was steckt hinter dem vergrößerten lymphknoten?

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53 MMW-Fortschr. Med. Nr. 1 / 2013 (155. Jg.) _ Bei einem vergrößerten Lymphknoten handelt es sich immer um ein unspezi- fisches Symptom. Es kann das einzige Symptom einer Erkrankung, das diagno- seweisende Hauptsymptom oder ledig- lich ein Nebensymptom darstellen. Bei der Abklärung kommt der Inspektion und Palpation eine große Bedeutung zu. Nicht jeder vergrößerte Lymphknoten muss exstirpiert und histologisch unter- sucht werden. Entscheidend ist, ob es sich um eine entzündliche oder eine tumoröse Lymph- knotenvergrößerung handelt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte es bei unklaren Befunden vertretbar sein, zunächst den spontanen Verlauf zu beobachten. Eine rasche Rückbildung der Lymphknoten- schwellung spricht gegen eine maligne Erkrankung, sodass sich dann weitere diagnostische Maßnahmen erübrigen. Umfassende Anamnese: das A und O Gerade bei Lymphknotenschwellungen ist eine ausführliche Anamneseerhe- bung unverzichtbar, weil nicht selten be- Verängstigte Patienten, die selbst eine „Drüsenschwellung“ an einer Stelle ihres Körpers bemerkt haben, sind in der Hausarztpraxis nicht selten. Auch wenn es sich in den allermeisten Fällen um einen harm- losen Befund handelt, müssen im Einzelfall doch entsprechende differenzialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, um eine ernsthafte Erkrankung nicht zu übersehen. Infektion oder Malignom? Was steckt hinter dem vergrößerten Lymphknoten? reits diagnoseweisend. Folgende Ge- sichtspunkte müssen berücksichtigt werden: Dauer der Lymphknotenschwellung Begleitsymptome soziale Anamnese Medikamentenanamnese Wichtig ist die Frage nach Reisen, Se- xualkontakten und Haustieren. Hat sich die Lymphknotenschwellung in den letzten zwei Wochen akut entwickelt, spricht dies eher für eine infektiöse Er- krankung. Gelegentlich kann sich aber auch eine akute Leukämie in dieser Form manifestieren. Eine langsam fort- schreitende Lymphknotenvergrößerung ist typisch für Lymphome oder Metasta- sen solider Tumoren, findet sich aber auch bei der Sarkoidose, Tuberkulose, Toxoplasmose und Aktinomykose. Gibt der Patient an, dass die Lymph- knotenvergrößerungen bereits seit einem Jahr oder länger bestehen, ohne dass eine eindeutige Größenzunahme eingetreten ist, so spricht dies für einen unspezi- fischen entzündlichen Prozess. Im Ein- zelfall muss jedoch auch in solchen Fällen eine chronisch-lymphatische Leukämie, ein anderes niedrig-malignes Non-Hodg- kin-Lymphom oder ein Morbus Hodgkin diskutiert werden (siehe dazu Tabelle 1). Auf Begleitsymptome achten Die häufigsten Begleitsymptome bei Lymphknotenvergrößerung sind: Fieber, Arthralgien/Myalgien, Juckreiz, Gewichtsabnahme und Nachtschweiß Viele Patienten mit Lymphknoten- vergrößerung geben gleichzeitig Fieber an. Dabei kann der Fiebertyp bereits auf die vorliegende Erkrankung hinweisen. Dr. med. Peter Stiefelhagen Chefarzt der Inneren Abteilung, DRK-Klinikum Westerwald Krankenhaus Hachenburg, Hachenburg CME DER MMW In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer Teilnahme unter www.springermedizin.de/ kurse-mmw ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG– FOLGE 358 Vergrößerte Lymphknoten getastet: Wie geht es jetzt weiter? © ISO K°-photography / Fotolia

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Page 1: Was steckt hinter dem vergrößerten Lymphknoten?

53MMW-Fortschr. Med. Nr. 1 / 2013 (155. Jg.)

_ Bei einem vergrößerten Lymphknoten handelt es sich immer um ein unspezi-fisches Symptom. Es kann das einzige Symptom einer Erkrankung, das diagno-seweisende Hauptsymptom oder ledig-lich ein Nebensymptom darstellen. Bei der Abklärung kommt der Inspektion und Palpation eine große Bedeutung zu. Nicht jeder vergrößerte Lymphknoten muss exstirpiert und histologisch unter-sucht werden.

