versorgungsforschung...versorgungsforschung – erkenntnisse über die patientenversorgung im alltag...
TRANSCRIPT
Vorwort
Die Versorgungsforschung ist eine noch junge
wissenschaftliche Teildisziplin. Sie wendet interdiszip
linäre Methoden an, um wissenschaftliche Fragen
der Organisation, Inanspruchnahme und Erbringung
von Gesundheitsleistungen zu untersuchen.
Analysiert wird die Versorgung von Einzelnen, Gruppen
und der Bevölkerung mit medizinischen Gütern
und Dienstleistungen unter den Alltagsbedingungen
im Gesundheitswesen. Die Verfügbarkeit, Kenntnis
und Bedeutung entsprechender Daten für die Planung,
Umsetzung und Evaluation gezielter gesundheits
politischer Maßnahmen zur Weiterentwicklung der
Gesundheitsversorgung kann nicht überschätzt werden.
Die Arzneimittelversorgung steht regelmäßig im Fokus
von Gesundheitsreformen und Kostendämpfungs
maßnahmen. Aussagen über die Anwendung von Arznei
mitteln, deren Ergebnisse in der Alltagspraxis
und die Konsequenzen politischer Interventionen für
die Patientenversorgung bewegen sich häufig
auf einer wenig tragfähigen und wissenschaftlich
fundierten Datenbasis.
Pfizer möchte ergänzend zu den bereits vorhandenen
Untersuchungen Beiträge zur Versorgungsforschung
leisten und damit zu einer objektiveren Diskussion
und auf Fakten basierenden Maßnahmen der Politik
beitragen. Das Engagement von Pfizer in der Versor
gungsforschung beruht auf dem Ziel, die Anwendung
von Arzneimitteln unter Alltagsbedingungen zu unter
suchen und damit die klinische Forschung durch
die Perspektive des Versorgungsalltags unter Praxis
bedingungen zu ergänzen.
Wichtig hierbei ist, die Anwendung von Arzneimitteln
beim einzelnen Patienten nicht als isolierte Maß
nahme zu betrachten, vielmehr muss die Arzneimittel
versorgung als Bestandteil eines gesamten Versor
gungsprozesses gesehen werden, der sich an den
Bedürfnissen der einzelnen Patienten orientiert.
Wesentliche Felder der Versorgungsforschung von
Pfizer sind die Evaluation von Arzneimitteln als
Bestandteil von Therapiekonzepten, die Anwendung
von Therapien gemäß Leitlinien und Empfehlungen
der Wissenschaft und die Untersuchung der medi
zinischen Ergebnisqualität (Outcomes) im Versorgungs
alltag, gemessen an epidemiologischen Parametern
und definierten Zielwerten. Auf Grundlage von
Analysen können bei suboptimalen Ergebnissen die
Ursachen betrachtet und mögliche Ansatzpunkte
zur Verbesserung diskutiert werden. Aus diesen
Fragestellungen resultieren Versorgungsprojekte für
sektorübergreifende Kooperationen und Public
PrivatePartnerships, die neue Lösungswege für ein
zukunftsfähiges Gesundheitswesen bereiten können.
Mit der vorliegenden Broschüre wollen wir zu einem
tieferen, praxisbezogenen Verständnis der Versor
gungsforschung beitragen und zeigen, wie wichtig
derartige Projekte für eine qualitativ hochwertige
patientenorientierte Versorgung sind. Wir sind davon
überzeugt, dass alle Beteiligten im Gesundheitswesen
durch das Mehren des Wissens um die Versorgung
im Gesundheitssystem zu einer besseren Patientenver
sorgung beitragen können.
Karlsruhe, im August 2007
Peter Marx
Director Policy Affairs
Pfizer Deutschland GmbH
�
Inhalt
Vorwort 2
Versorgungsforschung – Erkenntnisse über
die Patientenversorgung im Alltag 4
Diabetes mellitus – auf die Früherkennung kommt es an 6
Informierte Patienten – positive
Auswirkungen auf die Versorgung 10
Versorgung von HerzKreislaufErkrankungen –
Herausforderung für den Hausarzt 12
Herausforderung Demenz – auf der Suche
nach einem Modell für eine verbesserte Versorgung 18
Pfizer bleibt engagiert – für eine bessere Versorgung 24
Glossar 30
Literatur 34
IMPRESSUM
Herausgeber: Pfizer Deutschland GmbH,
Abteilung Policy Affairs
In Zusammenarbeit mit: HealthEcon AG, Basel
Layout&Design: www.gosons.de
�
Versorgungsforschung – Erkenntnisse über die Patientenversorgung im Alltag
In seinem Gutachten 2000/2001 hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen die verfügbare Evidenz zur Versorgung in ausgewählten Indikationen analysiert und Defizite dargestellt: Z.B. werden bei Diabetes oder Hypertonie trotz der Verfügbarkeit vielfältiger und wirksamer Therapien die Behandlungsziele im Alltag oft verfehlt.1
Offensichtlich gelingt es nicht, die mit den vorhandenen
Therapieoptionen möglichen und in klinischen
Studien gezeigten Behandlungsergebnisse (Outcomes)
in der täglichen Versorgung zu erreichen. An diese
Diagnose schließt sich die Frage an, was den Transfer
der nachgewiesenen klinischen Wirkung in den
Versorgungsalltag behindert.
Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig,
Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der praktischen
Patientenversorgung mit wissenschaftlichen Methoden
zu untersuchen. Dies ist Gegenstand der Versorgungs
forschung: sie analysiert, beschreibt und erklärt
die Versorgung von Einzelnen wie der Bevölkerung
unter Alltagsbedingungen. Auf Basis der Ergebnisse
können dann entsprechende Konzepte erarbeitet,
umgesetzt und bezüglich ihrer Zielparameter evaluiert
werden, um festgestellte Defizite wirksam zu beheben.
Versorgungsforschung (»Health Services Research«)
erfüllt nach Pfaff folgende Aufgaben2:
• Beschreibung der Versorgungssituation
• Analyse und Erklärung der Versorgungssituation
• Konzeption zielkonformer Versorgungskonzepte
• Umsetzung und wissenschaftliche Begleitung
der Versorgungskonzepte
• (Vergleichende) Evaluation der Konzepte
unter Alltagsbedingungen
Im Vergleich dazu untersucht die klinische Forschung
die Wirkung einer Therapie in der Anwendung
bei Patienten in einem klinischen, standardisierten
Umfeld. Dies folgt aus dem Ziel, die isolierte
Wirkung spezifischer Therapien zu erfassen oder zu
vergleichen. In der Regel weicht der experimentelle
Kontext klinischer Studien von der Situation ab,
wie sie der Anwendung der Therapie im medizinischen
Alltag entspricht.
Die Versorgungsforschung betrachtet die Wirksamkeit
einer Maßnahme als Bestandteil des gesamten
Versorgungsprozesses im medizinischen Alltag. Dabei
wird z. B. der für den Arzt relevante Handlungs
rahmen (wie budgetäre Zwänge) ebenso einbezogen
wie die psychische Situation des Patienten (z.B.
Verdrängen der AlzheimerDiagnose) oder das organi
satorische Umfeld.
�
Die spezifische Perspektive der Versorgungsforschung
bedeutet aber nicht, dass damit methodische Stan
dards wie z. B. Kontrollgruppen oder Randomisierung
bei entsprechenden Studien aufgegeben werden
müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese über
die reine Beschreibung des empirischen Versorgungs
geschehens hinausgehen.
Klinische Forschung und Versorgungsforschung er
gänzen sich in ihren Zielen und Ergebnissen. Während
die Versorgungsforschung z. B. kaum Aussagen über
die Wirkungen eines spezifischen Arzneimittels isoliert
von sonstigen Einflüssen erlaubt, gibt die klinische
Forschung keine Auskunft über die Wirksamkeit des
Präparates in der durch zahlreiche »Störgrößen«
beeinflussten täglichen Versorgung: Z. B. spielen eine
nicht bestimmungsgemäße Einnahme oder eine
geringe Compliance mit Vorgaben zu Ernährung und
Bewegung in klinischen Studien kaum eine Rolle.
Im Versorgungsalltag sind diese Fragen aber von
hoher Relevanz. Ebenso unterliegen Patienten in kli
nischen Studien bestimmten Einschlusskriterien
(z. B. Alter, Dauer der Erkrankung, bisherige Behand
lung, Einhaltung einer Diät o.Ä.), die für Patienten
in der alltäglichen Versorgung so in der Regel nicht
immer zutreffen.
Die Ziele der Versorgungsforschung bestehen darin,
unter Alltagsbedingungen
• Aussagen über die Anwendung und die Wirksamkeit
diagnostischer und therapeutischer Interventionen
zu treffen,
• neue Kooperationsformen und Versorgungskonzepte
außerhalb der sektoralen Trennung zu erproben und
zu evaluieren,
• den medizinischen und ökonomischen Nutzen von
z. B. Arzneimitteln im Rahmen dieser Versorgungs
konzepte zu bewerten und
• Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Versor
gungsstrukturen und Versorgungsprozesse zu finden.
Zusammengefasst liefert die Versorgungsforschung
Informationen, welchen Nutzen medizinische
Maßnahmen in der täglichen Anwendung entfalten,
welche medizinischen Outcomes im Versorgungs
alltag erzielt werden und wie die Versorgung – d. h.
letztendlich auch deren Wirtschaftlichkeit – verbessert
werden kann.
Nachfolgend werden einige Initiativen von Pfizer
auf dem Gebiet der Versorgungsforschung beispiel
haft dargestellt, die zum einen chronische Volks
erkrankungen wie Diabetes, hohen Blutdruck und
HerzKreislaufErkrankungen betreffen. Zum anderen
werden auch spezielle Bereiche wie Demenz und
Schmerz sowie seltene Erkrankungen wie die pulmo
nalarterielle Hypertonie betrachtet. Am Ende der
Broschüre fasst ein Glossar wesentliche Begriffe der
Versorgungsforschung zusammen.
�
Diabetes mellitus – auf die Früherkennung kommt es an
Die KoDiMStudie (Kosten des Diabetes mellitus in Deutschland) konnte wichtige Erkenntnisse über die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus und deren Kosten gewinnen. Ein wesentliches Ergebnis war die Notwendigkeit, der frühzeitigen Diagnose und konsequenten Therapie des Diabetes einen höheren Stellenwert als bisher einzuräumen, um Komplikationen und Folgeschäden zu verringern. Die KoDiMStudie belegte dabei die Relevanz dieses medizinischen Ziels auch aus gesundheitsökonomischer Sicht.
Hintergrund und Ziel
Die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus
stellt weltweit eine Herausforderung für die jeweiligen
Gesundheitssysteme dar. Die Gründe hierfür sind viel
fältig. Insbesondere sind die Chronizität der Erkran
kung sowie die zunehmende Prävalenz von Bedeutung.
