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Warum wir Ultramarin lieben © kt.COLOR 2020 www.ktcolor.ch 1 Warum wir Ultramarin lieben Blau hat seit jeher den Status einer besonderen Farbe, der etwas Geheimnisvolles anhaftet. Der Begriff «Blau» umfasst eine grosse Anzahl verschiedener Nuancen. Welche aber ist gemeint? Die genauere Betrachtung führt uns rasch zu Ultramarin, dessen Sonderstatus sich darin zeigt, dass es zu allen Zeiten Künstler, Literaten und Wissenschaftler gab, die sich der Anziehungskraft des Ultramarins nicht entziehen konnten. Berühmte Kunstwerke, erhellende Erklärungsversuche und fabel- hafte Geschichten widmen sich diesem faszinierenden Blau. Ich greife einige in diesem Blogbeitrag auf, wobei ich mich auf die folgenden Aspekte beschränke: Natürliches Ultramarin = Lapislazuli Synthetisches Ultramarin Unterschiede natürlich – synthetisch Yves Kleins IKB® kt.COLORs Ultramarinblau Y3 Die Pigmentbeschaffung Ultramarinblau chemisch Ultramarinblau gestalterisch

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1

Warum wir Ultramarin lieben

Blau hat seit jeher den Status einer besonderen Farbe,

der etwas Geheimnisvolles anhaftet. Der Begriff «Blau»

umfasst eine grosse Anzahl verschiedener Nuancen.

Welche aber ist gemeint? Die genauere Betrachtung

führt uns rasch zu Ultramarin, dessen Sonderstatus sich

darin zeigt, dass es zu allen Zeiten Künstler, Literaten

und Wissenschaftler gab, die sich der Anziehungskraft

des Ultramarins nicht entziehen konnten. Berühmte

Kunstwerke, erhellende Erklärungsversuche und fabel-

hafte Geschichten widmen sich diesem faszinierenden

Blau. Ich greife einige in diesem Blogbeitrag auf, wobei

ich mich auf die folgenden Aspekte beschränke:

• NatürlichesUltramarin=Lapislazuli

• SynthetischesUltramarin

• Unterschiedenatürlich–synthetisch

• YvesKleinsIKB®

• kt.COLORsUltramarinblauY3

• DiePigmentbeschaffung

• Ultramarinblauchemisch

• Ultramarinblaugestalterisch

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Natürliches Ultramarin = Lapislazuli

Lapis bedeutet auf Lateinisch «Stein»,lazuli leitet sich

vom persischen Wort lazuward für «himmelblau» ab

und Lapislazuli bedeutet «himmelblauer Stein».1 Die

wichtigsten Fundorte des vulkanischen Halbedelsteins

liegen in Afghanistan. Lapislazuli bzw. natürliches Ul-

tramarinwird bereits von Platon, Plinius, Theophrast

und Cennino Cennini beschrieben. Der seltene Stein,

der «von jenseits des Meeres» nach Europa gelangte

und teurer als Gold gehandelt wurde, ist fast die einzi-

ge natürliche Quelle eines dauerhaften Blaupigments.

Lapislazuli setzt sich aus dem blauen Mineral Lasurit

vermengtmitEisenpyrit(Katzengold)undCalcit(kris-

tallinemKalk) zusammen.DieExtraktioneineshoch-

wertigenPigmentsmitmöglichsthohemLasuritanteil

ist aufwändig: der fein zermahlene Stein muss mit Harz,

Öl und Wachs in Lauge geknetet und mit heissem Was-

serwiederholt begossenwerden,wobei sich dasPig-

mentimWaschwasserausdemGemengeherauslöst.

Erste belegte Verwendungen des Pigments stammen

vondenafghanischenAjantaHöhlenim6.Jahrhundert

nach Christus.2 Im Westen erscheint Lapislazuli erst-

mals ab ca. 1200 in Sakralmalereien. Im Mittelalter

wurdedasGewandderJungfrauMariamitLapislazuli

gemalt.JohannesIttenundandereFarbtheoretikerha-

ben die Vermutung geäussert, dass dies der spirituellen,

himmlischen Qualität der blauen Farbe zu verdanken

ist. Andere Autoren glauben vielmehr, dass die hohen

Kosten des Pigments den Reiz ausmachten. Vor dem

Zeitalter teurer Armbanduhren und Luxusautomobile

war Lapislazuli ein sichtbares Zeichen von Wohlstand.3

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Lapislazuli in jedem Anwendungsbereich ausser als

