was wir alleine nicht schaffen - plastverarbeiter.de · 2014-09-10 · p2m-c natur hergestellt....

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PRODUKTENTWICKLUNG WAS WIR ALLEINE NICHT SCHAFFEN FERTIGUNG VON PROTOTYPEN UND GROSSSERIEN IM VERBUND Seit die Entwicklungsfirma Protoform ein Netzwerk an Verbund-Firmen aufgebaut hat, reicht die Leistungs-Palette vom Erstmuster, über Unikate, Prototypen- und Kleinserien bis zum Formwerkzeug und die Großserie. In diesem Netz wird alles produziert, was an Stückzahlen gebraucht wird: Für jeden Auftrag gibt es den richtigen Partner. M it dem speziellen Space Puzzle Molding-Verfahren für die Pro- totypen- und Kleinserienfer- tigung (SPM-Verfahren) produziert der spezialisierte Spritzgießbetrieb Protoform mit eigenem Aluminium-Formwerk- zeugbau Prototypen- und Kleinserien- produkte für Kunststoffteile. Mit rund 100 Beschäftigten fertigt das Unterneh- men in Fürth einbaufähige Bauteile in Serienmaterial und Serienqualität – bis- her allerdings nur in Kleinauflagen bis zu maximal 5 000 Teilen – heute sind auch Großserien möglich. Ursache war die zunehmende Nach- frage nach peripheren Dienstleistungen bei dem Spritzgießbetrieb, die der Kern- kompetenz bei der Prototypen- und Kleinserien Produktion vor- oder nach- gelagert sind. Dazu gehören beispielswei- se Erstmuster – hergestellt nach dem Ste- reolithografie-Verfahren – oder die pro- visorische Produktion von Urmodellen per Laser-Sintern. Vor allem aber war häufig die reibungslose Fortsetzung der Prototypen- und Vorserien-Produktion in Serie gefragt mit der Übertragung der bei Entwicklung, Prototypen- und Klein- serienproduktion gewonnenen Daten, Produktionsparameter und Erfahrungen. Netzwerk-Strategie sorgt für mehr Kompetenz Peter Hofmann, Geschäftsführer von Protoform, wollte trotzdem seine Kern- kompetenz der schnellen Formen-Fer- tigung nach dem SPM-Verfahren und der Prototypen- und Kleinserienproduktion in der eigenen Spritzgieß-Produktion nicht aufgeben. Deswegen hat er sich für eine Netzwerk-Strategie entschieden und sich mit seinem Marketingleiter Wolfgang Tykvart systematisch an den Aufbau und die Umsetzung einer Idee zu einem verknüpften Firmenverbund als Kompetenz-Netzwerk gemacht. Vor al- lem die wichtige Verlängerung der Pro- totypen- und Vorserienproduktion bis in die Großserie hinein wurde dabei ins Au- ge gefasst. Heute sind fast ein Dutzend Fachfir- men als Partner in das Verbund-Netz- werk eingegliedert. Für die Fertigung kleinerer und mittlerer Größen von Spritzgießformwerkzeugen sind der Au- er-Form Formenbau in Fürth und Gass- mann Kunststofftechnik aus dem fränki- schen Obermichelbach Netzwerkpartner. Wenn größere Spritzgießformwerkzeuge bis zu 20 Tonnen Gewicht erforderlich werden, sieht das Netzwerk die Auftrags- Fortführung durch die Firma Bierlein & Schwarz in Kalchreuth bei Nürnberg vor. Für die Serienproduktion von Kunst- stoffteilen, je nach Teile-Gewicht und Größe, stehen heute als Serien-Pro- duzenten gleich drei Firmen im Netzwerk parat, die über entsprechende Kapazitä- ten in der Kunststoff-Spritzgießverarbei- tung verfügen: HBW-Gubesch in Emskir- chen und Wilhelmdorf, Kunststofftech- nik Jantsch in Nürnberg und die Gass- mann Kunststofftechnik sind hier die ge- eigneten Partner. Autor Wolfgang G. Trapp, freier Fachjournalist, München, [email protected] Bei dem Netzwerk-Produkt ‚Display-Gehäuse für Computerwaage von Bizerba’ erfolgte die Konstruktions-Optimierung und Kleinserienprodukti- on der Gehäuseteile durch Protoform, die metallische Innenbeschichtung zur EMV-Abschirmung übernahm ein Netzwerkpartner aus Schwäbisch Gmünd. 60 Plastverarbeiter · Januar 2007

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PRODUKTENTWICKLUNG

WAS WIR ALLEINE NICHT SCHAFFEN FERTIGUNG VON PROTOTYPEN UND GROSSSERIEN IM VERBUND Seit die Entwicklungsfirma Protoform ein Netzwerk an Verbund-Firmen aufgebaut hat, reicht die Leistungs-Palette vom Erstmuster, über Unikate, Prototypen- und Kleinserien bis zum Formwerkzeug und die Großserie. In diesem Netz wird alles produziert, was an Stückzahlen gebraucht wird: Für jeden Auftrag gibt es den richtigen Partner.