Weiterhin ist der Diabetes durch komplexe Behand
lungserfordernisse gekennzeichnet, wie z. B. die Not
wendigkeit von Änderungen des Lebensstils, die Durch
führung von Schulungen sowie die Abfolge und exakte
Einhaltung von medikamentösen Therapieregimen.
Gerade hinsichtlich der Veränderung des eigenen
Verhaltens erweist sich die Mitarbeit der Betroffenen
oft als mangelhaft. Neben den epidemiologischen
und medizinischen Aspekten sind bei der Darstellung
der Herausforderung »Diabetes« besonders die
durch Komplikationen und Folgeschäden verursachten
Kosten zu nennen.
Zu dieser Frage gab es bisher – speziell für Deutsch
land – nur wenige belastbare Aussagen. Dies limitierte
die Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten der Diabetes
versorgung valide einzuschätzen und entsprechende
Aussagen über die Kostenstruktur der Versorgung
des Diabetes bzw. der DiabetesPatienten machen zu
können. Folgende Fragen blieben offen z.B.
• Welche Kosten entstehen in der Versorgung
von Patienten mit Diabetes?
• Welches sind die wesentlichen Kostenfaktoren?
• Welche Kosten sind auf die Behandlung der
Grunderkrankung bzw. auf diabetesspezifische
Komplikationen und Folgeschäden zurückzuführen?
• Können Krankheitsprofile bzw. Krankheitszustände
identifiziert werden, die besonders hohe Kosten
verursachen und durch eine frühzeitige spezifische
Therapie verhindert oder verringert werden?
Diese Fragen sind essenziell wenn es darum geht,
vorhandene Mittel zielgerichtet dort einzusetzen
wo sie den höchsten medizinischen und ökonomischen
Nutzen bringen. Differenzierte und belastbare
Daten zur Krankheitsversorgung von Patienten mit
Diabetes in Deutschland und deren Kosten wurden
mit der KoDiMStudie vorgelegt.
Kosten des diabetes Mellitus in
deutscHland – KodiM
Die Kostenschätzung der KoDiMStudie basiert auf einer
Zufallsstichprobe der Versicherten der AOKHessen.
Für die Stichprobenpopulation wurden die versicherten
bezogenen Daten der AOK Hessen und der Kassen
ärztlichen Vereinigung (KV) Hessen für das Jahr 2001
zusammengeführt und pseudonymisiert ausgewertet.
Es wurden Daten von fast 27.000 Typ1 und Typ2
Patienten analysiert, die durch Therapie mit Antidia
betika und/oder die Diagnose Diabetes identifiziert
werden konnten.
Diese Patienten wurden mit einer »gematchten«
Kontrollgruppe verglichen, d. h. jedem Patienten mit
Diabetes wurde ein zufällig gewählter, hinsichtlich
Alter und Geschlecht gleicher Versicherter ohne Diabe
tes gegenübergestellt. So konnten die Kosten
geschätzt werden, die unmittelbar infolge der Behand
lung des Diabetes entstehen (DiabetesExzessKosten).
�
D.h. es wurde möglich, die diabetesunabhängigen
von den unmittelbar diabetesabhängigen Kosten
zu unterscheiden. Zusätzlich wurden die diabetesab
hängigen Kosten danach unterschieden, ob sie
auf die Behandlung der Grunderkrankung »Diabetes«
zurückzuführen waren, oder infolge diabetes
spezifischer (Spät)Komplikationen entstanden. Die
entsprechenden Kostenkategorien zeigt die Abbildung
unten.
ProjeKtPartner
Die KoDiMStudie wurde durch die pmv Forschungs
gruppe der Universität Köln durchgeführt. Gemein
sam mit der Deutschen Diabetes Stiftung und der
Aventis Pharma GmbH hat Pfizer Deutschland GmbH
die Durchführung der KoDiMStudie gefördert.
ergebnisse
Die Ergebnisse der KoDiMStudie liefern einen differen
zierten und detaillierten Überblick über die tatsäch
lichen Kosten des Diabetes bzw. der Versorgung von
DiabetesPatienten in Deutschland.
Die mittleren jährlichen Kosten je Diabetiker wurden
mit über € 5.200, ermittelt, wobei ca. € 1.000,
auf die Versorgung mit Arzneimitteln entfielen. Nur
rund ein Viertel der Arzneimittelkosten, also
etwa € 250,, wurden dabei durch die medikamentöse
Behandlung der Grunderkrankung Diabetes mit
Antidiabetika verursacht. Im Durchschnitt zeigten sich
gegenüber der Kontrollgruppe bei den Patienten
mit Diabetes fast doppelt so hohe direkte Kosten auf
grund der intensiven Behandlung.
�
Interessant war hierbei die starke Abhängigkeit
dieser Kosten von den vorhandenen Komplikationen:
Betrugen die Kosten bei Patienten ohne diabetes
bedingte Komplikationen etwa das 1,2-fache der
Kontrollpatienten, so stieg diese Relation mit
zunehmender Anzahl an Komplikationen auf das
3,7-fache an.
Bei Hochrechnung der Ergebnisse auf die insgesamt
5,8 Mio. diagnostizierten und behandelten Dia
betiker – dies entspricht einer Prävalenz von 7 % im
Jahre 2001 – ergaben sich direkte Kosten für die
Krankenversicherung von insgesamt € 25,9 Mrd. und
für die Pflegeversicherung von € 4,7 Mrd. Knapp
die Hälfte dieser Gesamtkosten von € 30,6 Mrd. sind
unmittelbar diabetesabhängige Kosten, d. h. auf
den Diabetes inklusive Komorbiditäten und Kom
plikationen zurückzuführen (rd. € 14,6 Mrd.). Die
Tabelle unten gibt die direkten Kosten für die 5,8 Mio.
Diabetiker bezogen auf die deutsche Wohnbevöl
kerung wieder.
Insgesamt werden etwa € 3,2 Mrd. – d. h. nur
knapp ein Viertel der direkten Kosten des Diabetes
(rd. € 14,6 Mrd.) – durch die Therapie der Grund
erkrankung verursacht. Hauptkostenfaktor ist somit
die Therapie der diabetesbedingten Folgeschäden.
Es ist daher sinnvoll, in eine effektive Therapie
zu investieren, um die Kosten für die Folgeschäden
und Komplikationen möglichst gering zu halten.
Dieses wesentliche Ergebnis wird auch durch die
Verteilung der Kosten über die Patienten bestätigt:
Etwa 60 % der Gesamtkosten entstanden bei nur
rund 15 % der Patienten, während eine große Gruppe
von Diabetikern (55 %) lediglich 12 % der Gesamt
kosten verursachte.
ZusaMMenfassung und ausblicK
Aufgrund ihres Designs, der Qualität der Daten und
des Umfangs der zugrunde liegenden Stichprobe
stellt die KoDiMStudie einen umfassenden Ansatz
einer Prävalenzbasierten Krankheitskostenstudie
dar. Anhand von Routinedaten der gesetzlichen Kranken
und Pflegeversicherung wurden die direkten
Kosten pro Patient (»bottomup approach«) erhoben.
Wesentliche versorgungsrelevante Fragen konnten in
der KoDiMStudie beantwortet werden. Studien
aus den USA und Europa bestätigen das Ergebnis,
dass die Kosten für die Versorgung von Diabetes
patienten wesentlich durch Komplikationen bestimmt
werden.5 | 6 | 9 | 10
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse aus KoDiM
rückt bei der Frage der Wirtschaftlichkeit einer
Diabetesbehandlung deren Nutzen hinsichtlich einer
Verringerung von Komplikationen und Folgeschäden
in den Mittelpunkt.
Auch die Autoren einer aktuellen Publikation zur
KoDiMStudie ziehen das Fazit, dass der Früherkennung
von Diabetes und der frühzeitigen Behandlung
von Komplikationen ein höherer Stellenwert als bisher
eingeräumt werden sollte.3 Sie verbinden dies mit
der Hoffnung, dass die eingeführten DiseaseManage
mentProgramme für Typ1 und Typ2 Diabetes die
Früherkennung von Diabeteskomplikationen wirksam
verbessern können. Interessant wäre daher die
Weiterverfolgung der Ergebnisse der KoDiMStudie
in einer Längsschnittuntersuchung. Den Grundstein
dafür haben die Projektpartner gelegt.
direKte Kosten für diabetiKer
in deutscHland (2001) in Mrd.€
Kosten gesamt diabetesabhängige Kosten
Direkte Kosten 30,6 14,6
Krankenversorgung 25,9 12,8
• Grundkosten 3,2 3,2
• Antidiabetika 1,4 1,4
Pflege 4,7 1,8
Quelle : Köster ( 2004 )
�
Informierte Patienten – positive Auswirkungen auf die Versorgung
Durch die gestiegenen Informationsmöglichkeiten und einen Wandel der ArztPatientenBeziehung kommt es gerade im Hinblick auf Therapieentscheidungen immer mehr auf die Präferenzen des Patienten an. Insbesondere bei chronischen Erkrankungen spielt die partizipative Entscheidungsfindung eine große Rolle und wirkt sich positiv auf Compliance und Therapieerfolg aus. Die RealWorldStudie untersucht, wie sich die Verfügbarkeit verschiedener Therapieoptionen bei Diabetes mellitus auf die Versorgung auswirkt.
Hintergrund und Ziel
Für die Versorgung von DiabetesPatienten geben
evidenzbasierte Leitlinien (z. B. der Deutschen Diabetes
Gesellschaft oder die Nationale Versorgungsleitlinie
Typ2Diabetes) Empfehlungen hinsichtlich der thera
peutischen Intervention – von Diät und Bewegung
bis zur medikamentösen Therapie. Wirksame orale Anti
diabetika und Insuline sind verfügbar. Dennoch
bleibt die Zielerreichung im Versorgungsalltag gerade
hinsichtlich der Vermeidung von Komplikationen
und Folgeschäden unbefriedigend.
Diese Diskrepanz greift die RealWorldStudie (RWS)
auf. Sie untersucht, wie sich die Verfügbarkeit eines
inhalierbaren Insulins auf die Bereitschaft zum Beginn
einer Insulintherapie und somit eine verbesserte
Blutzuckerkontrolle von Patienten mit Typ2Diabetes
auswirken würde. Hierfür werden keine Wirkstoffe,
sondern Behandlungsoptionen (Injektion versus Inha
lation) verglichen. Damit trägt die RWS dem Ziel der
Versorgungsforschung zum einen dadurch Rechnung,
dass der Transfer klinischer Ergebnisse in die tägliche
Versorgung von Patienten thematisiert wird und zum
anderen damit, dass anstelle isolierter Wirkstoffe
Versorgungsoptionen in ihrer Gesamtheit verglichen
werden.
real-world-studie (rws)
Die RWS beruht auf dem Gedanken, dass die Verfüg
barkeit inhalierbaren Insulins hilft, Unsicherheiten und
Ängste bei Patienten und/oder Ärzten gegenüber dem
Beginn einer notwendigen Insulintherapie abzubauen.
