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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. WDR 3 Kulturfeature Robert Schumann in Düsseldorf Warum der Sachse im Rheinland scheitern musste MUSIK: Robert Schumann Tr.10: „Fast zu ernst“ (aus Kinderszenen op.15) Album: KINDERSZENEN * KREISLERIANA Martha Argerich, Klavier. Robert: Lieber Hiller! Dein Brief macht mir immer mehr Lust auf Düsseldorf. Sei nun so gut, mir zu schreiben, bis wann du glaubst, dass die Herren Vorstände einen bestimmten Entschluss von mir wünschen. Noch eines: Ich suchte neulich in einer alten Geographie nach Notizen über Düsseldorf und fand da unter den Merkwürdigkeiten angeführt: drei Nonnenklöster und eine Irrenanstalt. Die ersteren lasse ich mir gefallen allenfalls; aber das letztere war mir ganz unangenehm zu lesen. Ansage: Robert Schumann in Düsseldorf. Warum der Sachse im Rheinland scheitern musste. Ein Feature von Eva Weissweiler Musik ENDE 1.) Entscheidung für Düsseldorf Autorin: Dresden, im November 1849. Robert Schumann, 39 Jahre alt, verheiratet mit Clara, einer berühmten Konzertpianistin, Vater der Kinder Marie, Elise, Julie, Ludwig und Ferdinand, erhält einen Brief, der sein Leben gründlich verändern soll. Er stammt von Ferdinand Hiller, einem

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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben

(z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.

WDR 3 Kulturfeature

Robert Schumann in Düsseldorf – Warum der Sachse im Rheinland scheitern

musste

MUSIK: Robert Schumann

Tr.10: „Fast zu ernst“ (aus Kinderszenen op.15)

Album: KINDERSZENEN * KREISLERIANA –

Martha Argerich, Klavier.

Robert: Lieber Hiller!

Dein Brief macht mir immer mehr Lust auf Düsseldorf. Sei nun so gut,

mir zu schreiben, bis wann du glaubst, dass die Herren Vorstände einen

bestimmten Entschluss von mir wünschen. Noch eines: Ich suchte

neulich in einer alten Geographie nach Notizen über Düsseldorf und

fand da unter den Merkwürdigkeiten angeführt: drei Nonnenklöster und

eine Irrenanstalt. Die ersteren lasse ich mir gefallen allenfalls; aber das

letztere war mir ganz unangenehm zu lesen.

Ansage:

Robert Schumann in Düsseldorf.

Warum der Sachse im Rheinland scheitern musste.

Ein Feature von Eva Weissweiler

Musik ENDE

1.) Entscheidung für Düsseldorf

Autorin: Dresden, im November 1849. Robert Schumann, 39 Jahre alt,

verheiratet mit Clara, einer berühmten Konzertpianistin, Vater der Kinder

Marie, Elise, Julie, Ludwig und Ferdinand, erhält einen Brief, der sein

Leben gründlich verändern soll. Er stammt von Ferdinand Hiller, einem

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guten Freund, derzeit städtischer Musikdirektor in Düsseldorf, der ihm

vorschlägt, sein Nachfolger zu werden, da er selbst ins benachbarte

Köln wechseln wolle.

Zitator: (Ferdinand Hiller)

Die Stadt besitzt einen überaus angenehmen Künstlerkreis, einen

vortrefflichen Chor sowie ein tüchtiges und sehr routiniertes Orchester.

Das Verhältnis zu den Vorständen der musikalischen Vereine ist ein

durchaus freundliches – die Verpflichtungen bestehen in einer

wöchentlichen Gesangsübung, sechs bis zehn Konzerten und drei bis

vier Kirchenmusiken jährlich zu dirigieren, sind also wirklich sehr wenig

zeitraubend. Das Gehalt beträgt 750 Taler.

Autorin: Schumanns Frau Clara ist sofort begeistert.

Clara: Wir gehen sehr wahrscheinlich im Juni nach Düsseldorf, wo man dem

Robert eine Musikdirektorstelle angeboten hat.

Autorin: Schreibt Clara Schumann an eine Freundin.

Clara: Ist nun auch die Stelle seines Ranges als Künstler nicht würdig, so muss

ja doch ein Jeder einmal erst anfangen. Dabei nun eröffnet sich auch mir

ein neuer Wirkungskreis, ich kann dort mehr Stunden geben als hier,

kann in Konzerten spielen, kann die umliegenden Rheinstädte

besuchen, schnell einmal in Holland sein. Gott gebe seinen Segen zu

unserem neuen Leben, das mit dieser Stellung beginnt, und beschütze

meinen geliebten Robert, der mein höchstes Glück ausmacht.

O-Ton 1: Uwe Henrik Peters

Sie war es ja wohl gewesen, die überhaupt sehr stark dafür war, dass er

nach Düsseldorf ging.

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Autorin: Uwe Henrik Peters, Psychiater, Neurologe und Psychotherapeut, der

sich seit langem mit dem Leben und Werk Robert Schumanns befasst.

O-Ton 2: Uwe Henrik Peters

Es war aber eine herausragende Stellung, und das war genau das, was

Clara brauchte. Sie hing sehr an dieser Position und den damit

verbundenen großen Ehren und „Assembleen“, wie ihr Vater sagte, also

Gesellschaften zu geben, private Konzerte zu geben, während er eher in

der Stille für sich alleine in seinem Zimmer komponieren würde oder

Briefe schreiben würde. Er musste seine Ruhe dafür haben.

Autorin: Und zwar nicht nur, weil er Komponist und kein Podiums-Star war, so

Thomas Synofzik, Direktor des Robert-Schumann-Hauses in Zwickau

und Herausgeber der seit 2005 erscheinenden neuen Briefausgabe, die

auf 50 Bände angelegt ist und besonders auf die Düsseldorfer Zeit

neues Licht wirft:

O-Ton 3: Thomas Synofzik

Es gab zwei Punkte, die ihn so’n bisschen störten. Zum einen der

Freund Mendelssohn, der zu der Zeit ja schon tot war, der hatte 1833 –

1835 ja in Düsseldorf gewirkt, und hatte erzählt, dass die Musiker ein

bisschen unprofessionell sind, ja vielleicht sogar „maliziös“ und nicht

gebildet. Der andere Punkt ist etwas pikanter. Schumanns einzige

Schwester ist 1817, da war Schumann sieben Jahre alt, in die

Irrenanstalt auf dem Sonnenstein in Pirna hier in Sachsen gekommen.

Das heißt, Schumann war wirklich von früher Kindheit mit

Geisteskrankheit konfrontiert. Und sie hat sich dann auch später selbst

das Leben genommen. 1847, da war er in Maxen nahe Dresden und

hatte da aus seinem Fenster den Blick auf diese Irrenanstalt auf dem

Sonnenstein in Pirna und konnte das nicht ertragen. Und das muss man,

glaube ich, als Kontext dazu wissen, um solche Äußerungen zu

verstehen, dass er Angst hatte, weil es eine Irrenanstalt in Düsseldorf

gab.

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MUSIK: Tr.20: „Sehr rasch“ (aus Kreisleriana op.16)

Album: Robert Schumann KINDERSZENEN * KREISLERIANA –

Martha Argerich, Klavier.

Autorin: Doch es gab auch Vieles, was für Düsseldorf sprach, denn nach der

gescheiterten Revolution von 1848 hatte sich das künstlerische Klima in

Dresden stark zum Nachteil verändert.

O-Ton 4: Michael Heinemann

Schumann hatte sich von Dresden sehr viel versprochen, weil hier

Wagner war, und weil hier Semper war.

Autorin: Michael Heinemann, Professor für Musikwissenschaft in Dresden,

Mitherausgeber der neuen Schumann-Briefausgabe.

