vom samariter zum unternehmer

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62 und Fakten kommt dieser zu dem Schluss, dass die Liquidität mit 25.000 € nicht aus- reichend war. Die von den Pflegedienst- inhabern aus ihrem privaten Vermögen bereitgestellten 12.000 € zur Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten entspan- nten die Situation zwar kurzfristig, waren aber keine Lösung auf Dauer. Bei dieser Sachlage war davon auszugehen, dass die Bank keinen zusätzlichen Kredit geben würde, um die Situation zu stabilisieren. Es musste also ein Maßnahmeplan zur Erhöhung der wirtschaftlichen Rentabili- tät des ambulanten Pflegedienstes erstellt werden. Rettungsplan Pflegedienstinhaber und Steuerberater entwarfen folgenden Plan: z Aus der Erlösstruktur ist ersichtlich, dass der Pflegedienst bisher keine Investivkosten an seine SGB XI-Pati- enten weiter berechnet hat, weil die Inhaber der Meinung waren, ihre Patienten würden das nicht akzeptie- ren, da sie die Kosten privat tragen müssten. Investivkosten sind Kosten, die dem Pflegedienst tatsächlich ent- stehen und die nicht mit der Pflege- vergütung abgedeckt sind. Im SGB XI sind die Investivkosten als Begriff im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung gesetzlich definiert. Diese Kosten können von einem Pflegedienst geltend gemacht werden und der Betrieb kann dadurch zusätzliche Einnahmen verbuchen. In den meisten Bundes- ländern gibt es keine Investitions- D Der enorme Umsatzeinbruch basierte auf dem Rückgang der Erträge in den pflegerischen Leistungen der Stufe II und III und einer nicht uner- heblichen Verminderung der Erträge in der ambulanten Behandlungspflege. Die Ursachen dafür lagen zum einen im Rückgang der Patientenzahlen – zum Teil hatten Angehörige die Pflegetätig- keit übernommen. Zum anderen waren die Ärzte seltener bereit, Leistungen nach SGB V zu verschreiben. Kontokorrentkredit abgelehnt Die am Umsatz fehlenden 42.950 € machten sich deutlich bemerkbar. Für den Pflegedienst wurde es durch die wirtschaftlich veränderte Lage nahezu unmöglich, alle Verbindlichkeiten zu erledigen. Die Liquidität hatte sich deut- lich verschlechtert. Einen Kontokor- rentkredit (Überziehungskredit) stellte die finanzierende Bank nach Prüfung der aktuellen Ergebnisse nicht zur Ver- fügung. Die Kapitaldienstfähigkeit des ambulanten Pflegedienstes galt einfach als nicht gesichert. Klar war: Wenn die Krankenkassen und das Finanzamt nicht mehr pünktlich bedient werden können, dann wird es kritisch. Würde der Pflegedienst einen Insolvenzantrag stellen, dann droht der Einrichtung der Entzug der Zulassung. Hilfe von außen In dieser Situation wendeten sich die Pfle- gedienstinhaber an einen auf die Proble- matik von Pflegediensten spezialisierten Steuerberater. Nach Prüfung der Zahlen Vom Samariter zum Unternehmer Was tun, wenn ein ambulanter Pflegedienst zum Patienten wird? F Ein ambulanter Pflegedienst in der Rechtsform einer GbR erzielte im Zweijahresvergleich von 2006 zu 2007 deutlich schlechtere wirtschaftliche Ergebnisse. Es fehlten 42.950 € Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. War hier noch etwas zu retten? förderung, so dass der Pflegedienst gezwungen ist, diese Kosten weiter zu leiten, denn diese sind nicht in den Pflegekosten enthalten. Die Berechnung der Investivkosten ergab in unserem Fall einen Satz von 5 %. Dieser Satz ist zur Bestätigung an die entsprechende Behörde einge- reicht worden. Für den Pflegedienst würde die konsequente Umsetzung der Investivkostenweiterbelastung Mehreinnahmen in Höhe von 15.000 € jährlich bedeuten. z Alle Serviceleistungen, zum Beispiel Rezepte holen, zum Arzt bringen, zum Friseur begleiten und viele andere „Pflege-IGeL“ (= Individuelle Gesundheitsleistungen), erbrachten die Pflegedienstmitarbeiter umsonst. Diese Leistungen fallen nicht unter den Befreiungstatbestand hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer. Wenn diese Leistungen zusammen mit den ansonsten von der Gewerbesteuer befreiten pflegerischen Leistungen und der Behandlungspflege erbracht werden, sind sie nach der so genannten „Abfärbetheorie“ im Steuerrecht in einer GBR – das ist der wesentliche Punkt – auch gewer- besteuerpflichtig. Deshalb müssen diese Leistungen in einer geson- derten Gesellschaft, die finanziell, organisatorisch und personell vom ambulanten Pflegedienst getrennt ist, auf dem Markt angeboten werden. Sie sollten aber keinesfalls umsonst erbracht werden, denn es handelt PFLEGE PERSPEKTIVE MANAGEMENT Heilberufe 5 | 2008 DOI 10.1007/s00058-008-0084-0