Somit verbessert die RWS die Voraussetzungen dafür,
dass eine erforderliche Behandlung mit Insulin früh
zeitig eingeleitet werden kann.
In einer Querschnittstudie wurden 730 Ärzte (All
gemeinmediziner und Internisten) und 730 Patienten
zu möglichen Barrieren gegenüber einer Insulin
therapie befragt.4 So war es möglich, einen Überblick
über bestehende Hemmnisse zu gewinnen. Haupt
sächlich handelte es sich um Unsicherheiten und Ängste
bezüglich möglicher Schmerzen bei der Injektion,
der Komplexität der Therapie oder der Stigmatisierung
durch die Spritze. Zudem konnte die Relevanz der
einzelnen Faktoren eingeschätzt werden.
Darauf basierend wurde eine Machbarkeitsstudie
durchgeführt (»RealWorldFeasibility«): Die Patienten
konnten im Arztgespräch angeben, für welche Therapie
option sie sich entscheiden würden, wenn sie eine
Behandlung beginnen müssten. Einem Teil der Patienten
wurde dabei subkutanes Insulin als Therapieoption
vorgestellt, dem anderen Teil wurde zusätzlich die
Option, inhalierbares Insulin anzuwenden, zur Auswahl
gestellt. Im Ergebnis entschieden sich bei Verfüg
barkeit inhalierbaren Insulins 43,5 % der Patienten
für den Beginn einer Insulintherapie, ohne diese
Option nur 15,5 %.
Auf dieser theoretischen und empirischen Basis
wurde die Umsetzung der Real WorldStudie (RWS)
begonnen. In einem offenen Design wurden die
Patienten zufällig auf zwei Behandlungsarme verteilt
(Randomisierung): Beide Gruppen verfügen über
alle konventionellen Therapieoptionen inklusive
10
subkutan verabreichtem Insulin. In einer Gruppe steht
zusätzlich inhalierbares Insulin zur Verfügung.
Kein Patient in dieser Gruppe muss inhalierbares
Insulin nutzen, die Anwendung ist freiwillig. Im
Ergebnis soll die Studie zeigen, wie viele Patienten sich
für diese Option entscheiden und wie sich dies auf
die Stoffwechselkontrolle gegenüber der Behandlungs
gruppe ohne inhalierbares Insulin auswirkt.
Die RWS umfasst insgesamt über 730 Patienten, verteilt
auf 110 Studienzentren in 7 Ländern, davon
240 Patienten bei 32 Studienärzten in Deutschland.
Die Gesamtdauer der Studie beträgt 12 Monate.
ProjeKtPartner
Wissenschaftliche Partner bei Konzeption und Umset
zung des gesamten Studienpaketes waren
• das IBE Institut für Medizinische Informations
verarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der
LudwigMaximilianUniversität München,
• das IKFE – Institut für klinische Forschung und
Entwicklung, Mainz sowie
• die TNS Healthcare, München.
status und ergebnisse
In der »RealWorldFeasibility«Studie waren unter
der Möglichkeit des inhalierbaren Insulins deutlich mehr
Patienten zum Beginn einer Insulintherapie bereit,
als ohne diese Option. Wie weit sich dies im tatsäch
lichen Wahlverhalten der Patienten niederschlägt und
welche Effekte auf die Stoffwechselkontrolle damit
verbunden sind, werden die Ergebnisse der RealWorld
Studie zeigen. Die RWS befindet sich gegenwärtig
in der Umsetzung.
ZusaMMenfassung
In den Zulassungsstudien zeigte sich inhalierbares
Insulin als ebenso wirksam wie subkutan verabreichtes
Insulin. Sicherheit und Wirksamkeit sind im Rahmen
der Zulassung belegt. Mit der RWS verschiebt sich die
Perspektive von der klinischen Studie hin zur alltäg
lichen Versorgung: In der RWS wird die Fragestellung
verfolgt, ob sich mit der Einführung inhalativen
Insulins die bei Patienten bestehenden Barrieren für
den Beginn einer Insulintherapie überwinden lassen,
wenn DiabetesPatienten gemeinsam mit dem Arzt
über ihre Therapie entscheiden. Interessant wird auch
sein, ob dadurch mehr Patienten bereit wären, früher
eine Behandlung mit Insulin zu beginnen – mit
den entsprechenden positiven Konsequenzen für die
Kontrolle des Diabetes und die Verringerung von
Komplikationen und Folgeschäden.
RealWorldStudien orientieren sich im Gegensatz
zu den auf den Nachweis von Sicherheit und klinischer
Wirksamkeit ausgelegten klinischen Studien in
Fragestellung und Design an den Verhältnissen der
täglichen Versorgung. Dabei ist dieses Studien
konzept keinesfalls als Substitut klinischer Studien zu
sehen: Mit der Orientierung am Versorgungsalltag
und dem Vergleich von Behandlungsoptionen stellen
derartige Untersuchungen eine Informationsquelle
dar, die dazu beiträgt, ein konsistentes und umfassendes
Bild über den Nutzen eines Arzneimittels zu gewinnen.
Zusätzlich zeigt sich, wie wichtig die Berücksichtigung
von Patientenpräferenzen bei der Therapieauswahl
ist. Wenn der Patient in die Therapieentscheidung ein
bezogen wird, bedeutet dies auch, dass ein Therapie
erfolg wahrscheinlicher wird. Informierte Patienten,
deren Präferenzen bei der Therapie berücksichtigt
werden, sind sich der Bedeutung ihres eigenen Bei
trags zum Therapieerfolg bewusst und verhalten sich
dementsprechend.
11
Trotz verfügbarer effektiver Ansätze zur Reduktion von Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen bleibt die Sterblichkeit an Herzinfarkt und Schlaganfall in Deutschland nach wie vor hoch. Um herauszufinden, wodurch dies bedingt ist, muss die Situation der betroffenen Patienten dort betrachtet werden, wo ihre Versorgung und die Weichenstellung für eine spezialisierte Behandlung stattfindet: in der hausärztlichen Praxis. An diesem Punkt setzt die DETECTStudie, die bisher größte Studie zur Versorgungsforschung in Deutschland, an.
Hintergrund und Ziel
Kardiovaskuläre Erkrankungen zählen zu den häufigs
ten Todesursachen in den Industrienationen. Dies
gilt trotz der Kenntnis beeinflussbarer Risikofaktoren
und der Verfügbarkeit wirksamer Maßnahmen im
medikamentösen wie nicht medikamentösen Bereich.
Zum einen trägt dazu eine mangelnde Mitarbeit der
Patienten z. B. hinsichtlich der Befolgung von lebens
stilverändernden Maßnahmen bei. Zum anderen
ist auch eine an der Korrektur einzelner Faktoren (z. B.
Bluthochdruck) ausgerichtete Behandlung an Stelle
der Betrachtung des gesamten Risikoprofils nach dem
aktuellen Stand des Wissens mitverantwortlich. Um
Komplikationen und Todesfälle zu reduzieren, muss
mit einer Therapie dort begonnen werden, wo die
Patienten frühzeitig im Krankheitsverlauf diagnostiziert
und ggf. einer spezialisierten Versorgung zuge
führt werden. Dieser primäre Kontakt vollzieht sich
im Regelfall in der hausärztlichen Praxis.
Die epidemiologische Datenlage im primärärztlichen
Bereich war bisher in Umfang und Qualität unzurei
chend oder nicht mehr aktuell. Deshalb wurde die
DETECTStudie mit Unterstützung von Pfizer initiiert
(Diabetes cardiovascularrisk Evaluation: Targets and
Essential data for Commitment of Treatment). Ziel
dieser Studie war die repräsentative Erfassung und
Analyse aussagekräftiger und belastbarer klinisch
epidemiologischer Daten von Patienten mit Diabetes,
Koronarer Herzkrankheit (KHK), arterieller Hypertonie
und Hyperlipidämie in der hausärztlichen Versorgung.
In Form einer Querschnittbetrachtung liefert DETECT
Daten z. B. über
• die Prävalenz und Schwere von Erkrankungen
des HerzKreislaufSystems sowie ausgewählter
assoziierter Stoffwechselerkrankungen,
• den Umfang und die Qualität kardiovaskulärer
Risikokonstellationen,
• ärztliche Diagnose und Therapieraten sowie
• Indikatoren einer Unter, Über oder Fehlversorgung.
In der Längsschnittbetrachtung werden bei DETECT
weiter Veränderungen der Laborwerte und Diagnosen
innerhalb von 12 Monaten dokumentiert. Entspre
chende Analysen waren z.B. unter Berücksichtigung
des initialen Diagnose und Therapiestatus oder Risiko
scores (z. B. PROCAM, Framingham etc.) möglich.
bescHreibung des ProjeKtes
DETECT ist eine dreistufige, deutschlandweite epidemi
ologische Untersuchung. In Stufe 1 wurden zunächst
über 7.000 Arztpraxen (Allgemeinärzte, praktische Ärzte,
Internisten) zufällig und repräsentativ ausgewählt.
Anhand eines Erhebungsbogens wurden die Praxen hin
sichtlich Arzt /Praxis und Patientenmerkmalen
wie z. B. Alter, Praxisgröße, als relevant erachtete Leit
linien, Prävalenz bestimmter Diagnosen/Symptome
oder häufig eingesetzte diagnostische und therapeu
tische Maßnahmen charakterisiert.
1�
design der detect-studie Quelle : Pittrow et al. ( 2006)
Vorstudie
Bundesweite Arztstichprobe
HauPtstudie sticHtagsuntersucHung
• 55.518 Patienten
3.188 Ärzte
• Vertiefende labortechnische 12-Monats-follow-uP
Untersuchung einer randomisierten Klinische und labortechnische
Teilstichprobe (7.519 Patienten) Nachuntersuchung der Teilstichprobe
(6.627 Patienten) 5-jaHres-follow-uP
2007Outcomemonitoring 20042003 Outcomemonitoring
In einer deskriptivepidemiologischen Querschnittun
tersuchung (Stufe 2) wurden bei über 55.000 Patienten
in rd. 3.200 Arztpraxen mittels Patientenfragebogen
soziodemographischer Status und allgemeiner Gesund
heitszustand erhoben. Zusätzlich dokumentierte der
Arzt den diagnostischen Status hinsichtlich Hyperlipi
dämie, Diabetes, Hypertonie und KHK sowie das
kardiovaskuläre Risiko, Therapieziele und therapeu
tische Maßnahmen. Die Bestimmung eines zusätzliches
Laborprofils bei einer Teilstichprobe von rd. 7.500
Patienten war ebenfalls Bestandteil der zweiten Stufe.
Die dritte Stufe schließlich bildete eine Längsschnitt
untersuchung der in Stufe 2 untersuchten Teilstichprobe,
inklusive einer erneuten Laboruntersuchung. Den
zeitlichen Ablauf sowie das Zusammenspiel der drei
Stufen der DETECTStudie verdeutlicht oben stehende
Abbildung.