Schmuckstein rasch ersetzt. Die Zusammensetzung der

blauenFarbkörperistgleich,aberimLapislazulisinddie

KristalleerheblichgrösserundmitanderenMineralien

durchsetzt, was bei Ultramarin nicht der Fall ist. Die

PigmenteunterscheidensichdeutlichinihrerStruktur,

wieeinVergleichderurwüchsigenLapislazuli-Teilchen

mit den viel kleineren, runderen Ultramarinteilchen

erkennen lässt.

Die Lapislazuli-Kristalle reflektieren Licht stärker als

die unebenen Flächen der Ultramarinteilchen. Licht

kanntiefindietunnelartigenPorendesNaturpigments

eindringen, um dort von darunterliegenden Kristallen

reflektiert zu werden. Das verleiht Farben aus Lapis-

lazuli eine himmlische, leichte Wirkung, die wärmer

und sanfter als Farben aus Ultramarin sind. Ultramari-

nanstriche haben eine kühnere Wirkung, sie wirken tief

und rätselhaft.

Ultramarin natürlichREMAufnahme7500x

UltramarinsynthetischREMAufnahme7500x

Steine mit niedrigem Lasuritanteil sowie die leicht

blaugrauen Extraktionsrückstände können zu Ultra-

marinasche verarbeitet werden. Für die Schmuck-

steingewinnung ungeeignet, ist es gerade die zarte

Eigenfarbe, die Ultramarinasche bei uns im Hause

zum unverzichtbaren Pigment macht. Eine ganze

Serie von bestechend leuchtenden, intensiv Licht

reflektierenden Farben erschliessen sich mit dem

Naturpigment.

Synthetisches Ultramarin

Stürme und Piraterie haben den Transport gefährdet,

Kriege in Afghanistan haben den Handel unterbrochen

unddieniedrigeAusbeutebeiderPigmentgewinnung

hatdiePreiseindieHöhegetrieben.DiePariser«Société

d’encouragement pour l’industrie nationale» wollte dem

einEndesetzenundhatimJahr1824einenPreisvon

6000FrancfürdieEntdeckungeinesVerfahrenszurHer-

stellung künstlichen Ultramarins ausgeschrieben.4 Fast

gleichzeitighaben1928GmelininTübingen,Guimetin

ToulouseundKöttiginMeissenVerfahrenfürdieProduk-

tion von Ultramarin aus Porzellanerde, Quarz, Soda,

HolzkohleundSchwefelentdeckt.DerPreisgingzwar

an den Franzosen, dennoch haben alle drei dazu beige-

tragen, die Ultramarinfabrikation rasch voranzutreiben.

Das synthetische Pigment kam für 400 Franc in den

Handel, ein äusserst einträgliches Geschäft bei einem

ZehnteldesPreisesnatürlichenUltramarins.5 Ab etwa

1840warUltramarinnichtnuraufjederMalerpalette,

sondern auch als «Wäscheblau» in fast allen Wasch-

mitteln zu finden.

Unterschiede natürlich – synthetisch

Ultramarin besteht zu etwa 99% aus Blaupigment,

Lapislazuli jedoch oft nur zu 20%. Ultramarin hat

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Yves Kleins IKB®

Ultramarin entzieht sich den üblichen Kategorien der

Beschreibung. Als Künstler wie Kandinsky, Matisse,

RodtschenkoundMondrianzuBeginndesletztenJahr-

hundertsFarbevonderFormgelöstundihreineneue

Autonomie eingeräumt haben, erschien Ultramarin, das

ExtrembeispieleinerFarbe,diegeistigeProzesseaus-

zulösenvermag,fastzwangsläufigaufihrenPaletten.

EswaraberYvesKlein,derdieses«sichtbareZeichen

der Unendlichkeit»6 zur eigenen Kunstform erhob.

WederPinselstrich nochBindemittel sollten die reine

Farberfahrungtrüben.EdouardAdam,einChemikerin

Paris,entwickelte fürKleineinPVAc-Bindemittel,das

eine maximal hohe Pigmentaufnahme zuliess.7 Das

«International Klein Blue» setzte sich aus diesem Bin-

demittel und künstlichem Ultramarin zusammen.

