Schlussendlich bestimmen die Finanzen über die
Möglichkeiten und Grenzen schulischer Entwicklung.
- Weiter könnte genauer gefragt und analysiert werden, welche Aussagekraft und
Wichtigkeit den PISA-Studien überhaupt zukommt und inwiefern deren Befunde
wirklich relevant sind. Bieten sich den Schülern und Schülerinnen der besser ab-
schneidenden Länder auch bessere Perspektiven?
- Interessant wäre zudem die Frage nach der Befindlichkeit finnischer Schüler und
Schülerinnen. Hat der Erfolg des Schulsystems eine Auswirkung auf das
Sentiment der Jugendlichen? Welchen Nutzen haben sie von der Bildung?
- Schliesslich wären natürlich auch die integrativen Bemühungen (rILZ, DaZ, Begab-
tenförderung etc.), die an Schweizer Schulen betrieben werden, von Interesse. Was
wäre diesbezüglich von HarmoS zu erwarten?
62
6.2 Persönliches Fazit
„Thank you! Have a nice journey and enjoy your flight!“. Die Flugbegleiterin streckt mir
lächelnd das Ticket und die ID entgegen und lässt mich passieren. Minuten später
sitze ich im Flugzeug und warte auf den Abflug zurück in die Schweiz. Ich freue mich,
denn ich habe einen Fensterplatz. Es herrscht bereits reger Betrieb am Flughafen.
Nach einer Weile scheint unser Pilot endlich grünes Licht für den Abflug erhalten zu
haben. Wir rol- len übers Flugfeld und machen uns bereit für den Start. Dem lauten
Aufheulen der Tur- binen folgt eine plötzliche Beschleunigung, die mich tief in den
Sitz drückt. Der span- nende Moment des Abhebens dauert einige Sekunden, dann
befinden wir uns in der Luft und steigen in die Höhe. Auch wenn ich nicht unter
Flugangst leide, merke ich doch, wie sich eine innere Nervosität langsam löst.
Auf meinem Schoss liegt das Buch von Rainer Domisch. Etliche Stellen sind mit
Post-it Klebern markiert. Ich schlage das Buch auf und weiss, dass ich das
Geschrie- bene nun besser verstehen werde. Ein kleines Stück des Geheimnisses
„finnische Schule“ hat sich mir auf eine schöne Weise offenbart. Ich blicke
nochmals aus dem Fenster, die ersten Wolken ziehen bereits vorbei. Helsinki wird
immer kleiner.
Ich bin gelandet. Angekommen. Die Arbeit ist abgeschlossen. Grundsätzlich darf ich
sagen, dass ich mit dem Produkt zufrieden bin. Dies, weil ich sehr viel Zeit investiert
und einen grossen Aufwand betrieben habe. Mit bestem Willen habe ich mich ans
Lesen, Nachforschen, Schreiben, Revidieren, Korrigieren und Überarbeiten gemacht
und dabei alle möglichen Ressourcen eingesetzt.
Was die Organisation und Realisierung dieser Masterarbeit betrifft, musste ich
jedoch meine erste Planung nach und nach anpassen. Ich habe es mir leichter
vorge- stellt, eine meinen Ansprüchen entsprechende Arbeit neben der Tätigkeit als
Lehrerin zu verfassen. Die Herausforderung bestand darin, mit den zwei
aufeinander prallenden Welten (Schule und Studium) klar zu kommen und diese
professionell aneinander vorbei zu bringen. Gleichzeitig war dieser Kontrast eine
willkommene Abwechslung zum hekti- schen Schulalltag und ein gelungenes
Nachdenken über das Lehren.
Neben dem Wissenszuwachs, der meiner Meinung nach enorm ist, habe ich
63
durch diese Arbeit vor allem auch eines gewonnen: Bekanntschaften in Finnland und
64
Deutschland. Während meinem Aufenthalt in Jyväskylä durfte ich eine unglaublich
grosszügige Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft von allen Leuten erfahren. Ich habe
nicht nur Neues über Finnlands Schulen gelernt, sondern auch über dessen
Menschen und Kultur.
