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2013/2014
UmweltForschungsstationSchneefernerhaus
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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
Herausgeber: Umweltforschungsstation Schneefernerhaus GmbH
Zugspitzstr. 5; 82475 Zugspitze Internet: www.schneefernerhaus.de Druck: StMUV Stand: 2. Auflage März 2018 Diese Druckschrift wird kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von den Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf
Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf
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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
es ist wieder soweit: Sie halten nunmehr eine weitere Ausgabe der „Wissenschaftlichen Resultate“ in
den Händen, welche inzwischen seit 2009 regelmäßig alle zwei Jahre erscheint.
In 19 Aufsätzen geben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen kurzen Einblick in ihre
jeweiligen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus (UFS) aus dem Zeitraum 2013 bis 2014.
Das Spektrum der behandelten wissenschaftlichen Themen reicht von der oberen, mittleren und
unteren Atmosphäre über die Bio-, Geo- und Kryosphäre bis hin zu medizinischen Fragestellungen. Der
gemeinsame Nenner bei dieser Vielfalt spannender Aspekte ist dabei die Umwelt, die stets im Fokus
des jeweiligen Interesses steht. Die Betrachtung des Erdsystems von bisweilen ganz unterschiedlichen
Perspektiven aus ist eines der herausragenden Merkmale, die das „Virtuelle Institut Schneefernerhaus“
ausmachen und welches zu seiner Einmaligkeit in der Wissenschaft beiträgt.
Die einzigartige Lage dieser exzellenten Forschungsinfrastruktur am Südhang der Zugspitze,
verbunden mit der außergewöhnlichen Themenvielfalt und der Begeisterung der Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler, machen die UFS zu einem weithin sichtbaren Leuchtturm der umweltorientierten
Forschung und Entwicklung.
Im Namen des UFS-Science Teams wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre.
Herzlichst Ihr
Prof. Dr. Michael Bittner Wissenschaftlicher Koordinator der UFS
UFS Schneefernerhaus, im September 2015
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus │ Zugspitze: Wissenschaftliche Resultate 2013 / 2014
Inhaltsverzeichnis: Seite:
1. MESSUNGEN DER VULKANEMISSIONEN DES BÁRĐARBUNGA IM 6
SEPTEMBER 2014 Werner Thomas, Stefan Gilge, Michael Elsasser, Thomas Elste, Harald Flentje, Robert Holla, Ulf Köhler, Christian Plass‐Dülmer
Deutscher Wetterdienst, Meteorologisches Observatorium Hohenpeißenberg
2. HERKUNFTSANALYSE KLIMAWIRKSAMER GASE UND AEROSOLE 9
MITTELS TRAJEKTORIEN‐CLUSTERVERFAHREN Esther Oßwald1, Jucundus Jacobeit1 und Ludwig Ries
3
1Universität Augsburg, Institut für Geographie
2Umweltbundesamt, GAW‐Globalstation Zugspitze
3. ÄOLISCH BEEINFLUSSTE BODENENTWICKLUNG IN DER ALPINEN ZONE DES 11
ZUGSPITZPLATTS UNTER PEDOGENETISCHER BERÜCKSICHTIGUNG LOKALER WINDSTRÖMUNGEN UND GROßWETTERLAGEN Sven Grashey‐Jansen, Oliver Korch, Christoph Beck, Arne Friedmann, Romina Bernhard und Carolin Dubitzky Universität Augsburg, Institut für Geographie, Lehrstuhl für Physische Geographie und Quantitative Methoden
4. AEROSOLCHARAKTERISIERUNG MIT HILFE VON FERNERKUNDUNG 15
Matthias Wiegner, Alexander Geiß und Bernhard Mayer Meteorologisches Institut, LMU, München
5. AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS IM ALPENRAUM AUF KRANKE 18
UND TOURISTEN Rudolf Maria Huber, Jürgen Schmude, Michael Bischof LMU München
6. FLORA UND VEGETATION DES ZUGSPITZPLATTS 20
AKTUELLER STAND DER VEGETATIONSÖKOLOGISCHEN ERFORSCHUNG Oliver Korch und Arne Friedmann Universität Augsburg, Institut für Geographie
7. STATISTISCHE MODELLIERUNG WASSERHAUSHALTSRELEVANTER KLIMA‐ 24
PARAMETER FÜR DEN HOCHGEBIRGSRAUM Andreas Philipp, Severin Kaspar, Christoph Beck und Jucundus Jacobeit Universität Augsburg
8. HYDROLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM EINZUGSGEBIET DES PARTNACH 27
URSPRUNGS
GeorgStrobl & Karl-Friedrich Wetzel Universität Augsburg
9. WASHOUT VON AEROSOLGEBUNDENEN RADIONUKLIDEN MIT SCHNEE 30
Kerstin Hürkamp, Felix Bernauer und Jochen Tschiersch HelmholtzZentrum München, Neuherberg
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
10. EINFLUSS VON UMWELTPARAMETERN AUF DIE KOSMISCHE STRAHLUNG 33
V. Mares, J. Brehme, M. Strugacevac, S. Trinkl, W. Rühm Institut für Strahlenschutz, HelmholtzZentrum München
11. MESSUNG VON FORMALDEHYD, FLÜCHTIGEN ORGANISCHEN 36
VERBINDUNGEN UND ISOTOPENVERHÄLTNISSEN IM KOHLENDIOXID UND WASSERDAMPF AUF DER UFS Michael Leuchner
1,3, Christian Schunk
1, Marvin Lüpke
1, Homa Ghasemifirard
1, Ludwig
Ries2
und Annette Menzel 1,3
1
Ökoklimatologie, Technische Universität München,Freising 2
GAW Global Observatory Zugspitze/Hohenpeißenberg, Umweltbundesamt 3
Institute for Advanced Study, Technische Universität München, Garching
12. MESSUNG VON BIO‐AEROSOLEN (POLLEN) AUF DER UFS 38
Annette Menzel1,2
, Marvin Lüpke1, Jeroen T.M. Buters
3, Claudia Traidl‐Hoffmann
4 und
Susanne Jochner5
1
Ökoklimatologie, Technische Universität München, Freising 2
Institute for Advanced Study, Technische Universität München, Garching 3
Zentrum für Allergie & Umwelt, Technische Universität München und HelmholtzZentrum München
13. BEDEUTUNG VON HOCHGEBIRGSZÜGEN FÜR DEN ENERGIETRANSPORT 40
IN DER ATMOSPHÄRE – PROJEKT BHEA Sabine Wüst, Verena Wendt, Carsten Schmidt und Michael Bittner Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre
14. BEOBACHTUNG DES OH‐NACHTLEUCHTENS IM ALPENRAUM MIT 43
ABBILDENDEN SYSTEMEN Carsten Schmidt, Patrick Hannawald, Sabine Wüst und Michael Bittner Deutsches Zentrum für Luft‐ und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre
15. RAUMZEITLICHE DEPOSITION VON POPs 45
Manfred Kirchner*, Gert Jakobi*, Ludwig Ries
** und Karl‐Werner‐Schramm
*
HelmholtzZentrum für Gesundheit und Umwelt*
Umweltbundesamt,
GAW‐Globalobservatorium Zugspitze/Hohenpeißenberg, Plattform Zugspitze**
16. PARALLELMESSUNG VON ATMOSPHÄRISCHEM RADON AN DER 48
UMWELTFORSCHUNGSSTATION SCHNEEFERNERHAUS UND AM GIPFELGRAT Ludwig Ries
2, Gabriele Frank
1, Josef Salvamoser
3, Thomas Steinkopff
1
1Deutscher Wetterdienst, Radioaktivitätenmessnetz, Offenbach
2GAW
Global Observatory Zugspitze/Hohenpeißenberg, Umweltbundesamt II 3Institut für Angewandte Isotopen, Gas‐und Umweltuntersuchungen, IGU, Wörthsee
17. BEOBACHTUNGEN VON WOLKEN MIT DEM WOLKENRADAR AN DER UFS 52
Martin Hagen, Qiang Li und Kerstin Schmidt Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Institut für Physik der Atmosphäre
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
18. AUF DEM WEG ZU KOMBINIERTEN WASSERDAMPFMESSUNGEN MIT 56
ZWEI LIDAR‐SYSTEMEN – TESTS DES RAMAN‐LIDARS AN DER UFS Katharina Höveler, Lisa Klanner, Thomas Trickl und Hannes Vogelmann Karlsruher Institut für Technologie, IMK.IFU, Garmisch‐Partenkirchen
19. AKTIVITÄTENINDEX DER PLANETAREN WELLEN IN DER MESOPAUSE 59
(ca. 87 km Höhe) Lisa Küchelbacher
1, Carsten Schmidt
2, Sabine Wüst
2 und Michael Bittner
1,2
1Universität Augsburg, Institut für Physik‐AFE,
2Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen
Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
6
MESSUNGEN DER VULKANEMISSIONEN DES BÁRĐARBUNGA IM SEPTEMBER 2014
WERNER THOMAS, STEFAN GILGE, MICHAEL ELSASSER, THOMAS ELSTE, HARALD FLENTJE, ROBERT
HOLLA, ULF KÖHLER, CHRISTIAN PLASS-DÜLMER
DEUTSCHER WETTERDIENST, METEOROLOGISCHES OBSERVATORIUM HOHENPEIßENBERG,
Der Deutsche Wetterdienst betreibt Spu-
rengas- und Aerosolmessungen im Rahmen
seiner Global Atmosphere Watch (GAW)
Verpflichtungen an den Standorten Hohen-
peißenberg (HPB) und der Umweltfor-
schungsstation Schneefernerhaus (UFS).
Diese umfassen an beiden Standorten u. a.
Messungen relevanter vulkanischer Emissi-
onen, wie der Partikelkonzentration und –
größenverteilung sowie Schwefeldioxid-
messungen. Am Standort HPB werden
zudem Gesamtsäulenmessungen des
Schwefeldioxids, Schwefelsäuremessungen
und Aerosolmassenspektrometrie durchge-
führt.
Im September 2014 blickte Europa wieder
nach Island und beobachtete mit einer
Mischung aus Spannung und Sorge das
bereits seit Wochen aktive Vulkansystem des
Bardarbunga. Zu frisch noch war die
Erinnerung an die Ausbrüche des Eyjafjalla im
April und Mai 2010, mit damals
weitreichenden Folgen für den Flugverkehr.
Mitteleuropa blieb jedoch dieses Mal bis weit in
den September 2014 hinein weitgehend
unbehelligt von den Emissionen der
Spalteneruption nördlich des Vat- jökull auf
Island. Dies lag zum einen an für Mitteleuropa
günstigen Wetterlagen, die für den Transport
der teilweise sehr schwefelreichen Emissionen
über gering bewohnte Gebiete in
Nordskandinavien, Sibirien und auch Grönland
sorgten. Zum anderen produzierte die
Eruption auch nur relativ geringe Mengen an
Asche, da es kaum zur gefürchteten explosiven
und ascheträchtigen Mischung aus Lava und
Schnee/Eis kam. Am Morgen des 22. September
jedoch zeichneten mehrere Spuren- gas- und
Aerosolmessgeräte an den Standorten
Hohenpeißenberg und Schneefernerhaus
plötzlich stark ansteigende Werte für mehrere
Parameter auf, die typisch für Vulkanemissio-
nen waren. Rückwärtstrajektorien des COSMO-
Modells zeigten auch klar die Herkunft der
Luftmassen aus Island in der Troposphäre
unterhalb von ca. 5 km über Grund (Abb. 1).
Abb.1: COSMO-EU-Rückwärtstrajektorien in 3 Höhen
(rot=Boden-6hPa, blau=850 hPa, grün=700 hPa) am
Standort HPB für den 22.09.14 um 12:00 UTC.
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7
120000 60
100000 50
80000 40
60000 30
40000 20
20000 10
0 0
4:00 5:00 6:00 7:00 8:00 9:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00
Zeit (UTC)
Partikelanzahl 3nm [1/cm³] Partikelanzahl 10nm [1/cm³] SO2 UFS [ppb] DOAS SO2 [DU]
H2SO4 [ppt] SO2 [ppb] ACSM SO4 [μg/m³] Brewer SO2 [DU]
Zeitlicher Verlauf
Beginnend um 6:30 UTC stiegen am HPB die
Schwefeldioxid (SO2) – Volumenmischungs-
verhältnisse (MV) innerhalb weniger Stunden
rasant an (Abb. 2). So wurden sowohl am HPB
mit knapp 50 ppb als auch am Standort UFS
mit über 30 ppb die bisherigen Maximalkon-
zentrationen für SO2 weit übertroffen. Zum
Vergleich: Die nach dem Ausbruch des
Eyjafjalla im Frühjahr 2010 in Bayern
gemessenen SO2 - Konzentrationen lagen bei
vergleichs- weise bescheidenen 2.5 ppb (HPB)
und 3.5 ppb (UFS). Die SO2 - Belastung an der
UFS er- reichte das Tagesmaximum aufgrund
der südlicheren Lage erst mehrere Stunden
später gegen 15:00 UTC.
Da am 22. September am HPB kein
nennenswerter Niederschlag registriert wurde, ist
der kurzzeitige Abfall der Werte zwischen 9:40
und 10:15 UTC auf einen in Nord-Süd Richtung
wellenden Verlauf der SO2- Luftmassengrenze
über dem HPB zurückzuführen. Im genannten
Zeitraum drehte der Wind vorübergehend von
westlichen auf nordwestliche Richtungen und
sorgte am Rand der in Nord-Süd-Richtung
scharf begrenzten Luftmasse vermutlich für
einen Wechsel von stark belasteter zu weniger
belasteter Luft. Anstieg und Abfall der SO2 -MV
an der UFS verliefen dagegen fast symmetrisch
und ohne Unterbrechungen.
Partikelmessungen
Der Anstieg der Partikelanzahl, hauptsächlich i
Nukleationsmode (<20 nm), folgt mit U n-
terbrechungen der Auflösung der Wolken (ca. 7:00,
8:30, endgültig um 9:30 UTC), deren Tröpfchen das
Part
ikela
nzah
l (1
/cm
3)
vari
ab
el
(pp
b, μ
g/m
3, p
pt,
DU
)
Abb.2: Verlauf der in-situ SO2 -Mischungsverhältnisse am HPB (hellgrün) und an der UFS (dunkelgrün) in ppb, der
Partikelzahlen (hellblau) pro cm3, der in-situ Sulfatkonzentration (orange) in μg/m
3, der
Schwefelsäurekonzentration (gelb) in ppt sowie der Gesamtsäulenwerte (Brewer – braun, MAX-DOAS – rot) in DU am
22. September 2014 (letztere alle HPB)
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
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interstitielle Aerosol sehr effizient aufnehmen und
selbst im Einlass abgeschieden werden. Danach ist
die Partikelanzahl wie auch an der UFS eng mit
dem SO 2 – MV korreliert. Die Ergebnisse des
Aerosolmassenspektrometers am HPB hingegen
zeigen einen zeitgleichen Anstieg der
Sulfatkonzentrationen und der
Schwefeldioxidkonzentration. Obwohl sich das
ACSM -Gerät noch in der Erprobungsphase
befindet, passen sowohl der zeitliche Verlauf als
auch der gemessene Spitzenwert der
Sulfatkonzentration von ca. 4 0 μg/m 3 gut zu den
weiteren Messungen. Die Zeitdifferenz zwischen
den Maxima in der SO2 - und Sulfatkonzentration
relativ zu den Partikelzahlen lässt den Schluss zu,
dass bereits Sulfatpartikel advehiert wurden,
jedoch später zusätzlich durch lokale Bildung von
Schwefelsäure und nachfolgend Sulfat in der
belasteten Luftmasse Partikel entstanden. Die
ebenfalls am HPB gemessenen MV der
gasförmigen Schwefelsäure erreichen mit 7 ppt
einen etwa um das Zehnfache höheren
Spitzenwert als den bisherigen von 0,7 ppt
(Eyjafjalla- Ausbruch April/Mai 2010). Sie zeigen
ebenfalls einen zeitlich verzögerten Anstieg und
demonstrieren damit die lokale Bildung von
Schwefelsäure über die Reaktion von SO2 mit
dem OH-Radikal und nachfolgend Sulfatpartikeln.
Spurengasmessungen
Laufende Routinemessungen zur SO2 -
Säulenkonzentrationen mit einem Brewer-
instrument ergaben mit knapp 20 Dobson
Units (DU) den höchsten Wert, der seit Beginn
der Messungen im Jahr 1983 am HPB gemessen
wurde. Trotz der durch niedrige Bewölkung
immer wieder eingeschränkten Be-
obachtungsbedingungen wurde der Anstieg der
SO2-Säulenwerte in etwa zeitgleich mit dem
Anstieg der in-situ SO2 -MV beobachtet.
An der UFS und am HPB befinden sich derzeit
weitere Geräte zur Bestimmung von Spuren-
gasprofilen und zur Säulenkonzentration in der
prä-operationellen Betriebsphase. Erste SO2 -
Auswertungen des MAX-DOAS Spuren-
gassensors am Standort HPB ergaben in guter
zeitlicher Übereinstimmung mit den Bre-
wermessungen vergleichbar hohe Säulenwerte
bis knapp 20 DU und zeigen weiterhin, dass die
maximalen SO2-Werte zwischen 0,7 und 1,5 km
erreicht wurden und SO2 bis in eine Höhe von
ca. 2 km nachweisbar war (Abb. 3), was
wiederum gut mit den gemessenen
unterschiedlichen Mischungsverhältnissen am
HPB und an der UFS übereinstimmt. Genauere
Auswertungen, und hier insbesondere die Analyse
der Partikelbildung aus der Gasphase, werden
weitere Zeit in Anspruch nehmen.
Abb.3: Zeit-Höhenprofil der SO2-
Mischungsverhältnisse aus MAX-DOAS am 22.
September 2014 (links), mit Maxima gegen 9:30
und 10:30 UTC zwischen 0,5 und 1,5 km über
Grund. Die gestrichelte Linie zeigt die Höhe des
Instruments (250 m) über der Umgebung
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HERKUNFTSANALYSE KLIMAWIRKSAMER GASE UND AEROSOLE
MITTELS TRAJEKTORIEN-CLUSTERVERFAHREN
ESTHER OßWALD1, JUCUNDUS JACOBEIT
1 , LUDWIG RIES
2
1UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]
2UMWELTBUNDESAMT, GAW-GLOBALSTATION ZUGSPITZE
Seit vielen Jahrzehnten werden am Standort
Zugspitze und seit 2001 an der Umwelt-
forschungsstation Schneefernerhaus (UFS)
die atmosphärischen Konzentrationen von
Spurengasen und klimawirksamen
Aerosolen mit hochpräzisen Messgeräten
entsprechend den Vorgaben des Global
Atmosphere Watch (GAW) Programms der
Weltorganisation für Meteorologie (World
Meteoroogical Organisation, WMO)
aufgezeichnet. Das Ergebnis sind
qualitätsgesicherte, lang- jährige Zeitreihen,
die Aufschluss über die nordhemisphärische
Hintergrundbelastung geben.
Messstandort
Die exponierte Lage der Messplattform Zug-
spitze an der 2.650 m hoch gelegenen Um-
weltforschungsstation Schneefernerhaus
(UFS) ist in besonderer Weise repräsentativ für
die nordhemisphärische Hintergrundbe-
lastung an Luftschadstoffen.
Den langzeitlichen Klimagas- und Aerosol-
messungen an der UFS (vgl. die exemplari-
sche CO2 -Messzeitreihe in Abb. 1) kommt
daher weitreichende Bedeutung zu. Insbe-
sondere im Winter sowie im Frühjahr und
im Herbst zwischen 0 und 6 Uhr
detektieren die Messungen der
klimawirksamen Spurengase und Aerosole
den Zustand der unteren freien
Troposphäre, während die übrigen Tages-
und Jahreszeiten aufgrund der
strahlungsangetriebenen Grenzschicht-
dynamik stärker durch regionale Quellen im
(vor-)alpinen Umfeld beeinflusst werden.
Neben den mesoskaligen Prozessen wie
Föhn, Berg- und Talwindsystemen oder dem
sog. „alpinen Pumpen“, die wirkungsvolle
vertikale Transportmechanismen der
Emissionen der umliegenden Regionen in
die höheren Atmosphärenschichten
darstellen, ist der Ferntransport auf bis zu
interkontinentaler Skala für die Luftzusam-
mensetzung von Bedeutung.
Abb. 1: Monats- und Jahresmittelwerte der an der UFS gemessenen atmosphärischen CO2-Konzentrationen.
Blau eingezeichnet ist die zwölfmonatlich übergreifend gemittelte Kurve.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
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Emissionsabschätzungen
Die Quantifizierung des Ferntransportanteils an
der in Mitteleuropa vorkommenden Hin-
tergrundbelastung bildet gemeinsam mit der
Lokalisation der verantwortlichen
Quellregionen die wissenschaftliche Grundlage
für europäische Emissionsabschätzungen. Nur
eine möglichst genaue Identifizierung der
Emittenten und ihrer Verursacheranteile an
der Luftbelastung ermöglicht der
Umweltpolitik, politische Maßnahmen für den
Klimaschutz auf ihre Wirksamkeit hin zu
überprüfen und zu präzisieren. Dies ist
angesichts der für die kommenden Jahrzehnte
prognostizierten und bereits stattfindenden
globalen Erwärmung, die mit Veränderungen
der vorherrschenden Zirkulationsmuster und
somit der Transportbedingungen einhergeht,
von besonderer Relevanz.