Entscheidend ist, ob es sich um eine entzündliche oder eine tumoröse Lymph-knotenvergrößerung handelt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte es bei unklaren Befunden vertretbar sein, zunächst den spontanen Verlauf zu beobachten. Eine rasche Rückbildung der Lymphknoten-schwellung spricht gegen eine maligne Erkrankung, sodass sich dann weitere diagnostische Maßnahmen erübrigen.

Umfassende Anamnese: das A und OGerade bei Lymphknotenschwellungen ist eine ausführliche Anamneseerhe-bung unverzichtbar, weil nicht selten be-

Verängstigte Patienten, die selbst eine „Drüsenschwellung“ an einer Stelle ihres Körpers bemerkt haben, sind in der Hausarztpraxis nicht selten. Auch wenn es sich in den allermeisten Fällen um einen harm-losen Befund handelt, müssen im Einzelfall doch entsprechende differenzialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, um eine ernsthafte Erkrankung nicht zu übersehen.

Infektion oder Malignom?

Was steckt hinter dem vergrößerten Lymphknoten?

reits diagnoseweisend. Folgende Ge-sichtspunkte müssen berücksichtigt werden:■ Dauer der Lymphknotenschwellung■ Begleitsymptome■ soziale Anamnese■ Medikamentenanamnese

Wichtig ist die Frage nach Reisen, Se-xualkontakten und Haustieren. Hat sich

die Lymphknotenschwellung in den letzten zwei Wochen akut entwickelt, spricht dies eher für eine infektiöse Er-krankung. Gelegentlich kann sich aber auch eine akute Leukämie in dieser Form manifestieren. Eine langsam fort-schreitende Lymphknotenvergrößerung ist typisch für Lymphome oder Metasta-sen solider Tumoren, findet sich aber auch bei der Sarkoidose, Tuberkulose, Toxoplasmose und Aktinomykose.

Gibt der Patient an, dass die Lymph-knotenvergrößerungen bereits seit einem Jahr oder länger bestehen, ohne dass eine eindeutige Größenzunahme eingetreten ist, so spricht dies für einen unspezi-fischen entzündlichen Prozess. Im Ein-zelfall muss jedoch auch in solchen Fällen eine chronisch-lymphatische Leukämie, ein anderes niedrig-malignes Non-Hodg-kin-Lymphom oder ein Morbus Hodgkin diskutiert werden (siehe dazu Tabelle 1).

Auf Begleitsymptome achtenDie häufigsten Begleitsymptome bei Lymphknotenvergrößerung sind:■ Fieber,■ Arthralgien/Myalgien,■ Juckreiz,■ Gewichtsabnahme und■ Nachtschweiß

Viele Patienten mit Lymphknoten-vergrößerung geben gleichzeitig Fieber an. Dabei kann der Fiebertyp bereits auf die vorliegende Erkrankung hinweisen.

Dr. med. Peter StiefelhagenChefarzt der Inneren Abteilung, DRK-Klinikum WesterwaldKrankenhaus Hachenburg, Hachenburg

CME DER MMW

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer

Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG– FOLGE 358

Vergrößerte Lymphknoten getastet: Wie geht es jetzt weiter?

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FORTBILDUNG–ÜBERSICHT

So spricht ein undulierendes Fieber für einen Morbus Hodgkin. Es ist charakteri-siert durch einen langsamen Anstieg bzw. Abfall des Fiebers zu Normaltempera-turen im Verlauf von Tagen, d.h. drei- bis zehntägige Fieberepisoden wechseln mit ähnlich langen fieberfreien Phasen.

Die Kombination aus Fieber, Nacht-schweiß und Gewichtsabnahme ist ty-pisch für ein malignes Lymphom. Aber auch eine Tuberkulose kann mit einer ähnlichen Symptomkonstellation ein-hergehen.