Darüber hinaus wurde im August 2005 die Fortfüh
rung von DETECT in einer zweiten Phase beschlossen:
Der Beobachtungszeitraum für die Teilstichprobe
wurde bis 2007 verlängert, so dass von 2005 bis 2007
für diese Patienten eine kontinuierliche prospektive
Dokumentation (Dokumentationszeitpunkte: alle 6
Monate) der kritischen Ereignisse und der Mortalität
erfolgen kann. Die Studie wird voraussichtlich Ende
2007 mit einer umfangreichen Nachuntersuchung
dieser Patienten abgeschlossen.
ProjeKtPartner und ZusaMMenarbeit
Die DETECTStudie steht unter der Federführung des
Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie
der TU Dresden und wurde in Zusammenarbeit mit
dem MaxPlanckInstitut für Psychiatrie München, den
Universitätskliniken Frankfurt, Magdeburg, Graz und
HamburgEppendorf durchgeführt. Sie wird unter
stützt durch einen unrestricted grant der Pfizer GmbH,
Karlsruhe und durch Forschungszuwendungen des
National Institute of Health (NIH).
1�
STICHTAGSPRÄVALENZ VON BEHANDLUNGSDIAGNOSEN IN DER HAUSARZTPRAXIS
Hypertonie 35,5
Adipositas 33,1
Hyperlipidämie 29,5
keine Diagnosen 25,5
Schilddrüsenerkrankung 10,9
Vorsorgemaßnahmen 10,3
Depression 10,2
Magen-Darm-Erkrankung 8,9
Herzinsuffizienz 8,4
Polyarthritis/Rheuma 7,8
Hyperurikämie 6,8
Linksherzhypertrophie 5,6
Nephropathie/Blasen-/Nierenerkrankung 5,6
Angsterkrankung 5,6
Osteoporose 5
Sonstige Diagnosen 28,3
0% 10% 20% 30% 40%
Diagnose Diabetes mellitus bei jedem sechsten Patienten – KHK bei jedem achten!
Koronare Herzkrankheit (KHK) 12,4
Diabetes mellitus 15,3
0% 5% 10% 15% 20%
Häufigkeit (%) am Stichtag Quelle : Wittchen ( 2006 )
status und ergebnisse
Mit den bisher vorliegenden Daten wurden bereits
umfangreiche Analysen durchgeführt, deren Resultate
hier aber aufgrund ihrer Vielzahl und Differenzie
rungen nicht annähernd vollständig wiedergegeben
werden können. Eine Publikationsliste zu DETECT
findet sich im Internet unter www.detectstudie.de.
Nachfolgend sind grundsätzliche Resultate deskriptiv
epidemiologischer Analysen der DETECTStudie dar
gestellt:
• Bei der Querschnittanalyse betrug die Behand
lungsprävalenz des Diabetes über 15 %, der KHK
mehr als 12 %.
• Bei ca. 35 % der Patienten wurde Bluthochdruck
festgestellt, bei rd. 33 % Adipositas (siehe Abbildung)
• Komorbide bzw. multimorbide Patienten stellen in
der Primärversorgung keine Ausnahme dar, sondern
den Regelfall. Meist liegen mehrere Risikofaktoren
gleichzeitig vor. Damit stellt das therapeutische
Management dieser Patienten eine besondere Heraus
forderung für die Allgemeinärzte dar (siehe Abbil
dung Seite 16).
1�
MASSIVE UND ZUMEIST MULTIPLE RISIKOBELASTUNG DER PATIENTEN
37% aller männlichen und weiblichen Hausarztpatienten weisen mehr als vier der typischen KHK-Risikofaktoren auf.
%BMI > 25 kg/m2
30erhöhtes Gesamtcholesterin
abdominelle Fettleibigkeit 20
Hypertonie 10
wenig körperliche Aktivität 0 keine 1 2 3 4 5 6 7+
erhöhtes LDL-Cholesterin
Anzahl Risikofaktoren Raucher
Myokardinfarkt in der Familiengeschichte
MännerHbA 1c > 6,1 % Frauen %
0 10 20 30 40 50 60 70
Quelle : Wittchen ( 2006 )
Weiterhin identifizierten die DETECTAutoren
Versorgungsmängel bei Diabetes und KHK z. B. in
Form unzureichender Blutzuckerkontrolle, einem
hohen Ausmaß an mikro und makrovaskulären
Komplikationen sowie Mängel in der Diagnostik und
der Verordnung indizierter Medikamente. Wesentliches
Ergebnis bleibt aber die Komplexität des durchschnitt
lichen Behandlungsfalls: Für die Ärzte im primären
Versorgungssektor stellt der multimorbide Patient
den Regelfall dar, nicht die Ausnahme. Damit ist die
patienten und krankheitsgerechte Therapie im primär
ärztlichen Bereich eine vielschichtige Herausforderung.
Deutlich wird die immense Routinebelastung der
Hausärzte und das komplexe Anforderungsprofil, mit
dem sie konfrontiert sind. Inwiefern ein notwendiges
Patientenmanagement mit den derzeitigen Möglich
keiten der Primärversorgung vereinbar ist, muss daher
hinterfragt werden.
1�
ZusaMMenfassung und ausblicK Zum andern liefert DETECT Erkenntnisse über
Die DETECTStudie liefert versorgungsrelevante Daten den Krankheitsverlauf in Abhängigkeit beispielsweise
über Epidemiologie, Therapie und Krankheitsverlauf von Risikoprofilen oder therapeutischem Status.
metabolischer bzw. kardiovaskulärer Erkrankungen. Von hohem Wert ist in diesem Zusammenhang die
Diese sind von besonderer Bedeutung, da sie im primär Verlängerung der prospektiven Phase bis 2007:
ärztlichen Sektor erhoben wurden. Auf diese Weise entstehen in Zusammenarbeit von
klinischen Instituten und einem Unternehmen
Für die hier untersuchten Erkrankungen ist dieser der forschenden pharmazeutischen Industrie bisher
Versorgungssektor vor allem deshalb relevant, da nicht vorhandene, umfangreiche und belastbare
diese Krankheiten im frühen Stadium für die Patienten mittelfristige Daten über die reale Versorgung kardi
nicht direkt spürbar sind, ihre Auswirkungen unter ovaskulärer Erkrankungen bzw. Diabetes im primär
halb der individuellen »Fühlbarkeitsschwelle« liegen. ärztlichen Sektor.
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist jedoch
erforderlich, um spätere Komplikationen und Folge
schäden zu verringern. Die gesundheitsökonomische
Relevanz vermiedener Komplikationen bei Patienten
mit Diabetes belegt beispielsweise die in dieser
Broschüre ebenfalls vorgestellte KoDiMStudie.
DETECT vermittelt somit zum einen ein Bild des Ist
Zustandes in der primärärztlichen Versorgung hinsicht
lich Prävalenz, dem Vorhandensein von Risikoprofilen
und den bevorzugten diagnostischen und therapeu
tischen Maßnahmen. Hieraus lassen sich Vergleiche
mit anderen Gesundheitssystemen ebenso ableiten
wie Erfolg versprechende Modifikationen in Struktur
und Prozess der Versorgung. Angesichts der enormen
Bedeutung der Hausärzte in Bezug auf die Versorgung
von multimorbiden und chronisch kranken Patienten
ist auch die Ressourcenverteilung im Gesundheits
wesen zu überdenken.
1�
Herausforderung Demenz – auf der Suche nach einem Modell für eine verbesserte Versorgung
Mit der Diagnose »Alzheimer« geht für Patienten und Angehörige oft ein tiefgreifender Wandel ihrer Lebensumstände einher. Im fortschreitenden Verlauf der Erkrankung erfahren sowohl die Patienten als auch ihre Angehörigen erhebliche psychische und physische Belastungen. Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen gibt es bis heute keine Heilung für Alzheimer. Die heute verfügbaren medikamentösen und nicht medikamentösen Behandlungsmaßnahmen können das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und das Krankheitsleid verringern. Mit der Initiative Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin (IDA) wird ein neuartiges Versorgungskonzept erprobt, das die ärztliche Behandlung mit Unterstützungsangeboten für die pflegenden Angehörigen verbindet, um die Lebensqualität für Patienten und Angehörige zu verbessern.
Hintergrund und Ziel
Über das durch eine Demenzerkrankung bedingte
Leid hinaus muss eine Vielzahl medizinischer aber
auch organisatorischer Fragen und Probleme bewältigt
werden. Pflegende Angehörige können in dieser
Extremsituation schnell an den Rand der Überforde
rung geraten. Gleichzeitig gehen mit dem Wandel
familiärer Strukturen diese subsidiären Sicherungs
systeme verloren. Die entsprechenden Aufgaben
müssen durch die Systeme der sozialen Sicherung
übernommen werden.
Ein Blick in die Zukunft zeigt die Dimension dieser
Herausforderung: Mit steigender Lebenserwartung
wächst die Zahl der Demenzpatienten. Heute
leiden in Deutschland über eine Million Menschen
an einer Demenz, ca. zwei Drittel davon an Alzheimer.
2030 werden es voraussichtlich mehr als doppelt so
viele Patienten sein – mit entsprechenden struk
turellen und finanziellen Anforderungen an die Kranken
und Pflegeversicherung.
Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen ist
Alzheimer bis heute nicht heilbar. Durch geeignete
Therapien kann jedoch die Symptomprogression
verzögert werden. Den Patienten werden somit eine
längere selbstbestimmte Lebensführung und ein
längerer Verbleib in der gewohnten häuslichen Umge
bung ermöglicht. Zur Erreichung dieses Zieles müssen
medikamentöse und nicht medikamentöse Maßnahmen
individuell kombiniert werden.
Pfizer und Eisai engagieren sich bereits seit 1998 um
fassend in der Versorgung von Patienten mit (Alzheimer)
Demenz. Gemeinsam mit dem AOKBundesverband,
der AOK Bayern und der Eisai GmbH wurde das Projekt
IDA zur Verbesserung der Versorgung von Demenz
patienten ins Leben gerufen. Alle Partner hatten
unabhängig voneinander Defizite in Diagnostik und
Therapie dementieller Erkrankungen festgestellt
und Vorstellungen über Verbesserungen eingebracht.
Mit IDA verfolgen die vier Partner drei wesentliche
gemeinsame Ziele:
• Es sollen hausarztbasierte Versorgungskonzepte
für Demenzpatienten und ihre Angehörigen
entwickelt werden. Diese sollen dazu beitragen,
dass die Patienten möglichst lange in ihrer
häuslichen Umgebung leben können. Gleichzeitig
soll die physische und psychische Belastung
der pflegenden Angehörigen reduziert werden.
• Es sollen auf konkrete Daten gestützte Erkenntnisse
darüber gesammelt werden, welche Versorgungs
konzepte zur Behandlung von Demenzkranken beson
ders wirksam sind.