O-Ton 5: Michael Heinemann

Und diese beiden Protagonisten sind eben nach 1848 nicht mehr da. Die

haben sich an der Revolution beteiligt, sie sind beide nach Zürich

exiliert. Und Schumann stand ganz alleine. Schumann hat sich aufs

Land zurückgezogen und hat sich nicht an den politischen Dingen aktiv

beteiligt. Hatte aber hier in Dresden auch gar keinen Ansprechpartner

mehr, mit dem er Ideen neuer Zukunftsmusik hätte bedenken können.

Und da, denk‘ ich, kam ihm das Angebot „Düsseldorf“ ganz gelegen…

MUSIK ENDE

Autorin: … zumal auch der Rhein als nationales Symbol schon seit seiner

Jugend große Faszination auf ihn ausübte:

MUSIK: Robert Schumann, Rheinische Symphonie

Sinfonie Nr 3 Es-dur, op 97. 1. Satz „Lebhaft“

New York Philharmonic / Leonard Bernstein

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O-Ton 6: Thomas Synofzik

Schumann hatte auch schon in Leipzig Rheinlieder geschrieben, zum

Beispiel in der „Dichterliebe“, „Im Rhein, im heiligen Strome“, wo es um

das Lochner-Altar-Bild im Kölner Dom geht, oder „Sonntags am Rhein“,

op. 36, von Robert Reinick. Vielleicht war das auch vorbestimmt, dass er

dann irgendwann mal da landen würde.

2.) Die Ankunft

Clara: Montag, den 2. September 1850, abends sieben Uhr, kamen wir in

Düsseldorf an, das wider unser Erwarten freundlich liegt, sogar auch von

einem kleinen Bergrücken umgeben ist, und wurden von Hiller und dem

Konzertdirektorium empfangen. MUSIK ENDE

Autorin: Aus Tagebüchern von Clara und Robert Schumann.

Robert: Abends Ständchen. Die Damen. Sehr fröhliches Fest im Geisler’schen

Saal.

MUSIK: Robert Schumann

Tr. 2: „Genoveva-Ouvertüre Op.81“

Polish National Radio Symphony Orchestra – Johannes Wildner

Clara: Beim Eintritt wurde Robert mit einem dreimaligen Tusche empfangen,

und bald begann die Genoveva-Ouvertüre, die in Betracht einer einzigen

Probe ganz leidlich ging. Nach dem Konzerte ging’s zum Souper, wo es

sehr lebendig zuging. Wir saßen mit Schadows, Hillers, Dr. Müllers,

Hasenclevers und anderen zusammen. - Überhaupt sind die Leute hier

immer lustig, besonders fällt einem das heitere, ungezwungene Wesen

der Damen auf, was wohl freilich auch zuweilen die Grenzen des

Anstandes überschreiten mag; das eheliche Leben soll hier mehr

französischer, leichter Art sein … MUSIK ENDE

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Autorin: Düsseldorf, eine Stadt mit 40 000 Einwohnern, im Vergleich zu Dresden

mit seinen knapp 100 000 relativ klein; seit 1815 preußisch;

Garnisonsstadt; viel Militär; viele hohe Beamte; Sitz des preußischen

Provinziallandtags und einer bedeutenden Kunstakademie; große

öffentliche Parks; einige Fabriken am Stadtrand; trotzdem zum Teil noch

sehr ländlich wirkend mit unbefestigten Straßen und einem Kälbermarkt

mitten in der Stadt; viele Tagelöhner, Bettler und Arbeitslose; Kinder, die

bis zu vierzehn Stunden am Tag in der Fabrik stehen; die Einwohner zu

mehr als 80 Prozent katholisch; zwei große katholische Stadtkirchen;

Prozessionen, Schützenfeste, Gesangvereine; bescheidene Häuser, die

den an das königliche Dresden gewohnten Schumanns finster und

trostlos vorkommen …

Clara: Alle unkomfortabel, ungemütlich große Fenster, ganz flache Mauern, die

Höfe durch garstige große Wände verbaut, für die Hausfrau auch gar

keine Bequemlichkeiten, kurz, wir waren sehr enttäuscht, denn da

Düsseldorf so im Grünen liegt, konnten wir nicht denken, dass es schwer

halten würde, ein Logis im Grünen und mit Garten zu bekommen.

O-Ton 7: Thomas Synofzik

Und von daher mussten sie dann quasi als Notlösung, nachdem sie drei

oder vier Tage gesucht hatten, erst mal dann schnell eine Wohnung

nehmen, die ihnen überhaupt nicht zusagte, eigentlich nur, um die Möbel

unterzukriegen.

Robert: Beischlaf. Räumerei. Unbehagliches Befinden. Schrecklicher

Straßenlärm und Hausärger. Gedanken an eine Logisänderung.

Clara: Die Hauptsorge aber war, dass Robert durch das fortwährende

Geräusch auf der Straße, Leierkasten, schreiende Buben, Wagen usw.,

in eine höchst nervöse, gereizte Stimmung geriet, die von Tag zu Tag

zunahm; arbeiten konnte er fast gar nichts und das wenige mit doppelter

Anstrengung.

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Autorin: Viermal in dreieinhalb Jahren werden die Schumanns in Düsseldorf

umziehen, mit fünf, später sechs kleinen Kindern keine ganz einfache

Prozedur: Allee-Ecke-Grabenstraße, Königsallee, Herzogstraße,

Bilkerstraße. Mal sind ihnen die Wohnungen zu dunkel, mal zu teuer,

mal zu feucht, mal zu laut, mal zu weit draußen. Aber ist wirklich nur

„Düsseldorf“ an diesen vielen Umzügen schuld?

O-Ton 8: Thomas Synofzik

In Dresden waren’s auch immerhin drei, also es war nicht ganz so

ungewöhnlich.

O-Ton 9: Uwe Henrik Peters

Es war ja das Problem, dass sie beide eigentlich nicht in die Wohnung

hineinpassten. Clara wollte spielen, er wollte komponieren, und dabei

kann er nicht noch jemand anderen Klavier spielen hören!

3.) Köln und der Katholizismus

Clara: Sonntag, den 29. September 1850, fuhren wir zu unserer Zerstreuung

nach Köln, das uns gleich beim ersten Anblick von Deutz aus entzückte,

vor allem aber der Anblick des grandiosen Domes, der auch bei näherer

Betrachtung unsere Erwartungen übertraf.

Robert: Nach Köln. Deutz. Der Dom. Tolles Gesindel.

O-Ton 10: Uwe-Henrik Peters

Und dieser erhabene gotische Dom, diese große Höhe hat ihn

außerordentlich beeindruckt als eines der größten Bauwerke der

Christenheit.

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O-Ton 11: Michael Heinemann

Und Schumann hat am Katholizismus auch der Kult begeistert. Und

dieses Schwärmen für den Katholizismus, das Sie ja bei E. T. A.

Hoffmann auch finden, die Musik von einer anderen Welt, diesen

Kirchenraum, auch für den Weihrauch, der entsteht, für dieses Kultische.

Rheinische Symphonie – langsamer Satz - das ist fast wie eine

Prozession.

MUSIK Robert Schumann

Sinfonie Nr 3 Es-dur, op 97. 3. Satz „Feierlich“

New York Philharmonic / Leonard Bernstein

Autorin: Immer wieder werden die Schumanns in diesen Jahren nach Köln

fahren, werden Konzerte dort geben und hören, Freunde besuchen,

weite Spaziergänge am Rhein machen, von wo sie bei klarem Wetter bis

aufs Siebengebirge sehen können.

Robert: So hoffen wir denn auf angenehme Tage und nach Kräften ersprießlich

zu wirken.