M it dem speziellen Space Puzzle Molding-Verfahren für die Pro-totypen- und Kleinserienfer-

tigung (SPM-Verfahren) produziert der spezialisierte Spritzgießbetrieb Protoform mit eigenem Aluminium-Formwerk-zeugbau Prototypen- und Kleinserien-produkte für Kunststoffteile. Mit rund 100 Beschäftigten fertigt das Unterneh-men in Fürth einbaufähige Bauteile in Serienmaterial und Serienqualität – bis-her allerdings nur in Kleinauflagen bis zu maximal 5 000 Teilen – heute sind auch Großserien möglich.

Ursache war die zunehmende Nach-frage nach peripheren Dienstleistungen bei dem Spritzgießbetrieb, die der Kern-kompetenz bei der Prototypen- und Kleinserien Produktion vor- oder nach-gelagert sind. Dazu gehören beispielswei-

se Erstmuster – hergestellt nach dem Ste-reolithografie-Verfahren – oder die pro-visorische Produktion von Urmodellen per Laser-Sintern. Vor allem aber war häufig die reibungslose Fortsetzung der Prototypen- und Vorserien-Produktion in Serie gefragt mit der Übertragung der bei Entwicklung, Prototypen- und Klein-serienproduktion gewonnenen Daten, Produktionsparameter und Erfahrungen.

Netzwerk-Strategie sorgt für mehr Kompetenz Peter Hofmann, Geschäftsführer von Protoform, wollte trotzdem seine Kern-kompetenz der schnellen Formen-Fer-tigung nach dem SPM-Verfahren und der Prototypen- und Kleinserienproduktion in der eigenen Spritzgieß-Produktion nicht aufgeben. Deswegen hat er sich für eine Netzwerk-Strategie entschieden und sich mit seinem Marketingleiter Wolfgang Tykvart systematisch an den Aufbau und die Umsetzung einer Idee zu einem verknüpften Firmenverbund als Kompetenz-Netzwerk gemacht. Vor al-lem die wichtige Verlängerung der Pro-

totypen- und Vorserienproduktion bis in die Großserie hinein wurde dabei ins Au-ge gefasst.

Heute sind fast ein Dutzend Fachfir-men als Partner in das Verbund-Netz-werk eingegliedert. Für die Fertigung kleinerer und mittlerer Größen von Spritzgießformwerkzeugen sind der Au-er-Form Formenbau in Fürth und Gass-mann Kunststofftechnik aus dem fränki-schen Obermichelbach Netzwerkpartner. Wenn größere Spritzgießformwerkzeuge bis zu 20 Tonnen Gewicht erforderlich werden, sieht das Netzwerk die Auftrags-Fortführung durch die Firma Bierlein & Schwarz in Kalchreuth bei Nürnberg vor. Für die Serienproduktion von Kunst-stoffteilen, je nach Teile-Gewicht und Größe, stehen heute als Serien-Pro-duzenten gleich drei Firmen im Netzwerk parat, die über entsprechende Kapazitä-ten in der Kunststoff-Spritzgießverarbei-tung verfügen: HBW-Gubesch in Emskir-chen und Wilhelmdorf, Kunststofftech-nik Jantsch in Nürnberg und die Gass-mann Kunststofftechnik sind hier die ge-eigneten Partner.

Autor Wolfgang G. Trapp, freier Fachjournalist, München, [email protected]

Bei dem Netzwerk-Produkt ‚Display-Gehäuse für Computerwaage von Bizerba’ erfolgte die Konstruktions-Optimierung und Kleinserienprodukti-on der Gehäuseteile durch Protoform, die metallische Innenbeschichtung zur EMV-Abschirmung übernahm ein Netzwerkpartner aus Schwäbisch Gmünd.

60 Plastverarbeiter · Januar 2007

ERHÖHTE MARKTCHANCEN Dichtes Netz – aber keine feste Bindung Die Anbindungen an den zentralen Netz-werk-Knoten Protoform für alle Partnerfir-men im Netzwerk ist unbürokratisch und stützt sich hauptsächlich auf Absprachen ohne schriftliche Bindung. Sie erfolgt ohne vertragliche Festlegung auf Vertrauens-basis und Gegenseitigkeit. Es besteht zwar in jedem Fall eine feste Geschäftsverbin-dung und Präferenzen bei der Weitergabe von Teilaufgaben und Anschluss-Aufträgen, aber ohne jede festgeschriebene, starre Ver-tragsbasis und bindende Verpflichtung. Die Auftraggeber von Protoform sind darüber informiert, dass die gewünschte Zusatz-Leistung an einen Vertrauenspartner im Netzwerk weitergegeben wird, oder dieser Partner wird für eine weitergehende direkte Auftragsvergabe empfohlen und mit allen relevanten Informationen dafür versorgt.