Grundsätzlich kann Fieber ein Be-gleitsymptom bei jedem malignen Tu-mor sein. Die häufigste Fieberursache sind jedoch virale oder bakterielle Infek-tionen, die entsprechend der Lokalisati-on ebenfalls Lymphknotenschwellungen hervorrufen können. Klagt ein Patient über Arthralgien und Myalgien, sollte zunächst an eine virale Infek tion, ggf. auch an eine Kollagenose gedacht wer-den. Dagegen sprechen Juckreiz oder Schmerzhaftigkeit der Lymphknoten nach Alkoholgenuss für einen Morbus Hodgkin.

Immer einen Ganzkörperstatus erhebenGrundsätzlich sollte bei jedem Patienten mit einer Lymphknotenschwellung ein Ganzkörperstatus erhoben werden. Da-bei müssen Größe, Konsistenz, Schmerz-haftigkeit und Ausbreitung der Lymph-knotenschwellungen erfasst werden. Be-sonderes Augenmerk sollte auf die Milz gerichtet werden, um eine Spleno megalie nicht zu übersehen. Auch sollte bei der körperlichen Untersuchung auf kleinste Verletzungen geachtet werden, da z. B. interdigitale Einrisse an den Füßen durch eine Mykose auch die Ursache vergrö-ßerter Leistenlymphknoten sein können.

Bei einer unspezifischen Entzündung liegt der Durchmesser des vergrößerten Lymphknotens meist unter 1 cm. Bei solchen Patienten ist eine abwartende Haltung durchaus gerechtfertigt.

Bei einer infektiösen Erkrankung sind die vergrößerten Lymphknoten meist weich, druckempfindlich und schmerz-haft. Die getasteten Lymphknoten lassen sich gut von der Umgebung abgrenzen. Dagegen sprechen derbe schmerzlose

Lymphknotenvergrößerungen für mali-gne Tumoren. Ein ähnliches Bild findet sich aber auch bei Autoimmunerkran-kungen, Sarkoidose, Tuberkulose, Spei-cherkrankheiten sowie einer HIV-be-dingten Lymphadenopathie.

Metastasen maligner Tumoren sind meist mit der Umgebung verbacken. Auch wenn eine schmerzhafte Lymph-knotenschwellung zunächst für ein ent-zündliches Geschehen spricht, kann durchaus auch eine Metastase schmerz-haft anschwellen, wenn es nämlich zu einer Einblutung gekommen ist. Dies führt meist zur schnellen Größenzunah-me des Lymphknotens. Bei Fistelbildungen sollte primär an eine Tuberkulose, eine Aktinomykose oder ein Lymphogranulo-ma venereum gedacht werden.

Das Ausbreitungsstadium erfassenDie Ausbreitung der Lymphknoten-schwellungen ist differenzialdiagnos-tisch von großer Bedeutung, auch wenn sie keine Differenzialdiagnose mit letz-ter Sicherheit beweist oder ausschließt. Eine lokalisierte Lymphknotenschwel-lung spricht zwar in erster Linie für eine unspezifische Entzündung, doch kann auch eine maligne Erkrankung oder ein Lymphom durchaus initial mit der Schwellung eines einzelnen Lymphkno-tens einhergehen. Umgekehrt kann eine generalisierte Lymphknotenschwellung durchaus auch infektiöser Genese sein wie z. B. bei einer Mononucleosis infec-tiosa oder einer HIV- Infektion.

Von besonderer differenzialdiagnos-tischer Aussagekraft ist die Lokalisation

der Lymphknotenschwellung. Lymph-knotenschwellungen im Halsbereich sind oft unspezifischer Genese, d. h. Ausdruck lokaler Verletzungen der Mundschleim-haut oder von Infektionen der Zähne bzw. der oberen Atemwege. Auch spezi-fische Infektionen wie die Toxoplasmose, Mononukleose und andere Erkran-kungen wie Sarkoidose oder maligne Lymphome manifestieren sich häufig im Bereich der Halslymphknoten.

Im Halsbereich ist alles möglichBei einem vergrößerten Halslymphkno-ten muss immer an ein Karzinom, aus-gehend von Lunge, Brust, Schilddrüse, Ösophagus, Pharynx oder Larynx ge-dacht werden. Bei Entzündungen des Auges sind häufig die vor dem Ohr loka-lisierten Lymphknoten geschwollen. Ty-pisch für Röteln sind Lymphknoten-schwellungen hinter dem Ohr, aber auch die nuchalen Lymphknoten sind in der Regel deutlich geschwollen und somit auch diagnoseweisend.

