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se nur eine Momentaufnahme innerhalb einer Folge von Eiszeiten und Zwischeneiszeiten ist [1]. Die Raumsonde Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation,ESA, lieferte hierfür weitere Indizien. Tatsächlich zeigten die Auf- nahmen der deutschen Hochleistungskamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) eine Vielzahl von Oberflächen- formen, die an Gletscher und ihre Ablagerungen (Moränen) erinnern [2]. Ein anderer, wesentlich dramatischerer Kli- mawechsel scheint sich aber schon viel früher abgespielt zu haben. Bereits die Aufnahmen der Mariner 9 und der Viking-Mis- sionen in den 1970er-Jahren zeigten ganze Gruppen von Tälern, die verblüffend den verzweigten Erosionsmustern ähneln, wie man sie von der Erde kennt. Hier sind sie das Ergebnis von oberflächlichem Wasserabfluss nach Nieder- schlägen. Die Marstäler sind fast ausschließlich in sehr alte Oberflächen eingeschnitten (Abbildung 1). Gab es also in der Frühzeit des Planeten eine dichtere Atmosphäre und mehr Wasser,das sich als Regen niederschlug und dabei die Täler erodierte? Die Morphologie der Oberfläche legt dies nahe. Trifft diese Hypothese eines jungen, warmen, feuchten Mars zu, muss es vor Urzeiten einen grundsätzlichen Klimawandel zu den heutigen Bedingungen gegeben haben. Diese Überle- gungen sind nicht neu, und zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten haben sich bereits damit befasst, die Details eines derartigen Wandels zu analysieren. Eine kritische Größe ist dabei die Bestimmung des Zeitpunkts. Dieser lässt sich durch die Zählung von Einschlagskratern ziemlich gut be- rechnen: Je länger eine planetare Oberfläche dem Bombar- dement durch Meteoriten ausgesetzt ist, desto mehr Ein- schlagskrater befinden sich auf ihr. Die Talsysteme sind in ihrer überwiegenden Zahl älter als 3,5 bis 4 Milliarden Jah- re. Nach etwa 3,5 Milliarden Jahren verringerte sich die Ero- sionsrate sehr stark, und in den letzten drei Milliarden Jah- ren ist die Marsoberfläche durchschnittlich nur etwa um 0,01 bis 0,04 Nanometer (~10 –8 mm) pro Jahr abgetragen worden – also insgesamt um etwa einen Millimeter. D er Rote Planet wird derzeit von Raumsonden gerade- zu belagert: Vier Sonden in Umlaufbahnen und zwei Rover liefern kontinuierlich Daten zur Erde. All diese Mis- sionen haben ein gemeinsames Ziel: Die Klimageschichte des Mars zu entschlüsseln und die Frage zu beantworten, wann und wie viel Wasser auf dem Mars vorhanden war und noch ist. Mars ist heute ein kalter und trockener Planet. Es gibt kein flüssiges Wasser an der Oberfläche, und auch in der At- mosphäre finden sich nur geringe Spuren. Die gegenwär- tigen Bedingungen scheinen aber keineswegs immer ge- herrscht zu haben. Sogar innerhalb der jüngeren geologi- schen Vergangenheit könnte es zu beträchtlichen Nieder- schlägen von Schnee nicht nur an den Polkappen, sondern bis in mittlere und sogar tropische Breiten gekommen sein. Es besteht die Vermutung, dass ein periodischer Klima- wandel für verschiedene junge glaziale und periglaziale Oberflächenformen verantwortlich ist und die jetzige Pha- Neue Ergebnisse der Mars-Rover und Raumsonden Wasser auf dem Mars E RNST HAUBER Der Mars-Rover Opportunity untersuchte in der Ebene Meri- diani Planum erstmals alte geschichtete Gesteine auf dem Mars. Sie zeigen sedimentäre Strukturen und Minerale, die sich nur im Zusammenspiel mit Wasser gebildet haben kön- nen. Diese Ergebnisse konnten Instrumente an Bord von Son- den aus der Umlaufbahn bestätigen und ergänzen. Europas Mars Express fand Indizien für eine wasserreiche Vergangen- heit über den ganzen Globus verteilt. 12 | Phys. Unserer Zeit | 1/2007 (38) © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/piuz.200601123 Abb. 1 Die verzweigten Einschnitte dieser alten Talsysteme auf dem Mars sind Abflussmustern auf der Erde sehr ähnlich. Sie sind einer der stärksten Hinweise auf ein wärmeres und feuchteres Klima auf dem frühen Mars. Der Durchmesser des großen Gusev-Kraters beträgt etwa 45 km (Foto: Falschfarben- aufnahme der HRSC-Kamera auf Mars Express, DLR).

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Page 1: Wasser auf dem Mars: Neue Ergebnisse der Mars-Rover und Raumsonden

se nur eine Momentaufnahme innerhalb einer Folge vonEiszeiten und Zwischeneiszeiten ist [1]. Die RaumsondeMars Express der Europäischen Weltraumorganisation,ESA,lieferte hierfür weitere Indizien. Tatsächlich zeigten die Auf-nahmen der deutschen Hochleistungskamera HRSC (HighResolution Stereo Camera) eine Vielzahl von Oberflächen-formen,die an Gletscher und ihre Ablagerungen (Moränen)erinnern [2]. Ein anderer, wesentlich dramatischerer Kli-mawechsel scheint sich aber schon viel früher abgespielt zuhaben.

Bereits die Aufnahmen der Mariner 9 und der Viking-Mis-sionen in den 1970er-Jahren zeigten ganze Gruppen vonTälern, die verblüffend den verzweigten Erosionsmusternähneln, wie man sie von der Erde kennt. Hier sind sie dasErgebnis von oberflächlichem Wasserabfluss nach Nieder-schlägen. Die Marstäler sind fast ausschließlich in sehr alteOberflächen eingeschnitten (Abbildung 1). Gab es also inder Frühzeit des Planeten eine dichtere Atmosphäre undmehr Wasser,das sich als Regen niederschlug und dabei dieTäler erodierte?