Trajektorien-Clusteranalyse
Ziel des Projektes ist daher eine vertiefte
Analyse der an der UFS gemessenen Zeitreihen
von Klimagasen und klimawirksamen Aerosolen
in Bezug auf sich ändernde Transportver-
hältnisse und Emissionen im Einzugsgebiet der
Zugspitze. Zur Bestimmung der geogra-
phischen Herkunft der an der UFS ankom-
menden meteorologischen Luftmassen, wer-
den Zugbahnen (Trajektorien) mit Hilfe des
FLEXible PARTicle dispersion model (FLEX-
PART) numerisch berechnet. Die resultieren-
den Trajektorien werden in eine zuvor defi-
nierte Anzahl von Untergruppen, die als
Luftmassentypen interpretiert werden können,
eingeteilt. Das Kriterium für die Zuordnung zu
einem Trajektorien-Cluster ist die maximale
clusterinterne Homogenität verbunden mit
einer möglichst großen Heterogenität der
Luftmassentypen untereinander. Diese
Methodik der Trajektorien- Clusteranalyse
visualisiert die wesentlichen Herkunftsgebiete
der Aerosole und Klimagase.
Nordhemisphärische Hintergrundbelastung
Die Konzentrationen der klimarelevanten
Messgrößen an der UFS werden zu den Fern-
transportereignissen und lokalen Emittenten der
Trajektorien-Cluster in Beziehung gesetzt und
geben Auskunft über die Quellregionen sowie
deren raum-zeitliche Relevanz. Für die eindeutige
Differenzierung zwischen der nord-
hemisphärischen Hintergrundbelastung und der
grenzschichtbeeinflussten Luftzusammensetzung
werden neben den lokalen Wind-, Temperatur-
und Feuchteaufzeichnungen die Radon- und
Ceilometer- Messungen am Zugspitzgipfel
hinzugezogen. Radon fungiert aufgrund seiner
Halbwertszeit von 3,8 Tagen als Tracer für
bodennahe Luft und verweist wie die aus den
Ceilometerdaten abgeleitete Mischungs-
schichthöhe auf den Einfluss von Grenzschichtluft.
Netzwerk „Virtuelles Alpenobservatorium“
Das vorgestellte Verfahren zur Herkunftsanalyse
der klimawirksamen Spurengase und Aerosole
soll auf die Partnerstationen des Virtuellen
Alpenobservatoriums (VAO) Hohenpeißenberg
(Deutschland), Jungfraujoch (Schweiz) und
Sonnblick (Österreich) ausged ehnt werden.
Durch die Einbindung kooperierender alpiner
Höhenforschungsstationen können genauere
Aussagen über die Zusammensetzung und
Entwicklung der für die freie Troposphäre
Mitteleuropas repräsentativen Hintergrund-
konzentrationen von Klimagasen und Aerosolen
getroffen werden. Die Ausweitung des
Trajektorien-Clusterverfahrens auf die VAO-
Partnerstationen gewährleistet eine für den
Alpenraum aussagekräftige Herkunftsanalyse der
gemessenen Zeitreihen von Spurengasen und
klimawirksamen Aerosolen in Bezug auf sich
ändernde Transportbedingungen und
Immissionen in den Einzugsgebieten. Die
Ergebnisse liefern wertvolle Schlüsse für die
Umweltpolitik und die Wirksamkeit von
Klimaschutzmaßnahmen.
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ÄOLISCH BEEINFLUSSTE BODENENTWICKLUNG IN DER ALPINEN ZONE DES
ZUGSPITZPLATTS UNTER PEDOGENETISCHER
BERÜCKSICHTIGUNG LOKALER WINDSTRÖMUNGEN UND GROßWETTERLAGEN
SVEN GRASHEY-JANSEN, OLIVER KORCH, CHRISTOPH BECK, ARNE FRIEDMANN,
ROMINA BERNHARD, CAROLIN DUBITZKY
UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, LEHRSTUHL FÜR PHYSISCHE GEOGRAPHIE UND
QUANTITATIVE METHODEN
Der geologische Untergrund des Zugspitzplatts
baut sich vorwiegend aus sehr reinen
triassischen Kalksteinen auf. Pedogenetisch
entwickeln sich daher aus den CaCO3- und
MgCO3-reichen Ausgangssubstraten vor-
wiegend Eutric Regosols. Bekannt ist aber auch
das Auftreten azonaler Cambisols, deren
Pedogenese an kalkarme Ausgangssubstrate
und niedrige pH-Werte geknüpft ist.
Eigeninitiative Untersuchung hinsichtlich der
räumlichen Verbreitung dieser Cambisols hat
deutliche Verteilungsmuster er- geben, welche
im Zusammenhang mit den lokalen
Luftströmungsverhältnissen und dem Auftreten
von bestimmten Großwetterlagen in Verbindung
zu stehen scheinen.
Ein Großteil der (Roh-)Bodenformationen im
Untersuchungsgebiet wird durch das autochthone
Ausgangsgestein bestimmt. Der ladinische
Wettersteinkalk (alpine Trias) gilt aufgrund der
vorwiegend lagunären Schichtserien in seiner
Stratigraphie als ein sehr reines Kalkgestein
(CaCO3+MgCO3 > 95%). Infolge- dessen weist das
Untersuchungsgebiet ein ausgeprägtes Karstrelief
auf, das lokal von glazialen und rezenten
Schuttakkumulationen bedeckt wird. Die typische
Pedogenese läuft (v.a. im initialen Stadium)
vorwiegend im basisch-neutralen Bereich ab.
Aufgrund der Höhenlage dominieren physikalische
gegen- über chemischen Verwitterungsprozessen,
was zur Ausbildung verschiedener Syroseme und
Rendzinen geführt hat (Eutric Lepto- sols/Eutric
Regosols). Die im Mittel ganzjährig kühl-feuchten
Bedingungen führen zu einer retardierten
Zersetzung und Akkumulation der toten Biomasse.
Höhenzonal typische Felshumusböden (Folic
Histosols) prägen daher einen Großteil des
Untersuchungsgebietes.
Äolischer Eintrag von Silikatglimmern
Die vorhandene Literatur [1-4] belegt
spätglaziale und rezente äolische Einträge von
Silikatstäuben der Schlufffraktion aus dem
zentralalpinen Raum (Abb.1).
Abb.1: Geologie der südlich an das Untersuchungsge-
biet angrenzenden Zentralalpen, die als ein potentiel-
les Hauptliefergebiet äolischer Einträge gesehen wer-
den
Dies hat lokal eine Modifizierung der basischen
Bodenentwicklung bewirkt. Vorwiegend in den
Kluftkarrenfeldern zeigen sich Anreicherungen
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
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von allochthonen Silikatglimmern im gesamten
Solum der Karsttaschen bis hin zum
anstehenden Ausgangsgestein. Infolge der
fehlenden Säurepufferung konnten hier
tiefgreifende und kalksteinuntypische
Verbraunungsprozesse nachgewiesen und
kartiert werden. Dabei wurde eine signifikante
Dominanz der Cambisol-Verbreitung auf den
nach Südosten exponierten Karstflächen
festgestellt, was die bisher generell ver-
tretene Annahme (Credner et al., 1998; Hüttl,
1997; Küfmann, 2003, 2008) einer gleichmäßi-
gen Verteilung auf dem Zugspitzplatt
widerlegt (Grashey-Jansen et al., 2014).
Detailkartierungen am Gatterl
Die kartierten Verbreitungsmuster legen
vielmehr einen an Südostströmungen gekop-
pelten äolischen Eintrag durch das Gatterl nahe
(Abb.2), welches durch seine Öffnung im
Reliefverbund des Grat- und Kammverlaufes eine
strömungskanalisierende Wirkung vermuten lässt.
Das räumliche Verteilungsmuster von mit
Glimmern angereicherten Substraten wird durch
die höhendifferenzierte Analyse der CaCO3-
Gehalte und pH-Werte gestützt. Abbildung 3 zeigt
eine signifikante Zunahme der entsprechenden
Werte in den Oberböden mit zunehmender Höhe
über NN und hebt das dominante Vorkommen
der Cambisols zwischen 2.100 m und 2.200 m ü
NN hervor.
Dies kann durch eine eingeschränkte räumliche
Wirksamkeit der verantwortlichen Luft-
strömungen erklärt werden: Es ist davon aus-
zugehen, dass die SE-Winde nach dem
kanalisierten Durchströmen des Gatterls durch
die Reibung an der nach Norden ansteigenden
und mit Vegetation besetzten Karstoberfläche
sowie der Südwand unterhalb des
Jubiläumsgrates relativ schnell abgebremst
werden, so dass sich die äolische Fracht auf den
Oberflächen deponiert. Eine abbremsende
Wirkung kann auch im Einfluss lokaler Berg-
Talwindzirkulationen sowie durch das Gegen-
strömen katabatischer Fallwinde vermutet
werden. In allen Fällen fungieren die
Karsttaschen hierbei als natürliche
Sedimentfallen hinsichtlich des Rückhalts und
der Akkumulation der eingetragenen
Silikatglimmer.
Abb.2: Bodenkundliche Detailkartierung zwischen 2100 m
und 2400 m ü NN.
Oben: Verteilung von Arealen im Untersuchungs-gebiet
mit Bodenmächtigkeiten >10 cm (= schwarze Flächen).
Der schwarze Pfeil gibt die vermutete Hauptrichtung
des äolischen Eintrags an.
A: Böden mit CaCO3 >45 % und pH-Werten < 7,5
(Vorwiegend Eutric Regosols und Folic Histosols) B:
Böden mit CaCO3 <10 % und pH-Werten < 6,5
(Vorwiegend Cambisols)
C: Junge Böden auf rezent aktiven Schuttakkumulatio-
nen und verlängerten Schneeschmelzperioden.
(Vorwiegend Eutric Regosols und Folic Histosols)
Unten: Prozentuale Verteilung der Windrichtungshäu-
figkeiten (basierend auf DWD-Daten von der Zugspitze
1974-2013).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
13
Abb.3: Zusammenhang zwischen Höhenlage und Ca- CO3 -
Gehalt der Oberböden (Quadratsignaturen; schwarz mit,
grau ohne Glimmeranreicherungen) sowie Zusammenhang
zwischen Höhenlage und pH-Millieu der Oberböden
(Kreuzsignaturen; schwarz mit, grau ohne
Glimmeranreicherungen).
Der prozentuale Anteil südöstlicher Wind-
strömungen am Zugspitzgipfel erscheint mit
durchschnittlich 6.3 sehr gering (Abb.2). Die für
den äolischen Eintrag verantwortlichen
Windströmungsrichtungen sind aber aufgrund
der bisher fehlenden instrumentellen
Ausstattung im Kartierungsgebiet mit Sicherheit
unterrepräsentiert.
Ergänzend oder alternativ zu lokalen
instrumentellen Windmessungen können
Untersuchungen der pedogenetisch relevanten
Atmosphärischen Strömungsdynamik mittels
objektiver Zirkulationsklassifikationen durch-
geführt werden.
Potenziell äolischen Eintrag in das Untersu-
chungsgebiet verursachende Zirkulationstypen
sind beispielhaft in Abbildung 4 dargestellt.
Literatur
Credner, B., Hüttl, C. und Rögner, K.: The formation and distribution of soils and vegetation at the Zugspitzplatt (Bavaria, Germany) related to climate, aspect and geomorphology. Ecologie, 29 (1-2): 63-65, 1998. Hüttl, C.: The influence of different soil types and associations of vegetation on limestone solution in a high-mountainous region (Zugspitzplatt, Wettersteingebirge, Germany). Ecologie, 29 (1-2): 83-87, 1997.
Küfmann, C.: Soil types and eolian dust in high-mountainous karst of the Northern Calcareous Alps (Zugspitzplatt, Wetterstein Moun- tains, Germany). Catena, 53: 211-227, 2003. Küfmann, C: Are Cambisols in Alpine Karst Autochthonous or Eolian in Origin? Arctic, Antarctic and Alpine Research, 40 (3): 506-518, 2008. Grashey-Jansen, S., Korch, O., Beck, C., Friedmann, A., Bernhard, R. und Dubitzky, C.:
Abb.4: Zirkulationsmuster (geopotentielle Dekameter)
und relative Auftrittshäufigkeiten (in %) vier
ausgewählter Zirkulationstypen (objektive
Großwettertypen) mit südlicher (S) bzw. südöstlicher
(SE) Anströmrichtung und zyklonaler bzw.
antizyklonaler Charakteristik in der Zugspitzregion
(schwarzes Dreieck). Ermittelt auf der Grundlage
täglicher geopotentieller Höhendaten (500hPa), für den
Ausschnitt 4°O-18°O/ 42°N-52°N, Zeitraum 1901-2011.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
14
Aeolian influenced soil sites in consideration of atmospheric circulation types – a case study in the alpine zone of the Zugspitzplatt (Northern Calcareous Alps, Germany). Journal of Geology, Agriculture and Environmental Sciences 2 (4): 11-19, 2014. Beck, C., Jacobeit, J. und Jones, P.D: Frequency and within-type variations of large scale circulation types and their effects on low- frequency climate variability in Central Europe since 1780. International Journal of Climatology 27: 473-491, 2013.
.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
15
AEROSOLCHARAKTERISIERUNG MIT HILFE VON FERNERKUNDUNG
MATTHIAS WIEGNER, ALEXANDER GEIß, BERNHARD MAYER
METEOROLOGISCHES INSTITUT, LMU, MÜNCHEN, [email protected]
Die Fernerkundung von Aerosolpartikeln
gehört zu den besonders aktuellen Themen der
Atmosphärenforschung. Das Meteorologische
Institut (MIM) der LMU liefert im Rahmen
von Lidarmessungen wichtige Bei- träge zu
dieser Thematik, zum einen durch
kontinuierliche Messungen mit automati-
sierten Messsystemen, zum anderen durch
Grundlagenforschung und Entwicklung neuer
Verfahren zur Charakterisierung der Partikel.
Die Messungen auf der UFS liefern dazu einen
relevanten Beitrag.
Nicht erst der Ausbruch des Eyjafjallajökull in
Island im Jahre 2010 hat der breiten
Öffentlichkeit die Relevanz von Aerosolpartikeln
deutlich vor Augen geführt. Die Ausbreitung
von Vulkanasche führte zu einer zeitweisen
Lähmung des Flugverkehrs mit immensen
Beeinträchtigungen für Bevölkerung und
Wirtschaft. Aber auch unter „normalen“
Bedingungen beeinflussen Aerosolpartikel unser
Wetter und Klima – und können zu
Gesundheitsschäden führen. Die Beobachtung
von Aerosolpartikeln ist jedoch schwierig, weil
sie zum einen zeitlich und räumlich sehr variabel
verteilt sind, zum anderen eine Vielzahl von
Parametern ihre Wirkung auf die Umwelt
steuert.
Mit Hilfe von Fernerkundung mit Lidar ist es
möglich, entfernungsaufgelöst Informationen
über die Verteilung und Eigenschaften der
Partikel zu erhalten. Mit hochkomplexen
Lidarsystemen, wie sie am Meteorologischen
Institut der LMU entwickelt wurden, lassen sich
über sehr aufwendige Verfahren optische und
mikrophysikalische Eigenschaften der
Partikel ableiten, während es einfache,
automatisierte Systeme (so genannte,
kommerziell erhältliche Ceilometer) ermöglichen,
kontinuierlich die Aerosolschichtung zu
vermessen. Ergänzt werden diese „aktiven“
Fernerkundungsverfahren durch integrierende
Messsysteme wie beispielsweise Sonnenpho-
tometer. Durch Kombination der Verfahren kann
die Charakterisierung der Partikel verbessert und
die Genauigkeit erhöht werden. Diese Strategie
wird sowohl an der LMU München als auch an der
UFS verfolgt.
High-End Aerosolfernerkundung
Als Gründungsmitglied des Deutschen
Lidarmessnetzes und Referenzstation im
Europäischen Lidarforschungsverbund EARLINET
ist das MIM seit fast 20 Jahren an
Spitzenforschung auf dem Gebiet der aktiven
Aerosolfernerkundung beteiligt. Am MIM
wurden insbesondere zwei
polarisationsempfindliche Mehrwellenlängen-
Ramanlidarsysteme entwickelt, neue
Qualitätssicherungsverfahren etabliert und
Auswerteroutinen optimiert. Bei letzteren stand
insbesondere die Berücksichtigung der
Streueigenschaften von nicht- kugelförmigen
Partikeln – typisch für beispielsweise
Vulkanasche oder Saharastaub – im
Mittelpunkt. Damit gelang es unter anderem,
die Vulkanascheschicht von 2010 voll- ständig
zu charakterisieren und Verfahren zur
Unterscheidung verschiedener Aerosoltypen zu
entwickeln. Abbildung 1 (oberes Teilbild, 16. April
2010, 17 Uhr, bis zum 17. April 2010, 24 Uhr)
zeigt einen Zeit-Höhenschnitt der Aerosol-
Schichtung, gemessen mit dem Ramanlidar des
MIM. Man erkennt deutlich das allmähliche
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
16
Absinken der zunächst isolierten Schicht bis
zur Einmischung in die bodennahe
Grenzschicht am Nachmittag des 17. April.
Mithilfe des kompletten Datensatzes aus
aktiver und passiver Fernerkundung konnte die
Schicht eindeutig als die Aschewolke des
Eyjafjallajökull identifiziert sowie ihre
optischen (Vermögen, Strahlung zu schwächen)
und mikrophysikalischen Eigenschaften
(Größe, Massenkonzentration) abgeleitet
werden. Zum Vergleich ist im unteren Teilbild
die Parallelmessung mit dem Ceilometer des
MIM gezeigt. Die gute Erkennbarkeit der
Schicht legt nahe, auch Ceilometerdaten für die
Aerosolfernerkundung einzusetzen.
Abb.1: Zeit-Höhenschnitt (bis 13 km über Grund) des
entfernungskorrigierten Messsignals (in relativen
Einheiten). Das obere Teilbild zeigt die Messungen mit
dem Ramanlidar (Maisach), das untere Teilbild die
Ceilometermessungen (München) unmittelbar nach
Ankunft der Eyjafjallajökull-Ascheschicht. Aus Wiegner et
al. (2012)
Welchen Nutzen haben Ceilometer?
In den letzten Jahren begannen nationale
Wetterdienste, Netzwerke von Ceilometern
aufzubauen. Weil Ceilometer vergleichsweise
einfache Messsysteme (Einwellenlängen-
Rückstreulidare mit geringer Laserpulsenergie)
sind, sind sie vom Hersteller nur für die
Bestimmung der Höhe von Wolkenunterkanten
konzipiert. Trotzdem wird gegenwärtig – auch
auf Initiative des MIM – versucht, einen Nutzen
für die Aerosolfernerkundung zu er- zielen
(Wiegner et al., 2014). Dabei geht es zunächst um
die Bestimmung der Höhe der Mischungsschicht,
ein wesentlicher Parameter, der die Luftqualität
in unserem Lebens- raum bestimmt. Am MIM
werden vollständig automatisierte Verfahren
entwickelt, um Ceilometer zu kalibrieren sowie
Mischungs- schichthöhen und die Ausdehnung
von abgehobenen Aerosolschichten ableiten zu
können. Abbildung 2 zeigt als Beispiel den
Jahresgang der täglichen Entwicklung der
Mischungsschichthöhe über München. Man
erkennt eine deutlich höhere Grenzschicht in den
Sommermonaten, ein starkes Anwachsen am
Vormittag während des ganzen Jahres sowie nur
geringe Änderungen in der Ausdehnung nach
Sonnenhöchststand. Das vom DWD auf der UFS
betriebene Ceilometer ist baugleich mit dem
System des MIM, so dass die Fortschritte in der
Auswertung direkt übertragbar sind.
Abb.2: Mittlerer Jahresgang des Tagesgangs der
Grenzschichthöhe (im m) für München, bestimmt mit
Hilfe der am MIM entwickelten automatischen Kalib-
rier- und Analysemethoden für Ceilometerdaten.
Mit den Kalibrierverfahren des MIM ist es auch
möglich, Ceilometer verschiedener Fabrikate, also
beispielsweise verschiedener nationaler
Netzwerke, gemeinsam auszuwerten und
kontinentale Karten der Aerosolverteilung zu
erstellen.
Ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen Arbeiten
am MIM ist die Korrektur des Einflusses der
Wasserdampfabsorption auf die Bestimmung von
Aerosoleigenschaften.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
17
Passive Fernerkundung
Mit dem seit 2011 an der UFS im Einsatz
befindliche Sonnenphotometer SSARA-Z
werden kontinuierlich spektrale Strahldichten
von direkter und diffuser Solarstrahlung
gemessen. Aus der Schwächung und dem
spektralen Verlauf der direkten Strahlung
können die optische Dicke und die effektive
Größe der Aerosolpartikel in der
atmosphärischen Säule oberhalb der Station
abgeleitet werden. Aus Messungen der diffusen
Himmelsstrahlung lässt sich auf
mikrophysikalische Eigenschaften wie den
Brechungsindex und die Größenverteilung
schließen. Aufgrund der üblicher- weise geringen
Aerosolkonzentrationen ist die zuletzt genannte
Inversion allerdings besonders schwierig.
Ob im Falle starker Konvektion Grenz-
schichtaerosol bis in Höhen oberhalb der UFS
gemischt wurde oder mehrere Aerosolschichten
mit möglicherweise unterschiedlichen
Eigenschaften gleichzeitig aufgetreten sind, kann
anhand der Parallelmessungen des Ceilometers
erkannt werden. Ein Beispiel für das gleichzeitige
Auftreten zweier ausgeprägter Aerosolschichten
ist in Abbildung 4 gezeigt (7. Juli 2013). In
solchen Fällen ist die Interpretation der Sonnen-
photometermessungen erschwert.
Abb.3: Sonnen- und Himmelsphotometer SSARA-Z, das
seit 2011 operationell auf der UFS betrieben wird, um
die optische Dicke des Aerosols zu bestimmen und die
Partikelgröße abzuschätzen (Foto: Garhammer).
Abbildung 3 zeigt das Sonnenphotometer auf
der UFS-Messplattform. Dieser Messstandort ist
besonders geeignet, weil er erlaubt,
Aerosolschichten in der freien Troposphäre, die
in der Regel auf Ferntransport zurückzuführen
sind, ohne den – normalerweise dominierenden
– Einfluss der Grenzschicht zu charakterisieren.