Okzipitale Lymphknotenvergröße-rungen kommen bei der Infektion der Kopfhaut wie auch bei malignen Sys-temerkrankungen im Sinne von Lym-phomen oder spezifischen Infektionen wie Toxoplasmose oder Tuberkulose vor. Auch bei supraklavikulären Lymphknotenver-größerungen müssen neben einer Tuber-kulose eine Toxoplasmose, Sarkoidose, ein Lymphom oder Metastasen diskutiert wer-den. So kann die linksseitige supraklavi-kuläre Lymphknotenvergrößerung die Metastase eines Magen-Karzinoms sein, was als Virchow-Drüse bezeichnet wird.

Tabelle 1

Mögliche Ursachen vergrößerter Lymphknoten_ Infektionen: Viren, Bakterien, Chlamydien, Protozoen, Rickettsien, Pilze, Würmer_ Malignome: Lymphome (Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome), Hä-moblastosen (akute und chronische Leukämien, myeloproli-ferative Erkrankungen), Metastasen_ Autoimmunerkran-

kungen:rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Dermato- und Polymyositis, Sharp-Syndrom_ Allergien: Serumkrankheit, Medikamentenallergien, Silikon_ Speicherkrank-

heiten: z. B. Morbus Gaucher

_ andere Ursachen: Sarkoidose, Kawasaki-Syndrom

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FORTBILDUNG–ÜBERSICHT

Lymphknotenvergrößerungen in der Axilla sind meist unspezifisch und durch Infektionen der Arme oder Hände her-vorgerufen. Dabei muss zunächst an ei-nen subkutanen Abszess oder eine Folli-kulitis gedacht werden. Auch maligne Lymphome, Lymphknotenmetastasen beim Mammakarzinom, seltener beim Bronchialkarzinom, können sich an die-ser Stelle manifestieren. Inguinale Lymphknotenvergrößerungen sind häu-fig unspezifisch, wobei im Einzelfall ebenfalls maligne Ursachen, ausgehend vom Rektum, der Genitalregion oder den unteren Extremitäten sowie maligne Lymphome ebenso diskutiert werden müssen wie Geschlechtskrankheiten.

Liegt eine Splenomegalie vor?Bei der differenzialdiagnostischen Abklä-rung eines vergrößerten Lymphknotens muss immer nach einer Splenomegalie gefahndet werden. Eine vergrößerte Milz ist ein Leitsymptom myeloproliferativer Erkrankungen, zu denen die chronisch myeloische Leukämie, die Polyzythämia vera, die essentielle Thrombozytämie und die Osteomyelofibrose zählen. Bei diesen myeloproliferativen Erkrankungen sind Lymphknotenschwellungen eher selten und treten allenfalls bei der chro-nisch myeloischen Leukämie auf. Eine vergrößerte Milz findet sich oft auch bei malignen Lymphomen oder Leukämien, jedoch nicht bei metastasierenden Kar-zinomen. Bei einer Reihe infektiöser Er-krankungen (Mononukleose, Masern, Röteln, Tuberkulose, Toxoplasmose) und bei Erkrankungen aus dem rheu-matischen Formenkreis findet sich nicht selten neben Lymphknotenvergröße-rungen auch eine Splenomegalie.

Wann welche weiterführenden Untersuchungen?Weiterführende Untersuchungen sind immer nur dann erforderlich, wenn eine eindeutige Abgrenzung zwischen benig-ner und maligner Lymphadenopathie mittels Anamnese und klinischem Be-fund nicht möglich ist (dazu Tabelle 2). Bei den Laboruntersuchungen empfiehlt sich zunächst die Bestimmung der BSG und des Blutbildes mit Ausstrich. Bei Vorliegen einer Leukämie oder eines

Lymphoms mit Ausschwemmung ma-ligner Zellen in das periphere Blut ist das Differenzialblutbild oft diagnose-weisend. Bei Vorliegen einer Mononu-cleosis infectiosa finden sich typischer-weise vermehrt Monozyten-ähnliche Lymphozytenreizformen, die aber auch bei anderen Virusinfektionen vorkom-men können.