Die Morphologie der Oberfläche legt dies nahe. Trifftdiese Hypothese eines jungen, warmen, feuchten Mars zu,muss es vor Urzeiten einen grundsätzlichen Klimawandel zuden heutigen Bedingungen gegeben haben. Diese Überle-gungen sind nicht neu, und zahlreiche wissenschaftlicheArbeiten haben sich bereits damit befasst, die Details einesderartigen Wandels zu analysieren. Eine kritische Größe istdabei die Bestimmung des Zeitpunkts. Dieser lässt sichdurch die Zählung von Einschlagskratern ziemlich gut be-rechnen: Je länger eine planetare Oberfläche dem Bombar-dement durch Meteoriten ausgesetzt ist, desto mehr Ein-schlagskrater befinden sich auf ihr. Die Talsysteme sind inihrer überwiegenden Zahl älter als 3,5 bis 4 Milliarden Jah-re. Nach etwa 3,5 Milliarden Jahren verringerte sich die Ero-sionsrate sehr stark, und in den letzten drei Milliarden Jah-ren ist die Marsoberfläche durchschnittlich nur etwa um0,01 bis 0,04 Nanometer (~10–8 mm) pro Jahr abgetragenworden – also insgesamt um etwa einen Millimeter.

Der Rote Planet wird derzeit von Raumsonden gerade-zu belagert: Vier Sonden in Umlaufbahnen und zwei

Rover liefern kontinuierlich Daten zur Erde. All diese Mis-sionen haben ein gemeinsames Ziel: Die Klimageschichtedes Mars zu entschlüsseln und die Frage zu beantworten,wann und wie viel Wasser auf dem Mars vorhanden war undnoch ist.

Mars ist heute ein kalter und trockener Planet. Es gibtkein flüssiges Wasser an der Oberfläche,und auch in der At-mosphäre finden sich nur geringe Spuren. Die gegenwär-tigen Bedingungen scheinen aber keineswegs immer ge-herrscht zu haben. Sogar innerhalb der jüngeren geologi-schen Vergangenheit könnte es zu beträchtlichen Nieder-schlägen von Schnee nicht nur an den Polkappen, sondernbis in mittlere und sogar tropische Breiten gekommen sein.Es besteht die Vermutung, dass ein periodischer Klima-wandel für verschiedene junge glaziale und periglazialeOberflächenformen verantwortlich ist und die jetzige Pha-

Neue Ergebnisse der Mars-Rover und Raumsonden

Wasser auf dem MarsERNST HAUBER

Der Mars-Rover Opportunity untersuchte in der Ebene Meri-diani Planum erstmals alte geschichtete Gesteine auf demMars. Sie zeigen sedimentäre Strukturen und Minerale, diesich nur im Zusammenspiel mit Wasser gebildet haben kön-nen. Diese Ergebnisse konnten Instrumente an Bord von Son-den aus der Umlaufbahn bestätigen und ergänzen. EuropasMars Express fand Indizien für eine wasserreiche Vergangen-heit über den ganzen Globus verteilt.

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DOI: 10.1002/piuz.200601123

Abb. 1 Die verzweigten Einschnitte dieser alten Talsystemeauf dem Mars sind Abflussmustern auf der Erde sehr ähnlich.Sie sind einer der stärksten Hinweise auf ein wärmeres undfeuchteres Klima auf dem frühen Mars. Der Durchmesser desgroßen Gusev-Kraters beträgt etwa 45 km (Foto: Falschfarben-aufnahme der HRSC-Kamera auf Mars Express, DLR).

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Allerdings war die These einer feuchten Frühzeit desRoten Planeten in einem wesentlichen Punkt unvollstän-dig: Sie beruhte vorwiegend auf morphologischen Indizien,also auf der geologischen Interpretation von Bildern. Es gabkeine eindeutigen chemischen oder mineralogischen Hin-weise auf Oberflächenmaterialien,die nur durch die Präsenzvon Wasser entstehen konnten.

Im Jahr 2003 starteten drei Sonden, deren Instrumentegenau danach suchen sollten. Die NASA sandte zwei Roverzum Mars, die an der Oberfläche nach Hinweisen auf einewasserreiche Vergangenheit suchen sollten. Sie waren da-zu mit einer Reihe von Instrumenten ausgestattet, die spe-ziell geeignet waren, die Rolle von Wasser bei der Bildungvon Gesteinen zu untersuchen. Gleichzeitig wurde MarsExpress auf die Reise geschickt, die erste Planetenmissionder ESA. Sie sollte aus der Umlaufbahn die Klimageschich-te des Planeten entschlüsseln (mehr Informationen zu die-sen Missionen finden Sie auf www.phiuz.de unter demStichwort „Special Features/Zusatzmaterialien zum Heft“).

Gusev – eine EnttäuschungAm Anfang gab es jedoch eine große Enttäuschung. DerNASA-Rover Spirit war zwar im Januar 2004 erfolgreich aufdem Boden des alten Einschlagskraters Gusev gelandet,hat-te aber nur vergleichsweise langweiligen Basalt gefunden.Basalt ist das am weitesten verbreitete vulkanische Gesteinauf der Erde, das auch auf dem Mars bereits wohlbekanntwar. Erhofft hatten sich die Forscher von der Landestelle imGusev-Krater allerdings ganz andere Gesteine.

Vor der Landung ging man davon aus, dass sich in demKrater vor mehr als drei Milliarden Jahren ein See befand(Abbildung 1). Indizien dafür sah man in dem südlichenKraterrand, der von einem langen, längst ausgetrocknetenFlusstal durchschnitten wird. An dessen Einmündung be-findet sich sogar eine Ablagerung, die man als Delta inter-pretieren könnte. In diesem See hätten sich – dieser Hy-pothese zufolge – Sedimente abgelagert. Spirit sollte Be-weise hierfür finden. In den kühnsten Spekulationen

glaubten einige Wissenschaftler sogar daran,dort Reste vonfrüheren Marslebewesen zu entdecken.