Autorin: Robert Schumann an Ferdinand Whistling in Leipzig, einen der

Hauptverleger seiner musikalischen Werke, dem er in großer Vorfreude

mitteilt, was er in Düsseldorf alles aufzuführen gedenkt:

Robert: Morgen über 14 Tage dirigiere ich die erste katholische Messe! Ein ganz

prächtiges Programm hab‘ ich mir für die Winterkonzerte gemacht:

Gades Comala, „Israel in Ägypten“ von Händel, die Johannes-Passion

von Bach, siebte Symphonie von Beethoven, G moll von Mozart,

Adventlied von mir, doppelchöriger Psalm von Mendelssohn, und

Altitalienisches von Palestrina wie auch Orlando di Lasso.

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4.) Der Musikverein

Autorin: Schumann bezieht sein Gehalt von der Stadt Düsseldorf, die sich in die

Programmgestaltung nicht weiter einmischt, sondern ihm und der

Direktion des Musikvereins freie Hand lässt. Man ist stolz, einen der

bekanntesten Komponisten Deutschlands am Pult zu haben. Außerdem

weiß man, dass er mit einer gefeierten Pianistin verheiratet ist, die der

Stadt zu neuem musikalischem Glanz verhelfen könnte. Über seine

Eignung für diese Stelle hat man wenig nachgedacht.

MUSIK ENDE

O-Ton 12: Thomas Synofzik:

Er hatte dann, als er seine erste Symphonie komponiert hatte, ab und zu

mal Gelegenheit zu dirigieren seine eigenen Werke, aber hat sich

irgendwie da nie besonders geübt – und von daher unvergleichbar z.B.

mit Felix Mendelssohn Bartholdy, der das von Kind auf wirklich alles

gelernt hatte, und der da reingewachsen ist.

Autorin: In der Direktion des Musikvereins, einem ehrenamtlichem Komitee, wirkt

die kulturelle und politische Elite der Stadt mit: ein Notar, ein

Rittergutsbesitzer, ein Advokat, mehrere Schriftsteller, ein Hofrat, ein

Kreisphysikus, Professoren der Kunstakademie, ein Druckerei-Inhaber,

ein Lehrer und ein Landgerichtspräsident. Es sind Rheinländer und

Preußen darunter, Sympathisanten und Gegner der Revolution, die in

Düsseldorf genauso heftig ausgetragen worden ist wie in Dresden und

sich hauptsächlich gegen die als Diktatur empfundene preußische

Fremdherrschaft gerichtet hat.

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Zitatoren: (Demonstrationen)

Freiheit, Gleichheit, Republik! Wär’n wir doch die Preußen quitt!

Arbeiter aller Gewerbe, die ihr kümmerlich von dem Werke eurer Hände

lebt, haltet fest zusammen! Vereinigt euch zur Beratung eurer

Interessen!

Autorin: Arbeiter und Handwerker, aber auch viele Kunstmaler, besonders

Mitglieder der sozialkritischen „Düsseldorfer Malerschule“, haben sich

der Bewegung angeschlossen und zum Boykott der Regierung

aufgerufen, die reagierte mit Erschießungen und Massenverhaftungen,

Belagerungszustand, Versammlungsverbot usw. Nun scheint Ruhe zu

herrschen. Aber unter den Arbeitern und Dienstboten ist eine Stimmung,

die Clara als aufmüpfig und frech empfindet:

Clara: Sie betrachten sich ganz unseresgleichen, nicht guten Tag geben sie

einem – es ist, als müsste man es für eine Gnade ansehen, wenn sie

einem etwas machen, und von Wort halten wissen sie alle nichts.

Autorin: Dem Düsseldorfer Musikverein gehören zeitweilig mehr als hundert

Sänger an, darunter viele Kunstmaler und ihre Frauen, 27 Streicher,

acht Holzbläser, sieben Blechbläser, das Ensemble gemischt aus Laien,

Militärmusikern und wenigen Professionellen. Nur zwei Tage vor der

Aufführung findet die erste Orchesterprobe statt, und zwar in typisch

rheinländischer lockerer Runde im Geisler’schen Saal, der einem

Hofkonditor gehört.

Über die Zusammensetzung von Chor und Orchester hat sein Vorgänger

Hiller ihm wenig verraten, so dass Schumann mit einem äußerst

inhomogenen Apparat konfrontiert wird, nicht nur in musikalischer,

sondern auch in politischer Hinsicht. Gegner, ja Erzfeinde sitzen hier

nebeneinander, Vertreter der preußischen Staatsgewalt neben

Sympathisanten der Revolution, die durch das Band der Musik versöhnt

werden sollen. Eine Aufgabe, auf die Schumann nicht vorbereitet ist,

zumal er nach Abschnitt sieben des rheinpreußischen

Verwaltungsgesetzes als „Ausländer“ gilt, denn er ist in Zwickau geboren

und somit „königlich-sächsischer Untertan“!

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5.) Das erste Konzert

MUSIK: Felix Mendelssohn Bartholdy,

Klavierkonzert g-Moll, 1. Satz. Op. 25.

Solist: Hough, Stephen {Klavier}

Orchester: City of Birmingham Symphony Orchestra

Dirigent: Foster, Lawrence

Autorin: Das erste Düsseldorfer Konzert unter Schumanns Leitung findet am 24.

Oktober 1850 statt. Er dirigiert. Seine Frau Clara sitzt mit Mendelssohns

G-Moll-Konzert am Klavier. Der Saal ist brechend voll. Musikfreunde aus

der ganzen Region sind gekommen. Clara hat riesigen Erfolg und ist

glücklich.

Clara: Es gelang mir alles vortrefflich, und nie kann ich mich eines so

allgemeinen Beifalls erinnern, als ich heute fand. Seit vielen Jahren ist

es das erste Mal wieder, dass ich ein Orchesterstück öffentlich

auswendig spielte. Sollte die Jugendkraft und Frische wohl noch einmal

wiederkehren? MUSIK ENDE

Autorin: Über Schumann dagegen sind die Urteile zwiespältig, vor allem über

seine eigene Komposition, „Adventlied“ für Chor und Orchester, das, so

die Presse …

MUSIK: Robert Schumann: Der Rose Pilgerfahrt op. 112

WDR Eigenproduktion: Das neue Orchester

Dirigent: Christoph Sperring - Chorus Musicus Köln

Zitator: (zeitgenössische Presse)

… wegen zu schwacher Besetzung und nicht genügender Festigkeit des

Chores, besonders in den Männerstimmen, bei schwer abzuleugnender

Unsangbarkeit einzelner Solostellen, den Eindruck nicht hervorbringen

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konnte, welchen es durch manche großartigen Chormomente sicherlich

erzielen kann.

Autorin: Schumann wird also als Dirigent und als Komponist kritisiert, was ihn

besonders getroffen haben muss…

O-Ton 14: Thomas Synofzik

Er hatte ja zum ersten Mal in seiner Karriere Orchester und Chor gleich

zur freien Verfügung, konnte also Werke, die er für solche Besetzungen

schrieb, dann auch gleich ausprobieren.

Autorin: Doch was nützte das, wenn die Direktion des Musikvereins ihm für so

komplizierte Uraufführungen nur zwei Orchesterproben gewährte, sei es

aus Sparsamkeit, Unkenntnis oder weil die Laien unter den Musikern

nicht mehr Zeit für ihr Ehrenamt hatten? So konnten die Werke fast nie

richtig zur Geltung kommen und erhielten deshalb oft schlechte Kritiken.

MUSIK ENDE

6. Beginn einer Krise

Autorin: Das Jahr geht zu Ende und die ersten Konflikte werden deutlich.

Zwischen Schumann und der nicht immer begeisterten Fachpresse, aber

auch zwischen den Eheleuten, die sich in musikalischen Fragen oft

uneins sind.

MUSIK: Robert Schumann

„Mit Feuer“ Klaviertrio d-Moll op. 63, 4. Satz

Solist: Alexander Schneider (Violine), Pabloa Casals (Violincello),

Mieczyslaw Horszowski (Klavier)

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Autorin: 9. November 1850. Claras erster Kammermusikabend in Düsseldorf. Sie

begleitet einige Lieder am Klavier und spielt sein Klaviertrio d-Moll aus

dem Jahr 1847, das nur mäßigen Beifall erhält. Robert ist wütend.

