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Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2017
Festpredigt zur Kirchturmsegnung
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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2017 Festpredigt zur Kirchturmsegnung Msgr. Christoph Casetti Predigttext von Domherr, Msgr. Christoph Casetti.
Der alte Turm im neuen Schindelkleid.
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Hl. Messe zur Abschluss der Kirchturmsanierung 30. Sept. 2017
Gedenktag des heiligen Hieronymus
2 Tim 3, 14-17 (vom Gedenktag) Lk 14,25 - 33
Predigt:
Sie haben mich eingeladen, mit Ihnen den Abschluss der Sanierung des
Kirchturms in einer heiligen Messe zu feiern. In meinem doch schon längeren
Priesterleben ist es das erste Mal, dass ich einen Kirchturm segne. Sie haben
mich damit in eine gewisse Verlegenheit gebracht. Nicht einmal der Bischof
konnte mir wirklich weiterhelfen.
Doch was macht der moderne Mensch in einer solchen Situation? Er "googelt".
Das Ergebnis war nach längerem Suchen jedoch eher dürftig: Die Symbolik
des Christentums könne das Phänomen des Kirchturms nicht erklären.
Theologisch sei ein Kirchturm nicht notwendig. Dass der Turm sich zu einem
typischen Element des Kirchenbaus entwickelte, hänge mit der Rolle der
Kirchenglocke als eines akustischen Zeichengebers für die Gottesdienste und
die Uhrzeit zusammen. Dass der Kirchenturm als repräsentatives Symbol von
Macht und Größe kritisch wahrgenommen wurde, zeige sich darin, dass die auf
Demut und Bescheidenheit zielenden Orden der Zisterzienser, Dominikaner
und Franziskaner ein Verbot von Kirchtürmen für ihre Klöster erließen.
Kirchtürme hatten und haben oft neben ihrer eigentlichen Funktion auch
andere, zu denen sie wegen ihrer Höhe praktischerweise genutzt werden: Sie
dienen nicht nur zur Ankündigung der Gottesdienste oder der Zeit, sondern
auch zur Mitteilung, dass jemand gestorben ist. Sie können vor Feuer oder
anderen Gefahren warnen. Seit der Erfindung mechanischer Uhrwerke dienen
sie häufig als Uhrturm. Sie können als Wehr- und Fluchtturm gestaltet sein
oder in Meeresnähe auch als Leuchtturm. Heutzutage werden in den
Kirchtürmen manchmal auch Handy-Antennen eingebaut. Das etwa findet man
in Wikipedia. Dann wird man noch hingewiesen auf den Begriff der
"Kirchturmpolitik". Ob das in Untervaz ein Thema ist, kann ich nicht
beurteilen.
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Noch eine seelsorgliche Erfahrung fällt mir ein beim Thema Kirchturm. Nach
dem Erstbeicht-Unterricht in den Primarschulen in Zürich hatten die Kinder
manchmal dennoch Angst vor der Beichte. Ich habe nie ein Kind zum Beichten
gezwungen. Aber die Kinder, welche gebeichtet hatten, durften den Kirchturm
besteigen bis zu den Glocken hinauf. Die Neugier der Kinder hat bei fast allen
die letzte Angst vor der Beichte besiegt. Es wäre jetzt unfair, die Brücke zu
schlagen und zu sagen: Sie haben den Kirchturm saniert und gereinigt. Wäre
jetzt vielleicht die Zeit gekommen, die Seele zu sanieren und zu reinigen - mit
einer guten Beichte!
Nein, ich wähle einen anderen Weg. Nachdem die Google-Suche nicht so
ergiebig war, habe ich die Bibel aufgeschlagen. Das ist ganz im Sinne unseres
Tagesheiligen, des heiligen Hieroymus. Er hat das berühmte Wort geprägt: Die
Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen. Das Bild des Turmes hat in
der Bibel eine gegensätzliche Bedeutung. Im ersten Buch der Bibel begegnen
wir dem Turmbau zu Babel: Dann sagten sie: "Auf, bauen wir uns eine Stadt
und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit
einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen. Da
stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, welche die
Menschenkinder bauten" (Gen 11,4-5). Hier ist der Turm ein Symbol für den
menschlichen Hochmut und das Machtstreben. Sie kennen die Folge: Gott
verwirrt die Sprache der Menschen. Aber Hochmut und Machtstreben bleiben
eine ständige Versuchung für uns Menschen. Der Prophet Jesaja mahnt zu
seiner Zeit: "Denn der Tag des Herrn der Heere kommt / über alles Stolze und
Erhabene, / über alles Hohe - es wird erniedrigt -, über alle hoch ragenden
Zedern des Libanon / und alle Eichen des Baschan, über alle hohen Berge und
alle stattlichen Hügel, über jeden hohen Turm und jede steile Mauer, über alle
Tarschisch-Schiffe / und die kostbaren Segler. Die stolzen Menschen müssen
sich ducken, / die hochmütigen Männer sich beugen, / der Herr allein ist
erhaben an jenem Tag (Jes 2,12ff)".
Der Turm als ein Symbol für den menschlichen Hochmut, das soll unser
Kirchturm nicht sein.
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In der Bibel finden wir einen anderen, geradezu gegensätzlichen Gedanken: Im
Psalm 61 sagt der Beter zu Gott: "Du bist meine Zuflucht, / ein fester Turm
gegen die Feinde" (Ps 61,4). Und ähnlich steht es im Buch der Sprüche: "Ein
fester Turm ist der Name des Herrn, / dorthin eilt der Gerechte und ist
geborgen" (Spr 18,10). Hier bedeutet der Turm Zuflucht und Geborgenheit bei
Gott. Und das ist es doch, was wir uns alle wünschen, Zuflucht und
Geborgenheit bei Gott zu finden. Und genau das will uns ja auch die Kirche
schenken. Das dürfen wir immer wieder in der Kirche erfahren.
Allerdings ruft uns das heutige Evangelium noch etwas Wichtiges in
Erinnerung. Zwar dürfen wir den Kirchturm lesen als einen Finger, der zum
Himmel zeigt und uns daran erinnert, unser Leben auf Gott auszurichten. Denn
nur er kann uns ganz glücklich machen. Zugleich sagt uns das Evangelium: In
unserer Welt, wie sie nach dem Sündenfall beschaffen ist, hat das Glück,
welches Gott uns schenken will, seinen Preis. Es ist der Preis des Kreuzes, den
Jesus für uns bereits bezahlt hat. Aber er ruft uns in seine Nachfolge. Er bittet
uns, mit unserem Kreuz sein Kreuz mitzutragen. Dazu braucht es eine noch
grössere Entscheidung als die Entscheidung, einen Kirchturm zu sanieren und
dazu die notwendige Buchhaltung zu machen. Lassen wir uns immer wieder
vom Kirchturm zum Gebet und zum Gottesdienst rufen, damit unser Glaube
wachse, unsere Hoffnung stark werde und unsere Liebe sich immer mehr
entzündet für Jesus Christus, unseren Freund und Heiland. Amen.
Wir danken H.H. Domherr Casetti bestens für die freundliche
Wiedergabebewilligung
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 10/2017
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