Gemeinsam stärker Inzwischen gibt es einige interessante Beispiele für die erfolgreiche Produktion im Kompetenz-Netzwerk. Zu den erfolg-reich abgewickelten Projekten gehört beispielsweise der verchromte Zierrah-men für die Premium-Marke von Volks-wagen, den VW Phaeton. Dafür wurde auch die Fax- und Printerabdeckung in der Mittelkonsole aus ABS Novodur P2M-C natur hergestellt. Für das gleiche Fahrzeug beflockte eine Partnerfirma des Netzwerkes auch die Verkleidung für das Kühlschrank-Steuergerät aus schwar-zem PC + ABS Bayblend T65 901510 schwarz (Polycarbonat + Acrylnitril-Bu-tadien-Styrol Copolymerisat).

Aus dem Bereich der Medizintechnik und der Wissenschaft ist eine 7-teilige Gehäuse-Abdeckung für den Resonanz-

Scanner an einem Tandem-Mikroskop von Leica aus PC + ABS Bayblend KU-2 1514 im Netzwerk entstanden – genau so wie ein Gehäuse für das Touchscreen-Display einer Computer-Waage von Bi-zerba aus PC + ABS Cycoloy C 2800 96130. Beides wurde von einem der Netzwerkpartner mit einer abschirmen-den Innenbeschichtung (EMV) aus Me-tall überzogen.

Partnerschaft mit Hindernissen Den Aufbau eines Netzwerkes leistungs-fähiger Verbund-Firmen als feste Kno-tenpunkte im Netz durch Peter Hofmann und Wolfgang Tykvart brachte in den meisten Fällen Erfolg, gelegentlich aber auch Rückschläge und Enttäuschung. Nicht alle Besichtigungen bei potenziel-len Netzwerk-Partnern verliefen positiv. Unter anderem wurde auch der östliche EU-Nachbar Polen ins Auge gefasst, wo sich ein Betrieb im Bereich Spritzgießen für eine Netzwerkpartnerschaft anbot. Vor allem deshalb, weil die manuell ori-entierte Prototypen-Produktion in Klein-serien bei günstigen Lohnkosten in Polen weniger kostenaufwändig ist. Eine Be-triebsbegehung vor Ort, eigentlich eine

kleine ‚Auditierung’ beim potenziellen polnischen Partner Ferroplast ergab je-doch, dass eine erwünschte Netzwerk-Partnerschaft im Bereich Spritzgießen und der Kleinserien-Produktion dort we-gen Defiziten bei der Qualität noch nicht möglich war.

Für das Spritzgießunternehmen und seine technische Führung war das Knüp-fen des Netzwerkes eine langwierige Auf-gabe, die sich über die letzten zwei Jahre hingezogen hat – und immer noch nicht ganz abgeschlossen ist. Noch sind die Ma-schen des Netzes nicht vollständig ge-knüpft und immer noch werden Partner für bestimmte Bereiche gesucht, die das Netzwerk ergänzen und komplettieren könnten.

Aber die Netzwerk-Strategie bringt al-len Beteiligten, vor allem dem Auftragge-ber, Synergie-Effekte. Koordinationsauf-wand und Redundanzen, Überschnei-dungen und Doppelarbeit bleiben erspart. Für den Netzbetreiber ist es ein reziprokes Geschäft, denn die Partnerschaften und Geschäftsverbindungen verlaufen im Ge-gengeschäft, so dass auch der zentrale Netzwerk-Partner von der Partnerschaft im Netzwerk durchaus profitiert.

Einbaufertige Verkleidungsteile des VW Phaeton sind eine erste Ge-meinschaftsarbeit des Netzwerkes: Stereolithografie-Urmodell, Vaku-um-Gießteile, Beflockung waren Aufgabe der Partner, Kleinserienpro-duktion von Protoform.

Das SPM-Verfahren liefert einsatzfähige und einbaufertige Prototy-pen- und Kleinserien in Auflagen bis zu 5 000. Bei größerem Bedarf wird auf Formwerkzeugbau-Partner im Netzwerk zurückgegriffen.

SPM-Formwerkzeuge stehen nach kurzer Zeit zur Verfügung und werden zur Produktion in normalen Spitzgieß-maschinen eingesetzt. Üblicherweise wird nach jedem Spritzgieß-vorgang manuell ent-formt.

Plastverarbeiter · Januar 2007 61