Clara: Ich weiß kaum noch, wie ich spielen soll! Während ich mich bemühe,

den Sänger möglichst zart zu begleiten, spricht Robert, meine

Begleitung ist ihm schrecklich! Müsste ich nicht mein Spiel auch

benutzen, um auch etwas zu verdienen, ich spielte wahrhaftig keinen

Ton mehr öffentlich, denn was nützt mir der Beifall der Leute, wenn ich

ihn nicht befriedigen kann.

Autorin: Schumann zieht sich zurück, spricht mit ihr kaum noch über seine

Kompositionspläne, das Violoncello-Konzert, die Rheinische Symphonie,

die Ouvertüre zur „Braut von Messina“, zu „Julius Cäsar“, (MUSIK

ENDE) wahrscheinlich, weil auch sie öfter angemerkt hat, Vieles darin

sei ihr „nicht recht klar“.

Mit gerade Vierzig setzt er sein künstlerisches Testament auf, in dem er

nicht Clara, sondern zwei Musikerfreunden das Verfügungsrecht über

seine Werke einräumt:

Robert: Da wir alle sterblich sind, möchte ich in Hinsicht meiner

zurückbleibenden Kompositionen anordnen, dass Gade oder, ist dieser

verhindert, Julius Rietz über etwa noch herauszugebende Werke,

natürlich im Einvernehmen mit meiner lieben Clara, entscheiden möchte.

Autorin: Zwar erwähnt das Haushaltsbuch immer noch jeden ehelichen Verkehr,

der etwa alle zwei bis drei Tage stattfindet. Aber die Stimmung ist

trotzdem sehr angespannt, auch den fünf Kindern Marie, Elise, Julie,

Ludwig und Ferdinand gegenüber, die 1850 zwischen neun Monaten

und neun Jahre alt sind:

MUSIK: Tr.11: „Fürchtenmachen“ (aus Kinderszenen op.15)

Album: Robert Schumann KINDERSZENEN * KREISLERIANA

– Martha Argerich.

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Zitatorin: (Marie Schumann)

Die Eltern waren den Nachmittag nicht zu Hause gewesen, und ich hatte

unserer Haushälterin nicht gefolgt.

Autorin: Marie, Schumanns älteste Tochter, in ihren Erinnerungen.

Zitatorin: (Marie Schumann)

Als die Eltern abends heimkehrten, erzählte sie ihnen sogleich, wie

unartig ich gewesen. Als ich das hörte, versteckte ich mich auf einem

kleinen Hof. Mein Vater kam an die Hoftüre und rief mich. Zögernd

näherte ich mich. Er haschte nach mir, und da ich in demselben

Augenblicke zu entweichen suchte, traf er mich so unglücklich, dass ich

am anderen Tage ein ganz geschwollenes Gesicht und Auge hatte. Die

armen Eltern entsetzten sich, und die Mutter ging mit mir zum Arzt. Sie

erzählte, sie habe mich geschlagen. Das rührte mich sehr.

Autorin: Dieser Arzt, Wolfgang Müller von Königswinter, der nicht nur Mediziner,

sondern auch Dichter ist und in Schumanns „Singekränzchen“, einem

kleinen Privatchor, mitwirkt, macht sich Sorgen um die Familie und

schreibt an einen Freund:

Zitator: (Müller von Königswinter)

Schumanns leben hier sehr still und abgeschlossen. In engerer

Geselligkeit könnte man viel mehr von ihnen haben und auch im

größeren Zirkel könnte ihre musikalische Vermittlung bedeutsamer sein.

Es liegt viel an der Frau, die ihren Mann zu ängstlich hütet und ihm die

männliche Entschiedenheit nimmt. MUSIK ENDE

7.) Unangenehme Störungen

Robert: 17. März 1851. Drei Lieder von Lenau. Einsamkeit. Bedenken wegen

längeren Bleibens in Düsseldorf. 28. März 1851. Abends Verein.

Elender. 3. April. Ewige Ärgernisse. Schulgeld für Marie, Lieschen und

Julie 36 Taler. 16. April. Karfreitag. Frühling. Nachtigallen.

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MUSIK: Robert Schumann

Tr.8 : „Nicht schnell“ aus Drei Romanzen, op. 102

Nicolas Altstaedt (Violoncello), José Gallardo (Klavier)

Autorin: Spätestens im Frühjahr 1851, knapp sechs Monate nach Schumanns

Ankunft in Düsseldorf, ist selbst seinen engsten Freunden und Verehrern

klar, dass er seiner Position nicht recht gewachsen ist.

Zitator: (Wasielewski)

Es fehlte ihm das Vermögen, sich mit größeren Kreisen in engen

Rapport zu setzen, ihnen seine Intentionen klar und anschaulich zu

machen …

Autorin: So der Geiger Wilhelm Joseph von Wasielewski, den Schumann als

Konzertmeister nach Düsseldorf engagiert hatte.

Zitator: (Wasielewski)

Das Letztere darum, weil er entweder gar nicht oder doch so leise

sprach, dass er nur selten verstanden wurde.

O-Ton 15: Michael Heinemann

Die Anweisungen an das Orchester verstand nur einer, das war sein

Dirigierstab, und den hielt er vor den Mund.

O-Ton 16: Uwe Henrik Peters

Man musste ganz dicht an ihn ran treten, um mit ihm zu kommunizieren.

Und dadurch hat sich das denn auch entwickelt, dass er das

Sprechorgan nicht weiter übte.

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O-Ton 17: Thomas Synofzik

Eine Sache ist sicherlich auch die Dialektfrage. Schumann war Sachse,

er konnte sich einfach nicht verständlich machen, weil die im Rheinland

Rheinländisch sprachen und er eben Sächsisch.

Zitator: (Wasielewski)

Dann auch mangelte ihm die physische Ausdauer und Energie zu einem

Direktorialposten. Er war immer sehr bald erschöpft und musste von Zeit

zu Zeit ausruhen im Verlauf einer Probe.

O-Ton 18: Michael Heinemann

Das Zweite war, dass Schumann ja kurzsichtig war und eine Brille hätte

tragen müssen, auch beim Dirigieren, was er aber unterlassen hat. Und

das kann ich mir lebhaft vorstellen, hat dann die Einsätze in eine

unbestimmte Richtung gegeben, so dass die Leute gar nicht wussten,

wer möglicherweise gemeint war.

Autorin: Die bislang um Höflichkeit bemühte Presse nimmt nun kein Blatt mehr

vor den Mund. Von „misslungenen“ Aufführungen ist die Rede, von

„unangenehmen Störungen durch Hornverstöße“, ja von

„Unglücksabenden“. Und das Schlimmste ist: Die Schumanns vermuten

enge Freunde unter den Autoren, die ihre Namen aus Feigheit nicht zu

nennen wagen.

MUSIK ENDE

8.) Guter Hoffnung

Autorin: Es werden Pläne gemacht, die Stadt wieder zu verlassen. Aber wohin?

Berlin und Wien sind im Gespräch. Manchmal auch England. Doch

immer, wenn sie konkretere Formen annehmen, stellt Clara fest, dass

sie wieder schwanger ist, wie z.B. im Frühjahr 1851 mit ihrem sechsten

Kind, der Tochter Eugenie.

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Clara: Bei uns ist sonst alles wohl, auch Robert, soweit es überhaupt sein sehr

reizbares Gemüt zulässt.

Autorin: Clara Schumann an ihre Schwägerin Pauline.

Clara: Mir geht es jetzt nicht so wohl, doch dies hat seinen guten Grund, ich bin

wieder einmal guter Hoffnung und leide seit vierzehn Tagen an

fortwährendem Übelsein, was mir wohl das Leben verbittert. Ich hätte

wohl gerne noch etwas Ruhe gehabt, doch der Himmel will es nun

einmal so, und dass ich noch nicht fertig bin, dachte ich mir wohl immer!