Typisch für eine bakterielle Infektion ist eine Leukozytose mit Überwiegen der neutrophilen Granulozyten. Bei vi-ralen Infekten besteht dagegen meist ei-ne Neutropenie mit relativer Lymphozy-tose. Schwieriger einzuordnen ist eine leichte Thrombopenie. Sie kann Aus-druck einer viralen Infektion sein, aber auch bei Leukämien, Lymphomen oder Kollagenosen auftreten.

Bei einer Panzytopenie (Anämie, Leu-kopenie, Thrombopenie) sollte primär an die Infiltration des Knochenmarks durch ein malignes Lymphom oder eine andere Neoplasie gedacht werden. Bei einer chronisch myeloischen Leukämie findet sich im peripheren Blut eine massive Leukozytose mit kontinuierlicher Links-verschiebung bis hin zu Blasten. Außer-dem sind auch die eosinophilen und die basophilen Granulozyten vermehrt.

Zusätzliche Laborparameter wie LDH oder die Lebertransaminasen kön-nen im Einzelfall sinnvoll sein. Zum

Nachweis einer Sarkoidose wird auch die Bestimmung des Serumkalziums und des Angiotensin-Converting-Enzyms emp-fohlen. Wird eine Kollagenose diskutiert, empfiehlt sich die Bestimmung der anti-nukleären Antikörper (ANA) bzw. der Anti-Doppelstrang-DNS-Antikörper. Bei Verdacht auf eine Leukämie ist mit Aus-nahme der CLL eine Knochenmarksdia-gnostik unumgänglich.

Spezifische ErregerdiagnostikBei der spezifischen Erregerdiagnostik müssen serologische Untersuchungen, d. h. der Nachweis von entsprechenden Antikörpern und der direkte Nachweis von Erregern mittels Polymerasenket-tenreaktion oder Kulturverfahren unter-schieden werden.

Bei einer Infektion werden zunächst IgM-Antikörper gebildet, die dann im weiteren Verlauf von IgG-Antikörpern abgelöst werden. Durch die Bestim-mung der IgM- und IgG-Antikörper ist ein gewisser Rückschluss auf den Zeit-punkt der Infektion möglich. Bei den meisten viralen Infektionen sind die An-tikörper bereits zwei Wochen nach der Infektion nachweisbar; bei einer HIV-Infektion dauert es jedoch durchschnitt-lich sechs bis zwölf Wochen, in Einzel-fällen sogar mehrere Monate. Bei im-munkompromittierten Patienten kann

Tabelle 2

Praktisches Vorgehen bei Lymphknotenvergrößerung_ Anamnese: Reiseanamnese, Sexualanamnese, Chronologie der Lymphkno-tenschwellung_ körperliche Unter-

suchung: Ganzkörperstatus, Verletzungen, Effloreszenzen, Milzgröße

_ Lymphknoten: Lokalisation, Größe, Konsistenz, Schmerzhaftigkeit und Ab-grenzbarkeit_ Begleitsymptome: Exanthem, Juckreiz, Fieber, Gewichtsabnahme, Gelenkschwel-lung, Splenomegalie_ Blutuntersuchung: BSG, Blutbild mit Differenzialblutbild, Leberwerte, LDH_ weiterführende

Diagnostik: Serologie ( IgM-Antikörper, IgG-Antikörper, Erregernachweis (Kulturen, PCR), spezielle immunologische Diagnostik (antinuk-leäre Faktoren, Anti-Doppelstrang-DNS-Antikörper), Röntgen- Thorax, evtl. Computertomografie_ Lymphknoten-

exstirpation: pathologisch-histologische Diagnostik (Aussage zur Dignität)

_ Staging: bildgebende Verfahren, Knochenmarkszytologie bzw. Becken-kamm-Stanzbiopsie.

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FORTBILDUNG–ÜBERSICHT

die Fähigkeit zur Antikörperbildung verloren gehen. Neben viralen können auch einige bakterielle Infektionen wie Toxoplasmose, Brucellose oder Syphilis serologisch nachgewiesen werden. Bei viralen Erkrankungen spielt der direkte Erregernachweis in Zellkulturen im praktischen Alltag keine Rolle.

Zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Tuberkulose müssen Nüchternmagen-saft und Bronchialsekret direkt und mit-tels Kultur nachgewiesen werden, was häufig die stationäre Einweisung erfor-dert. Der Mendel-Mantoux-Test ist bei positivem Ergebnis kein Beweis für eine floride Tuberkulose, sondern besagt le-diglich, dass in der Vergangenheit eine Auseinandersetzung mit dem Tuberku-loseerreger evtl. auch im Rahmen der Tuberkuloseimpfung stattgefunden hat. Darüber hinaus gibt es auch falsch-ne-gative Ergebnisse. Als Alternative wird heute der Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA) empfohlen.

Ein wesentlicher Fortschritt bei der Diagnostik von Infektionskrankheiten aller Art ist die Polymerasekettenreak-tion (PCR), die jedoch angesichts der damit verbundenen Kosten nur in Ein-zelfällen zum Einsatz kommen sollte.

Weitere apparative VerfahrenBei allen Patienten mit Lymphknoten-schwellungen, die sich nicht rasch zurück-bilden, ist eine Oberbauchsonografie sinn-voll und notwendig. Diese Methode er-laubt den Nachweis intraabdomineller Lymphknotenvergrößerungen sowie die exakte Bestimmung der Milzgröße. Sen-sitiver und unabhängig von der Qualifi-kation des Untersuchers ist die CT. Bei Vorliegen einer generalisierten Lymph-knotenvergrößerung bzw. bei V. a. eine spezifische Genese, eine Sarkoidose oder ein Bronchialkarzinom, ist ein Röntgen-Thorax ebenfalls unverzichtbar.

Histologie beweist die DignitätEine eindeutige Aussage zur Dignität einer Lymphknotenschwellung bringt letzt-endlich nur die pathologisch-zytolo-gische bzw. -histologische Diagnostik. Eingesetzt werden die Ausstrich-Zytologie nach Lymphknotenpunktion und die Histologie nach Exstirpation.

Eine Lymphknotenpunktion mit Zy-tologie nach Feinnadelaspiration ist zum eindeutigen Ausschluss einer malignen Erkrankung nicht ausreichend, d. h. ein negativer Befund schließt eine maligne Erkrankung nicht mit letzter Sicherheit aus. In der Regel ist deshalb für die Mehrzahl der betroffenen Patienten, bei denen eine feingewebliche Abklärung erforderlich ist, die Lymphknotenexstir-pation vorzuziehen. Dabei sollte immer der größte und verdächtigste Lymph-knoten entfernt werden, um eine mög-lichst hohe Trefferquote zu erreichen.

Einzelne KrankheitsbilderTypische Befunde der Mononucleosis infectiosa sind Fieber, Halsschmerzen, generalisierte Lymphknotenschwellung, Splenomegalie und eine Transamina-senerhöhung. Im Blutausstrich finden sich Lymphozytenreizformen. Die Dia-gnose sichert der serologische Nachweis entsprechender IgM-Antikörper.

Seltene infektiöse Ursachen einer Lymphknotenschwellung, die vor allem bei Kindern auftreten können, sind die Katzenkratzkrankheit und die Toxoplas-mose. Auch diese Erkrankungen werden serologisch gesichert. Die Beschwerden bei der Katzenkratzkrankheit bilden sich ohne Therapie im allgemeinen wie-der rasch zurück. Nur selten kommt es zu Einschmelzungen.

Bei anhaltenden Lymphknoten-schwellungen sollte immer an eine HIV-Infektion gedacht werden, wobei Lymph-knotenschwellungen sowohl im Rahmen

der Akutinfektion als auch bei der Ma-nifestation der Aids-Erkrankung auftre-ten können.

Bei einer Sarkoidose sind typischer-weise primär die Hiluslymphknoten ver-größert (radiologischer Nachweis). Im weiteren Verlauf können auch periphere Lymphknoten betroffen sein.

Eine heute seltene Erkrankung ist die Lymphknotentuberkulose. Typisch sind derbe, druckschmerzhafte Lymphkno-ten, die zu Einschmelzungen und Fistel-bildungen neigen.