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und Fakten kommt dieser zu dem Schluss, dass die Liquidität mit 25.000 € nicht aus-reichend war. Die von den Pflegedienst-inhabern aus ihrem privaten Vermögen bereitgestellten 12.000 € zur Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten entspan-nten die Situation zwar kurzfristig, waren aber keine Lösung auf Dauer. Bei dieser Sachlage war davon auszugehen, dass die Bank keinen zusätzlichen Kredit geben würde, um die Situation zu stabilisieren. Es musste also ein Maßnahmeplan zur Erhöhung der wirtschaftlichen Rentabili-tät des ambulanten Pflegedienstes erstellt werden.

RettungsplanPflegedienstinhaber und Steuerberater entwarfen folgenden Plan:z Aus der Erlösstruktur ist ersichtlich,

dass der Pflegedienst bisher keine Investivkosten an seine SGB XI-Pati-enten weiter berechnet hat, weil die Inhaber der Meinung waren, ihre Patienten würden das nicht akzeptie-ren, da sie die Kosten privat tragen müssten. Investivkosten sind Kosten, die dem Pflegedienst tatsächlich ent-stehen und die nicht mit der Pflege-vergütung abgedeckt sind. Im SGB XI sind die Investivkosten als Begriff im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung gesetzlich definiert. Diese Kosten können von einem Pflegedienst geltend gemacht werden und der Betrieb kann dadurch zusätzliche Einnahmen verbuchen. In den meisten Bundes-ländern gibt es keine Investitions-

D

Der enorme Umsatzeinbruch basierte auf dem Rückgang der

Erträge in den pflegerischen Leistungen der Stufe II und III und einer nicht uner-heblichen Verminderung der Erträge in der ambulanten Behandlungspflege. Die Ursachen dafür lagen zum einen im Rückgang der Patientenzahlen – zum Teil hatten Angehörige die Pflegetätig-keit übernommen. Zum anderen waren die Ärzte seltener bereit, Leistungen nach SGB V zu verschreiben.

Kontokorrentkredit abgelehntDie am Umsatz fehlenden 42.950 € machten sich deutlich bemerkbar. Für den Pflegedienst wurde es durch die wirtschaftlich veränderte Lage nahezu unmöglich, alle Verbindlichkeiten zu erledigen. Die Liquidität hatte sich deut-lich verschlechtert. Einen Kontokor-rentkredit (Überziehungskredit) stellte die finanzierende Bank nach Prüfung der aktuellen Ergebnisse nicht zur Ver-fügung. Die Kapitaldienstfähigkeit des ambulanten Pflegedienstes galt einfach als nicht gesichert.

Klar war: Wenn die Krankenkassen und das Finanzamt nicht mehr pünktlich bedient werden können, dann wird es kritisch. Würde der Pflegedienst einen Insolvenzantrag stellen, dann droht der Einrichtung der Entzug der Zulassung.

Hilfe von außenIn dieser Situation wendeten sich die Pfle-gedienstinhaber an einen auf die Proble-matik von Pflegediensten spezialisierten Steuerberater. Nach Prüfung der Zahlen

Vom Samariter zum Unternehmer Was tun, wenn ein ambulanter Pflegedienst zum Patienten wird? F Ein ambulanter Pflegedienst in der Rechtsform einer GbR erzielte im Zweijahresvergleich von 2006 zu 2007 deutlich schlechtere wirtschaftliche Ergebnisse. Es fehlten 42.950 € Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. War hier noch etwas zu retten?

förderung, so dass der Pflegedienst gezwungen ist, diese Kosten weiter zu leiten, denn diese sind nicht in den Pflegekosten enthalten. Die Berechnung der Investivkosten ergab in unserem Fall einen Satz von 5%. Dieser Satz ist zur Bestätigung an die entsprechende Behörde einge-reicht worden. Für den Pflegedienst würde die konsequente Umsetzung der Investivkostenweiterbelastung Mehreinnahmen in Höhe von 15.000 € jährlich bedeuten.