MUSIK: Robert Schumann

Tr. 4: „I. Nicht schnell, mit Innigkeit“ Dénes Várjon (Piano)

Aus: Bunte Blätter, op. 99

Autorin: Nach außen hin nimmt alles seinen gewohnten Gang, ein ganz

normales, beinahe biederes Familienleben.

Zitator: (Wasielewski)

Vormittags bis gegen zwölf Uhr arbeitete er, dann unternahm er

gewöhnlich in Begleitung seiner Gattin und des einen oder anderen

näheren Bekannten einen Spaziergang.

Autorin: Schumanns Konzertmeister Wasielewski in seinen Erinnerungen.

Zitator: (Wasielewski)

Um ein Uhr speiste er, und arbeitete dann nach kurzer Erholung bis fünf

oder sechs Uhr. Hierauf besuchte er meist einen öffentlichen Ort oder

eine geschlossene Gesellschaft, deren Mitglied er war, um Zeitungen zu

lesen. Am gemütlichsten befand er sich im engeren Freundeskreise bei

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einer Zigarre und einem Glase guten Bieres oder Weines, von welchem

letzterem er dem Champagner den Vorzug gab.

MUSIK ENDE

MUSIK: Robert Schumann

Tr. 1: -1- Mit leidenschaftlichem Ausdruck“

Aus Sonate Nr. 1 en la mineur pour piano et violon, op. 105

Robert Zimansky (Violon), Christoph Keller (Piano)

9.) Kompositionsrausch

Autorin: Schumann „arbeitete“ – damit meinte Wasielewski nicht etwa, dass er

mit dem Orchester probte oder Werke für die nächsten Konzerte

studierte, sondern dass er tat, was sein eigentliches Leben war:

Komponieren. In rasendem Tempo bringt er während der Düsseldorfer

Zeit ein Drittel seines Gesamtwerks zu Papier, in nahezu allen

denkbaren musikalischen Gattungen, Symphonien, Solokonzerte,

Ouvertüren, Lieder, Klavierstücke, Chorballaden, Violinsonaten, sogar

eine Messe und ein Requiem.

O-Ton 20: Michael Heinemann

Wenn man die Tagebücher sieht, wenn man sieht, was er alles tagsüber

gemacht hat, wenn man sieht, was er komponiert hat, wenn man seine

Korrespondenz sieht, wenn man weiß, mit welchen Leuten er Kontakt

hatte, und wenn man vielleicht auch noch eine gewisse Geselligkeit bis

zum Alkoholkonsum in Rechnung stellt, dann fragt man sich, wie hat der

Mann das eigentlich alles organisatorisch, logistisch auf die Reihe

gekriegt? Das ist wirklich verblüffend.

O-Ton 21: Uwe Henrik Peters

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Mein Ergebnis ist eigentlich, dass das eine Flucht war. Jeder kreative

Mensch kennt das. Dann ist man in einer ganz anderen Welt und fühlt

sich wunderbar in dieser Welt. Und so kann ich mir das eigentlich nur

erklären, dass das also ein Abwehrmechanismus war, um die

Gegenwart ertragen zu können.

Autorin: Clara macht sich allerdings große Sorgen, weil er so viel komponiert und

schreibt an ihre Schwägerin Pauline in Schneeberg:

MUSIK ENDE

Clara: Ich zittere wohl manchmal, wenn ich seinen Geist so unaufhaltsam fort

schaffen und denken sehe!

10.) Häusliche Sorgen

MUSIK: Ludwig van Beethoven

„Leonoren-Ouvertüre“ aus Nr , op 138

Wiener Phiharmoniker

Dirigent: Claudio Abbado

Autorin: 8. Januar 1852. Konzert des Düsseldorfer Musikvereins. Die „Rheinische

Zeitung“ schreibt über die Leistung des Orchesters unter Robert

Schumann:

Zitator: (Zeitgenöss. Presse)

Die mächtige Leonoren-Ouvertüre ward feurig und präzise durchgeführt.

Sehr störend jedoch wirkte, dass im Anfang die Holzblasinstrumente ihre

rechte Stimmung noch nicht erlangt hatten, woher denn die ganze

Einleitung durchaus unrein klang. Fänden die Herren Musiker sich früh

genug vor Beginn der Musik ein, so könnte solch eine Störung nimmer

vorkommen.

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MUSIK ENDE

Clara: Bei uns geht sonst alles gut.

Autorin: Clara Schumann an ihre Mutter, die Cembalistin Marianne Bargiel in

Berlin.

Clara: Die kleine Eugenie gedeiht ganz prächtig. Sie hat Füßchen und

Beinchen, als ob sie schon drei Monat alt wäre.

Mir geht es auch so weit gut, nur kann ich noch gar nicht spielen, weil

mir die Brust zu angegriffen ist. Die Milch ist noch nicht ganz fort, und

bei jeder Bewegung der Hände bekomme ich Schmerzen. Mit Stunden-

Geben fange ich jetzt wieder an, das greift die Brust doch nicht so an,

als selbst spielen.

Autorin: Die Anzahl der Schwangerschaften und Entbindungen war bekannt.

Aber nicht die Leiden, die damit verbunden waren. Sie werden erst aus

der neuen Briefausgabe, besonders aus den Briefen an ihre Mutter,

deutlich.

Clara: Mein Unwohlsein war noch Folge des bösen Wochenbetts, es war viel

Blut zurückgeblieben, und so bekam ich, nachdem ich schon wieder

einmal meine Periode gehabt, nach dem Konzert am 28. Oktober

plötzlich wieder Blutverlust, der sich zu fürchterlichen Blutungen

steigerte, so dass ich mich legen musste und vier Wochen lag, bis dann

endlich kalte Sitzbäder wohltätig wirkten. Dass das Übel überhaupt so

schlimm geworden, lag wohl daran, dass ich trotz dieses unzeitigen

Blutverlustes mit Robert, der jetzt Wasser trinkt und viel laufen muss,

alle Tage drei Mal spazieren musste, und damit hatte ich den Unterleib

zu sehr angestrengt.

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O-Ton 23: Thomas Synofzik

Sie hat das ganz phantastisch gemeistert, das alles zu tun, ist ja wirklich

eine einzigartige Karriere im 19. Jahrhundert – als Künstlerin auf der

Bühne zu stehen, Heirat, Schwangerschaften, auch den kranken Mann

dann noch zu versorgen, Geld zu verdienen, die Kinder zu ernähren und

sich selbst, das ist wirklich einzigartig.

Autorin: April 1852. Umzug auf die Herzogstraße, der dritte innerhalb von

anderthalb Jahren. Eugenie, das jüngste Kind, ist gerade fünf Monate

alt, Ferdinand etwas über zwei Jahre. Clara besorgt wie immer den

ganzen Umzug.

Clara: Nun endlich ist alles im Logis und eben will ich Roberts Zimmer

einräumen, als nebenan Fingerübungen ertönen, und mein Mann, ganz

außer sich, sich entschließen muss, in ein Zimmer im Hinterhaus zu

ziehen.

Kaum acht Tage darin, sagt er, er könne es da nicht aushalten, denn es

sei ihm zu hoch, also muss ich ihm die gute Stube einräumen und nach

hinten ziehen, mein Instrument aber ganz hinten in ein kleines

Zimmerchen stellen, wo es so feucht ist, dass der Schimmel auf der

Tapete sitzt. Auch ist die Amme furchtbar teuer, sechs Taler monatlich,

und was sind die Lebensmittelpreise gestiegen! Das Pfund Rindfleisch

kostet jetzt bei uns vier Silbergroschen!