Nichts davon war in den Bildern der Kameras zu sehen.Ernüchtert mussten die Wissenschaftler feststellen,dass dieflachen Ebenen des Kraterbodens aus einer eintönigen Fol-ge von Basaltbrocken und viel Staub bestanden (Abbildung2). Den ersten Eindruck von den Bildern bestätigten kurzeZeit später die Resultate der chemischen und mineralogi-schen Analysen. Wenn hier tatsächlich Sedimente existieren,liegen sie unzugänglich unter den Basaltlagen.

Meridiani Planum – ein voller ErfolgUmso größer war die Begeisterung, als Opportunity, derZwillingsbruder von Spirit,gleich auf Anhieb eine Reihe ge-schichteter Gesteine entdeckte. Das Fahrzeug war direkt ineinem kleinen Krater namens Eagle mit lediglich 20 mDurchmesser gelandet, dessen Innenwand einen geologi-schen Aufschluss darstellte. Als Aufschluss bezeichnet maneine Stelle,an der Gestein im ursprünglichen Kontext zu se-hen ist (aufgeschlossen ist). Im Gegensatz dazu waren aufdem Boden von Gusev zwar ebenfalls Steine zu sehen, abereben nur noch als einzelne Brocken, die nirgends mit demUntergrund, dem Festgestein, verbunden sind.

Die Landestelle in Meridiani Planum war ebenfalls we-gen einer vermuteten wasserreichen Vergangenheit gewähltworden. Hier hatte es aber mineralogische Hinweise desThermal Emission Spectrometers an Bord der Sonde MarsGlobal Surveyor gegeben. Mit diesem seit 1997 arbeiten-den Instrument fand sich im Bereichder Meridiani-Ebene die spektrale Sig-natur von grauem Hämatit. Diese Va-rietät von Hämatit, einem häufig vor-kommendem Eisenmineral,entsteht nurim Zusammenhang mit flüssigem Was-ser.

Tatsächlich fand Opportunity be-reits in den nur wenige Dezimetermächtigen Schichten in den Wänden

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I N T E R N E T |Mars Express sci.esa.int/marsexpresswww.dlr.de/mars

Mars Exploration Rover der NASAmarsrovers.nasa.gov/home

Abb. 2 Basalt,soweit dasKameraaugereicht: Im Gusev-Krater wurdenkeine Anzeichenfür alte Seesedi-mente gefunden(Foto: NASA/JPL/Cornell/DLR).

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des Kraters Hinweise auf Wasser [3]. Dennoch waren auchnach der gründlichen Erkundung von Eagle noch wesentli-che Fragen offen. Wegen der geringen Ausdehnung derSchichten ließen sie sich nur schwer in einen geologischenKontext einordnen. Es war dringend erforderlich, einengrößeren zusammenhängenden Teil der Schichtfolge strati-graphisch zu untersuchen. Als Stratigraphie bezeichnet manden Zweig der Geologie, der verschiedene Gesteinsschich-ten und -formationen hinsichtlich ihrer Korngröße, Sedi-mentfärbung, Geochemie, Schichtgefüge und dem Fossil-gehalt der Gesteine untersucht. Ziel ist dabei das Aufstelleneiner zeitlichen Gliederung der Schichten.

Für eine solche Untersuchung musste man einen größe-ren und tieferen Krater finden, in dessen Wänden einemächtigere Lage von Schichten aufgeschlossen ist. Auf denBildern der Umlaufsonden fand man einen Krater mit 150Metern Durchmesser und 20 Metern Tiefe, der sich etwa800 Meter östlich von Eagle befindet. Obwohl die Missionvon Opportunity nur eine nominelle Lebensdauer von un-gefähr 90 Marstagen hatte (was in etwa 90 Erdtagen ent-spricht),begann der Rover seine lange Fahrt nach Osten, fürdie er hundert Marstage benötigte. In Anerkennung dieseraußergewöhnlichen Ausdauerleistung erhielt der Krater denNamen Endurance (Ausdauer) (Abbildung 3). Ein ersterBlick über den Kraterrand zeigte,dass sich die Anstrengunggelohnt hatte, denn mehrere Stellen an den Kraterwändenwiesen eindeutige Spuren von Schichtung auf.

Nachdem die Analyse der Hangneigungen ergeben hat-te, dass Opportunity gefahrlos in den Krater hinein und –ebenso wichtig – auch wieder würde herausfahren können,begann der Abstieg am 134. Marstag der Mission. Als Op-portunity Endurance nach 181 Marstagen wieder verließ,hatte die Sonde eine planetologische Pioniertat vollbracht:Sie hatte die erste stratigraphische Sektion auf einem an-deren Planeten vermessen. Seither legte Opportunity aufdem Weg nach Süden einige Kilometer zurück und konntedabei noch drei weitere Krater untersuchen (Abbildung 3).

Die bewegte Geschichte des Meridiani Planum Die besten Einsichten in die Schichtfolgen des Kraters En-durance erhielten die Forscher an zwei größeren Auf-schlüssen, die Karatepe und Burns Cliff genannt wurden(Abbildung 4). Die Bilder der Rover-Kamera sowie des Mi-kroskops zeigen ein Gestein,das aus vier wesentlichen Kom-ponenten besteht. Der Hauptbestandteil sind gerundeteSandkörner mit Durchmessern von 0,3 mm bis 1 mm (Ab-bildung 5a). Zudem gibt es graue Kugeln an den Auf-schlüssen mit typischen Durchmessern zwischen 4 und6 mm (Abbildung 5b), einen meist sehr feinkörnigen Ze-ment, der die Sandkörner zusammenhält. Dieser bestehtzum großen Teil aus Sulfaten und ein wenig Hämatit. Dievierte Komponente stellen Hohlräume dar,welche die Formvon Sulfat- und Salzkristallen haben (Abbildungen 5c, d).