Bei inguinalen Lymphknotenschwel-lungen müssen auch Geschlechtskrank-heiten (z. B. Lymphogranuloma venere-um, Syphilis) diskutiert werden.

Zu den seltenen Ursachen von Lymphknotenvergrößerungen gehören rheumatische Erkrankungen, Kollageno-sen und Medikamente wie das Antiepi-leptikum Phenytoin.

Bei den malignen Erkrankungen sind Metastasen am häufigsten, gefolgt von Non-Hodgkin- oder Hodgkin-Lym-phomen. Typisch für den Morbus Hodg-kin ist der Lymphknotenschmerz nach Alkoholgenuss, das undulierende Fieber und ein quälender Juckreiz

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:Dr. med. Peter StiefelhagenDRK-Klinikum WesterwaldKrankenhaus HachenburgD-57627 HachenburgE-Mail: [email protected]

Swollen lymph glands

Palpable swollen lymph glands – ana-mnesis – accessory signs – spread – diagnostic procedures – specific disorders

Keywords

InteressenkonfliktDer Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen. Er legt folgende potenzielle Interessen-konflikte offen: keine Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenaus-gabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.

Heute in unserem Patientengut eine Rari-tät: die tuberkulöse Lymphadenopathie.

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Was steckt hinter dem vergrößerten Lymphknoten?

Lymphknotenschwellungen. Welche ist Ihre Verdachtsdiagnose?

☐ Mononucleosis infectiosa ☐ Röteln ☐ Arzneimittelexanthem nach Paraceta-mol-Gabe

☐ Akute Leukämie ☐ Katzenkratzkrankheit

Welche Laboruntersuchung ist primär bei einer anhaltenden generalisierten Lymph-knotenschwellung verzichtbar?

☐ Entzündungsparameter wie BSG und CRP ☐ Blutbild mit Ausstrich ☐ Thrombozyten ☐ Angiotensin-Converting-Enzym ☐ Transaminasen

Bei einem sechsjährigen Kind entwickelt sich nach einer durch eine Katze verur-sachten Kratzwunde eine Lymphknoten-schwellung im Bereich der Achselhöhle. Welches Vorgehen ist empfehlenswert?

☐ Exstirpation des Lymphknotens ☐ Es dürfte sich um eine Katzenkratzkrank-heit handeln, die keine weitere Diagnos-tik und Therapie erforderlich macht.

Eine vergrößerte Milz bei einer Lymphkno-tenschwellung ist nicht typisch für folgen-de Erkrankung:

☐ Akute Tonsillitis ☐ Mononucleosis infectiosa ☐ Morbus Hodgkin ☐ Toxoplasmose ☐ Leukämie

Bei einem 16-jährigen Patienten findet sich folgendes klinisches Bild: Pharyngitis mit Halsschmerzen, generalisierte Lymph-knotenschwellung, Splenomegalie und Transaminasenerhöhung. Welches Krank-heitsbild dürfte am ehesten vorliegen?

☐ akute Leukämie ☐ generalisiertes malignes Lymphom ☐ HIV-Infektion ☐ Mononucleosis infectiosa ☐ Toxoplasmose

Bei einem 12-jährigen Mädchen entwickelt sich ein kleinfleckiges generalisiertes Ex-anthem mit Fieber und retroaurikulären

Typisch für eine maligne Lymphknoten-schwellung ist:

☐ weicher Lymphknoten ☐ derber Lymphknoten ☐ gut abgrenzbarer Lymphknoten ☐ fehlende Größenzunahme ☐ Druckschmerzhaftigkeit des Lymphkno-tens

Eine schmerzhafte Lymphknotenschwel-lung, die sich innerhalb weniger Tage ent-wickelt und sich anschließend innerhalb einer Woche wieder zurückbildet, muss folgendermaßen interpretiert werden:

☐ Es handelt sich um eine unspezifische entzündliche Reaktion.

☐ Es ist dringend eine weitergehende his-tologische Abklärung erforderlich.

☐ Der Verlauf spricht nicht gegen eine ma-ligne Erkrankung.

☐ Eine weitere Diagnostik mittels Serologie ist erforderlich.

☐ Es sollte immer eine Oberbauchsonogra-fie bzw. ein CT des Abdomens durchge-führt werden.