z Alle Serviceleistungen, zum Beispiel Rezepte holen, zum Arzt bringen, zum Friseur begleiten und viele andere „Pflege-IGeL“ (= Individuelle Gesundheitsleistungen), erbrachten die Pflegedienstmitarbeiter umsonst. Diese Leistungen fallen nicht unter den Befreiungstatbestand hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer. Wenn diese Leistungen zusammen mit den ansonsten von der Gewerbesteuer befreiten pflegerischen Leistungen und der Behandlungspflege erbracht werden, sind sie nach der so genannten „Abfärbetheorie“ im Steuerrecht in einer GBR – das ist der wesentliche Punkt – auch gewer-besteuerpflichtig. Deshalb müssen diese Leistungen in einer geson-derten Gesellschaft, die finanziell, organisatorisch und personell vom ambulanten Pflegedienst getrennt ist, auf dem Markt angeboten werden. Sie sollten aber keinesfalls umsonst erbracht werden, denn es handelt

PFLEGE PERSPEKTIVE MA N AG E M E N T

Heilberufe 5 | 2008

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sich hier um übliche Service- und Dienstleistungen, die zu bezahlen sind. Die abgeschlossenen Jahre konnte der ambulante Pflegedienst nicht mehr korrigieren. Er grün-dete aber zum 1. Januar 2008 eine gesonderte Servicegesellschaft. Somit erfüllte der Pflegedienst ab diesem Zeitpunkt zumindest die steuerlichen Voraussetzungen.Den Patienten wurden im persön-lichen Gespräch unterschiedliche Servicepakete zur Erledigung bestimmter Dienstleistungen (pfle-gerische IGeL) angeboten, die sich zwischen 20, 30 und 50 € pauschal bewegten. Überraschenderweise war das Verständnis und Interesse der Patienten groß und 30 Patienten buchten die Servicepauschale ver-traglich sofort. Bei circa 30 Patienten werden künftig monatlich durch-schnittlich 30 € vereinnahmt und damit sind insgesamt circa 11.000 € mehr Einnahmen im laufenden Jahr zu erwarten. Insgesamt sollen durch beide Maß-nahmen 26.000 € mehr Einnahmen im Jahr 2008 erzielt werden.

z Ein weiterer wichtiger Aspekt der Firmensanierung ist die Sicherung des Patientenstammes. Die Pflege-

dienstinhaber ergriffen Maßnahmen, die die Qualität des Pflegedienstes und die Kundenzufriedenheit deut-lich erhöhen. Unterstützend über-legten sich die Mitarbeiter eine Viel-zahl von Marketingmaßnahmen.

z Die Kostenstruktur des ambulanten Pflegedienstes wurde selbstverständ-lich auch analysiert. Zielstellung war, Kosten zu sparen, aber nicht um jeden Preis. Beispiel Fahrzeugkosten: Mit 12% zum Umsatz lagen sie 2007 im Vergleich zum Vorjahr, wo sie mit 18% zu Buche schlugen, wesentlich günstiger, aber im Vergleich zum Durchschnittswert von 8% zum Umsatz immer noch zu hoch. Hier wurden die Tourenpläne kontrol-liert und optimiert. Darüber hinaus konnten aktuell die Leasingverträge so umgestellt werden, dass die War-tungsverträge für die Fahrzeuge sehr kostengünstig einbezogen werden. Dadurch ist nochmals eine Einspa-rung von circa 20.000 € zu erwarten.

z Im privaten Bereich sparen die Inha-ber durch einen Versicherungscheck Kosten. Die privaten Entnahmen pro Monat werden reduziert, um auch dadurch die Liquiditätssituation zu stabilisieren.

FazitInsgesamt wurde die Kalkulation sehr vorsichtig vorgenommen. Der Umsatz des ambulanten Pflegedienstes könnte im Jahr 2008 damit trotzdem um 46.000 € verbessert werden. Wird dieses Ziel erreicht, können alle Verbindlich-keiten bezahlt und zusätzliche Reserven geschaffen werden.

Die Hausbank fand das Konzept inhalt-lich nachvollziehbar und stellte dem ambulanten Pflegedienst einen zusätz-lichen Liquiditätsrahmen von 25.000 € zur Verfügung, um die Situation zu sta-bilisieren und um den notwendigen Zeit-rahmen zur Umsetzung der Maßnahmen zu ermöglichen.

Dauerhafte Hilfe und Pflege der Pati-enten wurde so durch unternehmerische Entscheidungen und Strukturen ermög-licht. Ein gelungener Weg vom Samariter zum Unternehmer. z

E Dorothee Herzer, SteuerberaterinE Advitax Steuerberatungsgesellschaft

mbH, Niederlassung Suhl www.advitax-suhl.de

E Thomas MeißnerE Vorstand – AnbieterVerband qualitäts-

orientierter Gesundheitspflegeeinrich-tungen AVGwww.avg-ev.com

MA N AG E M E N T PFLEGE PERSPEKTIVE

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5 | 2008 Heilberufe