65
7 Quellenverzeichnis
7.1 Literatur
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Berlin: Logos Verlag
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Inklusive Schule. Leben und Lernen mittendrin. Bad Heilbrunn: Julius
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hinderter Menschen, Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.): Gemeinsam ler-
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Bertelsmann Stiftung. 7-10
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Stuttgart: Ernst Klett Verlag
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neusten Entwicklungen. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag. 58-78
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PISA. Finnlands Schulsystem und seine neusten Entwicklungen. Berlin:
Berliner Wis- senschafts-Verlag. 123-127
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Sarjala, Jukka, Häkli, Esko (Hrsg.) (2008): Jenseits von PISA. Finnlands
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gründiges zur Didaktik im Schulalltag. 3. Auflage. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt-
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14.55Uhr)
- Projektgruppe „Integration und Schule“. URL:
http://www.integrationundschule.ch (Stand 8.02.2013, 09.26 Uhr)
- Schweizerische Eidgenossenschaft und Schweizerische Konferenz der kantona-
len Erziehungsdirektoren (EDK). PISA 2012. Kompetenzmessung bei 15-
Jährigen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Ein gemeinsames Pro-
jekt von Bund und Kantonen. November 2011. URL: www.pisa2012.ch (Stand:
06.11.2012, 15.13 Uhr)
- Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Schweizerische Eidgenossenschaft
(Hrsg.) (2012): Die Lage auf dem Arbeitsmarkt. August 2012. Bern. URL:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/03/22/press.html?pressID
=8222 (Stand: 15.02.2013, 17.44 Uhr)
- Unterrichtsministerium Finnland (2006): Broschüre Bildung und Wissenschaft in
Finnland. Helsinki: Universitätsverlag (ISBN: 952-485-129-6 (pdf)). URL:
http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2006/liitteet/sak_opm1
6.pdf
- Von der Groeben, Annemarie. Pädagogik 55. Jahrgang Heft 9/Sept. 2003. URL:
http://www.schulberatung-bs.de/Procedere/Ideen/Differenzierung.pdf (Stand
15.02.2013, 20.21 Uhr)
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8 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht Kompetenzbereiche ( www . p i s a 2012 . c h ).............................................. 9
Abbildung 2: Bildungssystem Finnland (Bildungsministerium Finnland).................................... 21
Abbildung 3: Gliederungsschema Differenzierung nach Bösch (Pfeifer 2006: 34).................... 23
Abbildung 4: Entwicklung der Sonderpädagogik nach Bürli (Wohlhart 2010: 13)..................... 31
Abbildung 4: Entwicklungsstufen schulischer Integration (Olpe plus e.V)................................. 31
Abbildung 6: PISA-Ergebnisse (Labudde 2012: 4)................................................................... 41
Abbildung 7: Modell für Unterrichtsqualität nach Lipowsky (Börlin 2012: 42)........................... 42
Abbildung 8: Ablauf der Datenerhebung (Börlin 2012: 44/Labudde 2012: 11)......................... 43
Abbildung 9: Fachwissen der SuS im Pre- & Posttest nach Geller (Börlin 2012: 149).............. 45
Abbildung 10: Oberflächenstruktur in Bezug auf Arbeitsform (Labudde 2012: 17)................... 47
Abbildung 11: PADUA-Modell (Schüpbach 2007: 164)............................................................48
Abbildung 12: Oberflächenstruktur in Bezug auf Lernprozess (Labudde 2012: 17).................. 49
Abbildungen auf den KapitelseitenKapitel 2: Wordle (erstellt auf www . w o r d l e . ne t )......................................................................... 8
Kapitel 3: Suomi Koulou ( h t t p : / / u t r e c h t i n s u o m i ko u l u . n l / ?page_id=2)....................................... 13
Kapitel 4: Selektion ( h tt p : // www . un p . m e / f 98 / f a i r - se l e c t i o n - 183153 /)....................................... 22
Kapitel 5: Education ( h t t p : // www . m a r s l ea r n i ngcen t e r . co m)..................................................... 37
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9 Anhang
9.1 Fragebogen leer
Questionnaire about the Finnish school system
This questionnaire is part of my master’s thesis, which I am writing at the teacher training col- lege in Bern, Switzerland. I am gathering information about the Finnish school system in order to find out why it is so successful, especially since the PISA studies.
Your opinion is a precious contribution to my work. Thank you!Please return your answers to the following email-address: irini. g as p a r i s @ g m a i l . co m
1. At the latest since the publication of the first PISA results in 2001, the Finnish school system is broadly discussed in Europe. In your opinion, what are the reasons for the success of your school system? Please give as many reasons as possible.