Am liebsten zögen wir ganz fort von hier, sage mir nur, liebste Mama,

wäre denn in Berlin gar nichts für Robert zu wirken? Z.B. so eine Stelle

als Direktor am Domchor? Robert würde sich gar nicht sträuben,

deshalb an den König selbst zu schreiben, überhaupt wird er gern alles

tun, was sich mit seiner Künstlerehre verträgt.

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11.) „Nervöse Krämpfe“

MUSIK: Robert Schumann,

“Berg und Burgen schaun herunter” aus: Liederkreis, op. 24

Solist: Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton), Christoph Eschenbach

(Klavier)

Robert: 28. Juni 1852. Früh um acht Uhr Fahrt ins Ahrtal. Gewitterhafter Himmel,

sehr unstetes Wetter. Ahrweiler, Walportsheim. Dann wildere

Felspartien, etwas an das Münstertal der Schweiz erinnernd. Die Ruine

von Altenahr bestiegen. MUSIK ENDE

Dienstag, den 29. Juni 1852. Früh um halb acht mit Clara zu Fuß nach

der Apollinariskirche und danach über Rolandseck nach Königswinter.

Freundlicher Weg und Freude an Clara, die sehr tapfer marschiert. –

Donnerstag, 1. Juli. Große Hitze. Viel am „Pagen und der Königstochter“

gearbeitet. Zu viel. Freitag, 2. Juli. Desgleichen. Schlimmer Anfall in

Plittersdorf.

Autorin: Was genau geschehen ist, wird nirgends vermerkt. Von

„hypochondrischen Gedanken“ und „nervösen Krämpfen“ ist die Rede.

Marie, die älteste Tochter, selbst erst elf Jahre alt, wird gerufen. Zwei

junge Musikerfreunde eilen herbei.

Robert: Zurück nach Düsseldorf. Noch sehr krank.

Clara: Nun sagt der Arzt, er habe gar keine Sorge, sein Körper sei ganz

gesund, er solle aber entweder ins Seebad oder in eine Kalt-Wasser-

Anstalt. Zu beidem hat er keine Lust.

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O-Ton 24: Uwe Henrik Peters

Damals hat man gesagt: Das ist Überarbeitung! Und hat ihn dann zum

Schwimmen und zu Badekuren geschickt und zu Ruhe auf dem Lande.

Heute nennt man das Burn-Out.

Autorin: Doch je mehr er sich zur Erholung zurückzieht, um so mehr entgleiten

ihm Orchester und Chor. Er muss sich vertreten lassen, wichtige Proben

versäumen. Die Unzufriedenheit mit ihm wächst. Selbst Freunde

reagieren mit Besorgnis und Befremden, obwohl er sich immer wieder

redlich bemüht, ein „guter“ Rheinländer zu sein, in die Brauhäuser und

sogar auf Karnevalsfeste geht, wo er sich als Zigeuner oder Herr mit

Domino verkleidet.

Robert: Fastnachtsdienstag. Instrumentation der Messe. Fleißig. Furchtbarer

Schnupfen. Sehr fleißig. Stürmische Konferenz. Abends Probe. Friseur

12.) Resignation

MUSIK: Robert Schumann

Tr.7: „Coquette“ aus Carnaval, Op. 9

Andrei Gavrilov (Klavier)

Autorin: Herbst 1852. Vierter und letzter Umzug, diesmal auf die Bilker Straße,

gegenüber dem heutigen Heinrich-Heine-Institut. Endlich scheinen sie

es einmal gut getroffen zu haben.

Clara: Roberts Zimmer ist sehr freundlich und still gelegen, so dass er wie in

einem Kästchen sitzt. Die größte Annehmlichkeit ist noch die, dass ich

mein Studierzimmer im zweiten Stock habe, wo Robert nichts hören

kann. Zum ersten Male nach unserer Verheiratung treffen wir es so

glücklich!

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Autorin: Doch Robert scheint sich nicht recht zu erholen, sondern teilt der

Direktion des Musikvereins mit, sein Arzt habe ihm gesagt …

Robert: … dass ich einige Zeit noch größere Anstrengungen vermeiden müsse

und den Singverein noch nicht dirigieren könne.

MUSIK ENDE

Autorin: Außerdem sei es für einen Komponisten wie ihn unzumutbar, nach

getaner schöpferischer Arbeit auch noch die Übungen eines Dilettanten-

Chores zu leiten! Er selbst schlägt einen Vertreter vor, Julius Tausch,

einen jungen Mann von 25 Jahren, der schon öfter für ihn

eingesprungen ist und sich beim Chor großer Beliebtheit erfreut.

Autorin: Am 14. Dezember 1852 geht eine Antwort ein, aus der Feder von

Wilhelm Wortmann, Beigeordneter, Leutnant und Oboist, Mitglied der

Musikvereins-Direktion, langjähriger Amateur-Musiker im Orchester.

Robert: Frecher Brief des Herrn Wortmann. Aufregung Claras.

Autorin: Von größtem Unmut im Gesangsverein ist die Rede. Von einer

Versammlung, auf der Schumanns Absetzung beschlossen werden

könne. Ob er nicht freiwillig und auf Dauer abtreten wolle? Zumindest als

Chordirigent?

O-Ton 25: Uwe Henrik Peters

Leider haben beide die Überzeugung gehabt, dass das nicht an ihnen

selbst liegt, auch nicht an Schumann selbst liegt sondern an den

Menschen, mit denen sie zusammen waren. Und dauernd schimpfen sie

über diese bösen Menschen, die sich falsch verhalten. Natürlich ist er

gemobbt worden. Der Chor wird unzufrieden. Der sagt sich: Er mag ein

Genie sein, aber jetzt soll er mal ordentlich einen Chor dirigieren!

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Autorin: Noch hat Schumann Freunde im Musikverein, die ihn unterstützen,

Wortmanns Brief als respektlos und unpassend ansehen und aus

Protest von ihren Ämtern im Vorstand zurücktreten, so dass ein neuer

gewählt werden muss. Der beschließt, dass Julius Tausch in Zukunft die

Chorproben leiten solle, Schumann aber die öffentlichen Konzerte, um

keinen Image-Verlust zu erleiden.

13.) Ende der Romantik

Autorin: Schon im Winter 1852 hat sich in Düsseldorf ein „Anti-Musikverein“

gebildet …

Zitator: (zeitgenöss. Presse)

… dessen Wirken gegen schlechte und schlecht aufgeführte Musik

gerichtet ist.

Autorin: Berichtet ausgerechnet die „Neue Zeitschrift für Musik“, die 1834 von

Schumann selbst begründet und zehn Jahre lang von ihm redigiert

worden ist. Hinter diesem „Anti-Musikverein“, einem karnevalistischem

Stammtisch, stehen Mitglieder der sozialkritischen „Düsseldorfer

Malerschule“, Künstler wie Andreas Achenbach oder Johann Peter

Hasenclever, in deren Kreis schon lange über Schumann gespöttelt

wird, weil er sich einfach nicht integriert, nicht in Düsseldorf „ankommt“

und nach zwei Jahren immer noch so stark sächselt, dass man Mühe

hat, ihn zu verstehen:

O-Ton 26: Thomas Synofzik

Es gibt von der Düsseldorfer Malerschule eine Monatsschrift, die

„Düsseldorfer Monatshefte“, da würde man heute sagen, eine Cartoon-

Zeitschrift, und da gibt’s eine sehr witzige Zeichnung, da kommt ein

kleiner Junge an den Düsseldorfer Bahnhof, und möchte eine Fahrkarte

ins heimische Pirna kaufen. Er kann sich aber leider überhaupt nicht

verständlich machen, weil er sagt, er will nach „Pörna“ und nach „Bärnä“

und auch Buchstabieren hilft nicht.

