ute raasch - topaz, die handori

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Leseprobe: Topaz, die Handori. Taschenbuch, 198 Seiten, ISBN: 978-3-86196-142-0. Topaz ist aufgrund widriger Umstände gezwungen, ihre Heimatwelt Handor zu verlassen. In den nun folgenden Jahren reist sie kreuz und quer durch die Galaxie. Auf Solja begegnet sie schließlich Captain Sanderson und seiner Crew, die mit dem Erdenschiff Pioneer fernab der Erde unterwegs sind, um zu forschen und Freundschaften zu fremden Völkern aufzubauen.

TRANSCRIPT

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Melanie WittmannTitelbild: Ute Raasch

1. Auflage 2012ISBN: 978-3-86196-142-0

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

(©) 2012 by Papierfresserchens MTM-Verlag - TOMA-EditionHeimholzer Straße 2, 88138 Sigmarszell, Deutschland

www.papierfresserchen.de [email protected]

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Ute Raasch

Topazdie Handori

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Im Jahr 3173 der alten Zeitrechnung herrschten auf Han-dor bürgerkriegsähnliche Zustände. Es gab einflussreiche Clans sowie Gruppierungen unter den Bauern, der ärmeren Stadtbevölkerung und einzelnen Berufsgruppen. Und jeder kämpfte gegen jeden. Besonders nachts wagte sich niemand mehr auf die Straße, obwohl es bald auch am Tage immer häufiger dazu kam, dass zwei verfeindete Parteien aufeinan-dertrafen. Die wenigen gemäßigten Stimmen, die zur Ver-nunft aufriefen, wurden nicht mehr gehört. Der Planet ver-sank in Gewalt. Und wer es geschafft hatte, den zahlreichen Kämpfen zu entgehen oder diese zu überleben, wurde nicht selten vom Hunger oder von Krankheiten dahingerafft.

Seit dem Ausbruch der ersten Unruhen wurde Handor im-mer seltener von anderen Völkern angeflogen. Es sprach sich in der Galaxis herum, dass man auf Handor nichts gewinnen, sondern im Gegenteil – sein Leben verlieren konnte. Und schließlich war Handor ein isolierter, vergessener Planet.

Umso erstaunlicher war es, dass eines Tages doch ein Frem-der auftauchte. Er nannte sich Halen, und nach seiner Her-kunft gefragt, sagte er nur, er sei ein Mensch von der Erde und sein Heimatplanet sei sehr weit weg. Er sammelte die wenigen um sich, die Gewalt verabscheuten, und machte sich dann unerschrocken daran, jede einzelne der verfeindeten Partei-en aufzusuchen. Es gelang ihm tatsächlich, sie alle an einen Verhandlungstisch zu bringen, und nach langwierigen, zähen Verhandlungen hatte man – wenn auch am Anfang einen et-was wackligen und brüchigen – Frieden zustande gebracht.

Prolog

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Erst als sie an den Wiederaufbau ihres zerstörten Planeten gingen, begriffen die Handori, dass sie kurz davor gestanden hatten, sich selber auszurotten. Und so begann ein neues Zeit-alter.

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Die junge Frau saß immer noch starr vor Schreck zwischen den Bäumen. Was sie da eben ungewollt mit angehört hatte, machte sie fassungslos. Angst schnürte ihr die Kehle zu und machte sie handlungsunfähig. Aber ganz langsam erwachte sie aus der Starre – sie musste hier weg, und zwar schnell. Topaz sah sich um. Nein, es war niemand mehr da. Schnell stand sie auf und ging nach Hause.

Unterwegs zwang sie sich unter Aufbietung aller ihrer Kräfte, rational zu denken. Ihr Inneres war in Aufruhr und immer wieder stiegen Angst und Panik in ihr auf. Aber sie durfte nicht panisch werden. Wichtig war nur, dass sie noch heute Nacht von Handor verschwand. „Ioto“, dachte sie. Ja, Ioto war gut. Es gab alle zwei Stunden einen Flug zu diesem Mond, da sich dort Minen befanden. Viele Arbeiter und An-gestellte, die auf Ioto ihren Lebensunterhalt verdienten, lebten auf Handor. Sie nickte gedankenverloren.

Zu Hause angekommen ging sie zunächst zu ihrer Com-puterkonsole, um festzustellen, wann der nächste Flug startete – in etwa einer Stunde. Da nur noch wenige Plätze frei waren, buchte sie direkt einen für sich. Das war nicht weiter verdäch-tig, es gab schließlich auch einen botanischen Garten auf Ioto, in dem sie schon des Öfteren gearbeitet hatte. Selbst wenn Loran, was sie doch sehr bezweifelte, heute Nacht auf die Idee kommen sollte, die Passagierlisten durchzusehen, würde es ihm nicht weiter auffallen.