Die Analyse der chemischen Zusammensetzung der Ge-steine geschah mit dem APXS-Spektrometer [4], das vomMax-Planck-Institut für Kosmochemie in Mainz stammt. Inden Gesteinen wurde besonders viel Schwefel gefunden.Die einfachste geologische Erklärung wäre eine hohe Kon-zentration an Sulfaten, eine Mineralgruppe, die durch mi-neralogische Veränderung eines anderen Ausgangsgesteinsentsteht. Tatsächlich zeigten die Spektren des InstrumentsMiniTES an Bord von Opportunity Zeichen für Magnesium-und Kalziumsulfate. Insgesamt machen Sulfate mehrerezehn Gewichtsprozente in den Gesteinen aus. Mit demMößbauer-Spektrometer, das an der Universität Mainz ent-wickelt wurde [5], ließ sich eindeutig das eisenhaltige Sul-fatmineral Jarosit (KFe3(SO4)2(OH)6) nachweisen. Das Mi-neral muss unter oxidierenden Bedingungen in einer

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Abb. 3 Der NASA-Rover Opportunity landete in Meridiani Planum und führte seinebislang umfangreichsten Untersuchungen im Einschlagskrater Endurance durch.Das Übersichtsbild links stammt von der Mars Orbiter Camera (MOC) auf der MarsGlobal Surveyor Mission, die Mosaike in angenäherten Echtfarben rechts wurdenaus Einzelbildern der Panoramakamera auf Opportunity zusammengesetzt (Fotos:Malin Space Science Systems/DLR (links), NASA/JPL/Cornell/DLR (rechts)).

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schweflig-sauren wässrigen Umgebung (pH-Wert ~1) aus-gefällt worden sein. Jarosit enthält etwa zehn Gewichts-prozent Wasser in der Form von OH-Anionen und ist eineindeutiger Hinweis für die ehemalige Anwesenheit vonWasser.

Bereits vor fast zwanzig Jahren hatte der mittlerweileverstorbene Wissenschaftler Roger Burns die Existenz vonSulfaten und insbesondere von Jarosit auf dem Mars vor-hergesagt [6]. Er entwarf das Bild eines jungen, vulkanischaktiven Mars, in dem sich Schwefelsäure aus den vulkani-schen Dämpfen mit Wasser mischte. Dabei wird Gesteinchemisch erodiert, und es entsteht eine Vielzahl verschie-dener Sulfate, einschließlich Jarosit. Zu Ehren von Burnsund seiner präzisen Vorhersage benannte das Rover-Teamdie markante Schichtfolge im Endurance-Krater Burns Cliff(Abbildung 4).

Neben den Sulfaten muss in den Gesteinen der Auf-schlüsse ein beträchtlicher Anteil siliziklastischen Materialsvorhanden sein. Silizisch ist ein aus Silikatmineralen aufge-bautes Material, dessen Grundbaustein ein [SiO4]-Tetraederist. Es sind die häufigsten Minerale in der Erdkruste, aus ih-nen sind vulkanische Gesteine zum wesentlichen Teil auf-gebaut. Klastische Gesteine bestehen aus Bruchstücken(Klasten) anderer Gesteine und werden durch einen Ze-ment verfestigt. Ein typisches Beispiel sind Sandsteine, dieaus Sandkörnern und einer Matrix bestehen (Abbildung 5a).Im Fall der Gesteine in Meridiani Planum scheint das sili-katische Ausgangsgestein Basalt gewesen zu sein, das aufder Erde und auch auf dem Mars häufigste vulkanische Ge-stein.

Die grauen Kugeln, wegen ihrer morphologischen Ähn-lichkeit mit Blaubeeren Blueberries genannt, bestehen ausdem eisenhaltigen Oxidationsmineral Hämatit (Fe3O4). Manfindet ähnliche Konkretionen auch auf der Erde. In Utah,wo sie von den Indianern zu Kunstgegenständen verarbei-tet werden, kennt man sie unter dem Namen Utah Marbles.Die Kügelchen bestehen dort aus den Eisenoxiden Häma-tit und Goethit und sind in den Schichten des Navajo-Sand-steins entstanden. Grundwasser, das heiß, sauer und/oder

reduzierend war, löste Eisen aus dem Gestein. An manchenStellen ist der Sandstein dadurch regelrecht ausgebleichtund weiß. Wo diese Wässer in eine oxidierende oder alka-lische Umgebung eintraten, fällte das Eisen wieder aus undwurde zu den Konkretionen zementiert. Bei der Verwitte-rung des Gesteins werden die Blueberries freigelegt, fallenzu Boden und rollen in tiefer gelegene Bereiche,wo sie sichin großen Mengen ansammeln (Abbildung 6).

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Abb. 4 Angenäherte Echtfarbendarstellung der geschichteten Sedimente des Burns Cliff im Endurance-Krater. Die scheinbareWölbung zum Betrachter hin ist ein Effekt der Weitwinkelaufnahme. Im Vordergrund sind Teile des Rovers zu sehen (Foto: NASA/JPL/Cornell/DLR).

Abb. 5 Mikroskopaufnahmen von Opportunity in MeridianiPlanum: a) Sandsteinschichten mit Dicken bis herunter zueinem Korndurchmesser, Partikeldurchmesser zwischen 0,8und 0,3 mm; b) etwa 1,5 cm großes Hämatitkügelchen(Blueberry); c) dunkle scheiben- und stabförmige Bereiche ineinem Gesteinsanschnitt, bei denen es sich um ehemaligeSulfatkristalle handelt, die von Wasser oder Wind erodiertwurden und dann als Hohlformen zurückblieben; d) vomRover freigelegte Hohlräume mit einer kubischen Kristall-struktur, die von Steinsalz (NaCl) stammen könnte (Fotos: a),c) NASA/JPL/Cornell/USGS, b) NASA/JPL/USGS, d) NASA/ JPL/, DLR).