2. The Finnish Ministry for Education and Culture123 states that “all children are guaranteed opportunities for study and self-development according to their abilities, irrespective of their place of residence, language or financial status. All pupils are entitled to competent and high-quality education and guidance and to a safe learning environment and well- being”. How do you tackle the fact that you are teaching in an inclusive school system? How are the weak students taken care of? How does this affect your teaching meth- ods/attitudes/goals/...?
3. As a form of differentiation, the city of Jyväskylä has set up a three-tired support (Kolmi- portainen tuki). Please tell about your experiences you have made with this program. Where do you see its potential?
4. According to the Finnish Ministry of Employment and Economy124, the unemployment rate of Finnish people under the age of 25 years was 7.0% at the end of August. In Switzerland, however, the rate of unemployed people aged 15-24 was 3.5% at thesame time. A possible explanation for this data is the structure of the vocational training. How do you help your students to get ready for their professional future (i.e. are there any elements/topics/etc. in your lessons which support your student’s career choice)? If this is not the case, please give reasons why this is so.
5. With the national core curriculum as a framework, the local education authorities drew up a local curriculum. Your school has chosen to organise the syllabus in four periods.As a teacher, where do you see the good and bad sides in this setup?
123 Ministry for Education and Culture (3.10.2012) ht t p : // www . m i nedu . f i / O P M / K ou l ut us / kou l ut us j aer j es t e l m ae/ i ndex . htm l ?lang=en124 Ministry of Employment and Economy (3.10.2012): h tt p : // www . t e m . f i / f il e s / 34204 / AU G 12 . pd f
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6. Please name the things you would like to change in your school system. Where do you meet problems and why? Also try to describe your school in ten years. What kind of changes will there probably be?
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9.2 Fragebogen P.R. (8.10.2012)
This questionnaire is part of my master’s thesis, which I am writing at the teacher training col- lege in Bern, Switzerland. I am gathering information about the Finnish school system in order to find out why it is so successful, especially since the PISA studies.
Your opinion is a precious contribution to my work. Thank you!Please return your answers to the following email-address: irini. g as p a r i s @ g m a i l . co m
1. At the latest since the publication of the first PISA results in 2001, the Finnish school system is broadly discussed in Europe. In your opinion, what are the reasons for the success of your school system? Please give as many reasons as possible.
Finnish society has a rather flat hierarchy. There are no obvious societal classes. The school system reflects this, and there is very little formality between students and teachers, which makes the atmosphere relaxed. Everyone learns a little bit of everything. (We often use the term "yleissivistys" or Allgemeinbildung.) In some countries, students specialize very early, so it is no wonder they will lack some of the skills measured in PISA.
2. The Finnish Ministry for Education and Culture states that “all children are guaranteed opportunities for study and self-development according to their abilities, irrespective of their place of residence, language or financial status. All pupils are entitled to competent and high-quality education and guidance and to a safe learning environment and well- being”. How do you tackle the fact that you are teaching in an inclusive school system? How are the weak students taken care of? How does this affect your teaching meth- ods/attitudes/goals/...?
A little of everything for everyone applies here as well. I try to layer my topics so that everyo- ne gets a good overall picture, while there are deeper insights available for the talented stu- dents.
3. As a form of differentiation, the city of Jyväskylä has set up a three-tired support (Kolmi- portainen tuki). Please tell about your experiences you have made with this program. Where do you see its potential?
I only have little experience on it. I think its main idea is that problems are shared early on, and the teacher does not have to decide alone what to do. Thus it helps the inexperienced teacher, and ensures fair participation for everyone involved, such as the parents.4. According to the Finnish Ministry of Employment and Economy, the unemployment rate
of Finnish people under the age of 25 years was 7.0% at the end of August. In Switzer- land, however, the rate of unemployed people aged 15-24 was 3.5% at the same time. A possible explanation for this data is the structure of the vocational training. How do you help your students to get ready for their professional future (i.e. are there any ele-
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ments/topics/etc. in your lessons which support your student’s career choice)? If this is not the case, please give reasons why this is so.
This relates a lot to my answer to 1. Teaching a little of everything to everyone has the be- nefit that students can get some idea of a wide variety of professions, and thus help them find their own calling. On the other hand, it is hard to give a good picture of any single field. For example, in my science lessons I try to remind that this is not only for the future scien- tists, but also beauticians and mechanics. One problem, then, is that science teachers are scientists themselves. It is hard to promote vocational fields equally, when every teacher has a master's degree.