Schnell warf sie einige Kleidungsstücke in eine kleine Rei-setasche, mehr wollte sie nicht mitnehmen, denn sie musste

Handor, 340, neue Z

eitrechnung

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mit leichtem Gepäck reisen. Sie steckte noch ihre Bargeldre-serve und die Scheckkarte ein. Auf Ioto würde sie bei der dor-tigen Bankfiliale ihr Konto auflösen und sich alles auszahlen lassen. Dann konnte sie künftig alles Weitere mit Bargeld be-zahlen und es war nicht ganz so leicht, ihre Spur zu verfolgen.

Sich in ihrem Zimmer umsehend, ob sie auch alles ein-gepackt hatte, durchzuckte sie ein Gedanke. Wenn sie einfach verschwand, würde Loran vermutlich sofort anfangen, nach ihr zu suchen. Rasch setzte sie sich noch einmal an die Com-puterkonsole und verfasste eine kurze Nachricht an ihn. Da-rin teilte sie ihm mit, dass sie nach Ioto hätte fliegen müssen, aber in ein paar Tagen zurück sei. Sie nahm ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum Raumhafen. Hier lief alles glatt. Sie holte am Terminal ihr bestelltes Ticket ab und stellte sich dann in die bereits wartende Schlange zum Einstieg in das Flugshuttle. Es ging zügig voran und bereits nach kurzer Zeit konnte sie auf ihrem Sitz Platz nehmen.

Der Flug nach Ioto dauerte nur eine halbe Stunde. Dort angekommen eilte sie zunächst zur Bankfiliale, die Tag und Nacht geöffnet war. Der Schalterbeamte sah sie zwar etwas befremdlich an, zahlte ihr aber anstandslos ihre Ersparnisse aus. Anschließend suchte sie noch die Toilette auf und ver-staute ihr Geld in der kleinen flachen Tasche, die sie unter der Kleidung trug. Nur einen geringen Teil ließ sie in ihrer Gür-teltasche, um damit den Weiterflug und sonstige Ausgaben zu bezahlen. So ausgestattet machte sie sich auf den Rückweg zum Raumhafen.

Ein Blick auf die Abflugtafel zeigte ihr, dass bereits in zehn Minuten das nächste Schiff ablegte, allerdings ging der Flug über den nächstgelegenen Mond Iaka, auf dem einige Hand-ori eine Kolonie gegründet hatten, und dann nach Togana und Wollan. Diese beiden Planeten waren nicht sehr einladend, da

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es sich um reine Industriegesellschaften handelte. Und nach Iaka wollte sie natürlich erst recht nicht. Trotzdem entschied sie sich dafür, diesen Flug zu nehmen, und zwar bis Wollan. Ansonsten hätte sie die halbe Nacht auf Ioto verbringen müs-sen, was unter den gegebenen Umständen für sie überhaupt nicht infrage kam.

Sie kaufte sich das Ticket und ging an Bord. Zu ihrem Glück gab es sogar noch eine freie Einzelkabine. Sie fragte einen Steward nach dem Weg, eilte dorthin und machte dann aufatmend die Tür hinter sich zu. Jetzt fiel die bisher müh-sam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung von ihr ab. Tränen liefen über ihr Gesicht, und sie ließ sich aufs Bett fallen. Wie hatte sie nur glauben können, dass ein Mann wie Loran sie lieben würde? Wie ein Film lief das Geschehen, dessen Zeuge sie geworden war, wieder vor ihrem geistigen Auge ab.

Des Öfteren ging sie abends noch in den nahe gelegenen Park. Das Leben auf Handor war nicht immer leicht für sie und so ge-noss sie es, dort hinter dichtem Gebüsch verborgen unter den ur-alten Bäumen zu liegen, in den Himmel zu schauen und vor sich hinzuträumen. Die Handori blieben nach Anbruch der Dämme-rung lieber zu Hause – eine Angewohnheit aus alten Tagen, als Handors Straßen und Plätze noch sehr gefährlich waren.

Als sie heute dort unter den Bäumen ihren üblichen Träumen nachhing, hörte sie plötzlich Stimmen, die näher kamen. Sie ver-hielt sich ganz still, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Die Personen würden sicherlich vorbeigehen und wären gleich verschwunden. Aber ganz plötzlich verstummten die Stimmen. Sie lugte vorsichtig zwischen den Büschen hindurch. Es waren zwei, die sie allerdings nur schemenhaft erkennen konnte. Jetzt kamen sie genau auf sie zu, blieben dann aber einige Meter vor ihrem Versteck stehen und küssten sich inniglich. Als die Gestalten sich voneinander lösten, erkannte sie Loran und Dr. Tulsa.