• IDA soll – als eine bisher für Deutschland in dieser
Form einmalige Kooperation von Unternehmen
der pharmazeutischen Industrie und gesetzlichen
Krankenkassen – Modellprojekt für tragfähige
und zielorientierte PublicPrivatePartnerships im
Gesundheitswesen sein.
1�
initiatiVe deMenZVersorgung
in der allgeMeinMediZin (ida)
IDA ist ein hausarztbasiertes Projekt: Für die recht
zeitige Diagnose sowie eine wohnortnahe, an den
Bedürfnissen des einzelnen Patienten ausgerichtete
Versorgung spielt der Hausarzt aufgrund seiner
Nähe zum Patienten sowie zu dessen Angehörigen
eine zentrale Rolle. In der Projektregion Mittelfranken
konnten niedergelassene Allgemeinmediziner und
hausärztlich tätige Internisten ihren Patienten die Teil
nahme an IDA ermöglichen. Voraussetzung hierfür
war, dass die Patienten bei der AOK Bayern versichert
und über 65 Jahre alt sind, an einer Demenz leichten
bis mittelschweren Grades (Alzheimer, vaskuläre
Demenz, Mischtyp) leiden, noch zu Hause leben und
durch eine private Pflegeperson betreut werden.
Sowohl neu diagnostizierte wie auch Patienten mit
einer bereits erkannten Demenz konnten teilneh
men. Die Teilnahme ist freiwillig und kann jederzeit
durch den Patienten beendet werden. Jede beteiligte
Praxis wurde zufällig der Kontrollgruppe A oder einer
der beiden Praxisgruppen B oder C zugeteilt (siehe
Abbildung links). Die Gruppen unterscheiden sich im
Versorgungsangebot an die Patienten: Initial findet
bei IDA eine Fortbildung zur Diagnostik der Demenz
für alle teilnehmenden Mediziner statt; für die Ärzte
der Gruppen B und C umfasst die Schulung zusätzlich
Inhalte zu medikamentösen und nicht medikamen
tösen Behandlungsmaßnahmen. Darüber hinaus
fanden ebenfalls Schulungen für Praxismitarbeiter zur
Durchführung kognitiver Tests sowie zum Umgang
mit Demenzpatienten und deren Angehörigen statt.
Nach der initialen Fortbildung führen die Hausärzte
der Gruppe A in der zweijährigen Beobachtungszeit
eine leitliniengerechte »Routineversorgung« durch,
während Ärzte der Gruppen B und C zusätzlich
die Teilnahme an angeleiteten Angehörigengruppen
empfehlen und darüber hinaus »zugehende« Ange
hörigenberatung vermitteln. Hierfür stehen speziell
geschulte Mitarbeiter bereit – sog. »IDABerater« – die
in Abstimmung mit den Hausärzten weitere Unter
stützung organisieren und Krisenhilfe leisten können.
Diese Beratungsmöglichkeit steht den Patienten
der Gruppe C bereits ab dem ersten Studienjahr zur
Verfügung, den Patienten der Gruppe B hingegen
ab dem zweiten Studienjahr. Auf diese Weise kann
auch der Effekt der Angehörigengruppen auf die
Belastung der privaten Pflegepersonen als spezifische
Intervention bewertet werden.
Die Versorgung der Patienten bei IDA richtet sich
nach den Empfehlungen der Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) und den aktuellen
Leitlinien der Universität Witten/Herdecke zu Diagnose
und Therapie der Demenz, die insbesondere die
Situation der Allgemeinmediziner berücksichtigt. Dies
beinhaltet auch, dass der Erfolg der medikamentösen
Therapie regelmäßig überprüft und diese bei fehlen
dem Ansprechen des Patienten abgesetzt wird.
Die an IDA teilnehmenden Ärzte sind in ihrer
Therapieentscheidung frei. Soweit in den genannten
Leitlinien Empfehlungen zu Diagnose und Therapie
gegeben werden, schränken diese den zur Erfüllung des
ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforder
lichen ärztlichen Entscheidungsspielraum nicht ein.
Krankheitsverlauf, Zeitpunkt des Umzugs in ein Pflege
heim, Belastung der Angehörigen und Behandlungs
kosten werden im Vergleich der Gruppen analysiert.
So werden Rückschlüsse über die Wirksamkeit der je
weiligen Versorgungskonzepte möglich. Die Betreuung
der Patienten und Angehörigen wird wissenschaftlich
begleitet und ausgewertet.
�1
ProjeKtPartner und ZusaMMenarbeit
IDA ist eine gemeinsame Initiative des AOKBundes
verbandes, der AOK Bayern und der forschenden
pharmazeutischen Unternehmen Pfizer und Eisai. Von
den vier Partnern wurde IDA von Beginn an gemein
sam entwickelt und finanziert. Alle Projektgremien sind
paritätisch besetzt.
IDA ist keine Arzneimittelstudie, sondern ein Projekt
zur Versorgungsforschung. IDA verbindet evidenz
basierte Arzneimitteltherapie und nicht medikamentöse
Unterstützungsangebote in der realen Versorgungs
situation des deutschen Gesundheitssystems. Die Rolle
von Pfizer bei IDA unterscheidet sich damit klar
von Kooperationen, die sich rein auf eine finanzielle
Beteiligung von Unternehmen der pharmazeutischen
Industrie beziehen.
Die IDAProjektpartner legen auf Transparenz größten
Wert. Sie haben sich vertraglich zu einer wissen
schaftlichen Evaluation des Projektes sowie zur Publi
kation der wissenschaftlichen Ergebnisse verpflichtet.
Das Studienprotokoll wurde der zentralen bayerischen
Ethikkommission zur Bewertung vorgelegt. Die haus
ärztlichen Schulungen wurden in Übereinstimmung
mit evidenzbasierten Leitlinien vorbereitet und durch
geführt, den Datenschutzbelangen in vollem Umfang
Rechnung getragen.
Der Anspruch an IDA ist die Übertragbarkeit der
Versorgungskonzepte in die tägliche Praxis. Bereits
während der Konzeption wurden regelmäßig Gespräche
mit niedergelassenen Ärzten über Zielkonformität
und Umsetzbarkeit der Versorgungskonzepte geführt.
Die wissenschaftliche Leitung von IDA liegt bei Prof.
Dr. E. Gräßel, Psychiatrische und Psychotherapeutische
Universitätsklinik Erlangen und Prof. Dr. R. Holle,
Institut für Gesundheitsökonomie und Management
im Gesundheitswesen, GSFForschungszentrum für
Umwelt und Gesundheit München. IDA wird in Koope
ration mit der Deutschen Alzheimergesellschaft,
regionalen Entscheidungsträgern und unter Integration
der in der Projektregion bestehenden Versorgungs
strukturen durchgeführt.
��
status und ergebnisse
Bei der Vorbereitung einer angemessenen Ansprache
der Ärzte und Patienten zeigte sich, dass die Diagnose
»Alzheimer« bzw. »Demenz« noch immer ein Tabu
thema bei Patienten und Angehörigen darstellt. Dies
erschwerte die Kommunikation der Diagnose durch
den Arzt deutlich und resultierte auch in einem zusätz
lichen Zeitbedarf bis zur Akzeptanz der Diagnose
durch die Betroffenen.
Für IDA hatte dies zur Folge, dass der geplante
Zeitraum für die Rekrutierung der Patienten bis Ende
2006 verlängert wurde. Insgesamt nehmen nun
390 Patienten mit ihren pflegenden Angehörigen sowie
129 Hausärzte an IDA und damit an der zweijährigen
Beobachtungsphase des Projektes teil. 2009 stehen
nach Abschluss der Analysephase umfangreiche
Auswertungen des Gesamtprojektes zur Verfügung,
anhand derer sich entsprechende Konsequenzen
für die Regelversorgung von Demenzpatienten ableiten
lassen.
Weitere Informationen zu IDA finden sie unter
www.projektida.de
ZusaMMenfassung und ausblicK
Zusammengefasst handelt es sich bei IDA um
die wissenschaftliche Evaluation demenzspezifischer
Versorgungskonzepte, vermittelt und gesteuert
durch Hausärzte. Im Zentrum stehen frühzeitige Diag
nostik, evidenzbasierte Arzneimitteltherapie und
nicht medikamentöse Versorgungsansätze wie ange
leitete Angehörigengruppen oder die Betreuung
der Patienten und ihrer Angehörigen durch speziell
geschulte Berater. Auf Eingriffe in die hausärztliche
Versorgungspraxis wird verzichtet, um eine möglichst
gute Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Regel
versorgung zu gewährleisten. Insbesondere im Hinblick
auf die Prognosen zur demographischen Entwicklung
kommt diesem Ziel eine große Bedeutung zu, um
der Herausforderung Demenz in Zukunft begegnen zu
können.
Zwar sind Ergebnisse zur medizinischen und ökono
mischen Evaluation der Versorgungskonzepte erst
2009 zu erwarten. Das gesundheitspolitische Ziel von
IDA kann hingegen bereits jetzt als erreicht gelten.
Geht es doch auch darum zu zeigen, dass durch Partner
schaften von gesetzlichen Krankenkassen und Unter
nehmen der pharmazeutischen Industrie Lösungs
beiträge für Herausforderungen in der Gesundheitsver
sorgung gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden
können. Mit IDA besteht eine für Deutschland bisher
einmalige Partnerschaft, die aus der Sicht von Pfizer
wegweisend für die Zukunft sein wird.
��
Die in dieser Broschüre zusammengestellten Analysen und Erkenntnisse der Versorgungsforschung dienen
der Dokumentation und Evaluation des Versorgungsalltags chronischer Volkserkrankungen (z. B. KoDiM, DETECT)
ebenso wie der Bewertung der Rolle von Patienteninformationen als Bestandteil von Therapieprozessen in
der täglichen Patientenversorgung (z. B. RWS) oder der Umsetzung neuer Versorgungskonzepte in der Zusammen
arbeit mit Kostenträgern und Leistungserbringern (IDA).
Im Ergebnis führen solche Initiativen zu einem breiteren Wissen über die tatsächliche Versorgung der Patienten
sowie zur Konzeption und Erprobung kooperativer Möglichkeiten zur Überwindung festgestellter Defizite.
Pfizer verfolgt mit seinem Engagement in der Versorgungsforschung langfristige Ziele: Auf Basis konkreter
Ergebnisse lassen sich evidenzbasierte Versorgungskonzepte erarbeiten, die die Versorgung weiter
verbessern. Deshalb befinden sich weitere Initiativen in der Konzeption bzw. stehen am Beginn ihrer praktischen
Umsetzung. Im nachfolgenden Ausblick werden daher weitere Projekte vorgestellt, die sich den Therapie
gebieten HerzKreislauf, Schmerz und Lungenhochdruck widmen.