5. With the national core curriculum as a framework, the local education authorities drew up a local curriculum. Your school has chosen to organise the syllabus in four periods. As a teacher, where do you see the good and bad sides in this setup?
I think the system of periods has mostly benefits, and I would choose it any day. As a tea- cher, I feel confused if I have too many courses going on at the same time. I imagine it is not so different for the students. After all, we highlight the importance of focusing on one thing at a time and doing it well.
The general downside seems to be that students forget things sooner. For example, they have one course of physics in each of the 3 years here, so they have about a year between consecutive courses. Personally, I do not feel this is a huge issue; I think it is more important to "learn to learn" than to memorize facts forever. It also gives a nicer feel of starting and fi- nishing projects on time, and moving on with life.
6. Please name the things you would like to change in your school system. Where do you meet problems and why? Also try to describe your school in ten years. What kind of changes will there probably be?
Despite the general Finnish ideals of equality, I would like to see a little more specialization. For example, in a large school you could have 2 or 3 different levels of math teaching. These were around sometime in the past, but now they are basically forbidden. One problem was that they were often too rigid, and higher education was impossible for those in the lowest tier. Of course, the point would be to better match a student's ability and education, than limit their choices.
In practice, each group has a different level, because teachers are quite free to adjust their teaching to the overall level of a group. But it feels unfair to have a talented student in a lo- wer-level group, or vice versa, because of the random assignment of students into groups.
I still think that it is important to learn a bit of everything, but there should be more flexibility in matching the students' abilities and interests with the teaching.
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This might give some idea for a future scenario. The gap between weak/poor and weal- ty/talented students is widening, and I expect the latter to go more into private education. State schools will try to maintain the ideals of equality, for those that have seen the ideals fail. Meanwhile, those with talent and drive will find knowledge and employment completely outside the school system (at least in younger fields such as IT).
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9.3 Fragebogen A.Y. (08.10.2012)
This questionnaire is part of my master’s thesis, which I am writing at the teacher training col- lege in Bern, Switzerland. I am gathering information about the Finnish school system in order to find out why it is so successful, especially since the PISA studies.
Your opinion is a precious contribution to my work. Thank you!Please return your answers to the following email-address: irini. g as p a r i s @ g m a i l . co m
1. At the latest since the publication of the first PISA results in 2001, the Finnish school system is broadly discussed in Europe. In your opinion, what are the reasons for the success of your school system? Please give as many reasons as possible.
I believe that the elementary school teachers do the work! They are very professional and lay the ground. I don’t think we can do much in the secondary school. If the pupils have learned to learn at an early age they’ll go on in the same way. If not, we can’t do much.In the first Pisa-tests the Finnish children did well in reading and understanding what theyread. It has probably something to do with the Finnish language. It’s not difficult for children to learn to read Finnish because the words are often pronounced the way they are written. The children watch TV with subtitles and they are eager to pick up the words in order to un- derstand what Donald Duck is saying I’ve heard the following kind of explanations, too:
- teachers are well-educated- teacher’s profession is respected (I doubt this)- there are good libraries all over the country- we still have the tradition of reading bed-time stories to our children (well, that’s
true)
2. The Finnish Ministry for Education and Culture states that “all children are guaranteed opportunities for study and self-development according to their abilities, irrespective of their place of residence, language or financial status. All pupils are entitled to competent and high-quality education and guidance and to a safe learning environment and well- being”. How do you tackle the fact that you are teaching in an inclusive school system? How are the weak students taken care of? How does this affect your teaching meth- ods/attitudes/goals/...?
Theory and good ideas are not the same as reality. Of course we try to achieve the aims that are stated but we seldom succeed. Like I already mentioned I tend to teach in a way that the majority is able to follow. I can’t provide the good students with much extra materi- al, nor can I drag the weak students along with the others. The weak students are helped by our special education teachers, the good ones are on their own. If they are independent, motivated and hard-working they can score high, but usually they are content with the con- tents that we go through together.
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This is terrible – I almost sound cynical. But maybe and hopefully I’m just being realistic. But the truth is I’m doubtful about these academic goals. I’m more concerned about what kind of people we educate. I’d like them to learn how to behave themselves, how to cope with difficulties in life, how to learn to trust oneself, how to make friends and be sociable. And when thinking about these aspects I’m not cynical at all. I believe there’s something good in everybody and I believe that the teachers can make a difference. Not all the time but like I said, I’d like to think that later in life our students could agree with this: “Somewhere, at some point, some teachers did something good and that’s why I got this far.”