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„Ich zähle schon die Stunden, bis wir endlich zusammenleben können.“

„Hab noch ein wenig Geduld. Die Vorbereitungen für die Hochzeit nehmen halt etwas Zeit in Anspruch. In vier Wochen werde ich diese widerwärtige Kreatur ganz im Stillen heiraten und nach der Hochzeit in ihrem Zimmer einsperren. Dort kann sie dann verrotten. Wie kann dieses Subjekt bloß glauben, jemand könne sie lieben?“ Loran verzog angeekelt das Gesicht, schüttelte sich und setzte höhnisch hinzu: „Aber ich bin natürlich ein treu sorgender Ehemann und hole einen Arzt zur ständigen Betreuung meiner ach so kranken Frau ins Haus.“ Als er weitersprach, hatte seine Stimme wieder einen zärtlichen Klang. „Und dann können wir endlich zusammenleben, ohne dass es jemand bemerkt, mein Geliebter.“

„Es fällt mir halt schwer, noch so lange zu warten, aber ich sehe ein, dass es sein muss.“ Tulsa schwieg einen Moment. „Aber das mit dem Kind solltest du dir noch mal überlegen. Ich bin immer noch nicht überzeugt davon, dass dir das wirklich den Einfluss bringt, den du dir erhoffst.“

„Ich weiß nicht, dieses Kind – vor allem, wenn seine Mutter nicht mehr in der Öffentlichkeit auftaucht – könnte mir doch er-heblich nützen bei meiner Karriere. Aber ich werde mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen, wenn du solche Bedenken dagegen hast. Du musst schließlich die Befruchtung bei ihr durch-führen. Es kostet mich schon Überwindung, diese Kreatur auch nur zu umarmen. Wenn ich daran denke, ich sollte mit ihr ...“ Er ließ den letzten Teil des Satzes unausgesprochen, aber es war offensichtlich, was er meinte. Zudem verzog er angewidert das Gesicht.

„Gut. Aber lassen wir das für heute. Es ist bereits dunkel ge-nug. Wollen wir noch zu mir gehen? Wir werden uns ja jetzt eine Zeit lang nicht mehr sehen.“

Topaz konnte das Verlangen nicht nur aus seiner Stimme he-raushören, sie nahm es auch körperlich mit ihren telepathischen

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Fähigkeiten wahr. Die beiden gingen auf den Weg zurück und entfernten sich plaudernd.

Ganz allmählich beruhigte sich Topaz wieder und schob die Gedanken an die vergangenen Stunden beiseite. Ihre tele-pathischen Fähigkeiten hatten ihr bei Loran nicht weiterge-holfen. Seit Jahrzehnten bereits kannten die Handori Mittel und Wege, sich gegen telepathische Zugriffe abzuschotten. Je-der Handori, der in einer gehobenen Position in Politik oder Wirtschaft arbeitete, nahm an einer speziellen Schulung teil, auch Loran, der als Abteilungsleiter im Büro des Premiermi-nisters tätig war. Tulsa war Topaz nur ein einziges Mal zufällig auf der Straße begegnet, und Loran hatte ihn als seinen Arzt vorgestellt. Warum sie damals nichts von Tulsas Gefühlen be-merkt hatte, konnte sie nicht sagen. Vielleicht, weil es am An-fang ihrer Beziehung zu Loran und sie viel zu sehr mit ihren eigenen Gefühlen beschäftigt gewesen war.

Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Wenn sie früher etwas bemerkt hätte, was hätte sie dann getan? Loran zur Rede gestellt? Damit hätte sie vermutlich das ihr von ihm zugedachte Schicksal nur beschleunigt. Während sie über das vergangene Geschehen nachgegrübelt hatte, erreichten sie Iaka. Durch die leichte Erschütterung beim Andocken wur-de sie darauf aufmerksam. Angespannt lag sie auf dem Bett und lauschte auf jedes Geräusch außerhalb ihrer Kabine. Der Aufenthalt hier betrug nur eine Stunde, die ihr aber wie eine Ewigkeit vorkam. Endlich nahm sie das leise Summen der Motoren wahr, als sie wieder abflogen.

Ein leises Grummeln ließ sie zusammenfahren, dann be-merkte sie, dass es ihr eigener Magen war. Sie schalt sich sel-ber eine Närrin, schließlich hatte sie seit – sie sah auf ihren Chronometer: es war weit nach Mitternacht – gestern Mor-gen nichts mehr gegessen. Vermutlich gab es hier an Bord ein

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Restaurant, aber sie wollte sich nicht so lange in der Öffent-lichkeit zeigen. Dafür waren sicherlich noch zu viele Handori an Bord, und sie war nicht gerade unauffällig – zumindest nicht für einen Handori.

Ihr Blick fiel auf eine Computerkonsole. Sie aktivierte diese und stellte fest, dass sie richtig vermutet hatte: Es gab eine Übersicht über die öffentlich zugänglichen Bereiche des Schiffes. Auf dem Promenadendeck waren mehrere kleinere Geschäfte verzeichnet, unter ihnen auch zwei Imbissstände. Dorthin würde sie gehen und sich etwas zu Essen besorgen, das sie in der Kabine zu sich nehmen konnte. Sie überlegte kurz. Beim Einstieg hatte sie mehrere Passagiere gesehen, die ihren Kopf verhüllt hatten. Es würde also vermutlich nicht auffallen, wenn auch sie ein Tuch um den Kopf trug. Sie nahm einen großen breiten Schal aus ihrer Reisetasche und drapierte ihn um ihren Kopf. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie völlig verheult aussah. Also noch mal das Tuch runter und Gesicht waschen. Ja, jetzt sah sie besser aus. Sie schlang das Tuch wieder um und verließ dann die Kabine.

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