Individuelle Behandlung von Herz-Kreislauf-Patienten Trotz des Wissens um die Bedeutung spezifischer Darüber hinaus liefert CoRiMa zusätzlich zur Frage
kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Hypertonie »Zielwerterreichung« ein Verteilungsmuster der
und Diabetes sowie der Existenz klinisch effektiver verschiedenen (Labor )Parameter (Blutdruck, Choles
Maßnahmen zu deren Modifikation zeigen epidemio terin, HbA1c u. a.). D. h. die Patienten werden z.B.
logische Studien, dass ein hoher Anteil der Patienten nach der Höhe ihres Blutdrucks (systolisch/diastolisch)
die in Leitlinien konsentierten Zielwerte für diese dargestellt. Diese Verteilungsmuster geben dem Arzt
Risikoparameter verfehlt. somit wichtige Zusatzinformation und erlauben
eine differenzierte Betrachtung der Behandlungsfälle.
Ziel von Coronary Risk Management (CoRiMa) ist
es, dem Arzt durch eine praxisgerechte Analyse seiner Über diese Statusbetrachtung hinaus kann mittels
gesamten Patientenpopulation mit HerzKreislauf einer Längsschnittbetrachtung – diese erfolgt durch
Erkrankungen und/oder Diabetes einen Überblick über Vergleich des ersten und des letzten Arztbesuchs
die tägliche Therapie, den Versorgungsstatus und der Patienten – zum einen festgestellt werden, wie
das kardiovaskuläre Risiko seiner Patienten zu geben. sich die Erreichung der Zielwerte bezogen auf
Leitlinien über die Zeit entwickelt hat. Zum anderen
CoRiMa liefert hierfür einen Vergleich der dokumen erfährt der Arzt, wie sich das Verteilungsmuster
tierten Risikoparameter der Patienten mit den in Leitli des kardiovaskulären Risikos insgesamt sowie bezogen
nien empfohlenen Zielwerten. So kann für die gesamte auf spezifische Patientenkollektive im Zeitverlauf
Stichprobe, aber auch für die jeweilige Praxis, der verändert hat.
Anteil sowie die demographischen und diagnostischen
Merkmale der Patienten bestimmt werden, welche die
einzelnen Zielwerte erreichen bzw. verfehlen.
��
Für die Patienten in der Primärprävention, d. h. ohne
Manifestation einer KHK oder eines Diabetes, kann
dabei aufgrund der Prävalenz der Risikofaktoren das
Risiko bestimmt werden, in den nächsten zehn Jahren
einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder
an einer KHK zu erkranken. Weiter wird auch für
die Patienten mit KHK und/oder Diabetes (Sekundär
prävention) die Zielwerterreichung nach Leitlinien
dargestellt, so dass der Arzt auch für die Kollektive
der Risiko und Hochrisikopatienten ein differenziertes
Bild bezüglich der Zielwerterreichung und der Vertei
lungsmuster der Risikofaktoren erhält. Darüber hinaus
werden die Daten aller Praxen zu einer umfangreichen
BenchmarkAnalyse zusammengefasst.
Wie läuft CoRiMa nun konkret ab? Durch ein unab
hängiges biometrisches Institut werden Daten aus der
ärztlichen Routinedokumentation vor Ort unter
Einhaltung strenger Datenschutzvorgaben extrahiert
und anonymisiert. Nur diese anonymisierten Daten
verlassen die Praxis. Anschließend werden die anony
misierten Daten spezifisch für Patienten mit Herz
KreislaufErkrankungen und/oder Diabetes selektiert
und ausgewertet.
In Form eines umfangreichen individuellen
Berichtes werden die Ergebnisse dem jeweiligen Arzt
zur Verfügung gestellt. Darin wird die Prozess und
Ergebnisqualität der Versorgung dargestellt. So liefert
CoRiMa dem Arzt eine schnelle und übersichtliche
Analyse über
• den kardiovaskulären Status seiner Patienten hin
sichtlich der Zielerreichung (zur Beurteilung
der Effektivität seiner bisherigen Therapie versus
Literatur),
• die Verteilungsmuster kardiovaskulärer Risiko
profile unter seinen Patienten (zur Identifikation
von Hochrisikopatienten und Einleitung einer
spezifischen Therapie) und
• die Veränderung dieser Verteilungsmuster im
Zeitverlauf (zur Beurteilung der Ergebnisqualität
seiner Therapie).
CoRiMa stellt damit ein Instrument zum Qualitäts
management auf Grundlage der Ergebnisqualität dar.
Die Effektivität der bisherigen Therapie wird hinsicht
lich der Zielwerterreichung durch Statuserhebung
analysiert, Handlungsfelder für eine Optimierung der
Therapie werden identifiziert und die eingeleiteten
Maßnahmen werden dahingehend beurteilt, ob eine
Verbesserung der Risikoparameter hinsichtlich der
Leitlinien bzw. der Risikoprofile der Patienten erreicht
werden konnte.
Dabei ist CoRiMa jedoch neben einem Instrument
interner Qualitätssicherung für die Handlungen und
Maßnahmen des Arztes auch ein Instrument für
eine vorausschauende präventive Medizin. Beispiels
weise lässt sich das Risiko eines KHKPatienten, in
den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden,
visualisieren und so im Beratungsgespräch ver
anschaulichen. Damit dient CoRiMa auch der Unter
stützung eines partizipativen Entscheidungsprozesses
zwischen Patient und Arzt. Zusätzlich können Ver
änderungen der Therapie hinsichtlich ihrer Auswirkungen
auf die Ergebnisqualität dargestellt und so die
Erkenntnisse zur Effektivität der Maßnahmen z. B. im
Rahmen von Qualitätszirkeln genutzt werden.
��
Herausforderung Schmerzbehandlung Das Auftreten von Schmerzen ist ein komplexes, stark
mit psychischen Komponenten verbundenes Phäno
men. Die Bandbreite reicht von eng begrenzten,
temporären Schmerzen bis zu chronischen Schmerzen
als eigenständiges Krankheitsbild. Die unmittelbare
Fühlbarkeit und die individuellen Reaktionen und
Bewältigungsstrategien der Patienten verleihen der
Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen
eine stark subjektive Komponente.
Lang anhaltende oder häufig wiederkehrende Schmerzen
beeinflussen das tägliche Leben der Patienten und
ihrer Angehörigen erheblich. Vorliegende Schätzungen
gehen in Deutschland von mindestens 5 Millionen
Menschen mit chronischen Schmerzen aus, darunter
geschätzte 600.000 Patienten mit sogenannten »prob
lematischen« Schmerzzuständen: d. h. deren Leiden
gilt als eigenständige Schmerzkrankheit und erfordert
eine Behandlung in spezialisierten Einrichtungen.
Schmerzbetroffene bilden eine der größten Gruppen
von chronisch Kranken. Unabhängig von der
Lokalisation der Schmerzen leiden in Deutschland
durchschnittlich ca. 50 % der Frauen und 40 %
der Männer unter mittleren bis starken, 13% der Frauen
bzw. 8 % der Männer sogar unter starken bis uner
träglichen Schmerzen. Am häufigsten werden Rücken
und Kopfschmerzen (inkl. Nacken und Schulter)
berichtet.
Neben den Aufwendungen für die Behandlung
entstehen mit chronischen Schmerzerkrankungen hohe
volkswirtschaftliche Kosten: So werden – auf Basis
einer epidemiologischen Studie aus den USA – die
Kosten schmerzbedingter Arbeitsausfälle in Deutsch
land auf etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Sowohl zur Epidemiologie wie auch zur tatsächlichen
Versorgung von Schmerzpatienten besteht in
Deutschland ein deutliches Defizit an validen und
aktuellen Daten. Vorhandene Zahlen basieren
meist auf Surveys, Hochrechnungen oder veralteten
Erhebungen. Surveys sind als reine Befragungen
in ihren Ergebnissen jedoch eher unscharf, die Befragten
können über diagnostische und therapeutische
Details in der Regel keine hinreichend valide Auskunft
geben. Auch zum Anteil der gemäß Leitlinien
behandelten Patienten oder zu gesundheitsökono
mischen Fragen gibt es bislang wenig aussage
kräftige Untersuchungen.
Eine epidemiologische Untersuchung zur Behand
lung von Schmerzpatienten könnte erheblich dazu
beitragen, das Wissen über die Häufigkeit einzelner
Schmerzformen, tatsächliche Behandlungsmuster
sowie Ergebnisse und Kosten der Behandlung
zu vergrößern. Eine entsprechende Studie wird von
Pfizer für die Krankheitsbilder Migräne, Rücken
schmerzen, Neuropatischer Schmerz und Arthrose
schmerz in Knie oder Hüfte durchgeführt. Im Hinblick
auf die Versorgungsqualität wird unterschieden
zwischen leitlinienkonform behandelten Patienten,
Betroffenen, die leitlinienunabhängig behandelt
werden, und Patienten, die eine Behandlung ihrer
Schmerzen ohne ärztliche Betreuung vornehmen.
Insgesamt sollen 600 Patienten (150 je Krankheitsbild)
in 75 Zentren in ganz Deutschland erfasst werden.
Die Rekrutierung der Patienten erfolgt durch nieder
gelassene Ärzte (Allgemeinmediziner, hausärztlich
tätige Internisten, Orthopäden und Neurologen).
Behandlungen, die durch den teilnehmenden Arzt
durchgeführt oder veranlasst wurden, werden von
ihnen anhand der Krankenakten erfasst. Behand
lungen bei anderen Ärzten und Selbstbehandlungen
dokumentiert der Patient selbst.
��
Bei Aufnahme des Patienten wird durch den Arzt
die Symptomatik anhand von relevanten Schmerz
parametern erfasst. Arzt und Patient geben darüber
hinaus eine Einschätzung über die Veränderung der
Schmerzsymptomatik in den letzten sechs Monaten aus
ihrer Sicht.
Zusätzlich händigen die Ärzte einen Kurzfragebogen
an solche Patienten aus, die nicht wegen Schmerzen
zum Arzt kommen. Sofern in diesem Kurzfragebogen
eine bis dato unbekannte und ärztlich nicht behandelte
Schmerzproblematik dokumentiert wird, erhalten
diese Betroffenen wie die ärztlich versorgten Patienten
einen Fragebogen, durch den Behandlungsmuster und
Ressourcenverbrauch ermittelt werden.
Für jede der vier Schmerzkategorien – Migräne, Rücken
schmerzen, Neuropatischer Schmerz, Arthroseschmerz in
Knie oder Hüfte – werden folgende Daten ausgewertet:
• Behandlungsmuster von Schmerzpatienten
• Einfluss der Leitlinien: Unterschiede in Kosten und
Outcome zwischen Patienten, die leitlinienkonform
behandelt wurden, und solchen, deren Behandlung
nicht den Guidelines entsprach bzw. die eine Selbst
behandlung durchführten
• Kosten der Schmerzbehandlung: Welche Ressourcen
werden aus Sicht der GKV und aus volkswirtschaft
licher Perspektive (d. h. inkl. Kosten für Arbeitsun
fähigkeit, Frühberentung) beansprucht?