3. As a form of differentiation, the city of Jyväskylä has set up a three-tired support (Kolmi- portainen tuki). Please tell about your experiences you have made with this program. Where do you see its potential?
The only potential I see with this is that it makes the teachers co-operate with the families more. Otherwise I think it means an awfully lot of paperwork and bureaucracy. The basic idea was to ensure the students a fair evaluation of their abilities (so that they wouldn’t be‘transferred’ to special education class without a good reason) but I’m really not at all con- vinced about this model. For instance, I have a boy in the 7th grade whose school history is very difficult. He has received support from many different professionals over the years. Af- ter a couple of weeks I can see that studying Swedish in a normal class is going to be an obstacle for him but there is not much I can do except contact the parents (who definitely don’t want him to be excluded from the class) and start filling in those endless reports. I guess, a year will pass, before we have reached the top of the triangle and a special educa- tion teacher will start his work with the student. That’s something that happened last year, too, to a boy, who from the very first word test showed having great difficulties.
By the way, this three-tiered support is a nation-wide concept. It’s stated in the new law and all school in Finland have to follow it.
4. According to the Finnish Ministry of Employment and Economy, the unemployment rate of Finnish people under the age of 25 years was 7.0% at the end of August. In Switzer- land, however, the rate of unemployed people aged 15-24 was 3.5% at the same time. A possible explanation for this data is the structure of the vocational training. How do you help your students to get ready for their professional future (i.e. are there any ele- ments/topics/etc. in your lessons which support your student’s career choice)? If this is not the case, please give reasons why this is so.
I don’t think I can answer this question. It’s very difficult to say but I’ll ask one of our student guidance teachers to write a couple of lines about that.
5. With the national core curriculum as a framework, the local education authorities drew up a local curriculum. Your school has chosen to organise the syllabus in four periods. As a teacher, where do you see the good and bad sides in this setup?
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I see more good than bad sides with this. I think the students can concentrate much better on the subjects, they have maybe less tests and definitely less books to carry. The problem is that if the amount of courses in a particular subject is low (like Swedish) there may be long breaks between the courses (for example if they start studying Swedish in the first period and the second course is studied in the fourth period).
Another nice thing is also that the students get four different timetables and four report cards every year. Variety is the spice of life.
6. Please name the things you would like to change in your school system. Where do you meet problems and why? Also try to describe your school in ten years. What kind of changes will there probably be?
I would like to abolish the three-tiered support (!) . The authorities and the parents should trust the teachers more and let them make the judgements. There was a research in Finland (carried out a couple of years ago) which showed that the teachers were the best ones to foresee how a pupil was going to succeed with his studies in the future. The parents of course were not able to be objective enough. And the teachers had a lot of experience and they could kind of tell what was the average or the ‘normal’ way. So with this three-tiered support we feel that we are just asked to motivate our opinions time after time in written form and still it’s not enough.
In ten years I hope there will be a completely different syllabus in Finnish schools. I hope that we’ll have a lot more practical subjects and much less theoretical ones. I hope that the basic principle ‘Everyone will learn everything’ is forgotten and that the pupils can concen- trate on studying things that interest them and where they can show their strengths. We need more joy in Finnish schools, more successful experiences for both students and teachers.
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9.4 Fragebogen O.L. (11.10.2012)
This questionnaire is part of my master’s thesis, which I am writing at the teacher training col- lege in Bern, Switzerland. I am gathering information about the Finnish school system in order to find out why it is so successful, especially since the PISA studies.
Your opinion is a precious contribution to my work. Thank you!Please return your answers to the following email-address: irini. g as p a r i s @ g m a i l . co m
1. At the latest since the publication of the first PISA results in 2001, the Finnish school system is broadly discussed in Europe. In your opinion, what are the reasons for the success of your school system? Please give as many reasons as possible.
There are no easy answers and I have not anything to compare. For learning it is good that we have certain democracy between teacher and his pupils. That helps the pupils to dis- cuss and even argue with the teacher. The teachers have wide academic studies. School and teachers have quite much freedom to make decisions how to carry out the lessons. Special teaching achieves good results.
2. The Finnish Ministry for Education and Culture states that “all children are guaranteed opportunities for study and self-development according to their abilities, irrespective of their place of residence, language or financial status. All pupils are entitled to competent and high-quality education and guidance and to a safe learning environment and well- being”. How do you tackle the fact that you are teaching in an inclusive school system? How are the weak students taken care of? How does this affect your teaching meth- ods/attitudes/goals/...?