Abb.4: Beispiel für das Auftreten von zwei separaten
Aerosolschichten (ca. 3 km oberhalb der UFS und in
Stationsniveau) (7. Juli 2013, 01:00-08:00 UTC). Darge-
stellt ist das entfernungskorrigierte Ceilometersignal (rel.
Einheiten).
Literatur:
Wiegner, M., Gasteiger, J., Groß, S., Schnell, F.,
Freudenthaler, V. und Forkel, R.:
Characterization of the Eyjafjallajökull ash-
plume: Potential of lidar remote sensing, Physics
and Chemistry of the Earth 45-46 (2012) 79-86,
doi: 10.1016/j.pce.2011.01.006, 2012.
Wiegner, M., Madonna, F., Binietoglou, I., Forkel,
R., Gasteiger, J., Geiß, A., Pappalardo, G.,
Schäfer, K. und Thomas, W.: What is the benefit
of ceilometers for aerosol remote sensing? An
answer from EARLINET, Atmos. Meas. Tech., 7,
1979-1997, doi:10.5194/amt-7-1979-2014, 2014.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
18
AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS IM ALPENRAUM AUF KRANKE UND TOURISTEN
RUDOLF MARIA HUBER, JÜRGEN SCHMUDE, MICHAEL BISCHOF
LMU MÜNCHEN, MICHAEL.BISCHOF @LMU.DE
Gesundheitstourismus gilt als einer der
gesellschaftlichen und ökonomischen
Megatrends der Zukunft. Die Verbindung von
Tourismus und Gesundheit zeigt sich dabei
allerdings entsprechend den Bedürfnissen der
jeweiligen Nachfrager in völlig unter-
schiedlichen Ausprägungen. Einerseits stehen
für viele Touristen Aspekte wie
Primärprävention, die eigene
Leistungsfähigkeit und die eigene Attraktivität
im Vordergrund. Andererseits können aber
auch gesundheitliche Prävention,
Rehabilitation oder Genesungsprozesse
Motive der Touristen sein. Im letztgenannten
Fall spielt die Wahl der Destination eine ganz
besondere Rolle, da diese aufgrund ihrer
geographischen Lage und des auch damit
verbundenen ursprünglichen und abgeleiteten
Angebots nur für bestimmte (Vor-
)Erkrankungen in Frage kommen.
Das interdisziplinäre (Teil-) Projekt zwischen
Tourismusgeographie und Medizin untersucht
durch eine erste Dokumentation und Analyse
von Angebotsseite (Destinationen) und Nach-
frageseite (Touristen), inwiefern der
Klimawandel einen Einfluss auf Angebot und
Nach- frage im Gesundheitstourismus
ausgewählter Destinationen im Alpenraum hat.
Im Detail werden hierfür zwei Arten von
Zivilisationskrankheiten, einerseits chronische
Lungenerkrankungen (COPD) und andererseits
Allergien (Asthma und Heuschnupfen), vor dem
Hintergrund des Klimawandels und seiner
Wahrnehmung durch Touristen unter- sucht.
Dazu werden sowohl klinische Studien als auch
Befragungen von Touristen und touristischen
Leistungsträgern durchgeführt.
Als Untersuchungsregionen für die touristischen
Befragungen dienen zwei alpine Destinationen
(eine auf der Nordseite der Alpen (Garmisch-
Partenkirchen) und eine auf der Südseite der
Alpen (Meran)), welche ein entsprechendes
gesundheitstouristisches Ange- bot bzw.
Potenzial aufweisen.
Abb. 1: Untersuchungsregion Nordalpen - Garmisch-
Partenkirchen (eigene Aufnahme 2015)
Anschließend werden die Einflüsse von
regionsspezifischen Klimaveränderungen sowohl
im Hinblick darauf, wie sich die Erkrankungen
verändern, als auch im Hinblick auf die Touristen,
für die gesundheitliche Aspekte und
Veränderungen der Region bei der Reiseent-
scheidung eine Rolle spielen, analysiert.
Die notwendigen Datenerhebungen werden im
Laufe des Sommers 2015 (Mai bis September)
durchgeführt. In der ersten Befragungsrunde
Ende Mai konnten bereits über 1 000 Touristen
bzw. Einheimische befragt werden.
Die Analyse dieser Daten ist allerdings noch
nicht abgeschlossen, so dass bisher keine
konkreten Ergebnisse aus dieser Befragung
vorliegen.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
19
Abb. 2: Einer von acht Befragungsstandorten der (Tou-
risten-) Befragung in Meran im Mai 2015 - Touriseum im
Schloss Trauttmansdorff (eigene Aufnahme 2015)
Als ein wesentlicher Einfluss der Auswirkungen
des Klimawandels im Alpenraum auf die
untersuchten Erkrankungen werden die durch
die steigenden Temperaturen erwarteten
Vegetationsveränderungen gesehen. Es ist
davon auszugehen, dass es bei einem mittleren
Temperaturanstieg von etwa 3° C zu einer
Verschiebung der Vegetationszonen nach oben
kommt. Bestehende Szenarien gehen davon
aus, dass sich bisher nicht im Alpen- raum
angesiedelte Arten in der collinen Zone
ausbreiten werden. Diese Verschiebung der
Pflanzen nach oben setzt sich über alle Hö-
henstufen hinweg fort (Abb. 3).
Abb. 3: Modellbasierte Erwartungen für die
Vegetationsveränderungen im Alpenraum
(eigene Darstellung nach: Walther 2013; EAWAG 2012)
Diese Verschiebung der Pflanzen in höhere
Regionen kann dazu führen, dass Pflanzen der
jetzigen alpinen Stufe in die nivale Stufe
verdrängt werden oder gänzlich aussterben.
Daher kann auch davon ausgegangen werden,
dass Pflanzenarten, die hinsichtlich der oben
genannten Erkrankungen einen Einfluss auf das
körperliche Wohlbefinden der Menschen haben
(z. B. Gräser und Pollen), neue räumliche
Verbreitungsmuster im Alpenraum auf- weisen.
Dies kann schließlich zu Veränderungen auf der
Angebotsseite des Gesundheitstourismus führen,
da beispielsweise etablierte gesundheits-
orientierte Destinationen auf die sich ändernden
natürlichen Rahmenbedingungen reagieren
müssen. Einerseits könnten diese veränderten
Rahmenbedingungen dazu führen, dass neue
und innovative Angebote/ Therapien entwickelt
werden. Andererseits kann dies aber auch zu
einer gänzlichen Neuausrichtung der
Destinationen führen.
Um auch diesen Entwicklungen Rechnung zu
tragen, werden im Rahmen der Analyse eben- so
die Wahrnehmungen dieser Veränderungen aus
Sicht der Anbieter und Nachfrager miteinander
verglichen. Hierzu werden die Touristen u. a.
nach ihren Reisemotiven, ihrer Einstellung
gegenüber verschiedenen Folgen des
Klimawandels im Alpenraum sowie nach ihren
tatsächlichen Aktivitäten vor Ort befragt. Auf
Seiten der touristischen Leistungsträger werden
hierzu in erster Linie die aus Sicht der Anbieter
wichtigsten künftigen Herausforderungen im
Allgemeinen sowie auch die Wahrnehmung
verschiedenen Folgen des Klimawandels im
Speziellen erfragt. Schließlich werden
Handlungsempfehlungen entwickelt, um die
touristischen Leistungsträger bei den künftigen
Herausforderungen - des (Gesundheits-)
Tourismus - im Alpenraum zu unterstützen und
so auch frühzeitig auf die sich verändernde
Nachfrage vorzubereiten.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
20
FLORA UND VEGETATION DES ZUGSPITZPLATTS AKTUELLER STAND DER
VEGETATIONSÖKOLOGISCHEN ERFORSCHUNG
OLIVER KORCH, ARNE FRIEDMANN
UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]
Die Arbeitsgruppe Biogeographie der
Universität Augsburg erforscht seit 2009 die
Flora und Vegetation des Zugspitzplatts sowie
die Vegetationsdynamik dieses Raumes.
Während der Jahre 2013/2014 wurde die
Vegetationskarte des Untersuchungsgebiets
vervollständigt und ergänzt, das 2010
begonnene Langzeitmonitoring der
Plattvegetation konsequent fortgeführt sowie
das geländeklimatologische Mess- netz
ausgebaut. Zudem konnten die wesentlichen,
die Vegetationsdynamik beeinflussenden
Faktoren weiter differenziert und eingehend
beschrieben werden.
Das Zugspitzplatt besitzt einen herausragen-
den Charakter.
Durch die hochalpine Lage, den langen
Höhengradienten von 700 m sowie dem Neben-
einander von Naturlandschaft einerseits und
der starken anthropogenen und anthropo-
zoogenen Überprägung andererseits bietet sich
dieser Raum ideal für die langfristige
Erforschung vegetationsdynamischer Größen
und Prozesse an. Hinzu kommt eine gewisse
mediale Prominenz als Deutschlands höchst-
gelegenes Untersuchungsgebiet.
Vegetationskartierung
Seit 2014 liegt nun eine mit den Daten des
Beobachtungszeitraums 2013 vervollständigte
Vegetationskarte des Zugspitzplatts im Maßstab
1:5.000 und auf Grundlage der im
Untersuchungsgebiet großflächig
vorkommenden Assoziationen, Subassoziationen
und Varianten vor (Abb. 1).
Abb.1: Vegetationskarte des Zugspitzplatts 1:5.000
(Korch 2014).
Neben den in den Wissenschaftlichen Resultaten
2001/2012 bereits dargestellten Pflanzen-
gesellschaften (Korch & Friedmann 2012)
wurden die anthropo-zoogen bedingten
Assoziationen nun nochmals differenzierter
beschrieben. So gehen besonders in der alpinen
Zone des Zugspitzpatts nachfolgende Syntaxa
unmittelbar auf die Beweidung durch Schafe
zurück (Abb. 2):
- Das Geo montani-Nardetum strictae. Diese
durch das Borstgras (Nardus stricta) dominierte
Gesellschaft ist auf die Beweidung bodensaurer
Standorte (ehemalige Latschenstandorte mit
Tangelrendzinen sowie al- lochthone
Braunerden) innerhalb des Unter-
suchungsgebietes zurückzuführen. Hierbei
erlangt das Borstgras, da es nach dem Ein-
dringen in eine Pflanzengesellschaft von dem
Vieh gemieden wird, sukzessive immer größere
Dominanz (Grabherr, 1993). Vorhandene
Charakterarten anderer Gesellschaften können
auf die ursprüngliche Assoziation weisen.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
21
- Das Alchemillo-Poetum supinae als punk-
tuelle, typische Gesellschaft der Lägerstellen. In
Bereichen, an denen die Schafe sich länger zum
Ruhen und Wiederkäuen aufhalten, herrscht eine
artenarme, individuenreiche Vegetation
konkurrenzstarker Arten vor, welche sich unter
den eutrophen Standortverhältnissen gegen
konkurrenzschwächere Arten etwa aus dem
artenreicheren Polsterseggenrasen (Caricetum
firmae) durchzusetzen vermag.
Abb.2: Geo montani-Nardetum strictae (links) und
Alchemillo-Poetum supinae (rechts) als durch die Wei-
detätigkeit der Schafe bedingte Pflanzengesellschaf-
ten auf dem Zugspitzplatt.
Die Obergrenze des Latschengürtels ist
vermutlich ebenfalls anthropo-zoogen zugunsten
artenreicherer Rasen und Zwergstrauchheiden
herabgesetzt. Hierauf deuten der allgemein vitale
Zustand und auch das Fruchten der
Latschenbüsche. Knapp oberhalb der aktuellen
Latschengrenze konnten mehrmals Holzreste im
Boden gefunden werden. Die 14- C-Datierung
einer Probe ergab ein mittleres konventionelles
Alter von 195 BP (+/- 39 Jahre), was einer
Datierung in die Mitte bzw. die zweite Hälfte des
18. Jh. entspricht.
Die bereits in den in den Wissenschaftlichen
Resultaten 2011/2012 beschriebene insgesamt
große Vielfalt und Heterogenität der Flora und
Vegetation des Platts konnte durch
weitergehende Untersuchungen und auf
Grundlage einer breiteren Datenbasis bestätigt
werden (Abb. 3). Die Anzahl der bisher erfassten
Gefäßpflanzen-Arten stieg nach Ende der
Geländesaison 2014 auf 166. Hinzu kommen 24
Moos- sowie 17 Flechtenarten.
Abb.3: Detrended Correspondence Analysis (Hill &
Gauch,1980) für die in den Aufnahmeflächen vorge-
fundenen Arten (verändert nach Korch, 2014). Die
Gradient-Länge der ersten Achse beträgt über neun
Standardabweichungen, die der zweiten Achse etwa
sechseinhalb. Bei einer Gradient-Länge >4 kann davon
ausgegangen werden, dass zwei Arten nicht mehr am
selben Standort vorkommen (Leyer & Wesche, 2007).
Dauerbeobachtung
Das 2010-2012 initiierte Dauermonitoring der
Vegetation wurde auf 38 Flächen während der
Jahre 2013/2014 fortgesetzt. Es wurden für jede
Dauerbeobachtungsfläche mindestens zwei
Aufnahmen aus verschiedenen Jahren
durchgeführt, für viele bis zu vier Aufnahmen.
Hinsichtlich der bisher erzielten Ergebnisse ist
bislang aber noch kein eindeutiger Trend fest-
zustellen. Während sich beispielsweise der
Polsterseggenrasen der Dauerbeobachtungs-
fläche 10 (Tab. 1) 2012 positiv entwickelt hatte,
verlief diese Entwicklung im darauffolgenden
Jahr wieder negativ. Andere Beobach-
tungsflächen zeigten jedoch teilweise
Tendenzen hin zu gegenläufigen Entwicklungen.
Um belastbare statistische Aussagen hinsichtlich
langfristiger Trends der Vegetationsent- wicklung
etwa im Zuge klimatischer Veränderungen treffen
zu können, ist somit eine konsequente Pflege
und Fortführung des Dauer monitorings für die
Zukunft unbedingt angezeigt.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
22
Tab.1: Darstellung des Dauermonitorings für die Dau-
erbeobachtungsfläche 10 für die Jahre 2011 (Anlage)
sowie die Wiederaufnahmen 2012 und 2013.
DBF 10: RW: 0651436 HW: 5252035
Jahr 2011 2012 2013 Aufnahme 126 229 287 Höhe (m) 2054 2054 2054 Exposition ONO ONO ONO Neigung (°) 2 2 2 Höhe Kra. (cm) 10 7,5 20 Deck. Kra. (%) 85 80 90 Deck. Moos (%) 5 1 5 Aufnahmefläche (m²) 9 9 9
VC/AC
Androsace chamaejasme 2m 1 1 Carex firma 3 2b 2b Euphrasia salisburgensis + 1 1 Festuca quadriflora 2m 1
r 1
Helianthemum alpestre 1 r
DV/DA
Dryas octopetala 2a 3 2b Ranunculus alpestris 1 1 2m
KC/OC
Alchemilla hoppeana Carduus defloratus
r .
. . r .
Galium anisophyllon 1 1 1 Gentiana verna Gentianella aspera Sesleria albicans
.
. 1
+ 1
2m
. + 1 + Veronica aphylla 1 1
Begleiter
Bistorta vivipara 1 . 1 Campanula scheuchzeri 1 1 1 Carex ornithopodioides Festuca alpina Festuca rupicaprina
.
. +
1 +
.
. . .
Homogyne alpina 1 1 . Potentilla brauneana . r . Selaginella selaginoides + .
1 1
2m Vaccinium vitis-idaea 2m Änd. gegenüb. vorangeg. Aufn. . . -6 Artenanzahl 17 19 15
Geländeklimatologie
Das Netz aus Dataloggern (Temperatur und
relative Luftfeuchtigkeit) wurde bis 2014 um
weitere Messpunkte auf nun 8 ausgeweitet.
Hierbei wurden immer zwei Messstationen an
benachbarten Standorten gruppiert, um die
geländeklimatologische Heterogenität erfassen
zu können. Die Auswertung der bisherigen
Messdaten unterstreicht diese große klimatische
Standortvariabilität eindrucksvoll (Abb. 4).
Abb.4: Verlauf der Lufttemperatur für die Datalogger
unterhalb der Plattspitzen für den Zeitraum 23.08.2012-
30.07.2013. Während der windexponierte Logger 1 den
Jahresgang der Lufttemperatur wieder- gibt, befand
sich Logger 2 während eines Großteils des
Messzeitraums unter Schneebedeckung (Korch 2014).
Vegetationsdynamik Die Vegetationsdynamik auf dem Zugspitz- platt wird zusammenfassend im Wesentlichen durch die in Abbildung 5 dargestellten Faktoren gesteuert.
Abb.5: Vegetationsdynamik auf dem Zugspitzplatt.
Über den Vektor Zeit verändert das Zusammenspiel der
anderen Faktoren die Vegetation.
Danksagung Unser Dank gilt dem Bayerischen Staatsmi-
nisterium für Umwelt und Verbraucherschutz
(bis 2014 Staatsministerium für Umwelt und
Gesundheit) für die Finanzierung der Forschung
im Rahmen der Forschungsvorhaben
KLIMAGRAD I (2009-2013) und KLIMAGRAD
II (seit 02.2015). Ebenfalls möchten wir der
Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG für die
Unterstützung durch Freifahrten auf das
Zugspitzplatt danken.
Literatur Grabherr, G.: Caricetea curvulae. - Grabherr, G.
und Mucina, L. [HRSG.] (1993): Die
Pflanzengesellschaften Österreichs. Teil II:
Natürliche und waldfreie Vegetation: 343-372.,
1993.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
23
Hill, M.O. und Gauch, H.G.: Detrended
Correspondence Analy- sis: An Improved
Ordination Technique. - Vegetatio 42: 47–58,
1998.
Korch, O.: Untersuchungen zu Flora und
Vegetation des Zugspitzplatts
(Wettersteingebirge, Bayerische Alpen) -
Rezente Vegetationsdynamik unter besonderer
Berücksichtigung klimatischer und anthropo-
zoogener Prozesse. Dissertation, Universität
Augsburg, 2014.-
Korch, O. und Friedmann, A.: Aktueller Stand
und Ergebnisse der vegetationskundlichen
Untersuchungen auf dem Zugspitzplatt. In: UFS
- Wissenschaftliche Resultate 2011/12, 11-12,
2012.
Leyer, I. und Wesche, K. : Multivariate Statistik
in der Ökologie. – korr. Nachdruck 2008, 221 S.,
Berlin, 2007.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
24
STATISTISCHE MODELLIERUNG WASSERHAUSHALTSRELEVANTER KLIMAPARAMETER FÜR
DEN HOCHGEBIRGSRAUM
ANDREAS PHILIPP, SEVERIN KASPAR, CHRISTOPH BECK, JUCUNDUS JACOBEIT
UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]
Um langfristige künftige Veränderungen des
alpinen Wasserhaushalts besser ein- schätzen
zu können, wird eine Maximierung der
Modellgüte statistischer Verfahren an-
gestrebt. Hierbei konnten mit Klassifikati-
onsverfahren bereits bemerkenswerte
Gütemaße für die Lufttemperatur erreicht
werden. Aktuelle Arbeiten zur
Implementierung künstlicher Neuronaler
Netze lassen jedoch noch weitere deutliche
Verbesserungen, insbesondere für den
Niederschlag, erwarten.
Als Steuerfaktoren für den Wasserhaushalt
spielen Veränderungen sowohl des
Niederschlags als auch der Lufttemperatur in
Hochgebirgsregionen eine maßgebliche Rolle.
Die Bedeutung der Lufttemperatur ergibt sich
insbesondere durch die Steuerung der
Rücklagenbildung bzw. -reduktion bei Gefrier-
und Schmelzvorgängen. Beide Klimaparameter
hängen im Wesentlichen ab von der
atmosphärischen Zirkulation, d. h. der
räumlichen Verteilung und Intensität von Hoch-
und Tiefdruckgebieten, die ihrerseits Ein- und
Ausstrahlung sowie Luftmassentransport und
somit Energie- und Feuchteflüsse steuern.
Um dekadische und säkulare klimatische
Veränderungen einschätzen zu können, werden
globale und regionale Klimamodelle betrieben,
die die großskalige atmosphärische Zirkulation
im Wesentlichen gut, die kleinskaligen
Veränderungen von Temperatur und
Niederschlag jedoch immer noch nur
unzureichend wiedergeben können. Dies gilt
umso
mehr, als kleinräumige Unterschiede im stark
reliefierten Hochgebirge, etwa zwischen
vergletscherten und unvergletscherten Lagen,
nicht aufgelöst werden können, obgleich sie
für den alpinen Wasserhaushalt von hoher
Relevanz sind.
Gestützt auf die relativ hohe Qualität der
großskaligen Zirkulationsdaten der Klimamodelle
lassen sich jedoch statistische
Modellierungsverfahren entwickeln, die die
Beziehung zwischen Temperatur oder
Niederschlag einzelner Standorte und der groß-
skaligen Zirkulation aus der Vergangenheit auf
die Zukunftsszenarien projizieren (sog.
statistische Downscalingverfahren). Die
Verlässlichkeit derartiger Projektionen hängt je-
doch maßgeblich von der Modellgüte der
statistischen Techniken ab, die mit Validierungs-
datensätzen überprüft werden kann, also
Teilstichproben aus der Vergangenheit, die
nicht zur Erstellung der Modelle verwendet,
sondern allein für die Abschätzung der
Modellqualität reserviert wurden.
Im Rahmen der zweiten Phase des
Forschungsvorhabens Virtuelles
Alpenobservatorium (VAO-II) werden
insbesondere folg. zwei statistische Verfahren
implementiert und optimiert: i) für den
jeweiligen Standort und Paramater optimierte
Zirkulationstypenklassifikationen (RCF, engl.
reference class forecast) sowie ii) künstliche
neuronale Netze (ANN, engl. artificial neural
networks).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
25
Reference Class Forecast Modelle
Das Prinzip dieses Verfahrens besteht in der
Erstellung von Wetterlagenklassifikationen auf
Grundlage beobachteter Zirkulationsdaten und
der Ermittlung des typischen Temperatur- bzw.