Entgegen vieler anderslautenden Berichte liess Klein

das Blau nie patentieren. Er registrierte das Bindemittel

beimFranzösischenInstitutfürGeistigesEigentumund

patentiertedenProzess,derseineberühmtestenKunst-

werke, die «Anthropometrien», hervorbrachte. Unter

seiner Anleitung haben Aktmodelle Ultramarin auf ihre

HautaufgetragenundKörperabdruckeaufLeinwänden

hinterlassen, die mit dem IKB® Bindemittel präpariert

waren.SeinPatentFR1258418trägtdenetwassper-

rigen Titel «Procédé de décoration ou d‘intégration

architecturale et produits obtenus par application dudit

procédé», etwa «Verfahren für die Dekoration oder

gestalterische Integration und die, durch Anwendung

diesesVerfahrenserhalteneProdukte».DieseArbeiten

waren damals eine Sensation. Sie sind es noch heute.

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kt.COLORs Ultramarinblau Y3

DieEdouardAdamRezepturberuhteaufeinemlösemit-

telhaltigen PVAc-Polymer der Firma Rhône-Poulenc,

dem man die gleiche Menge Ultramarin beigab. Nach

der Lösemittelverdunstung entstand die erwünschte

pudrig-matteFarbschicht.Etwa50Jahrespäterdurften

wir imAuftrag desKünstlersAndréHeller eine neue

lösemittelfreieRezepturfürdieFarbeentwickeln.Nach

unzähligen Versuchen mit Nachfolgern des Bindemit-

telsaufWasserbasishattenwireineRezeptur,dieein

Blau ebenso tief und blau wie das berühmte Vorbild

hergab.UnserUltramarinblauY3kanninderEingangs-

halle der Swarovski-Kristallwelten in Wattens und am

Sternenhimmel der U-Bahn-Station Museumsinsel von

MaxDudlerArchitekteninBerlinbestauntwerden.

Die Pigmentbeschaffung

Die Pigmentqualität ist für die Qualität unserer Far-

ben absolut entscheidend. Sowohl Lapislazuli wie auch

Ultramarin sind aber nur schwer in der gewünschten

Qualität zu finden. Die explosive politische Situation

in Afghanistan erschwert Schmucksteinhändlern das

Geschäftsleben, sodass wir ständig darauf gefasst sein

müssen, einen neuen Lieferanten zu finden. Zudem lau-

fen mit Steinen gefüllte Kisten aus Afghanistan Gefahr,

amBaslerZollgeöffnetundgründlichaufWaffenun-

tersucht zu werden. Die Lieferfristen, die mit dem Über-

weisungsauftrag auf ein fremdes Konto beginnen und

mit der Pigmentlieferung in Uster enden, erstrecken

sichmeistüberzweibisdreiJahre.DieseFristgiltaber

auch für Ultramarin. Das synthetische Pigment wird

in grossen Keramiköfen in Massen als Aufheller für

Wasch- und Spülmittel hergestellt. Für Waschmittel-

produzenten sind Farbtonschwankungen unwichtig, die

für uns inakzeptabel sind. So bekommen wir ein Muster

jederProduktionscharge,diewiraufFarbstich,Körnung

undTiefeprüfen.SowieeineChargeunserenAnforde-

rungen genügt, erwerben wir die gesamte Menge. Etwa

alledreiJahrewerdenwirfündig.

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Ultramarinblau chemisch

Ultramarin und Lapislazuli verdanken ihre intensive,

blaue Farbe dem Schwefelkern einer Käfigstruktur mit

24Ecken.EinSchwefel-Radikal-Anionistfürdieblaue

Farbe verantwortlich.8 Nicht alle Käfige haben einen

solchenKern:jehöherderSchwefelanteil,destoblau-

erundwertvollerdasPigment.DieserSchwefelkernist

chemisch verwandt mit atmosphärischem Ozon, wel-

ches eine hellblaue Frbe hat.Ozon und dieserUltra-

marinschwefelkern haben überschüssige Elektronen,

dievonTeilchenzuTeilchenschweben.Diebewegliche

Ladungsverteilung entlang der blauen Fläche zeichnet

Ultramarin gegenüber allen anderen Blaupigmenten

ausundkönntedieexpansive,formauflösendeWirkung

erklären.