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Kamera und Mikroskop lieferten Bilder von sedi-mentären Strukturen, die wichtige Hinweise auf Transportund Ablagerung von Gesteinspartikel sind [7]. In manchenBildern ist zu erkennen,wie einzelne Schichten zum Teil nurdie Dicke eines einzelnen Kornes erreichen (Abbildung 5a).Dies ist charakteristisch für äolischen Transport, also für dieVerlagerung von Partikeln durch Wind. An anderen Stellenerkennt man feine wellenartige Rippelstrukturen, wie siebeispielsweise an Sandstränden auftreten, und eine so ge-nannte Kreuzschichtung (Abbildung 7). Beide entstehendurch die Ablagerung von Sandkörnern in einer Düne. Die-ser Prozess kann sowohl unter Wasser,etwa auf dem Bodeneines sandigen Flussbettes, als auch über Wasser in einer Düne ablaufen.

Die Wissenschaftler des Rover-Teams glauben,dass sichdie sandigen Ablagerungen im unteren Teil der untersuch-ten Schichtfolge in einer trockenen, wüstenartigen Umge-bung als Sanddünen gebildet haben. Die mittlere Sektionder Schichten entstand als einheitliche, flache Sandschicht,auf der sich windverblasene kleine Rippel bildeten (Abbil-dung 8a). Die oberste Schicht,und hier insbesondere derenoberster Teil, sind aus Sedimenten aufgebaut, die von Was-ser transportiert wurden und sich wahrscheinlich in feuch-ten Bereichen zwischen Sanddünen ablagerten.

Oft bilden kleine Spalten und Risse polygonale Struk-turen auf den freigelegten Oberflächen, die Trocknungsris-sen ähneln (Abbildung 8a). Da die Risse auf allen Ober-flächen auftreten, auch auf solchen, die schräg zu den ur-sprünglichen Schichtungsebenen verlaufen, sind sievermutlich erst weit nach der Ablagerung des Materials ent-standen. Man vermutet, dass Sulfate in trockeneren Peri-oden Wasser verloren (dehydrierten) und dabei im Volu-men schrumpften. Es gibt sogar die Ansicht,die Risse wärenerst in jüngster Zeit entstanden, als Wasser in der Marsat-mosphäre zyklisch mit den Magnesiumsulfaten in den Ge-steinen reagierte [8]. Wasser würde demnach bei Tempe-raturen um 0 °C, die im Marssommer am Mittag durchauserreicht werden können, von H2O-reichen Mg-Sulfaten frei-gesetzt. Diese wandeln sich dabei in H2O-ärmere Mg-Sulfa-te um (siehe „Alterationsprodukte“, S. 17). Das Wasser sub-limiert,und der in diesem Prozess erzeugte Volumenverlustkann zu Schrumpfungsrissen führen.

Wenn in kälteren Perioden Wasser dem Boden wiederals Frost zugeführt wird, können die Mg-Sulfate wieder re-

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Abb. 6 Eisenoxid-Konkretionen auf dem Mars und auf der Erde. a) HämatitreicheKügelchen (Utah marbels) aus dem Grand Staircase-Escalante National Monument(südliches Utah, USA); b) geschichtete Sedimente im Endurance-Krater, in dessenVertiefungen sich Blueberries ansammeln; c) Utah-Murmeln mit Durchmessernzwischen 1 mm und 2,5 cm; d) Blueberries auf dem Mars mit Durchmessern vonetwa 5 mm (Fotos a, c): Brenda Beitler; b) NASA/JPL/Cornell/USGS; d) NASA/JPL/Cornell).

Abb. 7 Einzelne, oft leicht gegeneinander verkippte Schicht-pakete in den Sedimenten des Meridiani Planum. DieseKreuzschichtungen können durch verschiedene Prozesseentstehen. Man nimmt an, dass sie in Meridiani Planum dieFolge der Einwirkung von Wind und Wasser sind. a) Schräg-schichtung (Pfeil) in einem Schichtpaket im Erebus-Krater(angenäherte Echtfarben); b) girlandenartige Kreuzschich-tung (Pfeil) in einem Felsen des Erebus-Kraters. Diese nurwenigen Zentimeter großen Strukturen sind vermutlichdurch fließendes Wasser enstanden. Beide Bilder wurden mitder Panoramakamera auf dem Rover Opportunity aufgenom-men (Foto: NASA/JPL/Cornell University).

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hydrieren. In diesem Zyklus wird das Gestein unterschied-lich zementiert, wobei auch Zonen härterer Bereiche ent-stehen können, die bei der Verwitterung als scharfe Gratezurückbleiben (Abbildung 8b).

Einige Beobachtungen sprechen für eine komplexe dia-genetische Geschichte der Gesteine. Als Diagenese be-zeichnet man die chemischen Vorgänge, die nach der Abla-gerung von Sedimenten dafür sorgen, dass sich aus derzunächst lockeren Ansammlung von Material ein zusam-menhängendes Gestein bildet. Dabei wurden in MeridianiPlanum die Porenräume mit einer Mischung aus Sulfatenund vermutlich Hämatit verfüllt, welche die Körner quasials Zement miteinander verband. Hämatit findet sich auchals sehr dünner Belag auf den Partikeln,aus denen der Sand-stein aufgebaut ist. Er wurde während der frühen Diagene-se ausgefällt, als Grundwasser in Kontakt mit den primär ab-gelagerten Mineralen trat.