Niederschlagswertes am Zielstandort für jede
Klasse. Zur Modellierung können anschließend
neue Zirkulationsdaten (z. B. zur Validierung
oder aus Klimamodellsimulationen) den Klassen
zugeordnet und der typische Wert der
entsprechenden Klasse als Modellwert
verwendet werden. Die Modellgüte lässt sich im
Falle der Validierung dann z. B. durch den (evt.
quadrierten) Korrelationskoeffizienten zwischen
Modellwertreihe und beobachteten
Temperaturen oder Niederschlagssummen
ermitteln.
Im Rahmen des VAO-II-Programmes wurden
zunächst die geeignetsten Klassifikationen aus
der schon bestehenden COST733- Datenbank
ermittelt. Weiterhin wurden spezielle
Klassifikationen entwickelt, die individuell für
Temperatur und Niederschlag an den genannten
Stationen optimiert sind, insbesondere durch
die Integration der (optimal gewichteten)
Zielvariablen selbst. Abbildung 1 (oben) zeigt,
dass für die Temperatur der Station Zugspitze
(ähnlich auch für den Sonnblick) bereits recht
hohe Modellgüten erreicht werden.
Interessanterweise sind jedoch nicht immer die
individuell optimierten VAO-II- Klassifikationen
führend, was ein Hinweis auf weiteres
Steigerungspotential ist, da die besten
COST733-Klassifikationen mit einer vor-
geschalteten Hauptkomponentenanalyse
arbeiten, die für die VAO-II-Klassifikationen bis-
lang noch nicht verwendet wurde. Weitere
Analysen sollen diese mögliche zusätzliche
Verbesserung, die auf eine Art Tiefpassfilter-
wirkung der Hauptkomponentenanalyse für die
Zirkulationsdaten zurückgeführt wird, weiter
verfolgen. Die Modellgüten für den
Niederschlag (Abb. 1 unten) liegen
bemerkenswerterweise insgesamt deutlich über
denen von Tieflandsstationen (hier nur i. d. R.
R²<0,2) und erreichen für die Zugspitze
maximale Werte von R²=0,42 im Winter (am
Sonnblick R²= 0,33). Auch ergeben sich für die
VAO-II-Optimierung durchweg Verbesserun- gen
im Vergleich zu den COST733- Klassifikationen.
Allerdings wird in keiner Jahreszeit mehr als die
Hälfte der Varianz des Niederschlags durch die
Modelle erklärt, was für die Erstellung robuster
Modellprojektionen immer noch unzureichend ist.
Abb.1: Modellgüte für Temperatur
und Niederschlag der Station Zugspitze im Vergleich
zwischen COST733 und eigens optimierten Klassifikationen
(VAO-II) auf Tagesbasis für drei- monatige Jahreszeiten.
R² ist der quadrierte Korrelationskoeffizient zwischen
modellierter und beobachteter Zeitreihe im
Validierungszeitraum (2001 bis 2013).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
26
Künstliche neuronale Netze
Im aktuell laufenden zweiten Projektteil wer-
den Lernalgorithmen für das Training künstlicher
neuronaler Netze (ANN) implementiert. In
einem ANN wird durch die Weitergabe
gewichteter Informationen zwischen einzelnen
Elementen (Neuronen) des Netzes eine
Abbildungsfunktion zwischen dem Prädiktor
(Zirkulationsdaten) und einem Prädiktanden
(Temperatur bzw. Niederschlag) iterativ
optimiert. Als sog. Eingabeneuronen dienen die
Gitterpunktwerte des Zirkulationsdatensatzes,
als Ausgabeneuron der Niederschlag bzw. die
Temperatur selbst. Zwischen diesen zwei
Ebenen können beliebig viele sog. versteckte
Neuronen konfiguriert werden. Eine elementare
Frage stellt sich hierbei hinsichtlich der optimalen
weiteren Neurons steigt, anstatt wie im
Trainingsdatensatz weiter zu sinken, da hier die
Übertragbarkeit reduziert wird. Abbildung 2 zeigt
das Ergebnis einer derartigen aufwändigen
Evaluierungsprozedur für die Temperatur der
Zugspitze mit einem charakteristischen Ansteigen
des Fehlerbalkens nach ca. 7-8 versteckten
Neuronen. Diese Optimierungen führen für die
Temperatur der Zugspitze bereits jetzt zu
erklärten Varianzanteilen von 98 %, für den
Niederschlag ist jedoch noch immer
Steigerungsbedarf sicht- bar, dem im
bevorstehenden letzten Projekt- teil u. a. durch
die Kombination von ANN mit optimierten
Klassifikationen genüge getan werden soll.
Abb.2: Veränderung des Modellfehlers (Mean Square Error, Ordinate) für neuronale Netze bei Erhöhung der Anzahl der
versteckten Neuronen (Farben) für die Temperatur der Zugspitze nach Monaten. Dargestellt ist der Fehler des Validie-
rungsdatensatzes, der nach anfänglicher Abnahme jeweils wieder ansteigt und damit die optimale Anzahl an
versteckten Neuronen anzeigt. Die Fluktuation aus randomisiert initialisierten Trainingsläufen ist zur Beurteilung der
Robustheit in Strichen dargestellt.
Anzahl der versteckten Neuronen. Eine zu
hohe Zahl kann zu einer schlechten
Übertragbarkeit des Modells auf neue Daten
führen, da dann die Tendenz steigt, Einzelfälle
aus dem Trainingsdatensatz in den Gewichten
abzuspeichern (Auswendiglernen). Eine zu
geringe Anzahl wiederum führt zur
mangelhaften Repräsentation niederschlags-
bzw. temperaturrelevanter Prozesse. Eine
optimale Anzahl kann genau dann festgestellt
werden, wenn der Fehler im
Validierungsdatensatz bei Hinzunahme eines
Danksagung
Wir bedanken uns für die Förderung des Forschungsvorhabens durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) im Rahmen des Verbundprojekts Virtuelles Alpenobservatorium (VAO-II).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
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HYDROLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM EINZUGSGEBIET DES PARTNACH-URSPRUNGS
GEORG STROBL & KARL-FRIEDRICH WETZEL
UNIVERSITÄT AUGSBURG, [email protected]
Die Universität Augsburg führt seit 1996 hydrologische Untersuchungen im Einzugs- gebiet des Partnach-Ursprungs durch. Diesen Untersuchungen kommt im Rahmen des Klimawandels eine erhebliche Bedeutung zu, da die Alpen einen hohen Wasserumsatz aufweisen und gleichzeitig besonders stark vom Klimawandel betroffen sind (Gobiet et al., 2014)
Messnetz im Zugspitzgebiet
Im Hochgebirge sind empirische Untersu-
chungen zur Hydrologie nur mit einem
erheblichen Aufwand durchzuführen, da aufgrund
des Reliefs und der teils extremen
Witterungsverhältnisse Messungen sehr
aufwendig sind. Die UFS Schneefernerhaus
bietet im Hochgebirgsraum beste
Voraussetzungen für hydrologische
Untersuchungen (vgl. Rappl et al., 2010).
Abb.1: Schneehydrologische Messstation „Süd“ auf dem
Zugspitzplatt.
Im Sommer 2013 wurde mit den Vorbereitun-
gen zur Installation von drei schneehydrologi-
schen Messstationen begonnen. Die Stationen
wurden am 13. November eingeflogen und
montiert (Abb. 1). Aufgrund witterungs-
bedingter Probleme erfolgte die Inbetriebnahme
der Stationen schrittweise. Zusammen mit den
Messstationen des DWD und des Bayerischen
Lawinenwarndienstes besteht jetzt ein Netz von
sechs Klimastationen auf dem Zugspitzplatt
(Abb. 2). Darüber hinaus erfolgte im Juli 2014 die
Inbetriebnahme einer Pegelanlage mit
Wasserstandserfassung mittels keramischer
Drucksonde sowie redundant über ein Pegelradar
an der Wasserfassung der Reintalangerhütte des
DAV. Damit ist eine kontinuierliche
Pegelerfassung an der Part- nach direkt
unterhalb des Partnach-Ursprungs mit
Datenfernübertragung gewährleistet.
Abb.2: Pegelstation sowie schneehydrologische und
meteorologische Messstationen auf dem Zugspitzplatt.
Zur Hydrologie des Partnach-Ursprungs
Seit dem Sommer 1996 liegen mit einzelnen
Unterbrechungen Pegeldaten eines Hilfspegels
an gleicher Stelle vor. Die Berechnung von
Abflüssen (Q) aus den aktuellen Pegeldaten (W)
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
28
erfolgt über eine vorläufige Wasser- stand-
Abfluss-Beziehung (W/Q-Beziehung), die von
Schirmer und Wetzel (2015) mit der
Salzverdünnungsmethode erstellt wurde.
Die in unterschiedlichen Zeitintervallen vor-
liegenden Abflussdaten wurden mittels
statistischer Methoden homogenisiert und in
eine einheitliche Datenstruktur mit 1-stündlicher
Auflösung überführt. Anschließend wurden die
Abfluss-Hauptwerte bestimmt (vgl. Tab. 1).
Während der Wintermonate können an der
Pegelstation technisch- oder witterungsbedingt
keine verlässlichen Abflusswerte erfasst werden,
da die Partnach zeitweise trocken fällt oder das
Messgerinne durch Schnee- und Eis verfüllt ist.
In der Datenauswertung wurde entsprechend nur
das hydrologische Sommerhalbjahr (Mai –
Oktober) berücksichtigt. Auch in den
Sommerhalbjahren liegen teils unterschiedlich
lange Aufzeichnungszeiträume vor, da in
einzelnen Jahren Lawinenschnee die Pegeldaten
verfälscht hat oder die Messstelle aufgrund von
Lawinengefahr nicht eingerichtet werden
konnte.
Tab.1: Mittlere Abflüsse, Extremwerte und monatliche
Pardé-Koeffizienten am Partnach-Ursprung während des
hydrologischen Sommerhalbjahres (SHJ) im Zeit- raum
1996 – 2014.
Die Auswertung der Sommerhalbjahre
verdeutlicht die Abflussschwankungen der Part-
nach (Tab. 1). In Abhängigkeit von
Schneerücklagen und somit von Schnee-
schmelzabflüssen sowie sommerlichen
Niederschlagsereignissen treten am Partnach-
Ursprung während des Sommerhalbjahres mittlere
monatliche Abflüsse von 0,42 m³/s – 3,28 m³/s auf
(NMQMONAT - HMQMONAT). Die Spannweite
einzelner Abflussextremwerte reicht sogar von
0,32 m³/s – 16,77 m³/s (NNQSHJ – HHQSHJ ). Jahre
mit hohen durchschnittlichen sommerlichen
Abflüssen weisen dabei hohe Abflüsse vor allem in
den Monaten Juni und Juli auf. Dies ist der
Zeitraum der intensivsten Schneeschmelze und
zeigt die Relevanz der winterlichen
Schneerücklage für den Abfluss des folgenden
Sommerhalbjahres. Die Abflusskoeffizienten nach
Pardé von 1,61 und 1,47 in den Monaten Juni und
Juli (Tab. 1), die auf Basis der Monatsmittel und
des mittleren sommerlichen Abflusses berechnet
wurden, verdeutlichen dies und charakterisieren
ein nivales alpines Abflussregime. Während
Abflussmaxima vornehmlich durch andauernde
sowie heftige konvektive Sommerniederschläge
verursacht werden, sind niedrige Abflüsse vor
allem in frühsommerlichen Trockenperioden
durch geringe Schneerücklagen auf dem
Zugspitzplatt und somit einen geringen
Füllungsstand des Karstspeichers verursacht. Die
Niedrigwasserperioden im Herbst wiederum sind
fast ausschließlich auf das Ausbleiben flüssiger
Niederschläge zurückzuführen. In dieser Jahreszeit
sind die Schneedecken ausgeapert und die
Schmelzwasserabflüsse aus Gletscherresten gehen
aufgrund abnehmender Temperaturen stetig
zurück, sodass keine signifikante Speisung des
Karstkörpers erfolgt. Die Abflussganglinien in
Abbildung 3 zeigen diesen Rückgang mit
auslaufendem Karstspeicher und stetig sinkenden
Abflüssen ab Mitte August deutlich. Weiterhin
werden anhand der Abflussganglinien und
Dauerlinien der Sommerhalbjahre 2011 und 2014
die erheblichen Differenzen im Abflussgang
einzelner Jahre verdeutlicht (Abb. 3). Bei nahezu
identischen Schneerücklagen nach Daten der
DWD- Messstation Zugspitze (Winterhalbjahr
2010/11: 858 mm, 2013/14: 856 mm) werden die
Unterschiede der Dauerlinien nur durch die sehr
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
29
hohen Niederschläge im Juli und August 2014
verursacht.
Abb.3: Ganglinien und Dauerlinien mittlerer täglicher
Abflüsse der Sommerhalbjahre 2011 und 2014 am Pegel
Partnach-Ursprung
Zusammenfassung und Ausblick
An der Pegelstation Partnach-Ursprung liegen für
14 Jahre Daten zu Abflüssen vor. Erste
Auswertungen der Zeitreihen zeigen erhebliche
Schwankungen der Abflüsse. Zwischen
Schneerücklage und sommerlichem Abfluss
besteht ein deutlich nachweisbarer Zusam-
menhang. Sommerliche Starkregenereignisse
verursachen die Abflussmaxima im Jahres-
gang. Der Herbst ist vom Auslauf des
Karstkörpers geprägt. Weiterführende
statistische Analysen werden in Zukunft möglich,
wenn qualitativ hochwertige Abflussdaten
weiterer Sommerhalbjahre vorliegen. Daher sind
ein weiterer Ausbau der Messinstrumentierung
und zusätzliche Messkampagnen vorgesehen.
Das kontinuierliche und zeitlich sowie räumlich
hochaufgelöste schnee- und glazialhydro-
logische Monitoring im Zugspitzgebiet soll
intensiviert werden. Auf dieser Grundlage
werden letztlich Konzepte, Modelle und
Methoden (weiter-) entwickelt, die später auch in
vergleichbaren Gebieten ohne ausreichende
Instrumentierung genutzt werden können.
Förderhinweis und Danksagung
Wir bedanken uns für die Förderung des For-
schungsvorhabens durch das Bayerische
Staatsministerium für Umwelt und
Verbraucherschutz (StMUV). Ein herzlicher
Dank ergeht an Herrn Dr. David Morche
(Universität Halle) für die Bereitstellung von
Abflussdaten. Weiterhin sei dem Bayerischen
Lawinenwarndienst (LWD), dem Deutschen
Alpenverein (DAV) und der Bayerischen
Zugspitzbahn Bergbahn AG (BZB) für
Unterstützung sowie dem LRA Garmisch-
Patenkirchen für die Ausstellung der
wasserrechtlichen Genehmigung für
Abflussmessungen gedankt.
Literatur
Gobiet, A., S. Kotlarski, M. Beniston, G.
Heinrich, J. Rajczak und Stoffel, M.: 21st century
climate change in the European Alps—A review. -
Science of the Total Environment, 493, 1138 –
1151, 2014.
Rappl, A., K.-F. Wetzel, G. Büttner und Scholz,
M.: Tracerhydrologische Untersuchungen am
Partnach-Ursprung. In: Hydrologie und
Wasserwirtschaft 54, S. 220-230, 2010.
Schirmer, M. und Wetzel, K.-F.: Erstellung einer
Wasserstands- Abflussbeziehung an einem
hochalpinen Wildbach. – Geographica
Augustana Manuskripte, 17, S. 9-14, 2015.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
30
WASHOUT VON AEROSOLGEBUNDENEN RADIONUKLIDEN MIT SCHNEE
KERSTIN HÜRKAMP, FELIX BERNAUER UND JOCHEN TSCHIERSCH
HELMHOLTZ ZENTRUM MÜNCHEN, NEUHERBERG, [email protected]
Das Helmholtz Zentrum München (HMGU)
untersucht seit 2011 an der UFS die Effizienz
des Auswaschprozesses von aerosolge-
bundenen Radionukliden aus der Atmosphäre
in Abhängigkeit der Niederschlagsart sowie
meteorologischer und schneephysikalischer
Parameter.
Nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 hat
sich gezeigt, dass die Regionen, in denen es
zum Zeitpunkt der Freisetzung von
Radioaktivität geschneit hat, heute die am
stärksten kontaminierten Böden aufweisen.
Jedoch existieren starke Unterschiede zwischen
beobachteter und vorhergesagter nasser
Deposition (Morino et al. 2011), die
möglicherweise auf die fehlende
Berücksichtigung von Schnee als
Niederschlagsart in Radionuklid-Ausbreitungs-
Modellen zurückzuführen ist.
Nasse Deposition mit Schnee gilt als sehr
effektiver Prozess der Ablagerung aerosolge-
bundener Radionuklide (Tschiersch 2001). Eine
genaue Quantifizierung der Effizienz und
Parametrisierung steht allerdings noch aus.
Daher wurde am Schneefernerhaus die
Abhängigkeit der nassen Deposition aerosolge-
bundener Radionuklide für unterschiedliche
Niederschlagsereignisse von der
Niederschlagsart und –intensität und der
Aerosolpartikelgröße untersucht.
Aus kontinuierlichen Messungen der atmo-
sphärischen Aerosolkonzentration mit einem
Scanning Mobility Particle Sizer (SMPS, Daten
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
Dr. Ludwig Ries, Umweltbundesamt) wurden
Washout-Koeffizienten (auch Scaven-ging-
Koeffizienten genannt) für die Deposition
partikelgebundener Stoffe mit Niederschlag
berechnet und parametrisiert.
Charakterisierung und Klassifizierung der
Niederschlagsereignisse
Abb. 1: 2D-Video-Distrometer (2DVD) zur Charakteri-
sierung der Schneefallereignisse kombiniert mit einer
Niederschlagswaage, installiert auf der Messterrasse im
4. OG der UFS (Bernauer, 2015).
Für das 2D-Video-Distrometer (2DVD, Abb. 1),
das für die Charakterisierung der Ereignis- se
zum Einsatz kam, wurde ein neuer Algorithmus
für Schnee programmiert (Bernauer et al., 2015a)
und eine geeignete Schneeklassi- fizierung auf
Grundlage der gemessenen Parameter
entwickelt (Bernauer et al., 2015b). Die
Klassifizierung basiert auf der Fallge-
schwindigkeit und der Oberflächenstruktur der
Hydrometeore, hauptsächlich bestimmt über
den Bereifungsgrad und die Kristallform. Mit
Hilfe der neuen Software ist nun eine
automatische Klassifizierung für Schnee mit drei
unterschiedlichen Intensitätsklassen und
Bereifungsgraden für die Kristallformen komplexe
-, Einzel- und kugelförmige Kristalle (Abb.2)
möglich.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
31
Abb. 2: Beispiele von 2D-Video-Distrometer-Bildern der
drei klassifizierten Kristallarten. Aus den 2DVD-Daten
wurden u. a. Parameter der Krümmung und Formfaktor
berechnet (Bernauer 2015, Bernauer et al. 2015b).
Als Ergebnis der Klassifikation liegt letztlich ein
umfangreicher Datensatz der Ereignisse von
November 2012 bis Dezember 2014 zur
Parametrisierung der Scavenging-Koeffizienten
vor. Aus 4800 h aufgezeichneten Niederschlags
passierten 12 % die Kriterien der
meteorologischen Stabilitätskontrolle. Der
verbleibende Datensatz besteht aus 74 %
Schnee-, 19 % Schneeregen- und 7 %
Regenereignissen. Die dominierende Kristallart
war zu 71 % komplexe Kristalle und Aggregate,
16 % kugelförmige Kristalle und 4 %
Einzelkristalle.
Berechnung der Scavenging-Koeffizienten Die
Effektivität des Auswaschprozesses hängt von
den Eigenschaften der ausgewaschenen
Substanzen (Löslichkeit, Partikelgröße) und
den Niederschlagscharakteristika (Nieder-
schlagsintensität, Tropfenspektrum) ab. Der
Scavenging-Koeffizient Λ beschreibt den
Transferprozess eines Stoffes auf den Boden
über seine Konzentration c im Aerosol. Der
Auswaschprozess kann als Zerfall erster
Ordnung beschrieben werden und errechnet
sich aus der Konzentrationsabnahme aus drei
aufeinander folgenden Messungen der parti-
kelgrößenfraktionierten Aerosole (Bernauer,
201; Kyrö et al., 2009; Laakso et al., 2003). Für
die aufgenommenen Niederschlagsereignisse
sind die berechneten Scavenging-Koeffizienten
für Schnee-, Schneeregen und Schnee in
Abbildung 3 dargestellt. Sie zeigen eine klare
Abhängigkeit vom Aerosolpartikeldurchmesser
und variieren über 1-1,5 Größenordnungen. Für
Schnee liegen sie im Mittel über alle Parti-
kelgrößen bei (3,3 ± 0,8) ∙ 10-4 s-1. Die höchsten
Koeffizienten wurden für die kleinsten
Partikelgrößen um die 10 nm und für die
größten Größen zwischen 400-500 nm be-
rechnet. Zwischen 30-50 nm liegt eine Zone
mit den geringsten Scavenging-Koeffizienten,
die sogenannte Greenfield Gap. Der höchste
gemittelte Scavenging-Koeffizient über alle
aufgenommenen Ereignisse wurde für
Schneeregen mit (4,5 ± 1,0) 10-4 s-1 bestimmt.
Abb. 3: Mittlere Scavenging-Koeffizienten für Schnee-,
Schneeregen- und Regenereignisse (Bernauer 2015).