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MUSIK: Robert Schumann

Tr. 7: „Einfach, innig“ aus Drei Romanzen, op. 94

Nicolas Altstaedt (Violoncello), José Gallardo(Klavier)

Autorin: Ein Gemälde von Hasenclever, „Musikalische Abendunterhaltung“,

nimmt genau jene Soireen und Hauskonzerte aufs Korn, die bei den

Schumanns so häufig stattfanden: ein Pianist hingegossen am Flügel,

auf dem Noten mit der Überschrift „Ob ich dich liebe“ stehen, eine

Sängerin im roten Ballkleid, ein preußischer Offizier, der sie lüstern

anstarrt, dicke Frauen mit Teetassen, Mädchen, die sich Luft zu fächern,

ein Hund, der an einem schlafenden Kind hochspringt, Kristall-Lüster,

Samtportieren, Ahnenporträts …

Es ist, scheint dieses Bild zu sagen, das Ende der Romantik gekommen,

das Ende der Soireen, Singekränzchen und Sentimentalitäten.

Schumann wird in Düsseldorf zunehmend als weltfremd

wahrgenommen, als jemand, der nur in seiner eigenen Welt lebt.

MUSIK ENDE

MUSIK: Robert Schumann

Tr. 5: „Sehr langsam“ aus Kreisleriana op.16 ,

Maurizio Pollini, Klavier

Zitator: (Wasielewski)

Als ich im Mai 1853 eines Nachmittags in Schumanns Zimmer eintrat,

lag er auf dem Sofa und las in einem Buche.

Autorin: Wilhelm Joseph von Wasielewski in seinen Erinnerungen.

Zitator: (Wasielewski)

Auf mein Befragen, was der Inhalt des letzteren sei, erwiderte er mit

gehobener, feierlicher Stimme:

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Robert: Oh! Sie wissen noch nichts vom Tischrücken?

Zitator: (Wasielewski)

Wohl! sagte ich in scherzendem Tone. – Hierauf öffneten sich weit seine

für gewöhnlich halb geschlossenen Augen, die Pupille dehnte sich

krampfhaft auseinander und mit eigentümlich geisterhaftem Ausdrucke

sagte er unheimlich und langsam:

Robert: Die Tische wissen alles!

Zitator: (Wasielewski)

Dann rief er seine zweite Tochter herbei und fing an mit ihr und einem

kleinen Tische zu experimentieren, wobei er den letzteren auch den

Anfang der C-moll-Symphonie von Beethoven markieren ließ. Die ganze

Szene hatte mich aber aufs Äußerste erschreckt, und ich erinnere mich

genau, dass ich meine Besorgnisse sogleich gegen Bekannte äußerte.

14.) Widersprüche

Autorin: Wasielewski ist, wie viele seiner Zeitgenossen, der Meinung, dass

Schumann schwer krank, geisteskrank sei und macht sich Sorgen um

seinen Freund, der sich auch im Musikverein immer seltsamer gibt.

MUSIK ENDE

Zitator: (Wasielewski)

Bei einer Komitee-Sitzung sollte ein Beschluss gefasst werden, mit dem

Schumann nicht einverstanden war. Ohne ein Wort zu sprechen, griff er

nach seinem Hute und verließ das Sitzungslokal …

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Autorin: Andererseits gibt es gerade aus dieser Zeit viele klar und gut formulierte

Briefe, in denen er mit seinen Verlegern selbstbewusst über den Verkauf

seiner Werke verhandelt:

MUSIK: Robert Schumann

Tr.14: “Im Anfang ruhiges, im Verlauf bewegtes Tempo”

aus: Gesänge der Frühe, op. 133, Maurizio Pollini (Klavier)

Robert: Geehrter Herr Dr. Arnold, einen Vorschlag habe ich, der sich vielleicht

Ihres Beifalls erfreuen wird. Ich möchte die Fughetten wegen ihres meist

melancholischen Charakters nicht erscheinen lassen und biete Ihnen ein

anderes, vor Kurzem beendigtes Werk an, „Gesänge der Frühe“, fünf

charakteristische Stücke für Pianoforte, der Dichterin Bettina gewidmet.

Es sind Musikstücke, die die Empfindungen beim Herannahen und

Wachsen des Morgens schildern.

O-Ton 27: Thomas Synofzik

Das ist ein Mann, der konnte wirklich im besten Sinne „schachern“, und

konnte immer noch ein bisschen mehr herauskitzeln und war sich auch

völlig bewusst, was er eigentlich wert ist..

Robert: Da nun diese Komposition unbezweifelt größere Teilnahme als die

Fughetten finden wird, so mach ich mir noch ein Honorar von 10

Friedrich d‘or zur Bedingung, und bitte Sie, geehrter Herr, mir darüber

eine baldige Antwort zukommen zu lassen, da ich die Gelegenheit habe,

die Komposition auch in Leipzig unterzubringen zu einem höheren

Honorar, das ich auch nur deshalb so billig gestellt habe, um Ihnen das

Geschäft zu einem akzeptablen zu machen.

MUSIK ENDE

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15.) Neue Bahnen

Autorin: In das Jahr 1853 fällt Schumanns Begegnung mit Joseph Joachim,

einem begnadeten jungen Geiger aus Hannover, und dessen Freund,

dem zwanzigjährigen Komponisten Johannes Brahms, die ihn beide

beglücken und faszinieren werden. Über Brahms schreibt er in der

„Neuen Zeitschrift für Musik“ einen hymnischen Aufsatz, „Neue Bahnen“:

MUSIK: Johannes Brahms

“Sonate Nr 1 C-dur, op 1” Detlef Kraus (Klavier)

Robert: Ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten.

Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen:

Das ist ein Berufener. Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare

Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise

hineingezogen. Es waren Sonaten, mehr verschleierte Sinfonien, Lieder,

deren Poesie man ohne Worte verstehen würde.

Es waltet in jeder Zeit ein geheimes Bündnis verwandter Geister.

Schließt den Kreis fester, dass die Wahrheit der Kunst immer klarer

leuchte, überall Freude und Segen verbreitend!

Autorin: Damit habe Schumann, so meinen Viele, deutlich gemacht, dass seine

Zeit zu einem Ende gekommen sei, dass er sein Vermächtnis an einen

Jüngeren, Johannes Brahms, weiterreichen wolle. Tatsächlich

komponiert er nach dem Klavierzyklus „Gesänge der Frühe“ nur noch

sporadisch und schreibt an den Geiger Joseph Joachim:

MUSIK ENDE

Robert: Zwischen diesen Zeilen steht eine Geheimschrift, die später

hervorbrechen wird. Die Musik schweigt jetzt, wenigstens äußerlich. Nun

will ich schließen. Es dunkelt schon.

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16.) Finale

MUSIK: Ludwig van Beethoven, Violinkonzert, 1. Satz

Konzert D-dur, op 61

Dirigent: Wilhelm Furtwängler, Solist: Erich Röhn

Berliner Philharmoniker

Autorin: Am 27. Oktober 1853 hat Schumann seinen letzten öffentlichen Auftritt

als Dirigent in Düsseldorf. Auf dem Programm steht u.a. Beethovens

Violinkonzert mit Joseph Joachim als Solist. Es kommt, wie schon kurz

vorher in der Maxkirche, fast zur Revolte im Publikum. Ein Orchester-

und Direktionsmitglied referiert:

Zitator: (Wilhelm Wortmann)

Der eine nannte die Direktionsweise eine Menschenquälerei. Der

andere, ein höherer Offizier, sagte, er habe viel gereist und mitunter

schlechte Dirigenten gesehen, aber noch keinen unfähigeren; er sei

überzeugt, dass in der ganzen preußischen Armee kein Infanterie-

Kapellmeister oder Stabstrompeter sei, der nicht seinen Chor besser

dirigiere als unser Herr Direktor, und wenn ein solcher es so mache,

würde man ihn entfernen.

MUSIK ENDE

Autorin: Am 7. November erscheinen zwei Mitglieder der Musikvereinsdirektion

auf der Bilker Straße und bitten um ein Gespräch mit Schumann. Sie

wollen ihm vorschlagen, künftig nur noch seine eigenen Werke zu

dirigieren und alles andere Julius Tausch zu überlassen.