Das auffälligste Produkt sind die Hämatit-Kügelchen,de-ren Verteilung gleichmäßiger ist, als es einer Zufallsvertei-lung entspräche. Diese Eigenschaft und ihre fast perfektsphärische Gestalt gelten als Hinweis darauf,dass die „Blue-berries“ entstanden, als sich Eisen zunächst löste und dannausfiel. Das geschah vermutlich in stehendem oder sehrlangsam bewegtem Grundwasser: Jedes Kügelchen benötig-te ausreichend Platz um sich herum, um genügend Hämatitaus dem Wasser auszufällen. Da sie in allen bislang unter-suchten Stellen zu finden sind, muss nach der Ablagerungdes sandigen Materials Grundwasser in allen Schichten zir-kuliert sein.

Auch die kristallförmigen Hohlräume sind Zeichen fürdiagenetische Prozesse. Ursprünglich befand sich in ihnenein Sulfatkristall, das sich in salzhaltigem Grundwasser löste. Dadurch blieb ein Hohlraum zurück, der schließlichdurch die Erosion des Gesteins freigelegt wurde (Abbildung5c). Einige dieser Hohlräume haben eine kubische Gestalt,die von Steinsalzkristallen herrühren könnte (Abbildung5d). Unter welchen Umweltbedingungen sind diese Ge-steine nun entstanden?

Die Dominanz von äolischem Sand weist auf eine Abla-gerung in sehr trockenen Verhältnissen hin. Die mineralo-gischen Befunde, insbesondere der Nachweis von Jarosit,er-fordern saures Wasser mit einem sehr niedrigen pH-Wert,das mit den Gesteinen in Kontakt kam. Das Eisen in den Ge-steinen, etwa im Hämatit, liegt weitgehend in oxidierterForm als Fe3+ vor, während das Ausgangsmaterial Basalt Ei-sen als Fe2+ enthält.

Obwohl also Wasser während der Bildung der Gesteinevorhanden war, war die Umwelt von trockenen, saurenund oxidierenden Bedingungen geprägt. Möglicherweiseentstanden die Schichten in Meridiani Planum in einersandigen Wüstenlandschaft sowie in kurzlebigen, flachen,sauren und salzigen Seen sowie in Grundwassersystemen,die mit den Seen verbunden waren. Die Seen trocknetenimmer wieder aus, Wind erodierte die schwach verfes-tigten Schichten und lagerte das Material um. Risse ent-standen bei der möglicherweise wiederholten Austrock-

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A LT E R AT I O N S PRO D U K T E |Alterationsprodukte sind Minerale, diedurch eine chemische Veränderung(Alteration) aus einem Ausgangsgesteinhervorgehen. Auf dem Mars wurdenvon Spektrometern jüngst zwei ver-schiedene Gruppen identifiziert.

Erstens Sulfate. Sie bestehen aus[SO4]-Tetraedern, sind Salze der Schwe-felsäure und stellen für viele metalli-sche Elemente die wichtigsten minerali-schen Verbindungen dar. Ein bekanntesBeispiele ist Gips (CaSO4 · 2 H2O).Besonders interessant sind Magnesium-sulfate (MgSO4 · nH2O). Sie sind für dieEntschlüsselung des Marsklimas be-sonders interessant, da sie bei wech-

selnder Temperatur und atmosphäri-scher Feuchtigkeit in andere Magnesi-umsulfate mit unterschiedlichemWassergehalt übergehen können [15].

Zweitens Tonminerale. Sie gehörenzu den Phyllo- oder Schichtsilikaten, indenen die für Silikate charakteristischen[SiO4]-Tetraeder in Schichten angeord-net sind. Tone können sehr leichtWassermoleküle in ihre Struktur ein-lagern. Smektite sind eine Untergruppeder Tonminerale, die OMEGA nach-gewiesen hat. Sie entstehen häufig beider Verwitterung basischer vulkani-scher Gesteine wie etwa Basalt in leichtalkalischer Umgebung.

Abb. 8 Gesteinsformationen Escher (oben) und Razorback(unten) im Endurance-Krater: a) polygonale Risse auf Escher;b) wenige Zentimeter hohe zackige Platten, die aus derflachen Gesteinsoberfläche im Endurance-Krater herausra-gen. Sie entstanden vermutlich, als Flüssigkeit durch Risse insGestein eindrang und an ihren Rändern Minerale ausfällte,die härter und weniger verwitterungsanfällig sind als ihreUmgebung (Fotos: NASA/JPL/Cornell University).

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nung der abgelagerten Sulfate als Folge des Volumen-verlustes.

Entdeckungen aus der UmlaufbahnNahezu zeitgleich mit den beiden Rovern der NASA er-reichte auch die europäische Sonde Mars Express den Mars.Sie schwenkte in eine Umlaufbahn ein und begann den Be-trieb der wissenschaftlichen Instrumente im Januar 2004.Die HRSC tastet die Oberfläche im sichtbaren Wellenlän-genbereich ab und nimmt hochaufgelöste, farbige Stereo-bilder auf. Das französische Spektrometer OMEGA (Obser-vatoire pour la Minéralogie, l’Eau, les Glaces, et l’Activité)

analysiert im sichtbaren und im nahen Infrarotbereich dieOberfläche in bis zu 352 einzelnen Farbkanälen. Für jedender aufgenommenen Bildpunkte, deren Größe zwischen400 Metern und einigen Kilometern schwankt, kann so eindetailliertes Spektrum erzeugt und mit den Spektren be-kannter Minerale verglichen werden.

OMEGA musste nicht lange suchen, ehe es Hinweiseauf Minerale fand, die unter Einwirkung von Wasser ent-standen sein mussten. Die größten Sulfatvorkommen fandOMEGA vollkommen überraschend in der Region OlympiaPlanitia nahe des Nordpols, deren Oberfläche morpholo-gisch von relativ jungen Dünen geprägt ist. Es ist vollkom-

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Abb. 9 DieOberflächen derFlanken diesesBerges im Schluch-tensystem derValles Marineriszeigen in denDaten des OMEGA-Spektrometers dieSignatur vonwasserhaltigenSulfaten. DieperspektivischeFalschfarbendar-stellung wurde amDLR aus Stereobil-dern der HRSC-Kamera berech-net. Das Bild istetwa 70 km breit(Foto: DLR).