Das Minimum der Scavenging-Koeffizienten ist
am ausgeprägtesten für Regen. Schnee hat
durch seine größere Oberfläche eine höhere
Effizienz für Diffusionsprozesse und daher ein
weniger deutliches Minimum als Regen und in
der Größenklasse 30-60 nm die höchsten
Scavenging-Koeffizienten. Für größere Partikel
sind die Schneeregenereignisse am
effizientesten. Das kann auf die komplexe
Oberfläche, hohe Fallgeschwindigkeiten und
hohe Wassergehalte der Flocken zurückgeführt
werden. Die Prozesse der Interzeption und
Impaktion werden besonders effizient und sind
bedeutend für die Auswaschung größerer
Aerosolpartikel, u. a. der Radionuklide. Auch die
Abhängigkeit vom Schneekristalltyp ist
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
32
abhängig vom Aerosolpartikeldurchmesser (Abb.
4). Einzelkristalle sind am effizientesten im Aus-
waschprozess. Sie sind stark beeinflusst durch
kleinskalige atmosphärische Turbulenzen und
ihre Aufenthaltszeit in der Atmosphäre ist länger
als die der größeren und schwereren Kristalle auf
Grund langsamerer Fallgeschwindigkeiten. In der
gleichen Größenklasse haben komplexe Kristalle
höhere Scavenging -Koeffizienten als kugel-
förmige Kristalle. Kügelchen haben gut definierte
Trajektorien in der Atmosphäre, fallen schnell
und haben eine kleine Oberfläche für die
Aufnahme von Aerosolpartikeln.
Für die Implementierung in Entscheidungshilfe-
systemen für nukleare Notfälle wurden die
Scavenging -Koeffizienten mit Hilfe des bereits
integrierten Potenzgesetzes Λ = A (I/I 0 ) B in
Abhängigkeit von der Niederschlagsrate I
parametrisiert. Es liegen nun Parameter
(Konstanten A und B, Tab. 1 ) für verschiedene
Typen von Niederschlagsereignissen mit
Intensitäten zwischen 0,1 -4,0 mm/h vor. Bei
Niederschlagsraten unter 1, 5 mm/h hat Schnee
höhere Washout-Effizienzen als Regen.
Besonders bei Niederschlagsereignissen mit
schwachen Intensitäten um die 0,5 mm/h ist der
Auswaschprozess durch Schneefall etwa achtmal
effizienter als der durch Regen.
Literatur:
Bernauer, F.: Atmospheric washout of radioactive aerosol for different types of precipitation events. Dissertation Helmholtz Zentrum München, 2015. Bernauer, F., Hürkamp, K., Rühm, W und Tschiersch, J.,:. On the consistency of 2D-Video disdrometers in measuring microphysical parameters of solid precipitation. Atmospheric MeasuremenTechniques 8, 3251-3261, 2015 a.
Bernauer, F., Hürkamp, K., Rühm, W. und Tschiersch, J.: Snow event classification with a 2D-Video Disdrometer - a decision tree approach. Atmospheric Research, submitted,2015 b.
Kyrö, E.-M., Grönholm, T., Vuollekoski, H., Virkkula, A., Kulmala, M. und Laakso, L.: Snow scavenging of ultrafine particles: field measurements and parameterization. Boreal Environ. Res., 6095, 527-538, 2009.
Laakso, L., Grönholm, T., Rannik, U., Kosmale, M., Fiedler, V., Vehkamäki, H. und Kulmala, M.: Ultrafine particle scavenging coefficients calculated from 6 years field measurements. Atmos. Environ., 37, 3605-3613, 2003.
Morino, Y., Ohara, T. und Nishizawa, M.: Atmospheric Behavior, Deposition, and Budget of Radioactive Materials from the Fukushima Daiichi Nuclear Power Plant in March 2011.Geophysical Research Letters, 38, L00G11, 20011
Tschiersch, J.: Snow deposition of a trace aerosol. Journal of Aerosol Science, 32, S195-S196, 2001.
Abb. 4: Mittlere Scavenging-Koeffizienten für Schneeereignisse in Abhängigkeit des Kristalltyps (Bernauer, 2015).
Tab. 1: Fit -Parameter A und B für das Potenzgesetz Λ =A(I/I 0 ) B für unterschiedliche Arten von Niederschlagsereignissen zur Implementierung in Radionuklid -Ausbreitungsmodelle (Bernauer, 2015).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
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EINFLUSS VON UMWELTPARAMETERN AUF DIE KOSMISCHE STRAHLUNG
VLADIMIR MARES, JUDITH BREHME, GERHARD DONTH, MAJA STRUGACEVAC, SEBASTIAN TRINKL, WERNER RÜHM
INSTITUT FÜR STRAHLENSCHUTZ, HELMHOLTZ ZENTRUM MÜNCHEN
Im Berichtzeitraum wurden auf der Umwelt-
forschungsstation Schneefernerhaus (UFS)
weiter kontinuierliche Messungen der
Energieverteilung der sekundären Neutronen
der kosmischen Strahlung unter Verwendung
des vorhandenen Vielkugelspektrometers
(BSS – Bonner Sphere Spectrometer) mit 16
Detektoren, welches sich in der Messhütte
auf der Dachterrasse der UFS befindet,
durchgeführt. Das BSS besteht aus 13 mit 3He-
Gas gefüllten Proportionalzählern, die sich
jeweils innerhalb einer der unterschiedlich
großen Kugeln aus Polyethylen (PE) befinden
(Kugeldurchmesser: 2,5, 3, 4, 5, 5,5, 6, 7, 8, 9,
10, 11, 12 und 15
Inch).
Zwei weitere 3He-Proportionalzähler sind von PE Schalen mit einer integrierten Bleischale umgeben (9-1(Pb), 9-2(Pb)), um das Ansprechvermögen auf Neutronen bei einer
Neutronenenergie über 20 MeV zu erhöhen. Je
nach Durchmesser werden die einfallenden
sekundären Neutronen der kosmischen Strahlung
abgebremst und über die Reaktion 3He(n,p)3H
nachgewiesen. Einer der Proportionalzähler wird
ohne jegliche PE Abschirmung betrieben
(„Bare“), um bereits in der Umgebung
abgebremste Neutronen nachzuweisen. Aus den
mit den 16 Proportionalzäh- lern stündlich
gemessenen Ereignissen lassen sich
entsprechend die zugehörigen Neutro-
nenenergieverteilungen darstellen (Leuthold et
al., 2007).
Abbildung 1 zeigt exemplarisch die
monatlichen Zählraten, die von Januar 2010 bis
Juni 2014 mit 8 Detektoren gemessen wurden.
Die in Abbildung 1 dargestellten Zählraten sind
bereits auf Schwankungen des Luftdrucks
korrigiert.
Abb.1: Mit 8 Detektoren des Vielkugelspektrometers gemessene monatliche Zählraten (korrigiert auf Luftdruckschwankungen) im Zeitraum Januar 2010 – Juni 2014. Die rote Markierung hebt die plötzlich gesunkenen Zählraten im Oktober 2011 hervor, die durch starken Schneefall hervorgerufen wurden.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
34
Wie bereits im letzten Jahresbericht
beschrieben, kann man sehr deutlich die
Oszillation der monatlichen Zählraten mit einer
Periode von einem Jahr beobachten (Rühm et
al., 2012).
Besonders interessant ist, dass stets während
der Sommerzeit, wenn weder die Terrasse noch
die Umgebung der UFS mit Schnee bedeckt
sind, eine Erhöhung der Zählraten
offensichtlich wird. Einer der Gründe für die
beobachtete saisonale Erhöhung der Zählraten
ist vermutlich der erhöhte Beitrag von vom
Boden zurückgestreuten sogenannten Albedo-
Neutronen, der stark vom Vorhandensein von
Schnee in der Umgebung sowie von erhöhter
Bodenfeuchte abhängig ist.
Die in Abbildung 1 rot hervorgehobenen Zähl-
raten markieren die plötzlich gesunkenen
Zählraten im Oktober 2011. Einer der Gründe für
diesen Effekt ist der starke Schneefall im ersten
Drittel dieses Monats, während der relativ
langen, schneelosen Periode von Mai bis
Dezember 2011 (siehe Abbildung 2). Im
Dezember 2011 gab es in der Umgebung der
UFS verhältnismäßig wenig Schnee, weswegen
deutlich höhere Zählraten als im Oktober 2011
gemessen wurden.
Mit Hilfe des Monte Carlo Programms GE-
ANT4 wurden erste Simulationen durchgeführt,
um den Einfluss der Schneehöhe auf
die Energieverteilung der sekundären Neutronen
der kosmischen Strahlung zu untersuchen.
Dazu wurde ein Atmosphärenvolumen von 100
x 100 x 317 m3 simuliert, in dem sich die
sekundären Neutronen der kosmischen Strahlung
ausbreiten und anschließend in den Bo- den bis
zu einer Tiefe von 10 m eindringen konnten.
Die Simulationen berücksichtigten zudem bei
gleicher Geometrie eine zusätzliche Wasser-
schicht von 50 cm bzw. 100 cm Dicke. Das
Neutronenspektrum wurde in der Simulation
über eine Fläche von 20 x 20 m2 gemittelt und
150 cm über dem Boden bestimmt.
Als Neutronenquelle diente die Energieverteilung
der sekundären Neutronen der kosmischen
Strahlung, die in früheren Arbeiten für eine
Höhe von 317 m über dem Meeresspiegel mit
dem Monte Carlo Programm FLUKA simuliert
worden war (Roesler et al., 2002).
In den durchgeführten Simulationen wurde
angenommen, dass diese Neutronen unab-
hängig von ihrer Energie senkrecht nach unten
in Richtung Erdoberfläche gerichtet sind
(Näherung). Diese Simulationen zeigen bereits
eine deutliche Abhängigkeit des Neutro-
nenenergiespektrums von einer den Boden
bedeckenden Wasserschicht (Schnee).
Abb. 2: UFS im September 2011 bei trockenen Bedingungen (links) und im Oktober 2011 nach starkem Schneefall (rechts).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
35
Abbildung 3 zeigt das mit GEANT4 simulierte
Neutronenenergiespektrum in Luft in einer
Höhe von 150 cm über dem Boden. Diese ersten
Ergebnisse demonstrieren bereits, dass
Neutronen im Energiebereich 0.1 eV < E ≤ 20
MeV sehr stark von einer 50 cm dicken
Wasserschicht abgeschirmt werden. Dagegen
sind für hochenergetische Neutronen E > 20
MeV kaum Unterschiede zu beobachten. Bei
bestimmten Schneedichten kann eine
Wasserschicht von 50 cm einer Schneeschicht
von 150 cm Höhe entsprechen.
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wer-
den mit hoher Wahrscheinlichkeit genügend
Erkenntnisse bezüglich der Wechselwirkung von
Umweltparametern erlangt werden, um in einer
zweiten Phase die Eignung der Intensität von
Neutronen als Maß für die Bodenfeuchtigkeit
in großflächigen Arealen im alpinen Raum
untersuchen zu können.
Dies könnte wichtige Hinweise auf den Einfluss
des Klimawandels auf die Umgebungs-
feuchtigkeit im alpinen Raum liefern und wäre
einem Folgevorhaben vorbehalten.
Literatur
Leuthold, G., Mares, V., Rühm, W., Weitzenegger,
E., und Paretzke, H. G.: Long-term
measurements of cosmic ray neutrons by means
of a Bonner spectrometer at mountain altitudes
– first results. Radiation Protection Dosimetry,
Vol. 126, No. 1-4, pp. 506-511, 2007.
Rühm, W., Ackermann, U., Pioch C. und Mares,
V.: . Spectral neutron flux oscillations of cosmic
radiation on the Earth's surface. Journal of
Geophysical Research, VOL. 117, A08309, 2012.
Roesler, S., Heinrich, W. und Schraube, H.: Monte
Carlo calculation of the radiation field at aircraft
altitudes, Radit. Prot. Dosim. 98, 4, 2002, 367-
388, 2002.
Trinkl, S. 2014, private communication
Abb. 3.: Mit GEANT4 simulierte Neutronenenergiespektren in einer Höhe von 150 cm über dem Boden, mit Wasserschichten von 0 cm, 50 cm und 100 cm Dicke (S. Trinkl, 2014).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
36
MESSUNG VON FORMALDEHYD, FLÜCHTIGEN ORGANISCHEN VERBINDUNGEN UND
ISOTOPENVERHÄLTNISSEN IM KOHLENDIOXID UND WASSERDAMPF AUF DER UFS
MICHAEL LEUCHNER1,3, CHRISTIAN SCHUNK
1, MARVIN LÜPKE
1, HOMA GHASEMIFARD1,
LUDWIG RIES2, ANNETTE MENZEL
1,3
1ÖKOKLIMATOLOGIE, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, FREISING, [email protected]
2GAW GLOBAL OBSERVATORY ZUGSPITZE/HOHENPEIßENBERG, UMWELTBUNDESAMT II 4.5, ZUGSPITZE
3INSTITUTE FOR ADVANCED STUDY, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, GARCHING
Von der Professur für Ökoklimatologie der
Technischen Universität München werden seit
2011 mehrere Messgeräte zur Bestimmung
atmosphärischer Spurengase (VOCs,
Formaldehyd) sowie von Isotopenverhält-
nissen im Kohlendioxid und Wasserdampf
betrieben. Für die einjährige Zeitreihe der
Formaldehydmischungsverhältnisse
(Dezember 2012 bis Dezember 2013) werden
ausgewählte Ergebnisse präsentiert.
Die betrachteten Spurengase (flüchtige orga-
nische Verbindungen (VOC) und Formaldehyd)
und Isotopenverhältnisse können zur
Beschreibung und Analyse der komplexen
atmosphärenchemischen Vorgänge sowie zur
Identifikation von Einflüssen der Vegetation auf
die Atmosphäre (Biosphäre -Atmosphäre -
Interaktionen) herangezogen werden.
Messungen Im Einzelnen werden von der
Professur für Ökoklimatologie folgende
Messungen durchgeführt: - VOCs : Ein Perkin -
Elmer Clarus 500 Gaschromatograph mit zwei
Flammenionisationsdetektoren und einem
automatischen Turbomatrix 650
Thermodesorber bestimmt stündlich die
Konzentrationen von C2–C 8 VOCs, u.a. von
Ethan, Ethen und Acetylen . Diese Substanzen
sind teils biogener und teils anthropogener
Herkunft und zählen zu den Vorläuferstoffen
des Ozons und der sekundären organischen
Aerosole.
- Formaldehyd: Mit dem auf Basis der nass-
chemischen Hantzsch-Fluorimetrie betriebenen
Aero Laser AL4021 Formaldehyd-Monitor wird
die Formaldehydkonzentration kontinuierlich
erfasst. Formaldehyd als Ozonvorläufer ist
sowohl eine Schlüsselsubstanz als auch ein
Indikator für die Aktivität der atmosphärischen
Photochemie. Es wird hauptsächlich sekundär
aus biogenen und anthropogenen
Kohlenwasserstoff-Vorläufersubstanzen ge-
bildet, entsteht daneben auch durch unvoll-
ständige Verbrennungsprozesse und andere
Quellen.
- δ13C im CO2: Mithilfe eines Picarro G1101-i
Cavity-Ringdown-Spektrometers wurden seit
2011 die Verhältnisse der Isotopologen 12CO2 und 13CO2 sowie die Mischungsverhältnisse von
Kohlendioxid und Wasserdampf gemessen. Durch
das Isotopenverhältnis lässt sich feststellen,
Abb.1: Cavity -Ringdown -Messgeräte für δ 13 C im CO 2 (links) und δD und δ 18 O im H 2 O (rechts) im Labor des Umweltbundesamts an der UFS
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
37
inwieweit das gemessene CO2 anthropogenen
oder natürlichen Ursprungs ist. Das
beobachtete Absinken von δ13C im CO2 zeigt den
ansteigenden anthropogenen Anteil aus fossilen
Quellen im CO2 - Mischungsverhältnis.
- δD und δ18O im H2O: Seit März 2015
können mit einem weiteren Cavity-Ringdown-
Spektrometer auch die beiden Isotopenver-
hältnisse δD und δ18O im Wasserdampf
gemessen werden. Diese Daten ermöglichen
Aussagen zur Herkunft der Luftmassen und
ebenfalls zur Aktivität der Vegetation.
Ausgewählte Ergebnisse der Formaldehyd-
messung
Das ausgeprägte Maximum der Formalde-
hydkonzentration im Sommer (Abb. 2)
verdeutlicht den photochemischen Ursprung
dieser Substanz. Insbesondere im Sommer
spielen aber auch konvektive Transportvorgänge
von Grenzschichtluft aus den Tälern eine Rolle.
Die Tage 24.-26. Januar 2013 können zur
Erläuterung der u. a. im Winter zeitweise auftre-
tenden hohen Formaldehydkonzentrationen
dienen (Abb. 3). Während die Konzentrationen
von Formaldehyd und anderen Spurengasen am
24. Januar den hemisphärischen Hintergrund
wiederspiegeln, änderten sich in der Nacht auf
den 25. Januar die Strömungsverhältnisse und
kältere, feuchtere, ozonabgereicherte
Luftmassen mit hohen Formaldehydwerten und
anderen Primärschadstoffen aus der
Grenzschicht wurden zur UFS transportiert.
Abb.2: Monatliche Boxplots des Formaldehydmi-
schungsverhältnisses für den Zeitraum Dezember 2012
bis Dezember 2013.
Abb.3: Verlauf der Mischungsverhältnisse von Formal-
dehyd (HCHO), Ozon (O3 ), Kohlenmonoxid (CO) und
ausgewählten meteorologischen Parametern im Zeit-
raum 24.-26. Januar 2003.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
38
MESSUNG VON BIO- AEROSOL (POLLEN) AUF DER UFS
ANNETTE MENZEL1,2, MARVIN LÜPKE
1, JEROEN T. M. BUTERS3, EUCHNER1,3,
CLAUDIA TRAIDL-HOFFMANN4, SUSANNE JOCHNER
5
1ÖKOKLIMATOLOGIE, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, FREISING, [email protected]
2INSTITUTE FOR ADVANCED STUDY, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, GARCHING
3ZENTRUM FÜR ALLERGIE & UMWELT (ZAUM), TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN UND HELMHOLTZ-
ZENTRUM MÜNCHEN
4UMWELTMEDIZIN, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, UNIVERSITÄRES ZENTRUM AM KLINIKUM
AUGSBURG (UNIKA-T), AUGSBURG
5PHYISCHE GEOGRAPHIE / LANDSCHAFTSÖKOLOGIE UND NACHHALTIGE ÖKOSYSTEMENTWICKLUNG,
KATHOLISCHE UNIVERSITÄT EICHSTÄTT-INGOLSTADT, EICHSTÄTT
Die aerobiologische Forschung an der
Professur für Ökoklimatologie der Technischen
Universität München geht in die zweite Runde:
Bereits in Kooperation mit dem Zentrum für
Allergie und Umwelt der Technischen
Universität München wurde Pollendaten der
Jahre 2008-2011 aus dem Raum Garmisch-
Partenkirchen analysiert. Seit März 2014
betreibt die Professur für Ökoklimatologie
nun drei UFS-Pollenfallen in der
Zugspitzregion. Eine davon bestimmt die
Pollenkonzentration an der Umweltfor-
schungsstation Schneefernerhaus (UFS).
Abb.1: Die Pollenfalle an der UFS Schneefernerhaus ist
seit März 2014 wieder in Betrieb
Warum wird die Pollenkonzentration im
Gebirge gemessen?
Man könnte annehmen, dass die Pollenkon-
zentration im Gebirge gering ist, fehlt doch in
Höhen ab ca. 1800 m die Baumschicht. Auch
Sträucher und Gräser, welche allergene Pollen
produzieren, kommen mit zunehmender
Meereshöhe immer weniger vor. Zusammen mit
einer allgemein geringeren Pollenproduktion (u.
a. aufgrund der kürzeren Wachstumsperiode und
den geringeren Temperaturen) legen diese
Befunde den Schluss nahe, dass Allergiker von
den Bedingungen im Hochgebirge profitieren.
Die „Flucht“ auf den Berg könnte während der
Pollensaison eine Erleichterung für den
Heuschnupfengeplagten sein.
Aber die aerobiologischen Daten zeigen
durchaus: Auch an der UFS können medizinisch
relevante Pollenkonzentrationen vor- kommen
(Jochner et al., 2012). Man spricht von einer
hohen Belastung, wenn die Anzahl der
Birkenpollen 50 Pollen pro Kubikmeter Luft
überschreitet. Bei den Gräsern hingegen reichen
bereits 30 Pollen aus, um starke Symptome zu
induzieren. Derartige Grenzwerte wurden auch
an der UFS in den vergangenen Jahren mehrmals
überschritten.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
39
Wie kommt der Pollen an die UFS?
Pollen von anemophilen (windbestäubten)
Pflanzen zeichnen sich durch ihre ausgeprägte
Flugeigenschaft aus. Je kleiner der
aerodynamische Durchmesser, desto weiter
kann der Pollen fliegen. Das ist auch der Grund,
warum Pollen von exotischen Pflanzen selbst auf
der Antarktis entdeckt werden können. Im
Gebirge kommt neben diesem Pollen-
Ferntransport ein weiterer Effekte zum Tragen:
Lokale Windsysteme, wie der Berg-Tal- Wind,
transportieren Pollen von tiefer gelegenen zu
höher gelegenen Regionen.
Ein Beispiel aus dem Jahr 2010: Im Tal wurden
während der Pollensaison 1977 Birkenpollen pro
Kubikmeter registriert, an der UFS 583. Diese
Werte zeigen deutlich: Die Pollenkonzentration
ist zwar geringer, aber immer noch beträchtlich.
Quantität versus Qualität
Aber die Pollenkonzentration ist nicht alleinig
bestimmend für die Stärke der Symptome.
Pollen weisen Unterschiede in ihrem Protein-,
also Allergengehalt, auf. Folglich können auch
die Reaktionen der Allergiker unterschiedlich
ausfallen, unabhängig von der Quantität der
Pollen.