In almost every class there are some pupils that have special needs. I try to give attention to his/her needs but it is not easy job. Many times it means that I have to make extra prepara- tions. My teaching methods may be better than before. I also think that the goals may be different: learning to learn instead of learning the facts.
3. As a form of differentiation, the city of Jyväskylä has set up a three-tiered support (Kol- miportainen tuki). Please tell about your experiences you have made with this program. Where do you see its potential?
We can see the difficulties when we write them down. After that we can see how we go ahead with them. But this is again more job to the teachers. It is not the main task that the teacher writes papers concerning his pupils.
4. According to the Finnish Ministry of Employment and Economy, the unemployment rate of Finnish people under the age of 25 years was 7.0% at the end of August. In Switzer-
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land, however, the rate of unemployed people aged 15-24 was 3.5% at the same time. A possible explanation for this data is the structure of the vocational training. How do you help your students to get ready for their professional future (i.e. are there any ele- ments/topics/etc. in your lessons which support your student’s career choice)? If this is not the case, please give reasons why this is so.
I encourage them to choose vocational school and maybe entrepreneur career. I hope they understand that you can be a good professional even you haven´t been a primus pupil in school.
5. With the national core curriculum as a framework, the local education authorities drew up a local curriculum. Your school has chosen to organise the syllabus in four periods. As a teacher, where do you see the good and bad sides in this setup?
Good sides: limited time and content of the courses (destination is not so far away), flexibil- ity, rhythm to the learning, not so many subjects going on in same timebad sides: there can be too easy and too heavy periods for pupils
6. Please name the things you would like to change in your school system. Where do you meet problems and why? Also try to describe your school in ten years. What kind of changes will there probably be?
We have too many subjects. Instead we should give different kind of task to the pupils. Not so much sitting in a chair, instead different kind of working and active doing.
The economic crisis may cause damages to our school system. There may be pupils who cannot learn. There may be big differences between poor and rich families.
The new curriculum is coming in 5 years but we don´t know what is coming. Just now it is only a plan. I am afraid there might be less freedom for schools.
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9.5 Fragebogen J.K. (27.12.2012)
This questionnaire is part of my master’s thesis, which I am writing at the teacher training col- lege in Bern, Switzerland. I am gathering information about the Finnish school system in order to find out why it is so successful, especially since the PISA studies.
Your opinion is a precious contribution to my work. Thank you!Please return your answers to the following email-address: irini. ga s pa r i s @ g m a il . c om
1. At the latest since the publication of the first PISA results in 2001, the Finnish school system is broadly discussed in Europe. In your opinion, what are the reasons for the success of your school system? Please give as many reasons as possible.
Our school system is very democratic. Education is free, school lunch is free. The school is for everybody. Education is highly valued in our society. Teachers have really been educa- tors, important members of different towns and villages.After the world war II we Finns wanted to build a good society and school has been veryimportant place for all of us.
2. The Finnish Ministry for Education and Culture states that “all children are guaranteed opportunities for study and self-development according to their abilities, irrespective of their place of residence, language or financial status. All pupils are entitled to competent and high-quality education and guidance and to a safe learning environment and well- being”. How do you tackle the fact that you are teaching in an inclusive school system? How are the weak students taken care of? How does this affect your teaching meth- ods/attitudes/goals/...?
I find our system mainly rather fair to all citizens. The pupils who need most special support really get it. Special education (special need education) and support teaching reach obvi- ously the biggest part of those who need it. We take care of the weak students but the problem is how to support the talented pupils at the same time. That leads me and perhaps many other teachers to ponder some better ways of supporting the talented. Different kind of tasks, more demanding kind of studying and perhaps more personal guidance outside the lessons for the gifted students.As a special education teacher I´m interested in helping those students who come to mygroups whether they are weak or talented, whether they have diagnosis or not. I just need to find the best possible way in that certain situation which makes the pupil to learn how he/she probably could manage to reach the new goals.
3. As a form of differentiation, the city of Jyväskylä has set up a three-tired support (Kolmi- portainen tuki). Please tell about your experiences you have made with this program. Where do you see its potential?