Abb. 10 Perspek-tivisches Falsch-farbenbild derHRSC-Kamera desalten TrockentalsMawrth Vallis.Der helle, rötlicheBereich von etwa20 km Durchmes-ser in der Bildmit-te ist mit Smekti-ten korreliert, dieOMEGA identifi-zierte. Smektitesind eine GruppeeisenhaltigerTonminerale, diebei der Verwitte-rung basaltischerGesteine inAnwesenheit vonWasser entstehen(Foto: DLR).

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men unklar, auf welche Weise sich diese Sulfate dort bildenkonnten. An anderen Stellen entsprach die Entdeckung vonSulfaten eher den Erwartungen.

Schon lange war bekannt,dass sich innerhalb der VallesMarineris,eines fast 4000 Kilometer langen Canyon-Systemsin der Äquatorgegend, rätselhafte geschichtete Ablagerun-gen befinden. Hatten sich hier Sedimente in ehemaligenSeen abgelagert, oder handelt es sich um Ascheschichten,die sich in Folge von Vulkaneruptionen ablagerten? In bei-den Fällen konnte man damit rechnen, auf Spuren von Was-ser zu treffen,denn Wasserdampf ist eines der häufigsten Ga-se, die bei vulkanischen Eruptionen in die Atmosphäre ge-langen.

Die Spektren von OMEGA zeigten erstmals Anzeichenfür Sulfate auf den Oberflächen einiger geschichteter Abla-gerungen [10]. Oft finden sich in unmittelbarer Nähe derSulfate auch Oxide, eine andere Familie von Alterations-produkten. Die Sulfate finden sich durchweg an Stellen,dieauf den Bildern der HRSC-Kamera hell erscheinen (Abbil-dung 9). Es konnten verschiedene Arten von Sulfaten iden-tifiziert werden. Die bekannteste dürfte Gips (CaSO4 · 2 H2O)sein. Aber auch das auf der Erde seltene MagnesiumsulfatKieserit (MgSO4 · H2O) und mehrfach hydrierte Sulfate sinddeutliche Hinweise auf Alterationsprozesse in Anwesenheitvon Wasser.

Im Valles Marineris könnte die Verdunstung von Was-ser,das sich in den Schluchten gesammelt hatte, zur Bildungvon Evaporiten (Verdunstungsgesteinen) geführt haben.Diese Gruppe von Sedimenten, zu denen auch das be-kannte Steinsalz (NaCl) gehört, entsteht durch die Ausfäl-lung von Mineralen aus einer wässrigen Lösung, wenn dieKonzentration der Ionen die Lösungssättigung überschrei-tet. Dies kann passieren, wenn Wasser in einem abflusslo-sen See verdunstet und ein Salzsee zurück bleibt. Alterna-tiv könnte der in den Sulfaten enthaltene Schwefel bei Vul-kanausbrüchen in die Atmosphäre gelangt sein und sich mitdem ebenfalls vulkanischen Wasser in Sulfate umgewan-delt haben.

Auch in Meridiani Planum fand OMEGA in Überein-stimmung mit Opportunity Sulfate. Nördlich und östlichder Landestelle des Rovers ist Kieserit weit verbreitet [11].Die Existenz von Sulfaten mehrere hundert Kilometer vonder Landestelle entfernt auf einer morphologisch sehr ähn-lichen Oberfläche weist auf die weit verbreitete Einwirkungvon Wasser hin.

Mindestens ebenso wichtig wie der Nachweis von Sul-faten war die Entdeckung von Tonmineralien und derenUntergruppen [12]. So fand man zum Beispiel eisenreicheSmektite (beispielsweise Nontronit:Na0,3Fe2

3+(Si,Al)4O10(OH)2

· 4H2O). Sie gehen in einem lange andauernden Verwitte-rungsprozess aus basaltischem Ausgangsmaterial im Kon-takt mit flüssigem Wasser hervor. Eine andere von OMEGAentdeckte wichtige Spezies sind Montmorillonite,die einenhohen Aluminiumanteil besitzen und entweder bei einernoch intensiveren Verwitterung entstehen oder Folge derAlteration von silikatischeren Magmatiten sind. Diese ent-

halten mehr Aluminium-Minerale wie den Feldspat Ortho-klas.

Interessanterweise wurden Tonminerale bisher nur inextrem alten Gebieten beobachtet,die vor mehr als 3,8 oder4 Milliarden Jahren entstanden sind. Die größten Vorkom-men finden sich in der Umgebung des großen TalsystemsMawrth Vallis (Abbildung 10). Die geologischen Beobach-tungen lassen jedoch keinen unmittelbaren Bezug der Ton-minerale zur Talbildung erkennen, die durch die erodie-rende Wirkung von Wasser erfolgte. Möglicherweise ent-standen die Minerale schon viel früher und wurden durchdie Erosion des Tals lediglich freigelegt.

KlimaentwicklungDie Entstehung der Tonminerale erfordert einen sehr langeandauernden Kontakt des Ausgangsgesteins mit flüssigemWasser. Wenn die Tonminerale an der Oberfläche gebildet

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Abb. 11 Am 26. September 2006 erreichte Opportunity den Victoria-Krater. Derobere Teil der Abbildung ist eine Aufnahme der HiRISE-Kamera an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter, die am 3. Oktober 2006 aus einer Höhe vonetwa 270 km entstand. Sie hat eine sensationelle Auflösung von 27 cm pro Bild-punkt und zeigt den Rover am Rand des Kraters. Unten: Die Klippe Cape Verde ineiner Aufnahme des Rovers. Die Kombination zeigt eindrücklich, wie moderneLandemissionen und Fernerkundungsinstrumente zusammenarbeiten können(Foto: NASA).