Die Vermutung liegt nahe, dass auch die
Herkunftsregion verantwortlich für den
Allergengehalt der Pollen sein kann. Denn
Rückwärtstrajektorien zeigen auf, dass
Birkenpollen, die von südlichen Regionen
ausgehend die UFS erreichen, höhere
Allergengehalte aufweisen. Eine Frage stellt sich
nun: Stammen diese Pollen aus wärmeren
Gebieten? Zwei Faktoren sprechen dagegen:
Zum einen reicht das Verbreitungsgebiet der
Birken nur bis zur Po- Ebene, zum anderen
wurden hohe Allergenwerte meist im späten
Frühjahr gemessen, also zu einem Zeitpunkt, an
dem die Birkenblüte der wärmeren Regionen
bereits vorüber ist (Jochner submitted).
In weiteren Untersuchungen soll nun gemein- sam
geklärt werden, ob höher gelegene Birken der
südlichen Alpenregion womöglich höhere
Allergengehalte aufweisen und welchen Einfluss
der Klimawandel auf die Pollenmenge und -
allergenität ausübt.
Abb.2: Rückwärtstrajektorien zeigen die Herkunftsre-
gionen von Birkenpollen mit hohem Allergengehalt
(rote Linien) auf
Literatur
Jochner, S., Ziello, C., Böck, A., Estrella, N.,
Buters, J., Weichenmeier, I., Behrendt, H.
und Menzel, A.: Spatio-temporal
investigation of flowering dates and pollen
counts in the topographically complex
Zugspitze area on the German-Austrian
border. Aerobiologia, 28, 541-556, 2012.
Jochner, S., Lüpke, M,, Laube, J.,
Weichenmeier, I., Pusch, G., Traidl-
Hoffmann, C., Schmidt-Weber, C., Buters, J.
T. M., Menzel, A.: Seasonal variation of birch
and grass pollen loads and allergen release at
two sites in the German Alps- (submitted to
Atmospheric Environment), 2015.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
40
BEDEUTUNG VON HOCHGEBIRGSZÜGEN FÜR DEN ENERGIETRANSPORT IN DER
ATMOSPHÄRE – PROJEKT BHEA
SABINE WÜST, VERENA WENDT, CARSTEN SCHMIDT, MICHAEL BITTNER
DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected] UNIVERSITÄT AUGSBURG,INSTITUT FÜR PHYSIK
UMWELTFORSCHUNGSSTATION SCHNEEFERNERHAUS
Jedes Messinstrument, mit dem wir die
Dynamik der Atmosphäre beobachten, ist nur
innerhalb bestimmter Grenzen für Prozesse
dieser Art empfindlich. Die Sensitivität des
Instrumentes hängt nicht nur von der
zugrundeliegenden Messtechnik, sondern
auch von der Beobachtungsgeometrie ab.
Auch die Größenskala der beobachteten
Prozesse spielt eine wichtige Rolle.
Die Dynamik der Atmosphäre ist durch Wellen
auf unterschiedlichen raum-zeitlichen Skalen
geprägt. Dabei gehören Schwerewellen mit
horizontalen Wellenlängen von wenigen
Kilometern bis zu mehreren tausend
Kilometern zu den eher kleinskaligenatmo-
sphärischen Wellen. Dennoch transportieren
Schwerewellen große Mengen von Impuls und
Energie über weite Strecken in der Atmosphäre
und haben daher signifikanten Einfluss auf die
globale Zirkulation (Fritts & Alexander, 2003).
Globale Aussagen über Schwerewellencha-
rakteristika müssen in Klima- und Atmosphä-
renmodellen adäquat berücksichtigt werden,
um zielgenauere Aussagen zu ermöglichen. Dies
ist bisher nur eingeschränkt der Fall.
Satellitenbasierte Instrumente, die als einzige
globale Daten liefern, mitteln meist über relativ
große Luftvolumina. Dies führt zur Maskierung
der vergleichsweise kleinskaligen
Schwerewellensignaturen (sogenannter Miss-
Integration-Fehler“).Dieser Effekt ist abhängig
von der Beobachtungsgeometrie des
Satelliteninstruments einerseits und von
Wellenparametern wie Ausbreitungsrichtung, also
Orientierung der Wellenfronten, und
Wellenlängen andererseits.
Eine der prominentesten „Geburtsstätten“ von
Schwerewellen sind Gebirgszüge wie z. B. die
Alpen und die Skanden (Abb. 1). Während der
Gebirgszug bei ALOMAR im Wesentlichen eine
Nord-Süd-Ausrichtung aufweist, zeichnen sich
die Alpen durch eine West-Ost-Ausrichtung aus.
Abb.1: Wolkenbänder, die einen Hinweis auf Schwer- wellen
darstellen, über dem Zugspitzplatt
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
41
Im Rahmen des Projektes BHEA wurde nach-
gewiesen, dass sich ein Großteil der
Schwerewellen, die am Rande der jeweiligen
Gebirge im Rahmen von
Radiosondenkampagnen in der unteren
Stratosphäre vermessen worden sind,
horizontal etwa im rechten Winkel zum
jeweiligen Gebirge ausbreitet (Abb. 2). D. h. die
Wellenfronten sind meist parallel zum Gebirge
orientiert.
Abb.2: Histogramm der Ausbreitungsrichtungen (mit 180°-
Ambivalenz) für die während einer Messkampagne mittels
Radiosonden gemessenen Schwerewellen über ALOMAR
(oben) und Oberpfaffenhofen (unten). In beiden Regionen
tritt eine Häufung der Ausbreitungsrichtungen senkrecht
zu den Gebirgszügen auf – die Wellenfronten liegen damit
gehäuft parallel zu den Gebirgszügen. n bezeichnet die
Anzahl der erfassten Wellen.
Aufgrund der Beobachtungsgeometrie des
satellitenbasierten Instrumentes in Abbildung 3
am Beispiel des NASA-Instrumentes TIMED-
SABER1 demonstriert, kann dies zu unter-
schiedlich stark ausgeprägten Missintegration
Fehlern an den jeweiligen Gebirgen führen.
Der Sehstrahl des Satelliten (grau) ist an den
Alpen parallel zum Gebirge und damit zu einem
Großteil der Schwerewellenfronten (hellblau)
ausgerichtet, während der Satellit an den
Skanden im rechten Winkel zu den Fronten
misst.
Im konkreten Fall bedeutet dies, dass
abgeleitete Schwerewellenparameter an den
Skanden stärker durch die TIMED-SABER-
Messung beeinflusst werden als an den Alpen.
Die Amplitude der Wellen erscheint in den
Messungen damit über den Skanden stärker
gedämpft als über den Alpen.
Abb.3: Während an den Alpen der Sehstrahl des
Satelliteninstrumentes TIMED-SABER (grau) parallel zum
Gebirgszug orientiert ist, liegen an den Skanden etwa
90° zwischen beiden. In hellblau ist die bevorzugte
Orientierung der Schwerewellenfronten zu sehen,
Für diesen Dämpfungsfaktor konnte im
Rahmen des Projektes BHEA ein statischer
Korrekturfaktur abgeleitet werden.
1 Thermosphere Ionosphere Mesosphere Energetics
and Dynamics, Sounding of the Atmosphere using Broadband Emission Radiometry
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
42
Da die Wirkung von Schwerewellen zu
prominenten Effekten im Bereich der Mesopause
(~87 km Höhe) führt (z. B. Temperaturmaxima
im Winter und Temperaturminima im Sommer),
wurde auch dieser Höhenbereich im Rahmen
des Projektes BHEA adressiert. Verwendet
wurden hierzu Temperaturmessungen von
bodenbasierten Infrarotspektrometern (GRIPS2,
Abb. 4).
Abb.4: Mittels GRIPS 9 gemessene Mesopausentempe-
raturen (1-min-Mittelwerte) in der Nacht vom 19. auf
den 20. Januar 2012 über ALOMAR.
In der UFS werden zwei GRIPS-Spektrometer
betrieben. Für dieses Projekt wurde die
Messgeometrie so verändert, dass sie
unterschiedlich große, aber benachbarte
Bereiche in der Mesopause adressieren (Abb. 5).
Es konnte theoretisch und experimentell
nachgewiesen werden, dass das Gerät mit dem
größeren Gesichtsfeld abhängig von der
Periodendauer entsprechend kleinere
Amplituden erfasst. Dieser Faktor ist abhängig
von der Orientierung des Gesichtsfelds und den
horizontalen Wellenlängen.
Anschließend wurden satelliten- und GRIPS-
basierte Messungen verglichen. Auch diese
zeigen einen stärkeren Missintergration-Fehler
über Norwegen und weisen damit darauf hin,
dass in Höhe der Mesopause die gemessenen
Schwerewellenamplituden ebenfalls vom
Blickwinkel des Satelliten abhängen.
Abb.5: Durch eine Änderung des Zenitwinkels haben die
beiden Infrarotspektrometer GRIPS 7 und GRIPS 8 in der
UFS unterschiedliche Gesichtsfelder. Beide Gesichtsfelder
liegen über Norditalien.
LITERATUR:
Fritts, D.C. und Alexander, M. J.: Gravity wave
dynamics and effects in the middle atmosphere,
Rev. Geophys., 41, No.1, doi:
10.1029/2001RG000106, 2013
2Ground based Infrared P-Branch Spectrometer
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
43
BEOBACHTUNG DES OH-NACHTLEUCHTENS IM ALPENRAUM MIT ABBILDENDEN SYSTEMEN
CARSTEN SCHMIDT, PATRICK HANNAWALD, SABINE WÜST UND MICHAEL BITTNER
DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected]
Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum
(DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) betreibt an der
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus
(UFS) seit 2005 mehrere Instrumente zur
Vermessung des OH-Nachtleuchtens (engl.:
airglow) aus der Mesopausenregion in ca. 87
km Höhe. Seit Ende 2012 werden die bis
dahin ausschließlich spektroskopischen
Messungen durch abbildende Systeme
ergänzt, die erstmals eine zweidimensionale
Ansicht der dynamischen Vorgänge über den
Alpen liefern.
Das Leuchten in der Mesopausenregion hat
seinen Ursprung in einer exothermen
chemischen Reaktion, bei der Ozon mit
atomarem Wasserstoff reagiert und
molekularen Sauerstoff sowie Hydroxyl-
Moleküle (OH) produziert. Die freigesetzte
Energie wird dabei überwiegend auf das
Hydroxyl -Molekül übe r- tragen, das diese
Energie nach kurzer Zeit in Form sichtbarer und
infraroter Strahlung wieder abgibt. Dieser kurze
Zeitraum reicht jedoch aus, dass die
angeregten Moleküle mit der restlichen
Atmosphäre lokal ins thermodynamische
Gleichgewicht kommen. Aus den am Boden
registrierten Spektren kann somit auf die
Umgebungstemperatur in 87 km Höhe
geschlossen werden. Die kontinuierliche
Messung der Temperatur in der
Mesopausenregion stellt somit einen wichtigen
Aspekt der Erforschung des Klimawandels dar.
Entsprechende Messungen der Temperatur
werden an der UFS mit den GRIPS (Ground -
based Infrared P-branch Spectrometer)
Instrumenten durchgeführt. Deren
Leistungsfähigkeit konnte in den vergangenen
Jahren entscheidend verbessert werden. So
wurde in den Jahren 2013 und 2014 mit dem
neuen Zwillingssystem, bestehend aus GRIPS 7
und GRIPS 8, eine beispiellose Messabdeckung
von 98% bzw. 100% erreicht. Neben der Pflege,
der für die Klimaforschung relevanten
Langzeitreihe der Temperatur, kommt auch der
Beobachtung von atmosphärischen Wellen im
Luftleuchten eine entscheidende Rolle zu.
Abb. 2: BAIER-Aufnahme des Nachthimmels im nahen
infraroten Wellenlängenbereich. Deutlich zeichnet sich
unten links (im Westen, rotes Rechteck) ein großes
Wellenfeld ab (hell-dunkle Bandstruktur).
Daher wurde Ende 2012 ein sog. „Allsky-
Imager“ an der UFS installiert (Abb. 1). Dieser
liefert nicht nur horizontale Informationen über
die Intensitätsverteilung und damit auch über
atmosphärische Wellen, sondern durch die
sequentielle Erfassung verschiedener Emissionen
(neben OH auch O2 und O) aus anderen
Höhenbereichen lassen sich zudem Rückschlüsse
auf die vertikale Struktur dynamischer Prozesse
ziehen.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
44
Die BAIER-Daten (Abb. 2) stehen im UFS-
Datenanalysezentrum sowie im WDC-RSAT
(Weltdatenzentrum für Fernerkundung der
Atmosphäre) operationell zur Verfügung. Dies gilt
ebenso für die Daten der GRIPS- Instrumente.
Während Schwerewellen mit Perioden jenseits
von fünf Minuten durch die Deposition von
Impuls und Energie Einfluss auf die globalen
Strömungssysteme nehmen und so maßgeblich
wegen ihrer Klimawirksamkeit studiert werden,
gibt es mit den sog. Infraschallwellen (im
Periodenbereich von wenigen Sekunden und
darunter) eine weitere Art von Wellen, die
besonders im Kontext der Früherkennung von
Naturgefahren von Bedeutung ist. So werden
Infraschallwellen insbesondere von starken
Sturmsystemen, Erdbeben oder auch Tsunamis
emittiert.
Hier ist es mit der Entwicklung des FAIM Systems
(Fast Airglow IMager) erstmals gelungen, bei
Auflösungen von 0,5 Sekunden (zeitlich) und
200m (räumlich) signifikant in den Skalenbereich
von Infraschall vorzustoßen. Darüber eignet es
sich hervorragend für das Studium kleinskaliger
Schwerewellen.
Abbildung 3 zeigt ein mit FAIM vom DLR in
Oberpfaffenhofen gemessenes Wellenfeld über
der Zugspitze und dessen zeitliche Entwicklung.
Der Abstand der einzelnen Auf- nahmen
beträgt lediglich 340 Sekunden. Die Sequenz
zeigt die Entstehung, vollständige Ausbildung
und Auflösung eines Wellenfelds dessen
Phasenfronten in Ost-West-Richtung orientiert
sind. Gleichzeitig kreuzt nahezu senkrecht eine
weitere deutlich größere Welle mit in Nord-Süd-
Richtung orientierten Wellenfronten das erste
Wellenfeld.
Im Rahmen des Aufbaus des Virtuellen
Alpenobservatoriums (VAO) wird das Sonn-
blick-Observatorium in Österreich mit einer
Kombination aus GRIPS- und FAIM-System
ausgestattet.
Abb. 3: Mit dem FAIM-System über der UFS registrierte,
hochdynamische Wellenfelder.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
45
Raumzeitliche Deposition von POPs
MANFRED KIRCHNER1, GERT JAKOBI
1, LUDWIG RIES2
, KARL-WERNER SCHRAMM1
1HELMHOLTZ ZENTRUM FÜR GESUNDHEIT UND UMWELT, NEUHERBERG UMWELTBUNDESAMT, GAW-
2GLOBALOBSERVATORIUM ZUGSPITZE / HOHENPEISSENBERG, PLATTFORM ZUGSPITZE
[email protected], [email protected]
Im Jahre 2004 startete eine gemeinsame
Initiative von Ministerien und
Forschungseinrichtungen in den Alpenländern
Österreich, Schweiz und Bayern (Deutschland)
zur Erforschung von persistenten organischen
Schadstoffen (POPs). Das zentrale Ziel war
es, die Konzentrationen von POPs in Luft und
im deponierten Niederschlag langfristig zu
erfassen und die Bedeutung des
Ferntransportes in die relativ
schadstoffquellenarme Alpenregion zu
untersuchen; zeitweise waren bei den
Untersuchungen auch Institutionen aus den
Südalpen (Slowenien und einige
norditalienischen Regionen und Provinzen)
involviert. Das Projekt sah vor,
Entscheidungsträgern die entsprechenden
Informationen an die Hand zu geben und
damit auch die Möglichkeit zu vermitteln, die
Einhaltung der Vorgaben der Stockholm-
Konvention zu überprüfen.
Untersuchungsprogramm hinsichtlich der
Aktivmessung zur Immission und Deposition:
Die Immissions- und Depositionsmessungen am
Schneefernerhaus (2650 m NN; Ost- alpen;
verantwortlich: HMGU), am Rauriser Sonnblick
(3106 m NN; Ostalpen; verantwortlich: Weiß,
Moche (UBA)) und am Weißfluhjoch (2663 m
NN; Westalpen; verantwortlich: Schaub (WSL))
konnten bis 2014 durch regionale (Freistaat BY)
bzw. nationale (A, CH) Förderungen (u. a.
POPALP, EMPOP) fortgesetzt werden, bis sie in
VAO II integriert wurden. Die Luftprobenahme
erfolgt basierend auf einer Trajektorien-
vorausberechnung und damit
luftmassenbezogen. Als Quellgebiete wurden
jeweils die Regionen „Nord- west“, „Nordost“,
„Süd“ definiert; Luft, die schnell (< 2 Tage) an
die Standorte gelangt, wie z. B. direkt vom
Atlantik, wird durch eine eigene Kartusche
gezogen (Klasse: „undefiniert“.)
Abb. 1: Trajektorienbezogene Probenahme
Für die Messung werden jeweils ein High- und
ein Low-Volume-Sammler (8 bzw. 3 m3/h).
eingesetzt. Die chemischen Analysen erfolgen
von Beginn der Messungen an aufgeteilt auf
bestimmte Chemikaliengruppen von jeweils ein
und demselben Messlabor an allen drei
Standorten; damit sind die Vergleichbarkeit und
die Kontinuität der Ergebnisse gewähr- leistet.
So analysiert etwa HMGU München Pestizide
(OCPs) und polychlorierte aromatische
Kohlenwasserstoffe (PAHs), während das
Umweltbundesamt Wien die Luft- und
Depositionsproben auf PCDD/Fs und PCBs
untersucht. Die Sammlung erfolgt über
Polyurethanschäume, XAD und Glasfaserfilter
mit nachfolgender chemischer Analyse mittels
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
46
Massenspektrometrie und Gaschromatographie
(Offenthaler et al., 2009). Die akkreditierten
Analyselabors nehmen regelmäßig an
internationalen Ringversuchen teil.
Ergebnisse zur Immission: Aus dem Umfeld
der Alpen und z.T. aus weiter entfernten
Emissionsgebieten (ggf. China, Indien etc.)
gelangen über die Atmosphäre POPs an die
drei hoch gelegenen alpinen Observatorien.
Konzentrationsbereiche der Periodenmittel
(Messperiode: ca. 3 Monate) und Mediane über
den Messzeitraum 2006-2013 sind für einige
POPs in der Tabelle 1 zu finden; die Mittelwerte
der Konzentrationen ergeben sich nach
Wichtung der trajektorienabhängigen
Einzelkonzentrationen. Die auf den Alpengipfeln
gemessenen Konzentrationen von OCPs liegen
deutlich über dem Konzentrationsbereich, der
für die Arktis ermittelt wurde, aber z.T. weit
unterhalb dessen, was z. B. im Himalaya
angetroffen wird (Ausnahme: DDT).
Die Unterschiede zwischen den drei alpinen
Messstandorten sind für die einzelnen Sub-
stanzen meist relativ gering. Endosulfan I und II
sind in den Zentralalpen höher als an der
Zugspitze, während die Summe der
Dioxine/Furane in den Nordalpen höher ist als
am Sonnblick und am Weißfluhjoch. Die PCBs
nehmen ebenfalls vom Nordrand der Alpen nach
Süden ab (Eintrag in die Böden).
Vergleicht man die Konzentrationen, die sich
bei der nach Luftmassen getrennten Proben-
ahme ergeben, so fällt auf, dass die Luft, die
aus „Nordost“ bzw. „Süd“ an die Standorte
gelangt, tendenziell stärker belastet ist als die
aus den Bereichen „Nordwest“ und „undefiniert“.
Gerade einige Pestizide sind bei
Südanströmung an die Alpen (Poebene,
Mittelmeerraum) signifikant höher belastet als
bei meteorologischen Westlagen, bei denen die
Luft relativ rasch vom Atlantik an die Alpen
herangeführt wird.
Tab. 1: Konzentrationsbereich POPs am UFS
(2006-2013; *2007-2013)
Substanz Einheit
(0°C,
1013 mPa)
Konzentration:
Median
Bandbreite
Summe DDT pg/m3
3.5
1.0-25.1
Chlordane pg/m3
1.3
0.5-3.7
Dieldrin pg/m3
1.5
0.5-3.7
Endosulfan I+II pg/m3
10.8
2.8-85.5
Hexachlobenzol pg/m3
75.9
38.7-113.9
Heptachlor pg/m3
1.3
0.3-3.9
α-HCH pg/m3
6.3
2.6-21.0
γ-HCH pg/m3
9.6
2.7-33.0
Pentachlorbenzol pg/m3
36.5
21.1-125.9
PCDD/F fg/m3
58.8
18.5-256.8
Summe 12 dl-
PCB in WHO
TEQ*
fg/m3
0.39
0.10-1.25
Die Tatsache, dass an den drei Observatorien seit
Ende2005 bis jetzt kontinuierlich die
Konzentration in der Luft erfasst wird, ermöglicht
die Formulierung von Aussagen zum
Immissionstrend hinsichtlich verschiedener POPs.
Da Produktion und Einsatz vieler Substanzen
(insbes. OCPs) ab den 1990er Jahren
eingeschränkt wurden, ist auch bei der
Immission ein leichter, wenn auch meist nicht
signifikanter Rückgang zu verzeichnen. Die
Substanz mit der stärksten (und signifikanten)
Abnahme sowohl in den Zentral- als auch in den
Nordalpen ist Endosulfan I; in Abb. 2 sind die
Ergebnisse für das UFS und das Weißfluhjoch
eingetragen. Die Messstation am Sonnblick weist
einen ähnlichen Rückgang auf. Die amerikanische
Umweltschutzbehörde EPA stuft das Insektengift
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
47
Endosulfan als hochgefährlich ein.
Eine der wenigen Substanzen, die eine leichte
Zunahme zu verzeichnen haben, ist
Oktachlorstyrol; es entsteht als Nebenprodukt
bei thermischen Prozessen.