• Geschätzte Gesamtkosten der einzelnen Schmerz
formen für Deutschland
Mit den Ergebnissen soll für eine häufig unterschätzte
Krankheitsart eine bessere und validere Wissensbasis
geschaffen werden. Sie sollen eine Grundlage für
Projekte und Versorgungskonzepte zur Verbesserung
der Schmerzversorgung bilden.
Verbesserung der Versorgung – auch bei seltenen Erkrankungen Die PulmonalArterielle Hypertonie (PAH), d. h. der
erhöhte Blutdruck im Lungenkreislauf, ist über
die Gesamtbevölkerung betrachtet eine sehr seltene
Erkrankung, die verschiedene Ursachen haben
kann. Sie tritt z. B. in Verbindung mit bestimmten
Autoimmunerkrankungen auf.
Konsequenz eines dauerhaft erhöhten Blutdrucks
in den Lungengefäßen ist eine Verdickung und
Versteifung der Gefäßwände. Störungen des Lungen
kreislaufs resultieren in einer verringerten Zufuhr von
sauerstoffreichem Blut zu Muskeln und Organen. Dem
entsprechend zeigen sich bei Patienten mit PAH z.B.
Kurzatmigkeit, Schwindel, Brustschmerzen und Herz
rasen. Aufgrund dieser unspezifischen Symptomatik
wird die PAH häufig erst erkannt, wenn aufgrund des
erhöhten Drucks im Lungenkreislauf bereits eine Schä
digung des Herzmuskels eingetreten ist. Leistungsfä
higkeit und Lebenserwartung der Patienten mit PAH
sind deutlich eingeschränkt: die häufigste Todesursa
che bei PAH ist das Rechtsherzversagen.
Bis heute existiert keine kausale Therapie der PAH.
Zur Linderung der Krankheitsbeschwerden sind als
medikamentöse Therapieoptionen Kalziumkanalblocker,
gerinnungshemmende Substanzen, Prostaglandin
derivate und –analoga sowie neu auch Phosphodies
terase Typ 5 Inhibitoren (PDE5Hemmer) verfügbar.
��
Zeigen diese Therapieoptionen keine ausreichende
Wirkung oder verschlechtert sich der Zustand des
Patienten erheblich, so bleibt als letzte Behandlungs
möglichkeit nur die Lungentransplantation.
Bisher gibt es nur sehr wenige Daten zur Häufigkeit
der Erkrankung und zur Versorgung von PAHPatienten
im deutschen Gesundheitssystem. Ebenso fehlen Daten
zur Lebensqualität und zu den mit der Behandlung
der PAH verbundenen Kosten. Die PARTHOSStudie
(Pulmonal Arterielle Hypertonie Studie) wird hier
umfassende Antworten liefern können.
Folgende Fragestellungen stehen im Fokus:
• Wie lässt sich die Epidemiologie der PAH in
Deutschland beschreiben?
• Wie werden die Patienten im ambulanten und im
stationären Bereich versorgt?
• Wie beurteilen PAHPatienten ihre Lebensqualität?
• Welche Ressourcen werden im Rahmen der
ambulanten und stationären Versorgung eingesetzt?
• Welche jährlichen Kosten entstehen für die Ver
sorgung von Patienten mit PAH für die Gesetzliche
Krankenversicherung, die Patienten und deren
Familien sowie für die Gesellschaft?
Im Rahmen der PARTHOSStudie wird die Situation
von Patienten mit PAH in drei Schritten umfassend
analysiert:
Im ersten Schritt wurde im Rahmen einer Topdown
Analyse die Prävalenz und die Inzidenz von PAH
in Deutschland basierend auf Sekundärdaten und
publizierter Literatur beschrieben.
Im zweiten Schritt wurden im Rahmen eines bundes
weiten Surveys Daten zur Prävalenz, Geschlechts und
Schweregradsverteilung von Patienten mit PAH bei
einer repräsentativen Stichprobe von 3.000 Ärzten in
Deutschland erhoben.
Im dritten Schritt wurden Daten zur Versorgung,
zum Ressourcenverbrauch und den damit assoziierten
Kosten sowie zur Lebensqualität von 200 Patienten
mit PAH generiert, die in 11 Zentren (Universitäts oder
spezialisierte Fachkliniken) behandelt werden.
Zur Ermittlung der Ressourcenverbräuche an den
Zentren wurde ein standardisierter Erhebungsbogen
eingesetzt. Über einen Zeitraum von 15 Monaten
(drei Monate bei neudiagnostizierter PAH) wurden alle
Leistungen aus den Patientenakten dokumentiert,
die bei der Versorgung des Patienten in dem behandeln
den Zentrum erbracht wurden. Neben den ambulanten
und stationären Aufenthalten, diagnostischen und
therapeutischen Maßnahmen und der medikamentösen
Therapie wurden auch die Schweregrade der Erkrankung
und die physische Belastbarkeit (SechsMinuten
Gehtest), die bei den einzelnen Aufenthalten vorlagen,
erhoben.
Die vom Patienten eingesetzten Ressourcen und
die weitere Inanspruchnahme von Gesundheits
dienstleistungen wie z. B. Arztbesuche im ambulanten
Bereich wurden mit Hilfe eines Fragebogens erfasst.
Dies ermöglichte die Nachverfolgung der ambulanten
Weiterbehandlung beim niedergelassenen Arzt,
beim ambulanten Therapeuten, in Rehabilitations
einrichtungen, sowie die Erfassung entstehender
Arbeitszeitverluste und der Ausgaben des Patienten
und seiner Angehörigen.
Die Patienten erhielten zusätzlich einen Fragebogen
zur Weiterleitung an ihren Hausarzt. In diesem
»Hausarztbogen« beantwortete der Arzt Fragen zur
Diagnosestellung inkl. der Beteiligung verschiedener
Arztgruppen an der Therapie, Anzahl der Behandlungs
termine, Überweisungshäufigkeiten, medikamentöse
Therapien, stationäre und Rehabilitationsaufenthalte
sowie eine evtl. Frühberentung.
Durch die Zusammenfassung der Daten aus der
PARTHOSStudie kann die Versorgung der
untersuchten PAHPatienten innerhalb des deutschen
Gesundheitssystems differenziert nach Schweregrad
der PAH abgebildet werden. Die Anzahl der Betroffenen
wird damit ebenso darstellbar wie häufige Therapie
maßnahmen, Versorgungsgrad oder Versorgungs
mängel. Des Weiteren können die Kosten der Versor
gung dieser Patienten aus verschiedenen Perspektiven
– der Patienten und Familien, der Leistungserbringer
und Kostenträger sowie der Gesellschaft – dargestellt
werden. Weiter werden die Bewegungen der Patienten
zwischen den Sektoren im deutschen Gesundheits
wesen und die Beteiligung der unterschiedlichen Fach
arztgruppen abgebildet. Deutlich werden auch
die Auswirkungen der PAH auf die Lebensqualität der
Patienten.
��
GLOSSAR
bottoM uP aPProacH
Dies bezeichnet einen Ansatz, um die direkten Kosten einer Gesundheitsleistung zu bewerten. Dabei wird jede
Komponente des Ressourcenverbrauchs geschätzt (z. B. Anzahl der Laboruntersuchungen, Medikamente)
und mit spezifischen Kosten pro Einheit dieser Ressource bewertet. Diese Art der Kostenbewertung führt zu einer
genaueren Einschätzung der Kosten als die Verwendung eines pauschalen Tagesatzes. q Top down approach
coMPliance
Bereitschaft des Patienten, bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuwirken oder eine verordnete
Therapie einzuhalten. Besonders wichtig ist Compliance z. B. bei Diabetikern und psychisch Kranken in
Bezug auf die Einnahme von Medikamenten, dem Befolgen einer Diät oder der Veränderung eines Lebensstils.
direKte Kosten
Direkte Kosten sind nur die Kosten, die sich direkt auf den Verbrauch einer bestimmten Gesundheitsleistung
beziehen, z. B. Medikamentenkosten, Arztkosten. q Indirekte Kosten
effectiVeness
Beschreibt die Wirksamkeit einer Maßnahme unter Routinebedingungen in der täglichen Praxis. Im Gegensatz
zur Efficacy (»Wirksamkeit unter Idealbedingungen«) untersuchen EffectivenessStudien die Frage: Wirkt die
Maßnahme unter den Bedingungen der Routineversorgung ? (Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.
cochrane.de/de/glossary#E) q Efficacy q Efficacy-Effectiveness-Kontroverse
efficacy
Beschreibt die Wirksamkeit einer Maßnahme unter den Idealbedingungen einer klinischen Studie.
EfficacyStudien zeichnen sich durch hohe Glaubwürdigkeit aus und sind möglichst frei von systematischen
Fehlern, die Ergebnisse sind jedoch möglicherweise nur bedingt auf die Routineversorgung übertragbar.
(Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.cochrane.de/de/glossary#E) q Effectiveness q Efficacy-Effec
tiveness-Kontroverse
efficacy-effectiVeness-KontroVerse
Der Nachweis der Wirksamkeit eines neuen Medikaments wird unter kontrollierten Bedingungen erbracht.
Diese treffen möglicherweise nur auf einen geringen Teil der Patienten zu, die das Medikament später verwenden.
Z.B. haben die in der Praxis behandelten Patienten, anders als die Teilnehmer an klinischen Studien, vielfach
mehrere Erkrankungen, werden mit mehreren Medikamenten behandelt oder weisen einen anderen demo
graphischen bzw. ethnischen Hintergrund auf. Eine Studie, die die Wirksamkeit in der Praxis untersucht, ist jedoch
kaum in der Lage, valide Aussagen über die Efficacy einer Maßnahme zu machen. Dieses Dilemma ist z. B.
im Zusammenhang mit Praxisleitlinien relevant: Beruhen ihre Empfehlungen vorwiegend auf den Ergebnissen
von kontrollierten klinischen Studien, sind die Empfehlungen der Leitlinie jedoch möglicherweise nur bedingt
auf eine reale Praxissituation anwendbar. q Efficacy q Effectiveness
�0
ePideMiologie
Lehre von der Untersuchung der Verteilung von Krankheiten, physiologischen Variablen und sozialen
Krankheitsfolgen in menschlichen Bevölkerungsgruppen, sowie der Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen
(WHODefinition).
eVidenZ
Der Begriff »Evidenz« im Kontext der Evidenzbasierten Medizin leitet sich vom englischen Wort »evidence« =
Nach, Beweis ab und bezieht sich auf die Informationen aus klinischen Studien, die einen Sachverhalt
erhärten oder widerlegen.
(Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.cochrane.de/de/glossary#E) q Evidenzbasierte Medizin
eVidenZbasierte MediZin
Unter Evidenzbasierter Medizin (EbM) oder evidenzbasierter Praxis im engeren Sinne versteht man
eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung
stehenden Daten zu versorgen. Diese Technik umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz
in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritischen Beurteilung der Validität der
Evidenz nach klinischepidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten
Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und
der Vorstellungen der Patienten.
(Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.cochrane.de/de/glossary#E) q Evidenz
exZessKosten
Die Exzesskosten einer Krankheit beziehen sich auf die Kosten, die direkt mit dieser Krankheit in Verbindung
gebracht werden können. Es ist besonders wichtig, zwischen diesen und allgemein anfallenden Kosten zu
unterscheiden, die für die Behandlung eines Patienten innerhalb eines spezifischen Zeitraums anfallen, wenn der
Patient gleichzeitig mehrere Krankheiten hat. Zum Beispiel kann ein diabetischer Patient sowohl Kosten für
die Behandlung des Diabetes, wie auch für die Behandlung seines Asthmas verursachen, zur Beurteilung der Exzess
kosten des Diabetes müssen die durch das Asthma verursachten Kosten jedoch ausgeschlossen werden.
Health Services Research Engl. für »Versorgungsforschung« q Versorgungsforschung
HuManKaPital-ansatZ
Die am häufigsten verwendete Methode, um die indirekten Kosten einer Gesundheitsleistung/intervention zu
ermitteln. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass Gesundheitsausgaben aus volkswirtschaftlicher Sicht
gleichzeitig auch eine Investition in den Erhalt der Fähigkeit zur Berufsausübung der Patienten, das Human
kapital, darstellen. Demnach sind die indirekten Kosten einer Krankheit genau so groß wie der Verlust an
Arbeitspotenzial, der einer Volkswirtschaft durch krankheitsbedingtes Fernbleiben oder eingeschränkte Leistung
am Arbeitsplatz entsteht.
�1
indireKte Kosten
Bezeichnung für Kosten, die zusätzlich zu den direkten Kosten, die mit Verbrauch einer bestimmten
Gesundheitsleistung assoziiert sind, anfallen können und ebenfalls quantifiziert werden können, z. B. die Kosten
des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls. q Direkte Kosten q Humankapital-Ansatz
inZidenZ
Die Inzidenz beschreibt die in einem bestimmten Zeitraum neu aufgetretene Anzahl an Krankheitsfällen in einer
definierten Population. (Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http://www.cochrane.de/de/glossary#I) q Prävalenz
KliniscHe forscHung
Klinische Forschung beinhaltet die gezielte Suche nach neuen Arzneimittelwirkstoffen und die Entwicklung
neuer Medikamente.
KliniscHe studie
Ein Oberbegriff für eine Studie, in der eine Intervention, wie z. B. ein Medikament an einer Gruppe von
Patienten untersucht wird. Dabei gibt es verschiedene Studientypen, z. B. nicht kontrollierte, kontrollierte und
randomisierte klinische Studien.
KoMorbidität
Die gleichzeitige Koexistenz zweier oder mehrerer Krankheiten bei einem Patienten, z. B. ein Patient, der
gleichzeitig an Diabetes und an Asthma erkrankt ist.
längsscHnittuntersucHung
Vergleichende Beobachtungsstudie, in der Personen mit bzw. ohne eine Intervention/Exposition (zu der sie
nicht von dem Studienarzt zugeteilt wurden) über einen definierten Zeitraum beobachtet werden, um Unterschiede
im Auftreten der Zielerkrankung festzustellen.
(Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.cochrane.de/de/glossary#K »Kohortenstudie«) q Querschnitt
untersuchung
MatcHing/MatcHed Pairs
Eine Analyseform, bei der sowohl die Patienten der Interventions, wie der Kontrollgruppe so ausgewählt
werden, dass sie beide über ein oder mehrere gemeinsame Charakteristika verfügen, z. B. dasselbe Alter.
(Quelle: http:/ /www.biologyonline.org/dictionary/Matchedpairßanalysis).
naturalistiscHe studie
Studienart, bei der der Forscher oft über einen verlängerten Zeitraum hinweg ein bestimmtes Verhalten
oder Phänomen so genau wie möglich im natürlichen oder alltäglichen Umfeld beobachtet und beschreibt.
Dabei versucht der Forscher, so wenig Einfluss wie möglich auf das Verhalten oder Phänomen auszuüben.
Im medizinischen Zusammenhang bezieht sich dies normalerweise auf die Beobachtung von Menschen in
ihrem täglichen Umfeld.
PräValenZ
Die Prävalenz beschreibt den Anteil Erkrankter an der Gesamtzahl einer definierten Population zu einem be
stimmten Zeitpunkt. (Quelle: Deutsches Cochrane Zentrum, http:/ /www.cochrane.de/de/glossary#P) q Inzidenz
��
ProsPeKtiVe analyse
In prospektiven Analysen werden Daten parallel zum Krankheits bzw. Therapieverlauf erhoben. Anders als bei
retrospektiven Studien werden in prospektiven Studien keine Daten vergangener Abläufe erfasst, sondern parallel
zur laufenden Behandlung der Patienten Originaldaten erhoben. q Retrospektive Analyse
QuerscHnittuntersucHung
Untersucht die Beziehung zwischen Krankheiten und bestimmten Variablen, die in einer bestimmten Bevölkerungs
gruppe zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt existieren. q Längsschnittuntersuchung
registerstudie
Eine Registerstudie versucht die Informationslücke zwischen den idealisierten, nicht alltäglichen Umständen
einer klinischen Studie und der tatsächlichen alltäglichen klinischen Praxis zu schließen, indem alle als
relevant definierten Patientendaten und Therapien (auch im zeitlichen Verlauf) dokumentiert sind. Dadurch
entsteht ein genauerer Eindruck der tatsächlichen Behandlungssituation.
retrosPeKtiVe analyse
In retrospektiven Analysen werden Daten eines zurückliegenden Zeitraumes erhoben, z. B. aus Patienten
akten, Datenbanken oder Registern. Es erfolgt keine Erfassung von Originaldaten parallel zum Krankheits bzw.
Therapieverlauf der Patienten. q Prospektive Analyse
surVey
Wissenschaftliche Methode, um systematisch Informationen über ein Thema zu gewinnen, z. B. das
Vorkommen einer bestimmten Krankheit in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Eine Survey kann z. B. mittels
eines per Post verschickten Fragebogens oder als persönliche Umfrage durchgeführt werden.
toP down aPProacH
Dies bezeichnet einen Ansatz zur Bewertung der direkten Kosten einer Gesundheitsleistung. Dabei wird von
einem Pauschalbetrag ausgegangen, und mit Hilfe von zusätzlichen Daten, wie z. B. Raumauslastung,
versucht, diesen individuelleren Gegebenheiten anzupassen, um eine genauere Schätzung der direkten Kosten
zu ermöglichen. q Direkte Kosten q Bottom up approach
VersorgungsforscHung
Versorgungsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der
Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Dienstleistungen und Produkten unter Alltagsbedingungen. Dazu studiert
die Versorgungsforschung wie Finanzierungssysteme, soziale und individuelle Faktoren, Organisations
strukturen und prozesse und Gesundheitstechnologien den Zugang der Patienten und Versicherten zur Kranken
und Gesundheitsversorgung sowie deren Ergebnisse (outcome), Qualität und Kosten beeinflussen. Gegen
stand der Versorgungsforschung ist die »letzte Meile« des Gesundheitssystems, d. h. sie zeichnet sich durch ihre
besondere Nähe zur klinisch praktischen Patientenversorgung der ärztlichen Tätigkeit aus.
(Quelle: Bundesärztekammer; http:/ /www.bundesaerztekammer.de/35/index.html)
��
Literatur
1 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001), Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III : Über-, Unter- und Fehlversorgung. Gutachten 2000/2001
2 Aufgaben der Versorgungsforschung modifiziert nach Pfaff, H.; »Versorgungsforschung« – Vortrag vor der Delegiertenkonferenz der AWMF am 12. November 2005 in Frankfurt a. M.
3 Köster I. et al. ( 2006), Heterogenität der Kosten bei Patienten mit Diabetes mellitus : Die KoDiM-Studie Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131 : 804-810
4 Querschnittstudie »Barrieren der Insulintherapie«. Diabetes und Stoffwechsel 2005; 14 ( Suppl. ) : P386.
5 Brandle et al. ( 2003), The direct medical costs of type 2 diabetes. Diabetes Care 2003; 26: 2300-04
6 Henriksson et al. ( 2000), Direct medical costs for patients with type 2 diabetes in Sweden. Journal of Internal Medicine 2000; 284: 387-396
7 Köster I. ( 2004), Die Kosten des Diabetes mellitus – Ergebnisse der KoDiM-Studie. Vortrag anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft ( ddg) 21.5.2004
8 PMV-Forschungsgruppe ( 2005), Die Kosten des Diabetes mellitus – Ergebnisse der KoDiM-Studie; 2005: www.pmvforschungsgruppe.de
9 Redekop et al. ( 2002), Resource consumption and costs in Dutch patients with Type 2 diabetes mellitus Results from 29 general practices. Diabetic Medicine 2002; 19: 246-253
10 Selby et al. ( 1997), Excess costs of medical care for patients with diabetes in a managed care population. Diabetes Care 1997; 20: 1396-1402
11 Freemantle (2005), Reale-Welt-Studien zur Beantwortung von Reale-Welt-Fragen. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130: S77-S81
12 Göke ( 2005), Vorstellung der Reale-Welt-Studien für Inhalatives Insulin. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130: S91-S94
13 Böhler et al. ( 2007), Unmet needs in the diagnosis and treatment of dyslipidemia in the primary care setting in Germany. Atherosclerosis 2007; 190 (2): 397-407
14 Pittrow et al. ( 2006), Prävalenz, medikamentöse Behandlung und Einstellung des Diabetes mellitus in der Hausarztpraxis. Medizinische Klinik 2006; 101 (8): 635–44
15 Wittchen et al. ( 2005), Cardiovascular risk factors in primary care : methods and baseline prevalence rates – the DETECT program. Current Medical Research and Opinion 2005; 21: 619–629
16 Wittchen ( 2006), Diabetes mellitus und HerzKreislauf-Erkrankungen in der Hausarztpraxis : Ergebnisse einer bundesweiten Versorgungsstudie an über 55.000 Patienten ( detect). Hauptstadtkongress Berlin, 17.-19.05.2006
17 Gaudig et al. ( 2006), IDA – Initiative Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin; In : Weatherly et al. ( Hrsg. ); Leuchtturmprojekte integrierter Versorgung und medizinischer Versorgungszentren, Berlin 2007: 101-109
18 Großfeld-Schmitz et al. ( 2006), Initiative Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin: Notfall & Hausarztmedizin 2006, Suppl. 3 Herz und Gefäße : 59-63
19 Lauterberg et al. ( 2007), Projekt IDA – Konzept und Umsetzung einer cluster-randomisierten Studie zur Demenzversorgung im hausärztlichen Bereich; Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung 2007; 101: 21-26
��
Pfizer Deutschland GmbH
Policy Affairs
Pfizerstraße 1
D 76139 Karlsruhe
www.pfizer.de
Ihre Ansprechpartner:
Peter Marx Christine Haag
Telefon 0721 6101 185 Telefon 0721 6101 9471
Telefax 0721 6203 185 Telefax 0721 6203 9471