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wurden, setzt dies ein wärmeres und feuchteres Klima alsheute voraus. Entstanden sie dagegen im Untergrund, etwadurch hydrothermale Prozesse, könnte das Klima zur Zeitihrer Bildung durchaus auch kalt und trocken gewesen sein.

Sulfate haben sowohl der Rover Opportunity im mik-roskopischen Maßstab als auch OMEGA in sehr viel größe-rem Maßstab aus der Umlaufbahn beobachtet. Sie befindensich in geologisch jüngeren Regionen, ihre Bildung fandwahrscheinlich unter anderen Umweltbedingungen statt.Im Gegensatz zu den Tonmineralen entstanden zumindesteinige Sulfate in einer sehr sauren Umgebung, in der Ton-minerale unmöglich entstehen konnten. Zudem könnensich Sulfate in viel kürzeren Zeiträumen bilden. Da ihre Aus-fällung das Verdunsten von Wasser erfordert, mussten siezwar prinzipiell an der Oberfläche entstehen, aber das Kli-ma müsste dabei nicht notwendigerweise so warm undfeucht gewesen sein wie bei einer oberflächlichen Entste-hung der Tonminerale.

Die Resultate von Opportunity und OMEGA zeigen,dassMeridiani Planum einst ein saures Grundwassersystem be-saß und von ariden und oxidierenden Bedingungen geprägtwar, wobei es aber immer wieder zu oberflächlichem Was-serabfluss kam [13]. Nachdem die Sulfate entstanden sind,könnte der endgültige Wechsel zu den heutigen, insgesamtsehr trockenen und kalten Bedingungen erfolgt sein [14].

Allerdings muss dieses Szenario mit großer Vorsicht be-urteilt werden. Bislang fanden sich Alterationsprodukte le-diglich an sehr wenigen Stellen. Die Staubschicht auf demMars, die global immer wieder durch Staubstürme umver-teilt wird, verhüllt den Blick der Fernerkundungsinstru-mente in den meisten Regionen auf die darunter liegendenGesteine. Es ist sehr wahrscheinlich, dass noch an anderenStellen mineralogische und chemische Hinweise auf Wassergefunden werden. Solange kein umfassenderes Bild von derglobalen Verteilung wasserhaltiger Minerale besteht und ihrabsolutes und relatives Alter in vielen Fällen unklar ist, isteine abschließende Beurteilung nicht möglich.

AusblickDie beiden Rover und auch Mars Express werden, sofernnicht Instrumente versagen, weiter unseren Nachbarplane-ten untersuchen. Im Frühjahr 2006 schwenkte der Mars Re-connaissance Orbiter der NASA in eine Umlaufbahn ein. Erliefert Aufnahmen ausgewählter Gebiete mit einer Auflö-sung bis herunter zu 30 cm (Abbildung 11). Und die Spek-tralkamera CRISM wird die Oberfläche in Hunderten ver-schiedener Wellenlängen in einer Bodenauflösung von 20 mpro Bildpunkt aufnehmen. Die nächsten Fahrzeuge, MarsScience Laboratory (NASA) und ExoMars (ESA), sind bereitsin der Planungsphase, weitere Missionen werden folgen.

Zusammenfassung Der NASA-Rover Opportunity fand in Meridiani Planum mor-phologische, chemische und mineralogische Hinweise aufehemaliges Wasser an der Oberfläche. Die Analysen weisenauf ein insgesamt trockenes Klima hin, in dem episodisch sal-ziges Wasser in einer sauren und oxidierenden Umgebung vor-handen war. Die besten derzeitigen Analogien auf der Erdesind möglicherweise saure Salzseen in Südwestaustralien, diedurch kurzzeitige Überflutung, Verdunstung und nachfol-gende Austrocknung entstehen. Die Ergebnisse der ESA-Mis-sion Mars Express unterstützen die Ergebnisse von Opportu-nity durch den Nachweis von Tonmineralen und Sulfaten, de-ren Bildung ebenfalls Wasser erfordert. Das Klima auf demMars scheint nach einem relativ feuchten Beginn vor etwa3,8 Milliarden Jahren zunehmend trockener geworden zu sein.

StichworteMars, Marsklima, Wasser, Opportunity, Spirit, Mars Express,Hämatit, Jarosit, Blueberries.

Literatur[1] E. Hauber, Phys. Unserer Zeit 22000033, 34 (6), 256.[2] E. Hauber et al., Nature 22000055, 434, 356.[3] S. Squyres et al., Science 22000044, 306, 1698.[4] R. Rieder et al., Science 22000044, 306, 1746.[5] G. Klingelhöfer et al., Science 22000044, 306, 1740.[6] R. Burns, J. Geophys. Res. 11998877, 92, E570.[7] J. Grotzinger et al., Earth Planet. Sci. Lett. 22000055, 240, 11.[8] G. Chavdarian und D. Sumner, Geology 22000066, 34, 229.[9] S. Squyres und A. Knoll, Earth Planet. Sci. Lett. 22000055, 240, 1.

[10] A. Gendrin et al., Science 22000055, 307, 1587.[11] R. Arvidson et al., Science 22000055, 307, 1591.[12] F. Poulet et al., Nature 22000055, 438, 623.[13] S. Squyres et al., Science 22000066, 313, 1403.[14] J.-P. Bibring et al., Science 22000066, 312, 400.[15] D. Vaniman et al., Nature 22000044, 431, 663.

Der Autor Ernst Hauber ist Geologe und arbeitet am Institutfür Planetenforschung des DLR in Berlin. Er istverantwortlich für die Aufnahmeplanung von HRSCund ist an der Auswertung der Daten von MarsExpress beteiligt.

AnschriftErnst Hauber, Deutsches Zentrum für Luft- undRaumfahrt, Institut für Planetenforschung,Rutherfordstraße 2, 12489 [email protected]

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