Abb. 2: Konzentration von Endosulfan I an Sonnblick
(SONN), Weißfluhjoch (WEIS) und Schneefernerhaus
(UFS)
Ergebnisse zur Deposition:
Die Deposition wird durch die Konzentrationen
im Niederschlag und die Niederschlagsmenge
bestimmt. Aus der Tatsache, dass der
zentralalpine Bereich im Vergleich zu den
Alpenrändern sowohl hinsichtlich der
Niederschlagsmenge als auch von möglichen
Schad- stoffquellen vielfach abgeschirmt
erscheint, ergibt sich auch die Verteilung der
Deposition von POPs in den Alpen. Eine
Auswertung für die ersten fünf Jahre der
Messreihe ergibt hinsichtlich des Insektizids
DDT und seiner Folgeprodukte (Summe aus
DDT, DDD und DDE) 579, 210 und 144 ng m-2 a-1
für die drei Messstandorte UFS, SONN und
WEIS. Beim Insektizid α-HCH nahmen die
Einträge von 602 (UFS) über 461 (SONN) auf 216
ng m-2 a-1 (WEIS), somit vom nördlichen
Alpenrand zu den Zentralalpen, ab.
Ein weiteres Beispiel für die OCPs zeigt Abb.3.
Dieldrin ist ein Insektizid, das gegen
verschiedene krankheitsübertragende
(phytopatogene) Insekten eingesetzt wurde.
Abb. 3: Boxplots der Deposition von Dieldrin im Zeit-
raum 2005-2010
Weiteres Vorgehen:
Im laufenden Projekt VAO II werden die
Messungen am Schneefernerhaus, Sonnblick
und Weißfluhjoch weitergeführt. Ferner erfolgt
sukzessiv die Auswertung und Publikation noch
nicht berichtigter Substanzen und Zeiträume.
Darüber hinaus wird im Sommer 2015 an einem
Transekt am Ritten/Südtirol (300 bis 2250 m
NN) in Zusammenarbeit mit der Provinz Bozen-
Südtirol die Immission von POPs mit
Passivsammlern ermittelt.
Literatur
Offenthaler, I., Jakobi, G., Kaiser, A., Kirchner,
M., Kräuchi, N., Niedermoser, B., Schramm, K.-
W., Sedivy, I., Staudinger, M., Thanner, G.,
Weiss, P. und Moche W.: Novel sampling
methods for atmospheric semi-volatile organic
compounds (SOCs) in a high altitude alpine
environment, Environ. Poll. 157, 3290-3297, 2009.
Jakobi, G., Kirchner, M., Henkelmann, B., Körner,
W., Offenthaler, I., Moche, W., Weiss, P.,
Schaub, M. und Schramm, K.-W.: Atmospheric
bulk deposition measurements of organochlorine
pesticides at three alpine summits. Atmos.
Environ. 101, 158-165, 2015.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
48
PARALLELMESSUNG VON ATMOSPHÄRISCHEM RADON AN DER UMWELTFORSCHUNGS-
STATION SCHNEEFERNERHAUS UND AM GIPFELGRAT
LUDWIG RIES2, GABRIELE FRANK
1, JOSEF SALVAMOSER3, THOMAS STEINKOPFF
1
1DEUTSCHER WETTERDIENST, RADIOAKTIVITÄTSMESSNETZ, OFFENBACH, [email protected]
2GAW GLOBAL OBSERVATORY ZUGSPITZE/HOHENPEIßENBERG, UMWELTBUNDESAMT II 4.5, ZUGSPITZE,
3INSTITUT FÜR ANGEWANDTE ISOTOPEN-, GAS- UND UMWELTUNTERSUCHUNGEN, IGU, WÖRTHSEE,
Im Rahmen des GAW-Globalobservatoriums
Zugspitze/Hohenpeissenberg betreiben der
Deutsche Wetterdienst und das
Umweltbundesamt gemeinsam Messungen
von atmosphärischem Radon an der
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus
und am Gipfelgrat, ca. 290 m direkt über
dem Schneefernerhaus. Für die einjährige
Zeit- reihe der Radonkonzentrationen in der
um- gebenden Atmosphäre (Januar 2014 bis
Dezember 2014) werden ausgewählte
Ergebnisse präsentiert.
Radon, 222Rn ist eine der dichtesten Substanzen,
die in der Atmosphäre als Gas vorkommt. Es
wird im Grundgebirge des Erdmantels als
Zerfallsprodukt von Uran und Thorium produziert
und hat eine Halbwertszeit von 3.8 Tagen.
Diese Eigenschaften lassen Radon zu einem
Tracer für bodennahe Luftschichten werden. An
der Zugspitze wird Radon gemessen, damit in
den Messreihen atmosphärischer Klimagase
sicherer und präziser Einflüsse nicht
repräsentativer bodennaher Luftschichten
erkannt und ausgesondert werden können.
Ferner wird für die Zukunft die Anwendung der
Radon-Tracer Methode, kombiniert mit
Transportmodellierungen, für eine präzisierte
Quantifizierung der bodennahen Emissionen
von Klimagasen angestrebt.
Parallelmessung von Radon
Die zeitgleiche, parallele Messung von Radon in
der UFS und am Gipfelgrat wird mit zwei
Geräten gleicher Bauart betrieben. Hersteller ist
das IGU Institut. Anders, als bei bisher
betriebenen Radonmessungen, die auf der
indirekten Messung von Radonzerfallsprodukten
beruhen und durch Niederschlagsereignisse
verfälscht werden können, wird bei diesem
Messprinzip gasförmiges Radon direkt gemessen.
Abb.1: Radon Parallelmessung im Messlabor des Deut-
schen Wetterdienstes in der Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus (kleines Gerät: UBA, großes Gerät:
DWD).
Zu diesem Zweck wird speziell gefilterte und
getrocknete Probenluft in die Detektorkugeln
geleitet. Diese Filterung stellt sicher, dass in
der Messkammer keine Töchternuklide
vorhanden sind, die vom Radon herrühren,
sondern nur gasförmiges Radon. Die
Probenahme erfolgt kontinuierlich mit
gleichzeitiger Direktmessung. Dadurch wird
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
49
sichergestellt, dass ausschließlich gasförmiges
Radon gemessen wird. Beide Detektorkugeln
arbeiten nach dem identischen Messprinzip.
Ansaugen der Probenluft, trocknen, filtern und
elektrostatisch abscheiden mit
alphaspektrometrischer Direktmessung.
Bedingt durch ihre Größe, weisen sie
unterschiedlich hohe Nachweisgrenzen auf.
Die Konzentrationen auf dem Gipfelgrat
werden mit der niedrigeren Nachweisgrenze
gemessen, mit der kleineren Kugel die
Konzentrationen am Schneefernerhaus.
Vergleich der Radonkonzentrationen am
Gipfelgrat und am Schneefernerhaus
Abb.2: Die jährlichen Boxplots der Radon Messungen
von 01-12 2014 zeigen am Gipfelgrat einen Median von
2,14 Bq/m3, am Schneefernerhaus einen Median von
3,0 Bq/m3 222
Rn. Die Differenz der Mediane der in 2014
gemessenen 2-Stundenmittelwerte beträgt über das Jahr
0,86 Bq/m3.
Der Vergleich der einjährigen parallelen
Messreihe von Radon 2 h Mittelwerten am
Schneefernerhaus und am Gipfelgrat zeigt einen
erheblichen Unterschied. Der Median der
Radonkonzentrationen für 2014 am
Schneefernerhaus und der Wert des Medians am
Gipfelgrat weisen eine Differenz von 0,86 Bq 222Rn/m3 auf. Relativ zum Grat werden damit am
Schneefernerhaus 29 % mehr gemessen.
Mittelwerte zum Vergleich: Die Differenz
zwischen dem Jahresmittelwert UFS und dem
Jahresmittelwert Grat = 3,25-2,43 = 0,82 Bq 222Rn
/m3.
Interpretation der Radon Konzentrationen im
Jahresverlauf
Die Variation der monatlich berechneten
Boxplots unterscheidet sich zeitlich in folgende
Phasen: Winterliches Minimum im Januar und
Februar, das auf einer dicht geschlossenen
Schneedecke beruht, die Radon davon abhält, in
die Atmosphäre zu gelangen. Gefolgt von einem
Frühjahrsmaximum, dessen variabler Zeitpunkt
von der Öffnung der Schneedecke abhängt.
Nach der Öffnung der Schneedecke im März und
April erwachsen die höheren Konzentrationen
aus einer zuvor aufgebauten Akkumulation von 222Rn in Boden und Gestein.
Abb.3: Die monatlichen Boxplots der Differenzen
zeitgleich gemessener 2h Radon Mittelwerte zeigen eine
jahreszeitliche Variation der Radonkonzentrationen in der
Umweltforschungsstation und am Grat.
Im April beginnen die im Frühjahr und Sommer
vorherrschenden konvektiven Aufwinde, die
während des Tagesverlaufs ab Mittag bis
Nachmittag Luft aus tiefer gelegenen Schichten
und damit ebenfalls während der Winterruhe
akkumuliertes Radon vermehrt bis zum
Schneefernerhaus befördern. Im weiteren Verlauf
des Sommers in den Monaten von Juni bis August
tritt ein Minimum auf, das neben der
sommerlichen starken konvektiven Vermischung
in der Troposphäre auch mit der Tatsache
zusammenhängt, dass der am Schneefernerhaus
wirksame Kamineffekt des Tunnels sich in den
Sommermonaten umkehrt und einen abwärts
gerichteten Sog erzeugt. Während des Winters
hingegen, sowie im Herbst und im Frühjahr,
besteht wieder ein kräftiger aufwärts gerichteter
Kamineffekt, der dann das Radon aus dem Berg
aufwärts transportiert, das dann erhöht in der
Außenluft gemessen werden kann, bis wieder
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
50
eine dicht geschlossene Schneedecke erreicht
wurde.
Meteorologische Einflüsse und Orographie
Zur Analyse der Transportverhältnisse am
Gipfelgrat wurden die am 550 m entfernten
Zugspitzgipfel gemessenen synoptischen Daten
verwendet. Da der Grat frei anströmbar ist und
ca. 60m unterhalb des Gipfels liegt, wird eine
weitgehende Übertragbarkeit der
meteorologischen Daten unterstellt.
Abb.4: Windrosen am Zugspitzgipfel und an der Um-
weltforschungsstation Schneefernerhaus für den
Messzeitraum 2014.
Aus den Grafiken der beiden Windrosen für die
Standorte Zugspitzgipfel und Schneefernerhaus
ist zu ersehen, dass am Gipfel wesentlich
häufiger höhere Windgeschwindigkeiten
auftreten. Ferner ist dort nur die Häufigkeit von
Windströmungen aus Nordosten und Osten
deutlich reduziert. Aus den anderen Richtungen
sind die Häufigkeiten und
Windgeschwindigkeiten ähnlich groß, wobei
nördliche Windrichtungen maximal häufig sind
und die größten Windgeschwindigkeiten
aufweisen. Anströmungen am Gipfel aus
Südosten, Westen und Südwesten treten,
verglichen mit dem Rest, vergleichsweise
häufiger auf.
Die Windrose des Jahres 2014 am Standort
Schneefernerhaus zeigt hingegen, dass von
nordnordwestlicher Richtung bis
ostnordöstlicher Richtung kaum Einströmungen
gemessen werden und dass
Windgeschwindigkeiten dort vergleichsweise
geringer sind. Die Windströmungen am
Schneefernerhaus werden kanalisiert. Dort sind
die Windrichtungen in der Reihenfolge
abnehmender Häufigkeit: Westen, Nordwesten,
Südwesten, Osten und Süd- osten. Die
Vorwiegende Kanalisation der Windrichtungen
ergibt sich somit in Ost- Westrichtung mit einer
zusätzlichen Komponente aus Nordwesten,
Südosten oder Südwesten.
Bewertung der Standortunterschiede
Abb.5: Polarplot des am Gipfelgrat gemessenen Radons
für den Zeitraum 01-12-2014.
Abb.6: Polarplot des an der UFS Schneefernerhaus
gemessenen Radons für den Zeitraum 01-12-2014.
In den Abbildungen 5 und 6 sind jeweils die über
das gesamte Jahr 2014 gemittelten Werte von
Windgeschwindigkeit (konzentrische Ringe) und
Windrichtung eingezeichnet. Dunkelrote
Farbtöne zeigen die höchsten Radon-
konzentrationen. Das linke Diagramm zeigt die
Verhältnisse bei Tageslicht. Das rechte
Diagramm während der Nacht. Es wird deutlich,
dass die höchsten Radonkonzentrationen an der
UFS tagsüber aus südöstlicher Richtung
kommen, was als Hinweis auf das tagsüber
auftretende konvektive Talwindsystem
verstanden werden kann. Nachts bestehen hin-
gegen maximale Konzentrationen bei westlicher
bis nordwestlicher Richtung und geringen
Windgeschwindigkeiten, was als Hinweis auf
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
51
örtliche Quellen zu werten ist. Die vorliegenden
Auswertungen belegen, dass Radonmessungen
im Bereich des Gipfelgrats oder Gipfels
unerlässlich sind für möglichst unverfälschte
Ergebnisse über die Verhältnisse in der unteren
freien Troposphäre. Dies wird ebenfalls durch
die fast 30% geringeren Radonkonzentrationen
am Grat belegt.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
52
BEOBACHTUNGEN VON WOLKEN MIT DEM WOLKENRADAR AN DER UFS
MARTIN HAGEN, QIANG LI UND KERSTEN SCHMIDT
DLR-IPA, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected]
Das Institut für Physik der Atmosphäre (IPA)
des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) betreibt an der
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus
(UFS) seit November 2011 ein vertikal
schauendes Wolkenradar zur Beobachtung
von Wolken über dem Schneefernerhaus.
Wolken üben einen großen Einfluss auf das
lokale Klima aus. Wolken können Niederschlag in
Form von Regen oder Schnee generieren, ihre
Präsenz beeinflusst aber auch die lokale
Strahlungsbilanz und somit auch das lokale
Temperatur- oder Windfeld.
An der UFS werden bereits seit längerem
Messgeräte zur Erfassung von
Wolkeneigenschaften mittels passiver und
aktiver Fernerkundung betrieben. Mit den
Mikrowellenradiometern HATPRO (Humidity and
Temperature Profiler) und DPR (Dual
Polarization Radiometer) werden integrale
Eigenschaften wie Flüssigwasserpfad oder
Eiswasserpfad erfasst. Das Ceilometer misst die
Untergrenze der Wolken. Das Ceilometer kann
nur die unterste Wolkenschicht bestimmen und
die Radiometer können nur integrale Größen
und nur grob die vertikale Struktur erfassen. Mit
einem Wolkenradar hingegen ist es möglich, die
vertikale Struktur hochaufgelöst zu bestimmen
(ca. 30 m räumlich vertikal, 10 Sekunden zeitlich).
Im Rahmen des DFG geförderten Projekts
TOSCA (Towards an Optimal-estimation-based
Snow Characterization Algorithm) wurden im
Winter 2008/2009 mit einem geliehenen
Wolkenradar Messungen durchgeführt und die
Synergie von aktiver (Radar) und passiver
(Radiometern) Fernerkundung mit Mikrowellen
gezeigt (Löhnert et al., 2011).
Wolkenradar MIRA-36
Aufgrund der positiven Erfahrungen während
TOSCA wurde im Jahr 2011 ein Wolkenradar
vom Typ MIRA-36 (Görsdorf et al., 2015) für
den permanenten Betrieb installiert.
Der Radarsender und Empfänger sind in der
Zwischendecke des Wechselnutzerlabors im 5.
OG installiert (Abb. 1), ein zusätzlicher Rechner
und eine unabhängige Stromversorgung sind in
einem Rack im Labor selbst untergebracht. Die
Radarantenne mit einer Abschirmung zur
Verringerung von Festechos (Clutterfence) ist
auf dem Dach des Wechselnutzerlabors
angebracht. Technische Details des
Wolkenradars sind in Tab. 1 aufgeführt.
Messgrößen
Das Radar misst primär das Leistungsspektrum
der Dopplergeschwindigkeit, aus dem integrale
Größen wie Reflektivitätsfaktor, mittlere
Dopplergeschwindigkeit und deren
Standardabweichung (auch als Spektrale Breite
bezeichnet) bestimmt werden (Abb. 2). Die
Rückstreuung erfolgt an Wolkentropfen oder
Eisteilchen.
Abb.1: Radarantenne mit Clutterfence auf dem Dach
des Wechselnutzerlabors (links) sowie Radarsender und
Empfänger in der Zwischendecke darunter (rechts).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
53
Tab. 1: Geräteparameter des Wolkenradars MIRA-36
Parameter Wert
Sendefrequenz 35,2 GHz
Sendeleistung 25 kW
Pulswiederholfrequenz 5000 Hz
Pulsdauer 0,2 µs
Antennendurchmesser 1 m
Antennengewinn 49,5 dB
Öffnungswinkel Strahl 0,6°
Tiefe Messvolumen 30 m
Integrationszeit 10 s
Empfindlichkeit ca. -50 dBz in 5 km
Das Dopplerspektrum wird für die
Sendepolarisation (co-polar) als auch in der dazu
senkrechten Polarisationsebene (kreuzpolar)
bestimmt. Das kreuzpolare Signal ist ein Maß
für die Depolarisation der ausgesendeten
linearen Welle und dient zur Identifikation
asphärischer Eisteilchen.
Abb. 2: Leistungsspektrum der Dopplergeschwindig- keit
(blau), Systemrauschen (graue Fläche), Reflektivi-
tätsfaktor (grüne Fläche), mittlere Dopplergeschwin-
digkeit (rote Linie), Standardabweichung (lila Balken).
Messungen des Wolkenradars
Im Folgenden sollen einige Messbeispiele aus
den vergangenen Jahre mit dem Wolkenradar
gezeigt werden, um die Möglichkeiten des
Radars vorzustellen.
Abb. 3 zeigt die Beobachtungen eines
Kondensstreifens über dem Schneefernerhaus.
Das Wolkenradar zeigt sowohl den mit der Zeit
absinkenden Kondensstreifen gegen 15:20 UTC
sowie auch die dünne Zirrusschicht in der
gleichen Höhe, die jedoch auf dem Bild der
Kamera fast nicht sichtbar ist.
Abb. 4 zeigt brechende Wellen am 30.9.2012,
die durch eine Windgeschwindigkeitsscherung
ausgelöst wurden. Die von der Radiosonde
Innsbruck um 3 UTC gemessenen
Windgeschwindigkeiten betrugen 42 kt aus 244°
in 7,5 km Höhe (ca. 5 km über UFS) und 75 kt
aus 220° in 10.5 km Höhe (ca. 8 km über UFS).
Deutlich zu sehen sind in der Doppler-
geschwindigkeit die Auf- und Abwinde in den
Wolkenkämmen zwischen ca. 7:10 und 7:30. Die
Fallgeschwindigkeit der Eisteilchen (< 0,5 m/s)
ist in diesem Fall vernachlässigbar.
In Abb. 5 sind Fallstreifen gezeigt, die durch
Windscherung entstehen. Besonders deutlich
sind die Streifen im linearen Depolarisations-
verhältnis LDR zu sehen, die Bereiche mit den
erhöhten Werten (ca. -20 dB) sind Eiskristallen
mit irregulärer Form zuzuordnen, während die
niedrigen Werte (ca. -25 dB) auf eher runde oder
gleichmäßige Formen schließen lassen.
Abb. 4: Reflektivitätsfaktor (oben) und Dopplerge-
schwindigkeit (unten) am 30.9.2012.
Abb. 3: Kondensstreifen und dünner Zirrus am
3.3.2015 um 15:20. Oben: Wolkenkamera, unten: Re-
flektivitätsfaktor gemessen mit dem Wolkenradar.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
54
Unterschiedliche Wachstumsprozesse an der
Wolkenoberkante müssen zu unterschiedlichen
Formen geführt haben.
Periodische Vertikalbewegungen, wie in Abb. 4
oder auch Abb. 5 ersichtlich, werden häufig
beobachtet. Diese Wellenbewegung en lassen
sich auf Windscherungen im
Tropopausenniveau oder an der
Wolkenobergrenze zurückführen. Abb. 6 zeigt
eine Frequenzanalyse auf zwei Höhenniveaus,
eines nahe der Wolkenobergrenze (6,5 km) und
eines aus dem Höhenbereich, der durch die
direkte Überströmung des Zugspitzmassivs
beeinflusst wird (0,5 km). I m Trägheitsbereich
des Turbulenzspektrums zeigt sich, dass in der
freien Atmosphäre die Abnahme der Energie
der vertikalen Dopplergeschwindigkeit
proportional dem Erwartungswert f5/3 folgt,
während nahe des Zugspitzkamms der Gradient
steiler ist. Die kontinuierlichen Messungen des
Wolkenradars erlauben statistische
Betrachtungen der Wolken über dem
Schneefernerhaus. Abbildung 7 zeigt
Häufigkeitsverteilungen für das Jahr 2014. Aus
der Reflektivität zeigt sich, dass Wolken bis ca.
9,5 km über das Radar reichen können. Auffällig
ist, dass 2 Wolkenbereiche vorherrschen, die
durch einen Höhenbereich (bei ca. 2 - 4 km)
geringerer Häufigkeit getrennt sind.
Die Geschwindigkeit zeigt eine mittlere
Zunahme nach unten, die auf das Wachstum der
Teilchen hindeutet. Die große Breite der
Geschwindigkeit ist durch das Auftreten von
starken Vertikalbewegungen in allen Höhen
zurückzuführen.
Zusammenfassung und Ausblick
Das Wolkenradar ist ein unverzichtbares
Instrument zur Untersuchung von Wolken. Es
wird in naher Zukunft zusammen mit dem
Ceilometer und den Mikrowellenradiometern in
das Europäische Netzwerk Cloudnet
eingebunden werden und dann zur Validierung
von numerischen Wetter- und Klimamodellen
dienen.