Clara: Das war eine infame Intrige und eine Beleidigung für Robert, die ihn

zwingt, seine Stelle gänzlich niederzulegen, was ich den Herren auch

sogleich antwortete, ohne Robert gesprochen zu haben. Abgesehen von

der Frechheit, die zu solch einem Schritte einem Manne wie Robert

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gegenüber gehörte, so war es auch eine Verletzung des Kontraktes, die

Robert sich in keinem Fall gefallen lässt. O, es ist ein niederträchtiges

Volk hier. Die Gemeinheit herrscht hier, und die Gutgesinnten, ziehen

sich zurück, missbilligend, aber tatlos. Was hätte ich darum gegeben,

hätte ich mit Robert gleich auf und davon gehen können, doch wenn

man sechs Kinder hat, ist das so leicht nicht.

Autorin: Schumann kündigt seinen Vertrag und geht mit Clara, die mit Felix, dem

siebten Kind schwanger ist, auf Konzertreise, zunächst nach Holland,

dann nach Hannover, wo sie Johannes Brahms und Joseph Joachim,

ihre neuen Musikerfreunde, wiedertreffen, die mit ihnen feiern, lachen

und musizieren, als sei nichts geschehen.

Robert: Sehr fröhlich. Viel getrunken. Zu viel. Unruhige Nacht.

Autorin: Am 30. Januar 1854 sind sie wieder zurück in Düsseldorf. Bald darauf

setzen bei Schumann Gehörstäuschungen und „Kopfleiden“ ein, die der

Psychiater Uwe Henrik Peters als Alkoholdelir deutet.

O-Ton 28: Uwe Henrik Peters

Er war ein Hemmungstrinker, einer, der sich lösen musste mit Alkohol,

aber er ist nie volltrunken gewesen. Er ist nie durch Volltrunkenheit

aufgefallen. Aber er hat auch später noch in Endenich gesagt, jeden

Abend vor dem Essen wäre er erst mal was trinken gegangen. Das zieht

sich durch das ganze Leben.

Autorin: Eine These, die Thomas Synofzik bestreitet:

O-Ton 29: Thomas Synofzik

Es gab sicherlich in Robert Schumanns früher Zeit ganz viele

Alkoholexzesse in Leipzig um 1830, aber auch da, denk‘ ich, ist

Schumann im Laufe seines Lebens sehr gereift. Und er ist zwar auch in

den frühen Ehejahren sicher auch manchmal abends ausgegangen und

hat in der Kneipe gesessen und ein bisschen vielleicht was getrunken,

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aber dass das jetzt wirklich Exzesse waren, da gibt’s für die späten

Jahre überhaupt keine Belege mehr.

MUSIK: Robert Schumann

Tr.33: „Thema mit Variationen“ Es-Dur für Klavier

Eric Le Sage (Klavier)

Autorin: Während er mit der Niederschrift seiner „Geistervariationen“ beginnt,

einer der letzten von ihm überlieferten Kompositionen, ruft Clara einen

Arzt, der strenge Ruhe verordnet. Tochter Marie und ein Wärter passen

auf ihn auf.

Autorin: Am 27. Februar 1854, einem kalten, regnerischen Rosenmontag, kann

er in Schlafrock und Filzpantoffeln entkommen. Einer immer wieder

tradierten Legende nach ist er von einer Brücke in den Rhein

gesprungen, von zwei Schiffern gerettet und von einer johlenden Menge

zurückgebracht worden, nachdem er vorher seinen Ehering in den Rhein

geworfen habe. Aber das kann nach neueren Forschungen nicht

stimmen. MUSIK ENDE

O-Ton 30: Thomas Synofzik

Die Brücke über den Rhein, von der sich Schumann angeblich gestürzt

hat, war eine Ponton-Brücke, da kann man sich gar nicht runterstürzen.

Das Wasser war eisig kalt im Februar, das hat Uwe Henrik Peters

herausgefunden, find‘ ich ganz toll, da haben wir Wettermeldungen in

den Zeitungen, 2 ½ Grad war es an dem Morgen, also Schumann hätte

es nicht überlebt, wenn er wirklich da ins Wasser gesprungen wäre.

O-Ton 31: Uwe Henrik Peters

Ich habe Jahre lang nach Belegen gesucht dafür. Weil ich dachte, es

muss irgendwo stehen. Ich hab‘ das nicht in den Polizeiberichten

gefunden, nicht in den Zeitungsberichten gefunden, nicht in Briefen

gefunden, nicht in Tagebüchern gefunden, ich habe einfach keinen

Beleg dafür gefunden.

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O-Ton 36: Thomas Synofzik

Das lässt aber nicht das eigentliche Faktum eines Selbstmordversuches

bezweifeln, es ist nur die Frage, in welcher Form ist denn der erfolgt.

O-Ton 32: Michael Heinemann

Pantoffel, Februar, Karneval, glitschig, er ist nicht aufgefallen im Betrieb,

er ist durch die Stadt gegeistert, und er ist dann, an der Rheinbrücke in

den Rhein gefallen.

O-Ton 33: Thomas Synofzik

Ich denke, es war eine Verzweiflungstat. Die Dinge spitzten sich

zu.

O-Ton 34: Uwe Henrik Peters

Dadurch, dass der Vertrag gelöst wurde mit Düsseldorf. Das ist eine

Situation, die wirklich schwer zu ertragen ist. Wenn man plötzlich das

Ansehen verliert, das man vorher hatte.

O-Ton 35: Michael Heinemann

Krankenhaus, Irrenhaus, Anstalt – das ist das Schlimmste, was

passieren konnte! Es gibt dieses Trauma schon aus den frühen Jahren,

wo er den Blick auf die Irrenanstalt, den Sonnenstein in Pirna,

vermeiden wollte. Ich suggeriere das jetzt einfach von der Situation,

dass er dann wirklich in einer Kurzschlussreaktion aus dem Haus

gelaufen ist.

MUSIK: Robert Schumann

Tr.: 27 „Sieben Fuguetten Op.126

Eric Le Sage (Klavier)

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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2016 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben

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Autorin: Am 4. März 1854 wird Schumann mit einer Pferdekutsche nach Bonn-

Endenich gebracht, wo sich die private psychiatrische Heilanstalt eines

Doktor Franz Richarz befindet. Zunächst versucht er, Briefe zu

schreiben und weiter zu komponieren. Oft hört man, dass er „Lüge!

Lüge!“ schreit. Da er lange Zeit keine Nachrichten von zu Hause

bekommt, glaubt er, Düsseldorf sei untergegangen. Sein dringender

Wunsch nach Entlassung wird nicht erhört. Er wehrt sich gegen seine

Wärter und verweigert die Nahrung. Am 29. Juli 1856 stirbt er

nachmittags gegen vier. Er ist sechsundvierzig Jahre alt. In einer seiner

letzten Düsseldorfer Notizen heißt es:

Robert: Man hüte sich, als Künstler den Zusammenhang mit der Gesellschaft zu

verlieren. Sonst geht man unter wie ich.

MUSIK ENDE

MUSIK: Robert Schumann

Tr. 13: “Der Dichter spricht” (Kinderszenen) Martha Argerich, Klavier

Absage:

Robert Schumann in Düsseldorf.

Warum der Sachse im Rheinland scheitern musste.

Ein Feature von Eva Weissweiler

Es sprachen:

Jens Harzer als Robert Schumann,

Martina Gedeck als Clara Schumann.

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Sowie:

Leonie Renée Klein, Martin Bross, Gerrit Jansen,

Henning Freiberg, Reinhard Becker

und als Erzählerin Kornelia Boje.

Technische Realisation: Dirk Hülsenbusch und Steffen Jahn

Regieassistenz: Fahri Shahin Sarimeshe

Regie: Claudia Johanna Leist

Redaktion: Dorothea Runge

Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2016