Erwähnenswert zudem die weissliche Fluoreszenz des

Pigments im langwelligenUV-Bereich. Sie ist imBild

rechts in Sonnenlicht zu erkennen. Diese Aufhellung

unter Lichteinwirkung entsteht weil Ultramarin für uns

unsichtbare Energie aufnimmt und zu sichtbarem Licht

umwandelt. Die Blaureflexion bei gleichzeitig aufhel-

lenderWirkungmachendasPigmentzumidealenopti-

schen Aufheller für weisse Hemden, vergilbte Wäsche

undfürschattigeRäume.

Ultramarinblau gestalterisch

Die Ähnlichkeit zur Himmelschemie, eine erhellende

fluoreszierende Wirkung sowie die delokalisierte Ener-

gieverteilung zeichnen Lasurit aus. Sie verleihen Ultra-

marin und Lapislazuli die Fähigkeit

• engeRaumverhältnisseaufzulösen

• dunkleRäumeoderRaumteileaufzuhellen

• FlächenimSchattenintensivblauwirkenzulassen

• Räumezuvertiefen.

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Man kann jede Farbe auf der gesamten Ultramarin-

palette bedenkenlos in kleinen Räumen, in engen

Passagen, an niedrigen Decken und in verschatteten

Bereichen einsetzen. Zu beachten ist allerdings eine

deutlicheTendenzdieserblauenFarbendieFormauf-

zulösen. Ultramarinflächen scheinen zurückzuwei-

chen,Objektewirken unfassbar bis gewichtslos.Was

für niedrige Decken, dieman kaschierenmöchte, gut

ist,kannanTragflächenoderalsFarbefürTischbeine,

beispielsweise, irritierend wirken. Ferner geben wir zu

bedenken, dass die menschliche innere Uhr empfindlich

aufBlaulichtreagiert.Blausagtuns,«EsistTag»und

Ultramarin, wie der blaue Himmel, sagt uns das über-

deutlich. Diese Aufforderung wach zu bleiben kann man

sich in Konferenzräumen zunutze machen, in Schlafräu-

men ist jedoch Vorsicht geboten.

WirliebenUltramarinweilesunseinemagischeReihe

vonFarbenerschliesst,dieaufbegrenztemRaumden

Eindruck von unendlicher Weite erwecken.

KatrinTrautwein

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Bildrechte

UltramarinimPigmentlagerbeikt.COLOR,©PhilippHaas

Mikroskop-AufnahmeLapislazuli-Ultramarinasche,Lichtmikroskop150X,©kt.COLOR

Raster-Elektronen-MikroskopAufnahmenUltramarinnatürlich(oben)undsynthetisch,7500X,©kt.COLOR

Purepigment,goldleaf,goldingotsandmanuscriptinplexiglass,6x81/2x11/2inch,©TheEstateofYvesKlein

c/oADAGP,Paris

UltramarinimRaum:eineWucht,©ChristophSchuepp

EineLapislazuli-LieferungausAfghanistan,©kt.COLOR

KristallstrukturdesLasurit-Gitters(Anm.8),www.mdpi.com/2075-163X/7/5/69/htm

Eingangsbereichkt.COLOR,FotovonLukasLienhardt,©kt.COLOR

DorfzentrumGrimseltor,GschwindArchitekten.Foto©TomBisig,FarbeLapislazuliweiss

Anmerkungen1 KatrinTrautwein,225 Farben. Eine Auswahl für Maler und Denkmalpfleger, Architekten und Gestalter.

Basel,2020,S.37.

2 VishaChanderOhri,The Technique of Pahari Painting.NewDelphi,2001,S.23.

3PhilippBall,Bright Earth: Art and the Invention of Colour.NewYork,2001,S.241.

4Kurt Leschewski, «DieChemiedesblauenUltramarins».In:Angewandte Chemie,1935,32,S.533-544.

5 Hans Gercke, Blau: Farbe der Ferne.Heidelberg,1990,S.40.

6PierreRestanyinHansGercke,s.o.,S.15.

7 Didier Semin, Yves Klein und die Frage des intellektuellen Eigentums,https://doi.org/10.1007/978-3-211-71391-

4_22.

8Yin-HsiuHsiao,Yun-HweiShenandDah-TongRay,Synthesis of Ultramarine from Reservoir Silts, in

Minerals2017,7,69.