Literatur
Görsdorf, U., et al: A 35-GHz Polarimetric
Doppler Radar for Long-Term Observations of
Abb. 5: Fallstreifen am 28.11.201 nachts. Oben Reflektivitätsfaktor, Mitte Doppler-geschwindigkeit, unten lineares Depolarisationsverhältnis (LDR)
Abb. 6: Die Spektralanalyse der Dopplergeschwindigkeit für den 12.09.2012 in 6,5 km (links) und 0,5 km Höhe (rechts)
Abb. 7: Häufigkeitsanalyse für das Jahr 2014, links Reflektivitätsfaktor, rechts Dopplergeschwindigkeit. Häufigkeit pro Höhenintervall und Tag
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
55
Cloud Parameters—Description of System and
Data Processing. J. Atmos. Oceanic Technol.,
32, 675– 690. 2015.
Löhnert, U., et al.: A Multisensor Approach
Toward a Better Understanding of Snowfall
Microphysics: The TOSCA Project. Bull. Amer.
Meteor. Soc., 92, 613–628, 2011.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
56
AUF DEM WEG ZU KOMBINIERTEN WASSERDAMPFMESSUNGEN MIT ZWEI LIDAR-
SYSTEMEN – TESTS DES RAMAN-LIDARS AN DER UFS
KATHARINA HÖVELER, LISA KLANNER, THOMAS TRICKL UND HANNES VOGELMANN
KARLSRUHER INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE, IMK-IFU, GARMISCH-PARTENKIRCHEN,
Das seit 2004 am Schneefernerhaus betriebene
Wasserdampflidar wurde in den vergangenen
Jahren durch ein Hochleistungs-Raman- Lidar
ergänzt, mit dem nachts Feuchtemessungen bis
in ca. 25 km Höhe durchgeführt werden sollen.
Die erste Testphase wurde kürzlich
abgeschlossen. Trotz noch nicht optimierter
Bedingungen gelangen Messungen bis in die
Stratosphäre. Hierdurch wird bereits die
wichtigste Anforderung für eine Einbindung des
Systems in das globale "Network for the
Detection of Atmospheric Composition Change
(NDACC)" erfüllt. In den kommenden Monaten
wird das System lichtdicht gemacht, wodurch
letztlich die endgültige Reichweite erzielt
werden soll.
Wasserdampf ist das wichtigste Treibhausgas und
zugleich dasjenige mit der größten Variabilität. Für
die genaue Messung der Vertikalverteilung von
Wasserdampf in der besonders klimasensitiven
oberen Troposphäre und der unteren
Stratosphäre werden international große
Anstrengungen unternommen. Besondere
Herausforderungen sind hierbei die in diesem
Höhenbereich niedrige Konzentration und die
außerordentlich hohe Variabilität von
Wasserdampf (Vogelmann et al., 2011; Vogelmann
et al., 2015) Konzentrationsänderungen um mehr
als einen Faktor 50 innerhalb kürzester Zeit sind in
der freien Troposphäre keine Seltenheit. Ursache
sind atmosphärische Transportvorgänge. Vor
allem sind hier aus der maritimen Grenzschicht
niedrigerer geographischer Breiten aufsteigende
feuchte Luftströmungen zu erwähnen (Warm
Conveyor Belts), sowie extrem trockene Luft aus
der Stratosphäre, die in Schichten häufig bis auf
alpine Gipfelhöhen herabsinkt.
Um die kurzzeitige räumliche und zeitliche
Variabilität zu erfassen, werden an der
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS)
in 2675 m Höhe Lidar-Verfahren eingesetzt. Das
seit 2004 betriebene Lidar-System (DIAL),
welches nach der Methode der differentiellen
Absorption arbeitet und auch tagsüber eine hohe
Empfindlichkeit bis in die obere Troposphäre
aufweist, wird seit kurzem zur Erweiterung des
vertikalen Bereichs bis in die Stratosphäre durch
ein Raman-Lidar ergänzt. Dieses profitiert von
dem bei der Wellenlänge von 308 nm relativ
geringen Lichtverlust in der Troposphäre.
Allerdings ist die Raman-Rückstreuung sehr
schwach, und so kommen ein besonders
leistungsstarker XeCl-Laser mit 180 W im
Einzellinienbetrieb, ein großes Empfangsteleskop
für das Rückstreulicht mit 1,5 m
Spiegeldurchmesser und eine erheblich
verbesserte Detektionselektronik zum Einsatz.
Im vergangenen Jahr wurde ein kleineres
Teleskop mit 0,36 m Durchmesser für den Nah-
bereichsempfang ab ca. 0,3 km Entfernung
hinzugefügt.
Wasserdampf-Testmessungen
Schon die ersten Testmessungen mit noch
recht offenem Aufbau, einem Zehntel der für
den Normalbetrieb geplanten Laserschüsse und
analoger Signalerfassung lieferten
Wasserdampfprofile bis zur Tropopause und
Übereinstimmungen mit
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
57
Radiosondenmessungen des Deutschen
Wetterdiensts. Eine Verbesserung ergab sich
sukzessiv durch das nachts mögliche, extrem
störungsarme Einzelphotonenzählen und einer
bereits recht guten provisorischen
Lichtabschirmung gegen Leuchtanzeigen im
Empfangskabinett des Lidar-Turms auf der
Dachterrasse der UFS.
Abb.1: logarithmisch dargestelltes H2O-
Rückstreusignal (346,94 nm); das Signal im Maximum
betrug infolge der geringen Laserleistung nur ca. 3 mV; bei
hoher Feuchte und voller Laserleistung wurden
Nahbereich Signale von über 10 mV erreicht.
In Abb. 1 ist das derzeit beste Resultat gezeigt,
wobei 1 Million Laserschüsse akkumuliert
wurden. Trotz einer mondhellen Nacht konnte
das Untergrundlicht in den einzelnen Kanälen
(15-m-Intervalle) auf etwa 1/50 der
vorangegangenen Messungen gesenkt wer-
den. Die Rauschamplitude entspricht
umgerechnet einem extrem niedrigen
Spannungswert von ca. 1,5 nV. In diesem
Beispiel zeigt sich erstmals die Grenze der stark
verbesserten Analogmessungen: Das
Photonenzählen liefert ein um beinahe das
Zehnfache niedrigeres Rauschen und zeigt
auch nicht den leichten Unterschwinger von ca.
20 nV zwischen 8 und 15 km.
In Abb. 2 und 3 ist das aus der Messung in Abb. 1
bestimmte Wasserdampf-Dichteprofil mit
unterschiedlicher vertikaler Spreizung
dargestellt, welche die außerordentliche
Dynamik der Verteilung belegt. In diesem
Beispiel erreichte die Feuchte bereits unterhalb
der Tropopause (Oberschleißheim, 0:00 UTC:
14336 m) Werte, wie sie normalerweise erst
mehrere Kilometer oberhalb von ihr erreicht
(stratosphärisches Mischungsverhältnis: 5 ppm).
Trotz dieser Trockenheit erkennt man bei
Mittelung über viele Kanäle eine von Null
verschiedene Feuchte bis über 15 km hinaus.
Nach finaler Minimierung des Hintergrundlichts
ist von Messungen bis über 20 km hin- aus
auszugehen.
Abb.2: Wasserdampf-Dichteprofile am 1.7.2015 (UFS-
Raman-Lidar; Oberschleißheim, Hohenpeißenberg)
Abb.3: Darstellung der Wasserdampfdichten in Abb. 2
skaliert zur besseren Visualisierung der kleinen Werte
ab 6 km Höhe: Die
Kalibrierung
Im Gegensatz zum DIAL müssen Raman-
Lidar-Systeme kalibriert werden. Die
Vergleiche der Feuchteprofile mit den
Messungen an den nächstgelegenen
Radiosondenstationen (Oberschleißheim,
Stuttgart, Hohenpeißenberg, Flughafen
Innsbruck) zeigen aufgrund der großen
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
58
räumlichen Variabilität des Wasserdampfs sehr
selten Übereinstimmungen über einen
ausgedehnten Höhenbereich. Das DIAL bietet
hingegen den entscheidenden Vorteil, praktisch
dasselbe Volumen abzutasten wie das Raman-
Lidar. Das DIAL weist bis in etwa 7 km Höhe
eine maximale mittlere Unsicherheit von 1 %
auf und stellt somit auch aus diesem Grund
eine ideale Kalibrierquelle dar. Ein erstes
Beispiel eines Vergleichs der beiden Systeme
zeigt Abb. 4. Man erkennt drei markante
trockene Schichten stratosphärischen
Ursprungs. Die Übereinstimmung ist trotz der
komplexen meteorologischen Situation ab 400
m beeindruckend und demonstriert die Vorteile
des geplanten Kalibrierverfahrens. Die wenigen
klaren Abweichungen werden einem
Zeitversatz zwischen beiden Messungen von 17
min zugeschrieben.
Abb.4: Erster Vergleich der Wasserdampfdichten von
DIAL und Raman-Lidar am 25.4.2013: Die Überein-
stimmung ist deutlich besser als bei Vergleichen mit in
großer Entfernung durchgeführten Radiosondenmes-
sungen.
Die extrem niedrige Feuchte in zwei der drei
stratosphärischen Schichten ist nach unserer
detaillierten Studie (Trickl et al., 2014) ein
weiterer Beleg für die niedrige
Luftdurchmischung in der freien Troposphäre.
Diese trockenen Schichten sinken über viele
Tage aus der Stratosphäre, typischerweise über
Alaska, Kanada oder Grönland, nach
Mitteleuropa ab und erfahren keine oder nur
geringe Modifikation. Mischvorgänge werden in
Atmosphärenmodellen um mindestens eine
Größenordnung überschätzt. Insbesondere die
grobmaschigen Klimamodelle sind nicht in der
Lage, den für Spurenstoffbilanz bedeutsamen
Vertikalaus- tausch quantitativ zu berechnen.
Temperatur
Für die Temperaturmessungen werden zwei
Verfahren eingesetzt, die Rotations-Raman-
Streuung an Stickstoff und Sauerstoff (bis ca.
25 km) und in aerosolfreien Bereichen der
Stratosphäre über die Bestimmung der
Atmosphärendichte aus den Rayleigh-
Rückstreuprofilen der emittierten Laserstrahlung
bei den Wellenlängen 308 nm und 353 nm.
Erstere Methode lieferte bereits akzeptable
Ergebnisse für das Nahbereichsempfangs-
system, bei Abweichungen vom NCEP-Tempe-
raturprofil von ca. 0,5 K bis 8 km. Die
Dichtemethode konnte erst bis knapp 40 km
getestet werden. Zum einen war es erforderlich,
das extreme starke Rückstreulicht für die
Primäremission des Lasersystems bei 308 nm auf
1/1000 abzuschwächen. Hier wird man das
Signal der ersten 10 km durch einen schnell
rotierenden „Chopper“ abschneiden müssen.
Zum anderen soll die Emission bei 353 nm
verbessert werden.
Literatur
Vogelmann, H., Sussmann, R., Trickl, t: und
Borsdorff, T.: Inter- comparison of atmospheric
water vapor soundings from the differential
absorption lidar (DIAL) and the solar FTIR system
on Mt. Zugspitze, Atmos. Meas. Technol. 4, 835-
841, 2011.
Vogelmann, H., Sussmann, R., Trickl, T. und
Reichardt, A.: Spatiotemporal variability of water
vapor investigated using lidar and FTIR vertical
soundings above the Zugspitze, Atmos. Chem.
Phys. 14, 3135-3148, 2015.
Trickl, T., Vogelmann, H., Giehl, H., Scheel, H., Sprenger, M. und Stohl, A.:How stratospheric are deep stratospheric intrusions? Atmos. Chem. Phys. 14, 9941-9961, 2014.
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
59
AKTIVITÄTSINDEX DER PLANETAREN WELLEN IN DER MESOPAUSE (CA. 87 KM HÖHE)
LISA KÜCHELBACHER1, CARSTEN SCHMIDT
2, SABINE WÜST
2, MICHAEL BITTNER
1,2
1UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR PHYSIK - AFE, 2DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN
Planetare Wellen beeinflussen maßgeblich die
Zirkulation der mittleren Breiten. In den
letzten Jahren stellt sich zunehmend her- aus,
dass planetare Wellen in engem
Zusammenhang auch mit
Extremwetterereignissen stehen. Es wird
daher zunehmend diskutiert, inwieweit die
Aktivität planetarer Wellen in der Mesosphäre
als Frühindikator für bevorstehende
Extremwettersituationen genutzt werden
kann.
Zur Untersuchung dieser Frage verwenden wir
ein spezielles Maß für die planetare
Wellenaktivität (dynamischer Aktivitätsindex,
DAI) auf der Grundlage von Airglow-
Messungen. In einer Höhe von etwa 87 km
werden mit dem Infrarot-Spektrometer GRIPS
(Ground-based Infrared P-branch
Spectrometer) Emissionen des Hydroxyl-
Moleküls von der Umweltforschungsstation
Schneefernerhaus (UFS) und von Wuppertal
(WUP) aus berührungslos aufgenommen
werden.
Das Wetter der mittleren Breiten ist durch einen
ständigen Wechsel zwischen Hoch- und
Tiefdruckgebieten geprägt. Dieser Wechsel
entlang eines Breitenkreises lässt sich auf die
Wirkung planetarer Wellen zurückführen. Hoch-
und Tiefdruckgebiete werden entlang der
Breitenkreise hauptsächlich nach Osten
verschoben. So werden auch die sog. „High-
Over-Low“- oder die „Omega“-Wetterlagen, die
oftmals zu Extremwettereignissen führen, durch
die Struktur der planetaren Wellen geformt.
Viele aktuelle Studien weisen auf einen
Zusammenhang von Extremwetter (Hitzewellen/
Kälteeinbrüche/ Starkniederschlagsereignisse) in
den mittleren geografischen Breiten mit einer
signifikant erhöhten Aktivität planetarer Wellen
(Mitchell et al., 2013; Petoukhov et al., 2013;
Kidston et al., 2015) hin.
Planetare Wellen sind globale Strukturen. Sie
breiten sich insbesondere im Winter über die
Troposphäre hinaus bis in die Strato- und
Mesosphäre aus (Madden, 2007). Besonders in der
Mesosphäre lassen sich vergleichsweise kleine
Änderungen in der Wellenaktivität deutlicher
nachweisen als dies in der turbulent
durchmischten Troposphäre der Fall ist, da der
Luftdruck in der Mesosphäre nur noch etwa ein
Millionstel des Luftdrucks an der Erdoberfläche
beträgt; die Mesosphäre wirkt quasi wie ein
Vergrößerungsglas (Smith, 2012).
Tägliche Messungen der Temperatur in etwa 87
km Höhe werden mit dem GRIPS- Instrument von
der UFS routinemäßig bereits seit 2005
durchgeführt (Schmidt et al., 2013). Quicklooks
der tagesaktuellen Daten sowie der Zeitreihe der
Temperaturnachtmittelwerte sind über das UFS-
DAZ sichtbar1. Analoge Messungen an der
Universität Wuppertal (Bittner et al., 2002)
ergänzen die so gewonnene Zeitreihe bis zurück in
das Jahr 1987, so dass eine Zeitreihe von nahezu
30 Jahren analysiert werden konnte.
Im Zuge des Klimawandels könnten sich die
großräumigen Strömungssysteme der
Atmosphäre verändern. Insbesondere steht zu
erwarten, dass eine Abschwächung des
meridionalen Temperaturgradienten auch eine
Änderung der planetaren Wellenaktivität – und
1
http://wdc.dlr.de/ufsdaz/ufsdaz_neu/UFS_Data/airglow.php
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
60
damit der Auftretenshäufigkeit und/oder In-
tensität von Extremwetterlagen bedingen dürfte
(z. B. Screen & Simmonds, 2014). Allerdings wird
dieser Themenkomplex gegenwärtig durchaus
kontrovers diskutiert. So weist etwa Barnes,
2013, darauf hin, dass die außerordentlich hohe
Komplexität der Kopplungsmechanismen in der
Atmosphäre derartige Zusammenhänge unter
Umständen maskieren könnte. Die Frage also, ob
der Klimawandel langfristig auf die planetaren
Wellen Einfluss nimmt - und damit auch auf
Extremwetterereignisse - ist gegenwärtig eine
eher offene Frage. In jedem Fall gewinnt die
Beobachtung der planetaren Wellenaktivität in
der Mesosphäre damit eine Bedeutung.
Als ein erstes Resultat zeigt die u. a. Abbildung
die jährliche Aktivität der planetaren Wellen in
der Mesopausenregion. Die Berechnung dieses
Index basiert auf Höppner & Bittner (2007) und
Bittner et al. (2000). Dazu werden die
gemessenen Nachtmittelwerttemperaturen in
der Mesopause für jedes einzelne Jahr zunächst
um den stark ausgeprägten saisonalen Gang
(Jahres-, Halbjahres- und Dritteljahresgang)
bereinigt. Die so erhaltenen Residuen der
Temperturnachtmittelwerte werden
anschließend einer Morlet-Waveletanalyse
unterzogen. Die Signifikanzprüfung erfolgt mit
einem Monte Carlo-Verfahren. Die so ermittelten
statistisch signifikanten (95 %) Intensitäten der
Waveletanalyse werden so- dann für jeweils ein
Jahr und über einen Periodendauerbereich von 3
bis 20 Tagen (dies sind typische Periodendauern
für planetare Wellen) aufaddiert. Auf diese Weise
wird der prozentuale Anteil der statistisch
signifikanten spektralen Intensitäten abgeschätzt.
Dieser Indikator für die planetare Wellenaktivität
(dies ist der DAI), ist in der Abbildung für den
Zeitraum von 1987 bis 2015 dargestellt. Während
die rote Kurve die Wellenaktivität für die
Messungen über Wuppertal angibt, zeigt die blaue
Kurve die Verhältnisse über der Zug- spitze. Der
Verlauf der Wellenaktivität ist offensichtlich
geprägt von einer langfristigen Modulation mit
einem relativen Maximum um das Jahr 1995. Ein
weiteres, weniger stark ausgeprägtes Maximum
deutet sich für 2015 oder 2016 an. Ein Vergleich
beider Kurven belegt eine Ähnlichkeit mit der
magnetischen Feldstärke der Sonne (graue
Kurve). Ein möglicher physikalischer Mechanismus
für einen solchen Zusammenhang wird
gegenwärtig näher untersucht. Der langfristigen
Variabilität der planetaren Wellenaktivität
Abb. 1: Verlauf der planetaren Wellenaktivität in der Mesopause abgeleitet aus Messungen von GRIPS II (rot) und GRIPS 8 (blau) von 1987 bis 2015. Die dunkelgrauen Balken stellen den Unsicherheitsbereich des Index dar. In grau dargestellt ist die solare Magnetfeldstärke der Sonne (Hale-Zyklus).
UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014
61
überlagert eine kürzerfristige Modulation mit
etwa zwei bis 4 Jahren, was auf eine QBO-
Signatur hinweisen könnte.
Ungeachtet einer näheren Betrachtung der
physikalischen Prozesse, die zu der Variation der
planetaren Wellenaktivität führen, bleibt
festzuhalten, dass eine solche Variabilität auf
Zeitskalen von etwa 20 Jahren und 2-4 Jahren
sehr ausgeprägt vorhanden ist. Sollte sich also
die Hypothese verfestigen, dass die Aktivität
planetarer Wellen tatsächlich einen signifikanten
Einfluss nimmt auf die Ausprägung extremer
Wetterlagen, so müsste auch diese dem oben
gezeigten längerfristigen Muster folgen.
Literatur Barnes, E.A.: Revisiting the evidence linking Arctic amplifica- tion to extreme weather in midlatitudes, Geophys. Re. Lett., 40, 4728-4733, 2013. Bittner, M., Offermann, D. und Graef, H.- H.: Mesopause temperature variability above a midlatitude station in Europe. In: JGR 105. S. 2045-2058, 2000. Bittner, M., Offermann D., Graef H.H. und Hamilton K.: An 18- year time series of OH rotational temperatures and middle at- mosphere decadal variations, J. Atm. Sol. Terr. Phys., 64, 1147- 1166, 2002. Hoffmann, P., Singer, W., Keuer, D., Hocking, W. K., Kunze, M. und Murayama, Y.: Latitudinal and longitudinal variability of mes- ospheric winds and temperatures during stratospheric warming events. Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 69. S. 2355-2366, 2007. Höppner, K. und Bittner, M.: Evidence for Solar Signals in the Mesopause Temperature Variability? In: JASTP 69, S. 431-448, 2007. Kidston, J., Scaife, A., Hardiman, S. C., Mitchell, D. M., Butchart, N., Baldwin, M. P. und Gray, L. J.: Stratospheric influence on tropospheric jet streams, storm tracks and surface weather. In: Nature Geoscience 8. S. 433–440, 2015.
Madden, R.A. : Large-scale, free Rossby waves in the atmos- phere – an update, Tellus, 59A, 571-590, doi:10.1111/j.1600- 0870.2007.00257.x, 2007. Mitchell, D. M., Gray, L. J., Anstey, K. J., Baldwin, M. P. und Charlton- Perez, A. J.: The influence of stratospheric vortex displacements and splits on surface climate. In: Journal of Climate (26), S. 2668- 682, 2013. Petoukhov, V., Rahmstorf, S. Petri, S. und Schellhuber, H. J.: Quasiresonant amplification of planetary waves and recent Northern Hemisphere weather extremes. In: PNAS 110(14). S. 5336-5341, 2013 Screen, J.A. und Simmonds, I.: Amplified mid-latitude planetary waves favour particular regional weather extremes, Nature Climate Change, 4, 704-709, doi:10.1038/NCLIMATE2271, 2014. Schmidt, C., Höppner, K. und Bittner, M.: A ground-based spectrometer equipped with an InGaAs array for routine observa- tions of OH(3-1) rotational temperatures in the mesopause region, J. Atmos. Sol. Terr. Phys., 102, 125-139, doi:10.1016/j.jastp.2013.05.001, 2013.
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