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CME-Fragebogen FIN MM1301Py

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gültig bis 5.2.2013

Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landes ärztekammer mit zwei bzw. drei Punkten zur zertifizierten Fort bildung anerkannt.

CME-Herausgeber- und Review-Board: Prof. Dr. A. Berghaus, Prof. Dr. M. Blumenstein, Prof. Dr. Dr. h.c. Th. Brandt, Prof. Dr. K. Friese, Prof. Dr. H. S. Füessl, Prof. Dr. B. Göke, Prof. Dr. M. Graw, Prof. Dr. H. Holzgreve, Prof. Dr. A. Imdahl, Prof. Dr. K.-W. Jauch, Prof. Dr. K. Krüger, Prof. Dr. H.-J. Möller, Prof. Dr. Dr. h.c. Th. Ruzicka, Prof. Dr. A. Schneider, Prof. Dr. Ch. Stief, U. Weigeldt.

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FORTBILDUNG–ÜBERSICHT

Bitte beachten Sie:Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/eakademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahme-schluss.Pro Frage ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit (Richtig- oder Falschaussage) zutreffend.Sowohl die Fragen als auch die zugehörigen Antwortoptionen werden im Online-Fragebogen in zufälliger Reihenfolge ausgespielt, weshalb die Nummerierung von Fragen und Antworten im gedruckten Fragebogen unterbleibt. Prüfen Sie beim Übertragen der Lösungen aus dem Heft daher bitte die richtige Zuordnung.

suchung findet sich eine derbe Lymphkno-tenschwellung links supraklavikulär. Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

☐ HIV-Infektion ☐ Morbus Hodgkin ☐ Magenkarzinom ☐ Sarkoidose ☐ chronisch myeloische Leukämie

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

☐ Jede über eine Woche anhaltende Lymphknotenvergrößerung muss histo-logisch abgeklärt werden.

☐ Zum eindeutigen Ausschluss einer mali-gnen Erkrankung genügt die Ausstrich-Zytologie nach Lymphknotenpunktion.

☐ Eine eindeutige Aussage bezüglich Dig-nität erlaubt nur die histologische Diag-nostik.

☐ Bei multiplen Lymphknotenschwellun-gen sollten grundsätzlich mindestens zwei Lymphknoten entfernt werden.

☐ Eine histologische Untersuchung ist im Zeitalter der modernen bildgebenden Diagnostik zur Abklärung einer Lymph-knotenschwellung nicht mehr erforder-lich.

☐ Es ist eine antibiotische Therapie zwin-gend erforderlich.

☐ Eine Mononucleosis infectiosa sollte ausgeschlossen werden.

☐ Umfassendes Lymphknoten-Staging er-forderlich.

Welcher Befund ist nicht typisch für ein Hodgkin-Lymphom?

☐ Undulierendes Fieber ☐ Juckreiz ☐ Nachtschweiß ☐ Splenomegalie ☐ Fehlende Größenzunahme

Ein 54-jähriger Patient klagt über eine Gewichtsabnahme von ca. 5 kg innerhalb von vier Wochen, Appetitverlust mit Ab-neigung gegen Fleisch und Druckgefühl im Epigastrium. Bei der klinischen Unter-

Allgemeinmedizin, Onkologie

Osteosarkome: Diagnose, Therapie und Nachsorgeaus: InFo Onkologie 8/2012 von: G. Jundt, T. Kühne, F. Krasniqi, Andreas H. Krieg Zertifiziert bis: 16.12.2013 Medien Format: e.CME, e.Tutorial

Vorsorgeuntersuchungen in der Hausarztpraxis: Was wird untersucht, und wie sinnvoll ist dasaus: MMW - Fortschritte der Medizin 25/2012 von: Nina Enthaler, Bernhard Hansbauer, Angelika Mahlknecht, Andreas Sönnichsen Zertifiziert bis: 08.11.2013 Medien Format: e.CME, e.Tutorial

Schmerztherapie beim Tumorpatienten: Wie geht der Hausarzt am besten vor? aus: MMW - Fortschritte der Medizin 25/2012 von: Ulf Schutter Zertifiziert bis: 08.11.2013 Medien Format: e.CME, e.Tutorial

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