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We are just in the beginning in using this support system. It may help the whole school or- ganization to deal better with all kinds of problems but it causes more work for the teachers who deal with the reality.For a special need teacher this system brings a good help in the form of sharing work for more persons. It used to be a job for the special need teacher to gather all the information and also do the personal learning plan for every special need student. At least in junior high schools where I´ve been working the last 25 years all the coordinating work was actually done by the special need teachers.Now, I hope cooperation among teachers will grow and the school organization will learn as an organization too. So, the potential is in learning how to do our job better together.
4. According to the Finnish Ministry of Employment and Economy, the unemployment rate of Finnish people under the age of 25 years was 7.0% at the end of August. In Switzer- land, however, the rate of unemployed people aged 15-24 was 3.5% at the same time. A possible explanation for this data is the structure of the vocational training. How do you help your students to get ready for their professional future (i.e. are there any ele- ments/topics/etc. in your lessons which support your student’s career choice)? If this is not the case, please give reasons why this is so.
In many discussions I have with my pupils a common way of talking about work is what dads and mums do. Some tell me that they lie on the coach and drink beer. One of those histories happened long time ago. The pupil anyhow showed to her parents that it´s not her way of life and started working as a cleaning worker and searched an own home as soon as possible.Giving attention and being interested in the life of my students is one strong way to support the young people to begin to think the future, potential possibilities at least in our home town or sometimes even some other places.Explaining and telling why to study math, languages is a must every year, in every group.Talking about my own history interests many of the pupils. Giving words and pictures for the possible future is very important.
5. With the national core curriculum as a framework, the local education authorities drew up a local curriculum. Your school has chosen to organise the syllabus in four periods. As a teacher, where do you see the good and bad sides in this setup?
Well, I´ve had six periods and I´ve had one period. Six was too much, too busy. Perhaps this four is a compromise which works. For our students this brings four different timetables, so a little change anyway. One issue is that you don´t have to study everything all the time. Nine weeks this timetable and then a bit different. It is possible to develop our system into direc- tion where it would be more possible choices. I mean it would be good to have more op- tional courses. It is a fact that students really would like to do more their own choices and it would be wise to let them learn to make decisions. In the future they need skills like decision making, they need to be more self-directed and self-imposed.Also it must be said that high school in Finland has also 4-6 periods, so it´s important to be ready for some changes.
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6. Please name the things you would like to change in your school system. Where do you meet problems and why? Also try to describe your school in ten years. What kind of changes will there probably be?
The school system is not going to change much in ten years. There may be e-books and e- this and e-that. But the system is quite slow to change. Anyway I hope the school is going to a direction where possible course-system would be also in junior high schools. That should implicate more possibilities to make own choices in planning one´s studies. There would be perhaps more variation also in what the students actually study in even junior high schools. More options mean usually more motivation, and motivation is what all the pupils need. The talented and gifted students would be happy to take more their own kind of courses, in information technology, in math, in biology, in …Problems? We all would like to be good in what we do. I would like to be even better, I would like to do my job excellently. The truth is we all are not capable to meet young stu- dents as they should be met. Many of us do want to teach but in this kind of system where we have all kind of pupils in the same groups it´s important to be able to handle different learners. So, more guidance and support also to teachers and other stuff we have in the schools.
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10 Selbständigkeitserklärung
Name und Vorname Gasparis Irini
Matrikelnummer 07-593-908
Titel der Arbeit Schulerfolg «made in Finland» - warum ist das finnische Schulsystem so gut?
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig erarbeitet habe. Des Weiteren
bestätige ich, sämtliche Zitate nach bestem Wissen als solche gekennzeichnet und die entsprechenden
Literaturquellen und elektronischen Quellen vollständig angegeben zu haben.
Datum 16. Februar 2013
Unterschrift
Es wird darauf hingewiesen, dass gemäss dem Statut der deutschsprachigen Pädagogischen Hochschu- le vom 19. Oktober 2005 (PHSt, Art. 46 Abs. 2) der Grundsatz der Lauterkeit in der Wissenschaft gilt. Ein Verstoss gegen den Grundsatz der Lauterkeit in der Wissenschaft liegt vor, wenn falsche Angaben ge- macht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt wird oder eine Forschungstätigkeit auf andere unlau- tere Weise beeinträchtigt wird. Je nach Schweregrad der Verletzung kann dies einen schriftlichen Verweis durch die Institutsleitung oder den Ausschluss vom Studium an der Pädagogischen Hochschule nach sich ziehen (PHSt, Art. 46 Abs. 3 - 5).
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11 Erklärung zur Öffentlichmachung und Ausleihe